"Neue Governance und Gleichstellung der Geschlechter in der Wissenschaft" - Dialog-Tagung cews.publik.no20
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cews.publik.no20 Dialog-Tagung „Neue Governance und Gleichstellung der Geschlechter in der Wissenschaft“ Tagungsdokumentation
Das dieser Tagungsdokumentation zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter den Förderkennzeichen 01FP1510 und 01FP1511 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.
Dialog-Tagung „Neue Governance und Gleichstellung der Geschlechter in der Wissenschaft“ Tagungsdokumentation
Inhalt 1. Grundlagen: Governance und Gleichstellung 5 1.1 Einleitung 5 Prof. Dr. Birgit Riegraf (Universität Paderborn) und Dr. Andrea Löther (Kompetenzzentrum für Frauen in Wissenschaft und Forschung – CEWS) 1.2 Plenumsvorträge 11 1.2.1 Keynote: Balanceakte: Spannungsfelder aktueller Gleichstellungspolitik an Hochschulen Dr. Britt Dahmen (Universität zu Köln) 11 1.2.2 Plenumsvortrag: Neue Arrangements und alte Reputationsregime der Hochschulgovernance: Optionen und Restriktionen für die Geschlechterpolitik. Dr. Dagmar Simon (ehemals Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) 23 1.3 Vorträge im Rahmen der Workshops 31 I: Gleichstellung vor dem Hintergrund wettbewerblicher und marktorientierter Mechanismen an Hochschulen 1.3.1 ‚Markt‘ und ‚Wettbewerb‘ als zentrale Steuerungsprinzipien im Universitätssystem und Gleichstellungspolitiken Dr. Lena Weber (Universität Paderborn) 31 1.3.2 Gleichstellung vor dem Hintergrund wettbewerblicher und marktorientierter Mechanismen an Hochschulen Marieke Rother (Technische Universität Berlin) & Nicole Eschner (Freie Universität Berlin) 39 II: Der Exzellenzbegriff und damit zusammenhängende neue Selektionsmechanismen 1.3.3 Meritokratie – Fakt oder Fiktion? Spannungsverhältnisse zwischen Exzellenz und Chancengleichheit Prof. Dr. Julia Nentwich & Dr. Ursula Offenberger (Universität St. Gallen) 46 1.3.4 Über die Verknüpfung von Geschlecht, Exzellenz und Prekarität Prof. Birgit Riegraf (Universität Paderborn) 53 3
1.3.5 Innenansichten einer Frauenbeauftragten – Zum Verhältnis von Exzellenz und Gleichstellung als hochschulpolitische Strategien Dr. Mechthild Koreuber (Freie Universiät Berlin) 61 III: Die Implementierung von Gleichstellungs- und Diversity Policies an Hochschulen 1.3.6 Implementierung von Gender Equality & Diversity Policies an Hochschulen Dr. Anja Wolde (Goethe-Universität Frankfurt) 67 1.4 Ergebnisse aus den Workshops 75 A: Gleichstellung vor dem Hintergrund wettbewerblicher und marktorientierter Mechanismen an Hochschulen 75 B: Der Exzellenzbegriff und damit zusammenhängende neue Selektionsmechanismen 76 C: Die Implementierung von Gleichstellungs- und Diversity Policies an Hochschulen 77 2. Podiumsgespräch: Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik 79 Gäste: Prof. Dr. Susanne Völker (Universität zu Köln) Dr. Doris Hayn (Georg-August Universität Göttingen) Moderation: Dr. Nadyne Stritzke (Justus-Liebig Universität Gießen) 3. Ausblick und Handlungsempfehlungen 89 4. Programm 93 Impressum 96 4
1 Grundlagen Governance und Gleichstellung Einleitung Prof. Dr. Birgit Riegraf (Universität Paderborn) und Dr. Andrea Löther (stellvertretende Leiterin des Kompetenzzentrums für Frauen in Wissenschaft und Forschung – CEWS) Seit den 1980er Jahren befindet sich das deutsche Maße wie zunächst angenommen zurückgegangen wie das europäische Wissenschaftssystem in einem ist; die Forschung spricht deshalb von ‚hybriden Go- tiefgreifenden Umgestaltungsprozess. Grundlegend vernance-Strukturen‘ (Bogumil et al. 2013). Im inter- ist die Übernahme privatwirtschaftlicher Manage- nationalen Vergleich nimmt Deutschland daher eine mentprinzipien in die öffentliche Verwaltung und moderate Position im Hochschulreformprozess ein. die entsprechende Steuerung von Wissenschaft und Aus einer Perspektive, die die möglichst umfassende Hochschulen (‚New Public Management‘). Die Ein- Implementation von New Public Management als führung neuer Steuerungsinstrumente, gewandel- Ziel hat, stellt sich Deutschland als ein ‚late comer‘ te Beziehungen zwischen Staat und Hochschulen des Veränderungsprozesses dar (vgl. Schimank und (‚Hochschulautonomie‘), die Bologna-Reform, die Lange 2009). vertikale Differenzierung der Hochschullandschaft (‚Exzellenzinitiative‘) oder der Rückgang der grund- Aus organisationstheoretischer Sicht wird der Wand- ständigen Finanzierung zugunsten von Drittmittel- lungsprozess als „Organisationswerdung der Hoch- und projektförmiger Finanzierung sind einige der schule“ interpretiert. Traditionell werden Hochschu- Schlaglichter auf diesen Wandel. len als lose gekoppelte Organisationen beschrieben, deren Mitglieder sich eher mit ihren Disziplinen als In der Governance-Forschung wird dieser Wandel mit ihrer Hochschule verbunden fühlen. Zuneh- idealtypisch als Stärkung der zielbezogenen Außen- mend werden Hochschulen „in einheitlich hand- steuerung, des Wettbewerbs und der hierarchischen lungs-, entscheidungs- und strategiefähige Akteure Selbststeuerung beschrieben, während staatliche transformiert“ (Krücken 2011), doch bleiben sie wei- Regulierung und akademische Selbstorganisati- terhin „specific organizations“, wie Dagmar Simon on an Bedeutung verlieren (Hüther und Krücken in ihrem Vortrag mit Bezug auf Christine Musselin 2016; Jaeger und Leszczensky 2008; De Boer et al. (2007) hervorhebt. Unter dem Schlagwort „unter- 2007). Neuere Forschungen zeigen allerdings, dass in nehmerische Hochschule“ (Clark 1998) wird einer- Deutschland die staatliche Steuerung nicht in dem seits auf Ökonomisierung und die Implementation 5
