Wirtschaft und Zivilgesellschaft-Partner für ein modernes Russ- land - Konrad-Adenauer ...

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REDE
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

RUSSLAND
ANDREAS SCHOCKENHOFF

Juni 2009                       Wirtschaft und Zivilgesellschaft–
                                Partner für ein modernes Russ-
www.kas.de/moskau
www.kas.de                      land
                                REDE VON DR. ANDREAS SCHOCKENHOFF (MDB), STELLV. VORSITZENDER DER
                                CDU/CSU-FRAKTION FÜR AUßEN-, SICHERHEITS- UND EUROPAPOLITIK

                                Sehr geehrte Gäste, verehrte Damen und          Innerhalb dieser Zusammenarbeit spielen
                                Herren,                                         die deutschrussischen Wirtschaftsbeziehun-
                                es ist mir eine große Ehre, heute zu Ihnen      gen selbstverständlich eine zentrale Rolle.
                                sprechen zu dürfen. Dass wir uns zu die-        Auch wenn viele von Ihnen sich das viel-
                                sem wichtigen Thema austauschen kön-            leicht nicht bewusst machen sollten, so sind
                                nen, dafür danke ich der deutsch-               die meisten deutschen Unternehmen sog.
                                russischen Auslandshandelskammer und            „zivilgesellschaftliche Akteure“ und ich zähle
                                der Konrad-Adenauer-Stiftung, die es            sie damit zu den Partnern des Russland-
                                möglich gemacht haben. Dieser Austausch         Koordinators! Es ist also mehr als ange-
                                ist umso wichtiger, als wir uns in schwie-      bracht, dass wir mit einander ins Gespräch
                                rigen Krisenzeiten treffen, die neue Fra-       kommen!
                                gen aufwerfen, aber auch neue Möglich-
                                keiten eröffnen.                                Meine Sicht als Russland-Koordinator ließe
                                                                                sich so umschreiben: Erstens bedeutet die
                                Mit einigem Amüsement habe ich von einem        globale Finanz- und Wirtschaftskrise für
                                russischen Verwaltungschef gelesen, der         Deutschland und Russland einen tiefen, viel-
                                seinen Beamten kürzlich verboten hat, das       leicht sogar historischen Einschnitt. Wie in
                                Wort „Finanzkrise“ in den Mund zu nehmen.       anderen Staaten stellen sich neue Fragen
                                Die Krise finde „im Kopf und nicht in der       nach den Grenzen staatlicher und wirt-
                                Wirtschaft“ statt, war seine Begründung.        schaftlicher Macht und einem zukunftsfähi-
                                Ich kann nur sagen, dass ich es umgekehrt       gen Konsens zwischen Staat und Gesell-
                                erlebe. Die Wirtschaftskrise hat Deutschland    schaft. Zweitens hat Russland die Krise je-
                                fest im Griff - auch wir müssen inzwischen      doch nicht nur härter getroffen, sondern
                                mit einem Rückgang des BIP von 6 Prozent        stellt es vor eine ungleich größere Heraus-
                                für dieses Jahr rechnen – aber sie ist bis      forderung: die Wende zu einer gesamtge-
                                jetzt auch bei uns noch nicht in allen Köpfen   sellschaftlichen Modernisierung.
                                angekommen. Ich selbst erlebe sie aller-
                                dings an allen Fronten – direkt als Abgeord-    Drittens: Die neuen Herausforderungen er-
                                neter, in meiner Region am Bodensee, die        öffnen neue Chancen für die deutschrussi-
                                stark mittelständisch geprägt ist, aber auch    sche Zusammenarbeit. Dies wiederum
                                als Vizefraktionsvorsitzender meiner Partei,    schafft – viertens - neue Perspektiven für
                                wo ich täglich sehe, wie die internationale     alle Ebenen der zwischengesellschaftlichen
                                Finanzkrise alle Aspekte der Außen-, Si-        Zusammenarbeit, in der Wirtschaft und Zi-
                                cherheits- und Europapolitik berührt – und      vilgesellschaft heute natürliche Partner sind.
