WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept Statusbericht - LANDESHAUPTSTADT
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LANDESHAUPTSTADT WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept Statusbericht www.wiesbaden.de
Inhalt Vorwort Einleitung Integriertes Stadtentwicklungskonzept Wiesbaden 2030+ ........................................................6 Wiesbaden 2030+ im Dialog.................................................................................................................7 Lage und Struktur Die Landeshauptstadt in der Region................................................................................................ 10 Landschaft und Klimawandel............................................................................................................. 12 Siedlungsstruktur: Facettenreiche Stadtteile................................................................................ 16 Bevölkerung und Stadtgesellschaft.................................................................................................. 22 Themen in der Stadt Wohnen in Wiesbaden......................................................................................................................... 28 Arbeiten in Wiesbaden......................................................................................................................... 30 Mobilität in Wiesbaden....................................................................................................................... 32 Urbane Freiräume in Wiesbaden....................................................................................................... 34 Klimaschutz und Energie in Wiesbaden.......................................................................................... 36 Kultur in Wiesbaden............................................................................................................................. 38 Sport und Bewegung in Wiesbaden................................................................................................. 40 Zusammenfassung und Ausblick Status Quo: Das Kapital der Stadt.................................................................................................... 44 Blick in die Zukunft: Megatrends..................................................................................................... 46 Leitmotive für die Zukunft: Qualitätsziele..................................................................................... 50 Anhang Planungsgrundlagen............................................................................................................................. 54 Quellen..................................................................................................................................................... 58 Abbildungsnachweis............................................................................................................................. 64 1
Vorwort Liebe Wiesbadenerinnen und Wiesbadener, unsere Stadt wächst und verändert Leitlinie mit einer klaren Vorstel- Wir laden alle Wiesbadenerinnen sich. Die Stadtgesellschaft wird lung über unsere Zukunft und un- und Wiesbadener dazu ein, das bunter. Themen wie zum Beispiel sere Ziele und ganz besonders auch Leben in Wiesbaden mitzugestalten bezahlbarer Wohnraum für alle Be- über die Qualität, mit der wir diese und sich am Dialog zu beteiligen. völkerungsgruppen, gute Bildungs- Ziele erreichen wollen. und Betreuungsangebote für Ein erster wesentlicher Schritt Kinder, eine nachhaltige Mobilität Mit Wiesbaden 2030+ arbeiten wir dahin ist der hier vorliegende Sta- mit gut erreichbaren Arbeitsplät- an diesem ressortübergreifenden tusbericht. Er zeigt für Wiesbaden zen sowie Freiräumen als Orte der integrierten Leitbild für die lang- wichtige Handlungsfelder auf und Stadtkultur sollen unterschiedlichen fristige, zukunftsfähige Entwicklung veranschaulicht Chancen und Her- Lebensstilen Raum geben. Wies- unserer Stadt. ausforderungen. Er weist aber auch baden innerhalb der Metropolre- den Weg in einen breiten Bürgerdi- gion RheinMain zukunftsfähig und Die Zukunft unserer wachsenden alog und beleuchtet die Ergebnisse lebenswert zu gestalten ist das Ziel Stadt zu gestalten, ist jedoch keine der bisher eingebrachten Themen. des Prozesses Wiesbaden 2030+. Aufgabe, die nur Politik und Ver- waltung berührt. Wir wünschen uns für den vor uns Im 19. Jahrhundert bildete der liegenden gemeinsamen Prozess Dreiklang „Wasser – Villen – Grüne Wiesbaden 2030+ braucht wei- einen intensiven Austausch und ein Paradiese“ die Leitlinie der Entwick- tere Motoren und Ideengeber, die vielfältiges, abwechslungsreiches lungspolitik Wiesbadens. sich mit einbringen. Das integrierte und bereicherndes Miteinander aller Stadtentwicklungskonzept ist des- gesellschaftlichen Gruppierungen. Für das 21. Jahrhundert benötigen halb bewusst als offener Prozess wir eine Weiterentwicklung dieser angelegt. Februar 2017 Sven Gerich Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Wiesbaden 3
WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept 4
Einleitung 1 5
WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept Integriertes Stadtentwicklungskonzept Wiesbaden 2030+ Ein Integriertes Stadtentwicklungs- Warum braucht Wiesbaden ein lungskonzept Wiesbaden 2030+ im konzept für Wiesbaden Stadtentwicklungskonzept? Diskurs mit der Stadtgesellschaft Das Integrierte Stadtentwicklungs- Gesellschaftliche, wirtschaftliche Antworten finden. konzept Wiesbaden 2030+ nimmt und soziale Veränderungen prägen die Zukunft der Stadt in den Fokus. die Stadt. Das Stadtentwicklungs- Was ist ein Wiesbaden muss auf künftige Rah- konzept ist als Leitkonzept Naviga- Stadtentwicklungskonzept? menbedingungen reagieren und die tionshilfe, Impulsgeber und Diskus- Integrierte Planung steht für einen Vielfalt der Stadtteile mit unter- sionsplattform für diese Verände- aktiven Planungs- und Verände- schiedlichen Herausforderungen si- rungsprozesse. Es dient damit der rungsprozess, in dem unterschied- chern. Das besondere Flair der Stadt kommunalpolitischen Diskussion liche Ansprüche und Bedürfnisse soll bewahrt und gestärkt werden. und Entscheidungsfindung. wie zum Beispiel Verkehr, Umwelt, Der Schwerpunkt liegt dabei auf Energie, Wirtschaft, Soziales und der Weiterentwicklung des Wohn- Wer und wie viele werden wir sein? Kultur in einer Konzeption zusam- wertes und der hohen Lebens- und Wo und wie wollen wir wohnen und mengeführt werden. Die vielfälti- Umweltqualitäten. Gleichzeitig soll arbeiten? Wo kaufen wir ein? Wie gen Ausprägungen der Stadt sollen den Wünschen nach ausreichenden stellen wir uns die Innenstadt in dabei Berücksichtigung finden. Erweiterungsflächen für Arbeits- Zukunft vor? Welche Verkehrsmittel plätze und Wohnraum sowie einer werden wir nutzen? Wie und wo Das Integrierte Stadtentwicklungs- sinnvollen Mobilität Rechnung