Paris iit-Trend-Monitoring - Startup-Szene - IIT Berlin
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Santiago INSTITUTO PRO INNOVACIÓN Y TECNOLOGÍA San Francisco Buenos Aires Seoul ഄनӝࣿ Paris োҳࣗ Berlin iit-Trend-Monitoring Startup-Szene Teresa Behm, Marc Bovenschulte, Jan-Peter Ferdinand, Audrey Gibouin, Rene van den Hoevel, Daniel Mazuré, Cornelia Sonnenberg, Barbara Zollmann
Impressum Institut für Innovation und Technik (iit) in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH Steinplatz 1 10623 Berlin Tel.: +49 30 310078-108 Fax: +49 30 310078-376 E-Mail: info@iit-berlin.de www.iit-berlin.de Autoren Teresa Behm Marc Bovenschulte Jan-Peter Ferdinand Audrey Gibouin Rene van den Hoevel Daniel Mazuré Cornelia Sonnenberg Barbara Zollmann Layout A.-S. Piehl, VDI/VDE Innovation + Technik GmbH Bildnachweis © phyZick/Fotolia.com (Titel; bearbeitet) Berlin, August 2017 ISBN-13: 978-3-89750-179-9
Inhalt Einleitung................................................................................................................................................................ 5 Deutschland//Berlin................................................................................................................................................ 7 Politische und institutionelle Rahmenbedingungen......................................................................................................................... 7 Infrastrukturen............................................................................................................................................................................... 7 Gesellschaft................................................................................................................................................................................... 8 Vernetzung und Transfer................................................................................................................................................................ 8 Finanzierungsstrukturen................................................................................................................................................................. 8 Märkte und Marktzugänge............................................................................................................................................................ 9 Spezifika der nationalen Startup-Szene, Leuchttürme und Best Practices der Startup-Förderung..................................................... 9 Beispiele erfolgreicher Startups...................................................................................................................................................... 9 Ausblick....................................................................................................................................................................................... 10 Argentinien//Buenos Aires................................................................................................................................... 11 Politische und institutionelle Rahmenbedingungen....................................................................................................................... 11 Infrastrukturen ............................................................................................................................................................................ 11 Gesellschaft................................................................................................................................................................................. 11 Vernetzung und Transfer.............................................................................................................................................................. 12 Finanzierungsstrukturen............................................................................................................................................................... 12 Märkte und Marktzugänge.......................................................................................................................................................... 12 Spezifika der nationalen Startup-Szene, Leuchttürme und Best Practices der Startup-Förderung .................................................. 12 Beispiele erfolgreicher Startups.................................................................................................................................................... 12 Ausblick....................................................................................................................................................................................... 13 Chile//Santiago..................................................................................................................................................... 15 Politische und institutionelle Rahmenbedingungen....................................................................................................................... 15 Infrastrukturen ............................................................................................................................................................................ 15 Gesellschaft................................................................................................................................................................................. 15 Vernetzung und Transfer.............................................................................................................................................................. 15 Finanzierungsstrukturen............................................................................................................................................................... 16 Märkte und Marktzugänge.......................................................................................................................................................... 16 Spezifika der nationalen Startup-Szene, Leuchttürme und Best Practices der Startup-Förderung................................................... 16 Beispiele erfolgreicher Startups.................................................................................................................................................... 16 Ausblick....................................................................................................................................................................................... 17 Frankreich//Paris................................................................................................................................................... 18 Politische und institutionelle Rahmenbedingungen....................................................................................................................... 18 Infrastrukturen ............................................................................................................................................................................ 19 Gesellschaft................................................................................................................................................................................. 19 Vernetzung und Transfer.............................................................................................................................................................. 20 Finanzierungsstrukturen............................................................................................................................................................... 20 Märkte und Marktzugänge.......................................................................................................................................................... 21 Spezifika der nationalen Startup-Szene, Leuchttürme und Best Practices der Startup-Förderung................................................... 21 Ausblick....................................................................................................................................................................................... 22
