INDUSTRIEPOLITIK HEUTE - REGIONALE BEI SPIELE DER IG METALL - INDUSTRIE ENERGIE - REGIONALE BEISPIELE DER IG METALL
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Impressum Herausgeber: IG Metall Vorstand, VB04, 60329 Frankfurt/Main Verantwortlich: Wolfgang Lemb Redaktion: Astrid Ziegler, Ilka Grobe Korrektorat: Sarah Menacher, Marén Rüger Textbearbeitung, Satz und Layout: Agentur WAHLE & WOLF, 56479 Elsoff Druckerei: Druckerei Henrich Druck + Medien, Schwanheimer Straße 110, 60528 Frankfurt am Main Bestellung im intra-/extranet der IG Metall über Produktnummer 29049-49844 Kontakt und Bestellung für Nichtmitglieder: sarah.menacher@igmetall.de Erste Auflage Juni 2014 klimaneutral natureOffice.com | DE-654-815788 gedruckt
Inhalt Vorwort.......................................................................................................... 4 IG Metall Berlin Wissen, was die Betriebe brauchen.................................................. 6 IG Metall Bremerhaven Vom Schiffbaustandort zur Klimastadt............................................. 10 IG Metall Düsseldorf-Neuss Richtiger Mix statt nur Messe, Medien, Mode............................... 14 IG Metall Erlangen Lehrstuhl für Projektmanagement initiiert..................................... 18 IG Metall Frankfurt am Main Renaissance der Industriepolitik mit Masterplan........................ 22 IG Metall Gaggenau Pragmatische Industrie- statt Leuchtturmpolitik......................... 26 IG Metall Heidelberg Mit Ingenieuren und Technikern in die Zukunft............................ 30 IG Metall Heilbronn-Neckarsulm Industrie- und Betriebspolitik gut vernetzt.................................... 34 IG Metall Hildesheim Zukunftsfähigkeit erhalten, Fachkräfte entwickeln..................... 38
IG Metall Jena-Saalfeld und Erfurt Den Fachkräftemangel stoppen........................................................... 42 IG Metall Koblenz Industriearbeitsplätze durch „Gute Arbeit 2020“....................... 48 IG Metall Leipzig Boom-Town mit viel regionalem Potenzial...................................... 52 IG Metall Minden Ganzheitliche Strukturpolitik und Industrie 4.0.......................... 56 IG Metall Rostock Keine Zukunft für Niedriglöhne........................................................... 60 IG Metall Schweinfurt Netzwerke, Proteste und pro-aktive Lösungen.............................. 64 IG Metall Region Stuttgart Industrielle Kerne stärken, Zukunftsfelder erschließen............ 68 IG Metall Region Vogtland „Green-Tech“ und Gute Arbeit als Markenzeichen...................... 72 IG Metall Wolfsburg Engineering-Projekt zur regionalen Entwicklung.......................... 76
Vorwort Die Bedeutung der Industrie für die wirtschaftliche Industrie bleiben die industriellen Herausforde- Entwicklung von Regionen und Ländern hat sich rungen für die deutsche Industrie groß: Weltweite durch die Erfahrungen mit der Finanz- und Welt- Überkapazitäten, neue technologische Entwicklun- wirtschaftskrise 2008/2009 gewaltig verändert. gen, gesellschaftliche Zukunftsaufgaben (Klima- Bis dahin hatten Politik und Wissenschaft die In- wandel, Energiewende, Mobilität, demografische dustrie lange Zeit abgeschrieben. „Moderne Wis- Entwicklung etc), um nur einige zu nennen, verlan- sensgesellschaften“ – so die einhellige Meinung gen Antworten, die allzu häufig ausbleiben. – erwirtschaften ihren Wohlstand immer weniger aus industrieller Produktion, sondern zunehmend Industriepolitik findet nicht nur in Brüssel oder aus Know-how und intellektuellen Fähigkeiten. Berlin statt. In einem föderalen Staat wie der Bun- In der Konsequenz vernachlässigte die Politik in desrepublik setzen auch die sechzehn Bundes- Deutschland die Industrie lange Zeit – nach dem länder und die vielen Stadt- und Landkreise mit Motto: Der Markt wird es schon richten. Mit dem ihren Möglichkeiten den Rahmen, indem sie die Ergebnis, dass Deutschland auf die Entwicklung Industrie und die industrienahen Dienstleistungen einer Dienstleistungsgesellschaft und des Finanz- weiterentwickeln. Dabei ist gerade diese regiona- sektors setzte. le Ebene schon seit einiger Zeit ein interessantes Feld für neue wirtschafts- und strukturpolitische Heute wissen wir: Die deutsche Wirtschaft hat gut Umsetzungs-Strategien. Viele Akteure leisten dort daran getan, diesem Abgesang auf die „Old Eco- mit unterschiedlichen Akzenten einen spezifischen nomy“ zu widerstehen. Diesem zum Trotz hat die Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen, unter deutsche Industrie ihre Standorte modernisiert denen die Industrie gefördert wird. und weiterentwickelt. Nicht zuletzt durch das Zu- sammenspiel von IG Metall, Betriebsräten und Ar- Die IG Metall mischt sich in diese industriepoli- beitgebern sind die deutschen Unternehmen gut tischen Diskussionen mit eigenen Konzepten und durch die Krise gekommen. Unterm Strich besinnt Vorschlägen – oft eingebunden in regionale Netz- sich die Politik seit der Finanzkrise wieder auf in- werke – ein. Wichtige industrie- und regionalpoli- dustrielle Werte. tische Impulse gehen dabei von der IG Metall vor Ort aus. Hier spielen Fragen der Wirtschaftsförderung, Das Ansehen der Industrie und der Industriepoli- der Stadtentwicklung, der Infrastrukturplanung tik hält seitdem an. So spricht die EU-Kommission oder der Förderung von Cluster-, Technologie- und von einer Reindustrialisierung, auch die Bundesre- Innovationsinitiativen ebenso eine Rolle wie die re- gierung bekennt sich in ihrer Koalitionsvereinba- gionale Arbeits-, Bildungs-, Umwelt- oder Wohnsitu- rung zum Industriestandort Deutschland. Obwohl ation (siehe Abbildung). es eine programmatische Neuausrichtung der In- dustriepolitik gab, stochern viele Verantwortliche Mit der vorliegenden Dokumentation von achtzehn in Politik und Ministerien noch im Nebel und die Beispielen beleuchten wir diese regionale Ebene ge- konkrete Umsetzung hinkt der Programmatik weit nauer. Wir stellen verschiedene Verwaltungsstellen hinterher. Denn trotz des positiven Blicks auf die mit ihrem ganz spezifischen Ansatz, den industri- EU Bund Länder Abstimmung – Förderung Wirtschaftspolitik Technologiepolitik Wirtschaft Arbeitsmarktpolitik Arbeit Bildung Strukturpolitik Region Wissenschaft Verkehr Wohnen Bildungspolitik Gesundheit Umweltpolitik Planung und Raumordnung Bildnachweis: Godehard Neumann 4
