WIRTSCHAFTLICHE SOWIE TECHNISCHE EVALUIERUNG DER REALISIERBARKEIT EINER FAHRZEUGINTEGRIERTEN DIGITALEN BEZAHLLÖSUNG
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WIRTSCHAFTLICHE SOWIE TECHNISCHE EVALUIERUNG DER REALISIERBARKEIT EINER FAHRZEUGINTEGRIERTEN DIGITALEN BEZAHLLÖSUNG Dominik, Siebert Januar 2017 Master Thesis – Technische Universität Braunschweig Copyright © COREtransform GmbH
Abstract Die Automobilindustrie sieht sich derweil mit grundlegenden Umstrukturierungen konfrontiert, welche durch zwei übergeordnete Konzentratoren als Treiber des Wandels charakterisiert sind: Zum einen bewirken technologische Fortschritte, z.B. in den Bereichen Elektromobilität, autono- mes Fahren oder die zunehmende Vernetzung von Auto und Ökosystem, ein verändertes Unter- nehmensumfeld, zum anderen treten soziologische Aspekte, wie der demographische Wandel, die zunehmende Urbanisierung, die Evolution von Kundenbedürfnissen (beispielsweise gestei- gertes ökologisches Bewusstsein) und eine gesteigerte Technologieaffinität in den Vordergrund. Dieses Zusammenwirken technologischer und soziologischer Entwicklungen impliziert ein verän- dertes Markt- und Kundenverhalten, wodurch alternative Marktpotenziale entstehen; ein promi- nentes Beispiel von neu formulierten Angeboten, die speziell diese beiden übergeordneten Trends adressieren sind avancierende Shared-Mobility-Angebote. Die Automobilhersteller haben diesen Wandel erkannt und begegnen den neuen Marktpotenzia- len dabei beispielsweise mit eigenen singulären Lösungen, wie BMW mit DriveNow und Connec- ted Drive oder Daimler mit Car2Go. Ferner existieren erste Initiativen, das eigene Angebot durch Implementierung fremder Services zu ergänzen (z.B. BMW ParkNow oder moovel). Hersteller- übergreifende Angebote erweisen sich bisher allerdings als stark diversifiziert und nur bedingt auf Kooperationen ausgelegt. Neben den Automobilherstellern und deren Kooperationspartnern selbst versuchen neue Markt- teilnehmer – und auch hier insbesondere Technologieanbieter wie Apple mit CarPlay oder Google mit Android Auto – das Fahrzeug als Kundenschnittstelle für bestehende und neue Geschäfts- modelle zu utilisieren und platzieren ihre Angebote dabei bewusst zwischen den Automobilher- stellern und deren Kunden. Das Automobil wird dabei zunehmend als Plattform für neue Ge- schäftsmodelle interpretiert und durch neue Marktteilnehmer aktiv genutzt. Aus diesem Grund gewinnt in der Automobilindustrie der Wettbewerb um die Kundenschnittstelle im und um das Automobil an Relevanz. Neben der Bereitstellung von neuen Produkten und Services im Kontext des Automobils ergibt sich dabei auch die Frage einer übergreifenden, im Idealfall fahrzeugintegrierten und für den je- weiligen Anwendungsfall optimierten Bezahllösung. Dabei könnten beispielsweise On-Demand- Käufe von Multimediainhalten für das Infotainment, Bezahlungen von Maut- oder Parkgebühren sowie von Kraftstoffen, Drive-in-Gastronomie oder der Erwerb von temporär gesteigerter Motor- leistung potenziell über ein solches System abgewickelt werden. Aus strategischer Sicht stellt das Angebot einer solchen Lösung einen Hebel im Wettbewerb um die Kundenschnittstelle dar. Dabei kann eine entsprechende Lösung die Verfügbarkeit relevanter Kundendaten sicherstellen, welche wiederum die Grundlage für weiterführende neue Produkte und Dienstleistungen sind. Zusätzlich ergeben sich durch die Bereitstellung einer Bezahllösung auch wiederrum neue Umsatzpotenziale, bspw. durch Gebühren für die Nutzung der entspre- chenden Bezahllösung. Die technische Realisierung einer fahrzeugintegrierten Bezahllösung kann somit aus Perspektive der etablierten Automobilhersteller als komparativer Konkurrenzvorteil gegenüber den direkten II Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
Wettbewerbern genutzt, aber auch als essentielle Stützstelle zur erfolgskritischen Behauptung gegenüber neuen Marktteilnehmern eingesetzt werden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, den potenziellen Nutzen einer solchen Bezahllösung zu evaluieren, dabei technische und wirtschaftliche Restriktionen zu identifizieren und eine fundierte Handlungsempfehlung für Automobilkonzerne zu formulieren. Schlüsselwörter: Vehicle Based Payments, Connected Car, Digitalisierung des Automobils III Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
I Inhaltsverzeichnis Abstract ........................................................................................................................................II 1 Einleitung .................................................................................................................................7 1.1 Motivation und Zielsetzung ............................................................................................. 7 1.2 Vorgehen dieser Arbeit ................................................................................................... 8 2 Treiber in der Automobilindustrie .............................................................................................9 2.1 Verändertes Marktumfeld ............................................................................................... 9 2.1.1 Soziologischer Wandel ....................................................................................10 2.1.2 Technologischer Wandel .................................................................................15 2.2 Megatrends in der Automobilindustrie .......................................................................... 17 2.2.1 Connected Car.................................................................................................17 2.2.2 Autonomes Fahren ..........................................................................................19 2.2.3 E-Mobilität ........................................................................................................21 2.2.4 Shared Mobility ................................................................................................23 2.3 Initiativen der etablierten Automobilhersteller ............................................................... 24 2.4 Marktintensivierung durch neue Market Player ............................................................ 28 2.5 Konsequenz ................................................................................................................. 30 3 Entwicklung Zahlungsverkehrsmarkt .....................................................................................33 3.1 Bargeldlose Bezahlungen............................................................................................. 