IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
»IFFOCUS 1/2019 DER DIGITALE ZWILLING Wie die Digitalisierung die Arbeitsweisen im Sondermaschinenbau verändert DIGITALER ZWILLING BURG2GO Stadtgeschichte digital entdecken INDUSTRIE 4.0 CHECKUP Navigationshilfe auf dem Weg zur Industrie 4.0 ENGINEERING DER ZUKUNFT
F R A U N H O F E R - I N S T I T U T F Ü R F A B R I K B E T R I E B U N D - A U T O M A T I S I E R U N G I F F, M A G D E B U R G EINEN TRAUMJOB FINDEN UND SICH ALLE OPTIONEN OFFEN- HALTEN GEHT NICHT. DOCH. Bei Fraunhofer steht Karriere für individuelle Entfaltung. Ob Fahrzeuge, Lebensmittel, Umweltschutz oder Architektur – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickeln überall Neugier. Darum bietet Fraunhofer in allen Bereichen Fort- und Weiterbildungen an. Schließlich kann nur gefordert werden, wer auch gefördert wird. Wie können wir Sie herausfordern? www.iff.fraunhofer.de/de/jobs-karriere.html STEN AR TIV B AK EI R TG DIE ATT EBER DEUTSCHLAND 2015
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, wissen Sie, was genau ein digitaler Zwilling Hingegen nimmt die Entwicklung von digita- ist? Falls ja, möchte ich Ihnen schon einmal len Produkten und Dienstleistungen, also das gratulieren, denn Sie gehören damit – noch – Schaffen innovativer Neuerungen, den ge- zu einer ganz speziellen Minderheit. Trotz der ringsten Anteil ein. Auch hier sind die großen Tatsache, dass heute die Schlagworte Digitali- Akteure, die OEMs der produzierenden Wirt- sierung, Vernetzung oder eben digitaler Zwil- schaft, die Zugpferde der Digitalisierung. Eine Professor Michael Schenk, Institutsleiter des ling in aller Munde sind, haben oft erstaun- kurze Formel bringt es auf den Punkt: Je klei- Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF lich wenige Menschen klare Vorstellungen ner das Unternehmen und je regionaler sein in Magdeburg. davon, was diese Elemente der digitalen Absatzmarkt, desto eher wird es zum Digitali- Transformation tatsächlich für sie bedeuten. sierungsmuffel. Was droht, ist eine sich wei- Sie wissen natürlich, dass die Zukunft der ter öffnende Schere zwischen großen und Wirtschaft digital ist. Dass die Digitalisierung kleinen Unternehmen. Ihre Digitalisierungs Sie bringen viele kleine und große Digitalisie- Unternehmen und Produkte besser macht, abstinenz gefährdet die Wettbewerbsfähig- rungsprojekte in die Praxis, beraten und be- dass sie hilft, Prozesse zu optimieren, und keit und damit auch das Überleben vieler gleiten Unternehmen auf deren Weg in die dank der dabei erzeugten Daten zusätzliche kleiner und mittlerer Unternehmen in digitale Transformation und teilen dafür nati- Mehrwerte und neue Geschäftsmodelle ge- Deutschland. onal wie international ihr Know-how. nerieren kann. Das alles ist heute allgemein bekannt. Dabei bieten wir eigentlich beste Vorausset- Auch in dieser Ausgabe unseres IFFocus be- zungen, um in dieser Hinsicht weltweit an richten wir über solche Projekte. Wir möch- Aber was würden Sie antworten, wenn ich der Spitze zu stehen. Wir sind hervorragend, ten zeigen, welch unterschiedliche Facetten Sie fragte, ob Sie wissen, an welcher Stelle Ihr wenn es um herausragende technologische die Digitalisierung heutzutage im Kleinen wie Unternehmen, Ihre Einrichtung oder Hoch- Entwicklungen und Innovationsbereitschaft im Großen haben kann. Angefangen beim schule bereits erfolgreich digitalisiert arbeitet? geht. Im Bereich des maschinellen Lernens ist digitalen Zwilling, der als digitales Pendant Und zwar nicht nur punktuell, wie etwa in Deutschland führend. Unter anderem über eines Produkts oder einer ganzen Fabrik der Konstruktionsabteilung eines Produkti- die Hochschulen und Universitäten wird in sämtliche Prozesse in dessen bzw. deren Le- onsbetriebes, sondern prozessorientiert und Deutschland ein exzellenter Wissenstransfer benszyklus unterstützend begleiten kann, über mehrere Arbeitsbereiche oder gar Unter- von der Forschung in die Wirtschaft prakti- über die Einführung einer digitalen Wissens- nehmensgrenzen hinweg. Wie qualifiziert ziert. Und mit Fraunhofer bieten wir ergän- plattform als Assistenzsystem in der Produkti- und vorbereitet sind Sie selbst auf die Digitali- zend eine einzigartige Infrastruktur zur Unter- on bis zum digitalen Guide für Touristen, der sierung Ihrer Arbeit? Und wissen Sie auch, stützung dieses Prozesses, um neueste tech- dabei hilft, die Geschichte einer Stadt spiele- wie viele Unternehmen heute tatsächlich in nologische Entwicklungen auf kürzestem risch zu entdecken. der digitalisierten Welt angekommen sind? Weg in die Wirtschaft, und dabei auch ganz gezielt zu den KMU zu bringen. Ich wünsche Ihnen wie immer viel Vergnügen Die KfW hat für ihren »Digitalisierungsbericht beim Lesen! Mittelstand 2018« branchenübergreifend den Die gute Nachricht ist, dass die Bereitschaft Digitalisierungsgrad kleiner und mittlerer der kleinen und mittleren Unternehmen Ihr deutscher Unternehmen untersucht und kam steigt, Prozesse zu digitalisieren und die Au- dabei zu keinem sehr guten Ergebnis. Zwar gen für die Wertschöpfungspotenziale digi wurde berichtet, dass im Jahr 2017 etwa ein taler Leistungen zu öffnen. Unsere Forsche- Drittel der KMU in ihre Digitalisierung inves- rinnen und Forscher erleben das täglich in tiert haben. Demgegenüber stehen aber auch ihren Projekten und in der Zusammenarbeit ebenso viele Unternehmen, in denen so gut mit vielen Partnern, wie etwa mit dem »Kom- Michael Schenk wie gar keine digitalen Anwendungen ver- petenzzentrum Mittelstand 4.0 ›vernetzt breitet sind. Bemerkenswert ist, dass der wachsen‹«. Großteil jener Investitionen in die Digitalisie- rung in die Bereiche Lieferanten- und Kun- denkommunikation und IT-Infrastruktur fließt.
