INDUSTRIEPOLITIK HEUTE - REGIONALE BEI SPIELE DER IG METALL - INDUSTRIE ENERGIE - REGIONALE BEISPIELE DER IG METALL

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INDUSTRIEPOLITIK HEUTE - REGIONALE BEI SPIELE DER IG METALL - INDUSTRIE ENERGIE - REGIONALE BEISPIELE DER IG METALL
Industrie Energie

Industriepolitik heute
Regionale Beispiele der iG metall
INDUSTRIEPOLITIK HEUTE - REGIONALE BEI SPIELE DER IG METALL - INDUSTRIE ENERGIE - REGIONALE BEISPIELE DER IG METALL
Impressum
Herausgeber: IG Metall Vorstand, VB04, 60329 Frankfurt/Main
Verantwortlich: Wolfgang Lemb
Redaktion: Astrid Ziegler, Ilka Grobe
Korrektorat: Sarah Menacher, Marén Rüger
Textbearbeitung, Satz und Layout: Agentur WAHLE & WOLF, 56479 Elsoff
Druckerei: Druckerei Henrich Druck + Medien, Schwanheimer Straße 110, 60528 Frankfurt am Main
Bestellung im intra-/extranet der IG Metall über Produktnummer 29049-49844
Kontakt und Bestellung für Nichtmitglieder: sarah.menacher@igmetall.de
Erste Auflage Juni 2014

                                    klimaneutral
                                    natureOffice.com | DE-654-815788
                                    gedruckt
INDUSTRIEPOLITIK HEUTE - REGIONALE BEI SPIELE DER IG METALL - INDUSTRIE ENERGIE - REGIONALE BEISPIELE DER IG METALL
Industriepolitik heute
Regionale Beispiele der iG metall
INDUSTRIEPOLITIK HEUTE - REGIONALE BEI SPIELE DER IG METALL - INDUSTRIE ENERGIE - REGIONALE BEISPIELE DER IG METALL
Inhalt
Vorwort.......................................................................................................... 4

IG Metall Berlin
Wissen, was die Betriebe brauchen.................................................. 6

IG Metall Bremerhaven
Vom Schiffbaustandort zur Klimastadt............................................. 10

IG Metall Düsseldorf-Neuss
Richtiger Mix statt nur Messe, Medien, Mode............................... 14

IG Metall Erlangen
Lehrstuhl für Projektmanagement initiiert..................................... 18

IG Metall Frankfurt am Main
Renaissance der Industriepolitik mit Masterplan........................ 22

IG Metall Gaggenau
Pragmatische Industrie- statt Leuchtturmpolitik......................... 26

IG Metall Heidelberg
Mit Ingenieuren und Technikern in die Zukunft............................ 30

IG Metall Heilbronn-Neckarsulm
Industrie- und Betriebspolitik gut vernetzt.................................... 34

IG Metall Hildesheim
Zukunftsfähigkeit erhalten, Fachkräfte entwickeln..................... 38
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IG Metall Jena-Saalfeld und Erfurt
Den Fachkräftemangel stoppen........................................................... 42

IG Metall Koblenz
Industriearbeitsplätze durch „Gute Arbeit 2020“....................... 48

IG Metall Leipzig
Boom-Town mit viel regionalem Potenzial...................................... 52

IG Metall Minden
Ganzheitliche Strukturpolitik und Industrie 4.0.......................... 56

IG Metall Rostock
Keine Zukunft für Niedriglöhne........................................................... 60

IG Metall Schweinfurt
Netzwerke, Proteste und pro-aktive Lösungen.............................. 64

IG Metall Region Stuttgart
Industrielle Kerne stärken, Zukunftsfelder erschließen............ 68

IG Metall Region Vogtland
„Green-Tech“ und Gute Arbeit als Markenzeichen...................... 72

IG Metall Wolfsburg
Engineering-Projekt zur regionalen Entwicklung.......................... 76
INDUSTRIEPOLITIK HEUTE - REGIONALE BEI SPIELE DER IG METALL - INDUSTRIE ENERGIE - REGIONALE BEISPIELE DER IG METALL
Vorwort
    Die Bedeutung der Industrie für die wirtschaftliche    Industrie bleiben die industriellen Herausforde-
    Entwicklung von Regionen und Ländern hat sich          rungen für die deutsche Industrie groß: Weltweite
    durch die Erfahrungen mit der Finanz- und Welt-        Überkapazitäten, neue technologische Entwicklun-
    wirtschaftskrise 2008/2009 gewaltig verändert.         gen, gesellschaftliche Zukunftsaufgaben (Klima-
    Bis dahin hatten Politik und Wissenschaft die In-      wandel, Energiewende, Mobilität, demografische
    dustrie lange Zeit abgeschrieben. „Moderne Wis-        Entwicklung etc), um nur einige zu nennen, verlan-
    sensgesellschaften“ – so die einhellige Meinung        gen Antworten, die allzu häufig ausbleiben.
    – erwirtschaften ihren Wohlstand immer weniger
    aus industrieller Produktion, sondern zunehmend        Industriepolitik findet nicht nur in Brüssel oder
    aus Know-how und intellektuellen Fähigkeiten.          Berlin statt. In einem föderalen Staat wie der Bun-
    In der Konsequenz vernachlässigte die Politik in       desrepublik setzen auch die sechzehn Bundes-
    Deutschland die Industrie lange Zeit – nach dem        länder und die vielen Stadt- und Landkreise mit
    Motto: Der Markt wird es schon richten. Mit dem        ihren Möglichkeiten den Rahmen, indem sie die
    Ergebnis, dass Deutschland auf die Entwicklung         Industrie und die industrienahen Dienstleistungen
    einer Dienstleistungsgesellschaft und des Finanz-      weiterentwickeln. Dabei ist gerade diese regiona-
    sektors setzte.                                        le Ebene schon seit einiger Zeit ein interessantes
                                                           Feld für neue wirtschafts- und strukturpolitische
    Heute wissen wir: Die deutsche Wirtschaft hat gut      Umsetzungs-Strategien. Viele Akteure leisten dort
    daran getan, diesem Abgesang auf die „Old Eco-         mit unterschiedlichen Akzenten einen spezifischen
    nomy“ zu widerstehen. Diesem zum Trotz hat die         Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen, unter
    deutsche Industrie ihre Standorte modernisiert         denen die Industrie gefördert wird.
    und weiterentwickelt. Nicht zuletzt durch das Zu-
    sammenspiel von IG Metall, Betriebsräten und Ar-       Die IG Metall mischt sich in diese industriepoli-
    beitgebern sind die deutschen Unternehmen gut          tischen Diskussionen mit eigenen Konzepten und
    durch die Krise gekommen. Unterm Strich besinnt        Vorschlägen – oft eingebunden in regionale Netz-
    sich die Politik seit der Finanzkrise wieder auf in-   werke – ein. Wichtige industrie- und regionalpoli-
    dustrielle Werte.                                      tische Impulse gehen dabei von der IG Metall vor Ort
                                                           aus. Hier spielen Fragen der Wirtschaftsförderung,
    Das Ansehen der Industrie und der Industriepoli-       der Stadtentwicklung, der Infrastrukturplanung
    tik hält seitdem an. So spricht die EU-Kommission      oder der Förderung von Cluster-, Technologie- und
    von einer Reindustrialisierung, auch die Bundesre-     Innovationsinitiativen ebenso eine Rolle wie die re-
    gierung bekennt sich in ihrer Koalitionsvereinba-      gionale Arbeits-, Bildungs-, Umwelt- oder Wohnsitu-
    rung zum Industriestandort Deutschland. Obwohl         ation (siehe Abbildung).
    es eine programmatische Neuausrichtung der In-
    dustriepolitik gab, stochern viele Verantwortliche     Mit der vorliegenden Dokumentation von achtzehn
    in Politik und Ministerien noch im Nebel und die       Beispielen beleuchten wir diese regionale Ebene ge-
    konkrete Umsetzung hinkt der Programmatik weit         nauer. Wir stellen verschiedene Verwaltungsstellen
    hinterher. Denn trotz des positiven Blicks auf die     mit ihrem ganz spezifischen Ansatz, den industri-

         EU           Bund           Länder                        Abstimmung – Förderung

               Wirtschaftspolitik

               Technologiepolitik
                                                                                                    Wirtschaft
               Arbeitsmarktpolitik                                                                      Arbeit
                                                                                                       Bildung
                 Strukturpolitik
                                                                    Region                        Wissenschaft
                                                                                                       Verkehr
                                                                                                      Wohnen
                 Bildungspolitik                                                                   Gesundheit
                 Umweltpolitik