verbringen wir unsere Freizeit? Wie konzept ist nicht starr, sondern getragen werden. leben wir, wenn es wärmer ist und soll ein dynamisches Instrument Extremereignisse zunehmen? Was bleiben. Als informelles Planungs- Unter Beteiligung von Bürgern, macht die Stadt Wiesbaden einzig- instrument soll es die wichtigen Politik und Verwaltung sollen artig? Wie soll sie sich als Landes- räumlichen Leitlinien der Stadtent- Weichen für neue Entwicklungs- hauptstadt in der Zukunft in direk- wicklung in den kommenden 15 bis möglichkeiten gestellt und ein ter Nachbarschaft von Städten wie 20 Jahren beschreiben und die Basis Konzept erarbeitet werden, um die Frankfurt oder Mainz positionieren? für weitere Planungen und Projekte Qualitäten der Stadt besser zu bilden. identifizieren, zu kommunizieren Für diese und viele weitere Fragen und anschließend auch zu nutzen. soll das Integrierte Stadtentwick- Das Integrierte Stadtentwicklungs- konzept Wiesbaden 2030+ soll ein Themenvielfalt für die Gesamtstadt Konzept für das gesamte Wies- badener Stadtgebiet sein. Dabei können nicht für jede Fläche kon- krete Aussagen getroffen werden. Dennoch wird es für ausgewählte Flächen, die im Prozess als beson- dere Chancen und Stellschrauben der Stadtentwicklung erkannt wurden, vertiefende Aussagen geben. Mit konkreten Aussagen zu Stärken und Schwächen sowie der Benennung von Lösungsalternativen und Handlungsoptionen stellt das Konzept wünschenswerte Entwick- lungen dar. 6
Wiesbaden 2030+ im Dialog Alle Bürger sind dazu eingeladen, Warum sollte ich mitmachen? Wer arbeitet in der Stadt mit? sich im Rahmen des Beteiligungs- Das gemeinsame Arbeiten an einer Der Weg zu einem Integrierten prozesses in die Planung aktiv ein- großen Idee für Wiesbaden betont Stadtentwicklungskonzept Wies- zubringen. Außerdem wirken auch das „WIR-Gefühl“ in der Gesell- baden 2030+ beinhaltet neben der die Politik und die Verwaltung mit. schaft und es kann dazu beitragen, breiten Beteiligung und Information die Akzeptanz in der Bevölkerung der Öffentlichkeit eine verstärkte Wiesbaden 2030+ ist von Beginn an für Strategien, Ziele und Projekte Einbindung unterschiedlichster ein kommunikativer und jederzeit ihrer Kommune zur erhöhen. Fachleute der Stadtgesellschaft. transparenter Prozess: Während des Bearbeitungszeitraums werden Umso wichtiger ist es, dass sich Wesentlich für den gesamtstädti- vielfältige Beteiligungs- und Erörte- möglichst viele Wiesbadener in den schen Planungsprozess ist es, not- rungsmöglichkeiten angeboten. Planungsprozess aktiv einbringen wendige Informationen, Ideen und und die zuständigen Planer mit das umfangreiche Wissen der ver- Die Beteiligungsformen reichen Anregungen und Informationen aus schiedenen Fachbereiche innerhalb von Großveranstaltungen über den erster Hand versorgen. Nur so wird der Stadtverwaltung zu sammeln, fachlichen Austausch bis hin zu es möglich sein, ein Konzept zu gebündelt zusammenzuführen Einzelgesprächen. Die bisherigen entwickeln, das auf der einen Seite und auszutauschen. Daher ist die Veranstaltungen und Beteiligungs- an die aktuellen Gegebenheiten Stadtverwaltung von Anfang an mit schritte zeigten bereits ein großes anknüpft und auf der anderen Seite allen Fachbereichen, die zu einem Interesse. neue Ideen für die Zukunft Wiesba- Integrierten Stadtentwicklungskon- dens beinhaltet. zept beitragen, aktiv eingebunden. Das Stadtentwicklungskonzept wird unter Mitwirkung vieler Ämter erarbeitet. Gesamtprozess „Wiesbaden 2030+“ 1. Analyse 2. Qualitätsziele 3. Szenarien 4. Konzept Welche Stärken und Wo wollen wir hin? Wie könnte Wiesbadens Wie sieht die Zukunft Herausforderungen? Was ist künftig wichtig? Zukunft aussehen? Wiesbadens aus? Beteiligung Beteiligung Beteiligung Beteiligung Grundlagen Statusbericht Qualitätsziele Szenarien Beschluss Beteiligung: Mitwirkung der Stadtgesellschaft in der ersten Arbeitsphase Konzept • Auftaktveranstaltung mit Bürgerinnen und Bürgern • öffentliche Gespräche zur ausgewählten Themen der Stadtentwicklung • Werkstätten mit den Ortsvorsteherinnen und Ortsvorstehern • Interviews mit Schlüsselpersonen • Beiträge der Politik und der Ämter 7
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Lage und Struktur 2 9
WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept Die Landeshauptstadt in der Region Wiesbaden, die Landeshauptstadt Das Stadtgebiet umfasst eine Die Metropolregion mit rund 5,5 von Hessen, liegt in Südhessen im Fläche von etwa 20.300 Hektar. Mio. Einwohnern ist ein polyzent- Regierungsbezirk Darmstadt. Im Zusammen mit der angrenzenden risches Verdichtungsgebiet, dessen Westen und Norden grenzt der rheinland-pfälzischen Landeshaupt- wirtschaftlich und politisch wich- Rheingau-Taunus-Kreis, im Osten stadt Mainz bildet Wiesbaden ein tigste Städte Frankfurt am Main, der Main-Taunus-Kreis und im länderübergreifendes Doppelzent- Wiesbaden, Mainz und Darmstadt Süden Rheinland-Pfalz mit der Lan- rum in der Metropolregion Frank- sind. Aufgrund der zentralen Lage deshauptstadt Mainz an. Die Grenze furtRheinMain. Die enge Verknüp- in Europa ist die Metropolregion zwischen Wiesbaden und Mainz fung der beiden Hauptstädte wird internationaler Knotenpunkt für bildet der Rhein. Wiesbaden ist ei- auch dadurch deutlich, dass drei Güter, Dienstleistungen, Finanz- nes der zehn Oberzentren in Hessen Ortsteile von Wiesbaden heute noch und Informationsströme. Sie ist und mit rund 285.000 Einwohnern die Bezeichnung Mainz führen, ein bedeutender Messeplatz, aber (Stand 31.12.2015) die zweitgrößte nämlich Mainz-Amöneburg, -Kastel auch wichtiger Gewerbestand- Stadt Hessens. und -Kostheim. ort und beherbergt renommierte Wissenschaftseinrichtungen. Damit Die Metropolregion FrankfurtRheinMain bietet sie attraktive Arbeitsplätze und zählt zu den wirtschaft- lich bedeutendsten europäischen HESSEN Metropolregionen. Zudem tragen vielfältige Kulturangebote, urbane Stadträume, abwechslungsreiche Gießen Fulda Landschaften und Erholungsräume zu einer hohen Lebensqualität in der Region bei. RHEINLAND- Vernetzung als Standortfaktor für Bad Homburg vor der Höhe PFALZ Wiesbaden Frankfurt Hanau Die internationale Erreichbarkeit Wiesbaden am Main und die regionale Infrastruktur Offenbach am Main bilden wesentliche Standortfakto- BAYERN ren der Metropolregion. Wiesbaden Mainz Rüsselsheim Aschaffenburg profitiert von der guten verkehrli- Darmstadt chen Vernetzung in der Metropol- region: Neben der internationalen Erreichbarkeit durch die Nähe zum Frankfurter Flughafen gewährleis- ten das Autobahn- und Bundestra- Mannheim Ludwigshafen BADEN- ßennetz, aber auch die Angebote WÜRTTEMBERG des öffentlichen Verkehrs eine gute Heidelberg regionale und überregionale Anbin- dung. Ausbaufähig ist die direkte Metropolregion FrankfurtRheinMain Anbindung Wiesbadens an das Gebiet Regionalverband FrankfurtRheinMain europäische Hochgeschwindigkeits- Eisenbahnnetz. 10