33 3.1.1 Anwendungsfälle bargeldloser Zahlungen .......................................................34 3.1.2 Motivation für bargeldlose Zahlungen ..............................................................35 3.1.3 Zahlungs-Ökosysteme .....................................................................................35 3.1.4 Mobile Payments .............................................................................................39 3.2 Konsequenz ................................................................................................................. 44 4 Vehicle Based Payments .......................................................................................................46 4.1 Bestehende Initiativen für Vehicle Based Payments .................................................... 46 4.2 Ableitungen relevanter Anwendungsfälle ..................................................................... 49 4.3 Fokussierung vorliegender Arbeit ................................................................................ 51 5 Potenzial einer fahrzeugintegrierten Bezahllösung ................................................................53 5.1 Mobile Bezahlung im Auto als Schlüssel für neue Geschäftspotenziale....................... 53 5.1.1 Erhaltung der Kundenschnittstelle ...................................................................53 5.1.2 Sicherstellung der Datenverfügbarkeit .............................................................54 5.2 Ansätze zur Monetarisierung ........................................................................................ 56 5.2.1 Kartenumsätze- und gebühren ........................................................................56 5.2.2 Datenveräußerung ...........................................................................................56 5.2.3 Werbung und Promotion ..................................................................................57 5.2.4 Plattformbereitstellung .....................................................................................58 5.3 Zwischenfazit und Ableitung idealtypischer Positionierung .......................................... 59 6 Evaluierung der technischen Implementierung ......................................................................61 6.1 Anbindung an Zahlungsnetzwerk ................................................................................. 61 6.2 Technologien für PoS-Funktionalität............................................................................. 63 6.3 Sicherheitskonzept ....................................................................................................... 67 IV Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
6.4 Benutzerschnittstelle / Frontend ................................................................................... 70 7 Modellierung einer idealtypischen Lösung .............................................................................73 8 Evaluierung von Realisierbarkeit und Marktpotenzial ............................................................76 9 Zusammenfassung und Fazit .................................................................................................78 Autor ..........................................................................................................................................95 Über das COREinstitute ...........................................................................................................96 V Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
II Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 1: INNOVATIONSINTENSITÄT UND INNOVATIONSERFOLG DER DEUTSCHEN AUTOMOBILINDUSTRIE IM BRANCHENVERGLEICH ......................................................................... 9 ABBILDUNG 2: DEMOGRAPHISCHE VERÄNDERUNG IN DEUTSCHLAND ................................................. 11 ABBILDUNG 3: KONTINUIERLICHER TREND DER URBANISIERUNG IN DEUTSCHLAND UND WELTWEIT........ 12 ABBILDUNG 4: RELEVANTE EINFLÜSSE DES GESTIEGENEN UMWELTBEWUSSTSEINS F. DIE AUTOMOBILINDUSTRIE ........................................................................................................... 13 ABBILDUNG 5: STELLENWERT DES AUTOMOBILS BEI JUNGEN KONSUMENTEN IN DEUTSCHLAND ............ 14 ABBILDUNG 6: SCHEMATISCHE DARSTELLUNG DER PRODUKTEVOLUTION IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE 15 ABBILDUNG 7: ENTWICKLUNG VON BANDBREITE UND KORRESPONDIERENDEN ANWENDUNGEN ............. 17 ABBILDUNG 8: AUTOMATIONSGRADE DER FAHRZEUGFÜHRUNG NACH BAST ....................................... 20 ABBILDUNG 9: BESTANDSENTWICKLUNG VON ELEKTROFAHRZEUGEN IN DEUTSCHLAND UND EINORDNUNG DER ENTWICKLUNG IM INTERNATIONALEN VERGLEICH MITTELS ELECTRIC VEHICLE INDEX ............. 22 ABBILDUNG 10: RASANTE VERBREITUNG VERNETZTER FAHRZEUGE VISUALISIERT ÜBER DEN PROGNOSTIZIERTEN ANTEIL AN NEUZULASSUNGEN IN EUROPA .................................................. 24 ABBILDUNG 11: FUNKTIONALER VERDRÄNGUNGSPROZESSES DURCH NEUE MARKTTEILNEHMER AM BEISPIEL DES NAVIGATIONS-GERÄTES ..................................................................................... 30 ABBILDUNG 12: W ETTBEWERBSINTENSIVIERUNG AUF DEM AUTOMOBILMARKT GETRIEBEN DURCH TECHNOLOGIEPROVIDER, FAHRZEUGHERSTELLER UND SHARED MOBILITY INITIATIVEN; EXEMPLARISCHE DARSTELLUNG IN ANLEHNUNG AN ................................................................... 32 ABBILDUNG 13: GLOBALE ENTWICKLUNG DES BARGELDLOSEN ZAHLUNGSVERKEHRES ZWISCHEN DEN JAHREN 2009 UND 2014, DARGESTELLT ANHAND DER TRANSAKTIONSANZAHL ............................. 34 ABBILDUNG 14: PARTIZIPIERENDE ENTITÄTEN IM KARTENBASIERTEN ZAHLUNGSPROZESS .................... 38 ABBILDUNG 15: EXEMPLARISCHE DARSTELLUNG DER METAMORPHOSE DES PAYPAL- LEISTUNGSANGEBOTES .......................................................................................................... 43 ABBILDUNG 16: ENTWICKLUNG DES ZAHLUNGSVERKEHRS IM DEUTSCHEN EINZELHANDEL .................... 44 ABBILDUNG 17: ROEWE RX-5 VON SAIC MOTOR ............................................................................ 47 ABBILDUNG 18: SEAT PROTOTYP BRINGT BEZAHLFUNKTION VON SAMSUNG PAY INKL. FINGERABDRUCK- READER INS FAHRZEUG ......................................................................................................... 48 ABBILDUNG 19: POTENZIELLE ANWENDUNGSFÄLLE EINER BEZAHLLÖSUNG FÜR VEHICLE BASED PAYMENTS ........................................................................................................................... 50 ABBILDUNG 20: INTELLIGENTE DATENANALYSE ERMÖGLICHT INNOVATIONEN ENTLANG DER AUTOMOBILEN WERTSCHÖPFUNGSKETTE ...................................................................................................... 55 ABBILDUNG 21: ENTWICKLUNGEN DER BANDBREITEN FÜR DIE MOBILE DATENÜBERTRAGUNG ............... 63 ABBILDUNG 22: TOKENIZATION AM BEISPIEL VON MOBILE PAYMENTS ................................................ 68 ABBILDUNG 23: EXEMPLARISCHE DARSTELLUNG EINES BEZAHLVORGANGS ........................................ 75 VI Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