                                natürlich als Koordinator der Bundesregie-
                                rung für die deutschrussische zwischenge-       Zu den deutsch-russischen Wirtschaftsbe-
                                sellschaftliche Zusammenarbeit, die von der     ziehungen. Ich würde sagen, die Krise hat
                                Krise ebenfalls grundsätzlich betroffen ist.    uns näher gebracht, weil ein neues Be-
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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.   wusstsein über die gegenseitige Abhängig-        Doch machen wir uns nichts vor: Noch ist
                                 keit entsteht und weil – vielleicht noch wich-   dieser Tag nicht abzusehen. Allein im Janu-
                                 tiger - viele Politiker und Unternehmer be-      ar/Februar ging der deutsch-russische Han-
RUSSLAND                         reits über das Ende der Krise hinaus den-        del um fast 50 Prozent zurück - noch hält
ANDREAS SCHOCKENHOFF             ken. Deutschland bleibt Russlands wichtigs-      der Trend an. Deutsche Exporte im Wert
                                 ter Handelspartner und Russland für              von rund 2,5 Mrd. Euro sind wegen Finan-
Juni 2009                        Deutschland der „Boom-Markt Nummer 1“            zierungsproblemen russischer Partner in Ge-
                                 (Wirtschaftswoche), der heute bereits rund       fahr – und mit ihnen 4.000 deutsche Ar-
www.kas.de/moskau                70.000 deutsche Arbeitsplätze sichert.           beitsplätze. Noch hat die russische Regie-
www.kas.de                                                                        rung den Vorschlag des Ost-Ausschusses
                                 Wenn Europas zweitgrößter Automarkt um           der Deutschen Wirtschaft, einen Garantie-
                                 60 Prozent einbricht, leiden deutsche Ar-        fonds für notleidende russische Unterneh-
                                 beitnehmer in allen großen Autowerken. So        men einzurichten, nicht realisiert. Allgemein
                                 war beim Opel-Rettungspaket der Zuschlag         hat sich die Auftragslage für deutsche Un-
                                 für den Zulieferer Magna mit seinen russi-       ternehmen in Russland erheblich ver-
                                 schen Partnern Sberbank und GAZ, deren           schlechtert; viele Projekte, auch in den stra-
                                 Konzept auf den russischen Markt setzt,          tegisch wichtigen Hochtechnologie- und
                                 wohl kein Zufall. Lassen Sie mich dazu nur       Energiesektoren, sind auf Eis gelegt oder
                                 kurz sagen: Auch wenn der Einstieg bei           gänzlich storniert. Grundsätzlich hofft die
                                 Opel in Russland als „Coup gefeiert wurde,       deutsche Wirtschaft - ebenso wie die deut-
                                 bleiben für die deutsche Öffentlichkeit viele    sche Politik – darauf, dass die Krise in Russ-
                                 Fragezeichen!                                    land dazu führt, viele der nötigen Struktur-
                                                                                  reformen durchzuführen, die Russland bis-
                                 Wie ich verstehe, ist die Stimmung der           lang versäumt hat. Noch überwiegt indes
                                 deutschen Wirtschaft in Moskau trotz spür-       die Skepsis. Bisher zeigen sich ganz andere
                                 barer Absatzeinbußen weiter positiv. Kaum        Tendenzen: protektionistische Maßnahmen,
                                 eine der fast 6.000 hier registrierten deut-     sinkende Investitionen und eine weitere
                                 schen Firmen plant einen Rückzug, zeigt          Konzentration wirtschaftlicher Macht beim
                                 eine neue Studie der Wirtschaftswoche..          Staat. Auch die erneute Verzögerung bei
                                 Trotz großer Klagen über fehlende Rechtssi-      den WTO-Verhandlungen ist kaum ein Zei-
                                 cherheit, Korruption, Bürokratie und kom-        chen für einen „neuen Aufbruch“, wie ihn
                                 plizierte Steuerregeln setzen die meisten        Bundesminister Steinmeier jüngst gefordert
                                 Unternehmen auf die großen Chancen des           hat.
                                 Russlandgeschäfts. Schon heute überwiegt
                                 bei vielen deutschen und russischen Groß-        Wie also trotzt Russland der Krise - der ers-
                                 unternehmen der Versuch, jenseits der Kri-       ten „echten kapitalistischen und globalen
                                 se neue langfristige Perspektiven im Russ-       Krise“, die das „neue Russland“ durch-
                                 landgeschäft aufzubauen – das unterstreicht      macht? Auf dem jüngsten Petersburger
                                 vor allem die Einigung von Siemens mit           Wirtschaftsforum wurde laut darüber gere-
                                 dem Nuklearkonzern Rosatom auf eine stra-        det, dass man bereits wieder den Cham-
                                 tegische Zusammenarbeit in der Kernener-         pagner kaltstellen könnte. Dass es dafür zu
                                 gietechnik. Dieses Signal sollte auch der Be-    früh ist, wie auch Präsident Medwedew klar
                                 such der 230(!)-köpfigen Rekorddelegation        unterstrich, zeigte die überstürzte Reise von
                                 aus „meinem“ Bundesland Baden-                   Ministerpräsident Putin in den kleinen Ort
                                 Württemberg unter Leitung von Ministerprä-       Pikáljowo, von dem noch nicht viele gehört
                                 sident Oettinger Ende Mai setzen. Die hoch-      hatten. Laut der Zeitung „Moskówskij Kom-
                                 rangigen Gespräche und vor allem das             somólez“ war nicht das hochrangig besetzte
                                 Richtfest für das große neue „German Cen-        Petersburger Wirtschaftsforum, sondern Pi-
                                 ter“, das Anfang 2010 eröffnet werden soll –     kaljowo mit seinen 300 protestierenden Ar-
                                 das war mehr als “business as usual” und         beitern Putins wichtigstes Reiseziel in die-
                                 unterstrich ebenfalls den Versuch, auf die       sem Jahr, vielleicht sogar seiner ganzen Zeit
                                 „Krise als Chance“ zu setzen.                    als Regierungschef, wie die Zeitung meinte.
                                                                                  Denn auch wenn Umfragen klar zeigen,
                                                                                  dass die russische Bevölkerung der politi-
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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.   schen Führung weiter vertraut, gibt es, wie      ner langsam entstehenden Mittelklasse –
                                 Experten meinen, Dutzende weiterer Pikal-        deren Anteil die russische Führung bis 2020
                                 kowos, vor allem sog. Monostädte, die von        auf 50 Prozent erhöhen wollte - scheint da-
RUSSLAND                         hoher Arbeitslosigkeit betroffen sind, in de-    mit zumindest erst einmal gestoppt.