Zugleich profitiert Wiesbaden von der wirtschaftlichen Bedeutung der Metropolregion. Auch die Nähe zur Messe Frankfurt bringt für Wies- baden wirtschaftliche Effekte, wie zum Beispiel für Dienstleistungen sowie den Tagungs- und Kongress- tourismus. Auch im Bereich der Regionalpark: Ausichtsturm am Mainufer in Mainz-Kostheim - Detail Gesundheitswirtschaft kann Wies- baden von der Lage in der Metro- polregion profitieren. aufgewertet und auch zukünftig tragen. Die Branchenschwerpunkte gesichert werden. Die Regionalpark- sind Finanzdienstleistungen, Bera- Wiesbaden ist selbst auch ein at- Rundroute verbindet auf 193 km tung, Logistik, Medien und Soft- traktiver Arbeitsstandort für umlie- rund 35 Kommunen über Kultur- wareentwicklung. Die Bildungsein- gende Landkreise und Gemeinden. landschaft, Wälder, Monumente der richtungen in der Metropolregion Rund 71.450 Personen pendeln von Industriekultur, Gärten und Parks bieten ein breites Angebot, insbe- ihrem Wohnort außerhalb Wies- sowie historisch bedeutende Orte. sondere durch die hohe Konzentra- badens zur Arbeit in die Landes- tion an Hochschulen, Kunsthoch- hauptstadt. Das sind mehr als 50 Wiesbaden fungiert als Bindeglied schulen und Forschungsinstituten. % der sozialversicherungspflichtig zum Rheingau-Taunus-Kreis und Daneben bietet die Metropolregion Beschäftigten in Wiesbaden. Die nach Mainz zum Regionalpark eine Vielzahl unterschiedlicher Mehrzahl der Einpendler kommt aus Rheinhessen-Nahe sowie als Ver- Wohnformen. den umliegenden Nachbarkommu- bindung zu den angrenzenden über- nen oder Kreisen, davon der größte regionalen Wanderwegen Richtung Da im internationalen Wettbe- Anteil aus dem Rheingau-Taunus- Taunus, Rheingau und Rheinhessen. werb die Profilierung von Städten Kreis, gefolgt von zahlreichen Be- Entlang der Regionalparkroute be- zunehmend an Bedeutung gewinnt, schäftigten von der linksrheinischen finden sich neben den vier reali- postuliert das Leitbild ‚Frankfurt/ Seite, aus der Stadt Mainz und dem sierten Regionalparkstationen vor Rhein-Main 2020 - die europäische Kreis Mainz-Bingen. Die meisten allem entlang des Rheins weitere Metropolregion‘ eine arbeitstei- Auspendler hingegen haben ihre Ar- Attraktionen, wie die Maaraue, die lige Entwicklung, basierend auf der beitsplätze in Frankfurt, gefolgt von Reduit, das Industrieensemble Dy- Vielfalt der Region. Als wesentlich Mainz und dem Main-Taunus-Kreis. ckerhoff, das Schloss Biebrich oder Merkmale Wiesbadens werden in der Schiersteiner Hafen. Zukünftig diesem Zusammenhang vor allem Landschaftliche Qualitäten sichern: ist auch eine Route für Radfahrer der Status Landeshauptstadt, die Po- Regionalpark als Verbindung zwischen Rhein und tenziale als Gesundheitsstandort, die Die vielfältigen landschaftlichen Wiesbadener Innenstadt über das landschaftlichen Qualitäten zwischen Qualitäten der Metropolregion Salzbachtal geplant. Rheingau und Taunusvorland sowie RhenMain werden durch den die attraktive Lage an Taunus und Regionalpark in Wert gesetzt und Die Rolle Wiesbadens in der Rhein genannt. gesichert. Hierfür vernetzen die arbeitsteiligen Region Regionalparkrouten die unter- Die Wirtschaft der Metropolregion schiedlichen Landschaftsräume wird sowohl durch kleine und zwischen den Siedlungsgebieten. mittelständische Unternehmen als Neben der Erholung und Identifika- auch durch global ausgerichtete tion der Menschen mit ihrer Region Konzerne und den Flughafen als sollen die vorhandenen Freiräume größtem Arbeitgeber der Region ge- 11
WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept Landschaft und Klimawandel Wiesbaden liegt am rechten Ufer Bereich der heutigen Innenstadt der Hitzebelastung. Zudem spenden des Rheins gegenüber der rhein- Wiesbadener Kessel gebildet. Nur Bäume und Sträucher Schatten und land-pfälzischen Landeshaupt- eine schmale Senke an der Ost- absorbieren einen Teil der Sonnen- stadt Mainz. Der Rhein ändert an flanke des Mosbacher Bergs, in der einstrahlung. Dadurch verhindern dieser Stelle seine Hauptrichtung die Gleisanlagen des Hauptbahn- sie die Erwärmung der darunter von Süden kommend nach Wes- hofs und die Mainzer Straße liegen, liegenden Bereiche. Somit erlangen ten. Das nördliche Stadtgebiet wird öffnet sich zum Rhein hin. Durch wohnortnahe Freiflächen während durch das Mittelgebirge Taunus mit diese Senke entwässert der Salz- der Hitzeperioden eine besondere seinem in nordöstlicher Richtung bach den Talkessel der Innenstadt. Bedeutung als klimatische Entlas- verlaufenden Hauptkamm begrenzt. tungsräume für die Bewohner. Das Stadtgebiet erstreckt sich von Stadtklima den Taunushöhen über das Taunus- Die unbebauten Flächen um Wies- Wasser in der Stadt vorland, den Wiesbadener Kessel baden bilden im Zusammenspiel mit Wiesbaden liegt am Zusammenfluss und den Rheingau hinunter zur den Bachtälern die Klimaanlage der von Rhein und Main und somit an Rheinebene, mit einem Höhenun- Stadt Wiesbaden. Die ausgedehnten Gewässern I. Ordnung. Den beiden terschied von mehr als 500 m. Der Wälder im Taunus wirken als Frisch- Flüssen fließen mehrere Bäche zu, höchste Punkt des Stadtgebietes luftproduzent, die großen landwirt- die ihre Quellen im Taunus haben. mit 608 m ü. NN liegt in der Nähe schaftlichen Flächen produzieren Im Talkessel sind viele Gewässerab- des Gipfels der Hohen Wurzel auf Kaltluft. Die von den bewaldeten schnitte verrohrt, gleichwohl aber dem Rheinhöhenweg, tiefster Punkt Hängen oder von den landwirt- noch in Form der Bachtäler deutlich ist die Hafeneinfahrt von Schier- schaftlichen Flächen abfließende wahrnehmbar. Kennzeichnend für stein mit 83 m ü. NN. Die Innen- Luft wird durch die Bachtäler in die Stadt sind darüber hinaus die stadt (Schlossplatz) liegt auf etwa die Innenstadt geleitet und trägt heißen Quellen im Innenstadtbe- 115 m ü. NN. dort zur Verbesserung der Luft und reich, wie zum Beispiel Kochbrun- des lokalen Klimas bei. Die Fluss- nen, Große und Kleine Adlerquelle, Kulturlandschaft zwischen Taunus landschaften von Rhein und Main Salmquelle, Schützenhofquelle und und Rhein wirken als regional bedeutsame Faulbrunnen. Neben dem Bach- Charakteristisch für Wiesbaden sind Ventilationsbahnen. system und der Lage an Rhein und sowohl die großflächigen Wälder Main sind die heißen Quellen eines des Taunus als auch die Kulturland- Darüber hinaus stellen vor allem der Alleinstellungsmerkmale der schaften mit Wein- und Obstanbau, die größeren Parkanlagen eigene Stadt Wiesbaden. Streuobstwiesen sowie intensiv Parkklimate dar, die temperatur- genutzte Ackerlandschaften des ausgleichend auf die unmittelbare Entlang der Flüsse und Bäche be- Wiesbadener ‚Ländchens‘, aber auch bebaute Umgebung wirken und steht die Gefahr von Hochwasser die Flusslandschaft von Rhein und als Entlastungsräume während der und Überschwemmungen, die sich Main. Hitzeperioden dienen. Aber auch im Zuge der Auswirkungen des Kli- kleinere Grünflächen und Vege- mawandels noch verstärken könnte. Die Bachtäler sind die verbinden- tationselemente in der Stadt, wie Hochwasser lässt sich nicht verhin- den Landschaftselemente zwischen Gärten, begrünte Dächer und Fas- dern und ein absoluter Schutz vor Taunus und Rhein, die wie die fünf saden sowie Straßenbäume, leisten Hochwasser ist auch nicht möglich. Finger einer Hand die Hauptverbin- wertvolle Beiträge zur Minderung Neben technischen Hochwasser- dungsadern bilden. Dort wo sich die der Hitzebelastung. Die Verduns- schutzanlagen tragen eine ent- Taunusbäche Wellritzbach, Kes- tungskälte der Vegetation trägt sprechende Vorsorge in Verbindung selbach, Schwarzbach, Dambach, zur Abkühlung der Umgebung bei, mit Hochwasserwarnungen und Aukammbach und Rambach zum insbesondere in stark verdichteten -vorhersagen zu einer Minimierung Salzbach vereinigen, hat sich im Bereichen mit hoher nächtlicher potenzieller Schäden bei. Das Ziel 12
