Das Wirtschaftsmagazin Nr. 1/2019 - Über Kantonsgrenzen hinaus planen Felix Sennhauser: Spitallandschaft muss sich bald verändern Entlastungen ...
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WWW.IHK.CH SC HWERPUNK T GESUNDHEITSWESEN Über Kantonsgrenzen hinaus planen SC HWERPUNK T GESUNDHEITSWESEN Das Wirtschaftsmagazin Nr. 1/2019 Felix Sennhauser: Spitallandschaft muss sich bald verändern W I R T SC HA F T & P OL I T I K Entlastungen dank Steuerreform
10. März 2019 .ch www.ständerätin2019 Susanne Vincenz- StauffachefürrBern! n Unsere KMU-Vertreteri Mit Erika Forster-Vannini und Bundesrätin Karin Keller-Sutter lag ein St.Galler Ständeratssitz 23 Jahre lang in den Händen freisinniger Frauen. Am 10. März 2019 will Susanne Vincenz-Stauffacher diese Tradition fortsetzen. Susanne Vincenz-Stauffacher • ist als selbstständige Rechtsanwältin unabhängig und eigenverantwortlich • kennt als Interessenvertreterin von St.Galler KMU die Bedürfnisse der Wirtschaft • nimmt als Präsidentin der Opferhilfe und als Ombudsfrau Alter und Behinderung soziale Verantwortung wahr • kann die Ostschweiz ab dem Tag ihrer Wahl aktiv in Bern vertreten
EDITORIAL «Viel mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.» Wir haben es mit Albert Einstein: Die Vergangenheit zu kennen ist wichtig, aber beeinflussen können wir nur die Zukunft. Mit der Ende November 2018 an unserem Konjunk- turforum «Zukunft Ostschweiz» in den Olma-Hallen präsentierten Zu- kunftsagenda zeigt die IHK einen Ziel- und Orientierungsrahmen für unsere eigene Arbeit auf, aber vor allem auch für die Ostschweizer Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Ziel der sieben Zielbereiche und über 30 Schlüs- selprojekte ist es, die Rahmenbedingungen für eine zukunftsorien- tierte Ostschweiz zu gestalten. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass die Ostschweiz auch für kommende Generationen attraktiv und damit im besten Sinne des Wortes Heimat ist. Selbstverständlich ist, dass wir viele Schlüsselprojekte nur gemeinsam mit Bundesbern umsetzen können. Dazu gehört insbesondere die Markus Bänziger Direktor IHK St. Gallen-Appenzell Sicherung des Zugangs zu internationalen Märkten. Für ein Land, in dem zwei von drei Franken im Ausland verdient werden, sind offene Märkte entscheidend. Und dies nicht nur für unsere Export- und Im- portunternehmen, sondern auch für regional und national tätige Pro- duzenten, Dienstleister und Händler. Wenn die schweizerische Wert- schöpfung aus dem Export stagniert, ja gar zurückgeht, schlägt dies direkt auf die Inlandnachfrage. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Des- sen müssen wir uns auch bei den Diskussionen rund um das Rahmen- abkommen mit der EU bewusst sein. Unabhängig von den zahlreichen EU-internen Baustellen ist es in unserem Interesse, wenn wir bald ein- mal klare Antworten zum Verhältnis der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum erhalten. Unsicherheit ist Gift für die wirtschaftliche Entwicklung. Die Bemühungen des Bundesrates um neue oder die Weiterentwicklung bestehender Freihandelsabkommen mit Ländern in Übersee sind notwendig – den Marktzugang zum europäischen Bin- nenmarkt vor unserer Haustüre vermögen sie aber nicht zu kompen- sieren.
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INHALT BLITZLICHT 06 Gesundheitswesen im Krankenstand SCHWERPUNKT Was tun gegen die steigenden Gesundheitsausgaben? GESUNDHEITSWESEN 08 Volkswirtschaftlich unterschätzt Die Ostschweizer Gesundheitswirtschaft in Zahlen «Die Spitallandschaft muss sich zwingend verändern» Interview mit Felix Sennhauser, Spitalverbunde Kanton St. Gallen Fehlende Kostentransparenz im Gesundheitswesen Spitalstrukturen als Knackpunkt Alleingänge oder gemeinsame Spitalversorgung? Was kantonale Parlamentarier zur Spitalpolitik sagen Steuerentlastung von rund 135 Millionen Franken WIRTSCHAFT UND POLITIK 21 Umsetzung Unternehmenssteuerreform Kanton St. Gallen IHK-Cockpit – Wirtschaftskennzahlen aus der Ostschweiz Leichter Rückgang bei Ostschweizer Exporten Ein zweiter Campus für die Universität St. Gallen Volksabstimmung im Kanton St. Gallen Verwaltungsratspraxis für KMU KNOW-HOW 26 Dreitägiges Verwaltungsratsseminar wird 2019 wieder angeboten St. Galler Schiedsordnung hat sich im «Alltag» bewährt Ergänzung zur staatlichen Gerichtsbarkeit «Der Detailhandel wird unterschätzt» IHK 29 Neu im IHK-Vorstand: Ivo Dietsche, Leiter Coop Ostschweiz-Ticino EcoOst St. Gallen Symposium Interview mit Verantwortlichen von IHK, HSG, St. Gallen Symposium IHK-Auftakt 2019 Impressionen vom diesjährigen Neujahrsempfang IHK-Neumitglieder Schneider Korbwaren AG AKTUELLE FIRMENNEWS 35 AGV-NETZWERK 37 AGENDA 38
BLITZLICHT Allheilmittel Jobcoaching? Neuer HSG-Rektor Das «Forum im Pfalzkeller» ist seit 2009 der Die Regierung des Kantons St. Gallen hat Branchenanlass zum Thema Arbeitsintegra- die durch den Senat und den Universitätsrat tion für Arbeitgeber und Sozialinstitutionen. erfolgte Wahl von Prof. Dr. Bernhard Ehren- Lanciert von den Behinderteninstitutionen zeller als künftiger Rektor der Universität Procap, Profil Arbeit & Handicap, Dreischiibe, St. Gallen genehmigt. Bernhard Ehrenzeller Obvita sowie Suva, versammeln sich jedes ist Ordinarius für Öffentliches Recht an der Jahr über zweihundert Fachleute und Arbeit- Universität St. Gallen und Direktor des Ins- geber am 25. März 2019 zum Thema «Job- tituts für Rechtswissenschaft und Rechts- coaching – das Allheilmittel? Nutzen von Job- praxis. Er tritt die Nachfolge des amtieren- coaching für Arbeitgeber». Das Einstiegsrefe- den Rektors Prof. Dr. Thomas Bieger am rat hält Jobcoach und Dozent Marco Dörig. 1. Februar 2020 an. Dazu kommen Erfahrungsberichte von Jobcoachings zur Arbeitsplatzerhaltung aus der Praxis. Der neu gewählte Rektor ist für diese Auf- Am Anlass wird zum dritten Mal der Berufliche Integrationspreis Ostschweiz verliehen. Mit ihm gabe bestens vorbereitet: Er hatte von 2003 werden Unternehmen ausgezeichnet, die sich für die berufliche Integration von jungen Men- bis 2011 bereits als Prorektor geamtet und schen mit Beeinträchtigung im ersten Arbeitsmarkt einsetzen. Die IHK St. Gallen-Appenzell bringt somit langjährige Rektoratserfah- freut sich, die Preisverleihung als Patronatspartner unterstützen zu dürfen. Weitere Informatio- rung als Prorektor Forschung in zwei Rekto- nen unter www.forumimpfalzkeller.ch. raten mit, mehrjährige Erfahrung als Insti- tutsdirektor, ein grosses Beziehungsnetz so- wie hohe Anerkennung im kantonalen und eidgenössischen Umfeld. Die Wahl des neuen Rektors erfolgt wie üblich rund ein IHK empfiehlt Benedikt Würth Jahr vor seiner Amtsübernahme. Für die Ersatzwahl in den Ständerat vom 10. März Einer der neuen Prorektoren – Prof. Dr. Ulrich 