Congo Stars (Supplement) - Universalmuseum Joanneum
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Barbara Steiner 2 Kongo und Österreich Kurt Jungwirth 8 Interview mit Alfred Liyolo Günther Holler-Schuster, Barbara Steiner Gespräche mit Sammlern 10 1 Werner Horvath 14 2 Peter Weihs 18 3 Armin Prinz Armin Prinz 26 „Medizinmänner“ Monika Holzer-Kernbichler 36 „Afrika in Graz“ Ein Gespräch mit Kamdem Mou Poh à Hom 44 Timeline Österreich – Kongo 52 Chéri Samba, Une médecine de brousse, Galerie & Edition Artelier Graz, 1996 56 Rahmenprogramm 58 Impressum Werkbeschreibungen 17 Porträt Peter Weihs, gemalt von Moke 23 Armin Prinz als Mediziner, gemalt von Sam Ilus 24 Armin Prinz, eine Behandlungsszenerie beobachtend, gemalt von Landry Pengi 25 Armin Prinz mit dem Fahrrad, gemalt von Moke 30 Zu den fünf Krankheitsdarstellungen von Werner Horvath 32 Zur Skulptur L’Africaine von Oswald Stimm 33 Oswald Stimm bei den „Pygmäen“, gemalt von Moke 34 Zu den skulpturalen Werken von Peter Weihs 35 Zu den Barszenen von Peter Weihs
Peter Weibel (Hg.), Inklusion : Exklusion, Blick in die Ausstellung M_ARS – Kunst und Krieg, Ausstellungskatalog, steirischer herbst, Graz, Neue Galerie Graz, 11.01.–26.03.2003, mit Arbeiten DuMont, Köln 1996 von Tshibumba Kanda Matulu Kongo und Österreich Eine Ausstellung über kongolesische Kunst auch eine Einzelausstellung hatte. 2003 im Kunsthaus Graz mag auf den ersten Blick wurden Werke von Tshibumba Kanda Matulu ungewöhnlich erscheinen. Denn außereuro im Rahmen von M_ARS – Kunst und Krieg, päische Kunst, speziell afrikanische, wird einer Ausstellung der Neuen Galerie Graz in nach wie vor selten in den großen Kunst Kooperation mit „Graz 2003 – Kulturhaupt- institutionen gezeigt. Nicht so in Graz: stadt Europas“, gezeigt. 2013 präsentierte das Kunsthaus Graz eine Mehrere Ausstellungen fanden – unter ande- Einzelausstellung von Romuald Hazoumè, rem 2004 im Künstlerhaus Graz (damals die den Titel Beninische Solidarität mit noch Teil des Landesmuseums Joanneum) gefährdeten Westlern trug und der Frage und 2015 im Schaumbad Freies Atelierhaus nachging: „Was wäre, wenn die Verhältnisse Graz – zu Ehren von Susanne Wenger statt, sich derart änderten, dass sich die Dynamik einer in der Steiermark geborenen Künst- von Abhängigkeiten und Machtverhältnissen lerin, die seit 1950 in Nigeria lebte, dort umzukehren begänne?“ (Günther Holler- Yoruba-Priesterin wurde, die Kunstschule Schuster). Der aus Nigeria stammende New Sacred Art gründete und mit lokalen Bildhauer Samson Ogiamien stellte 2015 im Handwerkern und Künstlern die verfallenden Kunsthaus Graz aus und widmete sich dem Schreine des Heiligen Hains der Göttin Osun Verhältnis von afrikanischer Tradition und wieder aufbaute. Diese gehören seit 2005 europäischer Realität. Auch kongolesische zum UNESCO-Weltkulturerbe. 2004 erhielt Kunst war wiederholt in Graz zu sehen: Wenger das Große Goldene Ehrenzeichen 1996 wurden Werke von Chéri Samba in des Landes Steiermark. Inklusion : Exklusion – Kunst im Zeitalter von Postkolonialismus und globaler Mig- Zu den wichtigen Initiativen in Graz zählte ration im Rahmen des Festivals steirischer etwa das 1999 begonnene, sieben Jahre herbst präsentiert. Im selben Jahr arbeitete dauernde Restaurant-Projekt Teranga, Samba vor Ort an einer Siebdruckedition für das Joachim Baur von der Werkstadt Graz Galerie & Edition Artelier Graz, wo er gemeinsam mit Bambo Sane und Salam 3
Restaurant Teranga, Sporgasse 16, 8010 Graz Café NIL (rechts Gründerin Veronika Dreier), Drei Fiston Mwanza Mujila, Tram 83, Zsolnay, Wien 2016 hackengasse 42, heute Lazarettgasse 5, 8020 Graz Barry konzipierte. Dafür wurde der damalige Österreich, die gezeigte Kunst und der Aus- Uns Kuratorinnen und Kuratoren der Aus- Damit ist bereits ein Punkt benannt, weswe- Galerieraum der Werkstadt Graz zu einem tragungsort der Ausstellung werden mitei- stellung hat interessiert, wie sich politische gen sich dieser Ausstellungsführer vor allem Restaurant für zirka 20 Personen umgebaut. nander und beide mit länderübergreifenden und soziale Realitäten, mitunter ununter- den mitunter überraschenden Beziehun- Darüber hinaus zu nennen sind die Aktivitä- gesellschaftspolitischen Ereignissen ver- scheidbar, mit Fiktionen mischen. „Kongo“ gen zwischen Österreich, konkret auch der ten der Grazer Kirche St. Andrä, initiiert bunden. Congo Stars ist also keine „natio umfasst vor diesem Hintergrund eine Bün- Steiermark, und Kongo widmet, um freilich vom damaligen Pfarrer Hermann Glettler, nale Ausstellung“ oder gar Leistungsschau delung von (Re-)Inszenierungen, Deutun- davon ausgehend Querverweise auf Ereig- der BAODO Kunstverein, der den Kunstraum der DR Kongo. Ja, der Titel ruft den Stern gen, narrativen Fortschreibungen und Aus- nisse einzubauen, die nationale Begrenzun- und das Café NIL führt – ein interkulturel- in der Flagge auf und spielt auf die wech- schmückungen, an der viele beteiligt sind gen herausfordern. les Kommunikations- und Kulturzentrum selnden politischen Systeme und Regimes – Wissenschaftler/innen, Künstler/innen, für Begegnungen und Austausch –, sowie an – denn nicht nur der Name der heutigen Filmemacher/innen, Journalistinnen und Doch nun zu Österreich, das nicht weniger Chiala, ein Verein, der aktiv Kunst- und DR Kongo, auch die Nationalflaggen wurden Journalisten, Kunstsammler/innen, Reisende Imaginations- und Identifikationsraum Kulturvermittlung mit Afrikaschwerpunkt je nach Staatsdoktrin modifiziert. Er bezieht usw. – und die weit über territoriale Grenzen sowie Projektionsfläche ist als Kongo. Auch und Kulturarbeit betreibt und jährlich das sich aber auch auf Populärkultur, auf lokale eines Staates hinausgehen. wenn unsere Zeitlinie in der Ausstellung Chiala Afrika Festival in Graz organisiert. An und internationale Stars und Helden, und weit in die Vergangenheit zurückreicht, dieser nicht vollständigen Aufzählung kann darüber hinaus auf den buchstäblichen Congo Stars zeigt populäre Malerei, die im möchte ich mich hier auf die Zeit nach 1945 man bereits merken, dass sich „Afrika“- Griff nach den Sternen: Zaire, so lautete Zeitraum zwischen den 1960er-Jahren und beschränken und einige Punkte herausgrei- Kooperationen nicht alleine auf das Gebiet der Staatsname zwischen 1971 und 1997, heute entstanden ist, sowie Arbeiten in fen: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der DR Kongo beschränken; die einzelnen leistete sich ein ambitioniertes Weltraum- anderen Medien, von kongolesischen Künst- Österreich gezielt ein Narrativ aufgebaut, afrikanischen Gruppen stehen im Austausch programm. Auch die vielen utopisch-futuris- lerinnen und Künstlern, die aktuell in Paris, wonach das Land nie koloniale Interessen miteinander, aber auch mit Österreicherin- tisch anmutenden Darstellungen