Die Täler als prägendes Landschaftselement in Wiesbaden Leitstruktur... ...für das Stadtklima... ...für Stadt und Landschaft der städtischen Schutzmaßnahmen Klimawandel Schon geringe Änderungen bei den ist, dass selbst bei einem 100-jähr- In den vergangenen Jahrzehnten Mittelwerten der Jahrestemperatur lichen Hochwasser möglichst keine wurde ein Anstieg der mittleren können große Auswirkungen auf die Schäden entstehen. Temperaturen der erdnahen Atmo- Häufigkeit von Extremereignissen sphäre und der Meere beobachtet. haben. Höhere Temperaturen, ver- Gebiete, die bei einem Hochwasser Nach derzeitigem Kenntnisstand änderte Niederschläge und Extrem- mit 100-jährlicher Wiederkehr- führen vor allem anthropogene ereignisse spielen auf vielfältige wahrscheinlichkeit überschwemmt Einwirkungen zu den Klimaver- Weise zusammen und beeinflussen werden, wurden durch das Land änderungen. Sogenannte Treib- sich gegenseitig. Hessen als Überschwemmungsge- hausgase, wie Kohlendioxid (CO2), biete festgesetzt. Extreme Hoch- Methan und Lachgas reichern sich Eine Erhöhung der mittleren Jahres- wasser sind noch seltenere, aber in der Erdatmosphäre an, sodass temperatur hat eine Verlängerung mögliche Naturphänomene entlang weniger Wärmestrahlung von der der Vegetationsperiode und auch eines Flusses. In den flussnahen Erdoberfläche in das Weltall reflek- eine Veränderung der Jahreszeiten Wiesbadener Stadtteilen Schier- tiert werden kann. Vor allem der zur Folge. Die höheren Tempera- stein, Biebrich, Amöneburg, Kastel Konzentrationsanstieg von Koh- turen, aber auch die Zunahme der und Kostheim wären bei einer lendioxid wird für die Erwärmung, Sommertage, heißen Tage und Überflutung durch ein extremes aber auch für den zu erwarten- Tropennächte führen zu einer Ver- Hochwasser mehrere tausend Bür- den Klimawandel, verantwortlich stärkung des bereits bestehenden ger betroffen. Neben der Hoch- gemacht. Beispielsweise führen die Wärmeinseleffekts, vor allem in wassergefahr, die von den Flüssen Verbrennung fossiler Brennstoffe der Innenstadt sowie entlang der und Bächen ausgeht, können auch und die Entwaldung zur Zunahme Rhein-Main-Schiene. Dort liegen kleinräumige Starkregenereignisse von Kohlendioxid. die Temperaturen nachts bereits im Stadtgebiet Auswirkungen ha- Die Folgen der Klimaveränderung heute 4 bis 10 °C höher als über ben und vor allem in den Tallagen sind vielfältig. Es findet nicht nur den umliegenden landwirtschaft- zu Schäden führen. ein Temperaturanstieg statt, son- lichen Flächen. Dieser Effekt kann dern das gesamte Klima verändert durch den mit einem Klimawandel Zum Schutz des Grundwassers sich: Neben dem Temperaturanstieg verbundenen Anstieg der Tempera- insbesondere im Hinblick auf die treten zum Beispiel veränderte turen noch verstärkt werden. Damit Trinkwassergewinnung sind in Niederschlagsmuster, zunehmende verbunden ist beispielsweise ein Schierstein sowie im Taunus Was- Wetterextreme oder verstärktes sinkender thermischer Komfort, mit serschutzgebiete festgesetzt. Abschmelzen der Gletscher auf. 13
WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept erheblichen Auswirkungen auf die Für Wiesbaden zeichnen sich im menschliche Gesundheit. Zuge der Auswirkungen des Klima- wandels eine Zunahme der Jah- Infolge anhaltender Dürreperioden, resmitteltemperaturen und eine insbesondere in den Sommermona- Verschärfung des bereits vorhande- ten, können sich die Wasserressour- nen Wärmeinseleffekts ab. Zudem cen verknappen. Einerseits entste- ist eine Zunahme von Extremwet- hen eine starke Verdunstung und ter-ereignissen, wie Starkregen, ein erhöhter Bewässerungsbedarf. Stürme oder auch Hitzeperioden zu Andererseits verringern weniger erwarten, die in viele unterschied- Niederschläge und eine sinkende liche Lebensbereiche hineinwirken. Grundwasserneubildungsrate die Bereits in den vergangenen Jahren Wasserressourcen. war Wiesbaden von Extremwetter- ereignissen betroffen. Beispiels- Demgegenüber kann eine Zunahme weise führten Starkregenereignisse der Niederschläge sowohl zu loka- immer wieder zu Überflutungen im len Überschwemmungen als auch Stadtgebiet. zu einer Anreicherung der Wasser- ressourcen führen. Insbesondere Täler als Leitstruktur Starkregenereignisse haben weitrei- Die Taunushänge, die Bachtäler, chende negative Konsequenzen. die Quellen sowie Rhein und Main Die Jahresdurchschnittstemperatur prägen das Gebiet der Landeshaupt- in Wiesbaden liegt im Vergleich stadt Wiesbaden entscheidend. Die zu anderen Städten und Regionen besondere naturräumliche Situation bereits auf einem hohen Ausgangs- führt zu vielschichtigen Land- niveau. Insbesondere die tiefer gele- schafts- und Stadträumen. genen Stadtteile im Süden Wiesba- dens gehören bereits heute zu den In Wiesbaden erfüllen die stadt- wärmsten und niederschlagärmsten bildprägenden Bachtäler wichtige Gebieten Hessens. Die dicht bebau- natürliche und stadtklimatische ten und hochgradig versiegelten Funktionen, besonders auch im Stadtquartiere, vor allem in der In- Zuge des prognostizierten Klima- nenstadt sowie entlang der Rhein- wandels. Zugleich sind sie auch Main-Schiene, begünstigen die wichtige wohnortnahe Freizeit- und Ausbildung von städtischen Wär- Erholungsräume. meinseln mit erhöhten Temperatu- ren, reduzierter Sonneneinstrahlung und reduziertem Luftaustausch. Eine weitere Folge ist eine An- reicherung von Luftschadstoffen unter meteorologisch ungünstigen Bedingungen. Die Erwärmung dieser städtischen Räume macht bereits heute eine bessere Kühlung und Durchlüftung erforderlich. 14
Landschaftsstruktur Kartengrundlage: Stadtkarte 2011, Tiefbau- und Vermessungsamt Darstellungen entwickelt aus dem Flächennutzungsplan der Landeshauptstadt Wiesbaden (FNP 2003), Stadtplanungsamt Wald Landwirtschaft Täler und Gewässer Grünflächen wertvolle Biotopstrukturen Landschaftsbild prägende Baumreihen 15
WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept Siedlungsstruktur: Facettenreiche Stadtteile Stadt des Historismus höheren Beamten und Rentiers Keimzelle Wiesbadens sind die hei- geworden, die von ihren Pensionen ßen Quellen, die am Taunushang im beziehungsweise den Zinsen ihrer sogenannten Quellviertel innerhalb Vermögen lebten. des historischen Fünfecks liegen. In der Römerzeit gewann Wies- Aufgrund des starken Bevölkerungs- baden erstmals als Bäderstadt an wachstums von etwa 11.650 im Bedeutung. Das heutige Wiesba- Jahr 1840 auf rund 109.000 im Jahr den, damals Aquae Mattiacorum, 1910 waren umfangreiche Stadter- war ein militärischer Vorposten des weiterungen notwendig. In dieser Römischen Reichs und entwickelte Zeit entstanden große Villengebiete sich aufgrund seiner heißen Quellen an den Taunushängen im Osten und auch zu einer Siedlung mit mehre- Norden der Stadt. Leitgedanke war ren Thermen. ein fließender Übergang zwischen öffentlichen und privaten Grünbe- Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts reichen und der umgebenden Kul- entwickelte sich Wiesbaden mit tur- und Naturlandschaft im Sinne seinen Thermen zu einer der be- eines großen, zusammenhängenden deutendsten Kur- und Bäderstädte Landschaftsparks. Demgegenüber in Europa. Die Zahl der Kurgäste entstanden im Süden und Westen stieg enorm an und Wiesbaden des Historischen Fünfecks entlang schmückte sich mit dem Titel der Ringstraße, heute Kaiser-Fried- „Weltkurstadt“ und wurde als Nizza rich-Ring und Bismarckring, neue des Nordens bezeichnet. Wohngebiete, Promenaden, Alleen, Parks und Gärten für Hofgesell- Die erste planvolle Stadterweite- schaft und Kurgäste, aber auch rung, das Historische Fünfeck, ein Stadtquartiere mit Werkstätten und Straßenfünfeck im Stadtgrundriss, Mietwohnungen für Handwerker geht auf einen Generalbebauungs- und Dienstpersonal. plan von 1818 des Wiesbadener Stadtbaumeisters und Architek- Dem geringen Zerstörungsgrad die- oder Wasserturm. Diese baulichen ten Christian Zais zurück, um die ser historischen Stadtquartiere im Entwicklungen prägen bis heute das damals als unschön empfundene Zweiten Weltkrieg ist das vielfältige Stadtbild nachhaltig. Altstadt zu verbergen. historische Erbe dieser Zeit zu ver- danken. Vor allem wegen der erhal- Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs Nach der Annektierung durch Preu- tenen Gesamtanlage gilt Wiesbaden kam der Kurbetrieb zum Erliegen. ßen erfolgte der weitere Ausbau heute als „Stadt des Historismus“, Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Wiesbadens als Kurbad, Kongress- an der sich der Formenwandel und Wiesbaden Landeshauptstadt des stadt und Verwaltungssitz. In dieser die Stilvielfalt einer ganzen Epoche Landes Hessen, in der sich neben Zeit besuchte nicht nur Kaiser beispielhaft ablesen lässt. Behörden unter anderem zahlreiche Wilhelm II. regelmäßig die Stadt zur Verlage, Versicherungen sowie Be- Sommerfrische, sondern auch zahl- Das Kulturerbe des Industriezeital- triebe der Filmindustrie ansiedelten. reiche Adlige, Künstler und wohl- ters in der Wiesbadener Kernstadt Darüber hinaus spielt Wiesbaden habende Unternehmer kamen nach zeigt sich eher in touristischer und als Kur- und Kongressstadt sowie Wiesbaden. Die Stadt war zu einem technischer Infrastruktur, wie zum als ein bevorzugter Wohnort eine beliebten Ruhesitz von Offizieren, Beispiel Nerobergbahn, Bahnhof herausragende Rolle. 16
Wiesbaden aus der Vogelperspektive um 1908 - Panorama von Hans Lack, Stadtarchiv Wiesbaden Stadt an Rhein und Main bert oder die SCA-Cellulose-Fabrik erhalten die Stadtteile entlang Noch bis zum Beginn des 20. Jahr- in Kostheim. des Rheins und des Mains neue hunderts sollte die damalige „Welt- Entwicklungsmöglichkeiten. kurstadt“ Wiesbaden rauchfrei Erst die Eingemeindung von Bieb- gehalten werden. Die industrielle rich und Schierstein, die 1926 Das industrielle Erbe, wie beispiels- Entwicklung fand im 19. Jahrhun- zusammen mit Sonnenberg erfolgte, weise die Wärmetauschertürme der dert dementsprechend vor allem in machte Wiesbaden zu einer Stadt Firma Dyckerhoff, das Raiffeisensilo den südlich gelegenen Gemeinden am Rhein. Seit 1945 gehören zudem in Schierstein, aber auch Unterneh- entlang des Rheins und des Mains Mainz-Kastel, Mainz-Amöneburg mervillen, prägt das Wiesbadener zwischen Schierstein und Kostheim und Mainz-Kostheim zu Wies- Rheinufer und bietet städtebauliche statt. Dort sind Großbetriebe der baden. Im Zuge des Wirtschafts- Identifikationspunkte. chemischen und der Metallindust- wunders entwickelte sich die rie, der Zement- und Papierherstel- industrielle Nutzung entlang des Vororte in der Landschaft lung entstanden, wie beispielsweise Rheins weiter. Mit der Umstruktu- 1926 wurde die Gemeinde Sonnen- die Dyckerhoff-Zementwerke, die rierung der industriell geprägten berg neben Biebrich und Schierstein Chemischen Fabriken Kalle und Al- Flächen seit Ende der 1990er Jahre nach Wiesbaden eingemeindet. 17
WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept Vielfältige Stadtteile in Wiesbaden Innenstadt Vororte an Rhein und Main 1928 folgten weitere nahegele- benheim und baute diese im Laufe Hektar, mit den Siedlungsarealen gene Umlandgemeinden Bierstadt, der Jahre weiter aus. Aukamm Housing und Crestview Dotzheim, Erbenheim, Frauenstein, Housing in Bierstadt, Hainerberg Heßloch, Igstadt, Kloppenheim und 2012 wurde das Europa-Hauptquar- Housing im Ortsbezirk Südost sowie Rambach. Zuletzt wurden 1977 im tier des US-Heeres aus Heidelberg der Lucius D. Clay Kaserne, dem Mi- Zuge der Gebietsreform in Hessen abgezogen und nach Wiesbaden litärflugplatz Erbenheim und die östlich gelegenen Orte Aurin- verlegt. Die US-Heeresgarnison Wies- Newman Village in Erbenheim. gen, Breckenheim, Delkenheim, Me- baden ist die Standortverwaltung für denbach, Naurod und Nordenstadt eine etwa 16.600-köpfige amerikani- Die militärische Präsenz in Wies- nach Wiesbaden eingemeindet. sche Militärgemeinde in Hessen. baden ist allerdings nicht nur mit der Inanspruchnahme von Flächen Die Ortskerne der Wiesbadener In ihrer Lebensweise sind die US- verbunden. Umstrukturierungsmaß- Vororte besitzen teilweise eine hohe Bürgerinnen und Bürger – soweit nahmen im militärischen Bereich städtebauliche Qualität mit orts- man dies unter dem militärischen bedingen oftmals auch die Auf- bildprägenden Einzelgebäuden oder Sonderstatus benennen kann – in gabe von Flächen. In Mainz-Kastel Ensemblebereichen. Die Lage an die Stadt integriert. Dies spiegelt stehen beispielsweise, vorbehaltlich einem Bach, am Taunus oder inmit- sich beispielsweise in der Pflege der eigentumsrechtlicher, umwelt- und ten landwirtschaftlicher Kulturland- Nachbarschaft durch gemeinsame städtebaulicher Prüfungen, Flächen schaft, zum Teil mit Streuobst und Feste oder Deutsch-Amerikanische für eine Entwicklung zur Verfügung. Weinbau, macht jeden Ort einzig- Vereine wider. Andererseits verfügt artig. Jeder Stadtteil ist typisch und die amerikanische Gemeinde in ein- Das neue Wiesbaden ein Ort für sich, mit individueller zelnen Gebieten über eigene, aus- Nach dem Zweiten Weltkrieg und Geschichte und spezifischen Be- schließlich auf die amerikanischen in der Folgezeit war die Unterbrin- sonderheiten, die sich unabhängig Bürgerinnen und Bürger bezogene gung von Wohnungssuchenden und von der „Weltkurstadt“ entwickelt Infrastruktureinrichtungen, wie Flüchtlingen eine große Herausfor- haben. Schulen, Kirchen und Tankstellen. derung für die Stadt Wiesbaden. Die Wohnbereiche sind zum Teil mit Zur Linderung der Wohnungsnot US-Heeresgarnison in Wiesbaden Zugangskontrollen versehen, sodass entstanden am Rand der Stadt, Nach Ende des zweiten Weltkriegs hier Abgrenzungen gegeben sind. vor allem im Süden und Westen, gehörte Wiesbaden zur amerika- Großsiedlungen. nisch besetzten Zone. Die US-Armee Die räumliche Ausdehnung der nutzte vor allem die vorhandenen US-Liegenschaften im Stadtgebiet Die erste Siedlung dieser Art war Kasernen sowie den Flugplatz Er- umfasst eine Fläche von rund 400 Gräselberg, die ab 1959 erbaut 18