Der digitale Zwilling Im Anlagenbau müssen alle Beteiligten aus Konstruk- tion, Elektroplanung, Steuerungsentwicklung und weiteren Bereichen gemeinsam geeignete Lösungen erarbeiten, damit die Anlage ihre Produktionsaufgabe erfüllt und im Betrieb auch instandgesetzt werden kann. Betriebspersonal und Fachkräfte aus der Instand haltung sind bei Störungen und Wartungen der Ma- schine immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert, um die Fertigung in der gewohnten Qualität aufrecht zu erhalten. Digitale Assistenzsys teme setzen hier an. Sie unterstützen die Planung, vernetzen verschiedene Arbeitsbereiche und helfen, den Überblick zu behalten. Ihre Basis ist der digitale Zwilling. Seite 24 Größtes 3D-Mixed-Reality-Labor Europas im Magdeburger Prädikatsarbeit: Verbesserung des Arbeitslebens durch Wissenschaftshafen wiedereröffnet Digitalisierung Europas größtes 3D-Mixed-Reality-Labor »Elbedome« wurde am Schichtarbeiter zu gewinnen wird zunehmend schwieriger – sowohl in 24. Mai 2018, nach aufwändiger Modernisierung im Magdeburger Gegenden mit Vollbeschäftigung als auch in dünnbesiedelten Gebie- Wissenschaftshafen, im Beisein von über einhundert Gästen aus ten. Forscher des Fraunhofer IFF zeigen, wie die Digitalisierung schon Wirtschaft, Wissenschaft und Politik offiziell wiedereröffnet. im kleineren Ausmaß helfen kann, solche Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten. Seite 4 Seite 20
Aktuelles Blitzlichtgewitter Kluge Köpfe 4 Größtes 3D-Mixed-Reality-Labor Europas 12 Impressionen 44 Professur für Energienetzexperten im Magdeburger Wissenschaftshafen 21. IFF-Wissenschaftstage 2018 wiedereröffnet 44 VDI-Preis für Visualisierung Interview 8 Internationale Gespräche zur Digitalisie- 44 Bundesvereinigung Logistik: Professor rung 14 Digital entwickeln – vernetzt wachsen Michael Schenk aus der Gremienarbeit Prof. Dr.-Ing. Thomas Leich verabschiedet 8 Strategische Kooperation wird vertieft Aus Forschung und Entwicklung 46 Informatik für die Landwirtschaft 9 Forscher arbeiten an Digitalisierung europäischer Häfen 16 Kombination von Sensorik und Motorik 46 Firmenstaffellauf nach menschlichem Vorbild 9 Spektroskopie für den Konsumenten 47 Forschen für Kollege Roboter 20 Prädikatsarbeit: Verbesserung des 10 Mobile Luftbilderfassung zur Arbeitslebens durch Digitalisierung 47 Das IFF-Fußballteam macht es vor gesteuerten und automatischen Geodatenerfassung 24 Der digitale Zwilling – Engineering der 48 Mit Weitblick in die Zukunft Zukunft 10 Entwicklung Intelligenter Arbeits- 51 gtw-Wissenschaftspreis 2018 für systeme der Zukunft 30 Burg2Go – Stadtgeschichte digital Fraunhofer-Forscherin entdecken 11 Forschung für die Energiewende 51 Fraunhofer-Forscher in Klimabeirat des Unternehmen sollen aktiver Teil der 34 Barley Biodiversity: Innovationen für die Landes berufen Energienetze werden Landwirtschaft von morgen 52 Impressum 38 Navigationshilfe auf dem Weg zur Industrie 4.0 Burg2Go – Stadtgeschichte digital entdecken Barley Biodiversity: Innovationen für die Landwirtschaft von morgen Die Stadt Burg bei Magdeburg wirbt für sich als »grüne Stadt der Mit Spektral-Technologien misst das Fraunhofer IFF in Kooperation Türme«. Der Blick ins Innere der steinernen Zeitzeugen ist allerdings, mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg direkt auf dem wenn überhaupt, nur eingeschränkt möglich. Feld die Inhaltsstoffe von Getreidepflanzen und macht Prognosen Eine Alternative ist die App »Burg2Go«. Der interaktive Wegbegleiter bezüglich des Wachstums und der Leistung möglich – für Nutzpflan- führt seine Gäste vom Mittelalter bis in unser digitales Zeitalter. zen, die aus ökologischer und ökonomischer Sicht Vorteile bergen. Seite 30 Seite 34
Größtes 3D-Mixed-Reality-Labor Europas im Magdeburger Wissenschaftshafen wiedereröffnet Europas größtes 3D-Mixed-Reality-Labor, der »Elbedome«, wurde am 24. Mai 2018 nach aufwändiger Modernisierung im Magdeburger Wissenschaftshafen im Beisein von über ein- hundert Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik offiziell wiedereröffnet. Das einzigartige Labor für virtuelle Simulatio- nen ist Teil des Fraunhofer-Instituts für Fabrik- betrieb und -automatisierung IFF und wurde im Jahr 2006 im Magdeburger Wissen- schaftshafen errichtet. Nach mehr als zehn Jahren erfolgreichen Einsatzes in Forschung und Entwicklung für zahlreiche Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen war eine Modernisierung der Technik notwendig ge- worden. Das Mixed-Reality-Labor mit der Form einer halbierten Kugel besitzt einen Durchmesser von 16 Metern und eine Höhe von über vier Metern. In ihm können virtuelle Inhalte auf einer 360-Grad-Panorama- und Boden-Projektionsfläche von über 400 Quad- ratmetern hochaufgelöst und – mit Hilfe zu- sätzlicher Augmented-Reality-Brillen – sogar Über 100 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik besichtigen das 3D-Mixed-Reality-Labor »Elbedome« holografisch dargestellt werden. Durch diese zur Eröffnung. Foto: Fraunhofer IFF, Viktoria Kühne gewaltigen Dimensionen eignet sich das Sys- tem besonders für die virtuell-interaktive Dar- stellung großer Objekte, wie zum Beispiel die Arbeitswelt von morgen und die Digitali- in Sachsen-Anhalt. Mit ihm bleibt das Fraun- Maschinen, Anlagen, Fabriken oder ganzen sierung der Wirtschaft. Dabei wird das Labor hofer IFF bei den Zukunftsthemen Digital En- Städten im Maßstab 1:1. Problemlos können vorrangig den Hochschulen und öffentlichen gineering und Virtual Reality national wie in- hier Gruppen von bis zu 20 Personen gleich- Forschungseinrichtungen offenstehen. Aber ternational Spitze. Die von Land, Bund und zeitig in die virtuelle Welt eintauchen. Mit insbesondere auch kleine und mittlere Unter- EU geförderte Modernisierung sorgt dafür, über 100 Gästen aus Politik, Wissenschaft nehmen sollen profitieren. Diese wollen die dass hier 3D-Anwendungen künftig auf die und Wirtschaft und Rednern wie Prof. Dr. Forscher des Fraunhofer IFF mit Kooperatio- Möglichkeiten von Wirtschaft 4.0 treffen Dieter Spath, Präsident acatech, sowie Dr. nen, im Rahmen der Auftragsforschung und können. Davon werden insbesondere auch Max Lemke, Referatsleiter Technologien und beim Wissenstransfer auf regionaler, nationa- unsere vielen mittelständischen Unternehmen Systeme für die Digitalisierung der Industrie ler und europäischer Ebene unterstützen. profitieren.« bei der Europäischen Kommission, beging das Fraunhofer IFF die feierliche Wiedereröff- Insgesamt wurden 2,5 Millionen Euro in die Zufrieden zeigte sich auch der Leiter des nung. Modernisierung investiert. 75 Prozent stam- Fraunhofer IFF, Professor Michael Schenk: men aus Fördermitteln der Europäischen Uni- »Das Mixed-Reality-Labor des Fraunhofer IFF Millioneninvestition für die Forschung on, je 12,5 Prozent steuerten der Bund und gehört nun wieder zu den modernsten das Land Sachsen-Anhalt bei. Einrichtungen dieser Art weltweit. Es wird Künftig wird das Fraunhofer IFF wieder ge- helfen, neue Lösungen für die wichtigen Her- meinsam mit Partnern und Auftraggebern Zur Wiedereröffnung des zukunftsweisenden ausforderungen der Zukunft zu finden, die aus Wissenschaft und Wirtschaft in dem Simulationslabors sagt Wirtschafts- und Wis- mit der Digitalisierung der Wirtschaft und der Mixed-Reality-Labor an den Forschungsfragen senschaftsminister Prof. Dr. Armin Willing- zunehmenden Automatisierung auf uns alle der Zukunft arbeiten können. Dazu gehört mann: »Der erneuerte ›Elbedome‹ ist eine zukommen.« (pm) besonders die Entwicklung neuer Technolo Kathedrale der virtuellen Realität und damit gien und Anwendungen für die Industrie 4.0, ein Wahrzeichen der Wissenschaftslandschaft 4 IFFocus 1/2019
Hyperspektralaufnahmen von verblassten Wandgemälden im Brandenburger Dom. Durch UV-Licht zur Fluoreszenz ange regte Farbreste und Füllstoffe werden mit der Spektralkamera abgebildet und analysiert.