ellen Wandel zugunsten von Beschäftigung aktiv zu uch betriebliche Belange mit Hilfe der Betriebs- a Bildnachweis: fotolia gestalten, vor. räte in den regionalen Diskurs einbringt. Krisen bewältigt, die Schließungen von Indus- Die Beiträge sind so vielfältig wie der jeweilige, auch triebetrieben verhindert und für den Erhalt von historisch gewachsene regionale Kontext. Das betrifft Arbeitsplätzen kämpft. die Betriebs- und Beschäftigtenstruktur, die Akteur- skonstellation oder die zu bearbeitenden Themen und Eines wird durch die vielen Aktivitäten sichtbar: Lösungswege. Die inhaltliche Klammer bildet die Fra- Die Tür für einen Dialog ist weit offen, wenn es um ge, was in der jeweiligen Region getan wurde und heu- Fragen geht, was industriepolitisch geplant, ange- te noch unternommen wird, um die industrielle Basis stoßen und gefördert werden soll. Die vorliegen- zukunftsfest zu machen. de Dokumentation ist in ihrer Breite und Tiefe ein wichtiger Beitrag in dieser aktuellen Debatte um Die Broschüre hat nicht den Anspruch, über alle den Bedeutungsgewinn der Industrie und der In- industriepolitischen Aktivitäten und Erfahrungen dustriepolitik in Deutschlands Regionen. Und sie in den Verwaltungsstellen der IG Metall zu infor- richtet ihren Blick auf die IG Metall als industrie- mieren. Sie will zum einen die regionale Ebene in politischer Akteur vor Ort. ihrer Vielfalt und ihren Handlungsmöglichkeiten betrachten und einige Beispiele vorstellen. Zum anderen will sie Kollegen und Kolleginnen, die bis- her auf diesem Feld noch nicht aktiv sind, Mut ma- chen, das Thema für sich zu erschließen. Insgesamt wird durch die Beispiele deutlich, dass für die IG Metall die regionale Industriepolitik ein wich- tiges Aktionsfeld ist. Sie versteht sich als regionaler Akteur, der Impulse gibt und regionale Initiativen anstößt und moderiert. Probleme benennt und an Lösungen arbeitet. Wolfgang Lemb Positionen in die regionalpolitische Debatte ein- Geschäftsführendes Vorstandsmitglied bringt und dort durchsetzt. der IG Metall 5
IG Metall Berlin Wissen, was die Betriebe brauchen Bildnachweis: MAN „Industriepolitik ist heute kein Fremdwort mehr in Berlin. Allerdings bleibt noch viel zu tun, um den weiteren Ausbau der Industrie zu fördern. Die Ressourcen, die die Bundeshauptstadt hat – und hier sind an erster Stelle die Hochschulen und die Forschungseinrichtungen zu nennen –, werden bisher nur zum geringen Teil für eine dynamische Industrieentwicklung ausgeschöpft. Dies zu verändern ist eine zentrale Aufgabe der Industriepolitik der nächsten Jahre.“ Arno Hager Erster Bevollmächtigter der IG Metall Arno.Hager@igmetall.de 6
Seit Ende der 1990er Jahre waren die Industriebetriebe Berlins von Verlagerungen und Beschäftigungsabbau be- droht. Der erbitterte Widerstand der IG Metall und der Kolleginnen und Kollegen vor Ort konnte diese Deindus- trialisierung nur zum Teil aufhalten. Seit einigen Jahren zeichnet sich aber eine veränderte Strategie in Politik und Unternehmen ab. Dies ist unter anderem Ergebnis der konstruktiven Industriepolitik der IG Metall Berlin. In den 1990er Jahren und der ersten Hälfte des darauf fol- Betrieben, Gesamtbetriebsräten und Aufsichtsräten genden Jahrzehnts war die Berliner Metall- und Elektro – und sie geben ihrer Gewerkschaft Einblick in die industrie von Arbeitsplatzabbau, -verlagerungen und Situation in den Betrieben. Sie sind häufig schon lan- starken Abwehrkämpfen geprägt. Erst ab 2005/2006 ge im Amt, kennen die Entwicklung „ihres“ Betriebs kann davon gesprochen werden, dass der Strukturbruch wie ihre Westentasche und sind bestens im Unter- in Berlin nach der Wiedervereinigung ein Ende gefunden nehmen vernetzt. Und sie kümmern sich darum, dort hat: In der Ost-Berliner Metall- und Elektroindustrie wa- möglichst viele stabile und qualitativ hochwertige Ar- ren 2005 von den zuvor 120 000 nur noch rund 14 000 beitsplätze zu schaffen oder zu halten. Arbeitsplätze übrig geblieben, im alten West-Berlin von Auf Arbeitgeberseite agieren dagegen zumeist Mana- etwa 100 000 rund 50 000. ger, die oft nur kurze Zeit am Standort sind, manchmal Berlin war von vielen schon als reine Dienstleistungs- nur zwei bis drei Jahre. Sie sind stark in die Unterneh- metropole betrachtet worden. Doch nach und nach menshierarchie eingebunden. Ihre Berichtslinie lautet rücken die Chancen für Industriebetriebe wieder ins ManagergBereichsvorstandgVorstand. In diesem Blickfeld der regionalpolitischen Akteure. Strategi- System ist es zwar fatal, aber durchaus logisch, dass sche Bereiche wie F&E, Engineering und Vertrieb wur- der Standort in der beruflichen Entwicklung der meis- den schrittweise neu angegliedert. Ein Beispiel: Sie- ten Manager nur eine nachgeordnete Rolle spielt. Zu- mens holte den weltweiten Gasturbinen-Service und dem sind sie meist zur Verschwiegenheit verpflichtet, -Vertrieb ins Berliner Werk. und die Arbeit nach außen ist durch die jeweiligen Heute gibt es zahlreiche Leadfactories statt der „ver- Kommunikationsabteilungen stark reglementiert. Es längerten Werkbänke“ bedeutender Unternehmen kann deshalb nicht verwundern, dass die IG Metall oft im alten Westen und der Kombinate im alten Osten. deutlich detailliertere und fundiertere Informationen Allerdings ist das Kernproblem dennoch unüberseh- über ein Unternehmen hat als zum Beispiel die ört- bar: Der Industriebesatz ist in Berlin im Vergleich zu lichen Arbeitgeberverbände oder die IHK. anderen Ballungsräumen viel zu gering. Gemessen an Druck Hamburg ist ist der Industrialisierungsgrad Berlins um Besser-Strategien ein Viertel kleiner. Diese Situation bildete den Aus- Politiker gangspunkt für die industrie politischen Aktivitäten Forschung Plattformen schaffen Energy City Makro-Ebene der IG Metall Berlin. SKIP IG BCE DGB In die Offensive gehen – praxisorientiert! Wirtschaftsverbände Bürgermeister Berlin Praxisbezug Mitte der 2000er Jahre waren die Diskussionen im im Masterplan Wachstumschancen DGB Berlin-Brandenburg und in der Berliner IG Metall so weit fortgeschritten, dass die Gewerkschaften mit Hochschulen Leadfactories einer offensiven Strategie an die Politik und die Öf- fentlichkeit herantreten konnten. Den Startschuss gab Resonanz Abwehrkämpfe das „Industriepolitische Memorandum“ des DGB, in Berlin kann Industrie dem die DGB-Gewerkschaften eine aktive Industrie politik forderten. Mikro-Ebene Betriebsräte Die Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt ein erfahrener IG Metall-Funktionär – Dieter Scholz – den DGB leitete, war für dieses Vorhaben sehr günstig. Die Arbeitsteilung Weitere Vorteile der IG Metall: Ihre Handlungsfelder zwischen DGB und