2019 empfiehlt der IHK-Vorstand Benedikt Würth Schmid – findet sich weiter hinten in die- (CVP). Als äusserst erfahrener Politiker traut ihm der sem Heft: Er gab uns Auskunft zum EcoOst IHK-Vorstand am ehesten zu, Blockaden lösen zu St. Gallen Symposium. können und für die Ostschweiz eine starke Stimme im Bundesparlament zu werden. In Bezug auf die Übereinstimmung mit den IHK-Posi- tionen konnte im Hearing des IHK-Vorstandes aller- dings auch die FDP-Kandidatin Susanne Vincenz- Stauffacher (FDP) ähnlich überzeugen wie der CVP- Kandidat. Neuer Direktor IHK Thurgau Die Industrie- und Handelskammer Thurgau hat ab 1. Juli 2019 einen neuen Direktor: Jérôme Müggler. Der 38-Jährige war in den vergangenen sieben Jahren in verschiedenen Funktionen beim Beratungsunternehmen KPMG in Zürich tätig. Davor be- treute er Kundenprojekte in einer Thurgauer Kommunikations- agentur. «Jérôme Müggler erfüllt das Anforderungsprofil für die Direktion optimal», begründet Christian Neuwei- ler, Präsident der IHK Thurgau, die Wahl. «Er kennt den Kanton Thurgau, ist gut vernetzt und mit The- men der Zeit wie der Digitalisierung vertraut.» Die IHK St. Gallen-Appenzell freut sich auf eine er- folgreiche Zusammenarbeit. 6 Nr. 1/2019
BLITZLICHT ICT-Konferenz: Wie sieht Ihre Digitalisierungs- strategie aus? Wie beantworten Unternehmerinnen und Unternehmer die Frage «Was ist Digitalisierung?» für sich und ihre Unternehmen? Mit wel- chen Digitalisierungsstrategien beschäftigen sich die Unternehmen in der Ostschweiz? Was bedeutet die ausgewählte Strategie für ihr bis- heriges Geschäftsmodell? Inwiefern verändert die digitale Transforma- tion auch eine Firmenkultur? Erfahren Sie an der vierten ICT-Konferenz vom 27. Februar 2019 mehr zu solchen Fragen. In viertelstündigen Kurzreferaten werden Digitali- sierungsstrategien und -pro- jekte vorgestellt, die sich aus- drücklich nicht nur an ein Fach- Anmeldung unter: publikum richten. St. Galler CBD-Kaugummi Auf der ISM Köln, der wichtigsten Süssigkeitenmesse der Welt, erzielte der «Swiss Cannabis Gum» der St. Galler Süssigkeiten-Spezialisten Roelli Roelli am 27. Januar 2019 den 3. Platz als Top-Innovation. Dem IHK-Mitglied Roelli Roelli ist es 2018 als erstes Unternehmen weltweit gelungen, einen CBD-Kaugummi mit 120 Gramm Cannabidiol, kurz CBD, zu entwickeln. Dieser Pioniergeist wurde nun auf der ISM in Köln mit einem Innovationspreis belohnt. «Auf der wichtigsten Süsswarenmesse der Welt mit diesem Preis – auch als dritter Platz – aus- gezeichnet zu werden, ist für uns so etwas wie ein Ritterschlag. Wir sind unglaublich stolz; wird damit doch unser Weg bestätigt: Mit Schweizer Esprit hochwertige Kaugummiprodukte mit Mehrwert und dem gewissen Extra zu entwickeln», erklärt Kristofer Roelli, der gemeinsam mit seinem Bruder Andreas das St. Galler Unternehmen führt. Schlussspurt im Nationalrat Der St. Galler Nationalrat Walter Müller wird zwar im kommenden Herbst nicht mehr zur Wie- derwahl antreten. Trotzdem bleibt er noch aktiv: In der Wintersession hat er eine Motion ein- gereicht, um die drohende Blockade bei den flankierenden Massnahmen aufzubrechen. Die neuen technischen Möglichkeiten seien so zu nutzen, dass die Anmeldefrist verkürzt werden kann und der bestehende Lohnschutz trotzdem gewährleistet bleibt. Er schlägt in der Motion auch die Zertifizierung von Entsendebetrieben mit einer Pauschalbewilligung für eine begrenzte Zeit vor – eine alte IHK-Idee (IHK-Standpunkt März 2013: «Stopp dem Missbrauch der flankie- renden Massnahmen»).
SCHWERPUNKT Ein IHK-Vorschlag aus dem Jahr 2009 erhält wieder Relevanz Gesundheitswesen im Krankenstand Steigende Kosten, zu wenig Eigenverantwortung, Überkapazitäten bei den Spitalbetten durch falsch verstandenen Föderalismus und Intransparenz bei medizinischer Qualität und der Finanzierung: Im Gesundheitswesen besteht viel Handlungsbedarf. Die Bildung eines Gesundheitskantons Ostschweiz könnte ein Ausweg aus dem übertriebenen «Kantönligeist» darstellen. Der Patient sagt bei seiner regelmässigen Cholesterinkon- tinnen und Ärzte mit Praxen (19% der Gesundheitsaus- Robert Stadler trolle zum Arzt: «Ich habe festgestellt, dass es von mei- gaben) sowie Sozialmedizinische Institutionen (16%). Stv. Direktor / Leiter nem Medikament ein Generikum gibt. Wieso haben Sie Kommunikation IHK mir nicht dieses verschrieben? Oder mich wenigstens da- Anreize gegen den Überkonsum rauf aufmerksam gemacht, dass es ein günstigeres Gene- Doch was ist dagegen zu tun? Eines ist klar: Bei einem so rikum gibt?» Der Arzt erwidert salopp: «Ich bin Mediziner komplexen System mit unzähligen Abhängigkeiten und und nicht Buchhalter.» Diese wahre Episode ist ein Beispiel Profiteuren ist es alles andere als eine einfache Aufgabe. dafür, woran das Gesundheitswesen krankt. Da die Kran- Definitiv keine nachhaltige Lösung ist jedoch eine Auswei- kenversicherung zwischen Kunde/Patient und Anbieter/ tung der Prämienverbilligungen, wie sie nach einem kürz- Arzt steht, werden die üblichen Marktprinzipien ausgehe- lichen Bundesgerichtsentscheid wieder diskutiert wird. Die belt. Für den Patienten ist zu wenig transparent, was auf SP lanciert eine «Prämienentlastungs-Initiative», damit die dem Preisschild steht. Das Gesundheitswesen weist des- Krankenkassenprämien höchstens zehn Prozent des Haus- halb eine gewisse Kollektivität auf, die zu einem Überkon- haltseinkommens ausmachen. Dabei sind statt nachträg- sum führt. Denn Leistungen, die zwar individuell konsu- licher Vergünstigungen vielmehr Massnahmen gefordert, miert, aber kollektiv finanziert werden, ziehen eine unbe- die von vornherein ein stärkeres Anwachsen der Gesund- grenzte Nachfrage nach sich. heitsausgaben verhindern. Es braucht Anreize für den Ein- zelnen, um den eingangs erwähnten Überkonsum einzu- Gesundheitsausgaben steigen und steigen schränken. Versicherte, die aktiv zur Eindämmung des Es ist deshalb kein Wunder, dass die Gesundheitskosten Kostenanstiegs beitragen, müssen belohnt werden. Um- munter weitersteigen. Das Wachstum fiel 2017 zwar ge- gekehrt sind jene Versicherte, die bei Bagatellen gleich in ringer aus als in den Vorjahren. Aber noch ist unklar, ob den Spitalnotfall fahren oder sich an teure Spezialisten die Reform des Tarmed-Tarifs tatsächlich Wirkung zeigt wenden, finanziell zu belasten. Kurz: Die Selbstverantwor- oder nur zu einer Verzögerung beim Kostenanstieg führt. tung ist zu stärken. Die Konjunkturforschungsstelle KOF geht jedenfalls davon Ein möglicher Ansatz ist der Vorschlag der FDP, ein Ge- aus, dass der Anstieg 2019 und 2020 mit je 3,9% wieder sundheitskonto einzuführen. Ähnlich der 3. Säule zahlt grösser ausfallen wird. 2018 überstiegen die Gesundheits- man – steuerlich abzugsfähig – auf ein Konto ein. Damit ausgaben pro Kopf erstmals die Grenze von 10 000 Fran- sollen harmlosere Erkrankungen oder kurze Spitalaufent- ken, 2020 sollen sie bereits bei 10 705 Franken liegen. halte bezahlt werden. Die obligatorische Krankenversi- Etwas über ein Drittel dieser Gesundheitsausgaben fallen cherung wäre nur noch für schwere Eingriffe, chronische gemäss Bundesamt für Statistik in den Spitälern an. Einen Krankheiten oder Bedürftige zuständig. Singapur kennt zweistelligen prozentualen Kostenanteil haben auch Ärz- bereits seit vielen Jahren ein ähnliches System. 8 Nr. 1/2019
