Neue Märkte für neue Ideen - Wie osteuropäische Start-ups den Westen erkunden - OWC Verlag für Außenwirtschaft
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12 I 2017 12,00 € 63. Jahrgang H 30859F www.owc.de Neue Märkte für neue Ideen Wie osteuropäische Start-ups den Westen erkunden Kampf um Talente Ausblick Ausverkauft Hoher Besuch Wie der Fachkräfte- Wie wird Russlands Wie Polen um Usbekische Firmen mangel Russlands Wirtschaft 2018? den Laden- zu Gast in Bayern Wirtschaft hemmt schluss streitet
2. Manufacturer‘s & IT-Forum Lösungen für deutsche Hersteller in Russland, Belarus und der Ukraine 16. Februar 2018 am Frankfurter Flughafen Infos und Anmeldung unter www.owc.de Wir bewegen Außenwirtschaft PANTON 151C CMYK 0 60 100 0 RGB 245 130 32 HTML #F58220
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, der Start-up-Hype hat längst auch den Osten erreicht. In der Vergangenheit be- richteten wir wiederholt über die Rahmenbedingungen und Ökosysteme für jun- ge, innovative Unternehmen in Osteuropa und den GUS-Staaten. Natürlich sind dort die Voraussetzungen andere als in den etablierten Start-up-Hubs dieser Welt, zu denen ohne Frage auch Berlin gehört. Dennoch wächst auch in Minsk, Mos- kau oder Warschau eine Generation gut ausgebildeter, international ausgerichte- ter Unternehmer heran, die zu der globalen Start-up-Bewegung dazugehören wol- len. Und viele von ihnen blicken im Rahmen ihrer Internationalisierungsstrategie zuerst auf das nahegelegene Westeuropa. In unserem Titelthema begleiten wir ei- nige von ihnen dabei, diesen Markt zu sondieren (ab S. 10). Welches Thema könnte besser geeignet sein, um ein turbulentes, aber alles in allem positiv stimmendes Jahr 2017 abzuschließen? Die Wirtschaften in Osteu- ropa haben sich in diesem Jahr gut entwickelt: Das gilt für Russland (S. 26), des- sen Konjunktur gerade für die GUS-Länder ausschlaggebend ist, aber auch für die Türkei (S. 34), auf die wir 2017 in vielen Heften einen besonderen Fokus gelegt PATRICK BESSLER haben, auch wenn sie geografisch etwas aus dem Rahmen fällt. Trotz anhalten- Chefredakteur der Spannungen zwischen einigen Ländern (S. 37) und nach wie vor vielen Kin- derkrankheiten in den oft noch jungen Volkswirtschaften geht die Modernisie- E-Mail: pb@owc.de rung vielerorts voran. Da will sich auch Usbekistan einreihen. Nach dem Wech- sel an der Spitze des Staates zeigt man sich zunehmend offen und reformlustig. Das unterstrich im November eine große Delegation nach Deutschland (S. 46). Auch für den Verlag war 2017 ein bewegtes Jahr. Nach dem Relaunch aller Pu- blikationen Ende 2016 haben wir kontinuierlich an unseren Heften gefeilt, eine komplett neue Website mit täglich aktuellen News, Hintergründen und der wohl umfangreichsten Sammlung an Terminen zu Außenwirtschaftsveranstaltungen aus der Region Osteuropa in das WWW entlassen. Zudem haben wir unter an- derem mit dem Manufacturer´s Forum ein neues Event-Konzept erfolgreich eta- bliert, das wir im kommenden Februar fortführen werden. Und wir arbeiten be- reits an den nächsten Neuerungen. Besuchen Sie uns auf www.owc.de und blei- ben Sie up to date! Ich möchte zudem an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, im Namen des ge- samten OWC-Teams allen Kollegen, Partnern, Kunden und natürlich Ih- nen als Leser zu danken für Ihre Treue, Zusammenarbeit und Unterstützung. Seien sie mit uns gespannt auf ein ereignisreiches 2018! Ihr Patrick Bessler 12.17 OstContact I 3
Inhalt 10 Osteuropa im Gründerfieber: Die Länder Osteuropas wollen am Start-up-Trend teilhaben. Gründerfieber 10 Russland/ EAWU 24 Türkei 34 Neue Märkte für neue Ideen 10 Kampf um Talente 24 Wachstum trotz Turbulenzen 34 Osteuropäische Jungunternehmer Der Fachkräftemangel hemmt langfristig Dank Binnenkonsum und Bauge- suchen in Deutschland nach neuen das wirtschaftliche Potenzial. Wie kann werbe boomt die Wirtschaft. Auch Märkten, Partnern und Know-how. man dieses Problem abfedern? die Touristen kommen wieder. „Es brodelt!“ 18 Moderat positive Dynamik 26 Das russische Start-up Marvelmind Die russische Wirtschaft hat sich erholt. Robotics punktet mit ausgefeilter Für 2018 ist eine stabile Entwicklung zu Indoor-GPS-Technologie. Wir sprachen erwarten. Tiefgehende Reformen sind mit dem Gründer. aber unwahrscheinlich. Ukraine37 „Hightech-Macht“ bis 2030 20 Ende des digitalen Eldorados 29 Polen bietet noch wenige Start-ups und Transnationales Online-Shoppen boomt Sorgen wegen Russlands 37 geringes Venture Capital. In einem in Russland. Doch Zollfreibeträge und Krim-Brücke Bereich sind die Polen aber Weltspitze. Mehrwertsteuerbefreiung könnten bald Russland hat neue Regeln für die Passage ein Ende haben. der Kertsch-Straße eingeführt. Ukraini- Klein aber fein 23 sche Häfen müssen nun auf kleinere Tschechien ist zwar ein kleiner Markt für Der neue Zollkodex kommt 30 Schiffe umsatteln. Start-ups, aber interessant für Nischen- Auf der Zollkonferenz der IHK produkte. Düsseldorf stellten Experten das neue Zoll-Rahmenwerk der EAWU vor. Gate zwischen EU und EAWU? 31 Die Wirtschaft erholt sich weiter, die Polen 40 Rahmenbedingungen für Investitionen werden besser. Fehlen nur noch die Investoren. Streit um Sonntagshandel 40 Ein neuer Gesetzesentwurf sieht vor, Minsk sucht die Superreform 32 dass die Geschäfte am siebten Tag in Die Krise in Belarus bietet eine Chance der Woche geschlossen bleiben. Das für Reformen. Doch die Regierung feilt gesamte Land ist in Aufruhr. bisher nur an Details und enttäuscht unabhängige Experten. Post setzt auf Kurierdienste 42 Die staatliche Polnische Post zu restrukturieren, ist nicht leicht. Starke Gewerkschaften bestimmen die Politik des Konzerns mit. 4 I OstContact 12.17
24 36 44 Russland: Was bringt die Wirtschaft Polen: Kirche und Regierung wollen den Usbekistan: Premierminister Aripov 2018? Sonntagshandel abschaffen. wirbt um Investitionen. Kein Problem mit der PiS 44 Goetz Linzenmeier baut in Gdańsk Alurümpfe für Großyachten und Rubriken besetzt damit eine Nische. Die politi- schen Spannungen mit Polen stören ihn nicht. Osteuropaverein 53 Russlands WM-Stadien 56 Östliche Partnerschaft: In der Ukraine, Samara: Das Raumschiff Belarus, Moldau und Georgien setzt sich die wirtschaftliche Erholung fort. Auf Geschäftsreise 58 Personal 60 Vier Stunden bis Check-in ... 58 Usbekistan46 Budapest – Melange aus Süd und Ost Meldungen 59 „Gute Saat, gute Ernte!“ 46 In Bayern wirbt eine usbekische Geschäftskalender 61 Delegation für die Reformen im Land und um deutsche Investitionen. Editorial 3 Der Monatsüberblick 6 Lissabon-Wladiwostok 52 Publikationen 60 Vorschau/ Impressum 62 Estland 50 Digitalisierungs-Weltmeister 50 Estland gehört weltweit zur Spitze, wenn es um Digitalisierung geht. Auch im wirtschaftlich starken Nord- rhein-Westfalen will man sich von den Esten etwas abschauen. 12.17 OstContact I 5