1 Einleitung 1.1 Motivation und Zielsetzung Die Automobilindustrie sieht sich gegenwärtig mit einem strukturellen Wandel konfrontiert, wel- cher ein verändertes Markt- und Kundenverhalten im Kontext der Mobilität bewirkt: Neuen Poten- zialen aus technologischen und soziologischen Fortschritten steht ein erhöhter und sich zuneh- mend steigernder Innovationsdruck gegenüber. Letzterer resultiert beispielsweise aus einer Wett- bewerbsintensivierung durch neue Marktteilnehmer im Zuge der Globalisierung, oder aber durch regulatorische Vorgaben wie Emissionsgrenzen oder Flottenverbräuche. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung entsteht zudem ein expandierender Markt für mobi- litätsassoziierte digitale Produkte- und Dienstleistungen, wobei insbesondere neue Marktteilneh- mer – bspw. Technologieanbieter wie Apple mit CarPlay oder Google mit Android Auto – das Fahrzeug als Kundenschnittstelle für bestehende und neue Geschäftsmodelle utilisieren und da- bei ihre Angebote bewusst zwischen den Automobilherstellern und deren Kunden platzieren. Vor diesem Hintergrund sind Automobilhersteller angehalten, sich nicht mehr nur als reine Fahr- zeugproduzenten zu begreifen, sondern als umfassender Mobilitätsanbieter zu positionieren, um neue Umsatzpotenziale zu erschließen und bestehende Ertragsquellen abzusichern. So bestehen seitens renommierter Automobilhersteller vielseitige Initiativen für neuartige digitale Produkte und Dienstleistungen. Prominente Beispiele sind etwa avancierende Shared-Mobility- Angebote, oder die zunehmende Vernetzung von Auto und Infrastruktur, oder zwischen den Fahr- zeugen untereinander. Neben der Bereitstellung solcher Angebote ergibt sich dabei auch die Frage einer übergreifen- den, im Idealfall fahrzeugintegrierten und für den jeweiligen Anwendungsfall optimierten Bezahl- lösung. Dabei könnten beispielsweise On-Demand-Käufe von Multimediainhalten für das Info- tainment, Begleichungen von Maut- oder Parkgebühren, Bezahlung von Kraftstoffen oder Drive- in-Gastronomie sowie der Erwerb von temporär gesteigerter Motorleistung potenziell über ein solches System abgewickelt werden. Aus strategischer Sicht stellt das Angebot einer solchen Lösung einen Hebel im Wettbewerb um die Kundenschnittstelle dar. Dabei kann eine entsprechende Lösung die Verfügbarkeit relevanter Kundendaten sicherstellen, welche wiederum die Grundlage für weiterführende neue Produkte und Dienstleistungen sind. Zusätzlich ergeben sich durch die Bereitstellung auch neue Umsatz- potenziale, bspw. durch Gebühren für die Nutzung der entsprechenden Bezahllösung. Die technische Realisierung einer fahrzeugintegrierten Bezahllösung kann somit aus Perspektive der etablierten Automobilhersteller als komparativer Konkurrenzvorteil gegenüber den direkten Wettbewerbern genutzt, aber auch als essentielle Stützstelle zur erfolgskritischen Behauptung gegenüber neuen Marktteilnehmern eingesetzt werden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, den potenziellen Nutzen einer solchen Bezahllösung zu evaluieren, dabei technische und wirtschaftliche Restriktionen zu identifizieren und eine fundierte Handlungsempfehlung für Automobilkonzerne zu formulieren. 7 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
1.2 Vorgehen dieser Arbeit Um die vorliegende Arbeit in den Gesamtkontext der aktuellen Geschehnisse auf dem Automo- bilmarkt einordnen zu können, werden diese in Kapitel 2 zunächst in ihren Ursachen diskutiert, wobei die zentralen Veränderungstreiber in soziologische und technologische Einflussfaktoren kategorisiert werden. Auf dieser Basis werden vier übergeordnete Megatrends abgeleitet, welche derzeit einen disruptiven Einfluss auf die Automobile Wertschöpfung haben und neue Geschäfts- modelle mit potenziellem Einsatz einer fahrzeugintegrierten Bezahllösung initiieren. Hierbei wer- den die bestehenden Initiativen der etablierten Autmobilhersteller den Aktivitäten neuer Wettbe- werber gegenübergestellt um darauf aufbauend den Paradigmenwechsel hin zu digitalen und datengetriebenen Geschäftsmodellen aufzeigen und abgeleitet die Notwendigkeit einer fahrzeug- integrierten Bezahllösung aufzeigen zu können. In einem nächsten Schritt wird in Kapitel 3 ein Überblick über aktuellen Entwicklungen auf dem Zahlungsverkehrsmarkt gegeben, wobei zunächst in einem historischen Abriss die Evolution und Eigenheiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, sowie die dahinterliegenden Ökosysteme dar- gelegt werden. Auf diesen fachlichen Hintergrund aufbauend werden anschließend der gegen- wärtige Trend zu mobilen Bezahllösungen und dessen Konsequenz auf das Zahlverhalten der Konsumenten und das Adaptionsverhalten weiterer Stakeholder diskutiert. In Kapitel 4 wird anschließend der Begriff der Vehicle Based Payments differenziert eingeführt sowie bestehende Initiativen hierfür erörtert, um auf dieser Basis relevante Anwendungsfälle ei- ner fahrzeugintegrierten Bezahllösung abzuleiten und eine Priorisierung für vorliegende Arbeit vorzunehmen. Vor dem so entwickelten Hintergrund wird in Kapitel 5 das Potenzial einer solchen fahrzeuginte- grierten Bezahllösung aus Sicht der Automobilhersteller erläutert, wobei zunächst die strategi- sche Notwendigkeit diskutiert und anschließend die wirtschaftliche Rentabilität in verschiedenen Positionierungsoptionen aufgezeigt wird. In Kapitel 6 werden nun die technologischen Implikationen für die Implementierung einer solchen Lösung in ihren einzelnen Teilbereichen evaluiert, um anschließend in Kapitel 7 eine idealtypi- sche Umsetzungsvariante zu modellieren. Kapitel 8 gibt einen Varianten-übergreifenden Überblick über die Realisierbarkeit und das Markt- potenzial einer fahrzeugintegrierten Bezahllösung, wobei insbesondere auf Chancen und Risiken sowie den Zeithorizont der Umsetzung eingegangen wird. Abschließend werden in Kapitel 9 die entwickelten Erkenntnisse zusammengefasst und eine übergreifende Handlungsempfehlung für die Automobilkonzerne abzuleiten und einen Ausblick auf die weitere Marktentwicklung zu gegeben. 8 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