SCHWERPUNKT 70 000 Einwohner pro Spital sich gerade im Gesundheitswesen gut anwenden liesse. Da der grösste Ausgabenblock im Spitalbereich anfällt, ist Konkret könnte das Gesundheitswesen an eine neue, spe- hier auch die grösste Wirkung bei den Gesundheitskosten zialisierte öffentlich-rechtliche Körperschaft übertragen zu erzielen. Es ist unumstritten, dass die Zahl der Betten werden. Diese orientiert sich an Wirtschaftsräumen und und Spitäler in der Schweiz zu hoch ist. Unser Land ver- nicht an den kantonalen Grenzen. Ebenso sind nicht mehr fügt über 120 Akutspitäler. Pro Spital bedeutet das rund die kantonalen Hoheiten entscheidend, sondern die medi- 70 000 Einwohner. Das vergleichbare Dänemark weist hin- zinischen Bedürfnisse der Bevölkerung. gegen eine rund vier Mal geringere Spitaldichte auf: Auf Was bis anhin die kantonalen Parlamente entschieden, 275 000 Einwohner kommt ein Spital. wird an ein neu zu bildendes Gesundheitsparlament über- Bei allen Vorteilen des Schweizer Föderalismus – im Spital- tragen. Dieses wählt die Gesundheitsdirektion, die für die wesen verhindert der «Kantönligeist» eine effizientere und Führung der Gesundheitsverwaltung verantwortlich ist kostengünstigere Versorgung. Ein wichtiges Ziel der neuen und die Aufgaben der bisherigen kantonalen Gesund- Spitalfinanzierung war, den Wettbewerb zwischen den heitsdirektoren übernimmt. Die kantonalen Parlamente Spitälern zu stärken, auch über die Kantonsgrenzen hin- der beteiligten Kantone wiederum wählen die Mitglieder aus. Die Kantone nutzten dies jedoch, um ihren eigenen des Gesundheitsparlaments – nicht nach politischen, son- öffentlichen Spitälern eine bessere Ausgangslage zu ver- dern nach fachlichen Kriterien – und verabschieden das schaffen: Durch zurückhaltende Aufnahme in die Spital- Globalbudget, das dem Gesundheitskanton zur Verfü- liste, grosse Investitionen in die bestehende Spitalstruktur gung steht. Das Volk entscheidet über Ein- oder Austritt oder tiefe Referenztarife – allfällige Defizite werden dann in den Funktionskanton und kann über das fakultative durch den Steuerzahler berappt (siehe auch Artikel Seite Referendum auch über das Globalbudget befinden. 14/15). Aus ihrer eigenen Sicht verhalten sich die Verant- Das Modell der Funktionskantone respektiert die traditio- wortlichen in den Kantonen damit durchaus vernünftig. nelle Struktur der Kantone. So entscheiden weiterhin das Zum einen gehören die Spitäler gerade in den Landregio- Stimmvolk und die Kantonsparlamente über die wichtigen nen oft zu den grössten Arbeitgebern. Zum anderen be- Grundsatzentscheide. Gleichzeitig können die Organe des zahlen die Kantone 55% an die stationären Behandlungen Gesundheitskantons unabhängiger und sachlicher über ihrer Einwohner – dieses Geld wird verständlicherweise lie- strategische und operative Fragen entscheiden. Es wäre ber im eigenen Kanton ausgegeben als beim Nachbarn. eine Chance, damit in der Gesundheitspolitik wieder die Die Folgen dieses falsch verstandenen Föderalismus sind bestmögliche und sinnvollste medizinische Versorgung im immens. Es besteht ein Überangebot an Spitalbetten und Zentrum steht und nicht regionalpolitische Ängste. die Kosten laufen im Gesamtsystem aus dem Ruder, da strukturelle Veränderungen verhindert werden. Gesundheitskanton als Ausweg Um dem zu begegnen, schlug die IHK St. Gallen-Appenzell 1 Dr. Kurt Weigelt, Die Ostschweiz – eine attraktive Region mit Schwä- vor zehn Jahren das Modell der Funktionskantone vor, das chen, IHK-Standpunkt November 2009 Kantone AI, AR, TG, SG Gesundheitskanton Ostschweiz Stimmvolk Kantonsparlamente Gesundheitsparlament Gesundheitsdirektion Ostschweiz Ostschweiz stimmt über Eintritt und wählen die Mitglieder des wählt und beaufsichtigt die bezeichnet im Rahmen der Austritt eines Kantons in den Gesundheitsparlamentes Gesundheitsdirektion Gesetzgebung die Ziele und Bildungs- und den Gesund- Mittel der operativen Führung behandeln und verabschie- behandelt und beschliesst: heitskanton ab den die kantonalen Global- – Voranschlag leitet die Gesundheits- (obligatorisches Referendum) budgets – Rechnung verwaltung stimmt über die kantonalen – neue Ausgaben bereitet die Geschäfte des Globalbudgets ab – Aufgabenplan Gesundheitsparlamentes vor (fakultatives Referendum) – Finanzplan Politische Zuständig- – Berichte setzt die Beschlüsse des Ge- keiten im «Gesundheits- sundheitsparlamentes um kanton Ostschweiz». Nr. 1/2019 9
SCHWERPUNKT Die Ostschweizer Gesundheitswirtschaft in Zahlen Volkswirtschaftlich unterschätzt Die Spitallandschaft in der Ostschweiz befindet sich im Wandel und wird momentan öffentlich diskutiert. Dabei geht gerne vergessen, dass unsere stationären Einrichtun- gen nur einen, wenn auch wichtigen Teil der gesamten Gesundheitswirtschaft darstel- len. Wie eine eingehende Analyse zeigt, ist diese in der Ostschweiz viel umfangreicher, vielfältiger und wirtschaftlich bedeutsamer, als gemeinhin angenommen wird. Wie die Schalengrafik zeigt, ist die Gesundheitswirtschaft den Gesundheitssektor gibt, wie etwa in Deutschland, Prof. Dr. oec. HSG sehr vielschichtig. Den Kernbereich bilden die stationäre lässt sich die direkte Wertschöpfung für die Ost- lei und g Die ge stu Tilman Slembeck und ambulante medizinische Versorgung. Neben den Spi- schweiz anhand vorliegender Daten abschät- ns n Bil n t- Gesundheitsökonom du tälern und sozialmedizinischen Institutionen – wie Heime zen. Sie beträgt ca. 5,3 Milliarden Franken n und Reha-Zentren – umfasst dies die niedergelassene jährlich, wobei es sich hier um eine kon- Ha nd Ärzteschaft, ebenso Zahnmediziner, Therapeuten und La- servative Schätzung handelt, welche el boratorien. Hinzu kommen die pharmazeutische und me- den tatsächlichen Wert unter- Ind dizintechnische Industrie sowie Einrichtungen der For- schätzt. Mit rund 125 000 Fran- schung und Entwicklung. Gross- und Einzelhandel wie ken pro Vollzeitbeschäftigten ist Apotheken und Drogerien zählen auf einer nächsten die direkte Bruttowertschöp- g re Dienstleistungen un Ebene ebenfalls hinzu. Schliesslich existieren viele auf den fung im Quervergleich mit n g u n d E n t wi c kl Gesundheitsbereich spezialisierte Dienstleistungs- und