Monatsüberblick 14. November Deutschlands BIP legt moderat zu Das Bruttoinlandsprodukt Deutsch- lands ist im dritten Quartal 2017 im Ver- gleich zum Vorquartal um 0,8 Prozent geklettert. Damit ist das Plus besser ausgefallen als angenommen. Von der Nachrichtenagentur Reuters befrag- te Volkswirte waren lediglich von einer Steigerung um 0,6 Prozent ausgegan- gen. Staatlicher und privater Konsum lagen hingegen ungefähr auf dem Ni- veau des Vorquartals. 15. November EU: Zweifel am polnischen Rechtsstaat Das EU-Parlament bezweifelt, dass Po- len unter der Führung der nationalkon- servativen Partei für Recht und Gerech- tigkeit (PiS) noch den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Gemeinschaft ent- spricht. Die EU-Abgeordneten haben Wirtschaftswachstum: gute Stimmung bei OECD-Generalsekretär Angel Gurría und Bundeskanzlerin Angela Merkel deswegen mit breiter Mehrheit dafür gestimmt, gegen das Land eine forma- le Prüfung einzuleiten. Die Politiker mo- nieren insbesondere den Umbau des Monatsüberblick November Justizwesens, den die Regierung vor- genommen hat, sowie Eingriffe in die Die wichtigsten Medien- und Versammlungsfreiheit. Ereignisse der 23. November Außenwirtschaft Einkaufsmanager-Index positiv Die Stimmung unter den Managern der Euro-Zone ist so gut wie seit Jahren nicht. So ist der Einkaufsmanager-In- dex (PMI) für das Verarbeitende Ge- werbe und die Dienstleistungen in dem 13. November tok hat den Einbruch beim Ölpreis und Wirtschaftsraum im November auf 57,5 Russlands Wirtschaft wächst die Sanktionen des Westens mittlerwei- Punkte geklettert. Im Vormonat hatte langsamer le recht gut weggesteckt. der Wert noch bei 56 Punkten gelegen. Die russische Wirtschaft ist im dritten Das ist der höchste Stand seit rund Quartal langsamer gewachsen. Wie das sechseinhalb Jahren. Analysten waren russische Statistikamt auf Basis vorläu- 14. November dagegen von einer Stagnation bei 55,9 figer Zahlen mitteilt, hat das Bruttoin- Welthandel im vierten Quartal Punkten ausgegangen. Ein Wert über landsprodukt (BIP) im dritten Quartal gewachsen 50 bedeutet eine positive Stimmung. im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um Der Welthandel dürfte im vierten Quar- 1,8 Prozent zugelegt. Im Frühjahr hatte tal des laufenden Jahres moderat wach- die Wirtschaft mit einer Wachstumsra- sen. Das lässt sich am aktuellen Index 27. November te von 2,5 Prozent so stark Fahrt aufge- der Welthandelsorganisation WTO ab- EU: Freihandelsabkommen nommen wie seit rund fünf Jahren nicht lesen, der bei 102,2 Punkten liegt. Da- mit Neuseeland Foto: OECD, via flickr mehr. Nachdem das BIP in den vorigen mit hat sich der Wert gegenüber der letz- Die EU will mit Neuseeland ein Freihan- beiden Jahren geschrumpft war, winkt ten Messung im August verlangsamt, als delsabkommen schließen. Wie der dem Land 2017 ein Wachstum von das Niveau noch 102,6 Punkte betrug. Pressedienst aiz.info berichtet, wird mehr als zwei Prozent. Die Wirtschaft Nichtsdestotrotz bedeutet dies eine kon- Brüssel zu Beginn des kommenden zwischen Kaliningrad und Wladiwos- tinuierlich positive Entwicklung. Jahres mit Vertretern des Landes ver- 6 I OstContact 12.17
Succeed with us handeln. Die Gespräche dürften nicht all over the world » einfach verlaufen: Für Neuseeland ist die Landwirtschaft ein wichtiger Wirt- schaftszweig. Gleiches gilt für die EU, Small extract 2018 die ihren heimischen Agrarsektor mas- siv fördert. RUSSIA interplastica 27. November 21st International Trade Fair Deutschland weiter größter Plastics and Rubber Moscow, 23 – 26 January 2018 Nettozahler in der EU Deutschland hat im vergangenen Jahr upakovka rund 13 Milliarden Euro mehr in den Processing & Packaging EU-Haushalt gezahlt, als sie erhalten Moscow, 23 – 26 January 2018 hat. Dies gab die EU-Kommission be- kannt. Polen war nach wie vor das Mit- CPM Collection Premiere Moscow gliedsland, das am meisten profitierte. Moscow, 19 – 22 February 2018 Warschau kamen 2016 gut 7,1 Milliar- den Euro mehr aus dem EU-Haushalt NEFTEGAZ zugute, als es einzahlen musste. Es 18th International Trade Fair folgten bei den Nettoempfängern Ru- Equipment and Technologies for the Oil and Gas Industry mänien (6 Mio. EUR), Griechenland (4,3 Moscow, 16 – 19 April 2018 Mio. EUR) und Ungarn (3,6 Mio. EUR). METALLOOBRABOTKA 19th International Exhibition of Equipment, 28. November Instruments and Tools for the Metalworking Industry Wirtschaft im Euroraum Moscow, 14 – 18 May 2018 wächst Die Organisation für wirtschaftliche LITMASH RUSSIA Zusammenarbeit und Entwicklung International Foundry Technology, Supplies and Castings Trade Fair (OECD) hat ihre Prognosen für den Eu- Moscow, 29 May – 1 June 2018 ro-Raum für 2017 und 2018 erhöht. Ihre Volkswirte gehen nun für das laufende METALLURGY RUSSIA Jahr von einem Wachstum von 2,4 Pro- International Metallurgical Technology, zent aus. In ihrem Bericht vom Septem- Processes and Metal Products Trade Fair Moscow, 29 May – 1 June 2018 ber hatten sie noch mit einem Plus von 2,1 Prozent gerechnet. Im kommenden UGOL ROSSII & MINING Jahr wird der Wirtschaftsraum den ak- 25th International Trade Fair for tuellsten Erwartungen zufolge um 2,1 Coal Mining Technology, Preparation and Materials Handling Prozent wachsen. Zuvor hatte die Prog- together with nose noch bei 1,9 Prozent gelegen. NEDRA ROSSII 4th International Trade Fair for Exploitation, Processing and Refining of Metals and 28. November Industrial Minerals Im- und Exporte: Preise and gestiegen SAFETY & HEALTH 9th International Trade Fair for Occupational Die Preise für die Exporte nach Health and Safety for the Mining Industry Deutschland haben sich im Oktober Novokuznetsk, 5 – 8 June 2018 stärker erhöht als erwartet. Der Index für Einfuhrpreise ist im Vergleich zum CPM Vormonat um 0,6 Prozent gestiegen. Collection Premiere Moscow Moscow, 4 – 7 September 2018 Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Volkswirte hatten nur mit einem Plus von 0,4 Prozent ge- rechnet. Gleichzeitig geht die deutsche We are there where you need us Industrie von einem weiteren Wachs- – all over the world. tum der Ausfuhren aus. Der Index der www.messe-duesseldorf.de Exporterwartungen, der vom Ifo-Insti- tut errechnet wird, hat sich im Novem- ber auf 21,3 Punkte erhöht. Im Vormo- Messe Düsseldorf GmbH P.O. Box 10 10 06 _ 40001 Düsseldorf _ Germany 12.17 Phone +49 (0) 2 11/45 60-01 _ Fax +49 (0) 2 11/45 60-77 40 OstContact I 7 www.messe-duesseldorf.de