           Planung und Raumordnung                                                     Bildnachweis: Godehard Neumann

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INDUSTRIEPOLITIK HEUTE - REGIONALE BEI SPIELE DER IG METALL - INDUSTRIE ENERGIE - REGIONALE BEISPIELE DER IG METALL
ellen Wandel zugunsten von Beschäftigung aktiv zu            uch betriebliche Belange mit Hilfe der Betriebs-
                                                            a                                                    Bildnachweis: fotolia
gestalten, vor.                                             räte in den regionalen Diskurs einbringt.
                                                            Krisen bewältigt, die Schließungen von Indus-
Die Beiträge sind so vielfältig wie der jeweilige, auch      triebetrieben verhindert und für den Erhalt von
historisch gewachsene regionale Kontext. Das betrifft        Arbeitsplätzen kämpft.
die Betriebs- und Beschäftigtenstruktur, die Akteur-
skonstellation oder die zu bearbeitenden Themen und       Eines wird durch die vielen Aktivitäten sichtbar:
Lösungswege. Die inhaltliche Klammer bildet die Fra-      Die Tür für einen Dialog ist weit offen, wenn es um
ge, was in der jeweiligen Region getan wurde und heu-     Fragen geht, was industriepolitisch geplant, ange-
te noch unternommen wird, um die industrielle Basis       stoßen und gefördert werden soll. Die vorliegen-
zukunftsfest zu machen.                                   de Dokumentation ist in ihrer Breite und Tiefe ein
                                                          wichtiger Beitrag in dieser aktuellen Debatte um
Die Broschüre hat nicht den Anspruch, über alle           den Bedeutungsgewinn der Industrie und der In-
industriepolitischen Aktivitäten und Erfahrungen          dustriepolitik in Deutschlands Regionen. Und sie
in den Verwaltungsstellen der IG Metall zu infor-         richtet ihren Blick auf die IG Metall als industrie-
mieren. Sie will zum einen die regionale Ebene in         politischer Akteur vor Ort.
ihrer Vielfalt und ihren Handlungsmöglichkeiten
betrachten und einige Beispiele vorstellen. Zum
anderen will sie Kollegen und Kolleginnen, die bis-
her auf diesem Feld noch nicht aktiv sind, Mut ma-
chen, das Thema für sich zu erschließen.

Insgesamt wird durch die Beispiele deutlich, dass für
die IG Metall die regionale Industriepolitik ein wich-
tiges Aktionsfeld ist. Sie versteht sich als regionaler
Akteur, der

  Impulse gibt und regionale Initiativen anstößt
    und moderiert.
    Probleme benennt und an Lösungen arbeitet.          Wolfgang Lemb
   Positionen in die regionalpolitische Debatte ein-     Geschäftsführendes Vorstandsmitglied
    bringt und dort durchsetzt.                           der IG Metall
                                                                                                                    5
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IG Metall Berlin

                        Wissen, was die
                        Betriebe brauchen

Bildnachweis: MAN
                                           „Industriepolitik ist heute kein Fremdwort mehr in Berlin. Allerdings bleibt noch viel zu tun,
                                           um den weiteren Ausbau der Industrie zu fördern. Die Ressourcen, die die Bundeshauptstadt
                                           hat – und hier sind an erster Stelle die Hochschulen und die Forschungseinrichtungen zu
                                           nennen –, werden bisher nur zum geringen Teil für eine dynamische Industrieentwicklung
                                           ausgeschöpft. Dies zu verändern ist eine zentrale Aufgabe der Industriepolitik der nächsten
                                           Jahre.“

                                           Arno Hager
                                           Erster Bevollmächtigter der IG Metall
                                           Arno.Hager@igmetall.de
                    6
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Seit Ende der 1990er Jahre waren die Industriebetriebe Berlins von Verlagerungen und Beschäftigungsabbau be-
droht. Der erbitterte Widerstand der IG Metall und der Kolleginnen und Kollegen vor Ort konnte diese Deindus-
trialisierung nur zum Teil aufhalten. Seit einigen Jahren zeichnet sich aber eine veränderte Strategie in Politik und
Unternehmen ab. Dies ist unter anderem Ergebnis der konstruktiven Industriepolitik der IG Metall Berlin.

In den 1990er Jahren und der ersten Hälfte des darauf fol-      Betrieben, Gesamtbetriebsräten und Aufsichtsräten
genden Jahrzehnts war die Berliner Metall- und Elektro­         – und sie geben ihrer Gewerkschaft Einblick in die
industrie von Arbeitsplatzabbau, -verlagerungen und             Situation in den Betrieben. Sie sind häufig schon lan-
starken Abwehrkämpfen geprägt. Erst ab 2005/2006                ge im Amt, kennen die Entwicklung „ihres“ Betriebs
kann davon gesprochen werden, dass der Strukturbruch            wie ihre Westentasche und sind bestens im Unter-
in Berlin nach der Wiedervereinigung ein Ende gefunden          nehmen vernetzt. Und sie kümmern sich darum, dort
hat: In der Ost-Berliner Metall- und Elektroindustrie wa-       möglichst viele stabile und qualitativ hochwertige Ar-
ren 2005 von den zuvor 120 000 nur noch rund 14 000             beitsplätze zu schaffen oder zu halten.
Arbeitsplätze übrig geblieben, im alten West-Berlin von         Auf Arbeitgeberseite agieren dagegen zumeist Mana-
etwa 100 000 rund 50 000.                                       ger, die oft nur kurze Zeit am Standort sind, manchmal
Berlin war von vielen schon als reine Dienstleistungs-          nur zwei bis drei Jahre. Sie sind stark in die Unterneh-
metropole betrachtet worden. Doch nach und nach                 menshierarchie eingebunden. Ihre Berichtslinie lautet
rücken die Chancen für Industriebetriebe wieder ins             ManagergBereichsvorstandgVorstand. In diesem
Blickfeld der regionalpolitischen Akteure. Strategi-            System ist es zwar fatal, aber durchaus logisch, dass
sche Bereiche wie F&E, Engineering und Vertrieb wur-            der Standort in der beruflichen Entwicklung der meis-
den schrittweise neu angegliedert. Ein Beispiel: Sie-           ten Manager nur eine nachgeordnete Rolle spielt. Zu-
mens holte den weltweiten Gasturbinen-Service und               dem sind sie meist zur Verschwiegenheit verpflichtet,
-Vertrieb ins Berliner Werk.                                    und die Arbeit nach außen ist durch die jeweiligen
Heute gibt es zahlreiche Leadfactories statt der „ver-          Kommunikationsabteilungen stark reglementiert. Es
längerten Werkbänke“ bedeutender Unternehmen                    kann deshalb nicht verwundern, dass die IG Metall oft
im alten Westen und der Kombinate im alten Osten.               deutlich detailliertere und fundiertere Informationen
Allerdings ist das Kernproblem dennoch unüberseh-               über ein Unternehmen hat als zum Beispiel die ört-
bar: Der Industriebesatz ist in Berlin im Vergleich zu          lichen Arbeitgeberverbände oder die IHK.
anderen Ballungsräumen viel zu gering. Gemessen an
                                                                                                       Druck

Hamburg ist ist der Industrialisierungsgrad Berlins um
                                                             Besser-Strategien

ein Viertel kleiner. Diese Situation bildete den Aus-                                                          Politiker
gangspunkt für die industrie­    politischen Aktivitäten                          Forschung                Plattformen schaffen
                                                                                 Energy City Makro-Ebene
der IG Metall Berlin.
                                                                                                                      SKIP

                                                                                                IG BCE DGB
In die Offensive gehen – praxisorientiert!                                       Wirtschaftsverbände                         Bürgermeister
                                                                                                      Berlin Praxisbezug
Mitte der 2000er Jahre waren die Diskussionen im im
                                                                                         Masterplan
                                                                            Wachstumschancen