betriebswirtschaftlicher Instrumente, andererseits Verschiedene Beiträge (Dahmen, Simon, Weber, Ro- auf die Veränderung von innerhochschulischen Ent- ther/Eschner, Koreuber) zeigen, dass Gleichstellungs- scheidungsprozessen verwiesen (Kreissl et al. 2015, politik an Hochschulen in Deutschland hochgradig S. 224). anschlussfähig an Veränderungen in der Governance ist: In neue Steuerungsinstrumente werden gleich- Inwiefern Gleichstellungsforderungen in diese Neu- stellungspolitische Aspekte integriert. Hochschullei- organisation des Wissenschaftssystems integriert tungen übernehmen mehr Verantwortung für Gleich- werden und wie sich die Rahmenbedingungen für stellung. Gleichstellungspolitische Konzepte werden Gleichstellungspolitik und Gleichstellungsarbeit zu einem Wettbewerbsfaktor. Die Governance von durch den beschriebenen Umstrukturierungspro- Gleichstellungspolitik selber (Strukturen und Instru- zess verändern, war Thema der Dialog-Tagung ‚Neue mente) ändert sich. Im internationalen Vergleich Governance und Gleichstellung der Geschlechter in (vgl. den Beitrag von Lena Weber) wird deutlich, der Wissenschaft‘ am 6. und 7. Oktober 2016 an der dass es in Deutschland aufgrund spezifischer Bedin- Universität Paderborn.1 Ziel der Tagung und die- gungen, insbesondere dem Vorhandensein von in- ser Broschüre ist es, Erkenntnisse aus der Forschung stitutionalisierten Gleichstellungsakteur/-innen und und Reflektionen der Praxis in Dialog zu bringen. der Professionalisierung der Gleichstellungsarbeit zuzuschreiben ist, dass die Integration von Gleich- stellungsaspekten in einige Bereiche gelang, die von den Umstrukturierungsprozessen an Hochschulen betroffen waren. Aus der Governance-Perspektive könnte zugespitzt formuliert werden, dass staatliche Regulierung der Gleichstellungspolitik an Hochschu- len (länderrechtliche Regelungen) eine Vorausset- zung dafür ist, dass Gleichstellung an die Stärkung des Wettbewerbs und der Position der Hochschul- leitung angebunden werden konnte. Die Nutzung des Gelegenheitsfensters, das sich durch die Um- strukturierung der Hochschulen für gleichstellungs- politische Anforderungen bot, ist zugleich voraus- setzungsvoll. Der Beitrag von Mechthild Koreuber bestätigt aus der Gleichstellungspraxis, dass es auch dem politischen Wirken von Frauen- und Gleichstel- lungsbeauftragten und ihren Netzwerken zu verdan- ken ist, dass Geschlechtergerechtigkeit in der Ex- zellenzinitiative berücksichtigt wird, auch wenn die 1 Die Tagung fand am 6./7. Oktober 2016 an der Universität Integration in der Praxis heterogen und von lokalen Paderborn statt, durchgeführt im Rahmen des Projektes „Neue Governance und Gleichstellung der Geschlechter in der Wis- Bedingungen abhängig ist. Finanzielle Ressourcen senschaft“ (GOWISS), gefördert vom BMBF, Förderkennzeichen für Gleichstellungsarbeit, die mit der Hochschulgrö- 01FP1510 und 01FP1511. Das Projekt wurde von Prof. Dr. ße und den Hochschultypen gekoppelt sind, stel- Birgit Riegraf (Universität Paderborn) und Dr. Andrea Löther (CEWS – GESIS) geleitet. len weitere lokale Ausgangsbedingungen für den 6
1 Grundlagen: Governance und Gleichstellung Einleitung bestimmten Disziplinen, Stellenformate oder ei- ne ungleiche familiäre Arbeitsteilung setzen unter- schiedliche Ausgangsbedingungen bei der Erfüllung von Exzellenzkriterien. Zugleich ist es der Gleich- stellungspolitik gelungen, die enge Verknüpfung von Männlichkeit und Exzellenz aufzubrechen, wovon vor allem eine kleine Gruppe von Wissenschaftle- rinnen aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften profitieren kann. Die Beiträge aus der Gleichstellungspraxis (Koreu- ber, Dahmen, Rother/Eschner) beschreiben intensive Diskussionen über diese Spannungsverhältnisse in den Netzwerken von Gleichstellungsakteur/-innen, insbesondere im Zusammenhang mit der Exzellenz- initiative (Koreuber). Angesprochen werden Kon- Aufbau neuer Instrumente der Gleichstellungsgo- flikte und Segmentierungen, Konkurrenzen und vernance dar, wie beispielsweise für das Gleichstel- Machtkämpfe zwischen gleichstellungspolitischen lungscontrolling diskutiert wurde. Akteurinnen und Akteuren innerhalb einer Hoch- schule sowie Konkurrenz zwischen Hochschulen. Gleichzeitig reflektieren alle Beiträge dieser Bro- Das Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz schüre die Dilemmata und Gefahren, die sich aus innerhalb der gleichstellungspolitischen Netzwerke dieser Anschlussfähigkeit von Gleichstellungs- muss deshalb immer wieder neu beleuchtet und neu politik an die Umstrukturierung der Hochschulen justiert werden. ergeben. Durch die Diskursverschiebung zu Effi- zienz und Human-Ressourcen-Argumenten tre- Zugleich benennen die Beiträge Erfolge und Ver- ten der normative Gerechtigkeitsanspruch und änderungen in der Gleichstellungspolitik, ins- die Auseinandersetzung mit negativen Implikati- besondere durch die Forschungsorientierten onen der Umstrukturierung in den Hintergrund, Gleichstellungsstandards der DFG und das Profes- wie beispielsweise die Zunahme prekärer Beschäf- sorinnenprogramm. Beleuchtet werden dabei An- tigungsbedingungen von Wissenschaftlerinnen und satzpunkte für einen Kulturwandel (Simon), der Wissenschaftlern oder die weiterhin und sogar zu- möglicherweise mit diesen Veränderungen gege- nehmend geforderte Angleichung an die männliche ben ist. Die Schaffung von Kommunikations- und Normalbiographie. Verhandlungsräumen (Rother/Eschner), Fragen nach Gender-Wissen und Gender-Kompetenz so- Der zunehmende Wettbewerb, der unter dem sozial wie die Einbindung von unterschiedlichen Akteu- konstruierten Maßstab ‚Exzellenz‘ zwischen Hoch- rinnen und Akteuren können solche Ansatzpunkte schulen und zwischen Wissenschaftler/-innen ge- sein. Trotz allem sind diese Erfolge fragil (Simon), führt wird, ist geschlechterspezifisch aufgeladen bedroht durch befristete finanzielle Mittel und sich (vgl. Beitrag von Birgit Riegraf). Zugehörigkeit zu verändernde Themenschwerpunkte. 7
Diskutiert wurde auf der Tagung auch die Transfor- xis wurde beklagt, dass die bisherige Forschungspra- mation des Feldes durch neue Themenfelder. Hier- xis zu Gleichstellung wenig hilfreich und nicht auf bei ging es insbesondere um die Positionierung von Augenhöhe durchgeführt werde. Gefordert wurde ei- Geschlechtergleichstellung innerhalb einer Diversity- ne problemorientierte Forschung, die wissenschaft- Politik (vgl. den Beitrag von Anja Wolde). lich gehaltvoll sein soll und der Gleichstellungspra- xis Orientierungs-, System- und Gestaltungswissen Schließlich reflektierte die Tagung das Verhält- bietet. Aus der Geschlechterforschung wurde auf die nis von Gleichstellungspraxis und Geschlechter- Ambivalenz von Institutionalisierung und Diskre- forschung. Indem die inhaltlichen Themen jeweils ditierung sowohl bei der Gleichstellungspolitik als aus Perspektive der Geschlechterforschung und der auch bei der Geschlechterforschung hingewiesen. Ei- Gleichstellungspraxis analysiert und wechselseitig ne gemeinsame Klammer muss jeweils konkret her- kommentiert wurden, experimentierte die Veran- gestellt werden, ist jedoch gerade angesichts der ge- staltung mit einem neuen Format für diesen Dia- genwärtigen Angriffe auf Gleichstellungspolitik und log. Dem Verhältnis von Gleichstellungspraxis und Geschlechterforschung ganz besonders wichtig. Für Geschlechterforschung widmete sich ausdrücklich einen Dialog zwischen den beiden Bereichen auf Au- ein Podiumsgespräch. Aus der Gleichstellungspra- genhöhe bedarf es sowohl einer Auseinandersetzung 8