anderen Sektoren klar über- Apotheken Ausbildungsorganisationen, nicht zuletzt Versicherun- durchschnittlich. Sozi gen, Beratungsstellen und spezialisierte Schulen verschie- dener Art. Überraschend hohe Gesamtwertschöp- chu weite 7 Milliarden Franken Umsatz fung rs Fo Wie eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Eine ergänzende Betrachtung Wissenschaften ergab, umfasst die Ostschweizer Gesund- ergibt sich, wenn neben der di- heitswirtschaft (Kantone SG, AR, AI, TG) über 4 500 Un- rekten Wertschöpfung auch die ternehmungen, Organisationen, Praxen, Spitäler, Kliniken indirekten und induzierten Wert- und Heime. Eine erstmals durchgeführte Befragung ermit- schöpfungseffekte berücksichtigt telte eine Reihe weiterer interessanter Kennzahlen. Der werden. Diese ergeben sich dadurch, Umsatz für den gesamten Sektor liegt bei geschätzten dass einerseits durch den Leistungsbezug rund 7 Milliarden Franken pro Jahr. aus anderen Branchen sowie andererseits Damit werden in unserer Region rund 55 000 Vollzeit- durch die Verausgabung von Einkommen in der arbeitsplätze geschaffen, in verschiedensten Berufen und Gesamtwirtschaft zusätzliche Wertschöpfung ausge- Qualifikationsstufen. Die jährlich bezahlten Löhne betra- löst wird. gen ca. 4 Milliarden Franken. Die unten stehende Tabelle Gemäss amtlicher deutscher Statistik ist davon auszuge- zeigt deren Aufteilung auf die wichtigsten Bereiche. hen, dass für jeden Euro, welcher in der dienstleistenden Obwohl es in der Schweiz kein eigenes Satellitenkonto für Gesundheitswirtschaft – welche vorliegend dem Kern- 10 Nr. 1/2019
SCHWERPUNKT direkte Brutto- Bruttowertschöpfung in Mio. CHF Löhne wertschöpfung insgesamt Kernbereich, stationär 2 464 3 286 5 750 Kernbereich, ambulant 946 1 262 2 208 Industrie 242 322 Handel 195 260 Dienstleistungen / Bildung 129 172 total in Mio. CHF 3 976 5 302 7 958 pro Beschäftigte in CHF 94 080 125 440 295 381 Zahlen aus dem Jahr 2015. bereich entspricht – geschöpft wird, ein Gesamteffekt (di- hier die Grenze zwischen eigentlicher Gesundheitswirt- rekt, indirekt und induziert) von 1,75 Euro an Bruttowert- schaft und Lebens- oder Freizeitgestaltung fliessend ist. schöpfung resultiert. Angewandt auf die Ostschweiz er- Für eine genauere Analyse sind zusätzliche Daten nötig. gibt sich trotz konservativer Schätzung eine überraschend Charakteristisch für die Gesundheitswirtschaft sind ver- hohe Gesamtwertschöpfung von knapp 8 Milliarden Fran- schiedene Eigenschaften, die sie aus volkswirtschaftlicher ken pro Jahr (siehe letzte Spalte in der Tabelle). Sicht besonders attraktiv machen. Die Produktivität der Bezogen auf die rund 27 000 Personen (Vollzeitäquiva- Arbeitsplätze ist überdurchschnittlich und die Wertschöp- lente), welche im Kernbereich beschäftigt sind, entstehen fung pro Kopf ist vergleichsweise hoch. Aufgrund des Me- somit jährlich knapp 300 000 Franken an Gesamtwert- gatrends zu mehr Konsum von Gesundheitsleistungen so- schöpfung pro Arbeitsplatz. Damit erweist sich der Kern- wie der demografischen Alterung sind die Zukunfts- und bereich als überaus wertschöpfungsstark. Für die Wachstumsaussichten für diesen Sektor besonders gut. Ver Bereiche Industrie, Handel und Dienstleistun- Zudem ist er bezüglich Konjunkturzyklen stabiler als an- si che run gen konnten mangels Vergleichszahlen dere Sektoren und kann deshalb zur Stabilisierung kon- ge n keine klaren Schätzungen gemacht junktursensibler Branchen, wie etwa dem Tourismus, bei- Gro ssh an werden. Dennoch ist davon auszuge- tragen. de l hen, dass auch hier indirekte und Eine besonders wünschenswerte Eigenschaft ist die bran- Pharmaz eut du isc induzierte Effekte von mehreren chenübergreifende Vernetzung, die eine volkswirtschaft- he str ie In hundert Millionen jährlich lich breite Verankerung bewirkt und eine Vielzahl von Be- du Kernbereich hinzu kommen, selbst wenn rufen und Qualifikationen einbindet. Ein Kur- oder Reha- str ie stationär: die Wertschöpfungsintensität bilitationszentrum etwa beschäftigt neben medizinischem Krankenhäuser hier tiefer liegen dürfte, als und pflegerischem Personal auch Menschen in Gebäude- Kliniken al-medizinische Institutionen im Kernbereich. unterhalt, Verwaltung, Garten, Küche, Reinigung und Wäscherei. Hinzu kommen die Aufträge an verschiedene Kernbereich Demografie sorgt für regionale Zulieferer. ambulant: Wachstumspotenzial Ärzte Hinsichtlich der volkswirt- Zahnärzte Laboratorien schaftlichen Bedeutung lässt Zum Autor i sich insgesamt abschätzen, Prof. Dr. oec. HSG Tilman Slembeck ist Volkswirt- k c hn izi nte dass im Jahre 2015 mindestens schaftsprofessor an der Zürcher Hochschule für Ange- Med 14,3% der direkten Wertschöp- wandte Wissenschaften (ZHAW), Leiter des Center for d el an fung der Ostschweizer Kantone in Economic Policy und Dozent mit Lehrauftrag an der Uni- elh Einz der Gesundheitswirtschaft erzielt versität St. Gallen (HSG). Studium und Promotion an der g ld un wurde. Hiermit zählt sie zu einem der HSG, langjährige Forschungsaufenthalte in den USA, sbi Au grössten Wirtschaftssektoren. Nicht berück- Grossbritannien und Australien. Schwerpunkte sind sichtigt sind hierbei unter anderem Betriebe, Theorie und Praxis der Wirtschaftspolitik, Gesundheits- welche primär touristische Angebote machen, aber zu- ökonomie und experimentelle Wirtschaftsforschung. dem Leistungen im Gesundheitsbereich anbieten. Aus- Umfangreiche Tätigkeit als Autor, Referent, Experte und drücklich in der Untersuchung nicht erfasst wurden etwa Gutachter. auch Ernährungsberatungen sowie Einrichtungen für Sport, Fitness, Massagen, Wellness, Spiritualität etc., weil Autorenbild: St. Galler Tagblatt Nr. 1/2019 11
SCHWERPUNKT Spitaldiskussion im Kanton St. Gallen neu entbrannt – Interview mit Felix H. Sennhauser «Die Spitallandschaft muss sich zwingend und bald verändern» Mitte 2018 hat der Verwaltungsrat der Spitalverbunde des Kantons St. Gallen informiert, dass eine weitere medizinische Leistungskon- zentration notwendig wird. Konkret wurde in einem Grobkonzept vorgeschlagen, pro Spitalregion nur noch ein Akutspital zu betreiben. Dies wiederum stiess auf teils heftigen Widerstand. Prof. Dr. med. Robert Stadler Stv. Direktor / Leiter em. Felix H. Sennhauser, Verwaltungsratspräsident der Spitalver- Kommunikation IHK bunde, äussert sich im Interview über den Stand der Dinge. Die Reaktionen auf das Grobkonzept genmassnahmen in ein strukturelles operativen Eingriffen – oft ambulant oder des Verwaltungsrates der Spitalver- Defizit von 70 Mio. Franken pro Jahr tagesklinisch, bunde fielen sehr unterschiedlich aus: schlittern. Sind es nur finanzielle As- – der demografische Wandel mit älter wer- Von «endlich werden die Realitäten er- pekte, die eine weitere Konzentration dender