DGB Berlin-Brandenburg und in der Berliner IG Metall
so weit fortgeschritten, dass die Gewerkschaften mit                                                                        Hochschulen
                                                                                                                                      Leadfactories

einer offensiven Strategie an die Politik und die Öf-
fentlichkeit herantreten konnten. Den Startschuss gab
                                                                                                  Resonanz                 Abwehrkämpfe
das „Industriepolitische Memorandum“ des DGB, in                                                      Berlin kann Industrie
dem die DGB-Gewerkschaften eine aktive Industrie­
politik forderten.
                                                                                               Mikro-Ebene
                                                                                                               Betriebsräte
Die Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt ein erfahrener
IG Metall-Funktionär – Dieter Scholz – den DGB leitete,
war für dieses Vorhaben sehr günstig. Die Arbeitsteilung        Weitere Vorteile der IG Metall: Ihre Handlungsfelder
zwischen DGB und IG Metall verschaffte dem gewerk-              reichen bis in die Konzernpolitik hinein. Die verant-
schaftlichen industriepolitischen Ansatz große Schlag-          wortlichen Betriebsräte vor Ort, die mit der Gewerk-
kraft: Der DGB hatte gute Kontakte zu den Parteien, den         schaft kooperieren, werden dadurch zu „natürlichen“
entsprechenden Senatorinnen und Senatoren, dem Re-              Industriepolitikern. Auf dieser Grundlage umfassen-
gierenden Bürgermeister und den Wirtschaftsverbänden.           der betrieblicher Informationen gelang es der IG Me-
In Ergänzung dazu konzentrierte sich die IG Metall darauf,      tall schließlich, eine betriebsübergreifende politische
den politischen Akteuren die praxisbezogenen Aspekte            Strategie mit konkreten Verbesserungen für die Indus-
darzulegen. Dabei stand im Mittelpunkt die Frage, wie           triebetriebe zu verbinden.
die Industrie in Berlin durch konkrete Unterstützung der        Der industriepolitische Ansatz der IG Metall war und
Betriebe und Unternehmen vorangebracht werden kann.             ist also betont praxisorientiert. Das Ziel ist klar: Ber-
Das große Plus der IG Metall: Viele ihrer Mitglieder            lin braucht ein starkes industrielles Fundament! In-
sind Betriebsräte in verantwortlicher Funktion in               dustrie und Dienstleistung sind keine Gegensätze.
                                                                                                                                                      7
INDUSTRIEPOLITIK HEUTE - REGIONALE BEI SPIELE DER IG METALL - INDUSTRIE ENERGIE - REGIONALE BEISPIELE DER IG METALL
Mehr Industrie auf hohem technischen Niveau mit                Das Projekt entsprang einer gemeinsamen Interessen-
                                  hohen Qualifikationsprofilen bringt eine hohe Wert-            lage der beteiligten Unternehmen, der IG Metall und
                                  schöpfung, die wiederum hochwertige Dienstleistun-             der öffentlichen Hand. Die Unternehmen versprachen
                                  gen nach sich zieht. Mehr Industrie bedeutet deshalb,          sich durch die Unterstützung der Netzwerkmanager
                                  dass die Wirtschaftskraft pro Kopf nachhaltig steigt.          mehr Wachstum und gute Gewinne; die IG Metall setz-
                                  In der Folge steigen die Steuereinnahmen und Mittel            te darauf, dass dadurch neue und gute Arbeitsplätze
                                  für eine soziale Stadtentwicklung werden frei. Die ein-        entstehen; und der Stadt Berlin waren die zusätzlichen
                                  fache Gleichung lautet also: Mehr Industrie = mehr             Steuereinnahmen aus höheren Gewinnen und mehr
                                  Chancen für eine soziale Stadt­entwicklung.                    Beschäftigung wichtig, um ihre politischen Handlungs-
                                  Der gewerkschaftliche Ansatz, politische Strategie mit         spielräume zu steigern. Das Projekt ermöglichte es den
                                  praktischer Arbeit zu verbinden, kam vor allem in zwei         beiden Netzwerkmanagern, als neutrale Vermittler zwi-
                                  industriepolitischen Projekten zum Tragen: Zum einen in        schen den Beteiligten zu arbeiten. Sie waren weder von
                                  dem vom Wirtschaftssenat geförderten Projekt „Innovati-        den Unternehmen abhängig, noch von der Politik, der
                                  onsnetzwerk Berliner Metall- und Elektroindustrie“, zum        Verwaltung oder einer Hochschule.
                                  anderen in dem von der Hans-Böckler-Stiftung finanzier-        Industriepolitik bedeutet für die IG Metall Berlin in
                                  ten Projekt „Neue Wachstumschancen für Berlin“.                erster Linie, vor Ort praktische Probleme zu lösen.
                                                                                                 Wenn es zum Beispiel um eine Ausnahmegenehmi-
                                  Das Projekt „Innovationsnetzwerk“                              gung für Großtransporte oder ein Kooperationsprojekt
                                  Die Initiative für das Innovationsnetzwerk Berliner Metall-    zwischen einem Industriebetrieb und der Technischen
                                  und Elektroindustrie, das Anfang 2006 gestartet wurde,         Universität Berlin ging: Das Netzwerkmanagement mit
                                  ging von der Berliner IG Metall aus. Sie leistete damals ei-   dem IG Metall-Label konnte sowohl in der öffentlichen
                                  nen Startfinanzierungsbeitrag dafür und stellte Ressour-       Verwaltung, den Hochschule oder im Senat Verständ-
                                  cen für das Netzwerkmanagement zur Verfügung.                  nis für die Belange von Industriebetrieben erreichen,
                                  Im Rahmen dieses Projekts wurden unter anderem                 als auch umgekehrt bei den Industrieunternehmen
                                  zwei Netzwerkmanager eingestellt, an deren Finan-              zum Verständnis der spezifischen Sicht und der Abläu-
                                  zierung sich zu einem Drittel sechs Unternehmen der            fe in der öffentlichen Verwaltung oder den Hochschu-
                                  Metall- und Elektroindustrie beteiligten. Die restlichen       len beitragen.
                                  zwei Drittel wurden durch öffentliche Fördermittel             Das Ergebnis: Viele vermeintlich unlösbare Knoten
                                  ­finanziert. Aufgabe der Netzwerkmanager war es, den           konnten durchschlagen werden. Das führte in den Un-
                                   sechs beteiligten Unternehmen beim Ausbau ihrer ge-           ternehmen dazu, dass deutlich mehr Beschäftigte ein-
                                   schäftlichen Aktivitäten und neuer Beschäftigungsfel-         gestellt wurden. Die Hochschulen profitierten ebenfalls
                                   der behilflich zu sein. „Was braucht Ihr Betrieb in Ber-      von der Kooperation. Und auch das Ansehen der betei-
                                   lin, um zu wachsen und Beschäftigung aufzubauen?“,            ligten Verwaltung als Problemlöser stieg. Nach sechs
                                   lautete die Frage (siehe Abbildung 1), mit der sie sich       Jahren wurde das Projekt beendet. Heute setzt sich die
                                   an die Unternehmen wandten.                                   IG Metall für eine dauerhafte Institution ein, die die

Abbildung 1: Der
neutrale Netzwerkma-
nager vermittelt die zum
Beschäftigungsaufbau
nötigen Bedarfe der
Betriebe gegenüber den
Hochschulen, der Ver-                                                                      BetrIeBe
waltung und der Politik.
Bildnachweis:
eigene Darstellung/Wahle & Wolf

                                                                                    netzwerkManaGer

                                          hochschulen                                                                           verwaltunG