der Künst- Brüssel, Kinshasa und Lubumbashi leben. verfolgt hat. Entdeckungs-, Forschungs- nen und Österreichern. ler sprechen letztendlich von der Sehnsucht Als gedanklicher Ausgangspunkt für die und Handelsreisen wurden im Blick zurück nach einem – sowohl territorial als auch Ausstellung diente das Buch Tram 83 des als unpolitisch eingestuft und selbst wenn Congo Stars schreibt sich in diese Ausstel- zeitlich in einem „Außerhalb“ liegenden – aus Lubumbashi stammenden und in Graz Gewalt involviert war, wurde deren „Kultur- lungsgeschichte und Initiativen vor Ort ein. positiv besetzten gesellschaftlichen Raum. lebenden Schriftstellers Fiston Mwanza oder Zivilisationsauftrag“ betont. Eigene Vor diesem Hintergrund werden zwar spe- Letztendlich ist „Kongo“ Projektionsfläche, Mujila. Er begann seinen Roman in Deutsch- politische oder ökonomische Interessen zifische Beziehungen zwischen Kongo und Imagination, dysfunktionaler Staat und land als Preisträger der Heinrich-Böll- blendete man genauso aus wie die Tatsache, Österreich beleuchtet, aber gleichzeitig in umkämpftes Territorium zugleich. Stiftung zu schreiben und beendete ihn in dass sich eine Reihe namhafter österreichi- politische, wirtschaftliche, soziale und kul- Graz, wo er im November 2018 den Peter- scher Forscher in den Dienst der Kolonial- turelle Bezüge eingebettet, die nationale Rosegger-Preis erhält. mächte gestellt hatte. Auch blieb der Blick Zuschreibungen überschreiten. Kongo und auf den Kontinent Afrika, der vor allem 4 5
darunter Alfred Liyolo, ein junger Bildhauer schen und französischen Leihgeberinnen aus Leopoldville. Er und 19 weitere junge und Leihgebern sowie der deutschen Kul- Männer im Alter von rund 20 Jahren lernten turstiftung des Bundes, den Unternehmen zunächst in den Sommermonaten in Leib- Drei und UNIQA, Zultner Metall GmbH und nitz (Südsteiermark) Deutsch, um später Leicht Metallbau, dass sie diese Ausstel- Ausbildungen an der Landwirtschaftsschule lung ermöglicht haben, die ab März in leicht in Silberberg, der Montanuniversität in veränderter Form auch in der Kunsthalle Leoben, der Technischen Universität oder Tübingen zu sehen sein wird. Besonders der Kunstgewerbeschule in Graz aufnehmen freut uns natürlich, dass es im Rahmen zu können. Liyolo besuchte zunächst die des Vermittlungsprogramms zur Ausstel- Grazer Kunstgewerbeschule und später die lung auch eine Reihe an Kooperationen mit UNO-City, Wien, 1979 Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Alfred Liyolo, L’Abstinance, 1985 afrikanisch-österreichischen Partnerinnen Er heiratete eine Steirerin und ging 1970 und Partnern aus Graz gibt. Hier danken wir wieder in den Kongo zurück, um an der neu Monika Holzer-Kernbichler und dem Vermitt- durch populäre Reisebeschreibungen gegründeten Académie des Beaux-Arts in Dank dem Weltmuseum Wien, der Österrei- lungsteam. geprägt war, durchaus kolonialistisch und Kinshasa zu unterrichten, deren Rektor er chischen Ethnomedizinischen Gesellschaft rassistisch. 1986 wurde. (Wien), Armin Prinz (Wien), der Sammlung Mitten in den Vorbereitungen zu Congo Horvath Politischer Kunst (Linz), Peter Stars ist der Medizinanthropologe und 1955 trat Österreich den Vereinten Nationen Auf Liyolos Initiative wurden zwei öster- Weihs (Kukmirn) und Thomas Stimm (Bur- Ethnologe Armin Prinz, einer der wichtigsten bei. Um unter denjenigen Mitgliedsstaa- reichische Künstler – der Bildhauer Oswald gau). Ohne ihre großzügige Unterstützung Kenner kongolesischer Kunst, verstorben. ten, die ehemals Kolonien waren, für das Stimm und der Keramiker Peter Weihs – ein- wäre dieses Projekt in seiner Dichte nicht zu Die Ausstellung ist auch seinem Gedenken neutrale Österreich und die Ansiedlung geladen, an der Académie des Beaux-Arts realisieren gewesen. gewidmet. internationaler Organisationen in Wien zu zu unterrichten. Im Gegenzug kamen der werben, betonte die Republik ihre koloniale Bildhauer Makala Mbuta und der Keramiker Die Ausstellung selbst vereint – auch wenn Barbara Steiner, Kunsthaus Graz Unschuld und verhielt sich in Bezug auf Magwaia Samba mit einem Stipendium zur sie zunächst bei kongolesischer Kunst ihren UNO-Agenden wie Entkolonialisierung, Men- Ausbildung nach Österreich, um nach zwei Ausgangspunkt nimmt und einen speziellen schenrechte, Abrüstung sowie Einhaltung Jahren die beiden europäischen Professoren Fokus auf die kongolesisch-österreichischen des Völkerrechts äußerst kooperativ. Diese in Kinshasa ablösen zu können. Letztendlich Beziehungen legt – wissenschaftliche, Strategie zeitigte bald Erfolge, die in der blieben beide Österreicher viele Jahre in Kin- gestalterische und künstlerische Expertise Ansiedlung der Internationalen Atomener- shasa tätig: Stimm von 1973 bis 1982, Peter aus Belgien, der DR Kongo, Deutschland gie-Organisation (1957) und der Organisa- Weihs von 1972 bis 1991, beide mit kürzeren und Österreich, zusammen mit den Kura- tion für industrielle Entwicklung (1966) in und längeren Unterbrechungen. torinnen und Kuratoren (Sammy Baloji, Wien gipfelten. 1971 wurde schließlich Kurt Bambi Ceuppens, Günther Holler-Schuster, Waldheim Generalsekretär der Vereinten Die Verbindungen und Verflechtungen sind Fiston Mwanza Mujila, Barbara Steiner), Nationen und 1979 eröffnete mit der UNO- also vielfältiger Natur und reichen weit der Assistenzkuratorin (Alexandra Trost) City ein dritter UNO-Sitz in Wien. zurück. Denn – wie bereits eingangs erwähnt und den Registrarinnen des Kunsthau- – haben nicht nur wichtige kongolesische ses (Astrid Mönnich, Magdalena Muner), Ende der 1950er-Jahre entstand in den in Künstler wie Chéri Samba oder Tshibumba den Kooperationspartnern in Lubumbashi die Unabhängigkeit entlassenen afroasiati- Kanda Matulu in den 1990er-Jahren in (Picha ASBL), Tervuren (Musée royal de schen Ländern ein Bedarf an Know-how. Sie Graz ausgestellt, sondern es gibt auch drei l’Afrique centrale), Tübingen (Kunsthalle) schickten junge Menschen zur Ausbildung bedeutende österreichische Sammlungen, und Bayreuth (Iwalewahaus) sowie dem ins europäische Ausland – unter anderem die – neben Leihgeberinnen und Leihgebern Gestaltungsteam der Ausstellung (Rainer auch nach Österreich. Im Zuge der Bildungs- aus Brüssel und Paris – der Ausstellung Stadlbauer, Kay Bachmann, Michael Posch) zusammenarbeit kam 1963 eine Gruppe Congo Stars wesentliche Konvolute zur Ver- und dieses Ausstellungsführers (Karin Buol- Kongolesen zum Studium in die Steiermark, fügung stellten. Hier gilt unser besonderer Wischenau). Wir danken ihnen, den belgi- 6 7