Bevölkerung mit vermehrt chroni- kannt» über «Verrat am Stimmbürger» des Leistungsangebotes nötig machen? schen Krankheiten und Multimorbidität war die ganze Bandbreite zu hören. Es ist für den Verwaltungsrat und die Spital- und somit mit verändertem Bedarf an in- Waren Sie überrascht über die Heftig- leitungen ärgerlich, dass meistens nur die terdisziplinärer und interprofessioneller Be- keit der Reaktionen? ökonomischen Aspekte als alleiniger Grund treuung, Felix Sennhauser: Nein, keineswegs. Unser zur vorgeschlagenen Neuorientierung ge- – der Strukturwandel in der Praxismedizin mit Grobkonzept als initiale Diskussionsgrundlage nannt werden. Fakt ist, dass auch mit aktuell vermehrt Gruppenpraxen und dem regional bedeutete einen wesentlichen Beitrag zu einer noch ausgeglichenen Finanzzahlen zum Bei- unterschiedlich ausgeprägten Nachwuchs- grundsätzlichen Neuorientierung, den wir aber spiel angesichts medizinisch-fachlicher Fort- mangel in der Hausarztmedizin, sorgfältig erarbeitet hatten. Auslöser war un- schritte und regulatorischer Veränderungen – regulatorische und tarifarische Vorgaben ser verantwortungsvoller Umgang mit der un- die Gesundheitsversorgung neu strukturiert für nur noch ambulant finanzierte Opera- ternehmerischen Aufgabe als Strategie-Organ, werden muss – in St. Gallen wie auch in vielen tionen und Abklärungen, auch zukünftig die legitimen Erwartungen der anderen Kantonen und im Ausland. – politische Vorgaben von Mindestfallzahlen Bevölkerung an eine zeitgemässe und qualita- für die Erteilung von Leistungsaufträgen an tiv unverändert sichere Gesundheitsversor- Wenn Sie den medizinischen Fort- Spitäler, um Sicherheit und Qualität sicher- gung im Kanton St. Gallen zu erfüllen. Jede schritt betonen: Was sind die wesentli- zustellen im zunehmenden Wettbewerb Veränderung kann auch verunsichern – folg- chen Megatrends und Entwicklungen und lich haben wir kritische Reaktionen erwartet. im Gesundheitswesen, die auch vor – der soziale Wandel mit Urbanisierung und Aber das darf die wichtige und dringliche Wei- den St. Galler Spitalverbunden nicht verstärkter Selbstbestimmung des autono- chenstellung weder verhindern noch verzö- Halt machen? men, anspruchsvollen Bürgers. gern. Vorweg will ich zudem festhalten, dass Die wichtigsten argumentativen Treiber der vorgeschlagene Strukturanpassungen und lau- notwendigen Anpassungen sind Gibt es konkrete Beispiele für die fende Effizienzsteigerungen in Versorgungs- schwieriger werdende Fachkräfte-Rekru- prozessen erst mit zusätzlichen Preisanpassun- – der medizinisch-therapeutische Fortschritt tierung in kleineren Regionalspitälern? gen für erbrachte Leistungen die Spitäler lang- mit kürzeren, zum Teil ambulant möglichen Ja, besonders in den chirurgischen Fächern fristig auf eine sichere ökonomische Basis Therapie-Phasen, und in der Allgemeinen Inneren Medizin. Die stellen werden. – der technologische Fortschritt zum Beispiel Gründe dafür sind vielfältig, im Zentrum ste- mit Miniaturisierung von Instrumenten und hen die Spezialisierung, die Vorgaben von Der Verwaltungsrat hat darauf verwie- dadurch möglichen minimal-invasiven dia- Mindestfallzahlen und die Erwartungen der sen, dass die Spitalverbunde ohne Ge- gnostischen und interventionellen sowie Patientinnen und Patienten sowie zuweisen- 12 Nr. 1/2019
SCHWERPUNKT koordiniert. Zentral sind Teilprojekt 3 zur De- taillierung des Grobkonzeptes und Teilpro- jekt 4, das alternative Lösungsvarianten zur vorgeschlagenen Struktur des Verwaltungs- rates prüft. Zu den von Ihnen erwähnten Teilpro- jekten zählt auch die Abklärung recht- licher Fragen respektive die Klärung der Zuständigkeiten. Wo liegen hier die Schwierigkeiten? Der Lenkungsausschuss liess seine Einschät- zung rechtlich absichern, dass für die Stand- ortfrage und damit für die allfällige Schlies- sung von Spitälern der Kantonsrat zuständig ist. Für das jeweilige medizinische Leistungs- angebot ist unverändert der Regierungsrat zuständig. Zusätzlich zu klären war, inwie- weit die vom Volk gutgeheissene Spitalvor- lage von 2014 in Teilbereichen verzögert oder baulich verändert werden darf und in wessen Kompetenz diese Entscheidungen fallen. Wer welche Entscheide fällen darf, ist eine der brisanten Fragen. Inwieweit liegt denn die Entscheidungskompe- tenz beim Verwaltungsrat, bei der Re- gierung, beim Kantonsrat mit seiner Spezialkommission oder beim Volk, wenn es um einen Baustopp oder eine Änderung der Bauvorhaben geht? Je nach Ausmass des zeitlichen Bauverzugs ist der Verwaltungsrat oder der Regierungsrat zuständig. Wenn ein vom Volk bewilligter Spi- Felix H. Sennhauser, Verwaltungsratspräsident der Spitalverbunde des Kantons St. Gallen, ist selbst Mediziner: Bis talbau nicht realisiert oder in wesentlichen Ende Juli 2018 war er während 27 Jahren am Kinderspital Zürich tätig, seit 1996 als ärztlicher Direktor. Belangen verändert werden soll, ist der Kan- tonsrat zuständig. Zudem unterläge dieser den Ärzteschaft an eine zielorientierte, kom- Das Grobkonzept wurde vom Verwal- Beschluss dem fakultativen Referendum. Die petente und zeitgemässe Versorgung. Ein Pa- tungsrat vorgelegt. Nun sind weitere Bevölkerung müsste oder dürfte also wohl tient mit schwerer Kniearthrose will das Abklärungen vorzunehmen und es gilt, nochmals darüber abstimmen. Kunstgelenk vom knie-spezialisierten Ortho- das Konzept detaillierter auszuarbei- Die vorsorglich etablierte vorberatende Kom- päden, die Patientin mit Gallensteinen sucht ten. Wie geht es konkret weiter? mission des Kantonsrates begleitet den Len- direkt den Chirurgen auf, der minimal-invasiv Der Regierungsrat hat dem Antrag des Ver- kungsausschuss, um nach Abschluss der regie- die Gallenblase entfernt; der Patient mit hart- waltungsrates entsprochen, einen Prozess rungsrätlichen Botschaft an den Kantonsrat näckigen Herzrhythmusstörungen wird vom zur Detailarbeit einzuleiten. Zu diesem Zweck die dortige Entscheidungsfindung vorzuberei- Hausarzt direkt dem dafür subspezialisierten hat er einen Lenkungsausschuss eingesetzt ten und hoffentlich zu beschleunigen. Kardiologen im Zentrum zugewiesen. Klei- mit drei Regierungsräten (Heidi Hanselmann, nere Regionalspitäler können sich die Anstel- Marc Mächler und Benedikt Würth) und zwei Wie von Ihnen erwähnt, sind die zent- lung all der Spezialisten nicht leisten; diese Vertretern des Verwaltungsrates sowie eine ralen Teilprojekte das Detailkonzept, wären zudem mit beschränktem Einzugs- Gesamtprojektleiterin, die Detailfragen in das vom Verwaltungsrat ausgearbeitet gebiet von Patienten nicht ausgelastet. acht Teilprojekten bearbeitet und integrativ wird, und alternative Vorschläge, bei Nr. 1/2019 13