Strategische Internationale Gespräche zur Digitalisierung Kooperation wird vertieft Führende Politiker und Experten der Welt treffen sich jährlich auf der südkoreanischen Insel Jeju, um über die regionale, wirtschaftliche und politische Entwicklung Asiens zu diskutieren. Im Vordergrund steht dabei der Austausch darüber, wie zukünftig Frieden und Wohlstand gesichert und die Sicherheit in Asien gestärkt werden können. So hob im Rahmen der Diskussion Pro- fessor Yong Suk Lee, stellvertretender Direktor des Stanfords Walter H. Shore- stein Asien-Pazifik-Forschungszentrums, hervor, dass die Kombination von Daten Prof. Dr. Anne Lequy, Hochschule Magdeburg-Stendal, und Prof. und Technologien wie Künstliche Intelli Dr.-Ing. Michael Schenk, Fraunhofer IFF, unterzeichnen die Koope- genz, Maschinelles Lernen und Auto rationsvereinbarung. Foto: Viktoria Kühne matisierung ein Kernelement der Industrie 4.0 sei. Dem kämen die weni- Das Fraunhofer IFF Magdeburg und die Hochschule ger strengen Datenschutzgesetze in den Magdeburg-Stendal vertiefen ihre strategische USA entgegen. Sie würden es Firmen in Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung im den USA ermöglichen, sehr stark auf Bereich der Energiesysteme und -anlagen der Zu datengetriebene Geschäftsmodelle zu kunft. Zu diesem Zweck wurde am 4. Februar 2019 setzen. eine strategische Kooperationsvereinbarung unter- zeichnet. Auch China setzt auf eine großflächige Auswertung von Daten, insbesondere Beide Seiten wollen künftig in enger Abstimmung Um sich zukünftig souverän in der digitalisierten um Geschäftsmodelle in mobilen und an neuen und zukunftssicheren Infrastrukturen für Arbeitswelt bewegen zu können, sei der Erwerb e-Commerce Sektoren voranzutreiben. die Energieversorgung forschen. Zu dieser Zusam- digitaler Kompetenzen unverzichtbar. In den USA Im Bereich Fertigung liegt der Fokus vor menarbeit gehört auch der Austausch von Personal werde daher bereits in der Mittelschule das allem auf Automatisierung und Roboti zwischen dem Fraunhofer IFF und der Hochschule, Programmieren unterrichtet, betont Dr. Yong Suk sierung, um die Kosteneffizienz zu stei- die gemeinsame Nutzung von Forschungsinfra- Lee (2.v.l.) auf dem Podium. Foto: Jeon Hee-Jung gern. strukturen und die vernetzte Ausbildung des Nach- wuchses für Wissenschaft und Wirtschaft. Zudem Im Rahmen des letztjährigen Jeju Forums In Europa unterliegt die Datenwirtschaft wollen beide Partner auf diesem Gebiet eng mit der diskutierte Christian Blobner, Leiter Inter deutlich strengeren Richtlinien. Hier regionalen Industrie kooperieren. nationale Forschungsnetzwerke am stehe das Recht auf den Schutz perso- Fraunhofer IFF, mit Innovations- und Tech nenbezogener Daten besonders im Institutsleiter Professor Dr.-Ing. Michael Schenk nologieexperten über »Industrie 4.0 und Fokus. So schafft die europäische Daten- betont: »Das Fraunhofer IFF und die Hochschule neue Rahmenbedingungen für das Unter schutz-Grundverordnung (DSGVO) Magdeburg-Stendal arbeiten seit vielen Jahren auf nehmertum«. Im Mittelpunkt der Diskussion letztendlich die wesentlichen Rahmen- verschiedenen Gebieten sehr gut zusammen. Die stand die Frage nach möglichen Auswirkun- bedingungen für internationale Akteure nun beschlossene feste Kooperation im Bereich der gen der Industrie 4.0 auf die gesellschaftliche und ihre Geschäftsbeziehungen mit Energiesysteme der Zukunft ist gut für die Region und wirtschaftliche Zukunft in unterschied- europäischen Partnern und Kunden. und die hiesigen Unternehmen. Sie werden sowohl lichen Ländern und Regionen. von den Forschungsergebnissen als auch von der Christian Blobner gibt sich nach der gemeinsamen Ausbildung qualifizierter Fachkräfte Diskussion zuversichtlich. »Trotz der für diesen wichtigen Zukunftsmarkt profitieren.« »Aufgrund der Unterschiede in den Landes- unterschiedlichen Herangehensweisen kulturen haben viele Nationen eigene Heran- gibt es für uns als europäische Akteure »Die heutige Unterzeichnung der Kooperationsver- gehensweisen, das Thema Industrie 4.0 anzu- gute Ansätze, in Korea weiterzuarbeiten. einbarung ist eine große Freude. Wir besiegeln eine gehen«, meint Christian Blobner. »Man ist Die Konferenz auf Jeju war ein guter langjährige gute und erfolgreiche Zusammenarbeit sich zwar größtenteils darüber einig, in wel- erster Schritt, um Kontakte zu knüpfen unserer Einrichtungen und stärken zugleich den che Richtung die Technologieentwicklung und zukünftig neue Projekte vor Ort mit Wissenschaftsstandort Magdeburg. Mit dem Fraun- geht. Dennoch ist in jedem Land der gesell- potenziellen Partner zu initiieren.« hofer IFF gewinnt die Hochschule einen wichtigen schaftliche Fokus auf das Thema ein wenig strategischen Partner für die internationale For- anders. Diese Unterschiede haben einen gro- Das Jeju-Forum fand vom 26. Juni bis schung an zukunftsweisenden Energiekonzepten. ßen Einfluss darauf, wie und ob einzelne 28. Juni 2018 statt und gilt als größtes Insbesondere unsere Studierenden am Fachbereich Technologien in den Ländern akzeptiert und Wirtschaftsforum Ostasiens. Die Veran- Ingenieurwissenschaften und Industriedesign wer- letztlich genutzt werden. Hierbei kann aber staltung zu Industrie 4.0 wurde von der den während ihrer praxisnahen Ausbildung von der jeder von jedem lernen.« Friedrich-Naumann-Stiftung für die Frei- gebündelten Expertise und Infrastruktur beider Ins- heit (FNF) und dem Economic Freedom titutionen profitieren«, erklärt Prof. Dr. Anne Lequy, Network (EFN) Asien organisiert. (mar) Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal. 8 IFFocus 1/2019