2 Treiber in der Automobilindustrie Die Automobilindustrie ist der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland: Im Jahr 2015 erwirtschafteten die Unternehmen der Automobilbranche einen Gesamtumsatz von über 404 Mrd. Euro und beschäftigten rund 790.000 Arbeitnehmer (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2016). Dabei ist die Innovationsführerschaft eine zentrale Säule des weltweiten Er- folgs der deutschen Automobilindustrie: Den gemessen am Umsatz signifikanten Aufwänden für Innovationsausgaben stehen überproportionale Erlöse gegenüber, wie in Abbildung 1 visualisiert ist. Abbildung 1: Innovationsintensität und Innovationserfolg der deutschen Automobilindustrie im Branchenvergleich (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung 2016) Mit prognostizierten Aufwendungen von über 53,4 Mrd. Euro für Forschung und Entwicklung im Jahr 2016 wird sich die deutsche Automobilindustrie als forschungsstärkste Branche in Deutsch- land behaupten und zudem einen neuen historischen Höchstwert erreichen (Zentrum für Europä- ische Wirtschaftsforschung 2016). Aus beschriebenen Begebenheiten lässt sich ein erhöhter Innovationsdruck für die Automobilin- dustrie im Allgemeinen, für die deutsche Automobilindustrie im Speziellen ableiten, dessen Ursa- chen und Konsequenzen in diesem Kapital untersucht werden. 2.1 Verändertes Marktumfeld Die Automobilindustrie befindet sich in einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess, welcher durch zwei übergeordnete und wechselwirkende Konzentratoren als Treiber des Wandels cha- rakterisiert ist: Auf Anbieterseite ermöglichen technologische Fortschritte die Optimierung von Produkten, Dienstleistungen und Herstellungsprozessen bzw. deren vollständige Neuentwicklung. 9 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
Dem gegenüber wirken sich soziologische Veränderungen vorrangig auf der Nachfrageseite aus, so dass der Markt auch technologisch nicht umsetzbare Lösungen fordern kann, oder aber fort- schrittliche Produkte und Dienstleistungen irrational ablehnt. Beide Faktoren bilden ein dynami- sches Spannungsfeld, welches kontinuierliche Veränderungen hinsichtlich der Marktanforderun- gen bewirkt. Einerseits ergeben sich für etablierte Anbieter hierdurch Marktchancen, z.B. durch Wettbewerbs- differenzierung bestehender Leistungen, oder aber das Angebot gänzlich neuer Produkte. Gleich- zeitig können jene Potenziale jedoch auch von direkten Wettbewerbern, oder aber gänzlich neuen Marktteilnehmern adressiert werden, was ebenfalls die Wettbewerbsintensität erhöhen kann. In den Kapiteln 2.1.1 und 2.1.2 sollen technologische und soziologische Trends mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Automobilindustrie näher beleuchtet werden, um die gegenwärtige Situa- tion und das daraus resultierende Spannungsfeld der Automobilindustrie in seinen Ursachen zu charakterisieren. Regulatorisches Einwirken wie beispielsweise gesetzliche Vorgaben in Hinblick auf Sicherheit oder Umweltschutz werden hier bewusst nicht näher erläutert, da sie ursächlich aus den überge- ordneten Konzentratoren hervorgehen und sich zudem global in Inhalt und Wirkungsbereich sig- nifikant unterscheiden können. 2.1.1 Soziologischer Wandel Im Folgenden werden ausgewählte soziologische Entwicklungen mit unmittelbarer Auswirkung auf die Automobilindustrie erörtert, wobei der deutsche Markt im Fokus der Untersuchungen steht. Verändertes Mobilitätsbedürfnis Der Begriff Mobilität bezeichnet die Beweglichkeit von z. B. Menschen, Waren oder Informationen und nimmt dabei die Sichtweise der zu bewegenden Entitäten ein. Für den Menschen stellt Mo- bilität im Sinne von Raumüberwindung ein wesentliches Grundbedürfnis dar (Aberle 2002). Im Zuge einer zunehmend schnelllebigen Gesellschaft wird ein immer höherer Anspruch an die Flexibilität und Mobilität ihrer Individuen gestellt, was ein gesteigertes Mobilitätsbedürfnis im Per- sonenverkehr bewirkt (Arthur D. Little 2009). Laut einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes stieg die Beförderungsleistung1 im deutschen Personenverkehr zwischen 2004 und 2010 um 2,9 Prozent auf 1193,3 Mrd. Perso- nenkilometer. Trotz einer wachsenden Beliebtheit öffentlicher Verkehrsmittel und neuer Mobili- tätskonzepte fallen dabei mehr als drei Viertel der Beförderungsleistung auf den motorisierten Individualverkehr (Statistisches Bundesamt 2013). Durch das wachsende Mobilitätsbedürfnis stößt insbesondere in Ballungszentren die bestehende Infrastruktur im Straßen- wie auch im Schienenverkehr an ihre Auslastungsgrenze (Beckmann, Möller 2006). Da der Infrastrukturausbau jedoch nicht uneingeschränkt möglich ist, müssen zu- nehmend auch Effizienzsteigerungen – z.B. durch zielführende Kombination oder neue Nut- zungskonzepte einzelner Verkehrsträger – erreicht werden, um der wachsenden Nachfrage nach Mobilität auch in Zukunft gerecht zu werden. Als wichtigster Verkehrsträger in Deutschland wird das Automobil hierbei besonders betroffen sein (Beiten 2015). 1 Zahl der beförderten Personen multipliziert mit von ihnen zurückgelegter Distanz. 10 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
Demographischer Wandel und Technologieaffinität Der demographische Wandel beschreibt die Tendenzen der Bevölkerungsentwicklung bedingt durch Veränderungen bezüglich Altersstruktur, Geschlechteraufteilung, Migration, Fertilität und Mortalität (Statistisches Bundesamt 2015b). Für Deutschland ist ein kontinuierlicher Rückgang der Bevölkerungszahl bis 2060 prognostiziert, wobei das Durchschnittsalter der Bevölkerung parallel weiter ansteigt (Statistisches Bundesamt 2015a). Neben diesen quantitativen Faktoren impliziert der demographische Wandel jedoch auch eine qualitative Veränderung innerhalb der Bevölkerung, wodurch Nutzung, Auswahl und Gestaltung der Verkehrsmittel direkt oder indirekt beeinflusst werden: Die so genannten Digital Natives, d.h. in der digitalen Welt aufgewachsene Generationen, erreichen erstmals einen mehrheitlichen An- teil an der Bevölkerung (Statistisches Bundesamt 2015a). Damit einher geht eine erhöhte Tech- nologieaffinität, welche insbesondere für digitale Produkte und Dienstleitungen einen positiven Einfluss auf die Marktakzeptanz haben kann. Abbildung 2: Demographische Veränderung in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2015b) Im Resultat bedeutet dies jedoch auch ein verändertes Anforderungsprofil, welches sich vorran- gig in steigenden Ansprüchen hinsichtlich Convenience2, Verfügbarkeit und Individualisierbarkeit von Leistungen auswirkt (Fastbridge 2014). Für die Automobilindustrie ergibt sich vor diesem Hintergrund sowohl die Chance als auch die Notwendigkeit, das Leistungsportfolio für die neu heranwachsende Zielgruppe zu optimieren. Urbanisierung Urbanisierung beschreibt die Vermehrung, Ausdehnung oder Vergrößerung von Städten nach Zahl, Fläche oder Einwohnern, sowohl absolut als auch im Verhältnis zur ländlichen Bevölkerung beziehungsweise zu den nicht-städtischen Siedlungen (Bähr 2011). 2 Der im englischsprachigen Raum gebräuchlicher Begriff Convenience hat kein eindeutiges deutsches Ge- genwort und beschreibt ein Attribut, welches sich als Kombination aus Nutzerfreundlichkeit und Mehrwert für den Anwender beschreiben lässt. 11 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