Interview mit Alfred Liyolo tiert. Im Übrigen ist der Eindruck, den so ein Kunstwerk auf einen Afrikaner macht – in Kurt Jungwirth Afrika bestehen solche Kirchen ja nicht – vollkommen fremdartig. Herr Alfred Liyolo, woher kommen Sie? Was suchen Sie, was erwarten Sie sich von Österreich in dieser Beziehung? Wollen Sie Was sagen Sie zu unserer Sprache? Ich komme aus Leopoldville. sich hier vervollkommnen oder wollen Sie sich eine Inspiration suchen? [lacht] Die deutsche Sprache ist sehr, sehr Sind Sie auch in Leopoldville geboren? schwer. Ich glaube, dass ich mit ein wenig Ich möchte mich vervollkommnen, beson- Geduld doch dahin kommen werde, diese Nein, ich bin in einem Dorf, 320 km von ders um Bildhauerei und Modellierkunst Sprache ein wenig zu sprechen. Leopoldville entfernt, geboren. zu lernen. Um wirklich ein guter Künstler zu werden. Um eines Tages in den Kongo [lacht] Mit Geduld und mit Arbeit. Aber Sie haben lange in Leopoldville zurückgehen zu können und dort wirklich gewohnt? ein Mann, der sein Metier versteht, zu sein. [lacht] Ja, mit Arbeit und mit Geduld, die zwei müssen leider miteinander gehen. Ja, seit 1949 habe ich dort gelebt. Haben Sie irgendwelche Ideen, Gedanken zur europäischen Kunst? Also dann viel Mut und alles Gute für diese Und was haben Sie in Leopoldville Arbeit! gemacht? Ja, ich habe Kunstgeschichte gelernt. Ich musste die Kunst aller Kontinente kennen- Oh merci, merci beaucoup. Alfred Liyolo, La Symphonie, 1982 Mein Vater ist zuerst nach Leopoldville lernen. Also habe ich auch einige Ideen der Audio-Aufzeichnung des Bild- und Tonarchivs Graz (heute gegangen. Er hat sich dort niedergelas- europäischen Kunstgeschichte mitbekom- Multimediale Sammlungen, UMJ), 1963 sen und hat mich dann später in die Stadt men. Nur sind das hauptsächlich theoreti- Dauer: 8 min 12 s Das Interview fand auf Deutsch und Französisch statt. Alfred geholt. Und dort habe ich dann meine sche Gedanken. Liyolo sprach ausschließlich Französisch, Kurt Jungwirth Schulbildung gehabt, habe die Schule von (später steirischer Politiker und Kulturfunktionär) übersetzte. der ersten Volksschule an bis zur Akademie Haben Sie schon irgendwelche Spuren die- der schönen Künste besucht. ser europäischen Kunst hier in Österreich entdeckt? Was haben Sie dort als Student an dieser Akademie gemacht? Ja, ich habe schon vieles entdeckt in den Straßen beim Spazierengehen. Vor allem auf Ich stamme aus einem Dorf, das sehr dem Gebiet der Bildhauerei, aber auch Male- bekannt ist durch seine künstlerischen rei. Ich habe gesehen, dass Österreich ein Erzeugnisse. Man macht dort vor allem stark entwickeltes Kunstland ist. Elfenbeinschnitzereien. Und ich selbst habe ein Talent entdeckt, Künstler zu wer- Können Sie uns sagen, was für einen Ein- den. Deswegen bin ich an diese Akademie druck eine typisch österreichische Barock- gegangen und dort habe ich verschiedene kirche auf Sie macht? Seien Sie ganz offen. Branchen gelernt. Vor allem Modellieren. Und Bildhauerei sowie auch Zeichnen und [lacht] Was ich hier gesehen habe, hat für Skizzieren. Und schließlich habe ich das mich vor allem bestätigt, was ich bisher in Stipendium bekommen, um nach Österreich der Kunstgeschichte gelernt hatte. Ich habe zu gehen. praktisch gesehen, dass das, was ich einmal theoretisch lernen musste, wirklich exis- 8 9
Gespräche mit Sammlern Günther Holler-Schuster, Barbara Steiner 1 Werner Horvath Das würde niemand verfolgen. Dass der Maler sich an eine solche Darstellung heran- Wann haben Sie begonnen, kongolesische traut, habe ich sehr bewundert. Deshalb bin Kunst zu sammeln? ich von den sowjetischen zu den kongolesi- schen Malern umgestiegen. Zunächst malte ich kritische Antikriegsbil- der. Das kam aus einer Auseinandersetzung Die Bilder der „peinture populaire“ haben Sie mit dem sowjetischen Sozialismus; diese offenbar sehr beeinflusst. Man sieht dies Arbeiten sammelte ich und verarbeitete die deutlich in den Motiven, aber auch in der Anregungen in meinen eigenen Malereien. Art, wie Ihre Bilder aufgebaut sind. Sowjetische Kunst wurde mir aber irgend- wann zu teuer, deshalb hörte ich damit auf. Man sieht dies am besten an dieser Serie Bei einer Ausstellung im Wiener Josephinum von fünf Bildern. [→ S. 30–31] Es sind bin ich dann auf die afrikanische Samm- Tropenkrankheiten, Ängste und Neurosen, lung gestoßen, die Prof. Prinz aufgebaut Berufskrankheiten, Zivilisationskrankhei- hatte. Eigentlich per Zufall, denn ein von ten, Überfluss- und Mangelkrankheiten mir gemaltes Bild von Prof. Olbert, einem dargestellt. Bei Letzterem sieht man den bekannten Mediziner, war dort ausgestellt. afrikanischen Einfluss deutlich. Ich schildere Mir fielen die politischen Bilder aus dem den Verlauf der Krankheit Aids. Man sieht Kongo sofort auf. Und es stellte sich heraus, das Anbandeln im Lokal, den Geschlechts- dass Prof. Prinz diese oft mitkaufen musste, verkehr, die Versuche, der Ansteckung zu obwohl er sich eigentlich nur für die medizi- entgehen (ein Heiler führt eine Hühnerblut- nischen Bilder interessiert hatte. Diese sind Behandlung durch) und den Tod – die Leiche quasi „übrig geblieben“, standen herum und wird dann weggebracht. Die Vorbilder für waren für seine ethnomedizinische Samm- diese Motive stammen von einem afrika- lung nicht zu gebrauchen. Ich fragte ihn, ob nischen Maler. Er hat die Szenen genau so ich diese kaufen könne. dargestellt. Was war der Impuls, gerade diese Bilder zu Wieso zählt Aids für Sie zu den Mangeler- sammeln? krankungen? Mich faszinierten die Darstellungen. Es gibt einen Mangel an Aufklärung, Vor- Man kann die Bilder kaum anschauen, so sorge, Therapie ... Deshalb habe ich Aids grausam sind sie. Mich hat der Mut sehr zu den Mangelerkrankungen genommen. beschäftigt, solche Szenen zu malen. Es Tagespolitische, aktuelle Szenen malen, fasziniert mich, dass jemand eine Präsiden- das kann ich allerdings aufgrund meiner tenwahl zeigt und die Kandidaten als Tiere langwierigen Technik nicht. SAPINart könnte und den regierenden Präsidenten als Ratte das, ich nicht. darstellt. In einem Land, in dem es keine Sicherheit gibt, könnte der Präsident ohne Kongolesische Künstler/innen reagieren Weiteres befehlen, den Maler umzubringen. schnell auf Ereignisse. Depot Horvath 11