Forscher arbeiten an Digitalisierung europäischer Häfen Die Digitalisierung kann Häfen und Schiff- Fraunhofer IFF bringt seine Kompe zung, Sensorik und dem »Internet der Dinge« fahrt dabei helfen, Kosten zu senken und tenzen im Bereich Digitalisierung ein für Industrieanwendungen einbringen. Prozesse noch effizienter zu gestalten. In dem europäischen Forschungsprojekt »PortFor- Das Fraunhofer IFF arbeitet in diesem Projekt »PortForward« wird dabei auch von den mo- ward« erarbeiten unter der Leitung des eng mit dem Betreiber des Hafen Magde- dernen Forschungsinfrastrukturen des Fraun- Fraunhofer IFF insgesamt dreizehn For- burg, der Transportwerk Magdeburger Hafen hofer IFF profitieren, wie etwa dem »Elbedo- schungseinrichtungen, Unternehmen und GmbH, zusammen. Als einziger Binnenhafen me«, Europas größtem Mixed-Reality-Labor. Häfen aus Deutschland, Spanien, Italien, von insgesamt fünf beteiligten Häfen nimmt Das 3D-Visualisierungssystem unterstützt un- Griechenland, Großbritannien und Norwegen er damit im Forschungsverbund eine beson- ter anderem bei der Entscheidungsfindung im Anwendungskonzepte für den praxisbezogen dere Stellung ein. Mit ihm sollen digitale Lö- Betrieb von Großinfrastrukturen. Des Weite- Einsatz modernster, digitaler Technologien in sungen entwickelt werden, die vor allem die ren sollen den Hafenbetreibern Dienstleistun- Hafeninfrastrukturen. Lagerhaltung und Logistik auf dem Hafenge- gen über eine Fraunhofer-eigene, sichere biet unterstützen sollen. Das Fraunhofer IFF Cloud-Infrastruktur zur Verfügung gestellt Die Partner entwickeln dabei digitale Lösun- wird in diesem Zusammenhang seine Kompe- werden. (mar) gen, mit denen insbesondere der Betrieb von tenzen auf dem Gebiet der digitalen Vernet- kleinen und mittleren Häfen intelligenter, ver- netzter und umweltgerechter gestaltet wer- den soll. Das Projekt mit Laufzeit von 2018 bis 2021 wird im Rahmen des europäischen Forschungsrahmenprogramms Horizont 2020 mit fünf Millionen Euro gefördert. Im Ergebnis soll eine modulare Plattform be- reitgestellt werden, die es Hafenbetreibern erlaubt, innovative Technologien und Dienst- leistungen zur Vernetzung und Digitalisierung von Infrastrukturen und Prozessen zu nutzen. Sie wird die Planungen und das Betreiben der Häfen unterstützen, um deren Kosten- und Umwelteffizienz zu erhöhen und im internati- onalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu ma- chen. Hanse-Terminal des Hafen Magdeburg. Foto: Dirk Mahler/Fraunhofer IFF Spektroskopie für den Konsumenten Moderne Smartphones sind de facto in aller Mobile« bringt dies auf das Smartphone Hände. Für viele Nutzer ist der Gebrauch des Konsumenten und ermöglicht einen des Smartphones über die reinen Kommuni- Materialscanner für eine große Bandbreite kationsanwendungen hinaus selbstverständ- von Anwendungen. lich. Mit der Technologie »HawkSpex® Mobile«, mit der Unternehmen Handy-Apps Auch auf dem Stand der Fraunhofer- für das Analysieren von unterschiedlichsten Gesellschaft auf der Cebit 2018, auf der Materialien und Inhaltsstoffen anbieten das Fraunhofer IFF die Technologie vorstell- können, haben Forscher des Fraunhofer IFF te, stieß sie auf großes Interesse. Auf der eine weitere Möglichkeit zu ihrer Verwen- Basis dieser Technologie, die seit Ende dung entwickelt. Denkbar ist das Scannen 2017 für gewerbliche Anwendungen zur von Lebensmitteln auf Frische und Behand- Verfügung steht, arbeiten derzeit eine lung, von Karosserieteilen zur Aufdeckung Reihe von Unternehmen an der Entwick- vertuschter Reparaturen, das Testen der lung von Apps für sich und ihre Kunden. Echtheit von Medikamenten und Luxus Die ersten Veröffentlichungen werden für gütern und vieles mehr. »HawkSpex® Anfang 2019 erwartet. (pm) Prof. Dr.-Ing. Udo Seiffert (li.), Fraunhofer IFF, erklärt Thomas Wünsch (2.v.l.), Staatssekretär im Minist erium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung des Landes Sachsen-Anhalt, die Technologie von »HawkSpex ® Mobile« auf der Cebit 2018. Foto: Hennig Köhler Aktuelles 9
Mobile Luftbilderfassung zur gesteuerten und automatischen Geodatenerfassung Entwicklung Intelligenter Arbeitssysteme der Zukunft Wegen eventuell veralteter Luftbildaufnah- men, unzureichender Genauigkeit oder Am Fraunhofer IFF hat eine neue Forscher- hoher Kosten und schlechter Verfügbarkeit gruppe unter dem Namen »KASys« (Kogni der Vermessungsflugzeuge haben aber auch tive Arbeitssysteme im menschzentrierten diese Varianten Nachteile. Produktionsumfeld) die Arbeit aufgenom- men. In dem Forschungsprojekt arbeiten Daher hat die GEO-METRIK-Ingenieurgesell- junge Nachwuchswissenschaftler an der Ent- schaft mbH Stendal gemeinsam mit Wissen- wicklung intelligenter Assistenzsysteme und schaftlern vom Fraunhofer IFF eine mobile gemeinsamer Arbeitsplätze von Menschen Luftbilderfassungseinheit zur gesteuerten und und Robotern in der Produktion. automatischen Geodatenerfassung entwi- ckelt. Diese Einheit kann an normalen Klein- flugzeugen installiert werden. Teure Ver messungsflugzeuge sind damit nicht mehr notwendig. Das portabel installierbare digita- le Kamerasystem ist dank einer speziellen Die Luftbilderfassungseinheit wird an den Flügel der Aufhängung schnell und flexibel einsetzbar. Kleinflugzeuge montiert. Bilder: Fraunhofer IFF Es wird über eine Software angesteuert und überwacht. Die Software gibt dem Piloten die Flugroute vor. Ein Algorithmus überprüft im Die Oberfläche unserer Erde wird heute auf Flug die aufgenommenen Bilddaten entlang viele Arten vermessen und kartographiert. des Einsatzgebietes. Eine visuelle Rückmel- Dazu gehört auch die Photogrammetrie, dung für den Piloten erfolgt in Echtzeit. also die Vermessung und örtliche Bestim- Durch den Einsatz eines solchen digitalen Sys- mung dreidimensionaler Objekte wie etwa tems für die Datenerfassung und Auswertung von Gebäuden. In der sogenannten Luft- können viele Prozesse automatisiert stattfin- bildphotogrammetrie wird die zu vermes- den. Aufwändige Nacharbeiten zum Identifi- sende Landschaft so überflogen, dass aus zieren und Extrahieren der relevanten Bildda- unterschiedlichen Perspektiven mehrere ten werden auf ein Minimum beschränkt. Ne- Werden am Fraunhofer IFF entwickelt: Intelligente Bilder, beispielsweise Messdaten von den ben den zusätzlichen Bildinformationen wer- Arbeitssysteme wie der Assistenzroboter ANNIE. jeweiligen Objekten, entstehen. Daraus den zudem Datensätze geschaffen, die nicht Foto: Fraunhofer IFF werden dreidimensionale Daten generiert, aufwändig manuell kombiniert werden müs- die beispielsweise zu 3D-Abbildungen von sen, sondern integriert vorliegen. Das Team um Projektleiter Prof. Dr techn. Gebäuden, verarbeitet werden. Norbert Elkmann widmet sich im Rahmen der Entwicklung eines systemisch-integrierten, Die GEO-METRIK-Ingenieurgesellschaft mbH technologischen Konzepts für Kognitive Ar- Stendal erstellt solche Bilder und kombiniert beitssysteme insbesondere vier Schwerpunk- dafür moderne Verfahren und Auswerte ten. Es berücksichtigt dabei die veränderten methoden für die terrestrische und digitale Rahmenbedingungen von Arbeitsplätzen, an Luftbildphotogrammetrie. Zur Datener denen Mensch und autonom agierende Ma- fassung von 3D-Abbildungen einzelner Bau- schinen künftig kollaborativ arbeiten. werke und gesamter Liegenschaften ver- wendet das Unternehmen Multikopter. Bei Vier Schwerpunkte größeren Gebieten ist der Aufwand für die Datenaufnahme mit Hilfe von solchen unbe- Dafür soll zum Ersten ein sogenannter »Zu- mannten