ANDREAS SCHOCKENHOFF             nen sich Proteste entzünden können.
                                                                                  Stattdessen nehmen die sozialen Probleme,
Juni 2009                        Tatsächlich hat sich - nach ersten Hoffnun-      die schon vor der Krise gravierend waren,
                                 gen, dass Russland den Sturm als „Insel der      durch die Wirtschaftskrise nun alarmierend
www.kas.de/moskau                Stabilität“ überleben könne - schnell ge-        zu. Allein die Korruption geht durch den
www.kas.de                       zeigt, dass es im Gegenteil härter betroffen     wirtschaftlichen Rückgang keinesfalls zu-
                                 ist als die meisten Länder. Die Zahlen sind      rück, sondern hat sogar dramatisch zuge-
                                 alarmierend – Sie kennen sie gut genug.          nommen, bevor die Bekämpfungsmaßnah-
                                 Mich besorgt vor allem der Rückgang der          men des russischen Präsidenten je greifen
                                 Industrieproduktion, zuletzt monatlich um        konnten – viele von Ihnen erleben dies si-
                                 17 Prozent mit steigender Tendenz, der           cher in Ihrem Alltag.
                                 Rückgang inländischer Investitionen, v.a. im
                                 Bereich Infrastruktur, aber auch der auslän-     (Nach Angaben des Innenministeriums gab
                                 dischen Investitionen, um ganze 30 Prozent       es im ersten Quartal 2009 ein Drittel mehr
                                 im ersten Quartal 2009, und die massive          korruptionsrelevante Straftaten als ein Jahr
                                 Kapitalflucht, die westliche Experten für die-   zuvor!). Ein größeres Destabilisierungspo-
                                 ses Jahr auf bis zu 180 Mrd. Dollar schät-       tential haben aber vor allem die wachsen-
                                 zen. Diese Entwicklungen gefährden nicht         den sozialen Gegensätze, der Anstieg von
                                 nur viel von der wirtschaftlichen und politi-    Kriminalität, Fremdenfeindlichkeit und ext-
                                 schen Aufbauarbeit der letzten Jahre, son-       remistischen Tendenzen und vor allem die
                                 dern v.a. die ehrgeizige Modernisierungs-        weiter zurückfallende Gesundheitsfürsorge.
                                 agenda 2020 des Tandems Medwedew-
                                 Putin.                                           Dieser Zusammenhang zwischen wirtschaft-
                                                                                  licher und sozialer Entwicklung wird inzwi-
                                 Sorgen bereiten mir vor allem die sozialen       schen auch von der russischen Führung er-
                                 Folgen der Krise. Auch in Deutschland be-        kannt und diskutiert – ein wichtiges Novum.
                                 droht die Krise den gesellschaftlichen Zu-       Deutlich zeigt sich dies in der neuen russi-
                                 sammenhalt, vielleicht mehr als wir bisher       schen Sicherheitsdoktrin, die einen weit um-
                                 wahrnehmen. Doch die Folgen des wirt-            fassenderen Katalog sozialer Probleme auf-
                                 schaftlichen Rückgangs treffen Russland, wo      listet, als ich hier skizziere, und die diese
                                 das soziale Netz noch brüchig und im Auf-        offen als „Gefahren für die nationale Sicher-
                                 bau begriffen ist, ungleich härter. Dabei se-    heit“ bezeichnet! Dieselbe Sicherheitsdokt-
                                 he ich, wie gesagt, den Schlüssel für Russ-      rin unterstreicht aber auch die Agenda eines
                                 lands Zukunft in seiner inneren Entwicklung.     selbstbewussten Russland, das weiter an-
                                 Doch schon heute sind - nach ILO-Normen –        strebt, zu einer der fünf größten Wirt-
                                 bereits 7,7 Mio. Menschen in Russland ar-        schaftsmächte der Welt aufzusteigen. Auch
                                 beitslos, d.h. 10,2 Prozent der Bevölkerung.     das Ziel, den Rubel als internationale Reser-
                                 Der Wirtschaftswissenschaftler Yewgenij          vewährung durchzusetzen, wird wieder
                                 Gontmacher schätzt die Zahl sogar auf 20         hochgehalten. Doch ein nüchterner Blick
                                 Mio., da sich viele Menschen nicht arbeitslos    gebietet zu sehen, dass Russland erst ein-
                                 melden. Dazu kommt eine geschätzte Zahl          mal andere Aufgaben hat. Derzeit führt
                                 von bis zu 7 Mio. Russen, die in nächster        Russland vor allem in der G-20-Gruppe als
                                 Zeit aus anderen GUS-Republiken zurück-          größter Verteiler von Staatshilfen. Spätes-
                                 kehren könnten, ebenfalls auf der Suche          tens 2010 wird es wieder Anleihen auf den
                                 nach Arbeit. Schon heute ist der Anteil der      internationalen Kapitalmärkten aufnehmen
                                 Menschen, die unter dem offiziellen Exis-        müssen. Für viele Vertreter der Eliten wird
                                 tenzminimum leben – der in den letzten           dies kein einfacher Schritt sein, nachdem
                                 Jahren auf fast 15 Prozent zurückgegangen        Russland sich durch die Rückzahlung aller