Werner Horvath nach Chéri Cherin, Ausstellungsplakate, 2010 Démon-cratie, 2004 Das hat sich Armin Prinz einmal zunutze Waren Sie jemals selbst im Kongo? Anlässlich der Ausstellung 50 Jahre Kongo „digitaler Bilderrahmen“ genutzt wurde. gemacht. Es handelte sich um die Schluss- reiste ich nach Tervuren. Denn das Afrika- Für mich ist der Inhalt dieser Bilder auch auf phase der Wahl zwischen Kabila und Bemba. Ich war nie im Kongo. Mir reichen Bildwelt museum hatte auch sieben Bilder von mir Österreich übertragbar. Nehmen wir das Bild Letzterer verlor, gab aber nicht auf, saß mit und künstlerischer Ausdruck. Da ich selbst als Leihgaben erhalten, u. a. von Chéri Che- von Ange Kumbi: Der populistische Kandidat seiner Leibgarde in Kinshasa fest, vertei- im Laufe meines Lebens fast jede Infekti- rin und Moke. Als ich dort war, sah ich im zeigt zunächst seine Volksnähe, dann wird digte sein Areal und es kam zum Konflikt: onskrankheit bekommen habe, wollte ich Museumsshop ein Original – es war von Sam er gewählt und unnahbar. Wachposten sind Hotels wurden beschossen, es gab Plünde- diese Reise vermeiden. Ilus. Das Bild kaufte ich dann umgehend. In vor der Tür postiert, die niemanden einlas- rungen. Letztendlich ist Bemba nach Portu- kommerzielle Galerien bin ich allerdings nie sen. gal geflohen. Jedenfalls hat Prinz in diesem Kennen Sie Peter Weihs, den österrei- gegangen. Chaos Maler aufgesucht und sie beauftragt, chischen Künstler, der sehr lange an der Chéri Cherins Bild „Démon-cratie“ haben Sie dieses Chaos zu malen. Er hat überhaupt Académie des Beaux-Arts unterrichtete? Sie haben Ihre Bilder mehrfach ausgestellt, ganz direkt auf die österreichischen politi- viele Aufträge erteilt. Die Maler reagierten also eigene Ausstellungen organisiert. Was schen Verhältnisse übertragen. darauf: Als sie merkten, es gibt eine Nach- Über Prof. Prinz kam ich an Prof. Weihs. Von hat Sie dazu motiviert? frage, haben sie Bilder vermehrt nachge- ihm habe ich dann einen Moke erworben. Man sieht ein Auto, das im Sumpf fest- stellt. Man hat ziemlichen Einfluss auf die Von diesem Künstler wollte ich unbedingt 2010 organisierte ich zusammen mit Prinz steckt. Ich habe die Szene leicht variiert, Produktion, auch wenn man es nicht will ein Bild haben, denn in Moke sehe ich einen 50 Jahre Unabhängigkeit. Kongo in Bil- indem ich die Köpfe austauschte – mit klei- – man beauftragt und plötzlich gibt es zehn Quantensprung der kongolesischen Male- dern, eine Ausstellung politischer Kunst im nen Zeitungsbildern von österreichischen leicht voneinander abweichende Varianten. rei. Weihs nahm viele Bilder aus Afrika mit, Schloss Puchenau und im Jägermayrhof in Politikern, die nun im übertragenen Sinn die einen Teil verkaufte er auch. So brachte er Linz – das ist ein von der Arbeiterkammer Banken anschieben, die im Sumpf stecken. Was ist Ihr beruflicher Hintergrund? etwa auch einen schönen Chéri Samba nach getragenes Veranstaltungszentrum. Dies bezog sich also auf die damals aktuelle Österreich, den das Völkerkundemuseum 2009 zeigte ich anlässlich von „Linz 2009 – Situation. Meine Interpretation war in einer Ich studierte Medizin und nicht Kunst, bin kaufte. Er musste das Bild in vier Teile zer- Kulturhauptstadt Europas“ die Ausstellung lokalen Zeitung abgebildet, allerdings leider also ein Autodidakt. Bereits als Jugendlicher schneiden, um es mitnehmen zu können. Wir sind Kongo im sogenannten „Kunst stark beschnitten. begann ich zu malen. Mein Vater war Maler Leider ist es mir nicht gelungen, ein Bild von palast“. Das war im Prinzip ein ausrangierter und Anstreicher und unser Keller war Chéri Samba zu erwerben. Schaut man sich Wohnwagen aus der DDR, ausgestattet mit Waren damals afrikanische Künstler in Linz? voller Farben. Der Künstlerberuf war in der die Preise an, dann ist es jetzt zu spät. Parkett und Kristalllüstern. Meine Aus- Familie nicht so erwünscht gewesen. Doch stellung zeigte 100 Bilder aus dem Kongo. Moke-Fils wollte damals kommen, aber wir habe ich das Medizinstudium nie bereut. Haben Sie auch woanders gekauft? Außer Es gab aber nur ein paar Originale, die meis- haben es mit dem Visum nicht geschafft. Später wollte ich Medizin und Kunst verbin- bei Prinz und Weihs? ten Bilder wurden auf einem Navigations- den. gerät beim Eingang gezeigt, das als eine Art 12 13
tung und ist deshalb auch eher wieder Dieser war total handwerklich für mich, zurück nach Wien. Doch mich hielt das nicht ich arbeitete mit den Studierenden, zeigte ab, auch wenn ich anfangs Schwierigkeiten ihnen, wie man töpfert, Glasuren anreibt, mit der Sprache hatte. Durch belgische Gipsformen, Naturstudien – kurzum: Ich Freunde und einen Elsässer, der gut Deutsch führte sie in die Arbeitsvorgänge der Kera- sprach, lernte ich schnell Französisch. Ich mik ein. Für „Kopfmodellierungen“ hatte ich bemühte mich zuzuhören und zu verstehen. sogar ein eigenes Programm aufgestellt. Ich Auch machte ich einen Kurs am Centre Cul- modellierte mit den Studierenden, wir arbei- turel Français. Weil meine Tätigkeit in erster teten gemeinsam an ihren jeweiligen Objek- Linie handwerklich orientiert war, ging es. ten. Das war ein schönes Erlebnis, denn es Und man kommuniziert auf einer anderen ging nicht darum zu sagen, „das ist meine Ebene, wenn man eine Sprache nicht perfekt Idee ...“ – es gab viel mehr Gemeinschafts kann. arbeit als in Wien. Als ich noch vor Schulbeginn in Kinshasa Wie lange haben Sie insgesamt an der ankam, half ich sogar Liyolo Gipsformen Peter Weihs mit Chéri Cherin und Monsengo Académie des Beaux-Arts in Kinshasa gear- herzustellen, denn das beherrschte ich sehr Shula, 2000 beitet? gut von den Auftragsarbeiten Leinfellners her. Diese Erfahrung war Gold wert. Liyolo Ich war mit Unterbrechungen zwischen hatte gerade einen Großauftrag von Mobutu 2 Peter Weihs Kinshasa. Später fand ich heraus, dass Frie- November 1972 und September 1991 dort, bekommen. Ich wohnte eine Zeit lang sogar derike an das österreichische Unterrichtsmi- diese lagen meist in den großen Ferien in seiner Nähe. Anfangs nahm er mich in sei- Sie haben in Wien studiert? nisterium geschrieben hatte. Liyolo führte bzw. wurden länger, als die Unruhen began- nem Auto in die Akademie mit. Dann kaufte damals die Bildhauerklasse an der Akade- nen. Da musste man oft ein halbes Jahr ich mir selbst einen Volvo. Zunächst war die Ich studierte bei Heinz Leinfellner. Er wurde mie in Kinshasa, viele Jahre später wurde in Europa warten, bis man wieder in den Bezahlung gut, ein Teil des Gehalts wurde in 1959 Dozent für keramische Plastik und im er sogar deren Rektor. Interessanterweise Kongo konnte. Die ersten drei Jahre blieb Dollar nach Österreich überwiesen. Jahr 1972 dann zum ordentlichen Professor hatte ich Liyolo bereits früher gesehen, und ich jedoch ununterbrochen in Kinshasa. Vor Ort bekam ich Zaire. Doch dauerte es an die Wiener Kunstakademie berufen. zwar buchstäblich nur gesehen, 1961 in Ursprünglich waren zwei angedacht. monatelang, bis das Geld auf dem Konto Prag, bei einer internationalen Keramikaus- Die Ursprungsidee war, zwei Studenten – war. Wann kamen Sie in den Kongo? stellung. Unsere Keramik- und die Bildhau- den Bildhauer Makala Mbuta und den Kera- Die letzten fünf, sechs Jahre bekam ich ereiklasse von Bertoni sind damals dahinge- miker Magwaia Samba – während unserer Fünfmillionen-Scheine und ein Bierdeputat Dies hat mit Alfred Liyolo zu tun, einem fahren, um auszustellen. Zeit in Kinshasa zum Studium nach Europa von einer Brauerei. Das konnte man dann Künstler, der die Klasse Bildhauerei an der zu schicken. Tatsächlich