Monatsüberblick nat hatte er bei 21 Punkten gelegen. Dies war der höchste Stand seit Janu- ar 2011. 28. November Weltwirtschaft: höchstes Wachstum seit acht Jahren Die Weltwirtschaft wächst derzeit so schnell wie seit acht Jahren nicht. Das teilte die Organisation für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit. Die globale Wirtschaft wird sich ihren Prognosen zufolge im kom- menden Jahr um 3,7 Prozent verbes- sern. Die USA, China und die Eurozo- ne dürften den Annahmen zufolge auch 2018 weiter zulegen. Allerdings sei mit- telfristig ein starkes Wachstum nicht ga- rantiert, mahnen die Volkswirte der Or- ganisation. 29. November Kanada klagt gegen USA Kanada geht wegen Sonderzöllen auf Nadelschnitthölzer gegen die USA auf Konfrontation. So hat die kanadische Regierung vor der World Trade Orga- nization (WTO) eine Prüfung der Zölle beantragt, die Washington seit dem 1. November verhängt hat. Die USA hat- ten kanadische Lieferungen der Hölzer mit Antidumping- und Ausgleichszöllen von fast 21 Prozent belegt. Nach Auf- fassung der USA verkaufen kanadische Exporteure diese Waren in den USA unter Marktpreis, zudem subventionie- re Kanada seine eigenen Produzenten. 29. November London nennt Kosten für EU-Austritt Die britische Regierung hat erstmals ein konkretes Angebot für den Austritt aus der EU vorgelegt, berichten Medi- en. Laut EU-Diplomaten will Großbri- tannien den finanziellen Verpflichtun- gen nachkommen, die das Land erfüllen muss, bevor es die Gemeinschaft ver- lässt. Schätzungen zufolge geht es um 45 bis 55 Milliarden Euro, die Großbri- tannien zahlen will. Damit haben zwar beide Seiten einen wichtigen Schritt bei den Verhandlungen nach vorne ge- macht, ohne dass es aber zu einer offi- ziellen Einigung gekommen wäre. 8 I OstContact 12.17
Interview Der russische Botschafter Wladimir Grinin geht Anfang 2018 in den Ruhestand. Wir sprachen mit ihm über die bila- teralen Beziehungen in den letzten sieben Jahren. „Als ich vor sieben Jahren hierher kam, waren die Beziehun- gen auf ihrem Höhepunkt. Wir haben damals an der Weiter- entwicklung der strategischen Partnerschaft gearbeitet“, er- innert sich Grinin, der seit 2010 die Botschaft in Berlin leitet. „Öffentlich wurde das als Modernisierungspartnerschaft prä- sentiert. Bis Ende 2012, als es zu dem Beschluss des Bun- destags kam, der all diese Ideen auf Eis legte.“ Es folgte die Ukraine-Krise, die Beziehungen zwischen Russland und der EU stürzten in eine Eiszeit. „Wir haben aber trotzdem eine ziemlich feste Basis für un- sere Beziehungen aufgebaut und die existiert nach wie vor“, ist Grinin optimistisch. „Sie besteht vor allem in den Berei- chen Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, Medizin, gewis- sermaßen in der Landwirtschaft und sehr stark im Bereich Kultur – bei Jugendlichen auf allen Ebenen und in verschie- denen Formaten. Ich glaube, das ist das, was wir weiter ver- festigen müssen, wenn wir wollen, dass Deutsche und Rus- sen ihre Zusammenarbeit fortsetzen und ihre Beziehungen verbessern.“ Foto: OWC/ Farkas Grinin war 1973 zum ersten Mal in Bonn im Diplomatischen Dienst. Wir fragen ihn nach Parallelen zu der Ost-West-La- gerbildung zu der Zeit des Kalten Krieges, die er damals mit- erlebte. Wir fragen ihn nach Wegen, wieder zueinander zu finden und das gegenseitige Bild voneinander zu verbessern. Und natürlich fragen wir nach den deutsch-russischen Bezie- Der russische hungen auf wirtschaftlicher Ebene. „Zwar kam es nicht grund- sätzlich zu negativen Änderungen, zu einer Entfremdung“, bi- Botschafter lanziert der Diplomat. „Aber trotzdem zur Entstehung vieler Fragen, Un- und Missverständnisse.“ Wladimir Grinin Lesen Sie das ganze Interview jetzt in der aktuellen Ausga- im Interview be des Deutsch-Russischen Wirtschaftsjahrbuchs 2017/18. Deutsch-Russisches Wirtschaftsjahrbuch 2017/18 Deutsch-Russisches Wirtschaftsjahrbuch Германо-Российский экономический ежегодник 2017/2018 Mehr unter www.owc.de und shop.owc.de 12.17 OstContact I 9
Neue Märkte für neue Ideen Neue Märkte für neue Ideen Die Start-up-Ökosysteme in Osteuropa haben sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt, sind aber mit den etablierten Hubs wie London oder Berlin kaum zu vergleichen. Viele blicken nach Westen, auf der Suche nach Partnern, Kunden und Know-how. Im Rahmen ei- ner groß angelegten Tour sondierte eine Gruppe von Jungunternehmern den deutschen Markt. 10 I OstContact 12.17
12.17 OstContact I 11 Foto: Ruhr Summit 2017 / Jürgen Nobel
Neue Märkte für neue Ideen Auf der Suche nach neuen Kunden und Partnern reisten 46 Start-ups aus 15 Ländern nach Berlin, Hamburg, Bochum und Dortmund. In einem kleinen Konferenzraum in einem Hinterhof in Ber- lin-Mitte pitcht Dmitry Suvorov sein Projekt zur Probe. Es sind nur noch wenige Tage bis zum großen Event in Dort- mund, dem Ruhr Summit, auf dem Start-ups ihre Ideen und Produkte vor rund 500 Teilnehmern präsentieren. Im Publikum sitzt eine Handvoll junger Vertreter deutscher Multinationals wie SAP oder Lufthansa. Suvorovs Englisch ist von einem osteuropäischen Akzent geprägt und ein bisschen „Es ist eigentlich egal, wo gebrochen. Die typische Steve-Jobs-Art der Präsentation, wie sie sich die Start-up-Vorbilder aus dem Silicon Valley und so du bist, das Business ist viele andere Jungunternehmer weltweit mittlerweile angeeig- net haben, geht ihm noch nicht so flüssig von der Hand. Per international.“ Powerpoint erklärt er Konstruktionspläne einer Gleisanla- ge. Drei Minuten hat er zur Verfügung, um eine für den Lai- en hochkomplexe Software zu erklären. Sein Unternehmen, Exonit, hat ein System entwickelt, das eine Schnittstelle zwi- schen CAD-Programmen und -daten einerseits und einem so- genannten Geographic Information System (GIS) andererseits dig ist, hatte den jungen Unternehmern aus aller Welt ohne- bildet. Damit können bei der Planung großer Infrastrukturpro- hin nahegelegt, keine zu überzogenen Erwartungen zu ha- jekte, wie Bahnhöfe oder Kraftwerke, problemlos einzelne Ob- ben. Die Start-up-Delegation, die auch die geballte Kraft der jekte einbezogen werden. deutschen (Außen-)Wirtschaftsförderung in Form des DIHK, Als der Pitch vorbei ist, gibt es ein kurzs Feedback, eini- der Germany Trade & Invest und diverser IHKs und AHKs ge Fragen zum Produkt. Wer das eine oder andere Start-up- zeigen soll, hatte neben französischen, südkoreanischen, bra- Event miterlebt hat, bei dem in den Kurzvorstellungen nicht silianischen oder kenianischen Start-ups auch Jungunterneh- zuletzt um Geld von Investoren geworben wird, dem ist klar: mer aus Polen, Tschechien, dem Baltikum, Russland und eben Wenn es bald mit der gesamten Delegation aus 46 Start-ups Belarus nach Deutschland geholt. aus 15 Ländern nach Dortmund zum Ruhr Summit geht, wird Exonit keinen Preis abräumen. Der Osten ist nicht genug Foto: DIHK Aber Michael Blank, der beim Deutschen Industrie- und Es werde wohl niemand mit einem Koffer voll Geld von Handelskammertag für New Economy und Start-ups zustän- deutschen Investoren nach Hause zurückkehren, so Blank. 12 I OstContact 12.17
