IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft

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DER DIGITALE ZWILLING
Wie die Digitalisierung die Arbeitsweisen im
Sondermaschinenbau verändert                     DIGITALER
                                                 ZWILLING
BURG2GO
Stadtgeschichte digital entdecken

INDUSTRIE 4.0 CHECKUP
Navigationshilfe auf dem Weg zur Industrie 4.0

                                                 ENGINEERING DER ZUKUNFT
IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft
F R A U N H O F E R - I N S T I T U T F Ü R F A B R I K B E T R I E B U N D - A U T O M A T I S I E R U N G I F F, M A G D E B U R G

                                                  EINEN TRAUMJOB FINDEN UND
                                                  SICH ALLE OPTIONEN OFFEN-
                                                  HALTEN GEHT NICHT.

                                                                       DOCH.
                                                                        Bei Fraunhofer steht Karriere für individuelle
                                                                        Entfaltung. Ob Fahrzeuge, Lebensmittel, Umweltschutz
                                                                        oder Architektur – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
                                                                        entwickeln überall Neugier. Darum bietet Fraunhofer in allen
                                                                        Bereichen Fort- und Weiterbildungen an. Schließlich kann nur
                                                                        gefordert werden, wer auch gefördert wird. Wie können wir
                                                                        Sie herausfordern?

                                                                        www.iff.fraunhofer.de/de/jobs-karriere.html

                                                                                                                                                   STEN AR
                                                                                                                                                TIV       B
                                                                                                                                              AK
                                                                                                                                                          EI
                                                                                                                                          R

                                                                                                                                                            TG
                                                                                                                                   DIE ATT

                                                                                                                                                              EBER

                                                                                                                                          DEUTSCHLAND

                                                                                                                                                  2015
IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft
Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

wissen Sie, was genau ein digitaler Zwilling         Hingegen nimmt die Entwicklung von digita-
ist? Falls ja, möchte ich Ihnen schon einmal         len Produkten und Dienstleistungen, also das
gratulieren, denn Sie gehören damit – noch –         Schaffen innovativer Neuerungen, den ge-
zu einer ganz speziellen Minderheit. Trotz der       ringsten Anteil ein. Auch hier sind die großen
Tatsache, dass heute die Schlagworte Digitali-       Akteure, die OEMs der produzierenden Wirt-
sierung, Vernetzung oder eben digitaler Zwil-        schaft, die Zugpferde der Digitalisierung. Eine   Professor Michael Schenk, Institutsleiter des
ling in aller Munde sind, haben oft erstaun-         kurze Formel bringt es auf den Punkt: Je klei-    Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
lich wenige Menschen klare Vorstellungen             ner das Unternehmen und je regionaler sein        in Magdeburg.
davon, was diese Elemente der digitalen              Absatzmarkt, desto eher wird es zum Digitali-
Transformation tatsächlich für sie bedeuten.         sierungsmuffel. Was droht, ist eine sich wei-
Sie wissen natürlich, dass die Zukunft der           ter öffnende Schere zwischen großen und
Wirtschaft digital ist. Dass die Digitalisierung     kleinen Unternehmen. Ihre Digitalisierungs­       Sie bringen viele kleine und große Digitalisie-
Unternehmen und Produkte besser macht,               abstinenz gefährdet die Wettbewerbsfähig-         rungsprojekte in die Praxis, beraten und be-
dass sie hilft, Prozesse zu optimieren, und          keit und damit auch das Überleben vieler          gleiten Unternehmen auf deren Weg in die
dank der dabei erzeugten Daten zusätzliche           kleiner und mittlerer Unternehmen in              digitale Transformation und teilen dafür nati-
Mehrwerte und neue Geschäftsmodelle ge-              Deutsch­land.                                     onal wie international ihr Know-how.
nerieren kann. Das alles ist heute allgemein
bekannt.                                             Dabei bieten wir eigentlich beste Vorausset-      Auch in dieser Ausgabe unseres IFFocus be-
                                                     zungen, um in dieser Hinsicht weltweit an         richten wir über solche Projekte. Wir möch-
Aber was würden Sie antworten, wenn ich              der Spitze zu stehen. Wir sind hervorragend,      ten zeigen, welch unterschiedliche Facetten
Sie fragte, ob Sie wissen, an welcher Stelle Ihr     wenn es um herausragende technologische           die Digitalisierung heutzutage im Kleinen wie
Unternehmen, Ihre Einrichtung oder Hoch-             Entwicklungen und Innovationsbereitschaft         im Großen haben kann. Angefangen beim
schule bereits erfolgreich digitalisiert arbeitet?   geht. Im Bereich des maschinellen Lernens ist     digitalen Zwilling, der als digitales Pendant
Und zwar nicht nur punktuell, wie etwa in            Deutschland führend. Unter anderem über           eines Produkts oder einer ganzen Fabrik
der Konstruktionsabteilung eines Produkti-           die Hochschulen und Universitäten wird in         sämt­liche Prozesse in dessen bzw. deren Le-
onsbetriebes, sondern prozessorientiert und          Deutschland ein exzellenter Wissenstransfer       benszyklus unterstützend begleiten kann,
über mehrere Arbeitsbereiche oder gar Unter-         von der Forschung in die Wirtschaft prakti-       über die Einführung einer digitalen Wissens-
nehmensgrenzen hinweg. Wie qualifiziert              ziert. Und mit Fraunhofer bieten wir ergän-       plattform als Assistenzsystem in der Produkti-
und vorbereitet sind Sie selbst auf die Digitali-    zend eine einzigartige Infrastruktur zur Unter-   on bis zum digitalen Guide für Touristen, der
sierung Ihrer Arbeit? Und wissen Sie auch,           stützung dieses Prozesses, um neueste tech-       dabei hilft, die Geschichte einer Stadt spiele-
wie viele Unternehmen heute tatsächlich in           nologische Entwicklungen auf kürzestem            risch zu entdecken.
der digitalisierten Welt angekommen sind?            Weg in die Wirtschaft, und dabei auch ganz
                                                     gezielt zu den KMU zu bringen.                    Ich wünsche Ihnen wie immer viel Vergnügen
Die KfW hat für ihren »Digitalisierungsbericht                                                         beim Lesen!
Mittelstand 2018« branchenübergreifend den           Die gute Nachricht ist, dass die Bereitschaft
Digitalisierungsgrad kleiner und mittlerer           der kleinen und mittleren Unternehmen             Ihr
deutscher Unternehmen untersucht und kam             steigt, Prozesse zu digitalisieren und die Au-
dabei zu keinem sehr guten Ergebnis. Zwar            gen für die Wertschöpfungspotenziale digi­
wurde berichtet, dass im Jahr 2017 etwa ein          taler Leistungen zu öffnen. Unsere Forsche-
Drittel der KMU in ihre Digitalisierung inves-       rinnen und Forscher erleben das täglich in
tiert haben. Demgegenüber stehen aber auch           ihren Projekten und in der Zusammenarbeit
ebenso viele Unternehmen, in denen so gut            mit vielen Partnern, wie etwa mit dem »Kom-       Michael Schenk
wie gar keine digitalen Anwendungen ver-             petenzzentrum Mittelstand 4.0 ›vernetzt
breitet sind. Bemerkenswert ist, dass der            wachsen‹«.
Großteil jener Investitionen in die Digitalisie-
rung in die Bereiche Lieferanten- und Kun-
denkommunikation und IT-Infrastruktur fließt.
IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft
Der digitale Zwilling
                                                                                 Im Anlagenbau müssen alle Beteiligten aus Konstruk-
                                                                                 tion, Elektroplanung, Steuerungsentwicklung und
                                                                                 weiteren Bereichen gemeinsam geeignete Lösungen
                                                                                 erarbeiten, damit die Anlage ihre Produktionsaufgabe
                                                                                 erfüllt und im Betrieb auch instandgesetzt werden
                                                                                 kann.