IG Metall verschaffte dem gewerk- reichen bis in die Konzernpolitik hinein. Die verant- schaftlichen industriepolitischen Ansatz große Schlag- wortlichen Betriebsräte vor Ort, die mit der Gewerk- kraft: Der DGB hatte gute Kontakte zu den Parteien, den schaft kooperieren, werden dadurch zu „natürlichen“ entsprechenden Senatorinnen und Senatoren, dem Re- Industriepolitikern. Auf dieser Grundlage umfassen- gierenden Bürgermeister und den Wirtschaftsverbänden. der betrieblicher Informationen gelang es der IG Me- In Ergänzung dazu konzentrierte sich die IG Metall darauf, tall schließlich, eine betriebsübergreifende politische den politischen Akteuren die praxisbezogenen Aspekte Strategie mit konkreten Verbesserungen für die Indus- darzulegen. Dabei stand im Mittelpunkt die Frage, wie triebetriebe zu verbinden. die Industrie in Berlin durch konkrete Unterstützung der Der industriepolitische Ansatz der IG Metall war und Betriebe und Unternehmen vorangebracht werden kann. ist also betont praxisorientiert. Das Ziel ist klar: Ber- Das große Plus der IG Metall: Viele ihrer Mitglieder lin braucht ein starkes industrielles Fundament! In- sind Betriebsräte in verantwortlicher Funktion in dustrie und Dienstleistung sind keine Gegensätze. 7
Mehr Industrie auf hohem technischen Niveau mit Das Projekt entsprang einer gemeinsamen Interessen- hohen Qualifikationsprofilen bringt eine hohe Wert- lage der beteiligten Unternehmen, der IG Metall und schöpfung, die wiederum hochwertige Dienstleistun- der öffentlichen Hand. Die Unternehmen versprachen gen nach sich zieht. Mehr Industrie bedeutet deshalb, sich durch die Unterstützung der Netzwerkmanager dass die Wirtschaftskraft pro Kopf nachhaltig steigt. mehr Wachstum und gute Gewinne; die IG Metall setz- In der Folge steigen die Steuereinnahmen und Mittel te darauf, dass dadurch neue und gute Arbeitsplätze für eine soziale Stadtentwicklung werden frei. Die ein- entstehen; und der Stadt Berlin waren die zusätzlichen fache Gleichung lautet also: Mehr Industrie = mehr Steuereinnahmen aus höheren Gewinnen und mehr Chancen für eine soziale Stadtentwicklung. Beschäftigung wichtig, um ihre politischen Handlungs- Der gewerkschaftliche Ansatz, politische Strategie mit spielräume zu steigern. Das Projekt ermöglichte es den praktischer Arbeit zu verbinden, kam vor allem in zwei beiden Netzwerkmanagern, als neutrale Vermittler zwi- industriepolitischen Projekten zum Tragen: Zum einen in schen den Beteiligten zu arbeiten. Sie waren weder von dem vom Wirtschaftssenat geförderten Projekt „Innovati- den Unternehmen abhängig, noch von der Politik, der onsnetzwerk Berliner Metall- und Elektroindustrie“, zum Verwaltung oder einer Hochschule. anderen in dem von der Hans-Böckler-Stiftung finanzier- Industriepolitik bedeutet für die IG Metall Berlin in ten Projekt „Neue Wachstumschancen für Berlin“. erster Linie, vor Ort praktische Probleme zu lösen. Wenn es zum Beispiel um eine Ausnahmegenehmi- Das Projekt „Innovationsnetzwerk“ gung für Großtransporte oder ein Kooperationsprojekt Die Initiative für das Innovationsnetzwerk Berliner Metall- zwischen einem Industriebetrieb und der Technischen und Elektroindustrie, das Anfang 2006 gestartet wurde, Universität Berlin ging: Das Netzwerkmanagement mit ging von der Berliner IG Metall aus. Sie leistete damals ei- dem IG Metall-Label konnte sowohl in der öffentlichen nen Startfinanzierungsbeitrag dafür und stellte Ressour- Verwaltung, den Hochschule oder im Senat Verständ- cen für das Netzwerkmanagement zur Verfügung. nis für die Belange von Industriebetrieben erreichen, Im Rahmen dieses Projekts wurden unter anderem als auch umgekehrt bei den Industrieunternehmen zwei Netzwerkmanager eingestellt, an deren Finan- zum Verständnis der spezifischen Sicht und der Abläu- zierung sich zu einem Drittel sechs Unternehmen der fe in der öffentlichen Verwaltung oder den Hochschu- Metall- und Elektroindustrie beteiligten. Die restlichen len beitragen. zwei Drittel wurden durch öffentliche Fördermittel Das Ergebnis: Viele vermeintlich unlösbare Knoten finanziert. Aufgabe der Netzwerkmanager war es, den konnten durchschlagen werden. Das führte in den Un- sechs beteiligten Unternehmen beim Ausbau ihrer ge- ternehmen dazu, dass deutlich mehr Beschäftigte ein- schäftlichen Aktivitäten und neuer Beschäftigungsfel- gestellt wurden. Die Hochschulen profitierten ebenfalls der behilflich zu sein. „Was braucht Ihr Betrieb in Ber- von der Kooperation. Und auch das Ansehen der betei- lin, um zu wachsen und Beschäftigung aufzubauen?“, ligten Verwaltung als Problemlöser stieg. Nach sechs lautete die Frage (siehe Abbildung 1), mit der sie sich Jahren wurde das Projekt beendet. Heute setzt sich die an die Unternehmen wandten. IG Metall für eine dauerhafte Institution ein, die die Abbildung 1: Der neutrale Netzwerkma- nager vermittelt die zum Beschäftigungsaufbau nötigen Bedarfe der Betriebe gegenüber den Hochschulen, der Ver- BetrIeBe waltung und der Politik. Bildnachweis: eigene Darstellung/Wahle & Wolf netzwerkManaGer hochschulen verwaltunG polItIk 8
Kontakte zwischen Hochschulen und Betrieben wei- MIT „BESSER-STRATEGIEN“ Abbildungen 2 und 3: terhin professionell begleitet und ausbaut. IN DIE ZUKUNFT Die Berliner IG Metall Der Steuerungskreis SKIP und der Masterplan sind will die regionalen EINE STUDIE, EIN STEUERUNGSKREIS direkte Resultate der von den Gewerkschaften und Stärken stärken: Zum und ein Masterplan den Arbeitgeberverbänden angestoßenen Diskussi- Neben diesem Projekt auf Mikro-Ebene gab es ein on über die Bedeutung der Industrie für Berlin. Auf Beispiel die energie- zweites auf Makro-Ebene, das den erfolgreichen in- beiden Plattformen agiert die IG Metall, um ihre in- relevanten Betriebe wie dustriepolitischen Ansatz der IG Metall widerspiegelt. dustriepolitischen Vorstellungen einzubringen und MAN (Bild links) und Das von der Hans-Böckler-Stiftung finanzierte Projekt entsprechende Aktivitäten zu forcieren. Dabei war Alstom (Bild rechts). mit dem Titel „Neue Wachstumschancen für Berlin“ und ist ihr wichtig, keine eindimensionale Industrie Bildnachweis: IG Metall Berlin sollte ermitteln, welche Bedeutung die Industrie für lobbyarbeit zu leisten, sondern im Rahmen von die wirtschaftliche Entwicklung Berlins hat und welche „Besser-Strategien“ konstruktiv zu einer zukunfts- Rolle sie künftig spielen kann. Für den Beirat des Pro- orientierten Industrie- und zur Stadtentwicklung jektes konnte der DGB-Vorsitzende neben Vertretern beizutragen. von IG