Luftfahrzeugen (UAV) aber zu standsinterpreter« erkennen, in welcher kon- groß. Längere Anflugwege, eine größere A: Akku, B: Kameras, C: Steuereinheit, kreten Arbeitssituation sich ein Mensch befin- Anzahl an erforderlichen Start- und Lande- D: GPS-Antenne, E: IMU det und zugleich ermitteln, welcher Arbeits- plätzen, limitierte Flugzeiten und die ein schritt als nächstes folgen wird. geschränkte Flughöhe von maximal 100 Die in diesem Projekt entwickelte Lösung Über einen »Logistikplaner« soll zudem die Metern machen den UAV-Einsatz dann ermöglicht das Chartern von normalen Klein- Materialzulieferung an den Arbeitsplatz nicht unrentabel. Deshalb muss bei großflächigen flugzeugen in direkter Nähe zum Einsatzort mehr taktgebunden, sondern dynamisch und Gebietserfassungen aktuell auf andere für die Geodatenerfassung und -verarbei- bedarfsgesteuert erfolgen. Dafür muss der Möglichkeiten, wie Satellitenbilder oder tung. Die wichtige Flexibilität bleibt erhalten Materialfluss die individuelle Arbeitssituation spezielle Vermessungsflugzeuge, zurückge- und hohe Investitions- und Unterhaltskosten des Werkers berücksichtigen und auf Verän- griffen werden. für Vermessungsflugzeuge werden vermie- derungen im Arbeitssystem reagieren. Im den. (mar) Fokus der Forschergruppe steht dabei die 10 IFFocus 1/2019
Forschung für die Energiewende Unternehmen sollen aktiver Teil der Energienetze werden simulationsbasierte Prognose der kurz fristigen Planung und Steuerung der Materialbereitstellung, und zwar men- gen-, zeit-, orts- und qualitätsgerecht. Durch die Kopplung des realen Ma terial- und Informationsflusses mit sei- Mit dem geplanten Abschied dem europäischen Projekt Zu den letztlichen Hauptzielen nem digitalen Abbild (digitaler Zwilling) von der Kohleverstromung in »RELflex« an den dafür not- der Forscher zählen die Sen- wollen die Forscher zukünftige Verän- Deutschland wird die Bedeu- wendigen Technologien. kung der Umweltbelastung und derungen in der logistischen Planung tung regenerativer und dezent- der Energiekosten. Als zusätzli- und Steuerung vorab simulativ über- raler Energiequellen in den Einer der Partner auf deutscher chen Nutzen erhalten die Un- prüfen und implementieren können. kommenden Jahren deutlich Seite ist das Unternehmen Arte ternehmen, zusätzlich zur Stei- wachsen. Das bedeutet auch, Möbel in Magdeburg. Der mit- gerung ihrer Erträge, die Chan- Ein weiterer Schwerpunkt ist die Ent- dass die Anstrengungen zum telständische Betrieb nutzt für ce für interessante neue Ge- wicklung eines »digitalen Mensch Umbau der Energienetze noch- die Herstellung seiner Möbel schäftsmodelle, nicht nur als modells«. Dies erfolgt vor dem Hinter- Akteure am Strommarkt. Arte grund, dass der Einsatz von Sensoren Möbel etwa möchte künftig, zur Kontaktvermeidung von Mensch dank der Technik, auch voll- und Roboter in vielen Fällen nicht prak- ständig nachhaltig produzierte tikabel ist. Abhilfe verschafft das digita- Möbel anbieten, für deren Her- le Körpermodell. Es ermöglicht den stellung dann nicht nur das Maschinen ihre autonom geplanten Holz, sondern sogar der ver- Aktionen hinsichtlich potentieller Ge- wendete Strom ökologisch er- fahren für den Menschen zu bewerten zeugt wurde. (mar) und entsprechend zu agieren. Über diese Neuerung möchten die Forscher Dr.-Ing. Pio Lombardi, links im Bild, ist Verletzungen des Menschen durch Koordinator von »RELflex« und vertritt Roboterassistenzsysteme ausschließen. das Fraunhofer IFF in dem internationa- len Projekt. Zusammen mit Timo Hesse Das vierte Element des künftigen intelli- (Mitte), Geschäftsführer Arte Möbel, und genten Arbeitssystems ist der »Autono- Prof. Dr.-Ing. Przemyslaw Komarnicki mieplaner«. Bei ihm handelt es sich um (rechts), Hochschule Magdeburg-Sten- eine Methode, die den jeweils aktuel- dal, will er aus dem Möbelunternehmen len Kontext der Arbeitssituation und einen aktiven Partner im Stromnetz der die übergeordneten Ziele analysiert und Zukunft machen. daraus autonome Aktionen für den beteiligten Assistenzroboter ableitet. Diese Aktionen können sowohl der mals intensiviert werden müs- Ökostrom, den er selbst produ- Mitarbeiterunterstützung oder einem sen. Neue, intelligente Netze ziert. Die Forscher etablieren im automatisch durchgeführten Arbeits- und Technologien sollen die Rahmen des Projekts ein dyna- schritt gelten. Der Autonomieplaner schwankende Verfügbarkeit misches Energiemanagement- unterscheidet dabei zudem zwischen des Ökostroms ausgleichen und system in dem Unternehmen. kognitiver und physischer Assistenz. die vielen verschiedenen Produ- Es erhält unter anderem eigene zenten und Verbraucher mitei- Stromspeicher sowie eine neu Aufbau eines Spitzenforschungs- nander in Einklang bringen. entwickelte IKT-Infrastruktur, bereichs Nicht zuletzt den Unterneh- die es mit dem Stromnetzbe- men, die selber Energie aus treiber verbindet. Mithilfe der Das strukturelle Ziel der Forschergruppe Sonne und Wind oder gar aus Technik können dann beispiels- ist der Aufbau eines neuen und inter- eigenen Produktionsresten er- weise der Energieverbrauch in national anerkannten Spitzenfor- zeugen, kommt dabei eine völ- der Produktion oder die Ener- schungsbereichs zu kognitiven Arbeits- lig neue Rolle zu. gieerzeugung aus den vorhan- systemen mit Sitz in Magdeburg. Diese sogenannten »Prosumer« denen Solaranlagen prognosti- Die Gruppe ist ein erster Schritt und sollen aktive im Energienetz der ziert werden. Das soll es dem aussichtsreicher Wegbereiter in diese Zukunft agieren und dabei hel- Betrieb erlauben, trotz des Die Verwendung von Ökostrom aus Richtung. Sie soll erste und nachhaltige fen, es sicherer und stabiler zu schwankenden Ökostromange- regenerativen, aber auch schwankenden Lösungen zu den genannten Schwer- machen. bots mehr und gezielt regene- Stromquellen in der Produktion wird punkten erarbeiten und damit zur rative Energien für seine Mö- auch Auswirkungen auf die Organisation inhaltlichen Ausgestaltung und Vernet- Das Fraunhofer IFF in Magde- belherstellung einzusetzen oder von Arbeitsprozessen haben. zung des im Aufbau befindlichen Leis- burg und die Hochschule Mag- überschüssige Energie in das Fotos: Viktoria Kühne tungszentrums »Kognitive Autonome deburg-Stendal arbeiten ge- Netz einzuspeisen, wenn sie Arbeitssysteme« am Fraunhofer IFF bei- meinsam mit weiteren Partnern dort gebraucht wird. tragen. (mar) aus Deutschland und Polen in Aktuelles 11
21. IFF-Wissenschaftstage 2018 12
Fotos: Fraunhofer IFF, Viktoria Kühne 13 Blitzlichtgewitter