                                                                                 Betriebspersonal und Fachkräfte aus der Instand­
                                                                                 haltung sind bei Störungen und Wartungen der Ma-
                                                                                 schine immer wieder mit neuen Herausforderungen
                                                                                 konfrontiert, um die Fertigung in der gewohnten
                                                                                 Qualität aufrecht zu erhalten. Digitale Assistenzsys­
                                                                                 teme setzen hier an. Sie unterstützen die Planung,
                                                                                 vernetzen verschiedene Arbeitsbereiche und helfen,
                                                                                 den Überblick zu behalten. Ihre Basis ist der digitale
                                                                                 Zwilling.

                                                                                                                            Seite 24

Größtes 3D-Mixed-Reality-Labor Europas im Magdeburger            Prädikatsarbeit: Verbesserung des Arbeitslebens durch
Wissenschaftshafen wiedereröffnet                                Digitalisierung

Europas größtes 3D-Mixed-Reality-Labor »Elbedome« wurde am       Schichtarbeiter zu gewinnen wird zunehmend schwieriger – sowohl in
24. Mai 2018, nach aufwändiger Modernisierung im Magdeburger     Gegenden mit Vollbeschäftigung als auch in dünnbesiedelten Gebie-
Wissenschaftshafen, im Beisein von über einhundert Gästen aus    ten. Forscher des Fraunhofer IFF zeigen, wie die Digitalisierung schon
Wirtschaft, Wissenschaft und Politik offiziell wiedereröffnet.   im kleineren Ausmaß helfen kann, solche Arbeitsplätze attraktiver zu
                                                                 gestalten.

                                                       Seite 4                                                              Seite 20
IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft
Aktuelles                                        Blitzlichtgewitter                               Kluge Köpfe

 4   Größtes 3D-Mixed-Reality-Labor Europas      12   Impressionen                                44   Professur für Energienetzexperten
     im Magdeburger Wissenschaftshafen                21. IFF-Wissenschafts­tage 2018
     wiedereröffnet                                                                               44   VDI-Preis für Visualisierung
                                                 Interview
 8   Internationale Gespräche zur Digitalisie-                                                    44   Bundesvereinigung Logistik: Professor
     rung                                        14   Digital entwickeln – vernetzt wachsen            Michael Schenk aus der Gremienarbeit
                                                      Prof. Dr.-Ing. Thomas Leich                      verabschiedet
 8   Strategische Kooperation wird vertieft
                                                 Aus Forschung und Entwicklung                    46   Informatik für die Landwirtschaft
 9   Forscher arbeiten an Digitalisierung
     europäischer Häfen                          16   Kombination von Sensorik und Motorik        46   Firmenstaffellauf
                                                      nach menschlichem Vorbild
 9   Spektroskopie für den Konsumenten                                                            47   Forschen für Kollege Roboter
                                                 20   Prädikatsarbeit: Verbesserung des
10   Mobile Luftbilderfassung zur                     Arbeitslebens durch Digitalisierung         47   Das IFF-Fußballteam macht es vor
     gesteuerten und automatischen
     Geodatener­fassung                          24   Der digitale Zwilling – Engineering der     48   Mit Weitblick in die Zukunft
                                                      Zukunft
10   Entwicklung Intelli­genter Arbeits­-                                                         51   gtw-Wissenschaftspreis 2018 für
     systeme der Zukunft                         30   Burg2Go – Stadtgeschichte digital                Fraunhofer-Forscherin
                                                      entdecken
11   Forschung für die Energiewende                                                               51   Fraunhofer-Forscher in Klimabeirat des
     Unternehmen sollen aktiver Teil der         34   Barley Biodiversity: Innovationen für die        Landes berufen
     Energienetze werden                              Landwirtschaft von morgen
                                                                                                  52   Impressum
                                                 38   Navigationshilfe auf dem Weg zur
                                                      Industrie 4.0

Burg2Go – Stadtgeschichte digital entdecken                               Barley Biodiversity: Innovationen für die Landwirtschaft
                                                                          von morgen

Die Stadt Burg bei Magdeburg wirbt für sich als »grüne Stadt der          Mit Spektral-Technologien misst das Fraunhofer IFF in Kooperation
Türme«. Der Blick ins Innere der steinernen Zeitzeugen ist allerdings,    mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg direkt auf dem
wenn überhaupt, nur eingeschränkt möglich.                                Feld die Inhaltsstoffe von Getreidepflanzen und macht Prognosen
Eine Alternative ist die App »Burg2Go«. Der interaktive Wegbegleiter      bezüglich des Wachstums und der Leistung möglich – für Nutzpflan-
führt seine Gäste vom Mittelalter bis in unser digitales Zeitalter.       zen, die aus ökologischer und ökonomischer Sicht Vorteile bergen.

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IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft
Größtes 3D-Mixed-Reality-Labor Europas im Magdeburger
    Wissenschaftshafen wiedereröffnet
    Europas größtes 3D-Mixed-Reality-Labor, der
    »Elbedome«, wurde am 24. Mai 2018 nach
    aufwändiger Modernisierung im Magdeburger
    Wissenschaftshafen im Beisein von über ein-
    hundert Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft
    und Politik offiziell wiedereröffnet.

    Das einzigartige Labor für virtuelle Simulatio-
    nen ist Teil des Fraunhofer-Instituts für Fabrik-
    betrieb und -automatisierung IFF und wurde
    im Jahr 2006 im Magdeburger Wissen-
    schaftshafen errichtet. Nach mehr als zehn
    Jahren erfolgreichen Einsatzes in Forschung
    und Entwicklung für zahlreiche Unternehmen
    und wissenschaftliche Einrichtungen war eine
    Modernisierung der Technik notwendig ge-
    worden. Das Mixed-Reality-Labor mit der
    Form einer halbierten Kugel besitzt einen
    Durchmesser von 16 Metern und eine Höhe
    von über vier Metern. In ihm können virtuelle
    Inhalte auf einer 360-Grad-Panorama- und
    Boden-Projektionsfläche von über 400 Quad-
    ratmetern hochaufgelöst und – mit Hilfe zu-
    sätzlicher Augmented-Reality-Brillen – sogar        Über 100 Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik besichtigen das 3D-Mixed-Reality-Labor »Elbedome«
    holografisch dargestellt werden. Durch diese        zur Eröffnung. Foto: Fraunhofer IFF, Viktoria Kühne
    gewaltigen Dimensionen eignet sich das Sys-
    tem besonders für die virtuell-interaktive Dar-
    stellung großer Objekte, wie zum Beispiel           die Arbeitswelt von morgen und die Digitali-               in Sachsen-Anhalt. Mit ihm bleibt das Fraun-
    Maschinen, Anlagen, Fabriken oder ganzen            sierung der Wirtschaft. Dabei wird das Labor               hofer IFF bei den Zukunftsthemen Digital En-
    Städten im Maßstab 1:1. Problemlos können           vorrangig den Hochschulen und öffentlichen                 gineering und Virtual Reality national wie in-
    hier Gruppen von bis zu 20 Personen gleich-         Forschungseinrichtungen offenstehen. Aber                  ternational Spitze. Die von Land, Bund und
    zeitig in die virtuelle Welt eintauchen. Mit        insbesondere auch kleine und mittlere Unter-               EU geförderte Modernisierung sorgt dafür,
    über 100 Gästen aus Politik, Wissenschaft           nehmen sollen profitieren. Diese wollen die                dass hier 3D-Anwendungen künftig auf die
    und Wirtschaft und Rednern wie Prof. Dr.            Forscher des Fraunhofer IFF mit Kooperatio-                Möglichkeiten von Wirtschaft 4.0 treffen
    Dieter Spath, Präsident acatech, sowie Dr.          nen, im Rahmen der Auftragsforschung und                   können. Davon werden insbesondere auch
    Max Lemke, Referatsleiter Technologien und          beim Wissenstransfer auf regionaler, nationa-              unsere vielen mittelständischen Unternehmen
    Systeme für die Digitalisierung der Industrie       ler und europäischer Ebene unterstützen.                   profitieren.«
    bei der Europäischen Kommission, beging das
    Fraunhofer IFF die feierliche Wiedereröff-          Insgesamt wurden 2,5 Millionen Euro in die                 Zufrieden zeigte sich auch der Leiter des
    nung.                                               Modernisierung investiert. 75 Prozent stam-                Fraunhofer IFF, Professor Michael Schenk:
                                                        men aus Fördermitteln der Europäischen Uni-                »Das Mixed-Reality-Labor des Fraunhofer IFF
    Millioneninvestition für die Forschung              on, je 12,5 Prozent steuerten der Bund und                 gehört nun wieder zu den modernsten
                                                        das Land Sachsen-Anhalt bei.                               Einrichtungen dieser Art weltweit. Es wird
    Künftig wird das Fraunhofer IFF wieder ge-                                                                     helfen, neue Lösungen für die wichtigen Her-
    meinsam mit Partnern und Auftraggebern              Zur Wiedereröffnung des zukunftsweisenden                  ausforderungen der Zukunft zu finden, die
    aus Wissenschaft und Wirtschaft in dem              Simulationslabors sagt Wirtschafts- und Wis-               mit der Digitalisierung der Wirtschaft und der
    Mixed-Reality-Labor an den Forschungsfragen         senschaftsminister Prof. Dr. Armin Willing-                zunehmenden Automatisierung auf uns alle
    der Zukunft arbeiten können. Dazu gehört            mann: »Der erneuerte ›Elbedome‹ ist eine                   zukommen.« (pm)
    besonders die Entwicklung neuer Technolo­           Kathedrale der virtuellen Realität und damit
    gien und Anwendungen für die Industrie 4.0,         ein Wahrzeichen der Wissenschaftslandschaft