Korea//Seoul......................................................................................................................................................... 24 Politische und institutionelle Rahmenbedingungen....................................................................................................................... 24 Infrastrukturen............................................................................................................................................................................. 25 Gesellschaft................................................................................................................................................................................. 25 Vernetzung und Transfer.............................................................................................................................................................. 25 Finanzierungsstrukturen............................................................................................................................................................... 26 Märkte und Marktzugänge.......................................................................................................................................................... 27 Spezifika der nationalen Startup-Szene, Leuchttürme und Best Practices der Startup-Förderung................................................... 27 Beispiele erfolgreicher Startups.................................................................................................................................................... 28 Ausblick....................................................................................................................................................................................... 29 Silicon Valley......................................................................................................................................................... 31 Politische und institutionelle Rahmenbedingungen....................................................................................................................... 31 Infrastrukturen ............................................................................................................................................................................ 31 Gesellschaft................................................................................................................................................................................. 31 Vernetzung und Transfer.............................................................................................................................................................. 31 Finanzierungsstrukturen............................................................................................................................................................... 31 Märkte und Marktzugänge.......................................................................................................................................................... 32 Spezifika der nationalen Startup-Szene, Leuchttürme und Best Practices der Startup-Förderung................................................... 32 Beispiele erfolgreicher Startup...................................................................................................................................................... 32 Ausblick....................................................................................................................................................................................... 33 Zusammenfassung und Fazit............................................................................................................................... 35 Literaturverzeichnis:............................................................................................................................................. 37
Einleitung 5 Einleitung Startups sind ein wichtiger Impuls der kreativen Erneuerung mender Zahl eigens eingerichtete Innovation Hubs oder Labs, für etablierte Unternehmen und die gesamte Volkswirtschaft. Inkubatoren, Akzeleratoren sowie Corporate-Venture-Capital- Einerseits entstehen dank innovativer Dienstleistungen oder Abteilungen bzw. -Unternehmen. Produkte aus Neugründungen mehr Arbeitsplätze, größeres Wachstum und neue Absatzchancen – national wie internati- Politisch wird eine dynamische Gründungskultur als Triebfe- onal. Andererseits stärken Unternehmensgründungen das In- der für eine künftig wettbewerbsfähige Wirtschaftsstruktur novationskapital und verjüngen die Unternehmensstruktur. Da- gesehen, Startups werden rund um den Globus monetär wie bei schaffen sie – ein nicht zu unterschätzender Effekt – auch nicht-monetär gefördert. Ministerien und andere öffentliche für etablierte Unternehmen wichtige Impulse, etwa für neue Einrichtungen fördern vor allem monetär über spezifische Zu- Geschäfts- und Betreibermodelle, aber auch beim Technologie schuss- und Darlehensprogramme, aber auch durch die Ver- einsatz, bei modernen und effizienten Arbeitsweisen oder der gabe von Preisgeldern und Stipendien. Neben der finanziellen Digitalisierung von Unternehmensstrukturen und Produktions Förderung haben hybride und nicht-monetäre Förderinitiativen prozessen. wie Gründer- und Businessplanwettbewerbe, Akzeleratoren, die Einrichtung von Technologie- und Innovationszentren sowie Dieses „kreative (Zerstörungs-)Potenzial“ im Sinne Schumpeters die Bereitstellung von Coworking-Spaces in den letzten Jahren haben Wirtschaft und Politik längst für sich erkannt. Viele, vor weiter an Bedeutung gewonnen. allem größere Unternehmen wollen das Potenzialversprechen von Startups für sich einlösen und betreiben dazu in zuneh- 2017 Globales Startup-Ökosystem Ranking 1 Silicon Valley 2 New York 3 London 4 Peking 5 Boston Leistung 1 3 4 2 6 Finanzierung 1 2 4 5 6 Marktdurchdringung 1 3 2 19 12 Talente 2 7 10 8 4 Startup Erfahrung 1 4 5 2 3 6 Tel Aviv 7 Berlin 8 Shanghai 9 Los Angeles 10 Seattle Leistung 9 7 8 5 12 Finanzierung 8 9 3 5 13 Marktdurchdringung 4 6 10 15 14 Talente 11 5 9 14 3 Startup Erfahrung 7 10 13 11 6 11 Paris 12 Singapur 13 Austin 14 Stockholm 15 Vancouver Leistung 14 16 15 17 19 Finanzierung 14 16 11 20 19 Marktdurchdringung 9 11 18 8 7 Talente 16 1 6 18 15 Startup Erfahrung 8 20 9 12 15 16 Toronto 17 Sydney 18 Chicago 19 Amsterdam 20 Bangalore Leistung 18 20 13 10 11 Finanzierung 12 10 15 17 18 Marktdurchdringung 5 13 20 17 16 Talente 20 12 13 19 17 Startup Erfahrung 18 17 14 16 19 Abbildung 1: Ranking der 20 weltweit am weitesten entwickelten Startup-Ökosysteme. Das Ranking setzt sich zusammen aus den Faktoren Leistung, Finanzie- rung, Marktforschung, Führungseigenschaft und Startup-Erfahrung (eigene Darstellung in Anlehnung an 2017 Startup Genome LLC).
6 iit-Trend-Monitoring: Startup-Szene Diese Entwicklung und gerade das Zusammenspiel aus priva- In der vorliegenden Analyse wurden Startup-Hubs und ihr tem Engagement und öffentlicher Unterstützung tragen Früch- Umfeld in Deutschland/Berlin, Frankreich//Paris, Argentinien// te und führen zur Ausbildung von Startup-Ökosystemen (Ab- Buenos Aires, Chile//Santiago de Chile, Korea//Seoul und dem bildung 1). Wird die Dynamik an den international relevanten Silicon Valley betrachtet. In strukturierten Porträts werden Hochburgen Berlin (nach Einschätzung verschiedener Rankings Einblicke in aktuelle Entwicklungen, Förderansätze, herausra- aktuell Platz 7 der international bedeutenden Startup-Metropo- gende Beispiele, die Substanz der Szene und ihr Einfluss auf len) (Startup Genome 2017; Compass.co 2015; Sparklabs Glo- Wirtschaft und Gesellschaft und eine zusammenfassende Ein- bal Ventures 2016) und München (EY 2017) betrachtet, lässt schätzung gegeben. Auf diese Weise soll das Trend-Monitoring sich feststellen, dass sich deutsche Startup-Ökosysteme durch dazu beitragen, den Blick auf die Entwicklung und Bedeutung öffentliche, aber auch private Aktivitäten immer weiter verbes- von Startups in unterschiedlichen Weltregionen zu weiten und sern. übergreifende Trends aber auch spezifische Unterschiede zu er- kennen. Der internationale Vergleich der Startup-Ökosysteme zeigt deutliche Unterschiede in ihren Ausprägungen, Prämissen und Entwicklungsstadien. Um diese Unterschiede qualitativ zu er- Marc Bovenschulte schließen und übergreifende Rückschlüsse über die Entwick- Berlin im August 2017 lungsoptionen und -bedingungen von Startup-Ökosystemen abzuleiten hat das Institut für Innovation und Technik (iit) ein Trend-Monitoring zu Entwicklungen der Startup-Szene in ver- schiedenen Teilen der Welt durchgeführt. Das iit ist über Repräsentanzen an den dortigen Auslands- handelskammern in Frankreich, Chile, Argentinien, Peru, der US-amerikanischen Westküste und in Südkorea vertreten. Basierend auf dem jahrzehntelangen Länderwissen der Aus- landshandelskammern können die iit-Repräsentanzen einen umfassenden Wissens- und Erfahrungsschatz für das Trend- Monitoring mobilisieren, der weit über Internet-Recherchen und vereinzelte Interviews hinausgeht.