                                                                                            polItIk

                         8
Kontakte zwischen Hochschulen und Betrieben wei-           MIT „BESSER-STRATEGIEN“                                      Abbildungen 2 und 3:
terhin professionell begleitet und ausbaut.                IN DIE ZUKUNFT                                               Die Berliner IG Metall
                                                           Der Steuerungskreis SKIP und der Masterplan sind             will die regionalen
EINE STUDIE, EIN STEUERUNGSKREIS                           direkte Resultate der von den Gewerkschaften und
                                                                                                                        Stärken stärken: Zum
und ein Masterplan                                         den Arbeitgeberverbänden angestoßenen Diskussi-
Neben diesem Projekt auf Mikro-Ebene gab es ein            on über die Bedeutung der Industrie für Berlin. Auf          Beispiel die energie-
zweites auf Makro-Ebene, das den erfolgreichen in-         beiden Plattformen agiert die IG Metall, um ihre in-         relevanten Betriebe wie
dustriepolitischen Ansatz der IG Metall widerspiegelt.     dustriepolitischen Vorstellungen einzubringen und            MAN (Bild links) und
Das von der Hans-Böckler-Stiftung finanzierte Projekt      entsprechende Aktivitäten zu forcieren. Dabei war            Alstom (Bild rechts).
mit dem Titel „Neue Wachstumschancen für Berlin“           und ist ihr wichtig, keine eindimensionale Industrie­        Bildnachweis: IG Metall Berlin
sollte ermitteln, welche Bedeutung die Industrie für       lobbyarbeit zu leisten, sondern im Rahmen von
die wirtschaftliche Entwicklung Berlins hat und welche     „Besser-Strategien“ konstruktiv zu einer zukunfts-
Rolle sie künftig spielen kann. Für den Beirat des Pro-    orientierten ­  Industrie- und zur Stadtentwicklung
jektes konnte der DGB-Vorsitzende neben Vertretern         beizutragen.
von IG Metall und IG BCE die Verantwortlichen der Wirt-    Industriepolitik ist heute kein Fremdwort mehr in Ber-
schaftsverbände gewinnen: den Hauptgeschäftsführer         lin. Allerdings bleibt noch viel zu tun, um den weiteren
der IHK, den Präsidenten der Handwerks­kammer, den         Ausbau der Industrie zu fördern. Die Ressourcen, über
Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände              die die Bundeshauptstadt verfügt – und hier sind an
und den koordinierenden Verantwortlichen aus dem           erster Stelle die Hochschulen und die Forschungsein-
Wirtschaftssenat. Dies hatte den Vorteil, dass alle        richtungen zu nennen –, werden bisher nur zum gerin-
Beteiligten auf kurzem Wege ihre Sichtweisen austau-       gen Teil für eine dynamische Industrieentwicklung aus-
schen konnten. Das Projekt legte die Basis dafür, dass     geschöpft. Dies zu verändern ist eine zentrale Aufgabe
Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände gemeinsam           der Industriepolitik der nächsten Jahre.
gegenüber Politik und Öffentlichkeit Maßnahmen zum         Die zweite große Aufgabe besteht darin, ein Allein-
Ausbau der Industrie einfordern konnten.                   stellungsmerkmal der Berliner Industrie herauszuar-
Im März 2009 wurde die Studie veröffentlicht und stieß     beiten. Statt die Not zu beklagen, dass die Automobil-
auf große Resonanz in Öffentlichkeit und Politik. In ge-   industrie in Berlin im Verhältnis zu Gesamtdeutsch-
wisser Weise wurde die Arbeit der vergangenen Jahre        land deutlich unterrepräsentiert ist (minus 50 Pro-
darin zusammengefasst und verdichtet. Diese Initia-        zent), sollte hervorgehoben werden, dass der Bereich
tive beeindruckte nicht zuletzt auch den Regierenden       der Energie-Technik (plus 60 Prozent) hier wesentlich
Bürgermeister, der sich veranlasst sah, im März 2010       größer ist als im bundesdeutschen Durchschnitt.
den Steuerungskreis Industriepolitik (SKIP) einzurich-     Eine Industriepolitik, die an den wirtschaftlichen Stärken
ten. Unter seiner Leitung setzen sich seither Senato-      ansetzt, findet beachtliche Potenziale vor. In Berlin gibt
rinnen und Senatoren, die Spitzen der Wirtschaftsver-      es rund 350 Unternehmen in energierelevanten Berei-
bände sowie DGB, IG Metall und IG BCE mit konkreten        chen, 70 Prozent davon in produzierenden Betrieben:
Themen der Industriepolitik auseinander.                   Energienetze und -speicher, Turbomaschinen/Kraft-
Im Juni 2010 stellte dann der damalige Wirtschafts­        werkstechnik, Schalttechnik/Messtechnik, Lichttechnik,
senator einen „Masterplan Industrie“ der Öffentlichkeit    Energieeffizienztechnologien, Solar­energie/E-Mobility
vor. Die Hauptaussage: Berlin braucht eine stärkere,       (siehe Abbildungen 2 und 3). Die IG Metall Berlin arbei-
innovative Industrie als Motor der Wirtschaftsentwick-     tet mit daran, dass sich „Berlin: Energy City“ und „Berlin
lung. Und ebenso wichtig: Nicht Neuansiedlungen ste-       kann Industrie“ als prägende Botschaften in den Konzer-
hen im Zentrum einer Wachstumsstrategie, sondern           nen, in der Politik und in der Öffentlichkeit durchsetzen.
die gezielte Unterstützung der Innovationskraft vor-       Beides zusammen wird einen Schub für die Weiterent-
handener Konzernbetriebe.                                  wicklung der Industrie in Berlin bringen. 
                                                                                                                           9
IG Metall Bremerhaven

                              Vom Schiffbaustandort
                              zur Klimastadt

Bildnachweis: PantherMedia
                                               „Nach dem Zusammenbruch der maritimen Industrie ist seit 2006 eine Trendwende für den
                                               Industriestandort Bremerhaven wieder in Sicht. Die Ansiedlung von Offshore-Windenergie-
                                               unternehmen hat der Region 1 500 Arbeitsplätze gebracht. Wir sind zuversichtlich, dass es uns
                                               gelingt, weitere Arbeitsplätze in dieser Branche zu schaffen und dauerhaft zu sichern. Dazu
                                               sind allerdings verlässliche politische Rahmenbedingungen nötig, die endlich Planungs-
                                               sicherheit ermöglichen und die Unsicherheit beenden.“

                                               Karsten Behrenwald
                                               Erster Bevollmächtigter der IG Metall Bremerhaven
                                               Karsten.Behrenwald@igmetall.de
                         10
Nach dem Zusammenbruch des Werftenverbundes „Bremer Vulkan“ 2005 verloren mehrere tausend Metallerin-
          nen und Metaller ihre Arbeit. Die Arbeitslosenquote lag in Bremerhaven damals bei 26 Prozent. Die IG Metall
          hielt daraufhin in einer gemeinsam mit politischen und gesellschaftlichen Kräften verabschiedeten „Bremer-
          havener Erklärung“ fest, dass es dringend notwendig sei, Industriearbeitsplätze in Bremerhaven zu sichern
          und neue Industrien anzusiedeln. Durch den inzwischen erfolgten Zuzug von mehreren Offshore-Wind-Unter-
          nehmen zeichnet sich nun auch bei der Arbeitslosigkeit langsam eine Trendwende ab.

          Der regionalen Industriepolitik der IG Metall Bremer-
          haven kommt seit Mitte der 1990er Jahre eine beson-
          dere Bedeutung zu: Durch den Zusammenbruch der
          Bremerhavener Schiffbauindustrie – zuletzt durch den
          Konkurs des Bremer Vulkans (siehe Kasten) – gingen
          im Laufe weniger Jahre Tausende von Arbeitsplätzen
          verloren. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Be-
          schäftigten sank zwischen 1994 und 2005 um 17,6 Pro-
          zent. Die Arbeitslosenquote lag 2005 bei 26 Prozent.
          Das bedeutete: 14 000 Menschen waren ohne Arbeit,
          10 000 bezogen Hartz IV. Viele davon waren Metaller.

          7 000 Vulkanesen verloren ihre Arbeit
          Die Bremer Vulkan AG war als bedeutende Groß-
          werft eine der wichtigsten Arbeitgeberinnen nörd-
          lich von Bremen. Sie baute Schiffe aller Art und
          gehörte über Jahrzehnte zu den großen Werften
          Europas. Weil nachhaltige Investitionskonzepte                               haven zu erhalten und neue Industrien anzusiedeln           Abbildung 1: Letzter
          fehlten, konnte sie dem Wettbewerb mit asia-                                 (siehe Abbildung 2, Seite 13). Gleichzeitig organisierte    Stapellauf auf der SSW
          tischen Werften nicht standhalten. Das Unter-                                sie den notwendigen Druck, um alle relevanten Akteu-        Shipyard GmbH (See-
          nehmen geriet aufgrund unzureichenden Eigen-                                 re der Region an einen Tisch zu bekommen. IG Metall,
                                                                                                                                                   beckwerft). Der Betrieb
          kapitals, fehlender nationaler Zielsetzung und                               Bremer Senat, Bremerhavener Magistrat und IHK ver-
          Investitionstätigkeit im zivilen Schiffbau in finan-                         ständigten sich in einer gemeinsamen „Bremerhave-           schloss Mitte 2009.
          zielle Schwierigkeiten. 1996 musste die Vulkan                               ner Erklärung“ schließlich darauf, dass es notwendig        Bildnachweis:
                                                                                                                                                   IG Metall Bremerhaven
          AG Insolvenz anmelden und im August 1997 den                                 sei, die vorhandenen Schlüsselindustrien in Bremer-
          Betrieb in der Stammwerft in Bremen-Vegesack                                 haven zu behalten und zugleich neue Industrien –
          einstellen. 7 000 Arbeitsplätze gingen verloren.                             insbesondere Offshore/Wind – forciert anzuwerben.
                                                                                       Auch viele weitere Institutionen, politische und gesell-
          Beschäftigungsentwicklung im Bremerhavener Schiffbau                         schaftliche Kräfte positionierten sich öffentlich, um
                                                                                       sich zum Industriestandort Bremerhaven und dessen
10 000     8 935
                                                                                       Ausbau zu bekennen.
 8 000             6 546
 6 000                     4 359
                                                                                                    Betriebsräte
                                                                                    maritime Industrie