4   IFFocus 1/2019
IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft
Fotos: Fraunhofer IFF, Viktoria Kühne
Eröffnung Elbedome

               Blitzlichtgewitter                                     5
IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft
6
                 Foto: Fraunhofer IFF, Andreas Herzog

IFFocus 1/2019
IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft
Hyperspektralaufnahmen von verblassten
Wandgemälden im Brandenburger Dom.
Durch UV-Licht zur Fluoreszenz ange­
regte Farbreste und Füllstoffe werden
mit der Spektralkamera abgebildet und
analysiert.
IFFOCUS - Fraunhofer-Gesellschaft
Strategische
    Internationale Gespräche zur Digitalisierung                                                    Kooperation wird vertieft
    Führende Politiker und Experten der Welt treffen sich jährlich auf der südkoreanischen
    Insel Jeju, um über die regionale, wirtschaftliche und politische Entwicklung Asiens zu
    diskutieren. Im Vordergrund steht dabei der Austausch darüber, wie zukünftig Frieden
    und Wohlstand gesichert und die Sicherheit in Asien gestärkt werden können.

                                                        So hob im Rahmen der Diskussion Pro-
                                                        fessor Yong Suk Lee, stellvertretender
                                                        Direktor des Stanfords Walter H. Shore-
                                                        stein Asien-Pazifik-Forschungszentrums,
                                                        hervor, dass die Kom­bination von Daten     Prof. Dr. Anne Lequy, Hochschule Magdeburg-Stendal, und Prof.
                                                        und Technologien wie Künstliche In­telli­   Dr.-Ing. Michael Schenk, Fraunhofer IFF, unterzeichnen die Koope-
                                                        genz, Maschinelles Lernen und Auto­         rationsvereinbarung. Foto: Viktoria Kühne
                                                        matisierung ein Kernelement der
                                                        Indus­trie 4.0 sei. Dem kämen die weni-     Das Fraunhofer IFF Magdeburg und die Hochschule
                                                        ger strengen Datenschutzgesetze in den      Magdeburg-Stendal vertiefen ihre strategische
                                                        USA entgegen. Sie würden es Firmen in       Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung im
                                                        den USA ermöglichen, sehr stark auf         Bereich der Energiesysteme und -anlagen der Zu­
                                                        datengetriebene Geschäftsmodelle zu         kunft. Zu diesem Zweck wurde am 4. Februar 2019
                                                        setzen.                                     eine strategische Kooperationsvereinbarung unter-
                                                                                                    zeichnet.
                                                        Auch China setzt auf eine großflächige
                                                        Auswertung von Daten, insbesondere          Beide Seiten wollen künftig in enger Abstimmung
    Um sich zukünftig souverän in der digitalisierten   um Geschäftsmodelle in mobilen und          an neuen und zukunftssicheren Infrastrukturen für
    Arbeitswelt bewegen zu können, sei der Erwerb       e-Commerce Sektoren voranzutreiben.         die Energieversorgung forschen. Zu dieser Zusam-
    digitaler Kompetenzen unverzichtbar. In den USA     Im Bereich Fertigung liegt der Fokus vor    menarbeit gehört auch der Austausch von Personal
    werde daher bereits in der Mittelschule das         allem auf Auto­mati­sierung und Ro­boti­    zwischen dem Fraunhofer IFF und der Hochschule,
    Programmieren unterrichtet, betont Dr. Yong Suk     sierung, um die Kosten­effizienz zu stei-   die gemeinsame Nutzung von Forschungsinfra-
    Lee (2.v.l.) auf dem Podium. Foto: Jeon Hee-Jung    gern.                                       strukturen und die vernetzte Ausbildung des Nach-
                                                                                                    wuchses für Wissenschaft und Wirtschaft. Zudem
    Im Rahmen des letztjährigen Jeju Forums             In Europa unterliegt die Datenwirtschaft    wollen beide Partner auf diesem Gebiet eng mit der
    diskutierte Christian Blobner, Leiter Inter­        deut­lich strengeren Richtlinien. Hier      regionalen Industrie kooperieren.
    nationale Forschungsnetzwerke am                    stehe das Recht auf den Schutz perso-
    Fraunhofer IFF, mit Innovations- und Tech­          nenbezogener Daten besonders im             Institutsleiter Professor Dr.-Ing. Michael Schenk
    nologieexperten über »Industrie 4.0 und             Fokus. So schafft die europäische Daten-    betont: »Das Fraunhofer IFF und die Hochschule
    neue Rahmenbedingungen für das Unter­               schutz-Grundverordnung (DSGVO)              Magdeburg-Stendal arbeiten seit vielen Jahren auf
    nehmertum«. Im Mittelpunkt der Diskussion           letztendlich die wesentlichen Rahmen-       verschiedenen Gebieten sehr gut zusammen. Die
    stand die Frage nach möglichen Auswirkun-           bedingungen für internationale Akteure      nun beschlossene feste Kooperation im Bereich der
    gen der Industrie 4.0 auf die gesellschaftliche     und ihre Geschäftsbeziehungen mit           Energiesysteme der Zukunft ist gut für die Region
    und wirtschaftliche Zukunft in unterschied­-        europäischen Partnern und Kunden.           und die hiesigen Unternehmen. Sie werden sowohl
    lichen Ländern und Regionen.                                                                    von den Forschungsergebnissen als auch von der
                                                        Christian Blobner gibt sich nach der        gemeinsamen Ausbildung qualifizierter Fachkräfte
                                                        Diskussion zuversichtlich. »Trotz der       für diesen wichtigen Zukunftsmarkt profitieren.«
    »Aufgrund der Unterschiede in den Landes-           unterschiedlichen Herangehensweisen
    kulturen haben viele Nationen eigene Heran-         gibt es für uns als europäische Akteure     »Die heutige Unterzeichnung der Kooperationsver-
    gehensweisen, das Thema Industrie 4.0 anzu-         gute Ansätze, in Korea weiterzuarbeiten.    einbarung ist eine große Freude. Wir besiegeln eine
    gehen«, meint Christian Blobner. »Man ist           Die Konferenz auf Jeju war ein guter        langjährige gute und erfolgreiche Zusammenarbeit
    sich zwar größtenteils darüber einig, in wel-       erster Schritt, um Kontakte zu knüpfen      unserer Einrich­tungen und stärken zugleich den
    che Richtung die Technologieentwicklung             und zukünftig neue Projekte vor Ort mit     Wissenschaftsstandort Magdeburg. Mit dem Fraun-
    geht. Dennoch ist in jedem Land der gesell-         potenziellen Partner zu initiieren.«        hofer IFF gewinnt die Hoch­schule einen wichtigen
    schaftliche Fokus auf das Thema ein wenig                                                       strategischen Partner für die inter­nationale For-
    anders. Diese Unterschiede haben einen gro-         Das Jeju-Forum fand vom 26. Juni bis        schung an zukunftsweisenden Energie­kon­zepten.
    ßen Einfluss darauf, wie und ob einzelne            28. Juni 2018 statt und gilt als größtes    Insbesondere unsere Studierenden am Fachbereich
    Technologien in den Ländern akzeptiert und          Wirtschaftsforum Ostasiens. Die Veran-      Ingenieurwissenschaften und Industriedesign wer-
    letztlich genutzt werden. Hierbei kann aber         staltung zu Industrie 4.0 wurde von der     den während ihrer praxisnahen Ausbildung von der
    jeder von jedem lernen.«                            Friedrich-Naumann-Stiftung für die Frei-    gebündelten Expertise und Infrastruktur beider Ins-
                                                        heit (FNF) und dem Economic Freedom         titutionen profitieren«, erklärt Prof. Dr. Anne Lequy,
                                                        Network (EFN) Asien organisiert. (mar)      Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal.