Abbildung 3 veranschaulicht den Trend zur Urbanisierung anhand des relativen Anteils der in Städten lebenden Bevölkerung. Obwohl gegenwärtig bereit etwa 75 Prozent der Deutschen in Städten leben und damit der relative Anteil verglichen mit dem weltweiten Durchschnitt auch we- niger rasant zunimmt, wird auch hierzulande ein fortschreitender Trend der Urbanisierung prog- nostiziert (Institut der deutschen Wirtschaft 2015). Das Wachstum der Städte wird begleitet von einem dynamischen Wachstum des städtischen Verkehrs, wobei zu Stoßzeiten die bestehende Infrastruktur im Allgemeinen das Straßennetz und Parkkapazitäten im Speziellen ihre Auslastungsgrenzen erreichen (Beckmann, Möller 2006). Aufgrund vielfältiger Restriktionen – z.B. durch begrenzte Bauflächen und kommunale Finanzmit- tel, Vermeidung von Einschränkungen für den laufenden Verkehr oder Anwohnerbelastung etc. – ist der Infrastrukturausbau jedoch nur sehr eingeschränkt möglich. Hinzu kommt, dass parallel zum Verkehrsaufkommen auch die Umweltbelastung in den Ballungs- zentren steigt, sodass immer öfter regulatorische Eingriffe, wie etwa die Einführung von Umwelt- zonen und das Ausrufen „Autofreier Sonntage“ notwendig geworden sind, um die gesetzlichen Vorgaben im Kontext des Umweltschutzes einhalten zu können. Den mit der Urbanisierung einhergehenden Problemstellungen stehen jedoch auch strukturelle Vorteile gegenüber: Aufgrund der räumlich konzentrierten Nachfrage sowie zeitlich und direktio- nal gut prognostizierbaren Mobilitätsbedarfen3 ergeben sich verhältnismäßig große Potenziale, um den Verkehr durch Effizienzsteigerung bestehender Verkehrsträger oder durch Implementie- rung alternativer Mobilitätskonzepte zu entlasten. Abbildung 3: Kontinuierlicher Trend der Urbanisierung in Deutschland und weltweit (Institut der deutschen Wirtschaft 2015) Gestiegenes Umweltbewusstsein Neben den bereits erörterten Determinanten bewirkt auch die zunehmende mediale Präsenz von Klimawandel und Ressourcenknappheit eine Prioritätenverschiebung von Wirtschaft und Gesell- schaft: Ein konsumentenseitig verstärktes Umwelt- und Verantwortungsbewusstsein postuliert 3 Als Beispiel kann hier die so genannte Rush Hour aufgeführt werden: Korrelierend mit lokal üblichen Ar- beitszeiten ist jeweils vormittags der Verkehr stadteinwärts, bzw. nachmittags stadtauswärts überdurch- schnittlich stark ausgeprägt. 12 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
eine herstellerseitige Anpassung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen, da Nachhal- tigkeit und Umweltaspekte zunehmend als entscheidungskritische Auswahlkriterien avancieren (Arthur D. Little 2009). Das Umweltbewusstsein als subjektive Wahrnehmung kann lediglich erfragt oder anhand verän- derter Verhaltensmuster empirisch beobachtet werden, weshalb beschriebene Entwicklungen nur schwer quantifizierbar sind. Hinzu kommt, dass aus Konsumentensicht ökologische und ökono- mische Motive im Kontext der Mobilität oftmals konvergieren und entsprechend statistisch nur schwierig getrennt voneinander zu erfassen sind. Für die Automobilindustrie lassen sich dennoch qualifizierte Ableitungen formulieren (vgl. Abbil- dung 4): Gemäß einer repräsentativen Umfrage ist die Umweltfreundlichkeit für mehr als zwei Drittel der deutschen ein wichtiges oder sehr wichtiges Kriterium beim Autokauf, während darüber hinaus umweltassoziierte Kriterien sogar noch höher gewichtet werden (Arbeitsgemeinschaft Ver- brauchs- und Medienanalyse 2015). Ferner sind 85 Prozent der Deutschen bereit, zugunsten des Klimaschutzes auf umweltfreundliche Verkehrsmittel auszuweichen, 39 Prozent würden hierfür sogar höhere Kosten akzeptieren (Deutsches Verkehrsforum 2009). Im Resultat müssen diese Einflüsse des gestiegenen Umweltbewusstseins von den Automobil- herstellern also multidimensional adressiert werden: Für angebotenen Fahrzeuge müssen Um- weltaspekte im Zuge der Produktentwicklung als prioritäres Kriterium berücksichtigt werden. Um neue Marktpotenziale zu erschließen sollten jedoch auch zunehmend Angebote formuliert wer- den, welche über den eigenen Personenkraftwagen hinaus die individuellen Mobilitätsbedürfnisse der Endkunden bei bestmöglicher Umweltverträglichkeit abdecken. Abbildung 4: Relevante Einflüsse des gestiegenen Umweltbewusstseins für die Automobilindustrie Rückläufige Statussymbolik des Autos Im Zuge der fortschreitenden Automobilisierung der Gesellschaft seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird dem Auto über die Bereitstellung von Mobilität hinaus auch eine repräsentative Funktion angemessen, wobei der Besitz eines eigenes Auto mit Individualität, Freiheit und Wohlstand as- soziiert wird (Arthur D. Little 2009). 13 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
So geben beispielsweise 65 Prozent der regelmäßigen Fahrzeugnutzer in Deutschland an, dass sie sich nur mit der Verfügbarkeit über ein Auto frei und unabhängig fühlen. Rund 10 Prozent der Deutschen zwischen 14 und 69 Jahren bekennen sogar, dass sie mit ihrem Auto auffallen und sich von anderen abheben wollen (FOCUS Magazin Verlag GmbH 2007). Speziell in den jünge- ren Generationen zeigt sich hier aktuell jedoch ein gegenläufiger Trend: Der noch vor wenigen Jahren als obligatorisch geltende Erwerb von Führerschein und ggf. eigenem Auto unmittelbar nach der Volljährigkeit verliert zunehmend an Bedeutung (Clausecker et al. 2015). Im Rahmen einer aktuellen deutschen Umfrage mit 3.000 Teilnehmern zwischen 18 und 34 Jah- ren bestätigten etwa zwei Drittel der Befragten, dass innerhalb des persönlichen Umfeldes dem Auto eine immer geringere Rolle als Statussymbol zugeschrieben wird (vgl. Abbildung 5). Darüber hinaus schreibt etwa die Hälfte der Befragten dem Smartphone einen höheren Stellenwert und Nutzen zu. Die mit dem Auto verbundene Statussymbolik unterliegt jedoch aufgrund vielfältiger Einflussfak- toren starken regionalen und kulturellen Schwankungen. So gilt beispielsweise in China das ei- gene Auto als unbedingt erstrebenswertes Wohlstandsmerkmal, da es als Zeichen für die Befrei- ung von traditionellen Befangenheiten und für einen westlichen Lebensstil steht (Arthur D. Little 2009). Im Gegensatz dazu zeigt sich in Japan ein noch weit stärker ausgeprägter Trend zur fallenden Bedeutung des Fahrzeugbesitzes als in Deutschland: Den Trend der zunehmend rückläufigen Statussymbolik von Fahrzeugen gegenüber Smartphones, Notebooks etc. bezeichnen die Japa- ner mit dem eigenen Wort „Kuruma Banare”, was sich in etwa mit „Demotorisierung“ übersetzen lässt. Abbildung 5: Stellenwert des Automobils bei jungen Konsumenten in Deutschland (Prophet 2016) Trotz teilweise ambivalenter Entwicklungen lässt sich übergeordnet konstatieren, dass Prestige als Kaufargument für ein eigenes Fahrzeug an Bedeutung einbüßt, wohingegen Instrumente der Kommunikation und Vernetzung eine zunehmende emotionale Aufladung erfahren. Insbesondere die Premiumhersteller sind daher angehalten die veränderten Kundenbedürfnisse in ihrem Portfolio zu reflektieren und neue Wege für die Vermarktung ihrer Produkte zu erschlie- ßen. 14 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