Metall und IG BCE die Verantwortlichen der Wirt- Industriepolitik ist heute kein Fremdwort mehr in Ber- schaftsverbände gewinnen: den Hauptgeschäftsführer lin. Allerdings bleibt noch viel zu tun, um den weiteren der IHK, den Präsidenten der Handwerkskammer, den Ausbau der Industrie zu fördern. Die Ressourcen, über Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände die die Bundeshauptstadt verfügt – und hier sind an und den koordinierenden Verantwortlichen aus dem erster Stelle die Hochschulen und die Forschungsein- Wirtschaftssenat. Dies hatte den Vorteil, dass alle richtungen zu nennen –, werden bisher nur zum gerin- Beteiligten auf kurzem Wege ihre Sichtweisen austau- gen Teil für eine dynamische Industrieentwicklung aus- schen konnten. Das Projekt legte die Basis dafür, dass geschöpft. Dies zu verändern ist eine zentrale Aufgabe Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände gemeinsam der Industriepolitik der nächsten Jahre. gegenüber Politik und Öffentlichkeit Maßnahmen zum Die zweite große Aufgabe besteht darin, ein Allein- Ausbau der Industrie einfordern konnten. stellungsmerkmal der Berliner Industrie herauszuar- Im März 2009 wurde die Studie veröffentlicht und stieß beiten. Statt die Not zu beklagen, dass die Automobil- auf große Resonanz in Öffentlichkeit und Politik. In ge- industrie in Berlin im Verhältnis zu Gesamtdeutsch- wisser Weise wurde die Arbeit der vergangenen Jahre land deutlich unterrepräsentiert ist (minus 50 Pro- darin zusammengefasst und verdichtet. Diese Initia- zent), sollte hervorgehoben werden, dass der Bereich tive beeindruckte nicht zuletzt auch den Regierenden der Energie-Technik (plus 60 Prozent) hier wesentlich Bürgermeister, der sich veranlasst sah, im März 2010 größer ist als im bundesdeutschen Durchschnitt. den Steuerungskreis Industriepolitik (SKIP) einzurich- Eine Industriepolitik, die an den wirtschaftlichen Stärken ten. Unter seiner Leitung setzen sich seither Senato- ansetzt, findet beachtliche Potenziale vor. In Berlin gibt rinnen und Senatoren, die Spitzen der Wirtschaftsver- es rund 350 Unternehmen in energierelevanten Berei- bände sowie DGB, IG Metall und IG BCE mit konkreten chen, 70 Prozent davon in produzierenden Betrieben: Themen der Industriepolitik auseinander. Energienetze und -speicher, Turbomaschinen/Kraft- Im Juni 2010 stellte dann der damalige Wirtschafts werkstechnik, Schalttechnik/Messtechnik, Lichttechnik, senator einen „Masterplan Industrie“ der Öffentlichkeit Energieeffizienztechnologien, Solarenergie/E-Mobility vor. Die Hauptaussage: Berlin braucht eine stärkere, (siehe Abbildungen 2 und 3). Die IG Metall Berlin arbei- innovative Industrie als Motor der Wirtschaftsentwick- tet mit daran, dass sich „Berlin: Energy City“ und „Berlin lung. Und ebenso wichtig: Nicht Neuansiedlungen ste- kann Industrie“ als prägende Botschaften in den Konzer- hen im Zentrum einer Wachstumsstrategie, sondern nen, in der Politik und in der Öffentlichkeit durchsetzen. die gezielte Unterstützung der Innovationskraft vor- Beides zusammen wird einen Schub für die Weiterent- handener Konzernbetriebe. wicklung der Industrie in Berlin bringen. 9
IG Metall Bremerhaven Vom Schiffbaustandort zur Klimastadt Bildnachweis: PantherMedia „Nach dem Zusammenbruch der maritimen Industrie ist seit 2006 eine Trendwende für den Industriestandort Bremerhaven wieder in Sicht. Die Ansiedlung von Offshore-Windenergie- unternehmen hat der Region 1 500 Arbeitsplätze gebracht. Wir sind zuversichtlich, dass es uns gelingt, weitere Arbeitsplätze in dieser Branche zu schaffen und dauerhaft zu sichern. Dazu sind allerdings verlässliche politische Rahmenbedingungen nötig, die endlich Planungs- sicherheit ermöglichen und die Unsicherheit beenden.“ Karsten Behrenwald Erster Bevollmächtigter der IG Metall Bremerhaven Karsten.Behrenwald@igmetall.de 10
Nach dem Zusammenbruch des Werftenverbundes „Bremer Vulkan“ 2005 verloren mehrere tausend Metallerin- nen und Metaller ihre Arbeit. Die Arbeitslosenquote lag in Bremerhaven damals bei 26 Prozent. Die IG Metall hielt daraufhin in einer gemeinsam mit politischen und gesellschaftlichen Kräften verabschiedeten „Bremer- havener Erklärung“ fest, dass es dringend notwendig sei, Industriearbeitsplätze in Bremerhaven zu sichern und neue Industrien anzusiedeln. Durch den inzwischen erfolgten Zuzug von mehreren Offshore-Wind-Unter- nehmen zeichnet sich nun auch bei der Arbeitslosigkeit langsam eine Trendwende ab. Der regionalen Industriepolitik der IG Metall Bremer- haven kommt seit Mitte der 1990er Jahre eine beson- dere Bedeutung zu: Durch den Zusammenbruch der Bremerhavener Schiffbauindustrie – zuletzt durch den Konkurs des Bremer Vulkans (siehe Kasten) – gingen im Laufe weniger Jahre Tausende von Arbeitsplätzen verloren. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Be- schäftigten sank zwischen 1994 und 2005 um 17,6 Pro- zent. Die Arbeitslosenquote lag 2005 bei 26 Prozent. Das bedeutete: 14 000 Menschen waren ohne Arbeit, 10 000 bezogen Hartz IV. Viele davon waren Metaller. 7 000 Vulkanesen verloren ihre Arbeit Die Bremer Vulkan AG war als bedeutende Groß- werft eine der wichtigsten Arbeitgeberinnen nörd- lich von Bremen. Sie baute Schiffe aller Art und gehörte über Jahrzehnte zu den großen Werften Europas. Weil nachhaltige Investitionskonzepte haven zu erhalten und neue Industrien anzusiedeln Abbildung 1: Letzter fehlten, konnte sie dem Wettbewerb mit asia- (siehe Abbildung 2, Seite 13). Gleichzeitig organisierte Stapellauf auf der SSW tischen Werften nicht standhalten. Das Unter- sie den notwendigen Druck, um alle relevanten Akteu- Shipyard GmbH (See- nehmen geriet aufgrund unzureichenden Eigen- re der Region an einen Tisch zu bekommen. IG Metall, beckwerft). Der Betrieb kapitals, fehlender nationaler Zielsetzung und Bremer Senat, Bremerhavener Magistrat und IHK ver- Investitionstätigkeit im zivilen Schiffbau in finan- ständigten sich in einer gemeinsamen „Bremerhave- schloss Mitte 2009. zielle Schwierigkeiten. 1996 musste die Vulkan ner Erklärung“ schließlich darauf, dass es notwendig Bildnachweis: IG Metall Bremerhaven AG Insolvenz anmelden und im August 1997 den sei, die vorhandenen Schlüsselindustrien in Bremer- Betrieb in der Stammwerft in Bremen-Vegesack haven zu behalten und zugleich neue Industrien – einstellen. 7 000 Arbeitsplätze gingen verloren. insbesondere Offshore/Wind – forciert anzuwerben. Auch viele weitere Institutionen, politische und gesell- Beschäftigungsentwicklung im Bremerhavener Schiffbau schaftliche Kräfte positionierten sich öffentlich, um sich zum Industriestandort Bremerhaven und dessen 10 000 8 935 Ausbau zu bekennen. 8 000 6 546 6 000 4 359 Betriebsräte maritime Industrie 4 000 2 634 1 471 1 051 Trendwende Klimastadt 2 000 751 813 763 0 -2 000 Planungssicherheit EEG -4 000 -6 000 -8 000 Bündnis für Industrie Offshore-Wind-Energie -8 172 -10 000 1975 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2012 2013 1975 Bremerhaven bis 2013 Nur mit Betriebsrat! Kundgebungen In dieser Zeit drohte die maritime Industrie in Bre- Belegschaften Windagentur Demos merhaven komplett zusammenzubrechen (siehe Ab- bildung 1). Schon frühzeitig hatte die IG Metall ge- meinsam mit Betriebsräten und Belegschaften in der Nur mit Tarif! Bremerhavener Erklärung Region auf zahlreichen Kundgebungen und Demons- Untergang der Werften trationen gefordert, den Wirtschaftsstandort Bremer- 11