wurde. Es folgte die Siedlung her. Ausgehend vom historischen räume und tragen als Zeugnisse der Parkfeld in Biebrich, dieser war Fünfeck, das auf die lokale topogra- Gartenkunst in besonderem Maße ein Wettbewerb vorausgegangen, fische Situation reagierte, folgte die zur Identität Wiesbadens bei. den Ernst May gewonnen hatte. Stadtentwicklung des 19. Jahrhun- Er plante daraufhin als Planungs- derts den spezifischen landschaftli- Vielfältige Facetten der Stadt beauftragter der Stadt auch die chen Bedingungen. Die Siedlungsstruktur innerhalb des Siedlungen Klarenthal und Schel- Stadtgebiets weist je nach Standort mengraben in Dotzheim. Das Nebeneinander von kompakt- unterschiedliche Charakteristika urbanen Innenstadtbereichen und auf. Dabei macht vor allem das 1963 veröffentlichte Ernst May Siedlungsflächen mit hohem Grün- Zusammenwirken von vielfältigen seine Konzepte in Buchform. „Das anteil, wie beispielsweise die Villen- Stadtquartieren, Straßenzügen, neue Wiesbaden“ beschreibt die gebiete oder auch Siedlungen der Alleen, Parkanlagen mit der um- Siedlungen Klarenthal, Parkfeld und Nachkriegszeit, ist charakteristisch gebenden Landschaft die Einzigar- Schelmengraben. Es enthält zudem für Wiesbaden. Die teilweise noch tigkeit und Identität des heutigen Pläne für eine Neubebauung des dörflich geprägten Vororte haben Wiesbadener Stadtbildes aus. Bergkirchenviertels, eine Gesamt- einen unmittelbaren Landschafts- planung samt Abriss und Neube- bezug und auch die stark industriell Durch die Eingemeindungen 1926, bauung für die östliche Innenstadt geprägten Stadtgebiete entlang des 1928, 1945 und 1977 vergrößerte und weiterer Großsiedlungen. Rheins profitieren von der Lage- sich das seit dem Ende des 17. Jahr- Während die Vorschläge für die gunst an der Flusslandschaft. hunderts im Allgemeinen unverän- Innenstadt nicht umgesetzt wurden, dert gebliebene Stadtgebiet deut- prägen die realisierten Siedlungen Ein wesentliches Merkmal sind die lich. Die Stadt Wiesbaden teilt sich Parkfeld, Klarenthal und Schelmen- Bachtäler, welche den Stadtgrund- seit dem auch in 26 Ortsbezirke auf. graben das Stadtbild durch stark riss Wiesbadens gliedern. Zudem durchgrünte mehrgeschossige Zei- erfüllen sie wichtige stadtklimati- Die zahlreichen Facetten der Stadt lenbauten und Punkthochhäuser. sche Funktionen. Gleichzeitig sind Wiesbaden werden durch die 20 sie auch Freizeit- und Erholungs- Vororte und sechs Bezirke in der Grüne Großstadt Innenstadt deutlich, die mit ihrem Die Taunushänge, die Bachtäler, die jeweils charakteristischen Flair zum Quellen und der Rhein prägen die Stadtentwicklung Wiesbadens in Zweidrittel Charme der Gesamtstadt beitragen. grün! besonderem Maße. Der Dreiklang „Wasser – Villen – Grüne Paradiese“ bildete im 19. Jahrhundert die Leitlinie der Entwicklungspolitik Siedlungsflächen Wiesbadens. Die Landschaft wurde durch die Anlage von Wanderwe- 33 % gen, die Errichtung von Schutz- hütten und Aussichtstürmen sowie der gezielten Akzentuierung von Hochpunkten, wie beispielsweise dem Neroberg oder Biebricher Wasserturm, inszeniert und erlebbar 64 Wald % gemacht. Die innerstädtischen Stra- ßenzüge stellen Sichtbeziehungen aus der Stadt heraus zum Taunus 3% Gewässer Landwirtschaft wohnungsferne Gärten öffentliche Freiräume 19
WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept Stadtkern / Blockrand Villengebiete Verstädterte Ortskerne Großsiedlung Verdichtete Quartiere Zeilen Ortskerne mit Landschaftsbezug offene Bebauung (v. a. Einzel-, Doppel-, Reihenhäuser) Transformationsgebiete Gewerbe / Industrie Solitäre / Ensembles US-Liegenschaften 20
Stadtstruktur Kartengrundlage: Stadtkarte 2011, Tiefbau- und Vermessungsamt Darstellungen entwickelt aus dem Flächennutzungsplan der Landeshauptstadt Wiesbaden (FNP 2003), Stadtplanungsamt 21
WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept Bevölkerung und Stadtgesellschaft Der Demografiebericht der Bun- In Zukunft wird die Zahl der Bevöl- badener Gesamtdurchschnitt. Vor desregierung stellt fest, dass eine kerung im erwerbsfähigen Alter von allem die starken Wanderungsge- anhaltend niedrige Geburtenrate, 20 bis unter 65 Jahre fast konstant winne bei den Jüngeren und die der erfreuliche Anstieg der Lebens- bleiben und die Anzahl der Kin- Wanderungsverluste bei den Älteren erwartung und die damit verbun- der und Jugendlichen sogar leicht mit dem Ausland dämpfen die fort- dene Alterung der Bevölkerung abnehmen. Demgegenüber bilden schreitende demografische Alte- sowie der hohe Bevölkerungsanteil die über 65-jährigen Menschen eine rung der Wiesbadener Bevölkerung von Migranten die Bundesrepublik stark wachsende Gruppe in Wiesba- insgesamt. Welche dauerhaften Deutschland in hohem Maße be- den: Das erwartete Plus beläuft sich demografischen Auswirkungen die treffen werden (Bundesministerium bis 2030 auf 15,5 Prozent. Dabei derzeitige Aufnahme von Flücht- des Innern 2011). Die Bevölkerungs- dürften die bisher noch schwach lingen hat, ist zurzeit noch nicht entwicklung verläuft regional sehr vertretene Gruppe der über 90-jäh- absehbar. unterschiedlich. Wiesbaden gehört rigen Menschen im Jahr 2030 stark als Teil der Metropolregion Rhein- anwachsen, auf fast das Doppelte. Individualisierung und Main zu den wirtschaftlich star- Für die 80- bis unter 90-Jährigen Pluralisierung ken Regionen, die auch zukünftig nennt die Prognose einen Zuwachs Mit einem allgemeinen gesell- Bevölkerungszuwächse verzeich- um 22,7 Prozent, für die 65- bis un- schaftlichen Wertewandel gehen nen, während andere Regionen mit ter 80-Jährigen immerhin etwa 8,5 auch veränderte Lebensformen, also Rückgängen konfrontiert sind. Prozent. Zur Lebenssituation älterer neue Muster des Zusammenlebens Menschen hat die Landeshauptstadt im privaten Bereich, einher. Die Wer wohnt in Wiesbaden? Wiesbaden einen Grundlagenbe- veränderten Einstellungen zur Ehe Ende des Jahres 2015 leben circa richt zur Altenhilfeplanung erstellt. und zur Familie tragen wiederum 285.000 Menschen in Wiesbaden, Neben den