                                 war – wieder auf 25 Prozent gestiegen. Das       Auslandsschulden und den Aufbau seines
                                 sind 35 Millionen Menschen! Der Aufbau ei-
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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.   Stabilitätsfonds in den letzten Jahren neue     wie viel skeptischer russische Experten, wie
                                 Handlungsspielräume geschaffen hat.             so oft, bei dieser Frage sind. Das gilt beson-
                                                                                 ders für eine viel diskutierte Studie des IN-
RUSSLAND                         „Russland wird diesem Sturm trotzen“, be-       DEM-Instituts, die diverse Szenarien für die
ANDREAS SCHOCKENHOFF             kräftigte Präsident Medwedew gerade wie-        Entwicklung des Landes durchspielt. Unter
                                 der in einem Interview mit der Zeitung          fünf möglichen Szenarien erscheint den Ex-
Juni 2009                        „Kommersant“. Immer offener spricht der         perten die Möglichkeit eines „Smart Russia“
                                 Präsident an, was inzwischen in Experten-       – also eines Russland, das genau auf
www.kas.de/moskau                kreisen, aber vor allem auch in den Medien      Rechtsstaatlichkeit und Wettbewerb setzt,
www.kas.de                       offen diskutiert wird: dass Russland die Kri-   nur verschwindend klein (2 Prozent!). Als
                                 se so stark getroffen habe, weil es die Di-     wahrscheinlichste Option wird - mit 56 Pro-
                                 versifizierung seiner Wirtschaft versäumt       zent - der Weg in eine „Entwicklungsdikta-
                                 habe; dass die Bildung großer Staatshol-        tur“ gesehen, also ein autoritärdirigistisches
                                 dings in eine Sackgasse geführt habe und        Modell nach dem Pinochet-Muster gesehen,
                                 die Förderung kleiner und mittlerer Unter-      gefolgt - mit 37 Prozent – von dem wenig
                                 nehmen endlich Vorrang haben müsse und          hoffnungsvolleren Szenario eines sogenann-
                                 die Staatsbürokratie das größte Hindernis       ten „stagnierenden Russland“ mit einer pas-
                                 für Diversifizierung und Innovation sei.        siven Bevölkerung, das chronisch instabil
                                                                                 bleibt. Auch eine dramatische Zuspitzung
                                 „Ohne erfolgreiches Unternehmertum wird         der Wirtschaftskrise würde keinesfalls die
                                 unser Staat keine Zukunft haben“, erklärte      Aussichten auf ein „Smart Russia“, sondern
                                 der Präsident bei seinem jüngsten Treffen       nur die Möglichkeit unkontrollierter Unruhen
                                 mit Wirtschaftsvertretern am „Tag des Un-       und einer revolutionären Situation erhöhen.
                                 ternehmers“. Das Leben als freier Unter-
                                 nehmer in Russland sei aber so schwierig,       Auch wenn ich solche pessimistischen Sze-
                                 dass viele junge Leute lieber in den Staats-    narien sehr genau im Auge behalten muss,
                                 dienst als in die Wirtschaft gingen.            weil ich sie nicht ausschließen kann, glaube
                                                                                 ich an ein „Smart Russia“! Nicht weil ich
                                 Eine Studie der Unternehmensberater von         dem alten Klischee anhänge, dass man „an
                                 McKinsey, die der Sberbank zur Seite ste-       Russland einfach glauben muss“, sondern
                                 hen, hat der russischen Führung kürzlich        weil ich auf drei Faktoren setze: den Prag-
                                 einen scheinbar einfachen Weg vorgezeich-       matismus der Eliten, das Potential der russi-
                                 net: das Land müsse nur die Arbeitsproduk-      schen Gesellschaft und die Einsicht, dass
                                 tivität um jährlich 6 Prozent erhöhen, um       alles andere Russland keine Zukunftsper-
                                 trotz der Krise das Ziel zu erreichen, sein     spektive bietet. Bestätigt sehe ich mich
                                 pro-Kopf- Bruttoinlandsprodukt bis zum          durch die zunehmend differenzierte und of-
                                 Jahr 2020 auf 30.000 US-Dollar zu erhöhen.      fene Debatte, die heute unter den politi-
                                 Voraussetzung dafür seien drei Dinge: ein       schen – und vor allem den wirtschaftlichen-
                                 klarer Wille zur Veränderung, eine verbes-      Eliten über den Kurs Russlands geführt wird
                                 serte Rechtslage und unbehinderte Wettbe-       und die ich mit großem Interesse verfolge.
                                 werbsbedingungen. Diese drei Faktoren,          Daraus lese ich eine wachsende Bereit-
                                 davon bin ich ebenfalls überzeugt, werden       schaft, den Realitäten ins Gesicht zu sehen:
                                 erstens über Russlands Zukunftsfähigkeit        den Grenzen der „Rohstoffmacht“ Russland,
                                 entscheiden und sind zweitens ein gemein-       den Defiziten und Strukturmängeln der rus-
                                 sames Anliegen von Wirtschaft und Zivilge-      sischen Wirtschaft und der Notwendigkeit
                                 sellschaft. Ich sprach eben bewusst von ei-     marktwirtschaftlicher Reformen.