Das dürften aber auch die wenigsten osteuropäischen Start- und Reichtum gebracht. Darunter das eher unter Gamern be- ups erwartet haben, auch Exonit nicht. Für Dmitry Suvor- kannte Wargaming, das hinter dem Megahit „World of Tanks“ ov steht der Netzwerkgedanke ebenso im Vordergrund, wie steckt, oder der Voice-over-IP-Dienst Viber, der gegenwärtig Feedback von anderen Unternehmern und Experten zu krie- rund 900 Millionen Nutzer zählt. Während eigene belarussi- gen, ob die eigene Idee etwas taugt. Ob es im Westen einen sche Akzeleratoren noch Mangelware sind, haben sich bereits Markt gibt. Schließlich ist „Belarus ein kleines Land mit ei- russische und europäische Förderer und Investoren nieder- nem kleinen Markt“, erklärt Dmitry. Das System von Exonit gelassen, um neue Innovationen zu scouten, berichtet Suvo- werde derzeit bereits von der belarussischen Bahn eingesetzt. rov. Das Potenzial sei sehr groß, immerhin habe Belarus eine „Wir denken, dass es auch für andere Anwender nützlich ist“, Menge hoch qualifizierte und unternehmerische junge Men- ist sich Suvorov sicher. „Für jeden, der seine Infrastruktur schen zu bieten. Und IT-Spezialisten: Mit EPAM, IBA, Itransi- zeichnet, baut und dann nutzt.“ Nach Deutschland ist er ge- tion und Intetics zählt das vergleichsweise kleine Land vier der kommen, um neue Ressourcen zu erschließen, das Produkt weltweit 100 stärksten IT-Outsourcing-Unternehmen, berich- zu verbessern und eventuell Partner zu finden. Der Blick tet Marinich. Rund 34.000 Programmier arbeiten in Belarus. nach Westen liegt für osteuropäische Start-ups nahe. Denn Jedes Jahr spucken die Universitäten 3.000 neue aus. zwar steigt ihre Zahl und die Rahmenbedingungen verbes- Die sind auch für Tatiana Solodovnikova das Hauptar- sern sich. Doch im Vergleich zum EU-Markt gibt es daheim gument für Minsk als Standort für ihr Unternehmen. Sie ist noch wenig zu holen. COO bei Certchain. Das belarussische Start-up entwickelt ei- Das belarussische Ökosystem habe sich in den vergange- ne auf Blockchain-Technologie basierende Plattform, mit der nen fünf Jahren gut entwickelt, einige Phasen übersprungen Zertifizierungsprozesse weltweit digitalisiert, vernetzt und da- und sich dabei stark an etablierten Start-up-Hubs orientiert, mit vereinfacht und transparenter gemacht werden können. schreibt Tania Marinich in einem Blog. Sie ist Gründerin und Die Technologie dahinter ist kompliziert, das Problem eigent- CEO unter anderem des Imaguru Startup-Hub, einem Netz aus lich einfach: „Überall in der Welt sind diese Zertifizierungs- Akzeleratoren, das eigenen Angaben zufolge schon über 250 prozesse veraltet und ineffizient“, erklärt Solodovnikova. „Es Start-ups hervorgebracht hat. Zudem leitet sie den Minsker ist eigentlich egal, wo Du bist, das Business ist international“, Akzelerator TechMinsk. Immer neue Coworking-Spaces und so Solodovnikova. „In Belarus gibt es wirklich sehr talentier- Fortbildungsprogramme entstehen. Einige belarussische Start- te und enthusiastische Entwickler. Und die sind viel billiger ups haben es weit über die Landesgrenzen hinaus zu Ruhm als auf dem internationalen Markt.“ Russland Kasachstan Belarus Ukraine Polen Aller Anfang muss nicht schwer sein Kompetent beraten – rundum unterstützt beim Markteintritt Wir unterstützen Sie vollumfänglich beim Geschäftsaufbau. Markterkundungsreisen und Betriebsvertreter (Repräsentant) Marktanalyse, Vertriebspartnersuche und Market Due Diligence Allgemeine Markteintrittsberatung und Unternehmensregistrierung Import, Produktzertifizierung und Zollabwicklung Rechtliche Adresse und Büromiete Personalvermittlung und Outstaffing Steuerliche und juristische Beratung Buchhaltungsoutsourcing und Internationales Reporting ERP Systeme (1C, SAP) Management Services Aufbau der IT Infrastruktur Kontaktieren Sie uns noch heute und erfahren Sie, ob – wie für 6.000 andere deutsche Unternehmen – der russische Markt auch etwas für Sie ist. Kontakt | Ulf Schneider 12.17 OstContact I 13 Geschäftsführender Gesellschafter us@schneider-group.com | +49 / 30 / 615 089 10 schneider-group.com
Neue Märkte für neue Ideen Russlands Premier Medwedew im Techno-Park Skolkovo: Das Vorzeigeprojekt bringt immer mehr professionelle Start-ups hervor. Ökosystem in Kinderschuhen nen, Innovationen in Unternehmen zu pushen und man so Problematisch sind hingegen die rechtlichen und finanziellen viel agiler sein kann. Sie fühlen sich wohl und werden sich Rahmenbedingungen. Suvorov mache zwar Mut, dass die Un- nicht ändern.“ terstützung durch den Staat zunehme. Minsk hat einen Ext- Was belarussischen Start-ups vor allem fehlt, sind interna- ra-Fonds eingerichtet, diverse Ministerien unterstützen die tionale Kontakte und das Feedback international erfolgreicher jungen Firmen. „Aber ich bin mir nicht sicher, wie effektiv Unternehmen im Hightech-Bereich. diese Politik wirklich ist“, ist der belarussische Programmierer skeptisch. Zumal sich Start-ups per Definition auf internatio- Moskau setzt auf Skolkovo nale Märkte konzentrieren – und die staatlichen Programme Ähnlich sieht es in Russland aus. Auch dort hat sich das in erster Linie an lokalen Projekten interessiert seien. Zudem Ökosystem in den vergangenen drei bis vier Jahren spürbar bleiben Probleme mit den rechtlichen und finanziellen Rah- entwickelt. Im Gegensatz zu Belarus behindert hier die Regie- menbedingungen, unter anderem, was VC-Fonds angeht, In- rung die Entwicklung nicht, sondern gilt als einer der Haupt- solvenzen, das Durchsetzen von Verträgen oder den Schutz treiber. Das wohl prominenteste Projekt ist der Technologie- von Minderheiteninvestoren. Der politische Wille, diese Re- park Skolkovo, in dem eine ganze „InnovationCity“ außerhalb formen anzugehen, fehle, kritisiert Marinich. Unternehmer Moskaus entstehen soll – inklusive Universität, Akzeleratoren würden dafür bestraft, Risiken einzugehen. und gesamter zugehöriger Infrastruktur. Genau wie in Bela- Zudem fehlt es an unternehmerischer Erfahrung, sowohl rus fehlt es aber auch in Russland noch an Geldgebern, ins- auf Angebots- wie Nachfrageseite. Auch die Zahl der Unter- besondere nachdem das Klima für Investitionen in riskan- nehmer, die einen erfolgreichen Exit geschafft haben und ihr te Projekte wie Start-ups infolge der Krisen von 2008/09 und Know-how und Kapital wieder in Unternehmen aus der Re- 2014 gelitten hat. Davon, ein sogenanntes Unicorn hervorzu- gion reinvestieren, ist gering. Die Angel-Investoren-Szene bringen, also ein Start-up mit einem Marktwert von über ei- steckt noch in den Kinderschuhen, ein wirkliches Netzwerk ner Milliarde US-Dollar und globalem Einfluss, ist man noch gebe es nicht. Eine Plattform hat 2015 ihre Arbeit eingestellt. weit entfernt. Auch der russische Markt allein ist dafür natür- Von den großen Konzernen sei nicht viel zu erwarten, glaubt lich deutlich zu klein. Tatiana Solodovnikova. Belarussische Unternehmen küm- Eine der größten Stärken der russischen Start-ups sieht Julia merten sich nicht um Kooperationen mit Start-ups, kriti- Tolkishevskaya, Managerin bei Skolkovo, in der starken tech- siert sie. „Es ist traurig, aber ihre Einstellung hat sich im- nischen Ausrichtung: „Im Vergleich zu vielen Start-ups aus Foto: Skolkovo mer noch nicht geändert“, sagt sie mit Blick auf die großen anderen Ländern basieren unsere auf fundierten, spezifischen staatlichen Konzerne. „Es fehlt an Wissen und Technolo- Technologien oder Computeralgorithmen.“ In Russland habe gie. Sie können nicht verstehen, dass Start-ups helfen kön- man „ein großartiges Erbe an Grundlagenforschung aus der 14 I OstContact 12.17