Deutschland//Berlin 7 Deutschland//Berlin Politische und institutionelle Rahmenbedingungen Startups sowie die Rahmenbedingungen ihrer Gründung haben Kontakt in Deutschland eine hohe wirtschaftspolitische Priorität. Diese Jan-Peter Ferdinand äußert sich sowohl in öffentlichen Förderinstrumenten wie dem Institut für Innovation und Hightech-Gründerfonds, dem auf wissenschaftliche Ausgrün- Technik (iit), Berlin dungen fokussierten Modelprojekt EXIST, oder diversen Grün- E-Mail: ferdinand@iit-berlin.de derpreisen als auch in der allgemein hohen Relevanz von Star- tups im politischen Agenda-Setting für die digitale Wirtschaft (BMWi 2017). Statistisch hat sich das Gründungsgeschehen in Deutschland aufgrund der anhaltenden Wirtschaftskonjunk- Startup-Finanzierung durch Risikokapitalgeber oder Business tur während der vergangenen Jahre zwar tendenziell reduziert Angels, sowie durch die Konjunktur privatwirtschaftlicher Un- (ZEW und Creditreform 2016), jedoch scheint es dafür an Qua- terstützungsmaßnahmen wie Inkubatoren, Akzeleratoren oder lität gewonnen zu haben. So ist der Anteil der volkswirtschaft- branchenspezifischen Company Buildern wie Rocket Internet lich bedeutenden Gruppe der Chancengründer im Verhältnis (E-Commerce), Hitfox (Advertising und Big Data), Finleap (Fin- zu den so genannten Notgründungen weniger stark zurück- tech) sowie WattX oder Geeny (Hardware/Internet der Dinge). gegangen; die Zahl innovativer Gründerinnen und Gründer ist zuletzt sogar um +6 Prozent gestiegen (KfW 2017). Um diesen positiven Trend zu verstetigen und besonders die Wachstums- Infrastrukturen bedingungen für Unternehmensgründungen zu erhöhen, plant In regionaler Hinsicht bildet die Hauptstadt Berlin das eindeu- die Bundesregierung mit dem „Tech Growth Fund“ ein weiteres tige Zentrum des deutschen Startup-Ökosystems, das schät- milliardenschweres Instrument, das insbesondere auf die Ska- zungsweise 1.800 bis 2.400 aktive Technologie-Startups sowie lierung von Geschäftsmodellen fokussiert und Finanzierungs- eine vielfältige Unterstützungs- und Finanzierungslandschaft engpässe schnell wachsender Unternehmen ausgleicht: Bei den umfasst (Startup Genome 2017; Compass.co 2015; Sparklabs Mitteln, die der Tech Growth Fund bereitstellt, handelt es sich Global Ventures 2016). Neben Berlin gewinnen auch Städte wie um Darlehen. Diese müssen die Gründer mit Zinsen zurück- Leipzig, Hamburg und München an nationaler Bedeutung. Die zahlen, brauchen dafür aber keine Firmenanteile abzutreten. Schwerpunktthemen der lokalen Gründerszenen sind tenden- Mögliche Verluste des Fonds aus Kreditausfällen soll Berichten ziell von der Wirtschaftsstruktur vor Ort geprägt: Während die zufolge der Bundeshaushalt ausgleichen (Get Started 2016). Startups in kreativen Zentren wie Berlin und Leipzig vor allem innovative Geschäftsmodelle im Kontext von Big Data und Han- Die Förderstrukturen des deutschen Startup-Ökosystems unter- del hervorbringen, liegt der Schwerpunkt Hamburgs im Finanz- scheiden sich zwischen den Bereichen Wissenschaft und Wirt- bereich sowie der Logistik. Münchens Stärken liegen im Bereich schaft. In der Wissenschaft ist die Unterstützungslandschaft für industrienaher Gründungen. potenzielle Unternehmensgründer flächendeckend sehr gut ausgebaut. Das Netz der an Universitäten und Hochschulen Was die grundlegenden digitalen und Versorgungsinfrastruktu- angegliederten Gründungszentren ist dicht und mit dem EXIST- ren betrifft, existieren in Deutschland wenig Entwicklungs- und Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie Wachstumshemmnisse. Dennoch: Obwohl die Netzanbindung (BMWi) werden aussichtsreiche Existenzgründungen und un- in der Breite sehr umfassend ist, liegt Deutschland hinsichtlich ternehmerischer Wissenstransfer gezielt gefördert. Ergänzend der durchschnittlichen Schnelligkeit der Internetzugänge dem dazu existieren im Umfeld nationaler Hochschul- und Techno- State of the Internet Reports zufolge aktuell nur auf Platz 25 logiecluster typischerweise durch öffentliche Mittel geförderte (Akamai 2017). An erster Stelle des Rankings steht Südkorea Innovations- und Gründungszentren, in denen ausgegründe- (28,6 Mbit/s), aber auch im europäischen Ausland gibt es mit te Unternehmen subventionierte Büroflächen beziehen und Schweden, Norwegen oder der Schweiz Länder, in denen die weitere nicht-monetäre Unterstützungsangebote in Anspruch Netzgeschwindigkeit und -bandbreite deutlich höher ist. nehmen können. Das Gründungsgeschehen in der deutschen Wirtschaft greift im Gegensatz dazu primär auf nicht-öffent- liche Strukturen zurück, die sich in den vergangenen Jahren Gesellschaft stark ausdifferenziert und professionalisiert haben. Dies zeigt Die gesellschaftliche Wahrnehmung der deutschen Gründungs- sich sowohl in der wachsenden Bedeutung finanzmarktlicher dynamik erscheint grundsätzlich etwas fehlgeleitet. Zwar ist es
8 iit-Trend-Monitoring: Startup-Szene statistisch richtig, dass das Interesse an Gründungen konjunk- firmeneigene Inkubationsprogramme, die sich explizit auch turbedingt seit Jahren sinkt, allerdings sind davon in erster Linie an externe Gründer richten. Darüber hinaus wurde durch das sogenannte Notgründungen betroffen, die ohnehin selten die BMWi Ende 2016 mit der Digital Hub Initiative eine deutsch- für Startups notwendigen Wachstums- und Innovationspoten- landweite Maßnahme gestartet, um die Zusammenarbeit von ziale aufweisen. Auch wenn für viele Hochschulabsolventen die Unternehmen und Gründern auf engem Raum in Technologie- Anstellung in Unternehmen nach wie vor ein typischer Karrie- feldern, wie Logistik Fin- und Insurtech, Digital Health, Internet reweg darstellt, ist vor allem in den urbanen Zentren Deutsch- of Things (IoT) oder Media Tech zu befördern1. lands ein neuer Gründergeist zu spüren. Dieser Gründergeist ist gekennzeichnet durch einen hohen Grad an Internationalisie- rung, was sich einerseits darin zeigt, dass die hiesigen Startups Finanzierungsstrukturen viele, gut ausgebildete Talente aus dem Ausland beschäftigen In der aktuellen Erhebung des Deutschen Startup Monitors und anderseits auch Kapital aus international Fonds und Kapi- wurden die 1.224 befragten Unternehmen unter anderem talgesellschaften akquirieren. auch nach ihren Finanzierungsquellen befragt. Neben eigenen Ersparnissen, die bei mehr als 80 Prozent der Befragten in die Im öffentlichen Diskurs um die deutsche Startup-Szene wird Gründung einflossen, wurden staatliche Fördermittel zu 36 Pro- immer wieder auf eine mangelnde Fehlerkultur verwiesen, die zent, finanzielle Unterstützung von Freunden und der Familie es ambitionierten Gründern erschwert, monetäre und nicht- zu 30 Prozent, Kapital von Business Angels zu 23 Prozent und monetäre Unterstützung für ihre Unternehmung zu gewinnen. Venture Capital zu 19 Prozent genutzt. Darüber hinaus gaben Galt in diesem Zusammenhang sowie auch darüber