1 Grundlagen: Governance und Gleichstellung Einleitung über das Wissenschaftsverständnis und unterschied- Engels, Anita; Beaufays, Sandra; Kegen, Nadine V.; Zuber, liche Logiken von Forschung und Politik, als auch Stephanie (2015): Bestenauswahl und Ungleichheit. Eine der Suche nach geeigneten Orten und Formaten. soziologische Studie zu Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftlern in der Exzellenzinitiative. Frankfurt am Main: Wir hoffen mit der vorliegenden Broschüre die span- Campus-Verlag (Hochschule und Gesellschaft). Online ver- nenden Debatten und Verständigungsprozesse auf fügbar unter http://d-nb.info/1070854808/04, zuletzt ge- der Tagung dokumentieren zu können und damit prüft am 24.11.2016. die weitere Diskussion über Gleichstellung in einer veränderten Hochschullandschaft sowie den Dialog Grande, Edgar; Jansen, Dorothea; Jarren, Otfried; Rip, Arie; zwischen Geschlechterforschung und Gleichstellung- Schimank, Uwe; Weingart, Peter (Hg.) (2013): Neue Gover- spraxis zu befördern. nance der Wissenschaft. Reorganisation – externe Anforde- rungen – Medialisierung. 1. Aufl. Bielefeld: transcript. Literaturverzeichnis Hayn, Doris; Hummel, Diana (2002): Transdisziplinäre Forschung im Feld Gender & Environment. In: Marie Calm Bender, Saskia-Fee; Wolde, Anja (2013): Diversity Polices. (Hg.): Alles unter einen Hut. Dokumentation des 28. FiNuT Implementation mit Brüchen. In: Saskia-Fee Bender, Ma- – Kongress von Frauen in Naturwissenschaft und Technik rianne Schmidbaur und Anja Wolde (Hg.): Diversity ent- 9. bis 12. Mai 2002 in Kassel. Darmstadt: Frauen in der decken. Reichweiten und Grenzen von Diversity Policies Technik – FiT-Verlag, S. 309–315. an Hochschulen. Weinheim: Beltz Juventa (Diversity und Hochschule), S. 127–145. Hüther, Otto; Krücken, Georg (2016): Hochschulen. Frage- stellungen, Ergebnisse und Perspektiven der sozialwissen- Bogumil, Jörg; Burgi, Martin; Heinze, Rolf G.; Gerber, schaftlichen Hochschulforschung. 1. Auflage. Wiesbaden: Sascha; Gräf, Ilse-Dore (2013): Modernisierung der Uni- Springer VS (Organization & Public Management). versitäten. Umsetzungsstand und Wirkungen neuer Steue- rungsinstrumente. Berlin: Edition Sigma (Modernisierung Jaeger, Michael; Leszczensky, Michael (2008): Governance des öffentlichen Sektors Sonderband, 41). als Konzept sozialwissenschaftlicher Hochschulforschung – am Beispiel neuer Modelle und Verfahren der Hoch- Clark, Burton (1998): Creating entrepreneurial universi- schulsteuerung und Finanzierung. In: Das Hochschulwe- ties. Organizational pathways of transformation. Oxford, sen: Forum für Hochschulforschung, -praxis und -politik New York: Emerald Group Publishing Limited (Issues in 55 (1), S. 17–25. Online verfügbar unter http://www.hoch- higher education). schulwesen.info/inhalte/hsw-1-2008.pdf, zuletzt geprüft am 18.04.2013. De Boer, Harry F.; Enders, Jürgen; Schimank, Uwe (2007): On the way towards new public management? The gover- Knapp, Gudrun Axeli (2013): Diversity and beyond. Vom nance of university systems in England, the Netherlands, praktischen Nutzen feministischer Theorie. In: Saskia-Fee Austria, and Germany. In: Dorothea Jansen (Hg.): New Bender, Marianne Schmidbaur und Anja Wolde (Hg.): Di- Forms of Governance in Research Organizations. Discipli- versity ent-decken. Reichweiten und Grenzen von Diversi- nary Approaches, Interfaces and Integration. Dordrecht: ty Policies an Hochschulen. Weinheim: Beltz Juventa (Di- Springer, zuletzt geprüft am 04.11.2009. versity und Hochschule), S. 32–60. 9
Koreuber, Mechthild (Hg.) (2010): Frauenförderung und In: Catherine Paradeise, Emanuela Reale, Ivar Bleiklie und Gendermainstreaming. Profilelemente einer exzellenten Ewan Ferlie. (Hg.): University Governance. Western Euro- Universität. Siebter Bericht der zentralen Frauenbeauftrag- pean Comparative Perspectives. 1. Aufl. Dordrecht: Sprin- ten der Freien Universität Berlin. 2. vollständig überarbei- ger (Higher Education Dynamics, Vol. 25), S. 51–75. tete und erweiterte Auflage. Berlin. Wenneras, Christine; Wold, Agnes (1997a): Nepotism and Kreissl, Katharina; Striedinger, Angelika; Sauer, Bir- sexism in peer review. (nicht zitierfähig, da die Ergeb- git; Hofbauer, Johanna (2015): Will gender equality ever nisse nicht reproduzierbar sind!!, Di). In: Nature 387 (22), fit in? Contested discursive spaces of university reform. S. 341–343. In: Gender and Education 27 (3, SI), S. 221–238. DOI: 10.1080/09540253.2015.1028903. Wenneras, Christine; Wold, Agnes (1997b): Peer review is a two-way process. In: Nature (387). Krücken, Georg (2011): Soziologische Zugänge zur Hoch- schulforschung. In: Die Hochschule: Journal für Wissen- Wilkesmann, Uwe; Schmid, Christian J. (Hg.) (2012): schaft und Bildung 20 (2), S. 102–116. Online verfügbar Hochschule als Organisation. Wiesbaden: Springer VS (Or- unter https://www.uni-kassel.de/einrichtungen/fileadmin/ ganisationssoziologie). datas/einrichtungen/incher/K9_Kruecken_2011.pdf. Woelki, Marion; Speck, Agnes; Kirsch-Auwärter, Edit Meyerson, Debra; Fletcher, Joyce K. (2000): A modest ma- (2010): Gleichstellung ist messbar. In: duz Magazin (9), S. nifesto for shattering the glass ceiling. In: Harvard Busi- 12–13. ness Review 78 (1), S. 127–136. Mies, Maria (1978): Methodische Postulate zur Frauenfor- schung. Dargestellt am Beispiel der Gewalt gegen Frauen. In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis Jg. 1 (H. 1), S. 41–63. Musselin, Christine (2007): Are universities specific orga- nisations? In: Georg Krücken, Anna Kosmützky und Marc Torka (Hg.): Towards a multiversity? Universities beetween global trends and national traditions. Bielefeld: transcript (Science Studies), S. 63–84, zuletzt geprüft am 27.08.2009. Nölting, Benjamin; Voß, Jan-Peter; Hayn, Doris (2004): Nachhaltigkeitsforschung – jenseits von Diziplinierung und anything goes. In: GAIA: ökologische Perspektiven für Wissenschaft und Gesellschaft 13 (4), S. 254–261. Schimank, Uwe; Lange, Stefan (2009): The German Uni- versity System. A Late-Comer in New Public Management. 10