Globalisierung Im ökonomischen Kontext beschreibt der Begriff Globalisierung den Prozess der zunehmenden Entstehung weltweiter Märkte für Waren, Kapital und Dienstleistungen sowie die damit verbun- dene internationale Verflechtung der Volkswirtschaften, welche vor allem durch neue Technolo- gien im Kommunikations-, Informations- und Transportwesen sowie neu entwickelte Organisati- onsformen der betrieblichen Produktionsprozesse vorangetrieben wird (Pollert et al. 2010, c 2010). Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung bieten sich besonders für international agierende Automobilkonzerne zunächst signifikante Vorteile: Zwischenprodukte und Rohstoffe können welt- weit zum günstigsten Preis eingekauft werden und die Möglichkeit global zu exportieren eröffnet neue Absatzmärkte. Zudem können durch die Auslagerung von Produktionsstandorten oder ein- zelnen Unternehmensbereichen Vorteile wie bspw. billigere Arbeitskräfte, Vermeidung von Zöllen oder bessere Standortbedingungen utilisiert werden. Mit zunehmender Internationalisierung eines Unternehmens steigen jedoch auch die strukturelle Komplexität sowie Steuerungs- und Koordinierungsaufwände innerhalb der Organisation. Hinzu kommt, dass durch die globale Verflechtung der einzelnen Märkte auch die Eintrittsbarrieren für neue Markteilnehmer gesenkt werden. Somit ist der Wettbewerb nicht mehr auf regionale Kon- kurrenten beschränkt, sondern umfasst zumindest in der Theorie nun mehr die ganze Welt, was eine zusätzliche Wettbewerbsintensivierung zur Folge hat. 2.1.2 Technologischer Wandel Neben den soziologischen Determinanten bewirken insbesondere auch technologische Fort- schritte eine Umstrukturierung des Marktumfeldes in der Automobilindustrie. Seit Einführung der kommerziellen Serienfertigung in der Automobilindustrie vor etwa 100 Jahren haben sich zwar Stückzahlen, Modellvielfalt und Evolutionszyklen verändert, der zu Grunde liegende Evolutions- prozess blieb jedoch weitestgehend unverändert: Zunächst branchenunabhängige technologi- sche Fortschritte werden von der Automobilindustrie adaptiert und ermöglichen so Optimierungen des Fahrzeuges als Verkaufsprodukt (vgl. Abbildung 6). Abbildung 6: Schematische Darstellung der Produktevolution in der Automobilindustrie 15 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
Im Zuge dieser Fortschritte werden Fahrzeuge zwar immer zuverlässiger, ökologischer, komfor- tabler, sicherer, emotionaler und leistungsfähiger, die Verbesserungen bleiben dabei aber meist auf das Fahrzeug und dessen Transportfunktion fokussiert. Über den originären Evolutionsprozess hinaus, haben sich in der nahen Vergangenheit jedoch grundlegende technologische Errungenschaften mit disruptiven Potenzialen für neue, über die reine Transportfunktion des Automobils hinausgehende Geschäftsmodelle entwickelt. Die im Sinne des Untersuchungsgegenstandes relevanten technologischen Grundlagen für die Möglich- keit einer fahrzeugintegrierten Bezahllösung sollen im vorliegenden Kapitel exemplarisch erörtert werden. Leistungsfähigkeit von Computern Im Zuge der Digitalisierung werden sukzessive und in immer schnelleren Zyklen Möglichkeiten erschlossen, wie Menschen und Maschinen miteinander interagieren, kommunizieren und wirt- schaften (Böhning et al. 2015). Der zu Grunde liegende Wirkmechanismus hinter diesen Entwick- lungen liegt im exponentiell steigenden Effizienzdruck aus technologischen Möglichkeiten, wie ihn Gordon Moore 1965 erstmalig postuliert hat: Die als „Moore’s Law“ berühmt gewordene The- orie prognostiziert die 18-monatliche Verdopplung integrierter Schaltkreise bei Konstanz der Kos- ten und hat sich seit einem halben Jahrhundert für die gesamte Computertechnik bewahrheitet. Aufgrund physikalischer Restriktionen ist diese Entwicklung prinzipiell begrenzt, wobei gegen- wärtig ein bevorstehendes Ende der Gültigkeit von „Moore’s Law“ diskutiert wird (Gruber 2016). Gleichwohl könnte eine Revolution der technischen Basis, z.B. durch Quantencomputing 4, das Wachstum hinsichtlich des Leistungspotenzials digitaler Signalverarbeitung aufrecht erhalten, o- der gar zusätzlich verstärken (Böhning et al. 2015). Ausbreitung des Internets Die rasante Verbreitung der Internets wirkt sich als multidimensionale Entwicklung nicht nur auf die geographische Verfügbarkeit, sondern vor allem auch auf die zur Verfügung stehenden Band- breiten aus: Beim kabelgebundenen Internet ist die Übertragungsrate von wenigen Kilobit pro Sekunde An- fang der 1980er Jahre (BTX) auf etwa 768 kbit/s um die Jahrtausendwende (T-DSL) bis auf ak- tuell etwa 200 Mbit/s (VDSL) gestiegen, wobei sich Netzabdeckung und Bandbreiten im stetigen Ausbau befinden. In Analogie dazu stiegen auch die Kapazitäten des Mobilen Internets, von GSM (9,6 kbit/s) über UMTS (384 kbit/s) bis zum aktuellen LTE-Standard (bis zu 1 Gbit/s). Umgekehrt- proportional zur Übertragungsrate sinken seither auch die Kosten für die Nutzung des mobilen Internets, was in Kombination mit einer universellen Standardisierung sämtlicher digitaler Kom- munikationsprotokolle (bspw. Daten-, Sprach- und Bildübertragung) immer mehr Nutzer ubiquitär erreichbar macht, wodurch digitale Produkte extrem schnell skaliert werden können (Böhning et al. 2015). Im Resultat haben beschriebene Entwicklungen signifikanten Einfluss auf das Konsumentenver- halten: Seit 2014 greifen Nutzer in Deutschland anteilig häufiger auf ihre mobilen Endgeräte als 4 Ein Quantencomputer führt seine Berechnungen mit Hilfe von Quantenobjekten aus, die in einer Überlage- rung verschiedener physikalischer Zustände existieren können. Deshalb muss er seine Rechenschritte nicht nacheinander abarbeiten, sondern kann sie parallel durchführen. Theoretisch können somit bestimmte Prob- leme der Informatik wesentlich effizienter gelöst werden als mit digitalen Computern, weshalb gegenwärtig ein hoher Forschungsaufwand für die Realisierung betrieben wird (Spektrum 2016). 16 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