Digital entwickeln – vernetzt wachsen Prof. Dr.-Ing. Thomas Leich, Hochschulprofessor und Leiter des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg Vernetzt wachsen – in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus. Mit diesem Ziel unterstützt das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg mittelständische Unternehmen beim Einsatz innovativer digitaler Lösungen zur Optimierung innerbetrieblicher Prozesse, Vernetzung von Unternehmen und Entwicklung neuer Geschäftsfelder. Das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Magdeburg gehört zu Mittelstand-Digital. Mit Mittelstand-Digital unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen und dem Handwerk. Die Initiative informiert kostenlos kleine und mittlere Unternehmen über die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung. Die Fragen stellte René Maresch Professor Leich, der Bedarf der lungsstufe abzuholen, auf der er gerade Untern ehmen an Unterstützungsange- steht. Von der »Mobilen Unternehmens- boten zur Digitalisierung und Industrie sprechstunde«, über diverse Schulungsan 4.0 scheint groß. Gleichzeitig wächst gebote bis hin zum Umsetzungsprojekt – für die Zahl der Anbieter solcher Leis jeden Geschmack ist etwas dabei. Digitali Wo können Unternehmen diesen tungen. Warum sollten Unternehmen sierung kann unserer Meinung nach jedem Vernetzungsgedanken bei Ihnen im explizit bei Ihnen anrufen? schmecken, man muss es nur probieren. Kompetenzzentrum erleben? Als Kompetenzzentrum begleiten wir unsere Die Höhe der notwendigen Investi Das lässt sich bei jeder unserer Veranstaltun- Unternehmen. Wir hören im ersten Schritt tionen in die Digitalisierung ist für gen erleben. Besonders unsere Workshops erst einmal nur zu und entwickeln dann ge- die Unternehmen damit sicherlich eignen sich gut, die eigenen Pläne und Ideen meinsam die nächsten digitalen Schritte. Alle sehr unterschiedlich. Welche Rolle einmal mit anderen Unternehmen zu disku- unsere Angebote sind kostenfrei und für spielt dieses Thema in den Betrieben? tieren und sich Feedback einzuholen. Formate jedes mittelständische Unternehmen verfüg- wie »Start-Ups vs. Etablierte Unternehmen« bar. Wir verfügen über ein breites Netzwerk Um sich als Unternehmen in Richtung Digi leben sogar ausschließlich vom Austausch an regionalen und bundesweiten Partnern talisierung zu entwickeln, bedarf es nicht von Erfahrungen. und besuchen die Unternehmen gern auch immer einer fünfstelligen Investitionssumme. direkt vor Ort. Im Fokus steht zu jeder Zeit Es geht vielmehr darum, Zeit und Mut zu in- Sie führen selbst auch ein Unter der Mittelständler mit seinen ganz individu vestieren, sich mit den Themen auseinander- nehmen. Wie sind Ihre eigenen ellen Vorhaben. zusetzen und zu prüfen, welche digitalen Erfahrungen? Ziele das eigene Unternehmen wirklich wei- Jedes Unternehmen hat demnach ganz terbringen. Nicht jeder Trend, der medial Der Vertrauensfaktor spielt besonders bei individuelle Ziele? gerade diskutiert wird, ist ein Allheilmittel. neuen Themen eine entscheidende Rolle. Wir sollten auf die Erfolgsgeschichten ande- Auch ich hole mir einen Rat vorrangig bei Die Herausforderungen der Unternehmen rer schauen und daraus lernen. Investieren engen Vertrauten und Experten ein. Diesen sind oftmals vielfältig und nur bedingt mitein- sollten Unternehmen also vor allen Dingen in Ansatz sollten Unternehmen auch weiterver- ander vergleichbar. Aus diesem Grund bieten den Austausch mit anderen, um »vernetzt zu folgen. Mut für neue Themen gehört dazu wir im Rahmen des Kompetenzzentrums wachsen«, wie wir immer gern sagen. und dann sucht man sich einen Partner, dem ganz verschiedene Formate, die es erlauben, man vertraut und geht die Themen gemein- jeden Mittelständler an der digitalen Entwick- sam an. 14 IFFocus 1/2019
»der ImMittelständler Fokus steht zu jeder Zeit mit seinen ganz individuellen Vorhaben. « Prof. Dr.-Ing. Thomas Leich, Hochschulprofessor und Leiter des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg. Foto: Viktoria Kühne Wie kommen Unternehmen zu Ihnen? Sie sind über ihre verschiedenen Kurzvita Ist die Kontaktaufnahme schwierig? Standorte also auch selbst gut vernetzt. Die Kontaktaufnahme ist ganz einfach! Inter- Prof. Dr.-Ing. Thomas Leich essierte Unternehmen kommen meist über Das Kompetenzzentrum lebt von der Ex- unsere Webseite und melden sich per Mail pertise seiner Partner. Wir arbeiten zum Prof. Dr. Thomas Leich ist Unternehmer, oder Telefon. Wir bieten »Digitalisierung zum Beispiel eng mit dem Fraunhofer IFF in Hochschulprofessor und Leiter des Mittel- Anfassen« in unseren digitalen Schaufenstern Magdeburg oder dem Zentrum für Sozial- stand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg. im Forschungs- und Transferzentrum »Experi- forschung Halle e. V. in Halle zusammen. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind digitale mentelle Fabrik«, im VDTC des Fraunhofer IFF Sie unterstützen uns mit Know-how und Innovationen, datengetriebene Systeme und sowie der Denkfabrik im Magdeburger Wis- Erfahrung, beim Technologie-Scouting die Entwicklung von anpassbaren Software senschaftshafen oder dem VLBA Lab der sowie Qualifizieren von Mitarbeitenden. systemen. An der Hochschule Harz verant Otto-von-Guericke-Universität. Da alles nah So können wir eine enorm hohe Qualität wortet er den Masterstudiengang »Tech beieinanderliegt, können wir bei Bedarf auch an Unterstützungsleistungen anbieten nisches Innovationsmanagement«. Mit dem, verschiedene Praxisbeispiele und Themen in und sind immer auf dem aktuellen Stand vom Bundesministerium für Wirtschaft und einem Termin vorstellen. Mit unserem »ver- der Entwicklung, wenn es um die Digitali- Energie geförderten, Mittelstand 4.0-Kom netzt wachsen«-Mobil fahren wir außerdem sierung in Unternehmen geht. Das gehört petenzzentrum Magdeburg unterstützt er wöchentlich durch ganz Sachsen-Anhalt und sicher auch zu den entscheidenden Er- mit seinem Team vor allem mittelständische besuchen Unternehmen vor Ort. Neben un folgsfaktoren unserer Arbeit. Unternehmen bei der Bewältigung der aktu- serer Webseite berichten wir über aktuelle ellen Digitalisierungsaufgaben. Dabei hat er Themen auch auf Facebook, Twitter oder in als Familienunternehmer auch immer die unserem Newsletter. Die Kontaktaufnahme praktische Seite im Blick. ist wie der erste Schritt in Richtung Digitalisie- rung – ganz leicht! Interview 15
Foto: Fraunhofer IFF, Uwe Voelkner Kombination von Sensorik und Motorik nach menschlichem Vorbild Ulrike Christoforidis 16 IFFocus 1/2019