Trendwende durch Offshore- Unklare Politik führt zu Windindustrie Investitionsstau Erst 2006 gelang es, den Negativtrend zu stoppen. In den letzte Jahren gerieten notwendige Investitionen In diesem Jahr gab es endlich wieder einen Zuwachs in Offshoreparks in Nord- und Ostsee ins Stocken. Der an industriellen Arbeitsplätzen. Der Strukturwandel Grund dafür waren schwierige politische Rahmenbe- zeigte also erste Erfolge: Betriebe der Offshore-Wind- dingungen – unter anderem das mangelnde Bekennt- industrie siedelten sich an (siehe Abbildung 3). nis zu den Ausbauzielen sowie das Fehlen einer Ein- Die Offshore-Windenergie ist eines der wichtigs- speisevergütung und von Netzanbindungen, um den ten Wachstumsfelder der Windenergiebranche. In Strom weiterzuleiten. Das wiederum führt aktuell zu der deutschen Nord- und Ostsee sind Dutzende Unterbeschäftigung in den Produktionsstandorten Windparks mit bis zu 5 000 Windenergieanlagen von Weserwind, PowerBlades und AREVA Wind. geplant. Die Hersteller errichten ihre Produktions- An diesen Standorten wurde mittlerweile Kurzarbeit stätten für die Offshore-Windenergieanlagen direkt vereinbart. Ein auf Initiative der IG Metall mit diesen an der Küste, um gefertigte Einzelteile gleich auf Unternehmen und dem Land Bremen gegründetes Schiffe verladen und zu den Bauplätzen auf hoher „Betriebliches Bündnis Windenergie“ macht sich ge- See transportieren zu können. Die „Windenergie- genwärtig dafür stark, durch Kurzarbeit betriebsbe- Agentur“ – 2002 als Netzwerk für die Windenergie- dingte Kündigungen zu vermeiden und die betroffe- branche in der Nordwest-Region gegründet – geht von nen Beschäftigten während der Kurzarbeitsphasen zu weiterem Arbeitsplatzaufbau aus. In ihren Prognosen qualifizieren. hält sie beispielsweise im Bereich Service und Wartung Die IG Metall Bremerhaven sieht trotzdem gute Chan- von (Offshore-)Windkraftanlagen langfristig 20000 cen, in dieser Branche zusätzliche sozialversiche- neue Jobs entlang der Küste für möglich. rungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu schaf- Die IG Metall Bremerhaven nahm schon bald nach de- fen. Die wichtigste Voraussetzung sind allerdings ren Gründung Kontakt mit der Windernergie-Agentur verlässliche Rahmenbedingungen, die Planungssi- Bremen/Bremerhaven (WAB) auf. Der Geschäftsfüh- cherheit ermöglichen und die politische Unsicherheit rer der WAB ist heute regelmäßig Gast auf Betriebs- beenden. räteversammlungen der Wind-Betriebe. Hier werden Uwe Beckmeyer, Staatssekretär beim Bundesminis- Entwicklungen, Chancen und Probleme der Branche terium für Wirtschaft und Energie und Koordinator für analysiert und gemeinsame Handlungsoptionen be- die maritime Wirtschaft, brachte die Situation in ei- sprochen, um Beschäftigung und Standorte zu erhal- nem Interview mit der Windernergie-Agentur auf den ten und zu erweitern. Punkt: „Die Verzögerungen beim Netzausbau und die Bremerhaven bietet dieser Branche gute Standortbe- politische Unsicherheit, wie es mit der Energiewende dingungen. Neben den vorhandenen qualifizierten weitergeht, waren in der vergangenen Wahlperiode Beschäftigten sind dies vor allem die Nähe zu den sicherlich nicht hilfreich. Die SPD hat daher die Ener- Offshore-Windparks, der Zugang zum seetiefen Was- giepolitik im Wahlkampf zu einem Schwerpunkt ge- ser und die großen Nutzflächen, die in direkter Nähe macht. Nun muss es darum gehen, die verlorene Zeit zu den Kajen (Kaianlagen) liegen. Mittlerweile haben wettzumachen – durch die Verlängerung des Stau- sich zahlreiche namhafte Wind energieproduzenten chungsmodells, einen verbindlichen Ausbaukorridor wie Senvion, PowerBlades, Weserwind und AREVA für die Erneuerbaren Energien und klare Planungen hier niedergelassen und bilden ein Netzwerk mit For- für den Netzausbau.“ schungs- und Dienstleistungsanbietern. Dazu können die Metallerinnen und Metaller der Regi- Bei deren Ansiedlung war die IG Metall-Verwaltungs- on nur auf gut Norddeutsch sagen: „Dann macht mal stelle Bremerhaven frühzeitig beteiligt. In verschie- Butter bei die Fische!“ denen Gesprächen im Vorfeld der mit der Wirtschafts- förderung und der örtlichen Politik abgestimmten „Bremerhavener Vereinbarung“ waren sich alle Betei- ligten einig, folgende Kriterien bei der Ansiedlung zu berücksichtigen: Beschäftigungszusagen Betriebsratsgründungen Anerkennung der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie 12
Abbildung 2: Industrie politik geht nur mit dem Rückhalt der Kolleginnen und Kollegen: Hier eine der zahlreichen Demons- trationen zum Erhalt von Arbeitsplätzen in der Schiffbauindustrie. Bildnachweis: IG Metall Bremerhaven Abbildung 3: Offshore- Windanlagen: Sie bieten der Region viel Potenzial für Beschäftigungsauf- bau. Bedingung: Die Po- litik muss einen sicheren Rahmen vorgeben. Bildnachweis: alpha ventus 13
IG Metall Düsseldorf-Neuss Richtiger Mix statt nur Messe, Medien, Mode Bildnachweis: Wikipedia „Unsere zahlreichen Initiativen und Diskussionen, insbesondere die offensive Arbeit des Ver- eins ‚Zukunft durch Industrie‘, der von der IG Metall Düsseldorf unterstützt wird, haben sich gelohnt. Mit dem neuen ‚Masterplan Industrie für Düsseldorf‘ werden die Standortbedingun- gen der Industrie entscheidend verbessert. Auch im Umfeld der Landeshauptstadt konnten wir wichtige industriepolitische Projekte bis hin zu neuen industriellen Großinvestitionen voranbringen.“ Nihat Öztürk Erster Bevollmächtigter der IG Metall Düsseldorf-Neuss Nihat.Oeztuerk@igmetall.de 14