auf stationäre Computer als Zugangskanal zum Internet zurück (Bundesverband Digitale Wirt- schaft (BDVA) e.V. 2015). Parallel dazu ändert sich auch die Art der Software-Nutzung: Abonnements und Modulsysteme überwiegen zunehmend konventionelle Kaufmodelle, der primäre Distributionskanal verschiebt sich von physischen Datenträgern auf Online-Applikationen und der Betrieb von Software erfor- dert keine lokale Installation, sondern einen Zugang zur Cloud (Böhning et al. 2015). Zusammenfassend postuliert die annähernd ubiquitäre Verfügbarkeit des Internets die Digitali- sierung und Vernetzung vielfältiger analoger Produkte und Dienstleistungen und eröffnet darüber hinaus Potenziale für neue Geschäftsmodelle. Abbildung 7: Entwicklung von Bandbreite und korrespondierenden Anwendungen (in Anlehnung an Böhning et al. 2015) 2.2 Megatrends in der Automobilindustrie Die in Kapitel 2.1 diskutierten Veränderungen des Marktumfeldes, in Kombination mit darauf auf- bauenden politischen Initiativen und regulatorischen Vorgaben, münden in vier übergeordneten Wettbewerbsfeldern, welche sich derweil durch eine hohe Intensität und marktübergreifende Kon- vergenz auszeichnen. Diese werden in der Literatur auch als „Megatrends“ bezeichnet (Arthur D. Little 2009) und sollen im vorliegenden Kapitel kurz erörtert werden. 2.2.1 Connected Car Bis Ende der 80er Jahre waren Kraftfahrzeuge weitestgehend geschlossene Systeme, deren Komponenten durch mechanische oder elektrische Schnittstellen direkt miteinander interagierten und die Fahraufgabe betreffende Primäraufgaben erfüllten (Lawrenz, Obermöller 2011). Im Zuge der fortschreitenden Entwicklung vereinen moderne Autos eine Vielzahl von Computern, Sensoren, Regelsystemen und Schnittstellen, welche mit Hilfe standardisierter Datenbusse (z.B. CAN und Flexray) annähernd echtzeitfähig miteinander kommunizieren, wobei zunehmend auch Sekundärfunktionalitäten abgebildet werden. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. GPS-Verbindung für das Navigationssystem) blieben Autos jedoch weiterhin in sich geschlossene Systeme, d.h. 17 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
eine über die eigene Sensorik hinausgehende Kommunikation mit der Fahrumgebung fand i.d.R. nicht statt (Graf 2009). Um die Informationsverfügbarkeit über die integrierte Sensorik sowie die Kommunikationsfähig- keit über die unmittelbare Fahrumgebung hinaus zu erweitern, entwickelte sich daher die Idee, Autos einerseits untereinander (Car2Car), andererseits mit Infrastrukturen aus der Fahrumge- bung (Car2X) zu vernetzen (Graf 2009). Die Umsetzung dieses Vorhabens wird mit dem Begriff „Connected Car“ diffus beschrieben, ohne dabei jedoch einer strengen Definition zu folgen (Connected Car – Automobil grenzenlos). Die Motivationen für die Fahrzeugvernetzung sind viel- schichtig, lassen sich übergeordnet jedoch in einer Verbesserung der Verkehrseffizienz und - sicherheit, der Verringerung der Umweltbelastung und der Erhöhung des Reisekomforts zusam- menfassen. Oftmals wird Connected Car auch fälschlicherweise zur Beschreibung von Fahrzeugen mit Inter- netzugang verwendet (Connected Car – Automobil grenzenlos). Tatsächlich stellen das Internet, bzw. darauf aufbauende Kommunikationsprotokolle eine Variante der Vernetzung dar, welche in der Praxis auch häufig Anwendung findet: Moderne Fahrzeuge sind mit eigenen SIM-Karten aus- gestattet oder ermöglichen durch Kopplung mit dem Smartphone den Internetzugang, wodurch beispielsweise Verkehrs-, Wetter- und Navigationsdaten oder zusätzliche Applikationen für das Infotainment geladen oder aber Filme und Musik gestreamt werden können. Durch begrenzte Netzabdeckung und Übertragungsraten, aber auch aus Sicherheitsgründen ist das öffentliche Internet jedoch für diverse Anwendungsfälle ungeeignet. So könnte beispielsweise ein Notbremsassistent, welcher über das unmittelbar vorausfahrende Fahrzeug hinaus reagieren soll nur schwer auf Basis des Internets realisiert werden, da hier die Übertragungsrate schlicht zu langsam wäre (CAR 2 CAR Communication Consortium 2007). Damit auch Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller miteinander kommunizieren und mit der Fahr- zeugumwelt interagieren können, bedarf es einheitlicher Übertragungsstandards für die Car2Car- und Car2X- Kommunikation. Eine der Haupttriebkräfte in diesem Forschungsbereich ist das „Car 2 Car Communication Consortium“, welches Stakeholder aus Automobilindustrie, Politik und For- schung vereint und eine europaweite Standardisierung von Schnittstellen und Protokollen an- strebt (CAR 2 CAR Communication Consortium 2007). Bislang konnten jedoch noch keine ein- heitlichen Standards erwirkt werden, was unter anderem in den globalen Tätigkeitsfeldern und divergierenden Interessensschwerpunkten der großen Automobilkonzerne begründet ist. Die Hauptherausforderung bei der Etablierung von Car2Car-Kommunikation im Speziellen be- steht jedoch im so gennannten Henne-Ei-Problem: Die potentielle Ausrüstung eines Fahrzeuges mit den notwendigen Technologien für die Car2Car-Kommunikation (z.B, Sender, Empfänger, Signalverarbeitung sowie die darauf aufsetzenden Systeme) ist sehr kostenintensiv. Die ersten damit ausgestatteten Fahrzeuge werden jedoch nur wenige andere Fahrzeuge antreffen, die mit ihnen interagieren können, so dass eine Mehrinvestition für die ersten Kunden nur marginalen Mehrwert bieten wird, was entsprechende Technologien aus Sicht der Hersteller wiederum als Verkaufsmerkmal disqualifiziert. Aufbauend auf entsprechenden Studien veröffentlichte daher der Verband der Automobilindustrie, dass mindestens 10 bis 15 Prozent aller Fahrzeuge im Ver- kehr mit einer kompatiblen Car2Car-Technik ausgerüstet sein müssten, damit das System über- haupt sinnvoll eingesetzt werden kann (Verband der Automobilindustrie 2015). 18 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
Während die Ausstattung der Fahrzeuge mit einem Internetzugang also gegenwärtig bereits zum Standard avanciert, wird die darüber hinaus gehende Vernetzung von Fahrzeugen mit der Fahrumgebung, vor allem aber die Kommunikation von Fahrzeugen untereinander daher politi- scher Impulse bedürfen. 2.2.2 Autonomes Fahren Die Bestrebungen für einen steigenden Automationsgrad bei der Fahrzeugführung begründen sich aus wechselwirkenden Intentionen hinsichtlich Komfort, Sicherheit, Ökonomie und Ökologie der Mobilität, wobei die individuellen Motivationen nach Perspektive des Betrachters variieren. Die Vision selbststeuernder Automobile zeichnet eine Zukunft ohne Autounfälle durch menschli- che Fahrfehler, bei effizienterer Auslastung der Verkehrsmittel und Infrastrukturen und gleichzei- tiger Reduktion von Energieverbrauch und der Emissionen. So könnten beispielsweise durch die intelligente Koordinierung von Fahrzeugen Straßen höher ausgelastet und Staus vermieden wer- den. Ferner können durch den Einsatz von automatisierten Fahrzeugen die Insassen anderen Aktivitäten nachgehen, ohne sich und andere zu gefährden. In der Theorie ermöglichen selbst- fahrende Autos somit auch eine lebenslange Mobilität durch Inklusion bisher vom Fahrzeugführen ausgeschlossener Gruppen, wie etwa fahruntüchtige ältere Menschen, Menschen mit Behinde- rungen und Kinder (Hilgendorf 2014). Als Konsequenz dieser signifikanten Potenziale existieren umfassende Bemühungen von Her- stellern und Zulieferern, die Automation der Fahrzeugführung voranzutreiben. So wurden bei- spielsweise allein im Jahr 2015 etwa 1500 Patentanmeldungen für Komponenten und Systeme im Kontext des automatisierten Fahrens ausgestellt (Rees et al. 2016). Neben den Regelsystemen selbst sind dabei vor allem Sensor- und Kommunikationssysteme im Fokus der Forschung und Entwicklung, da mit zunehmendem Automationsgrad auch