„In Sachen Open Innova- Sowjetunion übernommen“, erklärt sie. Allerdings habe diese in der Vergangenheit in einem geschlossenen System stattge- tions ist Russland ein funden. In Sachen Open Innovations sei Russland ein „recht neuer Spieler auf der globalen Bühne“, meint die Managerin. „recht neuer Spieler auf Gerade bei der Internationalisierung gebe es viel zu tun. Auch mit der Selbstvermarktung klappt es noch nicht immer so gut, der globalen Bühne. (...) gesteht Tolkishevskaya ein. „Natürlich brauchen unsere Un- ternehmen noch mehr Erfahrung und Kontakte im Ausland, Unsere Unternehmen auch damit es ihnen leichter fällt, auf Englisch zu pitchen.“ Für Tolkishevskaya ist der Trip nach Berlin und Dortmund brauchen mehr Erfah- schon die zweite Deutschland-Reise für ihren Arbeitgeber. „Wir wollten unsere Zusammenarbeit mit deutschen Part- rung und Kontakte im nern wieder aufleben lassen“, berichtet sie. Skolkovo spielt bereits in der Oberliga: Mit Firmen wie SAP und Instituten Ausland.“ wie Fraunhofer oder die Helmholtz-Gemeinschaft bestehen Kooperationen. Aber man will mehr. „SK“, so die Abkürzung des Parks, soll eine international bekannte Trademark für rus- sische Start-ups werden. Im laufenden Jahr beobachte Skol- kovo so etwas wie einen „Boost“ in seinen Aktivitäten mit deutschen Partnern. Diverse deutsche Delegationen besuch- ten den Technopark, auch mit politischer Begleitung in Person des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Skolko- vo fördert vorrangig Start-ups aus den Bereichen Energieeffi- zienz, Biomedizin, IKT, Raumfahrt, Telekommunikation und fortschrittliche Industrietechnologien. Alles in allem gehören rund 1.700 Tech-Unternehmen zum Skolkovo-Netzwerk. Wer Mitglied werden will, muss nicht unbedingt vor Ort sein. Der 12.17 OstContact I 15
Neue Märkte für neue Ideen Auf dem Ruhr Summit kriegen die internationalen Start-ups einen Eindruck davon, wie groß die Szene in Deutschland bereits ist. Technologiepark bietet seinen Unternehmen neben einer Be- immer Qualität“, ist er überzeugt und ergänzt selbstbewusst: freigung von der Einkommensteuer Trainings und Zugang zu „Mir erscheint die Qualität in Russland und Belarus höher.“ Mentoren, die sie fit für den internationalen Markt machen Julia Tolkishevskaya findet nach ihrer Deutschlandreise be- sollen. Rein kommt in den Park allerings nur, wer „top-notch“- sonders eindrucksvoll, wie gut organisiert deutsche Unterneh- Technologien biete, betont Tolkishevskaya. Eine Gruppe von men sind. „Es ist fast schon normal für sie, einen unterneh- Experten prüft jedes Unternehmen, das sich die Förderungen menseigenen Akzelerator zu haben und ununterbrochen auf sichern will. „Das primäre Ziel unserer Start-ups liegt natür- dem globalen Markt nach (Talenten und Technologien) zu su- lich in der Kommerzialisierung“ ihrer Produkte, sagt die jun- chen. Die Unternehmen haben ein sehr klares Bild davon, wel- ge Managerin. In Deutschland und Europa suchen sie zwar chen technologischen Bedarf sie haben.“ In Russland sei dies auch Gelder, vor allem aber Partner und Kunden. „viel schlechter. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“ Auch Tatiana Solodovnikova von Certchain ist zufrieden Qualität statt Quantität mit dem Trip. „Man hatte viele Meetings, redete und pitchte Zurück in Deutschland: Wenige Tage später blickt Dmitry die ganze Zeit. Ich habe sehr interessante Hinweise bekom- Suporov auf den Ruhr Summit zurück. „In Belarus können men, etwa dass ich mehr Fallbeispiele, simple Begriffe und Al- wir nur von einer solchen Größe träumen“, schwärmt er. Ob legorien benutzen sollte“, erzählt sie. „Im Oktober haben wir die Reise für ihn ein Erfolg war? Ohne Frage. Dennoch hat uns vorgenommen, so viel Feedback von internationalen Un- sich seine Hoffnung auf eine konkrete Einschätzung, ob es für ternehmen einzuholen wie möglich. Das Unternehmen be- seine Software in entwickelten Märkten eine Nachfrage gibt, findet sich noch in einer frühen Phase, konnte aber bereits nicht erfüllt. Leider sei die Situation nach dem Ruhr Summit den von Russland gesponserten ersten Preis beim Minsker dieselbe wie zuvor. Denn bei Wettbewerben in Russland hat Hackaton im September gewinnen, einen Wetbewerb für IT- das Jungunternehmen es in der Vergangenheit zwar zweimal Start-ups. „Wir wussten, dass es in Berlin, Hamburg, Bochum Foto: Ruhr Summit 2017 / Jürgen Nobel ins Finale geschafft. „Gut gemacht, sieht nach einer coolen und Düsseldorf eine hohe Konzentration von Herstellern und Technologie aus“, lautete das Feedback, dann aber: „Es fällt Investoren gibt“, sagt Solodovnikova. Oft treffe man mit der uns schwer, eure Technologie richtig einzuordnen“, erinnert noch neuen Technologie auf Unverständnis. Nicht so bei Fir- sich Suvorov. Und auch in Deutschland habe es meist gehei- men wie Lufthansa. „Die verstanden, worüber wir sprachen. ßen: „Wir müssen uns mit technischen Experten beraten.“ Sie haben sich direkt einige der Start-ups rausgepickt und ge- Suvorov übt auch Kritik am Start-up-Boom in Deutschland. sagt: ok Leute, lasst uns das versuchen.“ Es gebe ein derart großes Angebot für neue Unternehmen, An dem Programm nahmen auf deutscher Seite unter an- dass die Auswahl seitens der Investoren gerade in einer frühen derem E.ON, die Deutsche Bahn, innogy, SAP, Wilo, die Luft- Phase nicht immer sehr strikt sei. „Quantität bedeutet nicht hansa und Airbus teil. Absichtlich, erklärt DIHK-Mann Blank, 16 I OstContact 12.17
Die Belarussin Tatiana Solodovnikova erklärt ihre Blockchain-Technologie: „Die verstanden, worüber wir sprachen.“ habe man den Start-ups nicht nur die Berliner Szene gezeigt, kamen – mit staatlicher Förderung im Rücken. Auch die re- sondern sie durch die halbe Republik geschickt – dahin, wo gionalen IHKs und Standortförderer zeigten sich erfreut. Nie- die deutsche Wirtschaft sitzt. Das Interesse der dort ansässi- derlassungen vielversprechender Nachwuchsfirmen aus dem gen Unternehmen wie des Pumpenherstellers Wilo oder von Technologiebereich würden sie gerne sehen. Mindestens zwei Tengelmann sei ohnehin größer als in Berlin, dass vor Start- russische Unternehmen wollen in Deutschland ein Büro er- ups quasi überquillt. Die osteuropäischen Start-ups haben sich öffnen, berichtet Skolkovo-Managerin Tolkishevskaya. Wel- „sehr professionell“ dargeboten, resümiert Blank. Das gelte che das sind, könne sie aber noch nicht verraten. insbesondere für die russischen und tschechischen Firmen. Vor allem bei den Russen merke man, dass sie gut vorbereitet Patrick Bessler - Vollständige Führung der Buchhaltung ihrer russischen Niederlassung - Vorbereitung und Einreichung aller notwendigen Berichte und Steuererklärungen Kommunikation. Buchführung. Kunde. - Quartalsabschlüsse und Jahresabschluss Kontakte - Prüfung und Wiederherstellung der buchhalteri- schen Erfassung Aleksandr Khanin, Partner 109544, Russische Föderation, aleksandr.khanin@kbk-accounting.de Moskau, Bulvar Entuziastov, Geb. 2, - Vorbereitung zur Liquidation Business-Zentrum “Golden Gate” Thomas Brand, Partner thomas.brand@kbk-accounting.de +7 495 662 33 30 - Berichterstattung nach internationalen Rech- www.kbk-accounting.de nungslegungsvorschriften (IFRS) Valeria Khmelevskaya, Partner valeria.khmelevskaya@kbk-accounting.de - Interim-Management 12.17 OstContact I 17