                                 nem „scheinbar einfachen Weg“ – vor allem
                                 wenn man hinterfragt, wie die Chancen für       Nüchternheit und Realismus, wie sie auch
                                 eine Realisierung dieser drei Faktoren ste-     aus der neuen Sicherheitsstrategie spre-
                                 hen.                                            chen, sind die beste Basis für „neues“ und
                                                                                 pragmatisches Denken. Immer mehr Men-
                                 Wille zur Veränderung. Wir können nur hof-      schen scheinen zu verstehen, dass Russland
                                 fen, dass die russischen Eliten diesen Willen   als „einsame Macht“, wie es im letzten Jahr
                                 aufbringen werden. Jedoch fällt mir auf, um     oft genannt wurde, seine Stellung in der
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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.   Welt nicht behaupten und vor allem seine         der Eindruck politischer Einflussname auf
                                 eigenen inneren Probleme nicht lösen kann.       Staatsanwaltschaft oder Gerichte auf. Das
                                 Zwei der größten Herausforderungen, vor          bekannteste – wenn auch nicht einzige –
RUSSLAND                         denen das Land steht, verleihen den Debat-       Beispiel ist der Fall des früheren Yukos-
ANDREAS SCHOCKENHOFF             ten dabei eine wachsende Dringlichkeit: die      Vorstandsvorsitzenden Michail Chodor-
                                 ungelöste demographische Krise – einem           kowski. In Deutschland und insbesondere
Juni 2009                        neuen UN-Bericht zufolge wird die russische      im Deutschen Bundestag besteht die Sorge,
                                 Bevölkerung bis 2050 um 26 Millionen,            dass dieser Prozess nicht den rechtsstaatli-
www.kas.de/moskau                wenn nicht sogar um 34 Millionen Men-            chen Bedingungen entspricht, zu denen
www.kas.de                       schen, also um ein Viertel zurückgehen-          Russland sich verpflichtet hat. Das Verfah-
                                 sowie die rapide Entvölkerung weiter Lan-        ren wird als Testfall für die vom russischen
                                 desteile im Osten. Mir scheint, dass große       Präsidenten angemahnte Glaubwürdigkeit
                                 Teile der heutigen Wirtschaftseliten ver-        der russischen Justiz gesehen. Das offene
                                 standen haben, dass Russland für seine Zu-       Ansprechen dieser Sorgen sehe ich als Un-
                                 kunftsfähigkeit in erster Linie zwei Dinge       terstützung des Kurses des russischen Prä-
                                 braucht: Investitionen - inländische und         sidenten im Kampf gegen „Rechtsnihilis-
                                 ausländische – und die Partizipation und         mus“ und für mehr Rechtsstaatlichkeit.
                                 freie Gestaltungsmöglichkeit einer gut aus-
                                 gebildeten und engagierten Bevölkerung.          Zum dritten Kriterium besserer Wettbe-
                                 Dieser Zusammenhang zwischen wirtschaft-         werbsbedingungen. Wie im Rechtsbereich
                                 lichen und gesellschaftlichen Reformen wird      geht es auch hier nicht nur um ordnungspo-
                                 gerade unter den jüngeren Wirtschaftseliten      litische Fragen. Grundsätzlich sehe ich
                                 immer offener diskutiert. Ein Beispiel ist das   Russlands Modernisierung nicht als techni-
                                 jüngste Krasnojarsker Wirtschaftsforum, wo       schen Prozess, sondern als gesamtgesell-
                                 die Forderung im Mittelpunkt stand, dass         schaftliche Aufgabe. Für jedes der vier „I“
                                 der Staat in Krisenzeiten neben der Wirt-        von Präsident Medwedew – Institutionen,
                                 schaft auch auf die Gesellschaft als „dritte     Innovation, Investitionen und Infrastruktur
                                 Säule“ setzen müsse. Diese und viele ande-       - braucht Russland das aktive Engagement
                                 re Stimmen sind Grund genug, dass ich            seiner Menschen. Modernisierung erfordert
                                 meine Hoffnungen weiter auf ein „Smart           nicht nur Investitionen und Know-How. Mo-
                                 Russia“ setze, das die richtigen Weichen für     dernisierung erfordert auch, dass der Staat
                                 seine Zukunft stellt.                            freiheitliches Handeln und Gestalten sicher-
                                                                                  stellt durch Rechtsstaatlichkeit, durch deut-
                                 Doch zurück zur Studie von McKinsey. Ihr         lich weniger Korruption und Bürokratie,
                                 zweites Kriterium ist eine verbesserte           durch mehr Pluralismus in Politik und Ge-
                                 Rechtslage in Russland. Auch im Rechts-          sellschaft. Viele Erklärungen des Präsiden-
                                 und Justizbereich, den der Präsident von         ten deuten auf ein neues Verständnis im
                                 Anfang an zur „Chefsache“ erklärt hat,           Verhältnis zwischen Staat und Bürger. So
                                 bleibt die Situation widersprüchlich. Gerade     erklärte er in seinem Interview mit der
                                 hier gilt, was ich immer wieder beobachte,       „Nowaja Gazeta“, Russland sei erst dabei zu
                                 dass Russland sich in verschiedenen Ge-          lernen, die Zivilgesellschaft als „die andere
                                 schwindigkeiten entwickelt. Es gibt hoff-        Seite des Staates“ zu akzeptieren. Die Zivil-
                                 nungsvolle Entwicklungen, im Wirtschafts-        gesellschaft sei eine „Feedback-Institution“
                                 bereich oder im Strafvollzugssystem. Dem         innerhalb des Staates, die „die sozial be-
                                 stehen jedoch besorgniserregende Entwick-        wussten und aktiven Menschen“ vereine –
                                 lungen gegenüber, u.a. die Einschränkung         besser kann es kaum definieren.