Arbeitszeiten und Spesen mobil erfassen denen die Regierung im Lead ist. Können Sie schon mehr sa- gen über mögliche Varianten? Abacus Forum – Nur so viel: mit Engagement, Sorgfalt, Umsicht und Kompetenz sowie Arbeitszeiterfassung mit Partizipation aller Beteiligten aus Spitälern, mit kantonalen und 21.03.2019 in Wittenbach-SG regionalen Vertretungen der niedergelassenen Ärzteschaft, mit Fach- 11.04.2019 in Olten personen aus der kantonalen Verwaltung sowie mit Unterstützung Anmeldung abacus.ch/forum externer Fachkräfte wird an den verschiedenen Teilprojekten mit Hoch- druck gearbeitet. Ein weiteres Teilprojekt beleuchtet die Gemeinwirtschaftli- chen Leistungen (GWL). Diese fallen von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich aus. Gemäss Avenir Suisse betragen diese im Kanton St. Gallen pro Einwohner 77 Franken, in Genf 947 Franken, im gesamtschweizerischen Schnitt 214 Franken. Was bedeuten diese Unterschiede für die St. Galler Spitalverbunde? Die Bezahlung von Gemeinwirtschaftlichen Leistungen (GWL) an die Spitäler ist an definierte Voraussetzungen und Leistungen gebunden: für Forschung, Aufrechterhaltung von Spitalkapazitäten aus regional- politischen Gründen und für die Lehre respektive für die ärztliche Wei- terbildung. Die Erwartung der Spitäler ist sehr gross, dass der Kanton St. Gallen besonders für die ärztliche Weiterbildung seine GWL rele- vant und zeitnah erhöht. Gesamtkantonal geht es um zweistellige Mil- lionenbeträge, die aktuell den Spitälern fehlen. Zum Schluss noch ein Blick in die Kristallkugel: Wie sieht die St. Galler Spitallandschaft in zwanzig Jahren aus? Sie muss sich zwingend und bald verändern – sonst ist die bisherige sichere und gute Gesundheitsversorgung akut gefährdet und nicht mehr zeitgemäss. Ich wage eine Prognose: Im Kanton St. Gallen wird es weniger Spitäler geben, die zudem als Konzern einheitlich geführt werden. Sie verfügen über wettbe- Beschleunigen Sie Ihre Arbeitsprozesse mit werbstaugliche Qualitäts-Ranglisten mit gutem Preis-Leistungs-Ver- der Business-App AbaCliK und vermeiden Sie hältnis, Lean-Management, attraktiven Arbeitsmodellen und hoher Mehrfacherfassungen dank der Synchronisation Effizienz. mit der Abacus Business Software: – Die Spitäler sind hochgradig und mit Telemedizin überregional ver- • Präsenz- oder Arbeitszeiten netzt, digitalisiert und kümmern sich verstärkt um die Vor- und • Leistungen, Spesen, Quittungen Nachsorge stationärer Betreuung im Verbund mit niedergelassener • Persönliche Daten, Ferientage oder Absenzen (ESS) Ärzteschaft und ambulanten sowie tagesklinischen Gesund- heitszentren. www.abaclik.ch – Die vom Verwaltungsrat vorgeschlagene Strategie- und Struktur- weiterentwicklung ist für diese realpolitische Vision eine ausge- Jetzt kostenlos bei App Store oder Google Play zeichnete Grundlage, die der Lenkungsausschuss nun noch mit Al- herunterladen ternativ-Überlegungen ergänzt. Zusammen mit zusätzlich laufen- den Effizienzsteigerungen in den Spitälern und mit noch ausstehenden, aber notwendigen Preisanpassungen für ambulante (TARMED) und stationäre (DRG) Leistungen wird die Realisierung auch gelingen.
PUBLIREPORTAGE Individuelle, rasche Hilfe bei psychischen Krisen Eine Krise kann jeden treffen Menschen, die in eine Lebenskrise geraten sind oder an einer psychischen Krankheit leiden, können bei der Clienia Littenheid auf ein breites Spektrum an psychiatrischen und psychotherapeutischen Behand- lungsmethoden zählen. ren zudem die Zentren für Kind, Jugend und Familie AG (ZKJF) mit ambulanten Einrichtun- gen in Frauenfeld, Amriswil und Kreuzlingen. Die Behandlungen erfolgen nach neusten wis- senschaftlichen Erkenntnissen und basieren auf hoher praktischer, medizinischer und the- rapeutischer Kompetenz. Die Clienia-Gruppe wurde 2008 als Zusammenschluss der Privat- kliniken Littenheid und Schlössli gegründet und ist mit über 1500 Mitarbeitenden die grösste private Anbieterin von psychiatrischen Dienstleistungen in der Schweiz. Fachgebiete – Krisenintervention – Depressionen – Burnout – Essstörungen – Angst- und Zwangserkrankungen Gebäude der Erwachsenenpsychiatrie Akut der Clienia Privatklinik Littenheid Zertifizierte Stationen Psychische Krisen können jeden Menschen Kranke ambulant behandelt. Sollte die Er- und Fachgebiete treffen, unabhängig von Alter, Bildung, Beruf, krankung eine stationäre Therapie erforder- – Borderline-Störungen (DBT und DBT-A) Herkunft und sozialem Status. Ebenso vielfäl- lich machen, so wird der Klinikaufenthalt so – Traumafolgestörungen tig für die Ursachen können die Auslöser ei- kurz wie möglich gehalten und eine rasche – Schematherapie ner psychischen Erkrankung sein: Verlust- Rückkehr in den Alltag und ins Berufsleben erlebnisse, traumatische Erfahrungen, psy- unterstützt. chosoziale Konflikte oder lebensverändernde Die Clienia Privatklinik Littenheid nimmt für Clienia Littenheid AG Umbrüche, um nur einige zu nennen. die Kantone Thurgau, Appenzell Ausser- und Privatklinik für Psychiatrie Oft verlieren Menschen in einer akuten Krise Innerrhoden, Glarus, Graubünden, Luzern, und Psychotherapie ihr inneres Gleichgewicht, die Gedanken dre- Schaffhausen, Schwyz, St. Gallen, Uri, Zug, Hauptstrasse 130 hen sich im Kreis. Manchmal sind die eigenen Zürich und für das Fürstentum Liechtenstein 9573 Littenheid Gefühle nicht mehr richtig wahrnehmbar. Grundversorgungsaufträge wahr. Auf 17 Sta- 071 929 60 60 Manchmal können sie aber auch so stark auf- tionen mit insgesamt 233 Betten, einer Tages- info.littenheid@clienia.ch treten, dass sie fast nicht mehr zu kontrollie- klinik in Frauenfeld mit 20 Plätzen sowie in www.clienia.ch ren sind. Angst, Wut, Hoffnungslosigkeit, ihren ambulanten Zentren Frauenfeld, Sirnach Einsamkeit und Trauer können übermächtig und Winterthur behandelt sie Menschen je- werden und den Betroffenen sehr bedrohlich den Alters, vom Kind im Vorschulalter bis zum erscheinen. Wichtig ist, dass in einer akuten Senior, mit Erkrankungen aus dem gesamten Krise die notwendige Hilfe schnell erfolgt. Diagnosespektrum der Psychiatrie und Psy- Wenn immer möglich, werden psychisch chotherapie. Zur Clienia Littenheid AG gehö- Nr. 1/2019 15