8   IFFocus 1/2019
Forscher arbeiten an Digitalisierung europäischer Häfen
Die Digitalisierung kann Häfen und Schiff-                    Fraunhofer IFF bringt seine Kompe­                         zung, Sensorik und dem »Internet der Dinge«
fahrt dabei helfen, Kosten zu senken und                      tenzen im Bereich Digitalisierung ein                      für Industrieanwendungen einbringen.
Prozesse noch effizienter zu gestalten. In dem
europäischen Forschungsprojekt »PortFor-                      Das Fraunhofer IFF arbeitet in diesem Projekt              »PortForward« wird dabei auch von den mo-
ward« erarbeiten unter der Leitung des                        eng mit dem Betreiber des Hafen Magde-                     dernen Forschungsinfrastrukturen des Fraun-
Fraunhofer IFF insgesamt dreizehn For-                        burg, der Transportwerk Magdeburger Hafen                  hofer IFF profitieren, wie etwa dem »Elbedo-
schungseinrichtungen, Unternehmen und                         GmbH, zusammen. Als einziger Binnenhafen                   me«, Europas größtem Mixed-Reality-Labor.
Häfen aus Deutschland, Spanien, Italien,                      von insgesamt fünf beteiligten Häfen nimmt                 Das 3D-Visualisierungssystem unterstützt un-
Griechenland, Großbritannien und Norwegen                     er damit im Forschungsverbund eine beson-                  ter anderem bei der Entscheidungsfindung im
Anwendungskonzepte für den praxisbezogen                      dere Stellung ein. Mit ihm sollen digitale Lö-             Betrieb von Großinfrastrukturen. Des Weite-
Einsatz modernster, digitaler Technologien in                 sungen entwickelt werden, die vor allem die                ren sollen den Hafenbetreibern Dienstleistun-
Hafeninfrastrukturen.                                         Lagerhaltung und Logistik auf dem Hafenge-                 gen über eine Fraunhofer-eigene, sichere
                                                              biet unterstützen sollen. Das Fraunhofer IFF               Cloud-Infrastruktur zur Verfügung gestellt
Die Partner entwickeln dabei digitale Lösun-                  wird in diesem Zusammenhang seine Kompe-                   werden. (mar)
gen, mit denen insbesondere der Betrieb von                   tenzen auf dem Gebiet der digitalen Vernet-
kleinen und mittleren Häfen intelligenter, ver-
netzter und umweltgerechter gestaltet wer-
den soll. Das Projekt mit Laufzeit von 2018
bis 2021 wird im Rahmen des europäischen
Forschungsrahmenprogramms Horizont 2020
mit fünf Millionen Euro gefördert.

Im Ergebnis soll eine modulare Plattform be-
reitgestellt werden, die es Hafenbetreibern
erlaubt, innovative Technologien und Dienst-
leistungen zur Vernetzung und Digitalisierung
von Infrastrukturen und Prozessen zu nutzen.
Sie wird die Planungen und das Betreiben der
Häfen unterstützen, um deren Kosten- und
Umwelteffizienz zu erhöhen und im internati-
onalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu ma-
chen.

                                                              Hanse-Terminal des Hafen Magdeburg. Foto: Dirk Mahler/Fraunhofer IFF

Spektroskopie für den Konsumenten
                                                                   Moderne Smartphones sind de facto in aller                Mobile« bringt dies auf das Smartphone
                                                                   Hände. Für viele Nutzer ist der Gebrauch                  des Konsumenten und ermöglicht einen
                                                                   des Smartphones über die reinen Kommuni-                  Materialscanner für eine große Bandbreite
                                                                   kationsanwendungen hinaus selbstverständ-                 von Anwendungen.
                                                                   lich. Mit der Technologie »HawkSpex®
                                                                   Mobile«, mit der Unternehmen Handy-Apps                   Auch auf dem Stand der Fraunhofer-
                                                                   für das Analysieren von unterschiedlichsten               Gesellschaft auf der Cebit 2018, auf der
                                                                   Materialien und Inhaltsstoffen anbieten                   das Fraunhofer IFF die Technologie vorstell-
                                                                   können, haben Forscher des Fraunhofer IFF                 te, stieß sie auf großes Interesse. Auf der
                                                                   eine weitere Möglichkeit zu ihrer Verwen-                 Basis dieser Technologie, die seit Ende
                                                                   dung entwickelt. Denkbar ist das Scannen                  2017 für gewerbliche Anwendungen zur
                                                                   von Lebensmitteln auf Frische und Behand-                 Verfügung steht, arbeiten derzeit eine
                                                                   lung, von Karosserieteilen zur Aufdeckung                 Reihe von Unternehmen an der Entwick-
                                                                   vertuschter Reparaturen, das Testen der                   lung von Apps für sich und ihre Kunden.
                                                                   Echtheit von Medikamenten und Luxus­                      Die ersten Veröffentlichungen werden für
                                                                   gütern und vieles mehr. »HawkSpex®                        Anfang 2019 erwartet. (pm)

   Prof. Dr.-Ing. Udo Seiffert (li.), Fraunhofer IFF, erklärt Thomas Wünsch (2.v.l.), Staatssekretär im
   Minis­t erium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung des Landes Sachsen-Anhalt, die
   Technologie von »HawkSpex ® Mobile« auf der Cebit 2018. Foto: Hennig Köhler