1 Grundlagen: Governance und Gleichstellung Plenumsvorträge Plenumsvorträge PERSPEKTIVE DER PRAXIS Balanceakte: Spannungsfelder aktueller Gleichstellungspolitik an Hochschulen Dr. Britt Dahmen, Leiterin des Referats Gender & Diversity Management an der Universität zu Köln In dem Diskurs um Veränderungen der Gleichstel- Hochschule. 2011 habe ich in die Rolle als Leiterin lungspolitik und deren Governance in dem ver- des Referats für Gender-Qualitätsmanagement ge- gangenen Jahrzehnt sehe ich vor meinem inneren wechselt, das nunmehr dem Rektorat angehörte und Auge vor allem immer wieder die Herausfor- nicht mehr direkt an das Gleichstellungsbüro ange- derungen aus der Perspektive der ‚klassischen‘ dockt war. Eben jenes Referat heißt nun seit einigen Gleichstellungsakteur/-innen, also der Gleichstel- Monaten ‚Referat Gender & Diversity Management‘. lungsbeauftragten und ihren Mitarbeiterinnen und Und vielleicht erkennen auch Sie bereits einige Mitarbeitern in den Gleichstellungsbüros. Vor allem Spannungsfelder, auf denen ich mich bewegt habe aus ihrer Perspektive heraus lassen sich die Verände- und bewege. rungen von Gleichstellungspolitik und Governance und die damit verbundenen Spannungsfelder sehr plastisch beleuchten, da sie als zentrale Instanz alle 1. Wissenschaftspolitische Meilensteine Phasen mit begleitet haben und begleiten. ‚Balance- akte‘ – darunter verstehe ich deshalb vor allem die Versetzen wir uns in das Jahr 2005: Nach rund Herausforderungen, vor denen sich diese Akteur/- 15 Jahren vorangegangener Frauenförderung und innen gestellt sehen in der Bewältigung der Span- Gleichstellungsarbeit an Hochschulen war der Frau- nungsfelder, die immer mindestens zwei oder sogar enanteil vor allem auf der Ebene der Postdocs und mehr Pole beinhalten. der Professorinnen noch immer nur marginal ange- stiegen. Die Zeit war offensichtlich reif, sehr grund- Ich verkörpere selbst in gewisser Weise diesen Wan- sätzlich über neue Strategien nachzudenken, wie del und habe diese Balanceakte lange geübt: als die Wissenschaft einen Veränderungsprozess in ih- studentische Mitarbeiterin im Büro der Frauenbe- ren eigenen Strukturen und Kulturen vorantreiben auftragten, als Programmkoordinatorin eines Mento- könnte. Bund, Länder und die Deutsche Forschungs- ring-Programms für Wissenschaftlerinnen, als stell- gemeinschaft reagierten dementsprechend u. a. auf vertretende Gleichstellungsbeauftragte einer kleinen die Empfehlungen des Wissenschaftsrats (2007) zur 11
Verbesserung der Chancengleichheit über die Imple- mentierung neuer gleichstellungspolitischer Steue- rungsinstrumente: Das Professorinnenprogramm des Bundes und der Länder setzt seit 2007 mit der Anschubfinanzierung von Erstberufungen von Frauen hohe finanzielle Anreize für die Gleichstellung in Wissenschaft und Forschung. Es ist gekoppelt an ein ausführliches Gleichstellungskonzept, so dass die Hochschulen erstmals dazu aufgefordert waren, sich hier im Wett- bewerb um Fördermittel strategisch aufzustellen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat sich offensiv zum Thema Gleichstellung bekannt und dies in ihre Vergabepraxis integriert: Die For- schungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG haben seit 2008 die gleichstellungsbezogene quoten nach dem Kaskadenmodell als auch in Bezug Strukturentwicklung an Hochschulen und z. T. auf die Entwicklung von Gesamtkonzepten. auch in den außeruniversitären Forschungsein- richtungen wie der Leibniz-Gemeinschaft maß- Im Zuge dieser Impulse haben sich in ungeahnter geblich mit gesteuert und in einen Vergleich ge- Geschwindigkeit neue gleichstellungsbezogene setzt. Damit verbunden war erstmals auch die Strukturen, Funktionen und Instrumente in den Wis- Einführung von Zielquoten für die Repräsentanz senschaftsorganisationen etabliert. Als gesichert gilt: von Frauen auf allen Qualifikationsstufen. Diese Gleichstellung ist zum wettbewerbsrelevanten Faktor sind heute sogar in der Hochschulgesetzgebung in geworden. Und so darf man, denke ich, ohne Zwei- NRW implementiert. fel sagen: Hier hat ein Kulturwandel in der Gleich- stellungsgovernance der Wissenschaftsinstitutionen Auch im Rahmen der Exzellenzinitiative haben Er- stattgefunden. Diesen Wandel möchte ich im Fol- folg versprechende übergreifende Gleichstellungs- genden näher diskutieren. konzepte einen wichtigen Beitrag bei den För- derentscheidungen eingenommen und sind ein bedeutsamer Bestandteil des Wettbewerbs um Zu- 2. Reformen in der Gleichstellungspraxis an kunftskonzepte von Exzellenzhochschulen. Hochschulen Im Pakt für Forschung und Innovation sind die au- Zentrale Reformen in der Gleichstellungspraxis an ßerhochschulischen Forschungseinrichtungen seit Hochschulen lassen sich erstens auf der Ebene der 2005 Selbstverpflichtungen in Bezug auf die Reali- Anreizstrukturen identifizieren, also anhand der sierung von Gleichstellung und Familienfreundlich- Gründe, weshalb Hochschulen Gleichstellungspo- keit eingegangen, sowohl in Verbindung mit Ziel- litik vorantreiben. Zweitens sehen wir sie auf der 12
1 Grundlagen: Governance und Gleichstellung Plenumsvorträge Ebene der Governance, konkret in der Stärkung honorieren die Zielerreichung über die leistungsori- der Führungsebene und in der Ausdifferenzierung entierte Mittelvergabe (LOM). des Gleichstellungsmanagements. Drittens ist die Gleichstellungspraxis herausgefordert, sich weite- Die hohe strategische Bedeutung von Gleichstellung ren Handlungsfeldern zu stellen: So wird sie zu- als Wettbewerbsfaktor hat dazu geführt, dass Gleich- nehmend gefordert, sich im Rahmen von Diversity stellung zunehmend in bestehende übergreifen- Policies an Hochschulen zu positionieren. Ich wer- de hochschulinterne strategische Qualitätsmanage- de im Folgenden auf diese Aspekte etwas genauer mentprozesse wie beispielsweise in das Controlling, eingehen. in das Monitoring, in strategische Steuerungsin- strumente (z. B. Ziel- und Leistungsvereinbarungen, Hochschulentwicklungspläne) integriert werden (vgl. Neue Anreizstrukturen ausführlich hierzu Löther und Vollmer 2014; Roski und Schacherl 2014). Gleichstellungsziele werden Die eben genannten wissenschaftspolitischen Mei- auch hier zunehmend quantifiziert (z. B. durch Ziel- lensteine haben gemeinsam, dass sie Gleichstel- größen gemäß des Kaskadenmodells) und im Rah- lungspolitik als Wettbewerbsfaktor auf die Bühne men von Ziel- und Leistungsvereinbarungen gemes- geholt haben: Ohne überzeugendes Gleichstellungs- sen, einem Kontrollverfahren unterzogen und ggf. konzept wird die Einwerbung von Drittmitteln aus monetär hochschulintern honoriert. Bund, Ländern und DFG inzwischen erheblich er- schwert – dies gilt nicht mehr nur für die Hochschu- Die Umsetzung von Chancengleichheit wird also len im Ganzen, sondern auch für Forschungsverbün- transparent(er) und vergleichbar(er), sie wird doku- de im Kleinen. Diese Entwicklung wurde dadurch mentiert, festgeschrieben und veröffentlicht. Wer befördert, dass Vergleichsindikatoren wie etwa die keine messbaren Erfolge vorzuweisen hat, muss Definition von quantitativ messbaren Zielsetzungen möglicherweise mit weniger Geld rechnen; zumin- (z. B. im Zusammenhang mit dem Kaskadenmo- dest aber mit weniger