SCHWERPUNKT Fehlende Kostentransparenz im Gesundheitswesen Spitalstrukturen als Knackpunkt Die Spitalstrukturen geben zu reden – auch in der Ostschweiz. Aktuell betreiben die drei Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden zusam- men zwölf kantonale Spitäler, dies für eine Bevölkerung von weniger als 600 000 Perso- nen. Dagegen kommt der Thurgau bei einer Bevölkerung von knapp 300 000 Einwoh- nern mit gerade einmal zwei kantonalen Spitälern aus. Konsequenzen der dichten Spi- talversorgung lassen sich einerseits bei den Kosten, andererseits bei der Qualität der Versorgung erwarten. Dr. Frank Bodmer Leiter IHK-Research Die Finanzierung der Spitäler Ausgabenentwicklung Seit Einführung der neuen Spitalfinanzierung im Jahr Die neue Spitalfinanzierung hat zu einem starken Anstieg 2012 müssen die Kantone 55% der Kosten der stationä- bei den kantonalen Gesundheitsausgaben beigetragen ren Behandlungen in Spitälern auf der kantonalen Spital- (siehe Abbildung). Mit der Einführung im Jahr 2012 stie- liste beitragen. Auch die ausserkantonalen Behandlungen gen die Ausgaben bei allen vier Kantonen stark an, und müssen sie mitfinanzieren. In der Ostschweiz sind die Kan- auch das starke Wachstum zwischen 2012 und 2017 hat tone zudem nach wie vor Eigentümer der Spitäler, womit mit der neuen Spitalfinanzierung zu tun. Einerseits muss- sie letztlich auch für die allfälligen Defizite aufkommen ten die kantonalen Anteile auf 55% erhöht werden, an- müssen. dererseits besteht seit der Einführung der neuen Spital- Die Entschädigung der Spitäler im stationären Bereich finanzierung ein Automatismus bei den Gesundheits- setzt sich damit, grob gesagt, aus vier Quellen zusammen. ausgaben, dem sich kein Kanton entziehen kann. Der Erstens erhalten sie pro Behandlung eine Grund- Thurgau musste zwar das höchste Wachstum verkraften, entschädigung, die sogenannte «Baserate» (Basispreis weist aktuell aber immer noch den tiefsten Aufwand pro oder «Tarif»). Zweitens erfasst das Kostengewicht, wie Kopf aus. Am höchsten ist der Aufwand in Appenzell Aus- aufwendig eine Behandlung war. Drittens erhalten die serrhoden, zumindest dann, wenn auch das Defizit des Spitäler Beiträge für gemeinwirtschaftliche Leistungen wie Spitalverbundes ebenfalls berücksichtigt wird. die Weiterbildung von Ärzten und die Forschung. Viertens tragen die Kantone als Eigentümer die Defizite. Auch die Spitaltarife als (scheinbares) Hindernis Kosten der Erhaltung einer dezentralen Versorgung mit Die beiden Appenzell wehren sich gegen eine stärkere Zu- vielen kleinen Spitälern sollten über gemeinwirtschaftliche sammenarbeit mit St. Gallen mit dem Argument, dass ihre Leistungen abgegolten werden. Gesundheitsausgaben dann steigen würden. Als Grund In der Praxis bestehen bei der Festsetzung dieser Leistun- für einen solchen Anstieg wird der höhere Tarif des Kan- gen aber grosse Unterschiede zwischen den Kantonen. Zu tonsspitals St. Gallen ins Feld geführt. Aktuell erhält der tiefe Beiträge für gemeinwirtschaftliche Leistungen kön- Spitalverbund 1 (mit dem Kantonsspital St. Gallen) einen nen zu finanziellen Problemen bei den Spitälern führen. Basistarif von 9 900 Franken, während es beim Spitalver- Umgekehrt können Kantone versucht sein, zu hohe Be- bund Appenzell Ausserrhoden nur 9 660 und beim Spital IHK-Research-Zooms triebskosten über gemeinwirtschaftliche Leistungen aus- Appenzell 9 480 Franken sind. Diese Unterschiede sind in zum Thema zugleichen. den letzten Jahren allerdings sehr viel kleiner geworden. 16 Nr. 1/2019
SCHWERPUNKT Trotzdem dienen sie nach wie vor als Argument für einen Durchschnitt zu weniger Komplikationen kommt. Der Alleingang. Diese rein kantonale Sicht übersieht aller- Bund geht deshalb dazu über, Mindestfallzahlen für ein- dings, dass eine stärkere Zusammenarbeit Kosteneinspa- zelne Behandlungen vorzuschreiben. Umgekehrt haben rungen für alle drei Kantone zusammen erlauben würde. kleine Spitäler zunehmend Mühe, qualifiziertes Personal Bei einer gemeinsamen Organisation müssten damit auch zu finden. Sind die Fallzahlen zu klein und die Anlagen die resultierenden Kosteneinsparungen auf eine gerechte veraltet, so verliert ein Spital an Attraktivität als Arbeit- Art und Weise auf die drei Kantone verteilt werden. Mit geber. Angesichts des bereits jetzt akuten Mangels an seiner Konzentration auf zwei Spitäler zeigt der Thurgau, Fachpersonal könnte es bei kleinen Spitälern deshalb be- was möglich ist. Auf eine flächendeckende, wohnortnahe reits in naher Zukunft zu einem durch den Arbeitsmarkt Versorgung mit eigenen Spitälern wird verzichtet. In und die neuen Bundesregeln erzwungenen Abbau der Randregionen können die Thurgauerinnen und Thurgauer Leistungen kommen. Ein weiterer Trend im Gesundheits- dafür auf Spitäler der Kantone St. Gallen, Schaffhausen wesen ist die Verschiebung vom stationären in den ambu- und Zürich ausweichen. lanten Bereich. Das Spitalsystem der Zukunft wird damit mit verhältnismässig weniger Betten auskommen, eine Kleine Spitäler mit Nachteilen bei Kosten, … weitere Herausforderung für die kleinen Spitäler. Kleine Spitäler haben mit zwei grundlegenden Nachteilen zu kämpfen. Erstens sind die Kosten für eine vergleichbare Zusammenarbeit und Spezialisierung Behandlung höher. Laut vergleichenden internationalen Basis für die Organisation der Spitalversorgung sollten Studien dürfte die optimale Grösse bei einem Allgemein- zwei grundlegende Ziele sein: eine qualitativ hochste- spital im Bereich zwischen 200 und 300 Betten liegen und hende Versorgung bei möglichst günstigen Kosten. Bisher kann bis 600 Betten gehen. Gründe für die Kostenvorteile stellen die Kantonsgrenzen für diese beiden Ziele Hinder- von grossen Spitälern liegen in der besseren Auslastung nisse dar, welche zu einer kleinräumigen Überversorgung von Apparaten, Räumlichkeiten und Personal sowie in ef- geführt haben. In Zukunft sollten die Ostschweizer Kan- fizienteren Abläufen. Spezialkliniken können auch kleiner tone ihre Spitalplanung deshalb überkantonal durchfüh- sein – wie nicht zuletzt die vielen kleinen Privatkliniken ren, um mögliche Synergien auszunutzen. Aktuell beste- zeigen –, Universitätsspitäler dagegen grösser. hen im Raum St. Gallen in einem Radius von 25 Kilome- tern sechs Grundversorgungsspitäler. Im Raum Wil und im … Qualität und Personal Raum Sargans sieht die Situation ähnlich aus. Mit einer Dazu kommen noch Qualitätsvorteile von höheren Fall- Konzentration des Angebots könnten die Fallzahlen für zahlen. Routine ist insbesondere bei chirurgischen Eingrif- einzelne Behandlungen erhöht werden. Eine höhere Qua- fen sehr wichtig, weshalb es bei höheren Fallzahlen im lität und tiefere Kosten sollten das Resultat sein. Kantonaler Aufwand Spitäler und Psychiatrie pro Kopf (inkl. Defizite) 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Seit der Einführung der neuen Spitalfinanzierung AR SG AI TG 2012 sind die kantona- len Gesundheitskosten pro Kopf kräftig ange- Quelle: eigene Berechnungen auf Basis von Daten der Staatsrechnungen und der Geschäftsberichte der Spitalverbunde. stiegen. Nr. 1/2019 17