Neue Märkte für neue Ideen „Es brodelt!“ Zentimetergenaue Positionsbestimmung im Raum – das verspricht das russische Tech-Start-up Marvelmind Robotics. Auf dem Dortmunder Ruhr-Summit im Oktober holte das innovative Unternehmen den zweiten Platz in einem Wettbewerb. Wir sprachen mit Gründer Maxim Tretjakow über seine Expansionsziele in Deutschland. Herr Tretjakow, was ist Ihr Produkt? Wer kauft es? benötigen. Wenn es Treffen gibt, fliegen wir einfach dorthin. Tretjkakow: Unser Produkt basiert auf dem Problem, dass Aber in Deutschland ist mir erstmals in den Kopf gekommen, GPS in Räumen nicht funktioniert. Es ist ein Navigationssys- dass es vielleicht doch wichtig ist, eine Niederlassung zu ha- tem, das zentimetergenau in Räumen funktioniert. Das heißt, ben. Alle großen Unternehmen fragen immer danach. Das Sie können einen Roboter von Punkt A zu Punkt B senden, kostet Geld, birgt Risiken, Steuern müssen gezahlt, Mitarbei- wie mit einem normalen GPS – aber mit einer Genauigkeit ter eingestellt werden. Wenn man aber alles gut kalkuliert, von zwei Zentimetern anstatt fünf bis zehn Metern. Es kann kann das mehr Vor- als Nachteile haben. Mich hat vor allem auch für Tracking verwendet werden, etwa für Virtual-Reali- NRW als Standort angesprochen. Die Vertreter haben damit ty-Systeme oder für Personen-Tracking. Wir haben verschie- geworben, dass in einem Umkreis von 500 Kilometern um dene Kunden: große wie kleine Unternehmen, Universitäten Düsseldorf 160 Millionen Menschen leben. Das ist natürlich oder PC-Liebhaber. Vor allem Unternehmen, die autonome eine super Konzentration. Zudem sind London, Paris oder Drohnen-Helis für Innen, VR ohne Kabel und Roboter an- bieten, kaufen bei uns. Ein anderes Beispiel sind Verlader für Innen. Wenn wir auf Messen sind und das Verlader-Tracking vorführen, tragen wir einen Helm mit dem Tracking-System. Das hat einige Leute inspiriert, sodass wir zurzeit viele Nach- „Es gibt wenige Men- fragen etwa aus der Ölverarbeitungsbranche oder dem Ber- gbau haben. schen mit genug Geld, Was war Ihre Motivation, an der Start-up-Reise nach Deutsch- die auch in kleine Start- land teilzunehmen? Tretjakow: Deutschland ist einer unserer wichtigsten Märk- ups investieren.“ te und weit entwickelt bei Technologien für Automatisie- rung und Industrie 4.0. Deshalb konnten wir uns die Reise nicht entgehen lassen. Obwohl gleichzeitig das Open-Inno- vations-Forum in Moskau stattfand, bin ich nach Deutsch- Amsterdam nur eine Flugstunde entfernt. In die Niederlan- land gekommen. Deutschland ist ein Markt mit großem Po- de, wo wir sehr viele Kunden haben, kann man sogar mit dem tenzial, hohem Innovationsgrad und vielen Kunden. Unsere Auto fahren. Dies ist ein Faktor, der für NRW spricht. Wir Motivation war vor allem, unserer Verkäufe anzukurbeln und werden nicht sofort expandieren, aber das spricht tatsächlich uns in Deutschland zu zeigen. Wir haben dort bereits Kun- für Deutschland statt die USA. Die Start-ups aus Russland, den und so hatten wir die Gelegenheit sie auch zu treffen. Der die dabei waren, haben zum Teil auch schon Repräsentanzen westeuropäische Markt ist für uns die Nummer zwei hinter in Deutschland. Ich weiß nicht, inwieweit ihnen das wirklich den USA. Wir tun natürlich alles, um uns zu vergrößern. Wir hilft, aber dass sie welche haben, ist auch ein Argument dafür. haben auch nach Finanzierung gesucht, aber als russisches Unternehmen hat man es schwer. Wenige Fonds interessie- Wie international ist das Start-up-Ökosystem in Russland? Wie ren sich für Unternehmen, die nicht aus Deutschland kom- schätzen Sie es insgesamt ein? men. Für uns war die Reise vor allem Marketing. Wir woll- Tretjakow: Wir versuchen uns auf dem westlichen Markt nicht Foto: IHK zu Dortmund/ Schütze ten unser Produkt zeigen, denn Kunden aus Hochtechnolo- unbedingt als russisches Start-up zu positionieren. Im Westen gie-Bereichen wie IoT, Industrie 4.0 und Robotics gibt es in lassen sich westliche Start-ups leichter verkaufen, in den USA Deutschland zuhauf. amerikanische, in Russland russische und so weiter. Ich kenne nicht viele internationale Start-ups in Russland. Sicher gibt es Was haben Sie für Ihr Geschäft von der Reise mitgenommen? sie, aber sie sind wohl eher unüblich. Auf jeden Fall brodelt es Tretjakow: Ich habe angefangen, über eine Repräsentanz nach- im russischen Ökosystem. Noch vor zehn, zwölf Jahren gab es zudenken. Bisher haben wir keine, weil wir sie nicht dringend in Russland nichts. Ich beobachte mit großem Interesse, wie 18 I OstContact 12.17
Zentimetergenaue Positionsbestimmung per Sensor auf dem Helm: Marvelmind-Gründer Maxim Tretjakow präsentiert sein Produkt. (der Technologiepark, Anm.) Skolkovo – wir sind übrigens ternational wettbewerbsfähig sein. Wenn sich die Geschäfts- ein Skolkovo-Start-up – unter finnischer Beratung vieles aus bedingungen so wie in China verbessern würden, wäre es für dem Ökosystem Finnlands adaptiert hat. Ob die Entwicklung uns einfacher, international zu verkaufen. Wenn nicht, wer- gut ist, ist schwierig zu sagen. Auf der einen Seite gibt es Rie- den Unternehmen wie wir andere Möglichkeiten finden, ih- seninvestitionen, auf der anderen Seite ist nicht klar, ob diese re Produkte zwar in Russland zu erfinden und zu projektie- Anstrengungen richtig sind. Wohin soll es gehen? Da gibt es ren, aber in einem anderen Land zu produzieren. Deutschland viele Meinungen. Wichtig ist, dass sich das System einpendelt. ist für uns in dieser Hinsicht allerdings auch nicht hilfreich. China ist da günstiger und schneller. Also: In Russland gibt Woran fehlt es? Wie könnte der Staat helfen? es Skolkovo, es gibt Zollverbesserungen – aber nicht genü- Tretjakow: Das Start-up-System unterscheidet sich nicht von gend. Die Fördermittelpolitik ist nicht schlecht. Es gibt viele, anderen Business-Systemen. Deshalb muss man dem Busi- die helfen wollen und man kann Hilfe bekommen, wenn man ness im Ganzen helfen. Ich habe lange in China gewohnt. sie braucht. Aber