                                 der Geschworenengerichtsbarkeit, die un-
                                 aufgeklärten Morde an Journalisten und           Auch hier ist die Bilanz bisher widersprüch-
                                 Menschenrechtlern, die Verschärfung von          lich, doch immerhin gibt es erste konkrete
                                 Strafen für Delikte im Zusammenhang mit          positive Signale, wie die Freilassung der Ex-
                                 terroristischen Akten, aber auch die neue        Yukos Anwältin Swetlana Bachmina, die
                                 Regelung für die Ernennung des Vorsitzen-        Mandatsverlängerung des Menschenrechts-
                                 den des Verfassungsgerichts. Vor allem bei       beauftragten Lukin, vor allem aber des „Ra-
                                 einer Reihe von Strafverfahren drängt sich       tes für die Entwicklung von Zivilgesellschaft
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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.   und Menschenrechten“ unter der Leitung          Vereine sind sie oft anerkannte Projektpart-
                                 von Ella Pamfilowa. Das Wichtigste aber:        ner – gemeinsam bilden sie ein wichtiges
                                 nur zwei Monate nach seinem ersten Treffen      Fundament der deutschrussischen zwi-
RUSSLAND                         mit dem Rat hat Präsident Medwedew einen        schengesellschaftlichen Zusammenarbeit.
ANDREAS SCHOCKENHOFF             Entwurf für ein überarbeitetes NGO-Gesetz       Anders als oft angenommen, wird indes nur
                                 in der Duma eingebracht, das die Vorschrif-     ein kleiner Teil – nur 8 Prozent - der russi-
Juni 2009                        ten für die Registrierung und Kontrolle von     schen NGOs maßgeblich durch westliche Fi-
                                 Nicht-Regierungsorganisationen vereinfa-        nanzgeber unterstützt. Die rechtliche Unsi-
www.kas.de/moskau                chen soll.                                      cherheit, der hohe bürokratische Aufwand
www.kas.de                                                                       und vor allem das offene Misstrauen der
                                 Eine substantielle Verbesserung des NGO-        Behörden haben in den letzten Jahren wenig
                                 Gesetzes, die mir seit 2006 ein wichtiges       dazu beigetragen, zivilgesellschaftliches En-
                                 Anliegen ist, ist der zweite Testfall für die   gagement zu fördern. Doch wie so oft in
                                 Glaubwürdigkeit der vom russischen Präsi-       Russland, ist auch hier vieles trotzdem sei-
                                 denten thematisierten Reformen. Der NGO-        nen Weg gegangen. Zumindest nimmt die
                                 Sektor ist die Basis eines sich entwickelnden   Zahl hauptamtlicher und freiwilliger Mitar-
                                 Dritten Sektors in Russland, der für die Zu-    beiter langsam, aber stetig zu. Beeindru-
                                 kunft entscheidend ist. Ich gestehe, ich bin    ckend ist auch die Flexibilität, mit der viele
                                 ein großer Fan nicht nur der deutschen,         russische NGOs auf die aktuellen gesell-
                                 sondern besonders der jungen russischen         schaftlichen Veränderungen reagieren und
                                 „nicht-kommerziellen Organisationen“. Mit       ihre Tätigkeitsfelder erweitern. Noch sind
                                 beiden habe ich zum Thema zwischengesell-       nur 5 Prozent der Russen in zivilgesell-
                                 schaftliche Zusammenarbeit einen neuen          schaftlichen Organisationen aktiv (in
                                 Austausch angeregt, vor wenigen Wochen in       Deutschland ist es jeder dritte). Doch neue
                                 Berlin und nun in Moskau, wo ich morgen         politische Rahmenbedingungen, in denen
                                 die Mitglieder des sogenannten „Pamfilowa-      NGOs als Partner bzw. „Verbündete“ der po-
                                 Rates“ und andere russische NGO-Vertreter       litischen Führung angesehen werden, und
                                 zu einer Expertenrunde eingeladen habe.         eine neue Gesetzgebung, die gemeinnützi-
                                                                                 ges Engagement fördert, könnten dies
                                 Ich kann Ihnen nur raten, einige Vertreter      schnell ändern.