 4 000                             2 634
                                           1 471 1 051

                                                                                                    Trendwende Klimastadt
 2 000                                                   751   813   763
     0
 -2 000
                                                                                                         Planungssicherheit
                                                                                                  EEG

-4 000
-6 000
-8 000
                                                                                                         Bündnis für Industrie
                                                                                                    Offshore-Wind-Energie
                                                                           -8 172

-10 000
           1975 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2012 2013                    1975

                                                                                                   Bremerhaven
                                                                            bis
                                                                           2013

                                                                                                   Nur mit Betriebsrat!
                                                                                                                                    Kundgebungen

          In dieser Zeit drohte die maritime Industrie in Bre-
                                                                                                   Belegschaften Windagentur
                                                                                                                                        Demos

          merhaven komplett zusammenzubrechen (siehe Ab-
          bildung 1). Schon frühzeitig hatte die IG Metall ge-
          meinsam mit Betriebsräten und Belegschaften in der
                                                                                                             Nur mit Tarif!
                                                                                                            Bremerhavener Erklärung
          Region auf zahlreichen Kundgebungen und Demons-                                                        Untergang der Werften
          trationen gefordert, den Wirtschaftsstandort Bremer-
                                                                                                                                                    11
Trendwende durch Offshore-                               Unklare Politik führt zu
     Windindustrie                                            Investitionsstau
     Erst 2006 gelang es, den Negativtrend zu stoppen.        In den letzte Jahren gerieten notwendige Investitionen
     In diesem Jahr gab es endlich wieder einen Zuwachs       in Offshoreparks in Nord- und Ostsee ins Stocken. Der
     an industriellen Arbeitsplätzen. Der Strukturwandel      Grund dafür waren schwierige politische Rahmenbe-
     zeigte also erste Erfolge: Betriebe der Offshore-Wind-   dingungen – unter anderem das mangelnde Bekennt-
     industrie siedelten sich an (siehe Abbildung 3).         nis zu den Ausbauzielen sowie das Fehlen einer Ein-
     Die Offshore-Windenergie ist eines der wichtigs-         speisevergütung und von Netzanbindungen, um den
     ten Wachstumsfelder der Windenergiebranche. In           Strom weiterzuleiten. Das wiederum führt aktuell zu
     der deutschen Nord- und Ostsee sind Dutzende             Unterbeschäftigung in den Produktionsstandorten
     Windparks mit bis zu 5 000 Windenergieanlagen            von Weserwind, PowerBlades und AREVA Wind.
     geplant. Die Hersteller errichten ihre Produktions-      An diesen Standorten wurde mittlerweile Kurzarbeit
     stätten für die Offshore-Windenergieanlagen direkt       vereinbart. Ein auf Initiative der IG Metall mit diesen
     an der Küste, um gefertigte Einzelteile gleich auf       Unternehmen und dem Land Bremen gegründetes
     Schiffe verladen und zu den Bauplätzen auf hoher         „Betriebliches Bündnis Windenergie“ macht sich ge-
     See transportieren zu können. Die „Windenergie-          genwärtig dafür stark, durch Kurzarbeit betriebsbe-
     Agentur“ – 2002 als Netzwerk für die Windenergie-        dingte Kündigungen zu vermeiden und die betroffe-
     branche in der Nordwest-Region gegründet – geht von      nen Beschäftigten während der Kurzarbeitsphasen zu
     weiterem Arbeitsplatzaufbau aus. In ihren Prognosen      qualifizieren.
     hält sie beispielsweise im Bereich Service und Wartung   Die IG Metall Bremerhaven sieht trotzdem gute Chan-
     von (Offshore-)Windkraftanlagen langfristig 20000        cen, in dieser Branche zusätzliche sozialversiche-
     neue Jobs entlang der Küste für möglich.                 rungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu schaf-
     Die IG Metall Bremerhaven nahm schon bald nach de-       fen. Die wichtigste Voraussetzung sind allerdings
     ren Gründung Kontakt mit der Windernergie-Agentur        verlässliche Rahmenbedingungen, die Planungssi-
     Bremen/Bremerhaven (WAB) auf. Der Geschäftsfüh-          cherheit ermöglichen und die politische Unsicherheit
     rer der WAB ist heute regelmäßig Gast auf Betriebs-      beenden.
     räteversammlungen der Wind-Betriebe. Hier werden         Uwe Beckmeyer, Staatssekretär beim Bundesminis-
     Entwicklungen, Chancen und Probleme der Branche          terium für Wirtschaft und Energie und Koordinator für
     analysiert und gemeinsame Handlungsoptionen be-          die maritime Wirtschaft, brachte die Situation in ei-
     sprochen, um Beschäftigung und Standorte zu erhal-       nem Interview mit der Windernergie-Agentur auf den
     ten und zu erweitern.                                    Punkt: „Die Verzögerungen beim Netzausbau und die
     Bremerhaven bietet dieser Branche gute Standortbe-       politische Unsicherheit, wie es mit der Energiewende
     dingungen. Neben den vorhandenen qualifizierten          weitergeht, waren in der vergangenen Wahlperiode
     Beschäftigten sind dies vor allem die Nähe zu den        sicherlich nicht hilfreich. Die SPD hat daher die Ener-
     Offshore-Windparks, der Zugang zum seetiefen Was-        giepolitik im Wahlkampf zu einem Schwerpunkt ge-
     ser und die großen Nutzflächen, die in direkter Nähe     macht. Nun muss es darum gehen, die verlorene Zeit
     zu den Kajen (Kaianlagen) liegen. Mittlerweile haben     wettzumachen – durch die Verlängerung des Stau-
     sich zahlreiche namhafte Wind­     energieproduzenten    chungsmodells, einen verbindlichen Ausbaukorridor
     wie Senvion, PowerBlades, Weserwind und AREVA            für die Erneuerbaren Energien und klare Planungen
     hier niedergelassen und bilden ein Netzwerk mit For-     für den Netzausbau.“
     schungs- und Dienstleistungsanbietern.                   Dazu können die Metallerinnen und Metaller der Regi-
     Bei deren Ansiedlung war die IG Metall-Verwaltungs-      on nur auf gut Norddeutsch sagen: „Dann macht mal
     stelle Bremerhaven frühzeitig beteiligt. In verschie-    Butter bei die Fische!“ 
     denen Gesprächen im Vorfeld der mit der Wirtschafts-
     förderung und der örtlichen Politik abgestimmten
     „Bremerhavener Vereinbarung“ waren sich alle Betei-
     ligten einig, folgende Kriterien bei der Ansiedlung zu
     berücksichtigen:

       Beschäftigungszusagen
       Betriebsratsgründungen
       Anerkennung der Tarifverträge der Metall- und
       
        Elektro­industrie

12
Abbildung 2: Industrie­
politik geht nur mit dem
Rückhalt der Kolleginnen
und Kollegen: Hier eine
der zahlreichen Demons-
trationen zum Erhalt von
Arbeitsplätzen in der
Schiffbauindustrie.
Bildnachweis:
IG Metall Bremerhaven

Abbildung 3: Offshore-
Windanlagen: Sie bieten
der Region viel Potenzial
für Beschäftigungsauf-
bau. Bedingung: Die Po-
litik muss einen sicheren
Rahmen vorgeben.
Bildnachweis: alpha ventus

 13
IG Metall Düsseldorf-Neuss

                               Richtiger Mix statt nur
                               Messe, Medien, Mode

Bildnachweis: Wikipedia
                                                „Unsere zahlreichen Initiativen und Diskussionen, insbesondere die offensive Arbeit des Ver-
                                                eins ‚Zukunft durch Industrie‘, der von der IG Metall Düsseldorf unterstützt wird, haben sich
                                                gelohnt. Mit dem neuen ‚Masterplan Industrie für Düsseldorf‘ werden die Standortbedingun-
                                                gen der Industrie entscheidend verbessert. Auch im Umfeld der Landeshauptstadt konnten
                                                wir wichtige industriepolitische Projekte bis hin zu neuen industriellen Großinvestitionen
                                                voranbringen.“

                                                Nihat Öztürk
                                                Erster Bevollmächtigter der IG Metall Düsseldorf-Neuss
                                                Nihat.Oeztuerk@igmetall.de
                          14
Von einem Zentrum der Schwerindustrie entwickelte sich Düsseldorf in den letzten Jahrzehnten zum „Schreib-
tisch des Ruhrgebiets“. Dieser gewaltige Strukturwandel hatte fatale Folgen für den Branchenmix und die
Beschäftigung in der Region. Deshalb rückte die IG Metall den Kampf gegen den massiven Abbau von Indus-
trie­arbeitsplätzen seit den 1980er Jahren stärker in den Mittelpunkt ihrer regionalen Strukturpolitik. Dieser
permanente Abwehrkampf hat sich – nach vielen Niederlagen – gelohnt: Neue industriepolitische Ansätze
gewinnen inzwischen an Bedeutung. Ein breites Bündnis und ein Masterplan für Industrie sowie eine beein-
druckende industrielle Zukunftsinvestition sind sichtbare Ergebnisse dieses Engagements.