hinaus das 20 Prozent der Startups an, sogenannte Bootstrapping-Modelle Silicon Valley lange als Referenz für die Vision der deutschen zu verfolgen, das heißt sich intern aus dem operativen Cash- Gründerszene, hat sie sich zuletzt zunehmend davon emanzi- Flow zu finanzieren. Unterm Strich bestätigen diese Ergebnisse piert. Auf Basis einer stärkeren Fokussierung auf B2B Märkte die allgemeine Einschätzung, dass die Finanzierungsquellen in wird vielmehr versucht, eigene Akzente in Bereichen wie Daten- den Frühphasen von Unternehmensgründungen vergleichs sicherheit, dem Internet der Dinge oder Industrie 4.0 (inklusive weise gut zugänglich sind, während der hohe Investitionsbe- daran geknüpfter Services) zu setzen. darf in der Wachstums- und Etablierungsphase von Startups ei- nen Flaschenhals darstellt. Öffentliche sowie öffentlich-private Partnerschaften wie der Hightech-Gründerfonds oder der in der Vernetzung und Transfer Planung befindliche Tech Growth Fund bilden jedoch Instru- Die Infrastrukturen für Vernetzung und Transfer haben sich mente, um verheißungsvollen Startups auch in späteren Grün- stark erweitert und ausdifferenziert. Wie zuvor beschrieben, dungsphasen den Zugang zu Fremdkapital zu ermöglichen. findet der Wissenstransfer aus der Forschung primär über wis- senschaftliche Ausgründungen statt, aber auch anwendungs- nahe Forschungseinrichtungen wie die Institute der Fraunho- Märkte und Marktzugänge fer Gesellschaft öffnen sich zunehmend auch für Startups. Die Unternehmensgründungen im Umfeld von Rocket Internet (Za- Möglichkeiten der Vernetzung von Startups mit potenziellen lando, Home24 usw.) repräsentieren den umfassenden Einfluss Kunden, Investoren und strategischen Partnern oder von Start deutscher E-Commerce Startups in konsumnahen Geschäfts- ups untereinander sind vielfältig. So gehören entsprechende feldern. Der Trend der letzten Jahre nimmt jedoch zusehends Formate mittlerweile auch zum Angebotskanon universitärer Abstand von B2C Geschäftsmodellen, da insbesondere schnell- Gründungszentren, regionaler Wirtschaftsförderungen und der skalierende US-amerikanische Unternehmen (bzw. deren Ab- Industrie- und Handelskammern. Einen klaren Schwerpunkt der bilder aus hiesigen Company Buildern) entsprechende Markt- Vernetzungsaktivitäten, der auch auf der politischen Agenda segmente ausfüllen. Dagegen haben die Ambitionen deutscher hohe Priorität genießt, betrifft die Kooperationsbeziehungen Gründungen im B2B Sektor deutlich zugenommen. Auf Basis zwischen Startups und etablierten Unternehmen (KMU und hochinnovativer Technologien und Algorithmen versuchen die- große). Dies äußert sich zum Beispiel in der Öffnung der eta- se, neue Mehrwerte für Unternehmen im digitalen Wandel zu blierten Unternehmen für „corporate entrepreneurship“ sowie erschaffen und zu vermarkten. Entsprechende Lösungen kön- 1 Digital Hub Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi).Verfügbar unter: www.de.digital/DIGITAL/Redaktion/DE/Downloads/ digital-hub-initiative.pdf?__blob=publicationFile&v=8, zuletzt zugegriffen am 14.08.2017.
Deutschland//Berlin 9 nen den Finanzsektor genauso betreffen wie die Versicherungs- Weg dorthin. Das Unternehmen wächst sehr schnell (Relayr branche, das verarbeitende Gewerbe oder die Digitalwirtschaft hat inzwischen über 200 Mitarbeiter und unterhält sieben als solche. Im Zuge dieser Transformation verändert sich auch Büros in vier Ländern) und hat seit seiner Gründung in fünf Fi- die Natur der Startups – da die Kundenakquise im B2B Markt nanzierungsrunden insgesamt 36,66 Mio. USD akquiriert. Die ungleich aufwändiger und langwieriger ist, skalieren die Un- „Series-A-Runde“ wurde vom Silicon Valley Venture Capitel ternehmen weniger schnell, was mit Blick auf deren nachhalti- Fund Kleiner Perkins Caufield & Byers angeführt, was dem ge Entwicklung jedoch in der Regel nicht als Nachteil gesehen Unternehmen zu internationalem Renomee verholfen hat. wird. Als innovatives IoT Startup mit B2B Fokus bildet Relayr ein Pa- radebeispiel für deutsche Startups. Deutlich wird jedoch, dass Spezifika der nationalen Startup-Szene, die Zuschreibung „deutsch“ nur bedingt taugt. Zwar wurde Leuchttürme und Best Practices der Startup- Relayr in Berlin gegründet, jedoch sind sowohl die Gründer Förderung als auch alle leitenden Angestellten international durchmischt (dieser Umstand macht jedoch deutlich, dass Berlin sich längst Branchen Relevanz (10 = max.) als internationaler Startup-Hub etabliert hat, der Talente aus 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 aller Welt anzieht). Mit dem Company Builder NextBigThing hat Relayr in 2016 selbst einen eigenen Company Builder für Life Sciences x IoT-bezogene Startups gegründet und versucht das Thema so Food / in Berlin und darüber hinaus zu stärken. x Agriculture Mobility / x Automotive Kreditech Energy x Digital Kreditech wurde 2012 in Hamburg mit dem Ziel gegründet, x Industry die „finianzielle Freiheit“ von Kunden zu erhöhen, die von tra- Manufacturing x ditionellen Banken vernachlässigt werden. Konkret äußert sich Finance x dies in einem Produktportfolio, das neben Privatkrediten auch eine digitale Geldbörse und einen persönlichen Finanzmana- Consumer x ger umfasst, mit dem Kunden ihre Bonität und ihre Finanzen Markets managen können. Kreditechs USP basiert auf einem Scoring- Other: Retail x System, das Finanzdienstleistern auf Basis von Big Data und selbstlernenden Algorithmen ermöglicht, die Kreditanfragen von Kunden innerhalb von Sekunden zu bewerten und umge- Beispiele erfolgreicher Startups hend auszuzahlen. Über Tochtergesellschaften im Ausland hat Kreditech bisher fast drei Millionen Kreditanträge verarbeitet. Relayr Als Fintech-Startup adressiert Kreditech die Märkte etablierter Relayr wurde 2013 in Berlin mit der Idee gegründet, modulare Banken und Finanzdienstleister und ist durch den Einsatz digi- Vernetzungskomponenten (Soft- und Hardware) und eine da- taler Technologien im Stande, diese schneller und effizienter zugehörige Cloud-Infrastruktur zu entwickeln, um Unterneh- zu erschließen. In bisher neun Finanzierungsrunden konnte men einen niedrigschwelligen Zugang zum Internet der Dinge das Startup von Investoren wie Peter Thiel; Blumberg und zu ermöglichen. Relayr stellt IoT-Lösungen für Unternehmen Victory Park Capital insgesamt 282,59 Mio. USD einsammeln. aller Größen sowie Industriezweigen bereit und verspricht diesen einen flächendeckenden Rollout innerhalb eines Ge- Kreditech ist ein Paradebeispiel für die schnelle Expansion schäftsquartals zu entwickeln. deutscher Startups in internationale Märkte. Das Unterneh- men war eines der ersten im Bereich FinTech und hat entschei- Relayr möchte zu einer der führenden Industrieplattformen dend vom Startup-Hype sowie der hohen Investitionsbereit- für das Internet der Dinge werden und ist auf einem guten schaft in die Branche profitiert.