                                                                                                                                                               Aktuelles    9
Mobile Luftbilderfassung zur gesteuerten und
     automatischen Geodatenerfassung                                                                                     Entwicklung Intelli­genter
                                                                                                                         Arbeitssysteme der Zukunft
                                                               Wegen eventuell veralteter Luftbildaufnah-
                                                               men, unzureichender Genauigkeit oder                      Am Fraunhofer IFF hat eine neue Forscher-
                                                               hoher Kosten und schlechter Verfügbarkeit                 gruppe unter dem Namen »KASys« (Kogni­
                                                               der Vermessungsflugzeuge haben aber auch                  tive Arbeitssysteme im menschzentrierten
                                                               diese Varianten Nachteile.                                Produktionsumfeld) die Arbeit aufgenom-
                                                                                                                         men. In dem Forschungsprojekt arbeiten
                                                               Daher hat die GEO-METRIK-Ingenieurgesell-                 junge Nachwuchswissenschaftler an der Ent-
                                                               schaft mbH Stendal gemeinsam mit Wissen-                  wicklung intelligenter Assistenzsysteme und
                                                               schaftlern vom Fraunhofer IFF eine mobile                 gemeinsamer Arbeitsplätze von Menschen
                                                               Luftbilderfassungseinheit zur gesteuerten und             und Robotern in der Produktion.
                                                               automatischen Geodatenerfassung entwi-
                                                               ckelt. Diese Einheit kann an normalen Klein-
                                                               flugzeugen installiert werden. Teure Ver­
                                                               messungsflugzeuge sind damit nicht mehr
                                                               notwendig. Das portabel installierbare digita-
                                                               le Kamerasystem ist dank einer speziellen
        Die Luftbilderfassungseinheit wird an den Flügel der   Aufhängung schnell und flexibel einsetzbar.
             Kleinflugzeuge montiert. Bilder: Fraunhofer IFF   Es wird über eine Software angesteuert und
                                                               überwacht. Die Software gibt dem Piloten die
                                                               Flugroute vor. Ein Algorithmus überprüft im
     Die Oberfläche unserer Erde wird heute auf                Flug die aufgenommenen Bilddaten entlang
     viele Arten vermessen und kartographiert.                 des Einsatzgebietes. Eine visuelle Rückmel-
     Dazu gehört auch die Photogrammetrie,                     dung für den Piloten erfolgt in Echtzeit.
     also die Vermessung und örtliche Bestim-                  Durch den Einsatz eines solchen digitalen Sys-
     mung dreidimensionaler Objekte wie etwa                   tems für die Datenerfassung und Auswertung
     von Gebäuden. In der sogenannten Luft-                    können viele Prozesse automatisiert stattfin-
     bildphotogrammetrie wird die zu vermes-                   den. Aufwändige Nacharbeiten zum Identifi-
     sende Landschaft so überflogen, dass aus                  zieren und Extrahieren der relevanten Bildda-
     unterschied­lichen Perspektiven mehrere                   ten werden auf ein Minimum beschränkt. Ne-                       Werden am Fraunhofer IFF entwickelt: Intelligente
     Bilder, beispielsweise Messdaten von den                  ben den zusätzlichen Bildinformationen wer-                       Arbeitssysteme wie der Assistenzroboter ANNIE.
     jeweiligen Objekten, entstehen. Daraus                    den zudem Datensätze geschaffen, die nicht                                                   Foto: Fraunhofer IFF
     werden dreidimensionale Daten generiert,                  aufwändig manuell kombiniert werden müs-
     die beispielsweise zu 3D-Abbildungen von                  sen, sondern integriert vorliegen.                        Das Team um Projektleiter Prof. Dr techn.
     Gebäuden, verarbeitet werden.                                                                                       Norbert Elkmann widmet sich im Rahmen der
                                                                                                                         Entwicklung eines systemisch-integrierten,
     Die GEO-METRIK-Ingenieurgesellschaft mbH                                                                            technologischen Konzepts für Kogni­tive Ar-
     Stendal erstellt solche Bilder und kombiniert                                                                       beitssysteme insbesondere vier Schwerpunk-
     dafür moderne Verfahren und Auswerte­                                                                               ten. Es berücksichtigt dabei die veränderten
     methoden für die terrestrische und digitale                                                                         Rahmenbedingungen von Arbeitsplätzen, an
     Luft­bildphotogrammetrie. Zur Datener­                                                                              denen Mensch und autonom agierende Ma-
     fassung von 3D-Abbildungen einzelner Bau-                                                                           schinen künftig kollaborativ arbeiten.
     werke und gesamter Liegenschaften ver-
     wendet das Unternehmen Multikopter. Bei                                                                             Vier Schwerpunkte
     größeren Gebieten ist der Aufwand für die
     Datenaufnahme mit Hilfe von solchen unbe-                                                                           Dafür soll zum Ersten ein sogenannter »Zu-
     mannten Luftfahrzeugen (UAV) aber zu                                                                                standsinterpreter« erkennen, in welcher kon-
     groß. Längere Anflugwege, eine größere                                     A: Akku, B: Kameras, C: Steuereinheit,   kreten Arbeitssituation sich ein Mensch befin-
     Anzahl an erforderlichen Start- und Lande-                                                D: GPS-Antenne, E: IMU    det und zugleich ermitteln, welcher Arbeits-
     plätzen, limitierte Flugzeiten und die ein­                                                                         schritt als nächstes folgen wird.
     geschränkte Flughöhe von maximal 100                      Die in diesem Projekt entwickelte Lösung                  Über einen »Logistikplaner« soll zudem die
     Metern machen den UAV-Einsatz dann                        ermöglicht das Chartern von normalen Klein-               Materialzulieferung an den Arbeitsplatz nicht
     unrentabel. Deshalb muss bei großflächigen                flugzeugen in direkter Nähe zum Einsatzort                mehr taktgebunden, sondern dynamisch und
     Gebietserfassungen aktuell auf andere                     für die Geodatenerfassung und -verarbei-                  bedarfsgesteuert erfolgen. Dafür muss der
     Mög­lichkeiten, wie Satellitenbilder oder                 tung. Die wichtige Flexibilität bleibt erhalten           Materialfluss die individu­elle Arbeitssituation
     spezielle Vermessungsflugzeuge, zurückge-                 und hohe Investitions- und Unterhaltskosten               des Werkers berücksichtigen und auf Verän-
     griffen werden.                                           für Vermessungsflugzeuge werden vermie-                   derungen im Arbeitssystem reagieren. Im
                                                               den. (mar)                                                Fokus der Forschergruppe steht dabei die

10   IFFocus 1/2019
Forschung für die Energiewende Unternehmen
                                              sollen aktiver Teil der Energienetze werden
simulationsbasierte Prognose der kurz­
fristigen Planung und Steuerung der
Materialbereitstellung, und zwar men-
gen-, zeit-, orts- und qualitätsgerecht.
Durch die Kopplung des realen Ma­
terial- und Informationsflusses mit sei-      Mit dem geplanten Abschied         dem europäischen Projekt            Zu den letztlichen Hauptzielen
nem digitalen Abbild (digitaler Zwilling)     von der Kohleverstromung in        »RELflex« an den dafür not-         der Forscher zählen die Sen-
wollen die Forscher zukünftige Verän-         Deutsch­land wird die Bedeu-       wendigen Technologien.              kung der Umweltbelastung und
derungen in der logistischen Planung          tung regenerativer und dezent-                                         der Energiekosten. Als zusätzli-
und Steuerung vorab simulativ über-           raler Energiequellen in den        Einer der Partner auf deutscher     chen Nutzen erhalten die Un-
prüfen und implementieren können.             kommenden Jahren deutlich          Seite ist das Unternehmen Arte      ternehmen, zusätzlich zur Stei-
                                              wachsen. Das bedeutet auch,        Möbel in Magdeburg. Der mit-        gerung ihrer Erträge, die Chan-
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Ent-         dass die Anstrengungen zum         telständische Betrieb nutzt für     ce für interessante neue Ge-
wicklung eines »digitalen Mensch­             Umbau der Energienetze noch-       die Herstellung seiner Möbel        schäftsmodelle, nicht nur als
modells«. Dies erfolgt vor dem Hinter-                                                                               Akteure am Strommarkt. Arte
grund, dass der Einsatz von Sensoren                                                                                 Möbel etwa möchte künftig,
zur Kontaktvermeidung von Mensch                                                                                     dank der Technik, auch voll-
und Roboter in vielen Fällen nicht prak-                                                                             ständig nachhaltig produzierte
tikabel ist. Abhilfe verschafft das digita-                                                                          Möbel anbieten, für deren Her-
le Körpermodell. Es ermöglicht den                                                                                   stellung dann nicht nur das
Maschinen ihre autonom geplanten                                                                                     Holz, sondern sogar der ver-
Aktionen hinsichtlich potentieller Ge-                                                                               wendete Strom ökologisch er-
fahren für den Menschen zu bewerten                                                                                  zeugt wurde. (mar)
und entsprechend zu agieren. Über
diese Neuerung möchten die Forscher                                                                                  Dr.-Ing. Pio Lombardi, links im Bild, ist
Verletzungen des Menschen durch                                                                                      Koordinator von »RELflex« und vertritt
Roboter­assistenzsysteme ausschließen.                                                                               das Fraunhofer IFF in dem internationa-
                                                                                                                     len Projekt. Zusammen mit Timo Hesse
Das vierte Element des künftigen intelli-                                                                            (Mitte), Geschäftsführer Arte Möbel, und
genten Arbeitssystems ist der »Autono-                                                                               Prof. Dr.-Ing. Przemyslaw Komarnicki
mieplaner«. Bei ihm handelt es sich um                                                                               (rechts), Hochschule Magdeburg-Sten-
eine Met­hode, die den jeweils aktuel-                                                                               dal, will er aus dem Möbelunternehmen
len Kontext der Arbeitssituation und                                                                                 einen aktiven Partner im Stromnetz der
die übergeordneten Ziele analysiert und                                                                              Zukunft machen.
daraus autonome Aktionen für den
beteiligten Assistenzroboter ableitet.
Diese Aktionen können sowohl der              mals intensiviert werden müs-      Ökostrom, den er selbst produ-
Mitarbeiterunterstützung oder einem           sen. Neue, intelligente Netze      ziert. Die Forscher etablieren im
automatisch durchgeführten Arbeits-           und Technologien sollen die        Rahmen des Projekts ein dyna-
schritt gelten. Der Autonomieplaner           schwankende Verfügbarkeit          misches Energiemanagement-
unterscheidet dabei zudem zwischen            des Ökostroms ausgleichen und      system in dem Unternehmen.
kognitiver und physischer Assistenz.          die vielen verschiedenen Produ-    Es erhält unter anderem eigene
                                              zenten und Verbraucher mitei-      Stromspeicher sowie eine neu
Aufbau eines Spitzenforschungs-               nander in Einklang bringen.        entwickelte IKT-Infrastruktur,
bereichs                                      Nicht zuletzt den Unterneh-        die es mit dem Stromnetzbe-
                                              men, die selber Energie aus        treiber verbindet. Mithilfe der
Das strukturelle Ziel der Forschergruppe      Sonne und Wind oder gar aus        Technik können dann beispiels-
ist der Aufbau eines neuen und inter-         eigenen Produktionsresten er-      weise der Energieverbrauch in
national anerkannten Spitzenfor-              zeugen, kommt dabei eine völ-      der Produktion oder die Ener-
schungsbereichs zu kognitiven Arbeits-        lig neue Rolle zu.                 gieerzeugung aus den vorhan-
systemen mit Sitz in Magdeburg.               Diese sogenannten »Prosumer«       denen Solaranlagen prognosti-
Die Gruppe ist ein erster Schritt und         sollen aktive im Energienetz der   ziert werden. Das soll es dem
aussichtsreicher Wegbereiter in diese         Zukunft agieren und dabei hel-     Betrieb erlauben, trotz des              Die Verwendung von Ökostrom aus
Richtung. Sie soll erste und nachhaltige      fen, es sicherer und stabiler zu   schwankenden Ökostromange-          regenerativen, aber auch schwankenden
Lösungen zu den genannten Schwer-             machen.                            bots mehr und gezielt regene-          Stromquellen in der Produktion wird
punkten erarbeiten und damit zur                                                 rative Energien für seine Mö-       auch Auswirkungen auf die Organisation
inhaltlichen Ausgestaltung und Vernet-        Das Fraunhofer IFF in Magde-       belherstellung einzusetzen oder                von Arbeitsprozessen haben.
zung des im Aufbau befindlichen Leis-         burg und die Hochschule Mag-       überschüssige Energie in das                          Fotos: Viktoria Kühne
tungszentrums »Kognitive Autonome             deburg-Stendal arbeiten ge-        Netz einzuspeisen, wenn sie
Arbeits­­­systeme« am Fraunhofer IFF bei-     meinsam mit weiteren Partnern      dort gebraucht wird.
tragen. (mar)                                 aus Deutschland und Polen in