haben die beiden weiterverkaufen. Ortweinschule in Graz besucht und dann Was wussten Sie von „Afrika“ oder gar dem dann an der Angewandten in Wien ihr Dip- Im Laufe der Zeit gab es immer mehr heimi- eine Steirerin, Friederike, geheiratet hatte. Kongo? lom gemacht. Sie hätten uns als Professo- sche Lehrbeauftragte – zum Schluss waren Nach seinem Studium in Wien an der Akade- ren ablösen sollen, doch es entwickelte sich es nur mehr Kongolesen. mie – er war der erste Schüler von Wander Damals hatte ich noch keinen Afrikabezug – anders. Sie kamen nicht zurück, zumindest Bertoni – ging Liyolo wieder in den Kongo aber ich hörte von der grandiosen Natur nicht sofort. So blieben Stimm und ich Waren unter Ihren Studierenden welche, die zurück. Eines Tages bekamen wir an der und wurde insgesamt neugierig. Allerdings länger. Ich hatte ja genügend interessante einen Bezug zur „peinture populaire“ hat- Angewandten ein Schreiben, in dem stand, waren die Unruhen nach der Ermordung Schüler, hauptsächlich Afrikaner, aus Zaire, ten? dass man Bildhauer und Keramiker für Lumumbas damals auch im österreichi- dem Tschad, Brazzaville, Angola ... Die erste die Académie des Beaux-Arts in Kinshasa schen Ausland sehr präsent. Die meisten Frau überhaupt studierte bei mir in der Chéri Cherin war in meiner Klasse, Mika stu- suchte. Leinfellner fragte mich: „Wollen Sie Leute, die ich kannte, hatten mir abgeraten Keramikabteilung. Später war das Verhältnis dierte ebenfalls an der Akademie. Für Cherin nach Afrika?“ Und ich wollte – so wie mein und gesagt, dass ich den Anschluss an die zwischen Studentinnen und Studenten 1 : 4. dauerte die Ausbildung zu lange – deshalb späterer Kollege Oswald Stimm auch. Er Kunstszene in Österreich verlieren würde. beendete er die Keramikausbildung nicht. Er ging dann ein Jahr später ebenfalls nach Oswald Stimm hatte selbst diese Befürch- Wie sah der Unterricht aus? wollte so schnell es ging Geld verdienen. 14 15
Moke, Familie Weihs, Pierre Haffner und Sudila, 1975 Porträt Peter Weihs, gemalt von Moke, 1977 Als Ehr- und Freundschaftsbekundung des einen Künstlers (Moke) an den anderen Künstler (Weihs) ist dieses Gemälde zu verstehen. Moke zeigt darin den Wie haben Sie die anderen kongolesischen Die Unruhen begannen 1989/90. Damals Bildhauer und Maler Peter Weihs in der klassisch Maler kennengelernt? haben fast alle Europäer/innen das Land anmutenden Pose eines Künstlers. Einer durchaus verlassen. Ich bin dann 1991 weggegangen. westlichen Bildtradition – der der Dargestellte ent- stammt – folgend, wird der Künstler nahezu klischee- Pierre Haffner, der Elsässer, war der wich- Zuletzt hatte ich in der Akademie gewohnt, haft mit den Attributen seiner Profession gezeigt: Der tige Mann, über ihn bin ich an die Maler gegenüber vom Ausstellungsraum. Diese selbstbewusst und bedeutungsschwer aus dem Bild gekommen. Er betrieb einen Cinéclub im Wohnung hob man neun Jahre für mich blickende Künstler arbeitet gerade mit der rechten Hand an einer Leinwand, die auf einer Staffelei aufge- Centre Culturel und interessierte sich sehr auf, mit allem, was sich darin befand. Erst richtet ist, und schnitzt gleichzeitig mit dem Meißel für populäre Malerei. Die Bilder waren sehr 2000 löste ich den Hausrat auf, nahm das in seiner linken Hand eine Skulptur. Die im Vorder- präsent, es gab einen eigenen Markt, den Wichtige mit und verschenkte den Rest. Aus grund positionierte dunkle Figur scheint auf den „Marché des voleurs“ ... diesem letzten, 30 Tage dauernden Besuch lokalen Kunstzusammenhang hinzuweisen, während die abstrakte bzw. unfertige Gestaltung auf der Lein- habe ich ein Malbuch gemacht. wand den Künstler eher in einer westlichen Tradition Warum sind Sie aus dem Kongo weggegan- verortet. Es ist erneut der interkulturelle Kontext, vor gen? dem sich das künstlerische Werk von Peter Weihs ver- ständlich macht, der hier zum Ausdruck kommt. 16 17
es damit, dass sie für ihre religiösen Prak- Wie kamen Sie als Ethnologe und Mediziner tiken Kultobjekte brauchen würden, also zur Kunst? Schnitzereien, und keine Bilder, für die sie ja doch keine richtigen Wände hätten, um Bei meiner zweiten Reise 1974 lernte ich die diese aufzuhängen. Außerdem kannte ich beiden österreichischen Künstler Oswald damals nur den sogenannten „Marché des Stimm und Peter Weihs kennen, die an der voleurs“, wie von vielen Europäerinnen und Kunstakademie in Kinshasa Professoren Europäern geringschätzig der Kunst- und waren. Damals wohnte ich auch bei Peter Souvenirmarkt im Stadtzentrum genannt Weihs. Übrigens konnte ich zu dieser Zeit wurde. Dort wurden Bilder und gefälschte praktisch kein Französisch. oder gestohlene Ethnografika angeboten, Stimm und Weihs besuchten mit mir die mich nicht weiter interessierten. Mein Künstler wie Moke und Chéri Samba und Reisebegleiter und Freund Manfred Kremser, ich freundete mich dann langsam mit der der leider schon verstorbene Professor für „art populaire“ an. Aber gekauft hatte ich Ethnologie an der Universität Wien, war damals noch nichts. Entweder musste ich jedoch begeistert und kaufte ein solches als forschender Student Geld sparen, da ich Armin Prinz mit Chéri Bild. Es war eine stilisierte Darstellung von auf dem Weg in mein Forschungsgebiet bei Cherin, 2011 Masken, wie sie oft und gerne auf Touristen- den Azande in Nordost-Zaire war, oder ich märkten in Afrika angeboten werden. Dieses hatte bei meiner Rückkehr nichts mehr in Bild hing bis zu seinem Tod vor seinem Büro der Tasche. Moke hatte ich allerdings bereits 3 Armin Prinz nicht, sondern ich wollte mehr über die Hin- an der Uni. vorher über Bernhard Hafner, den damaligen tergründe wissen. Denn man suchte einen Leiter des Institut Culturel Français, ken- Herr Prinz, wann waren Sie das erste Mal im westlichen Arzt (er hat die Medikamente, Sie haben die Sammlung Ethnomedizin nengelernt. Dieser sammelte Mokes Bilder. Kongo? kann operieren) UND einen traditionel- zunächst ohne die „peinture populaire“ Hafners Witwe müsste die unzähligen Bilder len Heiler auf (dieser kann Missbehagen, aufgebaut, und auch für das damalige Völ- von Moke, die er zusammengetragen hat, Das erste Mal war ich im Kongo, damals Gemeinschaftskonflikte heilen). Um diese kerkundemuseum – heute Weltmuseum – in noch besitzen – gelegentlich verkauft sie Zaire, um für meine Dissertation Material Parallelität geht es bis heute. Kulturelle Wien gesammelt. eines. bei den Azande-Avungara – einer Ethnie, die Faktoren und große Zusammenhänge wer- Erst langsam, zu Beginn der 1980er-Jahre, ursprünglich im Norden des Kongos und im den meiner Meinung nach vor allem in der 1974 habe ich meine erste Sammlung an begann ich mich mit diesen Werken zu angrenzenden Südsudan lebte – zu sam- Entwicklungshilfe und Medizin unterschätzt. das Völkerkundemuseum verkauft: Ton- beschäftigen. Es begann in mir der Plan zu meln. Ich studierte damals Ethnologie, hatte Jedenfalls war ich hauptsächlich im Nordos- töpfe – und dazu zahlreiche Großbilddias, reifen, auch Malerei in meine ethnomedizini- mich jedoch immer schon für traditionelle ten des Kongos, auch im Sudan und in der die zeigen, wie diese gemacht werden. Es sche Sammlung zu integrieren. Medizin interessiert. Ein Mediziner meinte Zentralafrikanischen Republik unterwegs. ist die einzige komplette Topfsammlung der einmal, dass ich dies alles gar nicht beur- Azande, die existiert. Heute werden diese Was haben Sie für eine Situation vorgefun- teilen könne, weil ich eben kein Mediziner Was war der ursprüngliche Beweggrund für Gefäße nicht mehr hergestellt. Ich selbst den? Welche Inhalte waren es zunächst, die sei. Also studierte ich daraufhin Medizin. Ich Sie, sich gerade mit der „peinture populaire“ hatte sie damals auf Märkten gekauft. Die Sie bei den Malern der „peinture populaire“ fühle mich wirklich interdisziplinär, für die zu beschäftigen, sie sogar zu sammeln? Töpfe kamen in einen Plastiksack, darum bemerkt haben? Gab es bereits Bilder medi- Mediziner bin ich jedoch der Ethnologe und herum ließ ich einen Korb machen und die zinischen Inhalts? für die Ethnologen der Mediziner. Zu Beginn des Jahres 1972 war ich nicht Zwischenräume wurden mit Bauschaum Um Forschungsgelder zu bekommen, sehr begeistert von der populären Male- ausgegossen. Als begleitete Luftfracht Ich merkte bald, dass manche dieser Bilder hatte ich mich mit der Wirksamkeit von rei in Kinshasa. Ich hatte immer noch das kamen diese dann nach Österreich. Später inhaltlich in meine Sammlung hineinpassen. Arzneipflanzen beschäftigt und dazu auch Wort meines Völkerkundeprofessors Walter habe ich noch Messer und ethnografische Die Bilder, die sich mit medizinisch sehr einige Artikel geschrieben. [vgl. → S. 26–29] Hirschberg in Erinnerung, der meinte, dass Objekte an das Völkerkundemuseum ver- relevanten Themen wie Hexerei, Magie und Mich interessierte aber gar nicht so sehr, ob „die Afrikaner“ zwar ausgezeichnete Schnit- kauft. traditionellen Heilkundigen beschäftigten, diese in unserem Sinn wirksam sind oder zer seien, aber keine Maler. Er begründete wurden gerne gemalt, da sie ja auch Themen 18 19
behandelten, die für die Künstler selbst Haben Sie ausschließlich in Kinshasa Bilder lich an die Abteilung für Ethnomedizin und höchste Bedeutung hatten. Ich erinnere mich gesammelt oder auch in anderen Städten? International Health der Medizinischen Uni- an die Aussage eines zairesischen Freundes, versität Wien gekoppelt, ebenfalls im Welt- der in der Schweiz das Studium der Atom- Nur in Kinshasa habe ich Gemälde gekauft. museum Wien untergebracht. Eine Zeit lang physik abgeschlossen hatte: „Als Atomphy- Ich bin im Kongo immer nur über die Haupt- hatten Sie die Sammlung im Josephinum siker weiß ich, dass es sich bei Hexerei und stadt direkt ins Wohngebiet der Azande präsentiert. Magie um Aberglauben handelt, als Afrikaner gereist. sind sie für mich jedoch existent.“ Meine Auseinandersetzung mit Ethno Dies erinnerte mich an die Aussage eines Haben Sie mit den Künstlern intensiven medizin fing, wie gesagt, 1972 an. Bereits weltberühmten, mit mir befreundeten israe- Austausch bzw. Freundschaften gepflegt damals machte ich Fotos von Séancen und lischen Biochemikers, der meinte, dass etwa und so auch darüber hinaus über ihre Behandlungen. Ab 1974 drehte ich 16mm- die jüdischen Rituale des Milch-Fleisch- Lebens- und Arbeitsbedingungen reflektiert Filme, die dann auch in Göttingen am Ins- Trennens biochemisch gesehen ein Unsinn und Einblicke bekommen? titut für wissenschaftlichen Film publiziert sind, aber er das Gebot trotzdem streng worden sind. Dieses Archiv ist später an einhalte. Ich hab durch die Jahre hindurch sehr viele Bertelsmann übergegangen. Ich habe aber getroffen, näher gekannt – Moke, Chéri selbst noch viel Material bei mir zu Hause, Wie haben die Künstler auf Ihr spezielles Samba, Chéri Cherin, Bodo, Chéri Benga, das ungeschnitten ist. Interesse reagiert? Sim Simaro, Ekunde und viele, viele mehr. Besonders mit Moke-Fils und Chéri Cherin Es ist ein großes Projekt geworden, die Sie haben es ohne lange Diskussion akzep- bin ich sehr eng befreundet und war oft bei Sammlung Ethnomedizin. tiert, teils aus kommerziellen Gründen, teils ihnen zu Hause und bei familiären Anläs- aus eigenem Interesse. Ich habe immer sen. Auch mit Trésor Cherin, Shula und Alfi Es fing mit einem privaten Interesse an, wieder gemerkt, dass sie sich mit den Alfa verbindet mich sehr viel und ich habe irgendwann – zu Hause hatte ich keinen Themen beschäftigen, bei alten Verwand- ständigen Kontakt zu ihnen. Chéri Cherin Platz mehr – brachte ich die Bilder und ten und anderen Leuten nachfragen. Mein als Präsident einer nicht mehr existierenden Gegenstände aufs Institut für Geschichte Auftrag war sicher auch ein Anstoß für sie, Künstlervereinigung wollte mich sogar zum der Medizin im Josephinum in Wien, wo sich wieder mit ihren eigenen traditionellen Ehrenpräsidenten ernennen. Ich habe ihnen damals auch die Ethnomedizin der Uni Wien Vorstellungen zu beschäftigen. Man könnte ja auch sicher im Laufe der Zeit mehrere untergebracht war. Eine offizielle Übergabe also fast sagen, dass mein Auftrag sie ihrer Hundert Bilder abgekauft. Und es wurde nie an die Ethnomedizinische Gesellschaft, die eigenen Tradition näherbrachte. gehandelt; wir wussten ohne große Diskus- ich 1979 gegründet hatte, gab es nie. sion, wie viel sie wollten und wie viel ich Den Aufbau der Sammlung hatte ich durch Haben Sie gezielt Aufträge vergeben? gebe. Hat immer gestimmt – Ehrensache. Verkaufsausstellungen finanziert. [liest] „Einladung zur Verkaufsausstellung der Das war eigentlich gar nicht nötig. Sie Konnten Sie in der Zeit ab den 1980er- Österreichischen Ethnomedizinischen merkten und wussten, was ich suche. Das Jahren, als Sie vermehrt Bilder zu kaufen Gesellschaft. Der Erlös dient dem Aufbau ist ja auch ein Phänomen, das viele Anthro- begonnen haben, feststellen, für wen die der Sammlung Ethnomedizin.“ pologen bei ihren Feldarbeiten vergessen. Maler ihre Kunst dachten – wer war damals Ich war lange Flughafenarzt. Der Direktor Die Informanten wissen oft gleich, was der ihr Publikum, wer kaufte? des Flugplatzes interessierte sich sehr für Wissenschaftler hören will, was in seine Afrika – und dies hatte mir jährlich, zwei- Vorstellungen hineinpasst, und dementspre- Es kann ja sein, dass ich etwas übersehen jährlich erlaubt, anlässlich der von mir chend modifizieren sie ihre Informationen. habe, aber meiner Beobachtung nach waren organisierten Reisemedizinischen Tagun- Das ist kein Betrug, sondern auch eine Art es nahezu ausschließlich weiße Ausländer. gen am Flughafen in Wien-Schwechat eine Freundlichkeit dem Forscher gegenüber. Verkaufsausstellung für Künstler auf dem Außerdem ist ein zufriedener Boss freigiebi- Inzwischen ist ja die von Ihnen aufgebaute Flughafengelände zu machen. ger bei der Entlohnung … ethnomedizinische Sammlung, ursprüng- 20 21