Der Strukturwandel in der Region Düsseldorf war in           unternehmen sollten dort künftig Luxuswohnungen,
den vergangenen Jahrzehnten gewaltig. Und für viele          universitätsnahe Dienstleistungen, ein Hotel der Spitzen­­­
Beschäftigte und Mitglieder der IG Metall in zahlreichen     klasse, moderne Büros, Gastronomie, ein Yachtclub und
Industriebetrieben hatte er bittere Folgen. Seit Ende der    eine Yuppiemeile entstehen. Diese „Vision“ fand quer
1980er Jahre verlor die Region rund 50 000 Arbeitsplät-      durch die Parteien eine breite Zustimmung, stieß zum
ze im verarbeitenden Gewerbe. Ursächlich für diesen          Teil sogar auf euphorische Begeisterung. Dabei wurden
Deindustrialisierungsschub waren vor allem Kapazi-           weitreichende Folgen für den Industriegürtel im Düssel-
tätsanpassungen, eine verringerte Fertigungstiefe in         dorfer Süden übersehen: Bestehende Industriebetriebe
vielen Unternehmen, komplette Werkschließungen               im Hafen (darunter Demag Cranes, Komatsu, Hille &
und Produktionsverlagerungen. Diese Entwicklung ver-         Müller und Henkel) beziehungsweise hafen­abhängige
nichtete – zeitversetzt – auch qualifizierte Arbeitsplät-    Unternehmen im Umland und somit tausende Arbeits-
ze in industrienahen Dienstleistungen.                       plätze wären durch einen möglichen Umzug existenziell
Zunächst sprachen einige Wirtschafts­      experten vom      betroffen gewesen. Mehrere Unternehmen hätten sich
„post-industriellen Zeitalter“, das in Düsseldorf sichtbar   sogar gezwungen gesehen, ihre Produktion zu verla-
werde. In ihrer Wahrnehmung war die Verdrängung der          gern oder gar zu schließen. Daraufhin schlossen sich
Industrie Teil einer neuen „urbanen Strategie“. Dabei        Manager der betroffenen Industrieunternehmen zum
verkannten sie die Bedeutung der Industrie als Träger        „Industriekreis Düsseldorf-Süd“ zusammen.
von Beschäftigung und Innovation, als Basis des Außen-
handels und des wirtschaftlichen Wachstums, der regio-
nalen Entwicklung und als Quelle des Wohlstands.
Die IG Metall hatte seit Anfang der 1990er Jahre auf
mehreren arbeitsmarkt- und industriepolitischen Konfe-
renzen und in dem von der IG Metall Düsseldorf mitge-
gründeten Bürgerkomitee „Leben braucht Arbeit – pro
Industrie“ auf die Gefahren für die Stabilität der regio-
nalen Wirtschaftsstruktur hingewiesen, die mit einer
solchen Fixierung auf Dienstleistungen verbunden ist.
Das waren Kassandra-Rufe, die zunächst eher belächelt
und ignoriert wurden.
Ende der 1990er Jahre begann die Landeshauptstadt
schließlich damit, ihr Selbstverständnis und ihre stra-
tegische Ausrichtung in einem Leitbild zu umreißen.
Damals ging es allerdings unter dem Oberbegriff
„Düsseldorf 2000“ nur um Messe, Medien und Mo-
de. Und das, obwohl Düsseldorf – nach Köln – der
zweitgrößte Industriestandort Nordrhein-Westfalens
war und bis heute ist. Hier sind noch immer zahlreiche
Weltmarktführer beheimatet: Der Sprinter von Daim-
ler, die Premium-Stahlrohre von Vallourec, die mobi-         Gleichzeitig wurde auf Initiative der IG Metall und des
len Hafen-Kräne von Gottwald, ferristischer Edelstahl        Bürgerkomitees „Leben braucht Arbeit“ ein breites
von Nirosta oder die riesigen Bagger von Komatsu.            Bündnis aus Betriebsräten, Industrieunternehmen, der
Ebenfalls zur Weltspitze gehören einige in Düsseldorf        IHK und einzelner Parteien gebildet. Für die Zusammen-
ansässige industrienahe Dienstleister sowie große IT-,       arbeit hilfreich war, dass die angedachte Umgestaltung
Telekommunikations- und Engineeringunternehmen.              im Hafengelände mit dem Bestand der ansässigen
                                                             Industrie nicht zu vereinbaren war. Und so agierten
Yachtclub und Yuppiemeile                                    erstmals Gewerkschaften und Industrieunternehmen
statt Industriehafen?                                        gemeinsam gegen das Hafen-Projekt der Stadt.
Diese Ignoranz gipfelte in der „Vision 2002Plus“ der         Damit prallten zwei gegensätzliche Visionen aufein-
Stadt Düsseldorf zur Umgestaltung des Reisholzer             ander: auf der einen Seite Industrieunternehmen, Ge-
In­dustriehafens. Anstelle von Industrie- und Logistik­      werkschaften und die IHK Düsseldorf auf der einen
                                                                                                                           15
 ie Gründung des Vereins „Zukunft durch Indus-
                                                                     D
                                                                     trie e.V.“ in 2010, dessen Ziel es ist, in Politik und
                                                                     Verwaltung sowie bei den Bürgerinnen und Bürgern
                                                                     den hohen Stellenwert der Industrie für den Wohl-
                                                                     stand einer Region zu werben (siehe Abbildung 1). Er
                                                                     leistet Aufklärungsarbeit, um in der Bevölkerung die
                                                                     Akzeptanz von Industrie beziehungsweise indus-
                                                                     triellen Projekten zu fördern. In diesem Verein sind
                                                                     alle relevanten Industrieunternehmen der Region,
                                                                     zahlreiche Vertreter des öffentlichen Lebens sowie
                                                                     der IG BCE-Bezirk Nordrhein, die IG Metall Düssel-
                                                                     dorf-Neuss und der DGB-Bezirk NRW vertreten.
                                                                     Die Tatsache, dass die Wirtschaftskrise in Deutsch-
                                                                      land mit Hilfe einer starken und wettbewerbs-
                                                                      fähigen Industrie beispielhaft bewältigt wurde.
                                                                      Die Erkenntnis, dass große gesellschaftliche He-
                                                                       rausforderungen und Zukunftsfragen – wie zum
     Abbildung 1: Der Verein „Zukunft durch Industrie“ wirbt           Beispiel der Klimawandel, eine umweltgerechte
     in der Region Düsseldorf für mehr Akzeptanz der Industrie         Mobilität, medizinischer Fortschritt und eine zu-
     und des technologischen Fortschritts. Zum Beispiel jedes          kunftsfähige Energieversorgung – nur durch indus-
                                                                       trielle Innovationen zu bewältigen sind.
     Jahr mit der langen Nacht der Industrie Rhein-Ruhr, bei der
     Interessierte in den Betrieben hinter die Kulissen gucken     Bestärkt durch den öffentlichen Druck, den Betriebs-
     dürfen. Auch die IG Metall unterstützt das Projekt.           räte und die IG Metall mit ihren Aktivitäten ausgelöst
     Bildnachweis: www.zukunft-durch-industrie.de                  haben, entwickelten nun auch die politischen Partei-
                                                                   en erste Ansätze für einen industriepolitischen Dialog
                                                                   und zahlreiche industriepolitische Initiativen. So hat
     Seite, die eine weitere Deindustrialisierung verhindern       beispielsweise die SPD Düsseldorf einen Parteitag mit
     wollten. Und auf der anderen Seite der Oberbürger-            dem Schwerpunkt „Industriepolitik“ in enger Zusam-
     meister, Lokalpolitiker und Architekten, die von einer        menarbeit mit der IG Metall Düsseldorf-Neuss konzi-
     „Wohn- und Freizeitmeile der Superlative“ träumten.           piert. Auch mit anderen Parteien führt die IG Metall
     Nach langen Beratungen, Diskussionsforen und Aus-             Gespräche.
     einandersetzungen wurde das Projekt schließlich               Diese Initiativen reichen jedoch bei Weitem nicht aus,
     beendet. Nun – ganz aktuell – arbeiten einzelne Inte-         um die bestehenden Industriestandorte zu sichern
     ressenten mit der Stadtspitze daran, den Reisholzer           und weiterzuentwickeln sowie neue innovative Pro-
     Industriehafen zu modernisieren und auszubauen.               dukte, Produktionsverfahren und die Ansiedlung neuer
     Eine Vorstudie unterstützt diesen industriepolitischen        Industrien zu fördern. Daher hat die IG Metall Düssel-
     Ansatz: Sie weist ein „hohes Potenzial für einen Hafen        dorf-Neuss im April 2011 einen weiteren Vorstoß unter-
     in Reisholz“ aus. Eine detaillierte Machbarkeitsstudie,       nommen und eine Industriepolitische Konferenz mit
     die zurzeit erstellt wird, soll dies belegen.                 folgenden Leitfragen abgehalten (siehe Abbildung 2):