                                                                                                                                                  Aktuelles      11
21. IFF-Wissenschaftstage
     2018

12
Fotos: Fraunhofer IFF, Viktoria Kühne

                                        13
                                        Blitzlichtgewitter
Digital entwickeln –
                 vernetzt wachsen
                      Prof. Dr.-Ing. Thomas Leich,
                      Hochschulprofessor und Leiter des Mittelstand
                      4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg
                      Vernetzt wachsen – in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus. Mit diesem Ziel unterstützt das Mittelstand
                      4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg mittelständische Unternehmen beim Einsatz innovativer digitaler
                      Lösungen zur Optimierung innerbetrieblicher Prozesse, Vernetzung von Unternehmen und Entwicklung
                      neuer Geschäftsfelder. Das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Magdeburg gehört zu Mittelstand-Digital.
                      Mit Mittelstand-Digital unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Digitalisierung
                      in kleinen und mittleren Unternehmen und dem Handwerk. Die Initiative informiert kostenlos kleine und
                      mittlere Unternehmen über die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung.
                      Die Fragen stellte René Maresch

     Professor Leich, der Bedarf der                    lungsstufe abzuholen, auf der er gerade
     Unter­n ehmen an Unterstützungsange-               steht. Von der »Mobilen Unternehmens-
     boten zur Digitalisierung und Industrie            sprechstunde«, über diverse Schulungsan­
     4.0 scheint groß. Gleichzeitig wächst              gebote bis hin zum Umsetzungsprojekt – für
     die Zahl der Anbieter solcher Leis­                jeden Geschmack ist etwas dabei. Digitali­       Wo können Unternehmen diesen
     tungen. Warum sollten Unternehmen                  sierung kann unserer Meinung nach jedem          Vernetzungsgedanken bei Ihnen im
     explizit bei Ihnen anrufen?                        schmecken, man muss es nur probieren.            Kompetenzzentrum erleben?

     Als Kompetenzzentrum begleiten wir unsere          Die Höhe der notwendigen Investi­                Das lässt sich bei jeder unserer Veranstaltun-
     Unternehmen. Wir hören im ersten Schritt           tionen in die Digitalisierung ist für            gen erleben. Besonders unsere Workshops
     erst einmal nur zu und entwickeln dann ge-         die Unternehmen damit sicherlich                 eignen sich gut, die eigenen Pläne und Ideen
     meinsam die nächsten digitalen Schritte. Alle      sehr unterschiedlich. Welche Rolle               einmal mit anderen Unternehmen zu disku-
     unsere Angebote sind kostenfrei und für            spielt dieses Thema in den Betrieben?            tieren und sich Feedback einzuholen. For­mate
     jedes mittelständische Unternehmen verfüg-                                                          wie »Start-Ups vs. Etablierte Unternehmen«
     bar. Wir verfügen über ein breites Netzwerk        Um sich als Unternehmen in Richtung Digi­        leben sogar ausschließlich vom Austausch
     an regionalen und bundesweiten Partnern            talisierung zu entwickeln, bedarf es nicht       von Erfahrungen.
     und besuchen die Unternehmen gern auch             immer einer fünfstelligen Investitionssumme.
     direkt vor Ort. Im Fokus steht zu jeder Zeit       Es geht vielmehr darum, Zeit und Mut zu in-      Sie führen selbst auch ein Unter­
     der Mittelständler mit seinen ganz individu­       vestieren, sich mit den Themen auseinander-      nehmen. Wie sind Ihre eigenen
     ellen Vorhaben.                                    zusetzen und zu prüfen, welche digitalen         Erfahrungen?
                                                        Ziele das eigene Unternehmen wirklich wei-
     Jedes Unternehmen hat demnach ganz                 terbringen. Nicht jeder Trend, der medial        Der Vertrauensfaktor spielt besonders bei
     individuelle Ziele?                                gerade diskutiert wird, ist ein Allheilmittel.   neuen Themen eine entscheidende Rolle.
                                                        Wir sollten auf die Erfolgsgeschichten ande-     Auch ich hole mir einen Rat vorrangig bei
     Die Herausforderungen der Unternehmen              rer schauen und daraus lernen. Inves­tieren      engen Vertrauten und Experten ein. Diesen
     sind oftmals vielfältig und nur bedingt mitein-    sollten Unternehmen also vor allen Dingen in     Ansatz sollten Unternehmen auch weiterver-
     ander vergleichbar. Aus diesem Grund bieten        den Austausch mit anderen, um »vernetzt zu       folgen. Mut für neue Themen gehört dazu
     wir im Rahmen des Kompetenzzentrums                wachsen«, wie wir immer gern sagen.              und dann sucht man sich einen Partner, dem
     ganz verschiedene Formate, die es erlauben,                                                         man vertraut und geht die Themen gemein-
     jeden Mittelständler an der digitalen Entwick-                                                      sam an.