Fraunhofer IFF entwickelt Aktor zum feinfühligen Fangen von dynamischen Objekten Ob es der Ball beim schnellen Mannschaftssport ist oder das fallende Wasserglas, das zu nah an der Tischkante stand: Dank einer einzigartigen Kombination sensorischer und motorischer Fähigkeiten gelingt es dem Menschen, dynamische Objekte in Sekundenbruchteilen zu fangen. Erfahrungswerte sagen unse- rem Gehirn, wie schwer der sich bewegende Gegenstand mut- maßlich sein könnte, geben Aufschluss über Beschaffenheit und Verhalten und leiten diese Informationen zur motorischen Umsetzung an den Bewegungsapparat weiter. Durch ein auto- matisches Anspannen der Muskulatur werden die Gliedmaßen diesen Erwartungen entsprechend auf den Vorgang des Auffan- gens vorbereitet – und deren Steifigkeit beim und nach dem Fangen den tatsächlich »gemessenen« Werten angepasst. Die beweglichen Objekte landen sanft in unseren Händen und auch ein unerwartetes Gewicht können wir (meist) noch handhaben. Auf lange Sicht können solche Arbeiten jedoch eine schwere körperliche Belastung für den Arbeiter darstellen. Um seine Mitarbeiter durch eine automatisierte Lösung von ei- nem solchen, in der Wiederholung körperlich stark belastenden Arbeitsschritt zu befreien und zudem Abläufe effektiver zu ge- stalten, wandte sich das Unternehmen Zorn Instruments GmbH & Co. KG an das Fraunhofer IFF. Die Stendaler Firma entwickelt und fertigt Mess- und Prüfgeräte für ausgewählte Anwendungs- felder, darunter das Leichte Fallgewichtsgerät ZFG, mit dem in einer Schnellprüfung die Tragfähigkeit von Baugrund ermittelt werden kann. Mit dem Gerät kann ein Gewicht, das senkrecht an einer Stange geführt wird, ausgeklinkt und auf eine gefeder- te Bodenplatte mit Sensoren fallengelassen werden. Dabei prägt es eine Kraft auf den Boden ein und liefert Messwerte über die Verdichtung des Untergrunds. Sanft wie von menschlicher Hand werden durch eine Neuentwicklung des Fraunhofer IFF die Gewichte eines Prüfgeräts aus dem Baub ereich bei dessen Kalibrierung aufge fangen: Der »Variable Steifigkeitsaktor« sorgt für lupenreine, präzise Messergebnisse – und entlastet die Mitarbeiter von schwerer körperlicher Arbeit. Aus Forschung und Entwicklung 17
In einem von der Bundesanstalt für Straßenwesen anerkann- ten manuellen Prüfstand der Zorn Instruments GmbH wer- den die ZFG im Rahmen der Produktion, Reparatur und Wartung kalibriert: Ein Vorgang, bei dem ein Mitarbeiter die Fallgewichte von bis zu 15 Kilogramm Masse, die nach dem Aufprall von der gefederten Platte wieder entlang der Füh- rungsstange nach oben geworfen werden, von Hand abfan- gen und bis zu einem Meter weiter hochheben muss. Um verwertbare Messungen durchführen zu können, darf das Gewicht in diesem Vorgang kein zweites Mal nach unten fallen und es dürfen beim Auffangen keine Erschütterungen durch harte Anschläge entstehen. Das Gewicht muss zuver- lässig und sanft nach dem ersten Aufschlag gefangen wer- den. Die Messungen werden wiederholt, die Werte abgegli- chen, die Einstellungen nachjustiert. Wieder und wieder. Allein das Einsetzen eines neuen Tellerfederpakets in einem Leichten Fallgewichtsgerät erfordert bereits vor dem eigentli- chen Kalibriervorgang das Vorbelasten durch mindestens ein- hundert Stöße. Das Projekt VaSt: Variabler Steifigkeitsaktor zum Handhaben hochdynamischer Werkstücke unbekannter Masse In Kooperation mit Zorn Instruments erarbeitete das Fraun- hofer IFF deshalb ein neues Konzept, in dessen Rahmen Technologien und Verfahren zum Handhaben hochdynami- scher Werkstücke unbekannter Masse entwickelt wurden »Ziel des im März 2017 begonnenen Vorhabens ist es, eine Auffangvorrichtung mit einem eindimensionalen Aktor zu entwickeln, der die Gewichte in einem automatisierten Vorgang feinfühlig äuffängt und damit die manuelle Hand- habung ersetzt«, erläutert Holger Althaus, Forschungsmana- ger im Bereich Robotik im Magdeburger Fraunhofer-Institut. Rasch zeigte sich zu Projektbeginn, dass der Einsatz eines Roboters keine Option war. »Abgesehen von den hohen Investitionskosten von etwa 20.000 bis 25.000 Euro, die für kleine und mittelständische Unternehmen in der Regel deut- lich zu hoch wären, haben entsprechende Roboter nur eine Traglast von fünf Kilogramm. Wir benötigten also eine alter- native, einfache und zuverlässige Lösung, um das Personal von schwerer körperlicher Arbeit zu entlasten«, ergänzt sein Kollege und Robotikexperte Veit Müller. Um die »technologische Lücke« für das sensitive Handhaben von hochdynamischen Nutzlasten zu füllen, wurde für den Kalibrierungsprozess ein linearer Steifigkeitsaktor zur Auf- nahme des Fallgewichts entwickelt, in dem zwei Magnetgrei- fer integriert sind. Die Auffangvorrichtung des Aktors wird durch einen Linearantrieb senkrecht, parallel zur Führungs- stange des leichten Fallgewichtsgerätes, bewegt. Die an der Manueller Prüfstand für Fallgewichtsgeräte in der Firma Zorn Instruments. Bei diesem Auffangvorrichtung implementierten Magnetgreifer nehmen Prüfvorgang muss ein Mitarbeiter die Fallgewichte von bis zu 15 Kilogramm Masse handhaben. das unten liegende Fallgewicht auf und ziehen es zur festge- Fotos: Zorn Instruments, Danny Kurz legten Fallhöhe hoch. Dort wird das Fallgewicht ausgeklinkt und fällt an der Führungsstange des Leichten Fallgewichtsge- räts nach unten. In der Bodenplatte ist ein Beschleunigungs- sensor verbaut, der unmittelbar beim Aufprall Informationen über die Masse, die aufgetroffen ist und nun zurückgewor- fen wird, liefert. »Der Aktor mit den Magnetgreifern ist zwi- 18 IFFocus 1/2019
» Ähnlich wie der Mensch beim Fangen eines Gegenstands auf die Energie, die er entgegen nimmt, reagiert, variiert so auch der Aktor beim Fangen des Gewichts automatisch die Steifig- keit und nimmt es sanft auf. « schenzeitlich an den zuvor berechneten Umkehrpunkt des wie- der hochschnellenden Fallgewichts gefahren und dort vorpositi- oniert, um es aufzunehmen«, schildert Holger Althaus den wei- teren Ablauf. An diesem Punkt sind fast keine Beschleunigungskräfte mehr vorhanden, so dass die Geschwindigkeit kurzzeitig gegen Null geht und ein sensitives Auffangen der Masse realisierbar ist. Minimale Abweichungen gegenüber dem vorberechneten Um- kehrpunkt führen jedoch zu Fehlern beim Auffangen. Ist der Punkt niedriger, misslingt es, liegt er höher, führt der härtere Anschlag zu einer Verfälschung der Messdaten des Beschleuni- gungssensors. Um das zu verhindern, werden auch Daten einbezogen, die eine federgelagerte taktile Messspitze an der Auffangvorrich- tung in Nähe der Magnetgreifer liefert. Eine Regelung bindet diese Messdaten ein, um den Prozess des Fangens feinfühlig zu gestalten. »Ähnlich wie der Mensch beim Fangen eines Gegen- stands auf die Energie, die er entgegen nimmt, reagiert, variiert so auch der Aktor beim Fangen des Gewichts automatisch die Steifigkeit und nimmt es sanft auf«, erklärt Veit Müller. »Unter Verwendung neuronaler Netze bekommen wir mit den Sensoren zudem ein selbstoptimierendes System.