10 iit-Trend-Monitoring: Startup-Szene Ausblick Die Relevanz junger, innovativer High-Tech-Unternehmen ist Die Substanz der deutschen Startup-Szene begründet sich auch von der Politik erkannt worden und beeinflusst das stra- durch deren Breite und Komplementarität. Ausgründungen tegische Agenda-Setting deutlich. Daran anschließend differen- aus der Wissenschaft werden in Deutschland durch ein enges ziert sich die Unterstützungslandschaft für Startups zusehends Netz universitärer Gründungszenten gefördert. Ergänzend dazu aus, was mittelfristig zu einer Vielzahl neuer und potenziell haben sich in den letzten Jahren in vielen großen Städten – innovativer Unternehmen führen wird. Während digitale Ge- allen voran Berlin – privatwirtschaftliche Strukturen zur Förde- schäftsmodelle im Bereich E-Commerce auch in Deutschland rung von Startups herausgebildet. Während die erstbenannten bereits zu einer nachhaltigen Veränderung der B2C-Märkte ge- Strukturen vorrangig wissens- und technologieintensive Unter- führt haben, liegt der künftige Einfluss von Startups vor allem nehmen hervorbringen, bringen die privatwirtschaftlichen Initi- im B2B-Bereich. In diesem Zusammenhang gehen die Erwar- ativen in der Regel schnell wachsende Unternehmungen hervor, tungen zwar davon aus, dass Startups den digitalen Wandel deren Innovativität auf digitalen, skalierbaren Geschäftsmodel- der Wirtschaft beschleunigen, dies jedoch ohne existierende len beruht. Unternehmen und deren Kompetenzen vom Markt zu ver- drängen. Vielmehr sollen die etablierten Stärken der deutschen Da sich die international einflussreichsten Startups jedoch ge- Wirtschaft durch die digitale Kompetenz der Startups erweitert rade durch die Verknüpfung von Technologieführerschaft und und ein wechselseitiger Nutzen geschaffen werden. Inwiefern (potenziell) disruptiven Geschäftsmodellen auszeichnen, wird diese Strategie den disruptiven Ansätzen neuer, global und es für die deutsche Startup-Szene zukünftig darum gehen, die branchenübergreifend agierender Wettbewerber standhält, skizzierten Pfade des Gründungsgeschehens noch stärker als wird die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands perspekti- bisher miteinander zu verweben. visch entscheidend prägen. Ein aktueller Trend, der künftig weiter an Bedeutung gewinnen wird, betrifft die Stärkung der Schnittstellen zwischen deut- schen Mittelstandsunternehmen und der Startup Szene. Viele etablierte KMU sehen in der Zusammenarbeit mit Startups ei- nen wichtigen Baustein, um den digitalen Wandel erfolgreich zu vollziehen. Die Rahmenbedingungen für entsprechende Kol- laborationen werden sowohl durch die Politik gestaltet (Digital Hub Initiative), als auch durch unternehmenseigene Inkuba- tions- und Akzelerations- Programme selbst angestoßen.