Von einem Zentrum der Schwerindustrie entwickelte sich Düsseldorf in den letzten Jahrzehnten zum „Schreib- tisch des Ruhrgebiets“. Dieser gewaltige Strukturwandel hatte fatale Folgen für den Branchenmix und die Beschäftigung in der Region. Deshalb rückte die IG Metall den Kampf gegen den massiven Abbau von Indus- triearbeitsplätzen seit den 1980er Jahren stärker in den Mittelpunkt ihrer regionalen Strukturpolitik. Dieser permanente Abwehrkampf hat sich – nach vielen Niederlagen – gelohnt: Neue industriepolitische Ansätze gewinnen inzwischen an Bedeutung. Ein breites Bündnis und ein Masterplan für Industrie sowie eine beein- druckende industrielle Zukunftsinvestition sind sichtbare Ergebnisse dieses Engagements. Der Strukturwandel in der Region Düsseldorf war in unternehmen sollten dort künftig Luxuswohnungen, den vergangenen Jahrzehnten gewaltig. Und für viele universitätsnahe Dienstleistungen, ein Hotel der Spitzen Beschäftigte und Mitglieder der IG Metall in zahlreichen klasse, moderne Büros, Gastronomie, ein Yachtclub und Industriebetrieben hatte er bittere Folgen. Seit Ende der eine Yuppiemeile entstehen. Diese „Vision“ fand quer 1980er Jahre verlor die Region rund 50 000 Arbeitsplät- durch die Parteien eine breite Zustimmung, stieß zum ze im verarbeitenden Gewerbe. Ursächlich für diesen Teil sogar auf euphorische Begeisterung. Dabei wurden Deindustrialisierungsschub waren vor allem Kapazi- weitreichende Folgen für den Industriegürtel im Düssel- tätsanpassungen, eine verringerte Fertigungstiefe in dorfer Süden übersehen: Bestehende Industriebetriebe vielen Unternehmen, komplette Werkschließungen im Hafen (darunter Demag Cranes, Komatsu, Hille & und Produktionsverlagerungen. Diese Entwicklung ver- Müller und Henkel) beziehungsweise hafenabhängige nichtete – zeitversetzt – auch qualifizierte Arbeitsplät- Unternehmen im Umland und somit tausende Arbeits- ze in industrienahen Dienstleistungen. plätze wären durch einen möglichen Umzug existenziell Zunächst sprachen einige Wirtschafts experten vom betroffen gewesen. Mehrere Unternehmen hätten sich „post-industriellen Zeitalter“, das in Düsseldorf sichtbar sogar gezwungen gesehen, ihre Produktion zu verla- werde. In ihrer Wahrnehmung war die Verdrängung der gern oder gar zu schließen. Daraufhin schlossen sich Industrie Teil einer neuen „urbanen Strategie“. Dabei Manager der betroffenen Industrieunternehmen zum verkannten sie die Bedeutung der Industrie als Träger „Industriekreis Düsseldorf-Süd“ zusammen. von Beschäftigung und Innovation, als Basis des Außen- handels und des wirtschaftlichen Wachstums, der regio- nalen Entwicklung und als Quelle des Wohlstands. Die IG Metall hatte seit Anfang der 1990er Jahre auf mehreren arbeitsmarkt- und industriepolitischen Konfe- renzen und in dem von der IG Metall Düsseldorf mitge- gründeten Bürgerkomitee „Leben braucht Arbeit – pro Industrie“ auf die Gefahren für die Stabilität der regio- nalen Wirtschaftsstruktur hingewiesen, die mit einer solchen Fixierung auf Dienstleistungen verbunden ist. Das waren Kassandra-Rufe, die zunächst eher belächelt und ignoriert wurden. Ende der 1990er Jahre begann die Landeshauptstadt schließlich damit, ihr Selbstverständnis und ihre stra- tegische Ausrichtung in einem Leitbild zu umreißen. Damals ging es allerdings unter dem Oberbegriff „Düsseldorf 2000“ nur um Messe, Medien und Mo- de. Und das, obwohl Düsseldorf – nach Köln – der zweitgrößte Industriestandort Nordrhein-Westfalens war und bis heute ist. Hier sind noch immer zahlreiche Weltmarktführer beheimatet: Der Sprinter von Daim- ler, die Premium-Stahlrohre von Vallourec, die mobi- Gleichzeitig wurde auf Initiative der IG Metall und des len Hafen-Kräne von Gottwald, ferristischer Edelstahl Bürgerkomitees „Leben braucht Arbeit“ ein breites von Nirosta oder die riesigen Bagger von Komatsu. Bündnis aus Betriebsräten, Industrieunternehmen, der Ebenfalls zur Weltspitze gehören einige in Düsseldorf IHK und einzelner Parteien gebildet. Für die Zusammen- ansässige industrienahe Dienstleister sowie große IT-, arbeit hilfreich war, dass die angedachte Umgestaltung Telekommunikations- und Engineeringunternehmen. im Hafengelände mit dem Bestand der ansässigen Industrie nicht zu vereinbaren war. Und so agierten Yachtclub und Yuppiemeile erstmals Gewerkschaften und Industrieunternehmen statt Industriehafen? gemeinsam gegen das Hafen-Projekt der Stadt. Diese Ignoranz gipfelte in der „Vision 2002Plus“ der Damit prallten zwei gegensätzliche Visionen aufein- Stadt Düsseldorf zur Umgestaltung des Reisholzer ander: auf der einen Seite Industrieunternehmen, Ge- Industriehafens. Anstelle von Industrie- und Logistik werkschaften und die IHK Düsseldorf auf der einen 15
ie Gründung des Vereins „Zukunft durch Indus- D trie e.V.“ in 2010, dessen Ziel es ist, in Politik und Verwaltung sowie bei den Bürgerinnen und Bürgern den hohen Stellenwert der Industrie für den Wohl- stand einer Region zu werben (siehe Abbildung 1). Er leistet Aufklärungsarbeit, um in der Bevölkerung die Akzeptanz von Industrie beziehungsweise indus- triellen Projekten zu fördern. In diesem Verein sind alle relevanten Industrieunternehmen der Region, zahlreiche Vertreter des öffentlichen Lebens sowie der IG BCE-Bezirk Nordrhein, die IG Metall Düssel- dorf-Neuss und der DGB-Bezirk NRW vertreten. Die Tatsache, dass die Wirtschaftskrise in Deutsch- land mit Hilfe einer starken und wettbewerbs- fähigen Industrie beispielhaft bewältigt wurde. Die Erkenntnis, dass große gesellschaftliche He- rausforderungen und Zukunftsfragen – wie zum Abbildung 1: Der Verein „Zukunft durch Industrie“ wirbt Beispiel der Klimawandel, eine umweltgerechte in der Region Düsseldorf für mehr Akzeptanz der Industrie Mobilität, medizinischer Fortschritt und eine zu- und des technologischen Fortschritts. Zum Beispiel jedes kunftsfähige Energieversorgung – nur durch indus- trielle Innovationen zu bewältigen sind. Jahr mit der langen Nacht der Industrie Rhein-Ruhr, bei der Interessierte in den Betrieben hinter die Kulissen gucken Bestärkt durch den öffentlichen Druck, den Betriebs- dürfen. Auch die IG Metall unterstützt das Projekt. räte und die IG Metall mit ihren Aktivitäten ausgelöst Bildnachweis: www.zukunft-durch-industrie.de haben, entwickelten nun auch die politischen Partei- en erste Ansätze für einen industriepolitischen Dialog und zahlreiche industriepolitische Initiativen. So hat Seite, die eine weitere Deindustrialisierung verhindern beispielsweise die SPD Düsseldorf einen Parteitag mit wollten. Und auf der anderen Seite der Oberbürger- dem Schwerpunkt „Industriepolitik“ in enger