     Arbeitsplätze ausbauen                                            ie kann die Industrieregion Düsseldorf-Neuss
                                                                      W
     statt Luxusviertel                                               attraktiver werden?
     Wie kam es nun zu diesem Sinneswandel? Ein wesent-               Wie müssen „Gewinner-Projekte“ für die Region
                                                                      
     licher Grund dürfte sein, dass sich mitten in der Finanz-        aussehen, damit sich die Industrie am Standort
     markt- und Wirtschaftskrise ein grundlegend neues Ver-           weiterentwickelt und die regionale industrielle
     ständnis über die Bedeutung der Industrie etablierte.            Kompetenz auch 2020 an der Spitze bleibt?
     Ausschlaggebend hierfür waren vor allem vier Faktoren:           Wie sollte die zusätzliche industrielle Entwicklung
                                                                       für die Region forciert werden?
         ie breite öffentliche Solidarisierung gegen die be-
        D                                                              Wie lässt sich verhindern, dass die bestehenden
        absichtigte Verlagerungdes Edelstahlwerks Thyssen-              Wertschöpfungsketten durch Fachkräftemangel,
        Krupp Nirosta von Benrath (Benrath grenzt unmittelbar           Abwanderung, Verlagerung, Missbrauch von Leih-
        an den Stadtteil Reisholz) nach Krefeld. Betriebsrat,           arbeit oder Missachtung der demografischen Tatsa-
        Belegschaft und IG Metall konnten ein breites Bür-              chen geschwächt werden?
        gerbündnis organisieren. Politik und Verwaltung er-          Was können Politik und Verwaltung leisten, um die
        kannten dadurch, welche Folgen eine Schließung des            Industrieregion Düsseldorf weiterzuentwickeln?
        Werks für den Düsseldorfer Süden haben würde, und               Welche Verantwortung haben Unternehmen für die
        bezogen öffentlich Stellung gegen die Verlagerung.               regionale Entwicklung?
16
Diese zahlreichen Initiativen und Diskussionen, ins-                                                                                                                                                                                                           Abbildung 2: Auf
besondere die       offensive
             Wir bitten            Arbeitaufdes
                        um Ihre Anmeldung           Vereins Antwortkarte
                                               der beiliegenden „Zukunft                                                                                                                                                                                       mehreren Konferen-
             bis zum 25. März 2011 an:
durch Industrie“,      haben sich gelohnt. Zusammen mit                                                                                                                                                                                Düsseldorf-Neuss        zen hat die IG Metall
der IG Metallursula.boese@igmetall.de,
                und dem DGB haben die Administration
             Tel: 0211/38701-18, Fax: 38701-50                                                                                                                                                                                                                 Düsseldorf-Neuss den
der Stadt und die Industrie- und Handelskammer kürz-
lich einen „Masterplan Industrie für Düsseldorf“ ausge-                                                                      Mittwoch, 6. April 2011 in der Turbinenhalle der Stadtwerke Düsseldorf                                                            industriepolitischen
arbeitet. Er will  dieDüsseldorf-Neuss
             IG Metall   Standortbedingungen der Indus­trie                                                                                                                                                                                                    ­Dialog gefördert. 2011
             Friedrich-Ebert-Straße 34 - 38
mit Hilfe der40210
              folgenden
                    DüsseldorfMaßnahmen verbessern:                                                                                                                                                                                                            zum Beispiel unter dem
            Tel.: 0211/387010
            Fax: 0211/38701-50                                                                                                                                                                                                                                 Motto „Lebensqualität
   Industrieflächen
                          und Infrastrukturmaßnahmen
            E-Mail: duesseldorf-neuss@igmetall.de
            Internet: www.duesseldorf-neuss.igmetall.de                                                                                                                                                                                                        durch Arbeit und Indus-
      erhalten beziehungsweise weiterentwickeln,
                                                                                                                                                                                                                                                               trie“. Dabei diskutierten
   Technologie- und Clusterpolitik,
    Energiepolitik,                                                                                                                                                                                                                                           Experten, Verantwort-
     Arbeitskräftebedarf durch eine verbesserte regiona-                                                                                                                                                                                                      liche aus Politik und Ver-
      le Arbeitsmarkt-          und Ausbildungspolitik sichern und
                    Anschrift: Höherweg 100 · 40233 Düsseldorf
                                                                                                                                                                                                                                                               waltung, Unternehmer,
                                                                                             Turbinenhalle

      systematisch      an Image und Profil des Standorts ar-
                        Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab HBF:
                Bus 725 oder Bus 738 Haltestelle „Düsselstrand“                                                                                                                                                                                                Wirtschaftsverbände und
                      U-Bahn U75 Haltestelle „Kettwiger Straße“
       beiten.       S-Bahn: S8, S11, S28 Haltestelle „Flingern“
                                                                                                                                                                                                                                                               Gewerkschaften.
                                               Mit dem PKW:
                   Zufahrt über Höherweg zum Kundenparkplatz
                                                                                                                                                                                                                                                               Bildnachweis:
PIERBURG:                                                                                                                                                                                                                                                      Manfred Vollmer
EIN INDUSTRIEPOLITISCHER ERFOLG!                                                                                             Für Lebensqualität
Wer jetzt an der Hafenmole 1 in Neuss vorbeifährt,                                                                           und Arbeit durch Industrie
wird einen beeindruckenden Gebäudekomplex der                                                                                Industriepolitische
                                                                                                                             Konferenz der IG Metall Düsseldorf-Neuss*
Firma Pierburg sehen, der sich im Aufbau befin-                                                                               *In Zusammenarbeit mit:

det (siehe Abbildung 3). Dort entstehen eine neue
               V.i.S.d.P.: Nihat Öztürk, IG Metall Düsseldorf-Neuss, Friedrich-Ebert-Straße 34 - 38, 40210 Düsseldorf
                                                                                                                              Region Düsseldorf-Bergisch Land · Bezirk Düsseldorf · Düsseldorf-Wuppertal · Project Consult, Essen · Stadtwerke Düsseldorf AG