Weitere Verkaufsausstellungen (im Jose- Johannes Fabian – bekannt bzw. haben phinum und später im Loft der Firma Sie Kontakt zu diesen Wissenschaftlern Wiesbauer) setzte ich regelmäßig vor Weih- gesucht? nachten an. Im Josephinum hatte ich den Sammler, Arzt und Künstler Werner Horvath Johannes Fabian, übrigens ein Neffe des aus Linz kennengelernt, der sich vor allem berühmten österreichischen Pygmäenfor- für die politischen Bilder interessierte, die er schers Pater Schebesta, kannte ich damals regelmäßig von mir kaufte. nur vom Hörensagen. Ich war nie in Lubum- Am Flughafen Wien machte ich drei Ausstel- bashi, wo er gelehrt hat, habe ihn aber lungen: Glasbilder aus dem Senegal, kon- später in Wien kennengelernt. Er hat mit golesische Kunst und tansanische Kunst. großem Interesse unsere Sammlung ange- Wir konnten damals auch immer wenigstens schaut. Viele Informationen zur „peinture zwei Künstler einladen, nur bei der kon- populaire“ erhielt ich von meinem leider golesischen Kunstausstellung bekamen auch verstorbenen Freund Nestor Seeuws, wir Visaprobleme, Moke und Chéri Cherin der langjähriger Kustos am Nationalmuseum wären eigentlich eingeladen gewesen, was in Kinshasa war. bedauerlicherweise damals nicht klappte. Resümierend muss ich sagen, dass es mir Später bekam die Ethnomedizinische immer um die Thematik gegangen ist. Ich Gesellschaft vom Jubiläumsfonds der Natio habe Kunst von einem rein ethnografi- nalbank Geld zur Aufarbeitung der Samm- schen Gesichtspunkt betrachtet, es war mir lung. Für vier Jahre konnten wir jemanden eigentlich egal, ob es künstlerisch wertvoll beschäftigen, der sich mit der Archivierung war oder nicht. der Sammlung auseinandersetzte. Jetzt ist das Ganze im Weltmuseum Wien. Es soll zu einem späteren Zeitpunkt noch ein umfäng- liches Buchprojekt geben. Haben Sie alle Bilder an das Weltmuseum Wien gegeben? Armin Prinz als Mediziner, gemalt von Sam Ilus, 80 habe ich behalten, auf 10 bin ich ja 2011 selbst abgebildet, einmal als Arzt, wobei ein Die Faszination für den mächtigen weißen Arzt, der wird. Mein Tagebuch, in das ich die unterschiedlichen Arm eine Spritze ist, der andere eine Salben- so Wesentliches im Leben der Menschen bewirken Krankheitsverläufe, Symptome und so weiter einge- kann, findet in diesem Bild seinen Ausdruck. Seine tragen habe, liegt aufgeschlagen vor mir. Hinter mir tube ... dann gibt es noch ein Bild von Moke zentrale Position, die Hoffnung, die mit seiner Anwe- steht ein Sonnenschirm, versehen mit Abkürzungen – ich mit dem Rad unterwegs im Norden des senheit verbunden ist, und die ungeahnten Möglich- diverser internationaler Gesundheitsorganisationen Landes bei den Azande ... keiten, die man dem Arzt nachsagt, all das zeigt das – außer der FIFA (Internationaler Fußballverband), die Bild eindrucksvoll. Prinz erinnert sich an dessen der Betrachtende wohl mit der privaten Leidenschaft Zustandekommen: des Künstlers verbindet. Auch das medizinische Wör- Sind Sie heute noch im Kongo tätig? terbuch ist im Bild sichtbar. Ein Zusammenwirken „Auch dieses 2011 entstandene Gemälde wurde extra beider Kräfte und Denkmodelle – der rationalen wis- für mich gemalt. Es zeigt mich als Arzt. Statt der Ja, aber aus gesundheitlichen Gründen ein- Arme habe ich auf der einen Seite eine Spritze und senschaftlichen und der religiös-spirituellen – wird geschränkt. Der Kongo ist kein so einfaches hier angezeigt. Das Glaubensleben – vor allem in den auf der anderen Seite eine Salbentube. Die Tube bein- lokalen Traditionen verankert – wird allgemein in den Pflaster mehr wie 1972. haltet ein Medikament, das der Künstler von meinem Heilungsprozess miteinbezogen, ist also gleich Vornamen abgeleitet hat – ‚Armicin‘. Auf meiner lin- bedeutsam wie diverse andere Heilpraktiken.“ ken Seite im Bild werden moderne westliche Medika- Waren Ihnen zu Beginn die Forschungen zur mente dargestellt, während auf der rechten Seite (Gespräch mit Günther Holler-Schuster, 11.07.2018) „peinture populaire“ – beispielsweise von auch die traditionelle Ebene des Heilens sichtbar 22 23
Armin Prinz mit dem Fahrrad, gemalt von Moke, 1986 Das Bild zeigt Armin Prinz unterwegs auf einer seiner nen. Das wird oft gemacht – die Haut wird für das Forschungsreisen im Kongo. Prinz beschreibt die Hin- Einreiben von Medikamenten bzw. heilenden Subs- tergründe für dessen Entstehung folgendermaßen: tanzen aufgeritzt. Dieser wie auch andere Menschen in dem Dorf waren vielfach von der Lyme-Borreliose „1986 habe ich Moke über den Künstler Peter Weihs betroffen. Einer konnte gar nicht mehr gehen vor kennengelernt. Ich hatte damals eine populärwissen- Schmerzen. Lyme-Borreliose ist eine Infektionskrank- schaftliche Zeitschrift bei mir mit einem Artikel, der heit, die über Zeckenstiche ausgelöst werden kann meine Arbeitsweise beschreibt und in Fotos zeigt. Armin Prinz, eine Behandlungsszenerie und beim Menschen sehr schmerzhaft verläuft. Ich Eines der Fotos zeigt mich in den 1970er-Jahren mit beobachtend, gemalt von Landry Pengi, 2011 konnte den hier sitzend dargestellten Patienten gut einem Fahrrad. Ich legte in acht Monaten etwa 8.000 behandeln. Er war danach nicht nur wieder gehfähig, Bilder wie diese stellen eine besondere Form des Por- son und Profession als auch auf den Künstler, sind Kilometer zurück, was sehr anstrengend war und er hat sogar extra für mich zum Dank getanzt. Auf träts dar. Der Dargestellte wird dabei inmitten zahl- hier zu sehen. So ist beispielsweise die im Hinter- mich stark abnehmen ließ. Im Bild sieht man, dass ich dem Bild ist auch ein Heiler (Abinza) zu sehen. Moke reicher Attribute und Detailszenerien gezeigt, die sein grund sichtbare „Boutique Bosana“ eine Anspielung ein Huhn am Gepäcksträger habe – es war sozusagen hat ihn von einem Foto in diese Szene hineingemalt. Leben und seine Profession andeuten, darüber speku- auf den Künstlerkollegen Claude Bosana. Mich selbst mein Proviant. Ich hatte es zuvor in einem anderen Vor ihm ausgebreitet sieht man die Heilpflanzen, die lieren. Prinz beschreibt die Situation bzw. das Bild zeigt der Maler mit einem Block, auf dem ich meine Dorf von den Leuten geschenkt bekommen. Am ich gesammelt hatte. Die weißen Kreuze als Körper- wie folgt: Beobachtungen notiere. Eine weiße Tierärztin mit Gepäckträger des Fahrrades hatte ich auch eine bemalung des Heilers stammen aus der Fantasie des dem typischen weißen Mantel verabreicht gerade Metallkiste montiert, in der ich meine Hilfsgeräte ver- Künstlers. Ich habe das in dieser Form nirgendwo „Das Bild wurde für mich 2011 als Geschenk gemalt. einem Hund eine Injektion. Interessant ist, dass die stauen konnte – Fotoapparat, Tonband, Herbarmappe sonst vorgefunden. Im Bildhintergrund sieht man die Landry Pengi zeigt eine urbane Szenerie in Kinshasa, Behandlung von Hunden dargestellt wird – etwas, und so weiter. Das Gepäck war etwa 40 Kilo schwer. typischen Rundhütten, die für die Gegend der Azande in der es um medizinische Behandlungen geht. Es das man eher Weißen zuspricht. Der Stellenwert des Die Szenerie zeigt meine Ankunft in dem Dorf. Men- im Nordosten des Kongos bestimmend sind.