Zusam- meister, Lokalpolitiker und Architekten, die von einer menarbeit mit der IG Metall Düsseldorf-Neuss konzi- „Wohn- und Freizeitmeile der Superlative“ träumten. piert. Auch mit anderen Parteien führt die IG Metall Nach langen Beratungen, Diskussionsforen und Aus- Gespräche. einandersetzungen wurde das Projekt schließlich Diese Initiativen reichen jedoch bei Weitem nicht aus, beendet. Nun – ganz aktuell – arbeiten einzelne Inte- um die bestehenden Industriestandorte zu sichern ressenten mit der Stadtspitze daran, den Reisholzer und weiterzuentwickeln sowie neue innovative Pro- Industriehafen zu modernisieren und auszubauen. dukte, Produktionsverfahren und die Ansiedlung neuer Eine Vorstudie unterstützt diesen industriepolitischen Industrien zu fördern. Daher hat die IG Metall Düssel- Ansatz: Sie weist ein „hohes Potenzial für einen Hafen dorf-Neuss im April 2011 einen weiteren Vorstoß unter- in Reisholz“ aus. Eine detaillierte Machbarkeitsstudie, nommen und eine Industriepolitische Konferenz mit die zurzeit erstellt wird, soll dies belegen. folgenden Leitfragen abgehalten (siehe Abbildung 2): Arbeitsplätze ausbauen ie kann die Industrieregion Düsseldorf-Neuss W statt Luxusviertel attraktiver werden? Wie kam es nun zu diesem Sinneswandel? Ein wesent- Wie müssen „Gewinner-Projekte“ für die Region licher Grund dürfte sein, dass sich mitten in der Finanz- aussehen, damit sich die Industrie am Standort markt- und Wirtschaftskrise ein grundlegend neues Ver- weiterentwickelt und die regionale industrielle ständnis über die Bedeutung der Industrie etablierte. Kompetenz auch 2020 an der Spitze bleibt? Ausschlaggebend hierfür waren vor allem vier Faktoren: Wie sollte die zusätzliche industrielle Entwicklung für die Region forciert werden? ie breite öffentliche Solidarisierung gegen die be- D Wie lässt sich verhindern, dass die bestehenden absichtigte Verlagerungdes Edelstahlwerks Thyssen- Wertschöpfungsketten durch Fachkräftemangel, Krupp Nirosta von Benrath (Benrath grenzt unmittelbar Abwanderung, Verlagerung, Missbrauch von Leih- an den Stadtteil Reisholz) nach Krefeld. Betriebsrat, arbeit oder Missachtung der demografischen Tatsa- Belegschaft und IG Metall konnten ein breites Bür- chen geschwächt werden? gerbündnis organisieren. Politik und Verwaltung er- Was können Politik und Verwaltung leisten, um die kannten dadurch, welche Folgen eine Schließung des Industrieregion Düsseldorf weiterzuentwickeln? Werks für den Düsseldorfer Süden haben würde, und Welche Verantwortung haben Unternehmen für die bezogen öffentlich Stellung gegen die Verlagerung. regionale Entwicklung? 16
Diese zahlreichen Initiativen und Diskussionen, ins- Abbildung 2: Auf besondere die offensive Wir bitten Arbeitaufdes um Ihre Anmeldung Vereins Antwortkarte der beiliegenden „Zukunft mehreren Konferen- bis zum 25. März 2011 an: durch Industrie“, haben sich gelohnt. Zusammen mit Düsseldorf-Neuss zen hat die IG Metall der IG Metallursula.boese@igmetall.de, und dem DGB haben die Administration Tel: 0211/38701-18, Fax: 38701-50 Düsseldorf-Neuss den der Stadt und die Industrie- und Handelskammer kürz- lich einen „Masterplan Industrie für Düsseldorf“ ausge- Mittwoch, 6. April 2011 in der Turbinenhalle der Stadtwerke Düsseldorf industriepolitischen arbeitet. Er will dieDüsseldorf-Neuss IG Metall Standortbedingungen der Industrie Dialog gefördert. 2011 Friedrich-Ebert-Straße 34 - 38 mit Hilfe der40210 folgenden DüsseldorfMaßnahmen verbessern: zum Beispiel unter dem Tel.: 0211/387010 Fax: 0211/38701-50 Motto „Lebensqualität Industrieflächen und Infrastrukturmaßnahmen E-Mail: duesseldorf-neuss@igmetall.de Internet: www.duesseldorf-neuss.igmetall.de durch Arbeit und Indus- erhalten beziehungsweise weiterentwickeln, trie“. Dabei diskutierten Technologie- und Clusterpolitik, Energiepolitik, Experten, Verantwort- Arbeitskräftebedarf durch eine verbesserte regiona- liche aus Politik und Ver- le Arbeitsmarkt- und Ausbildungspolitik sichern und Anschrift: Höherweg 100 · 40233 Düsseldorf waltung, Unternehmer, Turbinenhalle systematisch an Image und Profil des Standorts ar- Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab HBF: Bus 725 oder Bus 738 Haltestelle „Düsselstrand“ Wirtschaftsverbände und U-Bahn U75 Haltestelle „Kettwiger Straße“ beiten. S-Bahn: S8, S11, S28 Haltestelle „Flingern“ Gewerkschaften. Mit dem PKW: Zufahrt über Höherweg zum Kundenparkplatz Bildnachweis: PIERBURG: Manfred Vollmer EIN INDUSTRIEPOLITISCHER ERFOLG! Für Lebensqualität Wer jetzt an der Hafenmole 1 in Neuss vorbeifährt, und Arbeit durch Industrie wird einen beeindruckenden Gebäudekomplex der Industriepolitische Konferenz der IG Metall Düsseldorf-Neuss* Firma Pierburg sehen, der sich im Aufbau befin- *In Zusammenarbeit mit: det (siehe Abbildung 3). Dort entstehen eine neue V.i.S.d.P.: Nihat Öztürk, IG Metall Düsseldorf-Neuss, Friedrich-Ebert-Straße 34 - 38, 40210 Düsseldorf Region Düsseldorf-Bergisch Land · Bezirk Düsseldorf · Düsseldorf-Wuppertal · Project Consult, Essen · Stadtwerke Düsseldorf AG Ventilefabrik, eine moderne Gießerei samt mecha- nischer Bearbeitung und ein Logistikcenter. Ab Früh- Mit dieser Vereinbarung wurde seit Jahrzehnten jahr 2014 soll der Gesamtkomplex nach und nach erstmals eine neue industrielle Großinvestition in Abbildung 3: Das neue fertiggestellt werden. der Region realisiert, die gut 1 500 Kolleginnen und Pierburg-Gebäude in Wie war das möglich? Die Gießerei am Pierburg-Stand- Kollegen eine dauerhafte Perspektive bietet und den Neuss: Eine Ventile- und ort in Nettetal/Niederrhein sollte noch vor wenigen Industriestandort Düsseldorf-Neuss deutlich stärkt. Montagefabrik, eine Jahren verkauft oder durch Modernisierungsinves- Kennzeichnend für die regionale und strukturpoliti- moderne Gießerei samt titionen für die Zukunft fit gemacht werden. Es gab sche Bedeutung und Wertschätzung dieser großen mechanischer Bearbei- auch Überlegungen des Unternehmens, den Standort Investition war, dass sie gemeinsam vom Unter- Nettetal samt Gießerei komplett zu schließen oder die nehmen Kolbenschmidt-Pierburg AG, der IG Metall tung und ein Logistikcen- Gießereiaktivitäten nach Rumänien zu verlagern. Die Düsseldorf-Neuss und dem Bürgermeister der Stadt ter unter einem Dach. restliche Produktion – ohne Gießerei und mechani- Neuss der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Bildnachweis: Pierburg GmbH sche Bearbeitung – sollte dann in Neuss oder im Raum Mönchengladbach fortgeführt werden. Mit dem im Juni 2012 mit Pierburg vereinbarten Er- gänzungstarifvertrag besiegelte die IG Metall ein ganz anderes Konzept, das eine industriepolitische Grund entscheidung enthält und die Zukunft des Unterneh- mens nachhaltig bestimmen wird. Das Herzstück die- ses Vertrags führt dazu, dass Pierburg seinen neuen Standort in Neuss ausbauen wird. Verbindlich zuge- sagt sind darin auch Produkte und Projekte, die dort hergestellt beziehungsweise realisiert werden müs- sen sowie eine Beschäftigungssicherung bis 2022. Der Standort in Nettetal konnte damit zwar nicht ge- rettet werden, die Arbeitsplätze jedoch wurden län- gerfristig im nahe gelegenen Neuss gesichert. Die bisherigen Produktionen aus Nettetal und aus dem früheren Produktionsstandort in Neuss werden nun in einem neuen, modernen Standort an der Neusser Hafenmole zusammengeführt. Nach und nach sollen auch die Zentralverwaltung sowie die Bereiche For- schung, Entwicklung und Musterbau dort konzent- riert werden. 17