Ventile­fabrik, eine moderne Gießerei samt mecha-
nischer Bearbeitung und ein Logistikcenter. Ab Früh-                                                                    Mit dieser Vereinbarung wurde seit Jahrzehnten
jahr 2014 soll der Gesamtkomplex nach und nach                                                                          erstmals eine neue industrielle Großinvestition in                                                                                     Abbildung 3: Das neue
fertiggestellt werden.                                                                                                  der Region realisiert, die gut 1 500 Kolleginnen und                                                                                   Pierburg-Gebäude in
Wie war das möglich? Die Gießerei am Pierburg-Stand-                                                                    Kollegen eine dauerhafte Perspektive bietet und den                                                                                    Neuss: Eine Ventile- und
ort in Nettetal/Niederrhein sollte noch vor wenigen                                                                     Indus­triestandort Düsseldorf-Neuss deutlich stärkt.                                                                                   Montagefabrik, eine
Jahren verkauft oder durch Modernisierungsinves-                                                                        Kennzeichnend für die regionale und strukturpoliti-                                                                                    moderne Gießerei samt
titionen für die Zukunft fit gemacht werden. Es gab                                                                     sche Bedeutung und Wertschätzung dieser großen
                                                                                                                                                                                                                                                               mechanischer Bearbei-
auch Überlegungen des Unternehmens, den Standort                                                                        Investition war, dass sie gemeinsam vom Unter-
Nette­tal samt Gießerei komplett zu schließen oder die                                                                  nehmen Kolbenschmidt-Pierburg AG, der IG Metall                                                                                        tung und ein Logistikcen-
Gießereiaktivitäten nach Rumänien zu verlagern. Die                                                                     Düsseldorf-Neuss und dem Bürgermeister der Stadt                                                                                       ter unter einem Dach.
restliche Produktion – ohne Gießerei und mechani-                                                                       Neuss der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.                                                                                           Bildnachweis: Pierburg GmbH
sche Bearbeitung – sollte dann in Neuss oder im Raum
Mönchengladbach fortgeführt werden.
Mit dem im Juni 2012 mit Pierburg vereinbarten Er-
gänzungstarifvertrag besiegelte die IG Metall ein ganz
anderes Konzept, das eine industriepolitische Grund­
entscheidung enthält und die Zukunft des Unterneh-
mens nachhaltig bestimmen wird. Das Herzstück die-
ses Vertrags führt dazu, dass Pierburg seinen neuen
Standort in Neuss ausbauen wird. Verbindlich zuge-
sagt sind darin auch Produkte und Projekte, die dort
hergestellt beziehungsweise realisiert werden müs-
sen sowie eine Beschäftigungssicherung bis 2022.
Der Standort in Nettetal konnte damit zwar nicht ge-
rettet werden, die Arbeitsplätze jedoch wurden län-
gerfristig im nahe gelegenen Neuss gesichert. Die
bisherigen Produktionen aus Nettetal und aus dem
früheren Produktionsstandort in Neuss werden nun
in einem neuen, modernen Standort an der Neusser
Hafenmole zusammengeführt. Nach und nach sollen
auch die Zentralverwaltung sowie die Bereiche For-
schung, Entwicklung und Musterbau dort konzent-
riert werden.
                                                                                                                                                                                                                                                                17
IG Metall Erlangen

                                Lehrstuhl für Projekt­
                                management initiiert

Bildnachweis: Siemens AG
                                                 „Die Initiative ‚Projektmanagement im Großanlagenbau‘ hat der IG Metall Erlangen einen
                                                 deutlichen Imagegewinn gebracht. Mit unserem regionalen industriepolitischen Engagement
                                                 haben wir uns – auch mit Blick auf die Interessenvertretung hochqualifizierter Beschäftig-
                                                 ter – ein bedeutsames Arbeitsfeld erschlossen. Allerdings verlangt dieses Engagement den
                                                 Hauptamtlichen einen hohen Zeitaufwand ab und sollte entschieden stärker auch von den
                                                 Ehrenamtlichen mitgetragen werden.“

                                                 Wolfgang Niclas
                                                 Erster Bevollmächtigter der IG Metall Erlangen (bis 4/2014)
                                                 Wolfgang.Niclas@igmetall.de
                           18
Als Folge eines Restrukturierungsprogramms bei Siemens Verkehrstechnik in Erlangen im Jahr 2006 befürchte-
ten die IG Metall Erlangen und der Betriebsrat, dass der gesamte Entwicklungs- und Projektierungsbereich aus
Erlangen verlagert würde. Zusammen mit den Beschäftigten analysierten sie die Situation und fanden heraus,
dass es bei großen Projekten immer auch an einem professionellen Projektmanagement mangelte. Nach
mehreren Beratungen mit verschiedenen regionalen Akteuren fanden sie eine Lösung: Ein neuer Studiengang
an der örtlichen Universität soll diese Qualifikationsdefizite beheben.

Als wesentliche Gründe für das Restrukturierungs-
programm bei Siemens Verkehrstechnik im Jahr 2006
nannte der Arbeitgeber die verhältnismäßig schlechte
Ertragslage und vor allem defizitäre Ergebnisse bei
Großprojekten. Betriebsrat, IG Metall und Beschäf-
tigte sahen die Ursache für die unbefriedigende Ent-
wicklung vieler Projekte jedoch hauptsächlich in der
mangelhaften Organisation und Führung. Vor diesem
Hintergrund entwickelten sie Ideen, um die Qualität
des Projektmanagements zu verbessern und damit
auch den Standort zu sichern.
Ein wichtiges Ergebnis ihrer Überlegungen war, ei-
nen Initiativkreis zu gründen, um einen Lehrstuhl für
einen neuen Masterstudiengang „Projektmanage-
ment im Anlagenbau“ an der Friedrich-Alexander
Universität einzurichten. Dieser wurde dann auch
2007 nach mehreren Beratungen mit den wichtigs-
ten regionalen Akteuren auf den Weg gebracht. Er ist
überwiegend firmenfinanziert und hat eine zehnjäh-
rige Laufzeit.
Der von der Universität angebotene Masterstudien-
gang baut auf verschiedenen Ingenieurstudiengängen
auf. Der Lehrbetrieb wurde im Herbst-Winter-Semester
2013/2014 aufgenommen (siehe Abbildung 1).                 telfranken erstmals auch ein regionales Leitbild. Die ers-   Abbildung 1: Die Info-
                                                           te Fassung dieses Leitbilds war allerdings stark von den     Broschüre zum neuen
Die Vorgeschichte und ein Leitbild                         Gewerkschaften abgekupfert, deren Positionen damals          Studiengang „Interna-
für Wachstum und Beschäftigung                             schon vorlagen.
                                                                                                                        tionales Projektmanage-
Mit dem Niedergang der Grundig AG in den 1980er            Denn der DGB hatte bereits 1987 in Erlangen eine um-
Jahren war die IG Metall Nürnberg (als Nachbarverwal-      fangreiche Befragung der Akteure am Arbeitsmarkt             ment und Großanla-
tungsstelle von Erlangen) gezwungen, neue Wege zu          durchgeführt. Die Leitfrage lautete: Wie kann man den        genbau“. Wer mit dem
gehen, um Arbeitsplätze zu sichern. Einerseits mach-       industriellen Strukturwandel sozial gestalten? Das Er-       Studium fertig ist, kann
te sie öffentlich Druck, um von Grundig umfangreiche       gebnis wurde im Rahmen der Gesprächsrunde „Arbeit            zum Beispiel in der Kraft-
Geldbeträge für die Qualifizierung und Vermittlung der     und Wirtschaft“ vorgestellt, an der Vertreterinnen und       werkstechnik, im Solar-
Beschäftigten in neue Arbeitsplätze zu erzwingen. An-      Vertreter der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite aus
                                                                                                                        und Windkraftenergiebe-
dererseits bestand die Notwendigkeit, sich auch um         den Betrieben, den Wirtschaftsverbänden und den Ge-
zusätzliche neue Arbeitsplätze zu kümmern. Daher           werkschaften unter Leitung des damaligen Erlanger            reich, in der industriellen
schuf die IG Metall ein ganzes Bündel von Initiativen,     Oberbürgermeisters teilnahmen. Die drei Kernforderun-        Verfahrenstechnik oder
Arbeitskreisen und Einrichtungen, um entsprechende         gen waren die Verbesserung der Strukturen der berufli-       für Infrastrukturprojekte
Maßnahmen voranzubringen.                                  chen Ausbildung, die Stärkung des Technologietransfers       arbeiten.
Den regional- und strukturpolitischen Forderungen          und die Schaffung einer Initiative, um die Medizintech-      Bildnachweis: FAU
der IG Metall in Mittelfranken liegt der Gedanke zu-       nik zu fördern. Letztere wurde dann auch zum Ausgangs-
grunde, die industriepolitischen Kompetenzfelder zu        punkt für die später sehr erfolgreiche „Kompetenzinitia-
stärken mit dem Ziel, Gute Arbeit in vorhandenen und       tive Medizintechnik“.
neu zu entwickelnden Strukturen zu schaffen. Jahre-        Seit 1993 trifft sich das „Wirtschafts-Forum Nürnberg,
lang waren die Gewerkschaften von Seiten der IHK           Fürth, Erlangen“, ein Kreis von Unternehmens-, Wissen-
und des Verbands der bayerischen Metallindustrie           schafts-, Politik- und Gewerkschaftsvertretern/-innen,
von regionalpolitischen Entscheidungsprozessen ausge-      mehrmals jährlich nach Bedarf, um Initiativen für einen
schlossen worden (Vorwurf des „Wirtschaftsdirigis-         erfolgreichen Strukturwandel zu entwickeln. In diesem
mus“). In den 1990er Jahren Jahren erstellte die Arbeit-   Rahmen entstand auch das regionale „Leitbild für nach-
geberseite ein Konzept zur regionalen Kompetenzfel-        haltiges Wachstum und Beschäftigung“ (siehe Abbil-
dentwicklung. Zur gleichen Zeit entwickelte die IHK Mit-   dung 2 der folgenden Seite).
                                                                                                                         19
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