Erfordernissen im klas- zu den Veränderungen der Bevölke- von denen 37 Prozent gebürtige sischen Bereich der Pflege richtet rungsstruktur bei, die den demogra- Wiesbadener sind. Im Jahr 2015 sich der Blick auch auf Aspekte, wie fischen Wandel kennzeichnen. Ein sind gut 2.200 Personen mehr zu- sich möglichst lange ein Höchstmaß in diesem Zusammenhang immer als weggezogen. Außerdem sind an Selbständigkeit und Selbstbe- wieder zitierter Trend ist die soge- knapp 3.000 Kinder auf die Welt ge- stimmung im Alter aufrechterhalten nannte Individualisierung. Darunter kommen. Etwas mehr als ein Sechs- lässt. wird allgemein der Bedeutungsver- tel der Wiesbadener sind Kinder und lust traditioneller Institutionen wie Jugendliche unter 18 Jahren. Diese 16.800 Wiesbadenerinnen und Ehe und Familie für die Ausrichtung leben in 29.203 Haushalten, das Wiesbadener haben einen türkischen des Lebensverlaufs verstanden. entspricht einem Anteil von 20 Pro- Migrationshintergrund, sie stellen Dieses Phänomen wird begleitet zent an allen 144.297 Privathaus- die größte Migrantengruppe. Die durch eine zunehmende Ausdif- halten. Ein Fünftel der Bevölkerung nächst größeren Gruppen stammen ferenzierung der Lebensformen ist 65 Jahre oder älter; das Durch- aus Polen, der Russischen Födera- („Pluralisierung“). schnittsalter liegt bei 43 Jahren. tion, Marokko und Italien. Mit Ein- wohnerinnen und Einwohnern aus Am deutlichsten lassen sich Verein- rund 160 Nationalitäten ist Wies- zelungstendenzen an der Zahl der baden eine internationale Stadt. Alleinlebenden ablesen: Zwischen 2005 und 2015 stieg die Zahl der Die Altersstruktur der ausländischen Einpersonenhaushalte in Wiesbaden Bevölkerung weicht teilweise deut- von 62.753 auf 67.615. Analog dazu lich vom Wiesbadener Durchschnitt stieg der Anteil der Alleinlebenden ab. Die ausländische Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung. Frauen ist im Schnitt jünger als der Wies- leben häufiger alleine als Männer. 22
lagen für die einzelnen Stadtteile finanziellen Lebensunterhalts. Der in den Klassen ‚hoch‘, ‚mittel‘ und Anteil an Menschen ohne Schul- ‚niedrig‘ ermittelt. Zahlenmäßig und Berufsabschluss ist sehr hoch, verteilt sich die Wiesbadener Bevöl- die Anzahl der Arbeitsplätze für kerung 2011 mit jeweils rund einem Geringqualifizierte sinkt seit Jahren Drittel der Gesamtbevölkerung – ein Ausstieg aus staatlichen Exis- relativ gleichmäßig auf diese drei tenzsicherungsleistungen und die Ein interessanter Trend lässt sich Kategorien. Aufnahme eines existenzsichernden unter der Altenbevölkerung ausma- Arbeitsplatzes ist für diesen Per- chen: Lag der Anteil Alleinlebender Ein Vergleich mit den Daten von sonenkreis schwieriger geworden. an allen 75-Jährigen und Älteren 1976 bis 2012 zeigt eine relativ In Wiesbaden weist die räumliche 2005 noch bei 42,5 Prozent, so ist stabile Struktur der Stadtteile, über Verteilung sozialer Bedarfslagen – er mittlerweile auf 38,3 Prozent ge- den langen Zeitraum von 35 Jahren im Groben - eine ‚Äquatorlinie‘ von sunken. Ursache dieser Entwicklung hinweg. Aber parallel ist auch eine Nordwest (Klarenthal) bis Südost ist die längere Lebenserwartung, zunehmende Segregation, also (Neubaugebiete Kastel und Kost- die das Fortbestehen älterer Paar- die Entmischung und Trennung heim) auf. Haushalte begünstigt. Gleichwohl der sozialen Schichten erkenn- war und ist gerade unter den Alten bar. Verstärkt wird diese soziale Integration das Alleinleben eine sehr häufig Entmischung durch gesamtgesell- Die Zahl der Migrantinnen und anzutreffende Lebensform. schaftliche Prozesse zunehmender Migranten ist in den letzten 10 bis Ungleichverteilung der Einkommen 15 Jahren angestiegen, während Die durchschnittliche Kinderzahl in und Vermögen sowie durch Gen- die räumliche Konzentration der Wiesbadener Haushalten blieb in trifizierungsprozesse in attraktiven Bevölkerung mit Migrationshinter- den letzten Jahren stabil. Auch der Innenstadtquartieren. Mit Gentrifi- grund in einzelnen Stadtteilen in Anteil der Alleinerziehenden zeigte zierung wird der sozioökonomische den letzten Jahren kontinuierlich sich relativ konstant: Aktuell wer- Wandel eines Quartiers bezeichnet, abgenommen hat. Einige Stadtteile den 23,4 Prozent aller Haushalte in dem sich die soziale Struktur in Wiesbaden, wie zum Beispiel mit Kindern von Alleinerziehenden durch Verdrängung ärmerer Bevöl- das Innere Westend, erfüllen mit geführt. Auffallend ist, dass zuneh- kerungsgruppen durch den Zuzug einem hohen Anteil an Neuzuwan- mend auch Männer allein erziehen, wohlhabenderer Bevölkerungsgrup- derern eine wichtige Funktion für ihre Zahl stieg zwischen 2005 und pen verändert. Parallel erfolgen die gesamte Stadt: Die dienen als 2015 von 798 auf 1.166. Im Trend auch immobilienwirtschaftliche Durchgangszone für Neuzuwan- liegen auch nichteheliche Lebens- Veränderungen, was sich auch derer und übernehmen damit die gemeinschaften mit einem Zuwachs durch steigende Wohnungspreise Erstintegration. von 38 Prozent im selben Zeitraum. ausdrückt. Durch Neubau- oder Sanierungsmaßnahmen verändern Die Stadtverordnetenversammlung Soziale Bedarfslagen sich bestehende soziale Strukturen hat im Juni 2016 den Entwurf der Mit dem Konzept der „sozialen in Wohngebieten ebenfalls, wie 2. Fortschreibung des Integrations- Bedarfslagen“ hat die Sozialplanung z. B. die südliche Innenstadt, das konzeptes für geflüchtete Men- für Sozialverwaltung und Politik in Gebiet Hasengarten/Weidenborn, schen beschlossen. Das Integrati- Wiesbaden eine Handreichung zur Künstler-/Europaviertel. onskonzept definiert Integration als Bestimmung der Handlungspriori- dauerhaften Prozess der Eingliede- täten der sozialen Kommunalpolitik In Stadtteilen mit hohen Bedarfsla- rung von Zuwanderern und Men- erarbeitet. Anhand von Indikatoren gen benötigen bis zu einem Drittel schen mit Migrationshintergrund in zur Bevölkerungs- und Sozialstruk- der Menschen staatliche Unterstüt- das soziale und kulturelle Spektrum tur werden die sozialen Bedarfs- zungsleistungen zur Sicherung des der Aufnahmegesellschaft. Dazu ge- 23