IG Metall Erlangen Lehrstuhl für Projekt management initiiert Bildnachweis: Siemens AG „Die Initiative ‚Projektmanagement im Großanlagenbau‘ hat der IG Metall Erlangen einen deutlichen Imagegewinn gebracht. Mit unserem regionalen industriepolitischen Engagement haben wir uns – auch mit Blick auf die Interessenvertretung hochqualifizierter Beschäftig- ter – ein bedeutsames Arbeitsfeld erschlossen. Allerdings verlangt dieses Engagement den Hauptamtlichen einen hohen Zeitaufwand ab und sollte entschieden stärker auch von den Ehrenamtlichen mitgetragen werden.“ Wolfgang Niclas Erster Bevollmächtigter der IG Metall Erlangen (bis 4/2014) Wolfgang.Niclas@igmetall.de 18
Als Folge eines Restrukturierungsprogramms bei Siemens Verkehrstechnik in Erlangen im Jahr 2006 befürchte- ten die IG Metall Erlangen und der Betriebsrat, dass der gesamte Entwicklungs- und Projektierungsbereich aus Erlangen verlagert würde. Zusammen mit den Beschäftigten analysierten sie die Situation und fanden heraus, dass es bei großen Projekten immer auch an einem professionellen Projektmanagement mangelte. Nach mehreren Beratungen mit verschiedenen regionalen Akteuren fanden sie eine Lösung: Ein neuer Studiengang an der örtlichen Universität soll diese Qualifikationsdefizite beheben. Als wesentliche Gründe für das Restrukturierungs- programm bei Siemens Verkehrstechnik im Jahr 2006 nannte der Arbeitgeber die verhältnismäßig schlechte Ertragslage und vor allem defizitäre Ergebnisse bei Großprojekten. Betriebsrat, IG Metall und Beschäf- tigte sahen die Ursache für die unbefriedigende Ent- wicklung vieler Projekte jedoch hauptsächlich in der mangelhaften Organisation und Führung. Vor diesem Hintergrund entwickelten sie Ideen, um die Qualität des Projektmanagements zu verbessern und damit auch den Standort zu sichern. Ein wichtiges Ergebnis ihrer Überlegungen war, ei- nen Initiativkreis zu gründen, um einen Lehrstuhl für einen neuen Masterstudiengang „Projektmanage- ment im Anlagenbau“ an der Friedrich-Alexander Universität einzurichten. Dieser wurde dann auch 2007 nach mehreren Beratungen mit den wichtigs- ten regionalen Akteuren auf den Weg gebracht. Er ist überwiegend firmenfinanziert und hat eine zehnjäh- rige Laufzeit. Der von der Universität angebotene Masterstudien- gang baut auf verschiedenen Ingenieurstudiengängen auf. Der Lehrbetrieb wurde im Herbst-Winter-Semester 2013/2014 aufgenommen (siehe Abbildung 1). telfranken erstmals auch ein regionales Leitbild. Die ers- Abbildung 1: Die Info- te Fassung dieses Leitbilds war allerdings stark von den Broschüre zum neuen Die Vorgeschichte und ein Leitbild Gewerkschaften abgekupfert, deren Positionen damals Studiengang „Interna- für Wachstum und Beschäftigung schon vorlagen. tionales Projektmanage- Mit dem Niedergang der Grundig AG in den 1980er Denn der DGB hatte bereits 1987 in Erlangen eine um- Jahren war die IG Metall Nürnberg (als Nachbarverwal- fangreiche Befragung der Akteure am Arbeitsmarkt ment und Großanla- tungsstelle von Erlangen) gezwungen, neue Wege zu durchgeführt. Die Leitfrage lautete: Wie kann man den genbau“. Wer mit dem gehen, um Arbeitsplätze zu sichern. Einerseits mach- industriellen Strukturwandel sozial gestalten? Das Er- Studium fertig ist, kann te sie öffentlich Druck, um von Grundig umfangreiche gebnis wurde im Rahmen der Gesprächsrunde „Arbeit zum Beispiel in der Kraft- Geldbeträge für die Qualifizierung und Vermittlung der und Wirtschaft“ vorgestellt, an der Vertreterinnen und werkstechnik, im Solar- Beschäftigten in neue Arbeitsplätze zu erzwingen. An- Vertreter der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite aus und Windkraftenergiebe- dererseits bestand die Notwendigkeit, sich auch um den Betrieben, den Wirtschaftsverbänden und den Ge- zusätzliche neue Arbeitsplätze zu kümmern. Daher werkschaften unter Leitung des damaligen Erlanger reich, in der industriellen schuf die IG Metall ein ganzes Bündel von Initiativen, Oberbürgermeisters teilnahmen. Die drei Kernforderun- Verfahrenstechnik oder Arbeitskreisen und Einrichtungen, um entsprechende gen waren die Verbesserung der Strukturen der berufli- für Infrastrukturprojekte Maßnahmen voranzubringen. chen Ausbildung, die Stärkung des Technologietransfers arbeiten. Den regional- und strukturpolitischen Forderungen und die Schaffung einer Initiative, um die Medizintech- Bildnachweis: FAU der IG Metall in Mittelfranken liegt der Gedanke zu- nik zu fördern. Letztere wurde dann auch zum Ausgangs- grunde, die industriepolitischen Kompetenzfelder zu punkt für die später sehr erfolgreiche „Kompetenzinitia- stärken mit dem Ziel, Gute Arbeit in vorhandenen und tive Medizintechnik“. neu zu entwickelnden Strukturen zu schaffen. Jahre- Seit 1993 trifft sich das „Wirtschafts-Forum Nürnberg, lang waren die Gewerkschaften von Seiten der IHK Fürth, Erlangen“, ein Kreis von Unternehmens-, Wissen- und des Verbands der bayerischen Metallindustrie schafts-, Politik- und Gewerkschaftsvertretern/-innen, von regionalpolitischen Entscheidungsprozessen ausge- mehrmals jährlich nach Bedarf, um Initiativen für einen schlossen worden (Vorwurf des „Wirtschaftsdirigis- erfolgreichen Strukturwandel zu entwickeln. In diesem mus“). In den 1990er Jahren Jahren erstellte die Arbeit- Rahmen entstand auch das regionale „Leitbild für nach- geberseite ein Konzept zur regionalen Kompetenzfel- haltiges Wachstum und Beschäftigung“ (siehe Abbil- dentwicklung. Zur gleichen Zeit entwickelte die IHK Mit- dung 2 der folgenden Seite). 19
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