                                 dieser bunten neuen Landschaft näher ken-
                                 nenzulernen. Mehr als die sogenannte russi-     Parallel dazu hat auch das philanthropische
                                 sche Mittelklasse, die vorwiegend aus           Engagement in Russland in den letzten Jah-
                                 Staatsbeamten besteht, stehen sie für mich      ren einen Aufschwung erlebt, der bei uns
                                 für das „private Aufblühen“, von dem der        wenig bekannt ist. Das russische Mäzena-
                                 Schriftsteller Viktor Jerofejew spricht. Seit   tentum, das im 19. Jahrhundert in den aris-
                                 den 90er Jahren, die heute von vielen nur       tokratischen Familien und später in der alt-
                                 als chaotisch und demütigend gesehen wer-       gläubigen Moskauer Kaufmannschaft eine
                                 den, war ein Netz von fast 500.000 NGOs         Blüte erlebte, wurde in der kommunisti-
                                 entstanden. Davon sind 230.000 NGOs             schen Zeit völlig zerschlagen. Doch mit der
                                 geblieben, die sich trotz erschwerter Rah-      Wende lebte es wieder auf, auch wenn es
                                 menbedingungen erstaunlich vital behauptet      oft mit einem zweifelhaften Image behaftet
                                 haben. Für mich sind sie Ausdruck der Be-       blieb, das mit Korruption, Schattenwirt-
                                 reitschaft, wieder „von unten“ Mitverant-       schaft und Geldwäsche verbunden war. Der
                                 wortung zu übernehmen, von der im „Sys-         Fall Chodorkowski und eine verschärfte Ge-
                                 tem Putin“ viel verloren gegangen ist, aber     setzgebung trugen weiter dazu bei, soziales
                                 auch der Einstellung eines „Ich-will-auch-      Engagement zu marginalisieren. Trotzdem
                                 besser-leben“, die sich laut Viktor Jerofejew   machten vor der Krise Zuwendungen der
                                 „aus dem Würgegriff des Staates befreit hat     „Corporate Charity“ in Russland rund 1,5
                                 wie ein Huhn aus den Fängen des Bauers“.        Mrd. Dollar – nicht viel, wenn man an die
                                                                                 Forbes-Liste denkt, aber ein vielfacher An-
                                 Viele dieser Organisationen arbeiten heute      stieg im Vergleich zu den frühen 90er Jah-
                                 weitgehend selbstständig, kompetent und         ren.
                                 professionell. Für deutsche Initiativen und
7

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.   Inzwischen gibt es 12 größere russische Pri-     ven, die in Russland engagiert sind, zu we-
                                 vatstiftungen, die professionell und transpa-    nige Berührungspunkte, manchmal sogar
                                 rent arbeiten und vor der Krise zwischen 1-      Vorurteile und Berührungsängste.
RUSSLAND                         36 Mio. Dollar jährlich für soziale und kultu-
ANDREAS SCHOCKENHOFF             relle Zwecke ausgaben, sowie Dutzende            Deshalb möchte ich mit einigen konkreten
                                 kleinere mit Budgets von einigen 10-             Vorschlägen schließen:
Juni 2009                        100.000 US-Dollar. Bei vielen Unterneh-
                                 mern gehörte es bis vor kurzem zum guten         1. Das bestehende „Fremdeln“ ist in erster
www.kas.de/moskau                Ton, sich ein gewisses Maß an „corporate         Linie ein Problem der gegenseitigen Wahr-
www.kas.de                       social responsibility“ auf die Fahnen zu         nehmung. Wirtschaft und Zivilgesellschaft
                                 schreiben. Immer öfter setzten Firmen da-        sollten sich ebenfalls als „Verbündete“ se-
                                 bei auf eine Zusammenarbeit mit den nicht-       hen - mit einem gemeinsamen Anliegen und
                                 kommerziellen Organisationen. Dies unter-        gemeinsamen Interessen. Die deutsche
                                 strich auch der Vorstandsvorsitzende von         Wirtschaft sieht sich auch als Übermittler
                                 Sewerstal, Alexej Mordaschów, als er in die-     westlicher Standards und Normen – zu die-
                                 sem Jahr in Berlin den Dr. Friedrich Joseph      sen gehört ebenfalls die Vernetzung mit ei-
                                 Haass-Preis erhielt. Um die wichtigsten stra-    nem kompetenten Dritten Sektor. Als „Ko-
                                 tegischen Probleme Russlands in Angriff zu       ordinator“ sehe ich es als meine Aufgabe,
                                 nehmen, erklärte er, bedürfe es einer ge-        genau diese Vernetzung zu unterstützen.
                                 meinsamen Anstrengung von drei Seiten:           Ein neues Forum soll mein neuer Newsletter
                                 von Staat, Privatwirtschaft und Non-Profit-      sein, der „KO-RUS-KURIER“ , der seit die-
                                 Organisationen. Die Preissumme stiftete er       sem Monat per Internet Informationen über
                                 einem von eben diesen drei Partnern getra-       neue Initiativen und Möglichkeiten der zwi-
                                 gen Projekt – einer Kinderstiftung in seiner     schengesellschaftlichen Kooperation anbie-
                                 Heimatstadt Tscherepówez.                        tet und den auch Sie in Bälde abrufen kön-
                                                                                  nen.