Profilierungsmöglichkeiten dell) oder die Setzung der Forschungsorientierten in diesem Feld. Dieser Anreiz triggert sicher viele, Gleichstellungsstandards der DFG geschaffen wur- die ansonsten eher unverdächtig sind, engagier- den. Zusätzlich unterstützt wird diese Wettbewerbs- te Gleichstellungspolitik zu betreiben – und das logik auch durch das CEWS-Hochschulranking nach ist auch gut so. Hier wird aber auch deutlich, dass Gleichstellungsaspekten, den regelmäßigen Gender- Gleichstellung zunehmend unter dem Wertschöp- Report des Netzwerks Frauen- und Geschlechterfor- fungsaspekt hinterfragt wird: Was bringt der Einsatz schung in NRW oder das europaweite Daten-Moni- für Gleichstellung der Organisation? Welchen Nut- toring ‚She Figures‘. zen hat die Wissenschaft von mehr Gleichstellung von Frauen und Männern? Extern honoriert werden erfolgsversprechende Gleichstellungsstrategien mit direkten finanziellen Nur damit keine Missverständnisse entstehen: Ich Ressourcen (Professorinnenprogramm) oder zumin- halte diese äußeren Anreize und die Reflexion des dest mit einem erleichterten Zugang zu diesen wie ‚Nutzens‘ für wichtig und notwendig. Denn um viele beispielsweise im Rahmen der Exzellenzinitiative Menschen für die Umsetzung von Gleichstellungs- oder durch Sonderforschungsbereiche. Einige Länder zielen ins Boot zu holen, müssen viele verschiedene 13
Anreizfaktoren und Motivatoren ins Spiel kommen Hochschulen mittlerweile Stabsstellen, Abteilungen dürfen. Aber die Entwicklung birgt auch die Gefahr, oder Referate für Gleichstellung etabliert, die an dass durch die Zuspitzung von Gleichstellung als die Führungsebene angegliedert sind und Aufgaben ‚business case‘ der normative Gerechtigkeitsanspruch im Gleichstellungsmanagement, wie beispielsweise in den Hintergrund tritt (vgl. z. B. Riegraf und Weber Datenmanagement, Gleichstellungscontrolling, die 2014). Die Fixierung von messbaren Zielzahlen, Da- Steuerung von Strategieentwicklungsprozessen und ten und des Nutzens lässt manchmal vergessen, dass die hochschulinterne Vernetzung übernehmen. es sich immer noch auch um einen Gerechtigkeits- diskurs handelt, der sich nicht nur um Zahlen und Der Kreis der Akteur/-innen im Bereich Gleichstel- Köpfe dreht, sondern ganz grundsätzlich in Kulturen lung hat sich somit allein schon auf der Führungse- ausdrückt. Wie aber messen wir die Veränderung bene deutlich erweitert: Lag die Verantwortung und von Kultur, die sich in Einstellungen, Haltungen, Steuerung der Gleichstellungspolitik bis dahin vor Handlungen und Symbolen ausdrückt? Darüber hi- allem bei der Gleichstellungsbeauftragten, so sind naus liegen Gleichstellungsziele oftmals konträr zu auf dieser Ebene nun deutlich mehr Akteurinnen den Folgen des Wettbewerbs: Sie stellen die Normen und Akteure mit Führungsanspruch hinzugekom- von ‚Exzellenz‘ in Frage, wirken der Prekarisierung men. Zwar ist durch die neue Macht der Leitungse- von Beschäftigung entgegen, und nicht zuletzt sind bene die Verantwortung für eine zentrale Steuerung Gleichstellungsziele auf Dauer anstatt auf Projekt- besser geklärt und mit mehr Durchschlagskraft ver- haftigkeit angelegt. bunden, dies setzt aber insgesamt voraus, dass die verschiedenen Akteur/-innen gut abgestimmt mitei- Hier lässt sich also die erste Klippe des Balanceakts nander zusammenarbeiten, Rollen und Verantwort- erkennen: Wie positionieren wir uns zu den ver- lichkeiten geklärt sind. Diese Ausdifferenzierung schiedenen Anreizstrukturen (dem Wettbewerbs- und von Rollen hat möglicherweise Macht-, Status- und Nützlichkeitsdruck einerseits und der Gerechtigkeits- Steuerungsverlust für bisherige Kompetenzträger/- norm andererseits), und sichern gleichzeitig Nach- innen wie z. B. die Gleichstellungsbeauftragten zur haltigkeit, also eine dauerhafte Kulturveränderung Folge. Bei weniger gut funktionierenden Kooperati- an Hochschulen? onen zwischen Hochschulleitung, Gleichstellungsbe- auftragten und Stabsstellen kann diese neue Vertei- lung von Macht und Aufgaben leicht zu Konkurrenz Stärkung der Führungsebene werden und zentrale Gleichstellungsakteur/-innen schwächen oder gar aushebeln, wenn sie nicht ‚auf Löther und Vollmer (2014) heben die Stärkung der Linie’ agieren oder auch mal unbequem werden (vgl. Führungsebene als eine der wesentlichsten Entwick- Schacherl et al. 2014). lungen im Zuge gleichstellungsbezogener Reformen heraus. Dies wird vor allem sichtbar in der zuneh- Hier zeichnet sich also eine weitere Gratwanderung menden Einrichtung von Prorektoraten/Vize-Prä- ab: Wie gestalten wir eine konstruktive, produktive sidien mit der Verantwortung für Gleichstellung, und dauerhafte Rollenverteilung auf Führungsebene, manchmal explizit benannt, z. T. versteckt hinter in der die Gleichstellungsbeauftragte ihre Unabhän- anderen Zuständigkeiten (Lehre, Internationalisie- gigkeit behält und gleichzeitig gemeinsam mit den rung, Personal). Darüber hinaus haben sich an vielen neuen Akteur/-innen Gleichstellungspolitik gestaltet? 14
1 Grundlagen: Governance und Gleichstellung Plenumsvorträge Ausdifferenzierung von Aufgaben und gesetzt, wie Gleichstellung (vor allem in der DFG- Funktionen Förderung) oder Gender Studies (vor allem im EU- Rahmenprogramm) Einzug in die Antragsgestaltung Roski und Schacherl (2014) konstatieren eine zu- erhalten können. Hieraus ergeben sich noch einmal nehmende Komplexität von Aufgaben, die von völlig neue Zugänge zu Bereichen in der Forschung, Akteur/-innen im Bereich Gleichstellung mittler- die bislang nicht erreichbar erschienen. Die Relevanz weile übernommen werden müssen. Neben der In- für die Gleichstellungsakteur/-innen wird u. a. sicht- teressensvertretung in Gremien, der Beratungsrolle, bar in der Etablierung eines eigenen bundesweiten der strategischen Planung von Gleichstellungspoli- Netzwerks GenderConsulting. tiken sowie der Vernetzung sind, wie beispielsweise im Gender-Controlling, zunehmend Management- In Studium und Lehre ist durch die Bologna-Reform Kompetenzen gefragt, also die Implementierung von und daraus folgende Akkreditierungsprozesse Be- Steuerungssystemen zur Definition und Kontrolle wegung in die Integration von Gender-Aspekten, in von Zielsetzungen bzw. Zielerreichung, etwa durch die Ausgestaltung von Studiengängen sowie in die Gender-Daten-Monitoring oder Gender-Budgeting. Integration der Gender Studies in die Lehrinhalte Mit dem Zuwachs an Bedeutung von Gleichstel- gekommen. Darüber hinaus wachsen die Angebote lungsstrategien im Wettbewerb der Forschungspro- zur Einbeziehung von Genderaspekten in die Hoch- jekte und der Studiengänge haben sich gleichzeitig schuldidaktik. Die inzwischen hohe Bedeutung die- auch neue Handlungsfelder erschlossen. ses Handlungsfeldes für Gleichstellungsakteur/-in- nen wie Genderforscherinnen und -forscher wird in In der Forschung werden durch die Deutsche For- zahlreichen Veröffentlichungen und Good-Practices schungsgemeinschaft und die EU neue Standards in diesem Feld deutlich. 15