natürlich ist das mit viel Bürokratie verbun- Dort gibt es zwar viele Einschränkungen, etwa beim Inter- den. Wir als Skolkovo-Resident verlieren viel Zeit mit For- net. Aber es ist viel einfacher, Geschäfte zu machen. Nehmen malitäten. Venture-Kapital entwickelt sich zwar, aber es gibt Sie zum Beispiel Warensendungen an den Kunden. In Russ- im Unterschied zu Deutschland, wo es auch nicht viele Ven- land ist das schier unmöglich für uns, weil es dort viele Zoll- ture-Fonds gibt, wenige Menschen mit genug Geld, die auch beschränkungen gibt. Für große Lieferungen wie Waggons in kleine Start-ups investieren – sogenannte Family-Investi- oder Flugzeuge ist es möglich, aber für uns, die wir Waren an tionen. Aber da wir vor einigen Jahren noch bei null standen zwei, drei Kunden senden wollen: keine Chance. Der russische und die Entwicklung heute fast explosionsartig ist, bin ich si- Markt ist viel kleiner als der chinesische, der amerikanische cher, dass es das bald auch in Russland geben wird. und auch kleiner als der europäische. Diese Märkte zeichnet aus, dass sie offen sind, für die, die drin sind. Wir sollten uns Herr Tretjakow, wir danken Ihnen für das Gespräch. an Finnland orientieren. Die Unternehmen dort produzieren vor allem für den internationalen Markt. Nur wenige könn- Das Interview führte Elena Matschilski. ten vom finnischen Markt allein leben, dafür muss man sehr klein sein. Russland ist groß, aber auch dort ist der inländi- sche Markt klein. Wir brauchen also Produkte, die wir auf der ganzen Welt verkaufen können. Wir werden oft gefragt, ob wir in Russland wettbewerbsfähig sind. Ich finde, das ist eine unsinnige Frage: Wir müssen nicht in Russland, sondern in- 12.17 OstContact I 19
Neue Märkte für neue Ideen Bis 2030 zur „Hightech-Macht“- Polens Start-up-Szene ist kaum entwickelt. Relativ wenige Firmen und geringes Venture Capital prägen das Bild. In einem Bereich gehören die Polen allerdings bereits zur Weltspitze. „80 Milliarden Dollar“, sagt Anna Białas. „Das war allein le spielen. Auf dem fünften Platz folgt Ungarn, während sich im Jahr 2016 der Wert der Waren, die man weltweit wegen die Tschechen auf dem neunten befinden. Die Deutschen ent- schlechter Lagerung oder aufgrund eines unzureichenden täuschen und rangieren nur weit abgeschlagen auf der 14. Transportes vernichten musste,“ erklärt die Sprecherin von Position. efento, einem Krakauer Start-up. „Dabei handelte es sich „Die Polen tragen eben Innovations- und Talentgene in meistens um Medikamente und Lebensmittel“, erläutert sie sich“, zeigt sich auch Mateusz Morawiecki selbstbewusst. Der ein wichtiges Detail aus dem Geschäftsplan ihrer Firma. Die- polnische Minister führt das Entwicklungsressort – ein Su- ser milliardenschwere Verlust, den die Unternehmen jedes perministerium aus Kompetenzen für Wirtschaft und Finan- Jahr erleiden müssten, sei ein Grund gewesen, efento aus der zen. Und Morawiecki setzt noch einen drauf: „Ich glaube, Taufe zu heben. Białas Unternehmen entwickelt beispielswei- dass Polen bis zum Jahr 2030 eine wahre Hightech-Macht se eine Serverplattform, mit deren Hilfe ein Pharmagroß- werden kann.“ Polen könne seiner Einschätzung zufolge ein händler die Temperatur und Feuchtigkeit in seinen Lager- hallen messen kann. Meisten Firmen in Warschau, Krakau und an der Ostsee „Viele Unternehmen wer- Efento ist eines von zwei polnischen Start-ups, das an einem gesonderten Programm der Deutschen Telekom (DT) teil- den nur mithilfe geringer nimmt, das Projekte fördert, die sich mit dem Internet der Dinge („internet of things“/ IOT) beschäftigen. Durchgeführt Eigenmittel gegründet.“ wird das Programm von hub:raum – einem Inkubator, den die DT gegründet hat, um internationale Firmen zu fördern. Der deutsche Konzern unterstützt derzeit zwölf Unterneh- men aus ganz Europa – darunter fünf aus Osteuropa. Land sein, das Entwicklungs- und Innovationstrends setzt. Polens Start-ups konzentrieren sich auf drei Zentren im „Und zwar in vielen Bereichen“, unterstreicht der Minister. Land. Die meisten von ihnen haben ihren Hauptsitz in War- Warschau will eine Politik verfolgen, die Start-ups in jeg- schau, Krakau sowie in der Ostseedreistadt Gdańsk, Gdy- licher Hinsicht unterstützt. Die Regierung hat sich dabei das nia und Sopot. Ein Fokus liegt auf der Entwicklung von Yozma-Programm von Israel aus dem Jahr 1993 zum Vor- B2B-Software. Insofern ist efento ein typischer Vertreter der bild genommen. Hier hatte der Staat Venture-Capital-Unter- polnischen Szene. Darüber hinaus spielen Firmen aus der Di- nehmen steuerliche Anreize geboten. Dadurch war es Israel gital-Health-Branche sowie dem Fintech-Geschäft eine wich- gelungen, die Zahl der Investitionen erheblich zu erhöhen. tige Rolle. Gelder bitter nötig Programmierer unter den besten der Welt Einen Schritt dahin hat die polnische Regierung bereits ge- Der Markt ist zwar noch verhältnismäßig klein, wenn man macht, indem sie 2015 das Programm „Start in Poland“ aus die Zahl der Unternehmen berücksichtigt, die derzeit gera- der Taufe gehoben hat. In den kommenden sieben Jahren sol- de einmal bei 3.000 liegt. Doch genießen die polnischen Pro- len für das Förderprogramm insgesamt drei Milliarden Zło- grammierer einen herausragend guten Ruf. So führt die in- ty (oder rund 700 Mio. EUR) bereitgestellt werden. Der Staat ternationale IT-Plattform HackerRank, die Firmen aus der geht davon aus, dass rund 1.500 Firmen davon Gebrauch ma- Branche bei der Rekrutierung von Personal unterstützt, die chen werden. Polen auf ihrer aktuellen Liste der besten Fachleute ganz weit Dass die Regierung verstärkt öffentliche Gelder für die Fi- vorne: Unter 50 Ländern liegen sie auf Platz drei. Davor kom- nanzierung bereitstellt, ist auch bitter nötig, weil immer mehr men nur China, das den ersten Rang belegt, sowie Russland. Polen ihre Unternehmung aus eigener Tasche finanzieren. Auffallend ist, dass Ostmitteleuropa generell eine starke Rol- Wie aus einer aktuellen Studie „Startup in Poland 2017“ her- 20 I OstContact 12.17
vorgeht, greifen bei der Firmengründung 60 Prozent aller Be- sitiv, weil die Venture-Capital-Geber, die sich in den polni- fragten auf ihre eigenen Ersparnisse zurück. Zwölf Monate schen Unternehmen engagieren, diesen Firmen oft auch den zuvor war es noch die Hälfte. Diejenigen Start-ups, die exter- Zugang zu den Märkten ermöglichen“, fügt sie im Gespräch ne Mittel in Anspruch nehmen, nutzen meistens Gelder des mit dem polnischen Portal wpolityce.pl hinzu. polnischen Staates oder Hilfen der EU. Aber auch ausländi- „Viele Unternehmen werden mit geringen Eigenmitteln sches und einheimisches Venture-Capital (VC) ist eine wich- gegründet“, bestätigt auch Białas von efento. „Deswegen ge- tige Stütze für die Firmen. hen sie auch ein hohes Risiko ein, sollte die Unternehmung „Wir beobachten, dass immer mehr polnische Start-ups scheitern.“ Ein kritischer Punkt. Ihrer Beobachtung zufolge Kapital im Ausland suchen“, erklärt Julia Krysztofiak-Szopa, stellten zwar immer mehr Venture-Capital-Geber finanziel- die Vorsitzende der Stiftung Startup Poland, die ebenso da- le Mittel bereit, „doch bleibt der Bedarf danach groß“, so die bei helfen soll, die Szene im Land aufzubauen. „Das ist po- efento-Sprecherin. AT/09/164 We are where you are. In Ihren Märkten sind wir zuhause. Mit eigenen Standorten, an denen wir uns persönlich für Ihre Ziele einsetzen. Mit einem der effizientesten Logistik-Netze der Welt. Und mit dem Anspruch, der uns seit mehr als 500 Jahren antreibt: Service Excellence. Wo brauchen Sie Unterstützung? www.gw-world.com 12.17 OstContact I 21