“ zeigt mich selber im Hintergrund stehend, gleichsam Haustieres ist dort ein anderer als in Europa.“ schen, die später teilweise meine Patienten wurden, als Beobachter des medizinischen Geschehens im stehen und sitzen um mich herum. Ein Patient sitzt (Gespräch mit Günther Holler-Schuster, 11.07.2018) Kongo. Allerlei Anspielungen, sowohl auf meine Per- (Gespräch mit Günther Holler-Schuster, 11.07.2018) am Boden und hat auf seinen Fußsohlen Skarifikatio- 24 25
Zu den fünf Krankheitsdarstellungen von Werner 1 Überflusskrankheiten Horvath 2 Mangelkrankheiten Der ausgebildete Facharzt für Radiologie und Kunst- sammler Werner Horvath ist auch als bildender Künst- 3 Tropenkrankheiten ler tätig. In seiner Malerei ließ er sich zunächst von 4 Ängste, Neurosen der Schule des „Phantastischen Realismus“, der sich zunächst in Österreich, in den 1960er-Jahren aber 5 Berufskrankheiten auch international am Markt etablierte, beeinflussen. Gleichzeitig blieben die Werke der „Art populaire“ aus Zaire bzw. dem Kongo, die Horvath seit den 2000er- Jahren zu sammeln begonnen hatte, nicht ohne Spu- ren in seinem malerischen Werk. Die Bildvorstellungen der Afrikaner/innen weisen formale Verwandtschaften mit jener von Horvath auf. Die Gleichzeitigkeit der unterschiedlichen Szenerien, die manchmal jenseits eines Raum-Zeit-Kontinuums die ganze Bildfläche überwuchern, vereinen unterschiedliche Detailszenen zu einer monumentalen Geschichte. In fünf Großformaten setzt sich der Künstler mit der Vorstellung von Krankheiten und deren Darstellungs- möglichkeiten auseinander. Als Arzt ist er sowohl mit den Ursachen als auch mit den sichtbaren Wirkungen von Krankheiten bestens vertraut. Im Gegensatz zu seinen wissenschaftlichen Forschungen zur Anferti- gung farbiger Röntgenbilder auf fotografischem Weg – „Das farbige Phlebogramm“, 1982 – funktionieren seine Gemälde auf einer symbolischen Ebene. Er 2 3 schildert den sozialen Kontext von Krankheiten, deren sichtbaren Verlauf und deren vielfältige Konse- quenzen. Schaubildartig werden dabei Dinge visuali- siert, die kommentarhaft verstanden werden können, aber gleichzeitig auch moralisierende und aufklä- rende Funktionen bedienen. Das wissenschaftliche Bild ist für Laien abstrakt bzw. surreal. Es bedarf der Interpretation durch Fachleute. Für den doppelt Begabten – sowohl als Wissen- schaftler als auch als Künstler – sind beide inhalt lichen Kontexte klar einordenbar. Während das Phlebogramm Aussagen über Strömungsrichtungen, Strömungsgeschwindigkeiten in Venen und Arterien oder Turbulenzen im Blutkreislauf ermöglicht, bietet das Kunstwerk vielfältigere Möglichkeiten der Dar- stellung. Vor allem Bereiche des Sozialen und des Psychischen erfasst der Künstler zwischentonreich in seinen künstlerischen Visualisierungen. Horvath bezeichnet seine Kunst als stark vom philoso- phischen Konstruktivismus (Glasersfeld, Uexküll, Watzlawick) beeinflusst. Daher geht es auch ihm grundsätzlich nicht um das Wesen bestimmter Dinge, sondern um den Prozess und die Entstehung der Erkenntnis. Das ist auch ein Abschied von der Vorstel- lung einer absoluten Wahrheit und einer empirischen Objektivität – ist doch die/der Beobachtende nicht als unabhängig von der Erkenntnis anzusehen. 1 4 5 30 31
Zur Skulptur L’Africaine von Oswald Stimm Die Skulptur L’Africaine – die Darstellung einer Mutter mit Kind – stammt aus Stimms Schaffenszeit in Afrika, wo er von 1973 bis 1982 Professor für Bildhau- erei an der Académie des Beaux-Arts in Kinshasa war. Sie zeigt abstrakte Formen, die dem Vokabular der klassischen Moderne folgen und den Raum ins Werk miteinbeziehen – aufgerissene geometrische Formen, die die Blockhaftigkeit des Objektes leugnen. Das interessierte Stimm von Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit an. Der Künstler entwickelte sein Formenrepertoire in Buenos Aires, Argentinien, wo er von 1951 bis 1965 lebte. Später, in seiner Zeit in Kinshasa, versuchte er das Figurative in seinem Werk wiederzubeleben. Stimm experimentierte viel mit verschiedenen Materi- alien wie Edelhölzern, aber auch mit abgelegten und ärmlichen Materialien, aus denen Figuren und Porträtköpfe entstanden. Außerdem hielt er vieles in Studien – Zeichnungen, Aquarellen – auf Papier fest. Der Mensch in seiner einfachen Umgebung, das länd- liche Alltagsleben sowie Aspekte des Kultischen und Oswald Stimm bei den „Pygmäen“, gemalt von die Verbundenheit des Menschen mit den Gesetzmä- Moke, 1976 ßigkeiten der Natur haben den Künstler besonders interessiert. Oswald Stimm arbeitete in seiner Zeit in Kinshasa – Nestor Seeuws auf ihren Forschungs- und Sammel- von 1973 bis 1982 – nicht nur an seinem künstleri- missionen dorthin begleiten. Zahlreiche Studien auf Die Beziehung der Mutter zu ihrem Kind – ein Topos, schen Werk, entwickelte es weiter, suchte und fand Papier entstanden als direkte Reaktion auf diese Rei- der oft in Stimms Werk anzutreffen ist – bestimmt neue Aspekte für seine künstlerische Auseinander- sen. Er empfand diese Menschen in ihrer einfachen auch diese skulpturale Arbeit. Eine stilisierte weib setzung, sondern er interessierte sich auch stark für traditionellen Lebensweise bedroht und im Ver- liche Gestalt mit einem Kind im Arm erscheint silhou- die traditionelle Lebensart der Menschen in seinem schwinden begriffen – die Begegnung mit der ettenhaft aus einem Brett geschnitten und neuen Lebensraum. Er unternahm Reisen in die entle- Moderne als Bedrohung. Der populäre Maler Moke, rudimentär bemalt. Durch seine flache Form – die genen Dörfer der Bambuti („Forest People“ oder frü- mit dem Oswald Stimm befreundet war und von dem Figur zeigt sich von der Seite betrachtet nur als Linie her „Pygmäen“) im Nordosten des Landes (Ituri) und er auch zahlreiche Gemälde besaß, hielt die Begeg- – befindet sich dieses Werk am Schnittpunkt zwi- konnte Wissenschaftler aus dem Musée National von nung des Künstlers mit den Bewohnerinnen und schen Zwei- und Dreidimensionalität. Kinshasa wie den Anthropologen Charles Hénault, Bewohnern eines Dorfes in einem großformatigen den Musikologen Benoit Quersin und den Konservator Gemälde fest. 32 33
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