14   IFFocus 1/2019
»der ImMittelständler
                                                                  Fokus steht zu jeder Zeit
                                                                              mit seinen
                                                         ganz individuellen Vorhaben. «

                                                                                                 Prof. Dr.-Ing. Thomas Leich, Hochschulprofessor und
                                                                                                 Leiter des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg.
                                                                                                 Foto: Viktoria Kühne

Wie kommen Unternehmen zu Ihnen?                     Sie sind über ihre verschiedenen            		Kurzvita
Ist die Kontaktaufnahme schwierig?                   Standorte also auch selbst gut
                                                     vernetzt.
Die Kontaktaufnahme ist ganz einfach! Inter-                                                     Prof. Dr.-Ing. Thomas Leich
essierte Unternehmen kommen meist über               Das Kompetenzzentrum lebt von der Ex-
unsere Webseite und melden sich per Mail             pertise seiner Partner. Wir arbeiten zum    Prof. Dr. Thomas Leich ist Unternehmer,
oder Telefon. Wir bieten »Digitalisierung zum        Beispiel eng mit dem Fraunhofer IFF in      Hochschulprofessor und Leiter des Mittel-
Anfassen« in unseren digitalen Schaufenstern         Magdeburg oder dem Zentrum für Sozial-      stand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg.
im Forschungs- und Transferzentrum »Experi-          forschung Halle e. V. in Halle zusammen.    Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind digitale
mentelle Fabrik«, im VDTC des Fraunhofer IFF         Sie unterstützen uns mit Know-how und       Innovationen, datengetriebene Systeme und
sowie der Denkfabrik im Magdeburger Wis-             Erfahrung, beim Technologie-Scouting        die Entwicklung von anpassbaren Software­
senschaftshafen oder dem VLBA Lab der                sowie Qualifizieren von Mitarbeitenden.     systemen. An der Hochschule Harz verant­
Otto-von-Guericke-Universität. Da alles nah          So können wir eine enorm hohe Qualität      wortet er den Masterstudiengang »Tech­
beieinanderliegt, können wir bei Bedarf auch         an Unterstützungsleistungen anbieten        nisches Innovationsmanagement«. Mit dem,
verschiedene Praxisbeispiele und Themen in           und sind immer auf dem aktuellen Stand      vom Bundesministerium für Wirtschaft und
einem Termin vorstellen. Mit unserem »ver-           der Entwicklung, wenn es um die Digitali-   Energie geförderten, Mittelstand 4.0-Kom­
netzt wachsen«-Mobil fahren wir außerdem             sierung in Unternehmen geht. Das gehört     petenzzentrum Magdeburg unterstützt er
wöchentlich durch ganz Sachsen-Anhalt und            sicher auch zu den entscheidenden Er-       mit seinem Team vor allem mittelständische
besuchen Unternehmen vor Ort. Neben un­              folgsfaktoren unserer Arbeit.               Unternehmen bei der Bewältigung der aktu-
serer Webseite berichten wir über aktuelle                                                       ellen Digitalisierungsaufgaben. Dabei hat er
Themen auch auf Facebook, Twitter oder in                                                        als Familienunternehmer auch immer die
unserem Newsletter. Die Kontaktaufnahme                                                          praktische Seite im Blick.
ist wie der erste Schritt in Richtung Digitalisie-
rung – ganz leicht!

                                                                                                                                            Interview     15
Foto: Fraunhofer IFF, Uwe Voelkner

                 Kombination von Sensorik
                 und Motorik
                                            nach menschlichem Vorbild
                                     Ulrike Christoforidis

                 16                  IFFocus 1/2019
Fraunhofer IFF entwickelt Aktor zum feinfühligen
Fangen von dynamischen Objekten

Ob es der Ball beim schnellen Mannschaftssport ist oder das
fallende Wasserglas, das zu nah an der Tischkante stand: Dank
einer einzi­g­artigen Kombination sensorischer und motorischer
Fähigkeiten gelingt es dem Menschen, dynamische Objekte in
Sekundenbruchteilen zu fangen. Erfahrungswerte sagen unse-
rem Gehirn, wie schwer der sich bewegende Gegenstand mut-
maßlich sein könnte, geben Aufschluss über Beschaffenheit und
Verhalten und leiten diese Informa­tionen zur motorischen
Umsetzung an den Bewegungsapparat weiter. Durch ein auto-
matisches Anspannen der Muskulatur werden die Glied­maßen
diesen Erwartungen entsprechend auf den Vorgang des Auffan-
gens vorbereitet – und deren Steifigkeit beim und nach dem
Fangen den tatsächlich »gemessenen« Werten angepasst. Die
beweglichen Objekte landen sanft in unseren Händen und auch
ein unerwartetes Gewicht können wir (meist) noch handhaben.
Auf lange Sicht können solche Arbeiten jedoch eine schwere
körperliche Belastung für den Arbeiter darstellen.

Um seine Mitarbeiter durch eine automatisierte Lösung von ei-
nem solchen, in der Wiederholung körperlich stark belastenden
Arbeitsschritt zu befreien und zudem Abläufe effek­tiver zu ge-
stalten, wandte sich das Unternehmen Zorn Instruments GmbH
& Co. KG an das Fraunhofer IFF. Die Stendaler Firma entwickelt
und fertigt Mess- und Prüfgeräte für ausgewählte Anwendungs-
felder, darunter das Leichte Fallgewichtsgerät ZFG, mit dem in
einer Schnellprüfung die Tragfähigkeit von Baugrund ermittelt
werden kann. Mit dem Gerät kann ein Gewicht, das senkrecht
an einer Stange geführt wird, ausgeklinkt und auf eine gefeder-
te Bodenplatte mit Sensoren fallengelassen werden. Dabei prägt
es eine Kraft auf den Boden ein und liefert Messwerte über die
Verdichtung des Untergrunds.

               Sanft wie von menschlicher Hand werden
               durch eine Neuentwicklung des Fraunhofer
               IFF die Gewichte eines Prüfgeräts aus dem
               Bau­b ereich bei dessen Kalibrierung aufge­
               fangen: Der »Variable Steifigkeitsaktor«
               sorgt für lupenreine, präzise Messergebnisse
               – und entlastet die Mitarbeiter von schwerer
               körperlicher Arbeit.

                               Aus Forschung und Entwicklung      17
In einem von der Bundesanstalt für Straßenwesen anerkann-
                                                                                                  ten manuellen Prüfstand der Zorn Instruments GmbH wer-
                                                                                                  den die ZFG im Rahmen der Produktion, Reparatur und
                                                                                                  Wartung kalibriert: Ein Vorgang, bei dem ein Mitarbeiter die
                                                                                                  Fallgewichte von bis zu 15 Kilogramm Masse, die nach dem
                                                                                                  Aufprall von der gefederten Platte wieder entlang der Füh-
                                                                                                  rungsstange nach oben geworfen werden, von Hand abfan-
                                                                                                  gen und bis zu einem Meter weiter hochheben muss. Um
                                                                                                  verwertbare Messungen durchführen zu können, darf das
                                                                                                  Gewicht in diesem Vorgang kein zweites Mal nach unten
                                                                                                  fallen und es dürfen beim Auffangen keine Erschütterungen
                                                                                                  durch harte Anschläge entstehen. Das Gewicht muss zuver-
                                                                                                  lässig und sanft nach dem ersten Aufschlag gefangen wer-
                                                                                                  den. Die Messungen werden wiederholt, die Werte abgegli-
                                                                                                  chen, die Einstellungen nachjustiert. Wieder und wieder.
                                                                                                  Allein das Einsetzen eines neuen Tellerfederpakets in einem
                                                                                                  Leichten Fallgewichtsgerät erfordert bereits vor dem eigentli-
                                                                                                  chen Kalibriervorgang das Vorbelasten durch mindestens ein-
                                                                                                  hundert Stöße.