« Das Projekt, das aus Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt und des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert wird, kommt Ende Februar 2019 zum Abschluss. Dann wird der Variable Steifigkeitsaktor bei ZORN INSTRUMENTS im Einsatz sein – und die Gesundheit der Mitarbeiter schonen helfen. Leichtes Fallgewichtsgerät. In der Bodenplatte ist ein Beschleunigungssensor verbaut. Er liefert die Infor- mationen zur Masse des Gewichts, das auf den Boden Veit Müller M. Sc. aufprallt, an den Greifer. Der fängt das Gewicht bei Fraunhofer IFF dessen Rückprall an dem berechneten Scheitelpunkt Robotersysteme variabel auf. Foto: Fraunhofer IFF, Uwe Völkner Tel. +49 391 4090-281 veit.mueller@iff.fraunhofer.de Aus Forschung und Entwicklung 19
Prädikatsarbeit Verbesserung des Arbeitslebens durch Digitalisierung Janine van Ackeren Fachkräfte für die Schichtarbeit zu gewin- nen wird zunehmend schwieriger – sowohl in Gegenden mit Vollbeschäftigung als auch in dünnbesiedelten Gebieten. Forscher des Fraunhofer IFF zeigen, wie die Digitalisie- rung schon im kleineren Ausmaß helfen kann, solche Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten. Fotos: Fraunhofer IFF, Lukas Hofstätter 20 IFFocus 1/2019
Im Privaten ist die Digitalisierung kaum noch wegzudenken: X-mal täglich nehmen wir un- ser Smartphone zur Hand, um nach dem Wetter, YouTube-Videos, weltpolitischen oder persönlichen Nachrichten zu schauen. Das Smartphone ist unser ständiger Begleiter. Auch in Unternehmen und Industriebetrieben hält die Digitalisierung verstärkt Einzug. Doch dieser Entwicklung sind Grenzen gesetzt: Nicht alle Produktionsprozesse werden sich wirtschaftlich automatisieren lassen. Dies stellt viele Unternehmen vor große Herausfor- derungen. Denn Fachkräfte, die sich dem an- strengenden Schichtdienst hingeben, sind rar. Das gilt in dünn besiedelten Gebieten Sach- sen-Anhalts ebenso – hier wandern zudem viele Arbeitskräfte ab – wie in Baden-Würt- temberg, wo nahezu Vollbeschäftigung herrscht. Doch wie lässt sich die Arbeitsfähig- keit mit Hilfe von Industrie-4.0-Technologien erhöhen? Und wie lassen sich Arbeitsplätze durch die Automation attraktiver gestalten? Das Assistenzsystem ViWIS führt Informationen aus verschiedenen Systemen zusammen. Der Werker meldet sich zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Beginn mit seiner Mitarbeiterkarte im mobil verfügbaren Betriebsdatenerfassungssystem (BDE) an seinem Tablet an. des Fraunhofer IFF gehen dieser Frage im Projekt »Prädikatsarbeit« nach – gemeinsam mit ihren Partnern SRH Hochschulen GmbH, DEKRA Akademie GmbH, der Firmengruppe Work-Life-Health-Balance entwickelt. Die die Ergebnisse strategisch aufgearbeitet und Liebherr-Werk Biberach GmbH und Zorn Dekra erfasste, inwiefern sich die Anforde- ein Leitbild für die obere Führungsebene ge- Instruments GmbH & Co. KG in Sachsen- rungen an die Kompetenzen der Mitarbeiter schaffen. Das Ziel: Die Mitarbeiter sollen sich Anhalt. Gefördert wird das Projekt durch das durch die Digitalisierung verändern. Die Er- noch stärker mit dem Unternehmen identifi- Bundesministerium für Bildung und For- gebnisse: Im privaten Umfeld ist die Digitali- zieren. schung. sierung für die Mitarbeiter meist selbstver- ständlich. Die meisten sind zudem interessiert Liebherr-Werk Biberach GmbH: Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter und neugierig darauf, diese Digitalisierung Virtuelles Werker-Informationssystem künftig auch auf das Arbeitsleben auszuwei- »In einem ersten Schritt haben wir die Ar- ten. Gläsern jedoch möchten sie nicht sein. Beim Baumaschinenhersteller Liebherr-Werk beitsfähigkeit der Mitarbeiter bestimmt und Im Alltag heißt das: Die Mitarbeiter nutzen Biberach GmbH mündete die Untersuchung untersucht, wie sich diese durch die Digitali- beispielsweise betriebliche Sportangebote im Assistenzsystem ViWIS, kurz für »Virtuelles sierung erhöhen lässt«, erläutert die Mathe- eher, wenn diese nicht ausgewertet und In- Werker-Informationssystem«. »ViWIS soll matikerin Stefanie Samtleben vom Fraunho- halte nicht weitergegeben werden. dem Werker eine Hilfestellung bieten und re- fer IFF. »Die entsprechenden Methoden dafür levante Daten in Echtzeit bereitstellen«, fasst wurden von der SRH Fernhochschule ausge- Das Forschungsteam des Fraunhofer IFF hat Samtleben zusammen. Bislang erhielten die wählt und entwickelt.« Dabei berücksichtig- bei den Anwendungspartnern eine grobe Werker die Informationen zur Erledigung der ten sie vier Gestaltungsfelder der Arbeitsfä- Wertstromaufnahme durchgeführt: Auf diese jeweiligen Arbeitsaufgabe in Papierform – higkeit: Die individuelle Gesundheit, der Weise erhielten sie einen Überblick über die etwa beim Herstellen von Kranbauteilen. Die Arbeitsinhalt bzw. die Arbeitsumgebung, die Prozesse und konnten das Einsatzfeld mög Herausforderung dabei: Es ist sehr aufwän- Arbeitsorganisation bzw. die Arbeitsführung licher Assistenzsysteme beleuchten und be- dig, die im Umlauf befindlichen Unterlagen und die professionelle Kompetenz der Be- werten. Zusätzlich wurde bei der Liebherr- aktuell zu halten – besonders Änderungen an schäftigten. All diese Punkte erhoben die Werk Biberach GmbH ein »Industrie-4.0- Zeichnungen, Normen etc. nachzuhalten ist Forscher und Forscherinnen über Fokus CheckUp« eingesetzt, um zu erfahren, wel- sehr zeitintensiv. Zudem strebte die Liebherr- gruppeninterviews. »Wir haben jeweils Mit che Digitalisierungsmaßnahmen in welchen Werk Biberach GmbH eine papierlose Produk- arbeiter aus derselben Ebene befragt, die Bereichen bereits durchgeführt werden und tion an. Gespräche aufgezeichnet und anschließend welche Zielstellungen verfolgt werden. qualitativ ausgewertet«, sagt Samtleben. Das Assistenzsystem ViWIS führt nun Infor- Die Zorn Instruments GmbH. KG hat aus die- mationen aus verschiedenen Systemen zu- Zusätzlich zu den Fokusgruppeninterviews sen Interviews viele Anregungen aufgegriffen sammen. Der Werker meldet sich mit seiner hat die SRH Fernhochschule Fragebögen zur und Veränderungen angestoßen. Sie haben Mitarbeiterkarte im mobil verfügbaren Be- Aus Forschung und Entwicklung 21
Sie können auch lesen