Argentinien//Buenos Aires 11 Argentinien//Buenos Aires Politische und institutionelle Rahmenbedingungen Kontakt Argentinien ist die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas Teresa Behm und seit einigen Jahren von wirtschaftlichen Turbulenzen ge- iit-Repräsentanz an der AHK zeichnet. Der aktuelle Präsident Mauricio Macri ist bemüht, Argentinien, Buenos Aires durch verschiedene Reformen eine Wende in der Wirtschafts- E-Mail: politik herbeizuführen und die Konjunktur wieder anzuschie- tbehm@ahkargentina.com.ar ben. Nach einer starken Rezession in Jahr 2016, bei dem das BIP um 2,3 Prozent gesunken ist, steigen allmählich die Zahlen des ökonomischen Wachstums. Allerdings ist die Belebung der argentinischen Volkswirtschaft2 bisher vor allem von der ex- 1) Beschleunigte und vereinfachte Verfahren zur Erhaltung portstarken Landwirtschaft und der Rekordernte in 2017 von einer Steuernummer, eines Bankkontos und anderer 130 Mio. Tonnen in Getreide und Ölsaaten getragen; ein Aus- Formalia, druck der starken Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen. 2) Schaffung einer neuen Gesellschaftsform vereinfachten Im regionalen Vergleich verfügt Argentinien jedoch auch über Rechtes (Sociedad por Acciones Simplificadas; SAS) mit eine starke verarbeitende Industrie. Diese absorbiert zwar viel einer einzigen Person als Teilhaberin, Arbeitskraft, leidet jedoch seit einigen Jahren unter fehlender 3) Einführung neuer Kreditlinien ohne Zinssatz und Wettbewerbsfähigkeit. 4) Schaffung neuer öffentlich-privater Förderfonds. Laut der ICSEd-Prodem-Studie 2016 (Kantis et al. 2016), die das Startup-Klima lateinamerikanischer Staaten in globalen Kontext Infrastrukturen setzt, ist Argentinien im regionalen Ranking des Entrepreneur- Grundsätzlich haben die Metropolregion Buenos Aires sowie shipindex zwischen 2014 und 2015 vom dritten auf den siebten die Großstädte Rosario und Cordoba Infrastrukturen, die sich Platz abgerutscht. Abgesehen von der hohen Anzahl an Ausbil- mit europäischen Ländern messen lassen. Dennoch sind die dungsprogrammen wurden hierbei insbesondere die Schwierig- Standards oft veraltet und eine Erneuerung der Infrastruktur keiten einer juristischen und formalen Unternehmensgründung wurde z. T. vernachlässigt. Ganz im Gegensatz zu der Interne- sowie der erschwerte Zugang zu Startkapital genannt. Schwie- tinfrastruktur: Hier existieren hohe Investitionen und eine hohe rigkeiten, die sich im Erhebungszeitraum zusätzlich verschärft Flächenabdeckung. Allerdings ist dies außerhalb der urbanen hatten. Zentren noch ausbaufähig. Eine der Maßnahmen, mit der die Regierung versucht diese strukturelle Schwäche zu kontrastieren, ist die gezielte Förde- Gesellschaft rung der argentinischen Startup-Szene. Die Schaffung eines Die sozialen Voraussetzungen sind für Entrepreneure in Argen- Sekretariats für Entrepreneure und KMU im nationalen Pro- tinien durchaus positiv zu bewerten. So bietet die Existenz eines duktionsministerium Anfang 2016 ist Ausdruck hierfür. Das starken Mittelstandes (40 Prozent aller argentinischen Haushal- Sekretariat beleuchtet die strategische Bedeutung von Startups te) den fruchtbaren Boden für dynamische Jungunternehmen. für Innovation und einer erhöhten Marktdynamik für die nati- Dieser lässt sich nicht nur auf kulturelle Faktoren dieser Gruppe onale Regierung. Unter Federführung des Sekretariats wurde zurückführen, sondern auch auf die Tatsache, dass die perso- im ersten Halbjahr 2017 das Gesetz für Entrepreneure („ley nellen und familiären Ersparnisse zur Konkretisierung der ein- de emprendedores“) verabschiedet. Dieses Gesetz, das in den zelnen Projekte beitragen können. nächsten Monaten in Kraft treten soll, ist darauf ausgelegt, die Neugründung und Formalisierung von Startups zu beschleuni- Zusätzlich trägt das relativ hohe Bildungsniveau einer starken gen und setzt dabei an vier zentralen Punkten an: Mittelklasse zur Schaffung eines Jungunternehmertums bei. Verstärkt wird dies im Vergleich zu den Ländern der Region 2 Ausgehend von einem Wirtschaftswachstum von +1,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Stand Juni 2017); Quelle: Moses, C. (2017). Langsamer Aufschwung in Argentinien.
12 iit-Trend-Monitoring: Startup-Szene durch geringere Eintrittshürden zu einer höheren Bildung auf- zent) über 30 Mio. USD aufgebaut werden. Letztlich soll ein grund des freien und kostenfreien Zugangs. Unbeachtet der staatliches Seed-funding-Programm eingerichtet werden, das Missstände und Defizite des Bildungssystems wird hierdurch Jungunternehmen in der Frühphase mit zinslosen Krediten un- zum einen der Erwerb von Information und Ressourcen erleich- terstützen soll. Flankiert werden diese Maßnahmen dadurch, tert, zum anderen ist die Vernetzung zu potenziellen Entrepre- dass Unternehmen die finanzielle Unterstützung von Startups neur-Kollegen, Mentoren, Fachexperten sowie potenziellen steuerlich absetzen werden können. Eine Maßnahme, die das Kunden nicht zu unterschätzen. private Venture-Capital anheben soll. Letzteres ist zwar in der Region vorhanden, jedoch weit unter europäischem und US- amerikanischem Niveau. Vernetzung und Transfer Eine zentrale Rolle kommt in Argentinien den verschiedenen Wissenschafts- und Technologietransferplattformen zu. Argen- Märkte und Marktzugänge tinien unternimmt schon seit einigen Jahren erhebliche An- Wie eingangs erwähnt, trägt eine breitere Unternehmerbasis strengungen, durch verschiedene Programme die Forschungs- mit starken Zulieferketten grundsätzlich zu höheren Markt- und Entwicklungskultur im Land zu stärken und die Ergebnisse chancen von Startups und der Implementierung neuer Lösun- der Forschung in die freie Wirtschaft zu transferieren. Dennoch gen bei. Auf diese Weise können Unternehmen rasch auf nicht ist momentan viel Fokus der nationalen Wissenschaft in der befriedigte Bedürfnisse eingehen, wobei dies in Argentinien Grundlagenforschung und es gelingt nicht – wie von den Pro- meist auf das Engagement dynamischer Entrepreneure zurück- grammen bisher erhofft – aus den Ergebnissen das notwendige zuführen ist, und weniger auf traditionelle Industrien. Kapital zu schlagen. Dennoch verfügt Argentinien in Latein- amerika über einen hohen Index für erfolgreiche Transferplatt- Letztlich ist hervorzuheben, dass die Existenz eines starken formen. Netzwerke wie RedVITEC oder Centro REDES arbeiten Mittelstands einen relativen Pluralismus in der argentinischen direkt an dem Wissens- und Technologietransfer der Universitä- Volkswirtschaft zur Folge hat. Die geringere Konzentration der ten in die Wirtschaft, der Staat stellt zunehmend Coworking- ökonomischen Tätigkeiten auf Akteure und Sektoren führt zur Spaces und Inkubatoren an Jungunternehmer zur Verfügung Schaffung positiver Rahmenbedingungen, da dadurch mehr und NGOs sowie Universitäten bieten verstärkt Ausbildungs- Raum und Ansatzpunktmöglichkeiten für Startups und neue programme für Entrepreneure an. Hinzu kommt die erhebliche Marktlösungen möglich sind. Zudem ist auch eine Bereitschaft Anzahl an Veranstaltungen für Startups. zur Inkorporation neuer Technologien durch die verschiede- nen Marktteilnehmer zu erkennen. Dennoch ist die Nachfrage nach diesen neuen Technologien und Dienstleistungen durch Finanzierungsstrukturen die langanhaltende Rezession der vergangenen Jahre gebremst Allen Förderprogrammen zum Trotz ist insbesondere die Finan- worden. zierungsstruktur für Startups in Argentinien verbesserungsbe- dürftig. Ungeachtet der hohen Anzahl staatlicher und privater Fonds beherrschen vor allem die Skepsis gegenüber den Finan- Spezifika der nationalen Startup-Szene, zierungsinstrumenten und die relativ hohen Hürden zu Bank- Leuchttürme und Best Practices der Startup- krediten die öffentliche Wahrnehmung (Prodem 2016). Das Förderung oben genannte Gesetzesvorhaben „ley de emprendedores“ soll hier jedoch Abhilfe schaffen. Branchen Relevanz (10 = max.) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 So soll beispielsweise ein nationaler Förderfond (FONDCE) ein- Life Sciences x gerichtet werden, der neue und vereinfachte Finanzierungsli- nien schafft. Ein Expertengremium aus dem öffentlichen und Food / x Agriculture privaten Sektor soll die neuen Finanzierungsinstrumente so Mobility / entwickeln, dass der Wirkungsgrad der Programme erhöht x Automotive wird. Interessant ist dabei, dass das Gesetz die Anlage eines Teils dieser Gelder für Crowdfunding und andere Gelder für Energy x Investitionsfonds vorsieht. Insgesamt sollen dabei zehn öffent- Digital x lich-private Fonds (öffentlicher Anteil von mindestens 40 Pro- Industry
Argentinien//Buenos Aires 13 Branchen Relevanz (10 = max.) Wettbewerbsfähigkeit auf Basis der angebotenen Nanotech- 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 nologie zu verstärken. Liposome als Ersatz anderer Nanopar- tikel sollen die Toxizität der einzelnen Produkte senken und Manufacturing x so eine Reduktion der Anwendungsdosis ermöglichen. Ent- Finance x standen aus einem Spin-Off der Nationaluniversität Rosarios Consumer (Universidad Nacional del Litoral) hegt Lipomize den Anspruch x Markets Technologieführer in Liposomen in Argentinien und der Regi- Other on zu werden. Die kundenindividuelle Anfertigung der Produkte von Lipo- Beispiele erfolgreicher Startups mize ermöglicht die Bündelung eines ganzen Projektes – vom Entwurf bis zur Fertigung – bei einem einzigen Team. Semtive Das Unternehmen bietet einfache und kostengünstige vertika- Zolvers le Windräder zur Energieerzeugung an. Zentrale Komponente des Erfolges von Semtive ist die leichte und kostengünstige Zolvers ist eine Online-Plattform, die ursprünglich zwischen Bauweise, die einfach und ohne viel Expertise aufgebaut so- Putzfachkräften und Haushalten – gegen eine geringe Ge- wie leicht gewartet werden kann. Mit dem Verzicht auf Hoch- bühr – vermittelte. Inzwischen ist die Plattform auch auf an- technologie zielt Semtive bewusst auf kaufkraftschwächere dere Dienstleistungen (Altenpflege, Elektriker, Klempner, etc.) Märkte ab, da Kosten gedrückt werden und die Reparierfä- für den normalen Haushalt spezialisiert und bietet diese an. higkeit des Windrads ohne technische Assistenz zunimmt. Mit einer Vorabregistrierung der Personen, die Haushalts- Kernidee der Turbine ist die Einfachheit und der Leichtbau, dienstleistungen anbieten sowie diese nachfragen, werden die eine universelle Anwendung unabhängig von Ort (ländlich Strafregister abgeprüft bzw. Zahlungsdaten gesichert. Da so- oder urban) und Windstärke zulässt. Die niedrige Kostenstruk- wohl Dienstleiter als auch Nachfrager auf der Plattform be- tur soll den Zugang zur Energie „demokratisieren“ ohne an wertet werden und die Einstellung von Wunschzeiten möglich Qualität und Verfügbarkeit einzubüßen. Als Garantie hierfür ist, wird die Verlässlichkeit der Dienstleistung erhöht. wirbt Semtive mit der Einsatzdauer der Windräder bis zu 40 Jahren. Zusätzlich soll die Tatsache, überall auf der Welt pro- Vor dem Hintergrund einer starken Dominanz des informel- duzieren zu können, dazu verhelfen, Arbeitsplätze schaffen len Sektors im Handwerk und bei Haushaltshilfen bietet die zu können. Plattform eine Formalisierung der jeweiligen Dienstleistung an. Zudem wird durch die vorhergehende Prüfung der Fach- Anstelle neuer Technologienlösungen für eine erhöhte Ener- kräfte der Unsicherheitsfaktor bei Anwerbung von Putzhilfen/ gieeffizienz stehen die Schlichtheit und die niedrigen Kosten Handwerkern und das kulturelle Misstrauen gegenüber der im Vordergrund. Statt dem Kauf eines großen Windrads durch Zugangsgewährung Fremder in die eigene Wohnung gesenkt. einen Kunden wird der Verkauf vieler kleiner Produkte an viele Die davor notwendige Mund-zu-Mund-Propaganda sowie die Kunden angestrebt. fehlende Verlässlichkeit bei der Einhaltung von Terminen wer- den ebenso reduziert. Lipomize S.R.L. Das Unternehmen entwickelt Technologien und Produkte auf Ausblick Basis von Liposomen mit Fokus auf die Pharma-, Kosmetik- Argentinien verfügt über eine starke Unternehmertradition und und Nahrungsmittelindustrie. Lipomize wirbt mit einer flexi- das Thema Entrepreneurship bzw. Startups findet sich in vielen blen Produktion, die auch eine Personalisierung der Produkte Bereichen der Politik und Gesellschaft wieder. Gerade neue Ge- möglich macht. Zusätzlich zu den technologischen Lösungen nerationen (Stichwort „Millenials“) suchen die Selbstständig- begleitet das Unternehmen durch Beratung seine Kunden – keit als eine Möglichkeit der eigenen Verwirklichung. Zudem insbesondere des pharmazeutischen Segments – um deren werden durch neue Initiativen und Programme aller Art Mög- lichkeiten geboten, die das Jungunternehmertum zusätzlich
14 iit-Trend-Monitoring: Startup-Szene fördern sollen. Die Substanz ist daher, insbesondere aufgrund der für lateinamerikanische Verhältnisse starken Mittelklasse, gemessen am Niveau und dem Zugang zu Bildung sowie der bestehenden Entrepreneurship-Kultur, als sehr stark zu werten. Dieser Tatsache zum Trotz müssen der Zugang zu Kapital und Bankkrediten in Argentinien erleichtert und die politischen und makroökonomischen Rahmenbedingungen erheblich verbes- sert werden. Das Gesetzesprojekt „ley de emprendedores“ könnte hier Abhilfe schaffen. Insgesamt ist mit einer Kontinuität in der kulturellen Veran- kerung des Gründergeistes sowie mit einer Fortsetzung der aktuellen Politik im Bereich Startups zu rechnen. Ein Zuwachs an Geschäftsideen und Unternehmensgründungen ist in den zentralen Bereichen Smart Cities bzw. nachhaltige Stadtent- wicklung, Landwirtschaft 4.0 sowie Softwaredienstleistungen zu erwarten. In Argentinien wird das Thema Startup als Verlängerung der na- tionalen Innovationspolitik bewertet. Dies wird zum einen über die Verankerung des Themas in den Ministerien für Moderni- sierung sowie Produktion – und zu einem geringeren Grad im Wissenschafts- und Technologieministerium – deutlich. Dabei wird der Fokus insbesondere auf den Bereich Biotechnologie und Software/Internetdienstleistungen gelegt.