Neue Märkte für neue Ideen Start-ups in Polen Der durchschnittliche Gründer... ... ist zwischen 30 und 39 Jahre alt ... verfügt über höhere Bildung/ Studienabschluss ... finanziert sein Unternehmen vornehmlich aus Eigenmitteln ... ist im B2B-Bereich aktiv ... leitet eine Mikrofirma mit bis zu zehn Angestellten ... verkauft an andere Kleinstfirmen oder mittlere Unternehmen in Polen „Die beiden Mitbegründer des pol- nischen B2B-Dienstleisters efento, Piotr Szydłowski (l.) und Karol Zaręba, gehören zu den jungen Polen, die den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt haben. Hier freuen sie sich darüber, dass die Deutsche Telekom sie für ein Sonderprogramm für Start-ups ausgewählt hat.“ Polen bei VC auf Platz 2 in der Region Die besten Entwickler Hier hat Polen tatsächlich noch Nachholbedarf, wenn man sich die Gesamtinvestitionen anschaut, die die zehn größten Ranking der IT-Entwickler weltweit Venture-Capital-Unternehmen zwischen 2015 und 2016 getä- tigt haben. Mit insgesamt 340 Millionen Złoty (rund 77 Mio. 01 China 100,0 EUR) liegt Polen in der Region nur auf dem zweiten Platz. Tschechien ist mit 380 Millionen Złoty (85 Mio. EUR) der 02 Russland 99,9 Spitzenreiter, wie aus einer Statistik der Tageszeitung Rzecz- 03 Polen 98,0 pospolita hervorgeht. Auf dem dritten Rang befindet sich Un- 04 Schweiz 97,9 garn (68 Mio. EUR), gefolgt von der Slowakei (8 Mio. EUR). 05 Ungarn 93,9 Ebenso schwach sieht es bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) aus, die das Land pro Jahr tätigt. So 06 Japan 92,1 hat Polen im Jahr 2015 dafür gerade einmal ein Prozent am 07 Taiwan 91,2 Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausgegeben. Das berichtet die 08 Frankreich 91,2 UNESCO. In Tschechien waren es 1,9 Prozent, in der Slowa- kei 1,2 Prozent und in Ungarn 1,4 Prozent. In Deutschland 09 Tschechien 90,7 lag dieser Wert bei 2,9 Prozent. Anna Białas sieht der Zukunft 10 Italien 90,2 trotzdem positiv entgegen: „Die polnischen Start-ups verfü- 11 Ukraine 88,7 gen über ein großes Entwicklungspotenzial. Polnische Inge- 12 Bulgarien 87,2 nieure haben ein großes Know-how und viel Erfahrung, die sie sich während ihrer Arbeit in großen Konzernen angeeig- 13 Singapur 87,1 net haben“, lobt sie. 14 Deutschland 84,3 Sebastian Becker 15 Finnland 84,3 16 Belgien 84,1 17 Hongkong 83,6 18 Spanien 83,4 19 Australien 83,2 20 Rumänien 81,9 Quelle: HackerRank 22 I OstContact 12.17
Tschechien: Der richtige Markt für die richtigen Technologien Tschechien ist zwar ein relativ kleiner Markt für Start-ups, aber interessant für Nischenprodukte. Ein wichtiger Accelerator ist StartupYard. „Der Mietmarkt ist in Tschechien noch sehr unstrukturiert und nur wenig entwickelt“, sagt Klara Flisnikova. „Besonders, „Oft verfügen Start-ups wenn man ihn mit den westlichen Ländern vergleicht“, fügt die Managerin hinzu. Flisnokova hat RentRocket mitbegrün- zwar über eine interes- det – ein Immobilien-Start-up aus Prag. „RentRocket ist ei- ne Immobilienplattform, mit deren Hilfe Vermieter ihre Im- sante Technologie, mobilien verwalten können“, erklärt die junge Geschäftsfrau. Dabei soll der gesamte Mietprozess digitalisiert werden – von wissen aber nicht, in der Auflistung der einzelnen Häuser und Wohnungen sowie den Mietern bis zu Einzelfragen, die die Vermietung betref- welcher Branche man fen. „Alles aus einer Hand“, so Flisnikova, die auch gleichzei- tig CEO von RentRocket ist. diese einsetzen kann.“ StartupYard älteste Einrichtung in der Region Ihr junges Unternehmen gehört zu den Firmen, die vom Pra- ger Accelerator StartupYard (SY) über einen bestimmten Zeit- kei oder aus solchen, eher exotischen Märkten wie Georgien. raum durch Coaching unterstützt worden sind, um ihnen zu „Allein im laufenden Jahr 2017 haben wir 15 Start-ups geför- einer schnellen Entwicklung zu verhelfen. SY existiert seit dert und eine Gesamtsumme von 425.000 Euro in sie inves- 2011 und ist damit die älteste private Institution ihrer Art in tiert“, erklärt Maloux. Mittelosteuropa (MOE). Darüber hinaus gilt SY als führen- Sein Unternehmen konzentriere sich auf die Förderung der Accelerator in der gesamten Region. von Technologie-Firmen. „Oft verfügen junge Start-ups zwar „Wir wählen die Unternehmen gemeinsam mit unseren über eine interessante Technologie, wissen aber nicht, in wel- Mentoren aus“, erklärt Cedric Maloux, CEO von SY im Ge- cher Branche man diese einsetzen kann“, sagt der Manager. spräch mit OstContact. Dabei handelt es sich seinen Aussa- „Wir bringen diese Firmen dann mit potenziellen Geschäfts- gen zufolge um Manager, Geschäftsleute und Investoren, die partnern zusammen“, fügt er hinzu. Von denen gibt es im Ver- ebenso national wie international Rang und Namen haben. gleich zum Westen nur verhältnismäßig wenige. Deswegen ist Beispielsweise gehören dazu David Slansky, Partner von KP- Tschechien eher ein Nischenmarkt, wo spezielle Start-ups ihre MG, sowie James McGrath, Managing Director von Mars. Produkte anbieten. Dazu zählen etwa Firmen, die mit Block- „Wir unterstützen Firmen, die sich in einem sehr frühen chain-Technologie arbeiten, die beispielsweise in der Gesund- Stadium befinden,“ sagt Maloux. „Deswegen haben diese Un- heitsbranche bei der Dokumentation von medizinischen In- ternehmen oft nur sehr wenig Kontakte, verfügen über keine formationen verwendet wird. „Wir gehen für 2018 und 2019 klare Strategie und haben nur wenig Erfahrung. Sie können davon aus, dass immer mehr Unternehmen erscheinen, die auf unser lokales und internationales Netzwerk zurückgrei- hier aktiv sind,“ erklärt der CEO. sb fen“, erklärt der CEO. Im Gegenzug müssen die Firmen An- teile an SY abtreten. Unter den geförderten Start-ups auch eine Firma aus Georgien In Zahlen liest sich das so: Der Prager Accelerator hat in den vergangenen sechs Jahren in 59 Firmen insgesamt 2,2 Mil- liarden Kronen (rund 86 Mio. EUR) investiert. Das berich- tet die tschechische Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny. SY unterstützt nicht nur einheimische Firmen, sondern auch Unternehmen aus dem benachbarten Polen und der Slowa- 12.17 OstContact I 23
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