SCHWERPUNKT Statements Ostschweizer Kantonspolitiker Alleingänge oder gemeinsame Spitalversorgung? Im Kanton St.Gallen werden trotz klarem Volksverdikt Spitalstand- orte infrage gestellt, im Kanton Appenzell Ausserrhoden bleibt eine Schliessung des Spitals Heiden ein Thema und Appenzell Inner- rhoden baut ein neues Minispital. Was kann die Politik gegen die Überversorgung unternehmen? Braucht es in der Ostschweiz eine Robert Stadler Spitalplanung über die Kantonsgrenzen hinaus? Kantonale Politiker Stv. Direktor / Leiter Kommunikation aus allen drei Kantonen nehmen dazu Stellung. der Volksabstimmung Ende 2014 haben ein- tember 2018 zumindest auf politischer Ebene zelne Parteien, vor allem die SVP, ihre Vorbe- abschliessen können. Diese zeigt: Der Bürger halte angemeldet. Bereits noch früher wurde sieht, dass sich gewisse Dinge ändern müs- Regierungsrat Grüninger nicht mehr wieder- sen, und er ist bereit zu unterstützen, wenn gewählt; unter anderem weil er der Auffas- der Prozess dazu sauber und transparent ge- sung war, dass die kantonale Spitallandschaft staltet wird. Denn es ist genau dieser Stimm- mit allen Standorten so nicht überleben kann. bürger, der bereits heute über die Kantons- Walter Gartmann, Kantonsrat SVP SG, grenze hinweg seine Leistungen bezieht und Kantonalparteipräsident SVP SG, Mels dorthin geht, wo es für ihn gerade am besten passt. Strukturerhaltung um der Struktur Wil- len ist weder für ihn noch uns Kantonsrats- vertreter der FDP ein Argument. Kantonsgrenzen interessieren immer weniger, wenn es um die eigene Gesundheit geht. In Konsequenz ist die Politik gehalten, das aktu- elle «grenzüberschreitende» Verhalten nach- zuvollziehen und gleichzeitig zukünftige Ent- Die Auslegeordnung ist zwar noch wicklungen zu antizipieren (zum Beispiel am- unvollständig – trotzdem: Unsere bulant vor stationär). Regierung hat versagt Wenn die Regierungen der Ostschweiz diese Die vom Verwaltungsrat der Spitalunterneh- Rechnung selber machen, bleibt nur eine Hal- men kommunizierte Auslegeordnung ist noch tung übrig: Zusammensitzen, zusammen pla- unvollständig. Der Verwaltungsrat hat auf die nen und zusammen agieren. Nur ein gesamt- betriebswirtschaftlichen Folgen bei der wei- heitliches und abgestimmtes Vorgehen der teren Umsetzung der eingeschlagenen Spital- Ostschweizer Kantone bringt unser Gesund- strategie mit neun Häusern aufmerksam ge- heitswesen zu vernünftigen Kosten und In- macht. Der Vorschlag, fünf Regionalspitäler vestitionen weiter. zu schliessen, scheint radikal. Zumindest hat Patrick Kessler, Fraktionspräsident FDP die Politik nun für die weiteren Abwägungen Die Bürger sind in der Spital- AR, Teufen eine klare Ausgangslage. debatte weiter, als es die Politik Die Erkenntnis, dass der eingeschlagene Weg wahrhaben möchte in der Spitalstrategie wirtschaftlich kaum zu Der Kanton Appenzell Ausserrhoden hat eine stemmen ist, ist jedoch nicht neu. Bereits vor zweieinhalbjährige Spitaldiskussion im Sep- 18 Nr. 1/2019
SCHWERPUNKT Es braucht Transparenz, Offenheit Wille zur kantonsübergreifenden Kantönligeist oder funktionale und Bereitschaft für Veränderung Zusammenarbeit fehlt Räume … Es muss sich etwas ändern und zwar bald! Kantonsübergreifende Spitalplanung und Ko- Dieses Thema wird immer wieder politisch dis- Das ist allen klar. Die Gesundheitskosten stei- operationen sind grundsätzlich zu begrüssen. kutiert und vielfach nicht rational entschieden. gen und die Spitäler geraten in Schieflage. Im Rahmen der aktuellen Netzwerkstrategie Explizit im Gesundheitswesen ist dies immer Dem Zeitgeist entsprechend heisst das Zau- pflegen sowohl die St. Galler Regionalspitäler wieder eine grosse Debatte. Die St. Galler Spi- berwort: Zentralisieren! Fünf Spitäler werden wie das Kantonsspital die Zusammenarbeit tallandschaft kommt aus einer Zeit, in welcher von der Landkarte gestrichen. Doch lohnt sich mit inner- und ausserkantonalen Institutio- die Patienten noch mit Ross und Wagen ins Spi- der Griff zum Vorschlaghammer? Wird es nen. Die geltende Spitalfinanzierung ist je- tal gebracht wurden. Dennoch hat das St.Galler wirklich besser und günstiger? Wurde die bis- doch grundsätzlich nicht auf die Zusammen- Stimmvolk vor gut vier Jahren klar Ja zur beste- herige Netzwerkstrategie konsequent umge- arbeit über die Kantonsgrenzen hinweg aus- henden Struktur gesagt, indem diverse Bau- setzt? Beachtet man den Regionenausgleich gelegt beziehungsweise schafft keinerlei kredite von knapp einer Milliarde für eine erste angemessen? Anreize dafür. Deshalb haben sich solche Ko- Etappe an der Urne angenommen wurden. Die Eine grundlegende, transparente und über- operationen bisher auch nicht durchgesetzt. IHK wie auch die SVP des Kantons St. Gallen ha- kantonale Auslegeordnung fehlt und viele Für eine interkantonale Zusammenarbeit ben einzelne Standorte infrage gestellt. Fragen sind unbeantwortet – auch die Rolle braucht es immer den Willen zur Zusammen- Ich bin froh, dass der heutige Verwaltungsrat des Kantonsspitals betreffend. Ganz offen- arbeit von beiden Seiten. Denn trotz Offen- diese Thematik nochmals aufgenommen hat sichtlich wird in Kauf genommen, dass die heit und Angeboten unseres Kantons sind lei- und versucht, geplante und bewilligte Inves- Ostschweiz auch im Gesundheitsmarkt bald der die Nachbarkantone und auch das Fürs- titionen zu stoppen, sofern dies noch möglich nur noch die zweite Geige spielt. Man wird tentum Liechtenstein nicht zu einer ist. Mindestes so lange, bis eine zeitgerechte auch den Verdacht nicht los, dass die Stra- tiefgreifenden Kooperation bereit. kantonsübergreifende Gesundheitsversor- tegie der St. Galler Spitäler aus der Frosch- SP-Grüne haben erfolglos beantragt, dass die gung zur Beurteilung vorliegt. Ich hoffe, dass perspektive des Zentrumsspitals entwickelt Regierung beauftragt wird, mit den Nachbar- auch die anderen Ostschweizer Kantone wurde statt aus der Vogelperspektive der kantonen Vorabklärungen für eine koordi- übergreifende Planungen begrüssen. Im Wis- Ostschweiz. nierte stationäre Gesundheitsversorgung der sen darum, dass erst an der letzten Landsge- Nebst dem vorliegenden Grobkonzept sind Bevölkerung zu treffen. Die Angst zu verlieren meinde des Kantons Appenzell Innerrhoden Alternativstrategien notwendig.Es braucht und nicht profitieren zu können ist offensicht- einem neuen Spital mit maximal 26 Betten Transparenz, Offenheit und die Bereitschaft lich immer noch zu gross. zugestimmt wurde. für Veränderungen. Die Ostschweizer Verant- Laura Bucher, Co-Fraktionspräsidentin Damit wir am Ball bleiben, müssen wir den wortungsträger müssen so rasch wie möglich SP-Grüne-Fraktion SG, St. Margrethen Mut haben, neue Denkmuster zuzulassen an einen Tisch. Die (Spital-)Welt endet nicht und somit auch in neuen sinnvollen Räumen an der Kantonsgrenze. zu denken. Mathias Müller, Kantonsrat CVP SG, Michael Götte, Fraktionspräsident SVP Stadtpräsident Lichtensteig SG, Leiter kant. Politik IHK St. Gallen- Appenzell, Tübach Nr. 1/2019 19
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