Gleichstellungsarbeit erscheint vor diesem Hinter- erweitert sich nun um die Herausforderung, im Fa- grund nicht mehr nur durch Erfahrungswissen zu denkreuz unterschiedlichster Expertisen, Interessens- bewältigen zu sein, sondern erfordert zunehmend lagen und Kompetenzen aus den dezentralen Ebe- genderbezogene Expertise im konkreten verwal- nen den Überblick zu behalten, die großen Linien im tungsbezogenen Handeln. Blick zu halten und zu steuern, um alle Akteurinnen und Akteure im gleichen Boot in die gleiche Rich- Eine Folge ist, dass sich zunehmend weitere Funk- tung zu führen. Gleichermaßen gilt es aber alle mit- tionsrollen ausdifferenzieren, die innerhalb der zunehmen, ernst zu nehmen, auf Augenhöhe zu ver- Hochschulen an verschiedenen Stellen der Verwal- handeln und sie in ihrer Verantwortung zu stärken. tung, in weiteren zentralen Einrichtungen oder For- schungsprojekten platziert werden. Am Beispiel der Universität zu Köln wird dies besonders plastisch: Gleichstellung und Diversity Gleichstellungsbezogene Aufgaben werden zuneh- mend von Verwaltungseinheiten wie der Personal- Seit nunmehr einigen Jahren entwickeln Hochschu- entwicklung (z. B. Mentoring-Programme), dem Dual len in Deutschland eigene Diversity Policies und Career & Family Support oder dem Forschungs- bauen entsprechende Strukturen auf. Dies mag im management (Drittmittelfinanzierte Stipendien- besten Sinne zum einen dem wachsenden politi- programme) übernommen. Im Zentrum für Gender schen Bewusstsein geschuldet sein, dass Chancen- Studies wird die wissenschaftliche Expertise ge- gerechtigkeit an Hochschulen mitnichten nur ein bündelt, in den Dekanaten der Fakultäten sitzen Geschlechterthema ist, sondern auch andere Diversi- Gleichstellungsmanager/-innen, die die Gleichstel- tätsdimensionen umfasst und je nach Standort sehr lungspläne sowie Ziel- und Leistungsvereinbarungen konkrete Herausforderungen, z. B. in Bezug auf eine begleiten, in den drittmittelfinanzierten Verbund- zunehmend diversifizierte Studierendenschaft, an- projekten werden z. T. eigene Gender-Strategien und stehen. Gleichwohl passt sich die Entwicklung aber Maßnahmen entwickelt. auch in die Logiken des New Public Managements ein: Auf der Suche nach Wettbewerbsvorteilen sehen Mit der Zunahme eines komplexen Aufgabenspek- Hochschulen die Nase vorn, wenn Chancengleichheit trums nimmt also die Anzahl der Akteurinnen und als ein mehrdimensionales Handlungsfeld aufgegrif- Akteure auch unterhalb der Führungsebene zu. Dies fen wird. hat zur Folge, dass die Einbettung der verschiedenen Interessenslagen und Kompetenzen für die Füh- Diese Entwicklung fordert selbstverständlich auch rungsebene deutlich komplexer wird und entspre- die Gleichstellungsakteur/-innen heraus und wird chende Steuerungsinstrumente notwendig macht. sehr unterschiedlich bewältigt, sowohl auf der Ma- nagement-Ebene, also der Ebene der Zuständigkeiten Ich komme nochmal auf die Gratwanderung zurück, und Ressourcen, als auch auf der Ebene der Strate- die ich eben bereits auf der Führungsebene skizziert gie-Entwicklungen: habe und die sich aus dem Zuwachs an Akteur/- innen im Feld der Gleichstellung ergibt: Die Aus- Gleichstellung UND Diversity: An vielen Wissen- gestaltung einer konstruktiven, produktiven und schaftseinrichtungen haben sich auf Leitungsebe- dauerhaften Rollenverteilung auf Führungsebene ne Prorektorate oder Vize-Präsidien ausdifferenziert, 16
1 Grundlagen: Governance und Gleichstellung Plenumsvorträge die sowohl Gleichstellungs- als auch Diversitätsstra- Diversity unter dem Dach von Gleichstellung: Darü- tegien verantworten. Diese werden häufig unter- ber hinaus gibt es Modelle, in denen die Entwick- stützt von Stabsstellen für Gender & Diversity (Ma- lung von Diversity Policies strukturell durch die nagement). Gleichstellungsbeauftragte sind in diesem Gleichstellungsbeauftragte wahrgenommen wird. Modell jeweils unabhängige Akteur/-innen. Gender Dies trägt dem immer wieder vorhandenen Vorwurf & Diversity stehen in der Regel nebeneinander. Dies Rechnung, dass Gender Mainstreaming und Gleich- wird häufig auch auf strategischer Ebene so ange- stellung bislang häufig dem Stichwort Mehrfachdis- legt: Neben Gleichstellungskonzepten werden Diver- kriminierungen zu wenig Aufmerksamkeit gewid- sity Policies verabschiedet. Diese Abgrenzung der met haben. Gleichzeitig werden in dieser Variante beiden Politikbereiche vermittelt die Botschaft, dass Konkurrenzen um die Definitionsmacht von ‚guter Gleichstellung nicht durch Diversity abgelöst worden Chancengleichheitspolitik‘ vermieden, sie liegen so- ist, sondern dass diese aufgrund grundsätzlich unter- zusagen in einer Hand. Andererseits bedeutet dies schiedlicher struktureller Rahmenbedingungen, Auf- u. U. auch, dass personelle und finanzielle Ressour- gabenfelder, Forschungshintergründe und Traditionen cen für Gleichstellung nun automatisch ebenfalls in der Praxis gleichberechtigt und sichtbar nebenei- für Diversity Policies genutzt und aufgeteilt werden nander stehen. Eine Herausforderung wäre allerdings müssen. Und man muss sich sicher außerdem der die Vermittlung nach außen, warum zwei verschie- Frage stellen, warum Gender anderen Ungleichheits- dene Strategien, die beide Chancengerechtigkeit zum kategorien übergeordnet wird. Ziel haben, entwickelt werden und vor welchem Hin- tergrund Gender im Vergleich mit weiteren Ungleich- Gleichstellung unter dem Dach von Diversity: heitskategorien hier gesondert hervorgehoben wird. Schließlich gibt es auch das Modell, in dem Gleich- 17