Chile//Santiago 15 Chile//Santiago Politische und institutionelle Rahmenbedingungen Chile ist nach wie vor ein Land, das vom primären Sektor ge- Kontakt prägt ist: Bergbau, Landwirtschaft und Fischerei. Um eine grö- Cornelia Sonnenberg ßere Balance und eine geringere Abhängigkeit vom Bergbau zu iit-Repräsentanz an der AHK Chile, erreichen, fördert die chilenische Regierung seit einigen Jahren Santiago de Chile u. a. den Aufbau einer Startup-Szene in Santiago. Wichtigster E-Mail: csonnenberg@camchal.cl Magnet um Startups anzulocken ist das Programm Start-up Chile3, das sich vor allem an neue/junge Startups aus dem Aus- land richtet. Gründungswillige erhalten vom Staat ein Visum für ein Jahr und je nach Programmlinie umgerechnet rund 13 Tsd. Gesellschaft Euro (Linie „S-Factory“, Frühphasenförderung speziell für Grün- Die chilenische Gesellschaft ist im privaten Bereich – und zwar derinnen), 26 Tsd. Euro (Linie „Seed“, für Startups, die bereits auch bei den älteren Generationen – bereits sehr weitgehend ein frühes Produkt haben) und ca. 95 Tsd. Euro (Linie „Scale“, digitalisiert (Nutzung von Smartphones, Social Media etc.). Da- für Startups in der Wachstumsphase). Neben der Förderung er- bei sind das gesellschaftliche „Vorbild“ die USA, sodass neue halten die Gründerinnen und Gründer Unterstützung in Form Trends schnell aufgegriffen und adaptiert werden. von Workshops, Coworking-Spaces, Mentoren; als Gegen- leistung dafür sind sie gehalten, etwas für die lokale „Szene“ Eine Gründungskultur ist noch nicht so umfassend ausgeprägt zu tun – beispielsweise durch ihre Teilnahme an Hackathons und Startups nehmen in der öffentlichen Wahrnehmung noch oder Aktivitäten an Universitäten. Das Programm entstand auf eine kleine, jedoch an Bedeutung zunehmende Rolle ein. Wie Anregung des chilenischen Geschäftsmanns Nicolas Shea. Im schnell und umfassend sich dies in den nächsten Jahren entwi- „Global Accelerator Report“ 2015 gehörte Chile mit seinem ckelt, wird sicherlich zum einen von der wirtschaftlichen Kon- Startup-Accelerator zu den Top 5 Ländern (Gust 2017). junktur abhängen, zum anderen aber auch von der Fortsetzung lokaler Fördermechanismen. Auffallend ist, dass „Startup Chi- Mittlerweile gibt es weitere Programme, die sich an bereits fort- le“ vorwiegend von Ausländern genutzt wird. geschrittenere Startups richten. Ein Beispiel hierfür ist Imagine Labs, das als Public Private Partnership von Microsoft und COR- Bildung ist in Chile ein großes, gesellschaftliches Thema. Aller- FO (Amt für Wirtschaftsförderung) unterstützt wird. dings mehr aufgrund der eklatanten Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Bildungseinrichtungen. Private Schu- len und einige traditionelle Universitäten in Chile gehören zu Infrastrukturen den besten in Südamerika und haben gleichsam westlichen Grundsätzlich ist bei der Infrastruktur in Chile ein klares Stadt- Standard. Insbesondere an den Universitäten werden Inkubato- Land-Gefälle auszumachen. Santiago selbst ist eine moderne ren und Mentoringprogramme gefahren, die Start-ups aus den Metropole, die weitestgehend auf westlichem Standard agiert. Universitäten heraus fördern. Dabei nutzen die Universitäten Strom und (Warm-)Wasser sind stets verfügbar. Straßen und auch öffentliche Mittel, um Finanzierungslinien hierfür aufzule- öffentlicher Nahverkehr werden beständig ausgebaut, um der gen. Teilweise werden solche Initiativen außerdem von großen stetig wachsenden Einwohnerzahl gerecht zu werden, befinden nationalen oder internationalen Unternehmen unterstützt (z. B. sich jedoch auf vergleichsweise hohem Niveau. Für Startups Telefonica, Microsoft, die lokale Angelini-Gruppe oder auch Fa- meist mit am wichtigsten: eine gute Internetverbindung. Hier mily-Offices). Auffallend ist, dass Englisch selbst im Unterneh- punktet Chile mit schnellen Leitungen und einer sehr guten mertum nach wie vor keine Selbstverständlichkeit ist. 3G/4G Netzabdeckung, die sich vergleichsweise besser darstellt als in Deutschland. Außerhalb von Santiago und insbesondere auf dem Land ist die Infrastruktur allerdings noch ausbaufähig und bedarf in den nächsten Jahren weiterer Investitionen. 3 Siehe Start-up Chile: www.startupchile.org
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