                                 Sie sehen: Auch in Russland beginnen Wirt-
                                 schaft und Zivilgesellschaft sich als Partner    2. Auch für die Zusammenarbeit mit russi-
                                 zu sehen. Russland kann davon nur profitie-      schen Stiftungen sollte die Krise als Chance
                                 ren. In Deutschland ist das funktionierende      genutzt werden. Nach Angaben des „Donors
                                 Dreieck Staat-Wirtschaft-Dritter Sektor un-      Forums“ in Moskau hatten Anfang 2009
                                 verzichtbar für das Funktionieren unseres        rund 80 Prozent der russischen Unterneh-
                                 Gemeinwesens. Nach allen Studien ist der         men langfristige Pläne im Bereich „corpora-
                                 Dritte oder „Non-Profit-Sektor“, der in          te social responsibility“. In knapperen Zei-
                                 Deutschland rund 6 Prozent des BIP aus-          ten könnte vieles durch Synergieeffekte und
                                 macht und ca. 1,4 Millionen Menschen be-         „joint ventures“ auch im Stiftungsbereich
                                 schäftigt, ein wesentlich effizienterer und      gerettet werden. Wie der Magnat Morda-
                                 flexiblerer Anbieter sozialer Dienstleistun-     schów in Berlin sagte, ist dieses Engage-
                                 gen als staatliche Institutionen. Der Staat      ment gerade in Krisenzeiten „besonders re-
                                 hat dies längst erkannt und setzt v.a. in der    levant“. Internationale Studien zeigten,
                                 Sozialpolitik klar auf den Dritten Sektor als    dass „sozial verantwortliche Unternehmen
                                 seinen wichtigsten Partner.                      eine höhere Profitabilität und Wertsteige-
                                                                                  rung erzielen und weniger anfällig sind für
                                 So lassen Sie mich zum Ende wiederholen:         die negativen Auswirkungen des globalen
                                 Wirtschaft und Zivilgesellschaft sind für        wirtschaftlichen Wandels“. Es ist sicher in
                                 mich auch natürliche Partner für ein moder-      unserem gemeinsamen Interesse, dieses
                                 nes Russland. Sie sind die Basis für ein         Denken aktiv zu unterstützen.
                                 „Smart Russia“! Aus diesem Grund ist mir
                                 eine bessere Vernetzung der deutschen Un-        3. Alles ist möglich. Das Spektrum gemein-
                                 ternehmen mit dem – deutschen und russi-         samer Projekte ist heute praktisch grenzen-
                                 schen - NGO-Sektor ein besonderes Anlie-         los. Offiziell hat die russische Regierung die
                                 gen. Noch gibt es meiner Ansicht nach zwi-       Themen Energieeffizienz, Gesundheit und
                                 schen unseren Wirtschaftsvertretungen und        Verwaltungsmodernisierung zu Kernberei-
                                 deutschen Stiftungen, Vereinen und Initiati-     chen der Zusammenarbeit mit Deutschland
8

Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.   erhoben. Allein dies eröffnet eine breite
                                 Vielfalt neuer Themen- und Projektbereiche.
                                 Vor allem im Umweltbereich, der in den
RUSSLAND                         letzten Putin-Jahren zunehmend marginali-
ANDREAS SCHOCKENHOFF             siert wurde, ist zwischen den Umweltminis-
                                 tern eine „neue Etappe der Kooperation“
Juni 2009                        eingeläutet worden. Gerade hier haben wir
                                 Deutschen einen klaren „Mehrwert“, der von
www.kas.de/moskau                direkter Relevanz für den NGO-Sektor ist.
www.kas.de                       Wir haben nicht nur technisch viel zu bieten,
                                 sondern wissen vor allem, dass Umwelt-
                                 schutz nicht nur „von oben“ gemacht wird,
                                 sondern nur durch breites gesellschaftliches
                                 Umdenken, also auf zivilgesellschaftlicher
                                 Ebene zu realisieren ist.

                                 4. Besonders möchte ich am Ende noch
                                 einmal für eine lokale Zusammenarbeit von
                                 Unternehmen und gemeinnützigen Initiati-
                                 ven plädieren, d.h. in der konkreten Nach-
                                 barschaft und Umgebung, vor allem in den
                                 Regionen. Dabei geht es meist nicht um
                                 spektakuläres Kultur-Sponsoring oder auf-
                                 wändiges Eventmanagement, sondern um
                                 praktisches gesellschaftliches Engagement
                                 für und mit den Menschen „vor Ort“. Für
                                 praktisch jede Thematik und Region gibt es
                                 deutsche Vereine und Organisationen, die
                                 Kontakte, Kompetenz und Ortskunde zu bie-
                                 ten haben. Dabei gibt es nichts, was es
                                 nicht gibt, wie ich in den letzten Jahren er-
                                 lebt habe: direkte Sozialhilfe von „Tür zu
                                 Tür“, wie ein bekannter Verein heißt, Pro-
                                 jekte für alte Kirchenmusik und neue Heil-
                                 therapien, Initiativen für jugendliche Straf-
                                 gefangene, lokale Bibliotheken oder den
                                 Ausbau des sogenannten Great Baikal Trail,
                                 eines bereits 400 km langes Wanderwege-
                                 netzes, das von Freiwilligen gebaut, ge-
                                 pflegt und verbunden worden ist. Lassen Sie
                                 sich inspirieren – ich helfe Ihnen gerne bei
                                 der Vermittlung von Information und Kon-
                                 takten!

                                 Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen
                                 und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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