stellungsstrategien und Gleichstellungsmanagement Chance. Aber immer wieder stellt sich die Frage der unter dem Dach Diversity bearbeitet werden. Diese Nachhaltigkeit: Was passiert mit der Gleichstellung, Variante knüpft daran an, dass Gender eine von ver- wenn der Exzellenzstatus wegfällt? Wohin geht die schiedenen Kerndimensionen sozialer Ungleichheit Reise, wenn externe Anreize z. B. durch die DFG ist, die z. B. im Allgemeinen Gleichbehandlungsge- wieder zurückgeschraubt werden? Die Gefahren der setz (AGG) festgeschrieben sind bzw. in der sozialen Wettbewerbslogik liegen also darin verborgen, dass Praxis bearbeitet werden. Ein übergreifendes Diver- dieser Wettbewerb irgendwann auch wieder aussetzt sity Management kann die unterschiedlichen politi- und somit entscheidende Akteurinnen und Akteure schen Strategien, die bislang zu diesen Kerndimensi- der Führungsebene den Ball wieder fallenlassen. onen entwickelt worden sind, zusammenführen und Synergien herstellen. Die Herausforderung besteht Darüber hinaus bleibt das Unbehagen, mit der Be- jedoch gleichzeitig darin, dass zielgruppenspezi- dienung der Wettbewerbslogik auch eine entspre- fische Strategien hier nicht de-thematisiert werden, chend wettbewerbsgetriebene Wissenschaftskultur ihre Schlagkraft verlieren und die Ressourcen entzo- zu unterstützen, die Gleichstellungszielen aber zum gen bekommen. Teil diametral gegenübersteht – dabei geht es doch bei der Chancengerechtigkeit nicht nur um Köpfe Es kann und soll an dieser Stelle keine Bewertung und kurzfristige Gewinne, sondern vor allem um vorgenommen werden. Und teilweise vermischen nachhaltige Kulturveränderung, um die Infragestel- sich auch die hier skizzierten Ansätze. Um eine kon- lung von Normen, um das Entgegenwirken der Pre- krete Verortung kommen Gleichstellungsakteur/-in- karisierung. nen heutzutage aber nicht mehr umhin – ein wei- terer Balanceakt! Grundlegend bleibt demnach die Herausforde- rung, wie die intrinsische Motivation, die an dem Gerechtigkeitsstreben und dem qualitativen Nut- 3. Spannungsfelder zen von mehr Vielfalt und Gerechtigkeit ansetzt, gestärkt werden kann, also ein zentrales Gewicht erhält in der Ausbalancierung von Interessenla- Spannungsfeld Leitmotive gen. Ein Weg dorthin scheint mir darin zu liegen, die vielen weiteren Akteur/-innen der Hochschu- Als erstes Spannungsfeld gilt das Verhältnis von len, die im Zuge der Ausdifferenzierung von Auf- Wettbewerb und Gerechtigkeit als Leitmotive, also gaben im Bereich Gleichstellung etabliert wurden, die Frage, warum sich die Wissenschaftsorganisati- als dauerhafte Partner/-innen zu gewinnen; die Ba- onen mit Gleichstellung und Chancengleichheit be- sis zu legen, von der eine (wechselnde) Führungs- schäftigen. Extrinsisch motivierte – wettbewerbsori- ebene nicht einfach wegkommt. Schließlich wer- entierte und ökonomische – Interessen verschaffen den Gleichstellungsakteur/-innen immer wieder die der Gleichstellung derzeit eine Hochkonjunktur und Rolle übernehmen müssen, Kritiker/-innen einer sind der Motor dafür, Gleichstellungsziele eng in die exkludierenden Wissenschaftskultur zu sein und in allgemeinen hochschulstrategischen Prozesse mit zu konkreten Handlungsfeldern wie Personal- und Be- integrieren. Damit sind sie dort zunächst einmal ver- rufungspolitik Verbündete zu suchen und Maßnah- ankert und festgeschrieben. Darin liegt eine große men einzufordern. 18
1 Grundlagen: Governance und Gleichstellung Plenumsvorträge Spannungsfeld Machtkonstellationen Spannungsfeld Gender und Diversity Ein Resultat gleichstellungspolitischer Reformen ist Das dritte Spannungsfeld umfasst die Frage der die Umverteilung von Macht und Verantwortung mit Positionierung von Gleichstellungszielen im Kon- der Zunahme von Akteurinnen und Akteuren im Feld text von Diversity Policies. Die zentrale Heraus- der Gleichstellung. Gleichstellungsbeauftragte be- forderung für die Gleichstellungsbeauftragten liegt wegen sich zunehmend im Spannungsfeld zwischen aus meiner Sicht in dem Balanceakt, auf der einen Akteur/-innen in der Führung, im Wissenschaftsma- Seite Gleichstellungsziele klar und deutlich sicht- nagement (Verwaltung) und in den Fakultäten. Sie bar zu machen und diese auf der anderen Seite für haben also mehrere Balanceakte zu bewältigen: Sie alle verständlich in Diversity Policies ein- bzw. zu- müssen in der Lage sein, Machtansprüche zu tei- zuordnen. Dies bedeutet sicher einerseits, (erneut) len und Rollen neu auszuhandeln. Sie sind gefordert, um den Erhalt von Ressourcen und Kompetenzen Vertrauen in die neuen Akteur/-innen zu setzen, sie im Feld der Gleichstellung kämpfen zu müssen. Es gleichsam als Verantwortliche für die Umsetzung von steckt andererseits aber auch die große Chance da- Gleichstellungszielen zu gewinnen. Sie sind ange- hinter, mehr Menschen für das Ziel der Herstellung wiesen auf gelingende Kooperationen und Netzwerke einer chancengerechten Hochschulkultur und Wis- durch eine transparente Informations- und Kommu- senschaftslandschaft zu gewinnen und damit dem nikationspolitik. Sie sind herausgefordert, einerseits langfristigen Ziel ein Stückchen näher zu kom- zentrale Steuerungsmechanismen zu entwerfen, die men: eine Kulturveränderung, in der alle Verant- die gemeinsame Zielrichtung erkennen lassen und an- wortung tragen. Die Gleichstellungspolitik der letz- dererseits eigenständige Entwicklungen auf dezen- ten Jahrzehnte hat hier wichtige Eckpfeiler gesetzt, traler Ebene stützen, um die dauerhafte Übernahme die nun auch als Maßstab für die Realisierung ei- von Verantwortung zu stärken. ner zielgruppenübergreifenden bzw. intersektional gedachten Kultur der Chancengerechtigkeit gelten Im schlimmsten Fall kann die Verschiebung von können (darunter z. B. Personalentwicklungsmaß- Machtkonstellationen zur Destabilisierung von nahmen, Standards Chancengerechtigkeit, Quoten, Gleichstellungszielen bzw. zur Degradierung und Daten-Monitoring). Isolierung der Gleichstellungsbeauftragten führen. Dies ist dann der Fall, wenn beispielsweise die Rek- Gleichzeitig wird durch die Beschäftigung mit den torate den Führungsanspruch für sich alleine geltend Herausforderungen von Diversity Policies auch die machen, oder wenn es nicht gelingt, eine breite Ba- Gleichstellung wieder neu gefordert, z. B. Mehrfach- sis für die Umsetzung zu gewinnen. diskriminierungen stärker in den Blick zu nehmen und sich den Fragen der Essentialisierung von Kate- Im besten Fall jedoch führt es dazu, dass Gleichstel- gorien wieder einmal neu zu stellen. lungsanliegen zunehmend Teil des Selbstverständ- nisses einer Organisation bzw. ihrer Mitglieder wer- den, dass sie auf allen Ebenen verstanden, getragen 4. Standpunkte und umgesetzt werden. Dies erscheint mir ein mög- licher, wenn auch voraussetzungsvoller Weg für Balanceakte können eine wackelige Angelegenheit echte Kulturveränderung zu sein. sein, auch wenn die Pole und Klippen relativ klar 19