die Notwen- digkeit einer möglichst exakten Zustandserfassung von Fahrer, Fahrzeug und Fahrumgebung steigt. Um die Datenbasis für die Regelsysteme über die Reichweite der fahrzeugeigenen Sen- sorik hinaus zu erweitern zu können, ist daher die in Kapitel 2.2.1 beschriebene Kommunikation zu Infrastruktur und anderen Fahrzeugen eine technologische Grundvoraussetzung für die Wei- terentwicklung der Automation. Um ein einheitliches Begriffsverständnis hinsichtlich der Automation der Fahrzeugführung zwi- schen Akteuren aus Automobilindustrie, Konsumenten und Politik zu schaffen, hat die Bundes- anstalt für Straßenwesen (BASt) in Kooperation mit internationalen Automobilverbänden die in Abbildung 8 dargestellten Stufen des automatisierten Fahrens entwickelt. Zwischen den einzel- nen Stufen wird dabei nicht zwischen festen prozentualen Automationsgraden unterschieden, sondern die Fahrzeuge und Systeme werden anhand ihrer abgebildeten Funktionalitäten qualita- tiv kategorisiert, welche im Folgenden kurz erläutert werden (Bundesanstalt für Strassenwesen 2012): 19 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
Abbildung 8: Automationsgrade der Fahrzeugführung nach BASt (Bundesanstalt für Strassenwesen 2012) Level 0: Driver Only Der Fahrer muss die Führung des Fahrzeugs zu jedem Zeitpunkt der Fahrt in Längs- und Quer- richtung übernehmen. Obwohl keine Automation der eigentlichen Regelaufgabe vorliegt ist in Ab- bildung 8 ein automatisierter Anteil visualisiert, welcher die Regelaufgabe unterstützende Funkti- onalitäten andeuten soll. So warnt beispielsweise ein Totwinkel-Assistent den Fahrer mittels op- tischer, haptischer oder visueller Reize in Gefahrensituationen verursacht durch andere Ver- kehrsteilnehmer in schwer einsehbaren Bereichen des Fahrzeugumfeldes, ohne jedoch aktiv zu intervenieren. Level 1: Assistiert Der Fahrer führt das Fahrzeug in Längs- oder Querrichtung, wobei Assistenzsysteme die jeweils andere Regelaufgabe übernehmen. Der Fahrzeugführer muss das System permanent überwa- chen und die automatisierte Regelaufgabe sofort wieder übernehmen, wenn das System ihn dazu auffordert. Level 2: Teilautomatisiert Das System übernimmt sowohl die Längs- als auch die Querführung in einer definierten Fahrsi- tuation bzw. für einen definierten Zeitraum, wobei die Überwachungspflichten des Fahrers analog zum assistierten Fahren (Level 1) sind. Level 3: Hochautomatisiert Analog zum teilautomatisierten Fahren (Level 1) übernimmt das System die Längs- und Querfüh- rung in einer definierten Fahrsituation bzw. für einen definierten Zeitraum, jedoch ohne dass der Fahrer das System dauerhaft überwachen muss. Das System muss potenzielle Gefahrensituationen frühzeitig erkennen und den Fahrer mit einer angemessenen Rückholzeit zur Übernahme der Fahraufgabe auffordern, so dass dieser das Fahrzeug wieder in einen sicheren Fahrzustand überführen kann. 20 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
Level 4: Vollautomatisiert Im Kontrast zum hochautomatisierten Fahren (Level 3) sind die Intervalle ohne Fahrereingriff beim vollautomatisierten Fahren prinzipiell nicht limitiert und das System kann aus jeder mögli- chen Fahrsituation selbstständig in einen sicheren Fahrzustand gelangen. Level 5: Fahrerlos Den Insassen obliegt keinerlei Überwachungsfunktion oder Übernahmebereitschaft, wodurch prinzipiell kein Fahrer im Fahrzeug erforderlich ist. Nach aktueller Rechtslage sind im Deutschen Straßenverkehr nur Fahrzeuge für den Serienein- satz zulässig, welche höchstens einen Automationsgrad Level 2 aufweisen5 (Universität Würz- burg 2016). Neben den beschriebenen technischen Herausforderungen müssen daher umfang- reiche zulassungs-, verhaltens- sowie haftungsrechtliche Fragestellungen geklärt und in Form von bestenfalls international harmonisierten Gesetzen und Regelungen verankert werden. Hierfür muss vor allem hinsichtlich ethischer Fragestellungen ein gesellschaftlicher Konsens er- wirkt werden um beispielsweise zu klären, welche Entscheidungen Fahrzeuge in kritischen Situ- ationen treffen dürfen und wer für diese Handlungen die Verantwortung übernimmt (Universität Würzburg 2016). 2.2.3 E-Mobilität Ferdinand Porsche entwickelte bereits 1897 einen elektrischen Radnabenmotor, auf dessen Ba- sis drei Jahre später im Rahmen der Pariser Weltausstellung 1900 ein wegweisendes transmis- sionsloses Elektrofahrzeug vorgestellt wurde. Insbesondere aufgrund der stark eingeschränkten Reichweite konnte sich dieses innovative Antriebskonzept seinerzeit nicht durchsetzen, sodass der Verbrennungsmotor die kommerzielle Automobilfertigung für das nachfolgende Jahrhundert dominierte (Porsche AG 2010). Getrieben durch steigende Treibstoffpreise, politische Impulse und neue technologische Möglich- keiten reaktivierte sich um die Jahrtausendwende die Forschung und Entwicklung im Bereich der Elektromobilität, sodass sich gegenwärtig eine regelrechte Renaissance der Elektromobilität er- kennen lässt (Bundesverband eMobilität e.V. 2016)6. Abbildung 9 zeigt den rasanten Anstieg bei Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen in Deutschland seit 2009 (Kraftfahrtbundesamt 2016). Zu bemerken ist, dass trotz dieses signifikanten Wachstums Deutschland im internationalen Ver- gleich ein eher moderates Adaptionsverhalten hinsichtlich Elektromobilität zeigt (Seyerlein 2016). Bestätigt wird dies auch durch den von McKinsey entwickelten Electric Vehicle Index, welcher anhand ausgewählter Kriterien (u.a. Marktanteil der Elektrofahrzeuge sowie zur Verfügung ge- 5 Bis auf wenige Ausnahmen trifft dies auch international zu, da ein Großteil nationaler Straßenverkehrsord- nungen auf dem so genannten „Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr“ basiert, oder sich zumin- dest danach richtet. Das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr ist ein internationaler Vertrag, der den Straßenverkehr durch Standardisierung der Verkehrs- und Zulassungsregeln sicherer machen soll. Der Vertrag wird kontinuierlich überarbeitet und ist derzeit von knapp 100 Nationen unterzeichnet (Schweizerische Bundeskanzlei (KAV) 1968). 6 Parallel dazu etablierten sich auch zunehmend Hybrid-Konzepte als Versuch, die Vorteile von Verbren- nungs- und Elektroantrieb zu vereinen. Dabei steht jedoch weiterhin ein Verbrennungsmotor im Zentrum des Antriebskonzeptes und der Elektromotor fungiert i.d.R. lediglich als verbrauchsminderndes Instrument. Durch zu erwartende Fortschritte bzgl. Batterietechnik und Infrastrukturausbreitung wird sich diese Schwerpunktset- zung zunehmend verschieben, weshalb die Hybrid-Technologie nur als temporärer Kompromiss verstanden wird (Schwarzer 2016). Entsprechend liegt hier der Fokus auf Elektrischem Antrieb und die Hybrid-Technik wird nicht näher betrachtet. 21 Master Thesis Dominik Siebert © CORE 2017
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