WIESBADEN 2030+ Integriertes Stadtentwicklungskonzept hört auch die Angleichung der Le- Schuleintritt erfolgt in Kindertages- und benachteiligte Bevölkerungs- benslagen ohne Aufgabe der jeweils stätten in kommunaler oder freier gruppen gut genutzt. eigenen kulturellen Identität. Für Trägerschaft. Kinder bis 3 Jahre Integrationserfolge und eine Identi- werden in Krippengruppen betreut, Im Bereich der Tagesbetreuung für fikation mit Wiesbaden spricht die ab 3 Jahren bis zum Schuleintritt Schulkinder wurde das Angebot seit leicht steigende Tendenz der Woh- besuchen sie den sogenannten Ele- 2009, insbesondere mit Betreu- nungseigentümerquote von Haus- mentarbereich. Betreuungsangebote ungsangeboten an den Grundschu- halten mit Migrationshintergrund. für Grundschulkinder existieren in len, stark ausgebaut (von 3.400 Das Integrationskonzept benennt Kindertagesstätten (Hortgruppen) Plätzen in 2009 auf 6.087 Plätze Ziele und Handlungsfelder der Inte- und an den Grundschulen. Ganz- am 31.03.2015), sodass der Ver- grationsarbeit für die Bereiche Bil- tagsangebote für Kinder an Grund- sorgungsgrad in diesem Zeitraum dung, Arbeit, Gesundheit und Sport schulen erfolgen – je nach Schule von 33,5 auf 56,7 Prozent gestie- sowie Vielfalt in Stadtentwicklung - durch Schulplätze nach dem gen ist. Um Anschlussfähigkeit vom und kulturellem Leben. Ziel ist unter hessischen Ganztagsprogramm, Elementarbereich zu gewährleisten, anderem eine diversitätsbejahende Betreuungsplätze von Schulförder- müsste geprüft werden, ob mit- Stadtentwicklung, die eine ak- vereinen und freien Trägern sowie telfristig die Versorgungsquote für tive Teilhabe unabhängig von der in den betreuenden Grundschulen Grundschüler auf mindestens 70 Herkunft an der Stadtgesellschaft des Amtes für Soziale Arbeit. Das Prozent erhöht werden soll. ermöglicht. Dadurch sollen auch die institutionelle Betreuungsangebot Potenziale ethnischer, kultureller wird, insbesondere für Kinder im und religiöser Vielfalt für die Le- Krippenalter, durch Tagesmütter bensqualität und Dynamik der Stadt ergänzt. stärker als bisher in öffentlichen Räumen entfaltet werden können. Das Platzangebot in Kindertages- stätten für die unter 3-Jährigen wurde seit 2009 stetig ausgebaut. Fand damals jedes 5. Kind einen Neben den Betreuungsangeboten Betreuungsplatz, steht heute für 38 wünschen sich viele Eltern Ange- Prozent der Kinder ein Platzangebot bote zur Förderung ihrer Kinder; zur Verfügung. Die Stadt Wiesbaden z. B. Unterstützung bei den Haus- unternimmt somit besondere An- aufgaben, im Bereich Sprache und strengungen um nicht nur ein qua- Mathematik. Die existierenden An- Voraussetzung für das Gelingen der litativ hochwertiges, sondern auch gebote decken nicht die Nachfrage. Integration ist der konstruktive Um- quantitativ ausreichendes Platzan- Trotz starkem Ausbau der Tagesbe- gang aller Beteiligten mit Vielfalt gebot zur Verfügung zu stellen. treuungsplätze konnte aufgrund des und Verschiedenheit. gleichzeitig unerwarteten Anstiegs Im gleichen Zeitraum ist das Platz- der Bevölkerungszahlen der Bedarf Kinderbetreuung und Bildung angebot für den Elementarbereich an Plätzen in der Kindertagesbe- Die Stadt Wiesbaden unternimmt in etwa gleich geblieben, während treuung gesamtstädtisch nicht ge- für die steigenden Kinderzahlen seit die Zahl der anspruchsberechtig- deckt werden, mit unterschiedlichen Langem große Anstrengungen für ten Kinder leicht gestiegen ist; der Ausprägungen in den Ortsbezirken. eine gute Kinderbetreuung. So ste- Versorgungsgrad ist daher insge- hen verschiedenste Einrichtungen samt leicht gesunken. Die Kinder- Im Bereich der allgemeinbildenden zur Kindertagesbetreuung nahezu tagesstätten für diese Altersgruppe und beruflichen Schulen deckt Wies- flächendeckend zur Verfügung. werden auch durch Kinder aus baden als Landeshauptstadt und Die Betreuung der Kinder bis zum Familien mit Migrationshintergrund Oberzentrum das gesamte Spektrum 24
des hessischen Schulsystems ab. So EBS Universität für Wirtschaft und rechnen, dass die Bevölkerungszahl gibt es 2015/2016 39 Grundschulen, Recht, die Industrie- und Handels- in Wiesbaden noch leicht anstei- drei Hauptschulen, sieben Real- kammer Wiesbaden und die Wies- gen wird - im Gegensatz zu vielen schulen, zwölf Gymnasien, zehn baden-Stiftung haben das Netz- anderen Städten. Bis 2030 wird ein Gesamtschulen und neun Förder- werk der Wissenschaft begründet. Zuwachs um zwei Prozent erwartet. schulen. Davon sind 66 öffentliche Das Netzwerk aus Wissenschaft, Schulen und neun private Schulen. Bildung, Wirtschaft und Kultur Motor des Bevölkerungswachstums Des Weiteren ist Wiesbaden Mo- arbeitet künftig stärker zusammen, ist in erster Linie der prognostizierte dellregion für die inklusive Bildung. um die regionale Entwicklung zu Wanderungsüberschuss. Während beflügeln. die Zahl der Bevölkerung im er- Wiesbaden bietet vielfältige Stu- werbsfähigen Alter von 20 bis unter dienmöglichkeiten mit der Hoch- Im Bereich Erwachsenenbildung, 65 Jahre auch in Zukunft fast kon- schule RheinMain, der privaten Weiterbildung und Ausbildung gibt stant bleiben wird und Anzahl der EBS Universität für Wirtschaft und es in Wiesbaden neben den großen Kinder und Jugendliche leicht ab- Recht (European Business School), Einrichtungen, wie der Volkshoch- nimmt, werden die 65-Jährigen und der Hochschule für Polizei und Ver- schule Wiesbaden, den fünf berufli- Älteren voraussichtlich eine stark waltung sowie der Hochschule des chen Schulen und den vier Schulen wachsende Gruppe in Wiesbaden. Bundes für öffentliche Verwaltung, für Erwachsene eine Vielzahl weite- mit dem Fachbereich Kriminalpoli- rer Institutionen. Die Vielfalt Wiesbadens zeigt sich zei, sowie der Wiesbadener Musik- sowohl durch eine zunehmende akademie (WMA). Darüber hinaus Wiesbaden wächst vielfältig Ausdifferenzierung der Lebensfor- wird für weitere ca. 1.000 Studie- Mit seiner „Prognose der Wiesba- men als auch durch die sehr unter- rende im Fachbereich Wirtschaft dener Bevölkerung und Haushalte schiedlichen Bedarfslagen einzelner und Medien derzeit die Ansiedlung bis 2030“ hat das Amt für Strate- Stadtquartiere, was sich auch im der privaten Hochschule Fresenius gische Steuerung, Stadtforschung sogenannten Sozialäquator aus- vorbereitet. und Statistik die Einwohnerzahl drückt, der die Stadt in Nordwest- und -struktur Wiesbadens bis 2030 Südost Richtung unterteilt. Die Studierendenzahlen sind in den vorausberechnet. Nach den Ergeb- letzten Jahren an allen Wiesbade- nissen ist unter anderem damit zu Kindern, Jugendlichen und Erwach- ner Einrichtungen kontinuierlich senen wird in Wiesbaden bereits Alterspyramide 2015 gestiegen. Seit dem Wintersemes- ein breites und sehr differenziertes ter 2007/08 hat sich die Zahl der Angebot an Schulformen und Bil- Studierenden von knapp 5.900 dungsgängen, Hochschulen, Bera- auf 10.369 zum Wintersemester tungen und Netzwerken angeboten. 2015/2016 mehr als verdoppelt. Davon sind allein an der Hochschule Eine große Herausforderung und RheinMain am Standort Wiesbaden Chance zugleich wird auch in Zu- 8.736 Studierende eingeschrieben. kunft die Integration der Migran- Durch den Ausbau der Hochschul- tinnen und Migranten sein. Vor- angebote wird auch in den kom- aussetzung dafür ist weiterhin der menden Jahren mit einer weiter konstruktive Umgang aller Beteilig- stark ansteigenden Zahl an Studie- ten mit Vielfalt und Verschiedenheit. renden gerechnet. Mit Einwohnerinnen und Einwoh- nern aus rund 160 Nationalitäten ist Die Landeshauptstadt Wiesbaden, Quelle: Amt für Strategische Steuerung, Wiesbaden aber bereits heute schon Stadtforschung und Statistik, Statistisches die Hochschule RheinMain, die Jahrbuch 2015 eine internationale Stadt. 25
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