umrissen sind. Umso wichtiger erscheint mir, Stel- Das Gender-Controlling innerhalb der Hochschulen lung beziehen zu können und Positionen selbstbe- sollte weiter ausgebaut werden, so gibt es beispiels- wusst zu vertreten. Was sind nun abschließend mei- weise im Bereich des Datenmanagements noch deut- ne Standpunkte? liches Entwicklungspotenzial, etwa hinsichtlich des Gender Pay Gap, zu beobachten. Es wird vielleicht deutlich geworden sein, dass ich persönlich mehr die Chancen als die ‚Gefahren‘ in Zudem erscheint mir die Frage nach Möglichkeiten den skizzierten Reformen sehe. Dies mag einerseits der Evaluierung von Gleichstellungsmaßnahmen meinem optimistischen Naturell geschuldet sein. An- und -entwicklungen noch nicht zu Ende gedacht. dererseits sprechen aus meiner Sicht schlichtweg gu- Hier bin ich gespannt auf eine weitere Diskussion te Argumente dafür. um Indikatoren ‚guter‘ Gleichstellungspolitik, und wie sich diese z. B. in der neuen Ausgestaltung der So trete ich erstens dafür ein, Gleichstellungkon- Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards nie- zepte als relevanten Wettbewerbsfaktor zu erhal- derschlagen werden. ten. Die Konkretisierung und Quantifizierung von Zielen ist gut für die Entwicklung von Gleich- Gleichzeitig sollten und müssen sich die Ziele von stellungspolitik, weil sie damit greifbar wird. Der Gleichstellungspolitik kritisch mit wettbewerbsge- Wettbewerb fordert heraus, immer wieder zu hin- triebener Wissenschaftskultur auseinandersetzen, terfragen, wo man selbst im Vergleich zu anderen nachhaltigen Kulturwandel statt kurzfristige Ge- steht und die eigenen Ziele damit in Verhältnis zu winne befördern, zunehmende Prekarisierung von setzen. Er spornt zudem an, besser sein zu wollen Beschäftigung aufhalten, und immer wieder – Nor- als andere und sich somit ambitionierte Ziele zu men von ‚Exzellenz‘ in Frage stellen. setzen. Das erscheint mir kein Widerspruch zu dem normativen Motiv der Gerechtigkeit sein. Viel- Zweitens begrüße ich die Ausdifferenzierung und mehr kann diese Herangehensweise zwei Fliegen Dezentralisierung von Verantwortung auf diverse mit einer Klappe schlagen: Zum einen bedient es Stellen innerhalb der Hochschulen. Es ist gut, wenn das Bedürfnis einiger, eher eine rationale bzw. nut- sich möglichst viele verschiedene Bereiche mit zenorientierte Herangehensweise zu bevorzugen. Gleichstellungsfragen auseinandersetzen (müssen) Andererseits ermöglicht die Dokumentation und und in diesem Zusammenhang auch Verantwor- Vergleichbarkeit von Gleichstellungszielen, Ent- tung tragen. Sicher, das setzt voraus, Vertrauen zu wicklungen besser verfolgen und Schwerpunkte haben, dass auch bei Personenwechsel immer noch setzen bzw. auch verändern zu können. Meine For- entsprechende Gender-Expertise oder zumindest ein derungen hierzu sind: entsprechendes Bewusstsein erhalten bleibt. Und es setzt voraus, dass wir gut und viel miteinander Drittmittelförderung sollte also weiterhin und noch sprechen müssen. Aber ohne dieses Vertrauen und stärker die Integration von Gleichstellungskonzep- die Etablierung von breiten Kommunikationskanä- ten und Genderforschung einfordern; hierbei setzen len und Steuerungsinstrumenten werden wir es nicht die jüngst veröffentlichten Förderkriterien für Exzel- schaffen, eine Kultur der Verantwortung auf allen lenzcluster in der nächsten Antragsrunde aus meiner Ebenen der Hochschule zu implementieren. Gelin- Sicht wichtige Weichen. gende Instrumente können hierfür sein: 20
1 Grundlagen: Governance und Gleichstellung Plenumsvorträge die Trennung der Strukturen der Gleichstel- dene Konzepte und Strategien hier eingeordnet und lungsbeauftragten von denen des Gleichstel- müssen nicht neu definiert werden. Es macht aber lungsmanagements (i. S. des Monitoring und gleichzeitig deutlich, was ihre Gemeinsamkeiten Controlling) sowie von der Verantwortung für sind. Diversity Policies; Auf der Management-Ebene, also der Verankerung die Integration von Gleichstellungszielen in die von Zuständigkeiten und Ressourcen, sollte Gleich- hochschulinternen Steuerungsinstrumente, wie stellung selbstverständlich weiterhin sichtbar und z. B. Ziel- und Leistungsvereinbarungen eng ge- eigenständig bleiben, ebenso wie im Übrigen die koppelt an Gleichstellungspläne bzw. anderweitig Handlungsfelder Barrierefreiheit oder Internationa- vorhandene Gleichstellungskonzepte (diese Ziele les/Interkulturelle Öffnung, die ja auch auf etablierte und Konzepte müssen Elemente beinhalten, in Strukturen zurückgreifen. Ein Diversity Management denen beispielsweise Fakultäten eigene Schwer- an Hochschulen hat die Aufgabe, diese Ressour- punkte setzen, zu deren Umsetzung sie sich ver- cen miteinander zu vernetzen, in Zusammenhang zu pflichten); bringen, Leerstellen zu erkennen und neue Entwick- lungen anzustoßen. Konsequent gedacht spricht di- der Aufbau von regelmäßigen Netzwerkveran- es für eine Entkopplung von Gender- und Diversity staltungen, sei es über eigene Arbeitsgruppen Management, um hier keine Setzungen vorzugeben. oder zentrale größere Informationsveranstal- tungen sowie von weiteren Kommunikationska- nälen zur Abstimmung von bzw. zur Information Literaturverzeichnis über strategische Entwicklungen. Löther, Andrea; Vollmer, Lina (2014): Erfolge durch Und drittens trete ich entschieden für eine Verknüp- Strukturen? Hochschulische Gleichstellungsarbeit im Wan- fung von Gender- und Diversitystrategien, aber für del. In: Andrea Löther und Lina Vollmer (Hg.): Gleich- eine Entkopplung von Gender- und Diversity Ma- stellungsarbeit an Hochschulen. Neue Strukturen – neue nagement ein. Ziel ist die Etablierung einer Hoch- Kompetenzen. Opladen: Verlag Barbara Budrich (cews.Bei- schulkultur, die Chancengerechtigkeit auf allen träge Frauen in Wissenschaft und Forschung, 6), S. 17–56. Ebenen ermöglicht; dies gilt für Geschlechtergerech- tigkeit wie auch für das Thema Inklusion/Barriere- Riegraf, Birgit; Weber, Lena (2014): Unternehmerische freiheit, Bildungsgerechtigkeit oder Interkulturelle Hochschule. Veränderungen in der Gleichstellungspolitik Öffnung. Ein plausibles und umfassendes Diversity- und Auswirkungen auf die Gleichstellungsarbeit. In: An- Konzept muss also all diese strategischen Ziele bün- drea Löther und Lina Vollmer (Hg.): Gleichstellungsarbeit deln können, ohne dabei einzelne Dimensionen aus an Hochschulen. Neue Strukturen – neue Kompetenzen. dem Blick zu verlieren. Ein entsprechendes Diversi- Opladen: Verlag Barbara Budrich (cews.Beiträge Frauen in ty-Konzept positioniert sich also klar zu den Zieldi- Wissenschaft und Forschung, 6), S. 74–86. mensionen Geschlechtergerechtigkeit, Bildungsge- rechtigkeit, Inklusion und Interkulturelle Öffnung, Roski, Melanie; Schacherl, Ingrid (2014): Die Professiona- mit ihren je unterschiedlichen spezifischen He- lisierung der Gleichstellungsarbeit im Reformprozess. Aus- rausforderungen. Folglich können bereits vorhan- bau von Gleichstellungswissen und Genderkompetenz in 21
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