                                                                                                  Das Projekt VaSt: Variabler Steifigkeitsaktor
                                                                                                  zum Handhaben hochdynamischer Werkstücke
                                                                                                  unbekannter Masse

                                                                                                  In Kooperation mit Zorn Instruments erarbeitete das Fraun-
                                                                                                  hofer IFF deshalb ein neues Konzept, in dessen Rahmen
                                                                                                  Technologien und Verfahren zum Handhaben hochdynami-
                                                                                                  scher Werkstücke unbekannter Masse entwickelt wurden
                                                                                                  »Ziel des im März 2017 begonnenen Vorhabens ist es, eine
                                                                                                  Auffangvorrichtung mit einem eindimensionalen Aktor zu
                                                                                                  entwickeln, der die Gewichte in einem automatisierten
                                                                                                  Vorgang feinfühlig äuffängt und damit die manuelle Hand-
                                                                                                  habung ersetzt«, erläutert Holger Althaus, Forschungsmana-
                                                                                                  ger im Bereich Robotik im Magdeburger Fraunhofer-Institut.
                                                                                                  Rasch zeigte sich zu Projektbeginn, dass der Einsatz eines
                                                                                                  Roboters keine Option war. »Abgesehen von den hohen
                                                                                                  Investitionskosten von etwa 20.000 bis 25.000 Euro, die für
                                                                                                  kleine und mittelständische Unternehmen in der Regel deut-
                                                                                                  lich zu hoch wären, haben entsprechende Roboter nur eine
                                                                                                  Traglast von fünf Kilogramm. Wir benötigten also eine alter-
                                                                                                  native, einfache und zuverlässige Lösung, um das Personal
                                                                                                  von schwerer körperlicher Arbeit zu entlasten«, ergänzt sein
                                                                                                  Kollege und Robotikexperte Veit Müller.

                                                                                                  Um die »technologische Lücke« für das sensitive Handhaben
                                                                                                  von hochdynamischen Nutzlasten zu füllen, wurde für den
                                                                                                  Kalibrierungsprozess ein linearer Steifigkeitsaktor zur Auf-
                                                                                                  nahme des Fallgewichts entwickelt, in dem zwei Magnetgrei-
                                                                                                  fer integriert sind. Die Auffangvorrichtung des Aktors wird
                                                                                                  durch einen Linearantrieb senkrecht, parallel zur Führungs-
                                                                                                  stange des leichten Fallgewichtsgerätes, bewegt. Die an der
     Manueller Prüfstand für Fallgewichtsgeräte in der Firma Zorn Instruments. Bei diesem         Auffangvorrichtung implementierten Magnetgreifer nehmen
     Prüfvorgang muss ein Mitarbeiter die Fallgewichte von bis zu 15 Kilogramm Masse handhaben.   das unten liegende Fallgewicht auf und ziehen es zur festge-
     Fotos: Zorn Instruments, Danny Kurz                                                          legten Fallhöhe hoch. Dort wird das Fallgewicht ausgeklinkt
                                                                                                  und fällt an der Führungsstange des Leichten Fallgewichtsge-
                                                                                                  räts nach unten. In der Bodenplatte ist ein Beschleunigungs-
                                                                                                  sensor verbaut, der unmittelbar beim Aufprall Informationen
                                                                                                  über die Masse, die aufgetroffen ist und nun zurückgewor-
                                                                                                  fen wird, liefert. »Der Aktor mit den Magnetgreifern ist zwi-

18   IFFocus 1/2019
»   Ähnlich wie der Mensch
                                                         beim Fangen eines Gegenstands
                                                         auf die Energie, die er entgegen
                                                         nimmt, reagiert, variiert so
                                                         auch der Aktor beim Fangen des
                                                         Gewichts automatisch die Steifig-
                                                         keit und nimmt es sanft auf.                                    «
                                                                schenzeitlich an den zuvor berechneten Umkehrpunkt des wie-
                                                                der hochschnellenden Fallgewichts gefahren und dort vorpositi-
                                                                oniert, um es aufzunehmen«, schildert Holger Althaus den wei-
                                                                teren Ablauf.

                                                                An diesem Punkt sind fast keine Beschleunigungskräfte mehr
                                                                vorhanden, so dass die Geschwindigkeit kurzzeitig gegen Null
                                                                geht und ein sensitives Auffangen der Masse realisierbar ist.
                                                                Minimale Abweichungen gegen­über dem vorberechneten Um-
                                                                kehrpunkt führen jedoch zu Fehlern beim Auffangen. Ist der
                                                                Punkt niedriger, misslingt es, liegt er höher, führt der härtere
                                                                Anschlag zu einer Verfälschung der Messdaten des Beschleuni-
                                                                gungssensors.

                                                                Um das zu verhindern, werden auch Daten einbezogen, die
                                                                eine federgelagerte taktile Messspitze an der Auffangvorrich-
                                                                tung in Nähe der Magnetgreifer liefert. Eine Regelung bindet
                                                                diese Messdaten ein, um den Prozess des Fangens feinfühlig zu
                                                                gestalten. Ȁhnlich wie der Mensch beim Fangen eines Gegen-
                                                                stands auf die Energie, die er entgegen nimmt, reagiert, variiert
                                                                so auch der Aktor beim Fangen des Gewichts automatisch die
                                                                Steifigkeit und nimmt es sanft auf«, erklärt Veit Müller.
                                                                »Unter Verwendung neuronaler Netze bekommen wir mit den
                                                                Sensoren zudem ein selbstoptimierendes System.«

                                                                Das Projekt, das aus Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt und des
                                                                Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert
                                                                wird, kommt Ende Februar 2019 zum Abschluss. Dann wird der
                                                                Variable Steifigkeitsaktor bei ZORN INSTRUMENTS im Einsatz
                                                                sein – und die Gesundheit der Mitarbeiter schonen helfen.

Leichtes Fallgewichtsgerät. In der Bodenplatte ist ein
Beschleunigungssensor verbaut. Er liefert die Infor-
mationen zur Masse des Gewichts, das auf den Boden                                      		     Veit Müller M. Sc.
aufprallt, an den Greifer. Der fängt das Gewicht bei                                           Fraunhofer IFF
dessen Rückprall an dem berechneten Scheitelpunkt                                              Robotersysteme
variabel auf. Foto: Fraunhofer IFF, Uwe Völkner
                                                                                        Tel. +49 391 4090-281
                                                                                        veit.mueller@iff.fraunhofer.de

                                                                                                 Aus Forschung und Entwicklung      19
Prädikatsarbeit
Verbesserung des Arbeitslebens
durch Digitalisierung
       Janine van Ackeren

                                                           Fachkräfte für die Schichtarbeit zu gewin-
                                                           nen wird zunehmend schwieriger – sowohl
                                                           in Gegenden mit Vollbeschäftigung als auch
                                                           in dünnbesiedelten Gebieten. Forscher des
                                                           Fraunhofer IFF zeigen, wie die Digitalisie-
                                                           rung schon im kleineren Ausmaß helfen
                                                           kann, solche Arbeitsplätze attraktiver zu
                                                           gestalten.
Fotos: Fraunhofer IFF, Lukas Hofstätter

20                                        IFFocus 1/2019
Im Privaten ist die Digitalisierung kaum noch
wegzudenken: X-mal täglich nehmen wir un-
ser Smartphone zur Hand, um nach dem
Wetter, YouTube-Videos, weltpolitischen oder
persönlichen Nachrichten zu schauen. Das
Smartphone ist unser ständiger Begleiter.
Auch in Unternehmen und Industriebetrieben
hält die Digitalisierung verstärkt Einzug. Doch
dieser Entwicklung sind Grenzen gesetzt:
Nicht alle Produktionsprozesse werden sich
wirtschaftlich automatisieren lassen. Dies
stellt viele Unternehmen vor große Herausfor-
derungen. Denn Fachkräfte, die sich dem an-
strengenden Schichtdienst hingeben, sind rar.
Das gilt in dünn besiedelten Gebieten Sach-
sen-Anhalts ebenso – hier wandern zudem
viele Arbeitskräfte ab – wie in Baden-Würt-
temberg, wo nahezu Vollbeschäftigung
herrscht. Doch wie lässt sich die Arbeitsfähig-
keit mit Hilfe von Industrie-4.0-Technologien
erhöhen? Und wie lassen sich Arbeitsplätze
durch die Automation attraktiver gestalten?
                                                      Das Assistenzsystem ViWIS führt Informationen aus verschiedenen Systemen zusammen. Der Werker meldet sich zu
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler             Beginn mit seiner Mitarbeiterkarte im mobil verfügbaren Betriebsdatenerfassungssystem (BDE) an seinem Tablet an.
des Fraunhofer IFF gehen dieser Frage im
Projekt »Prädikatsarbeit« nach – gemeinsam
mit ihren Partnern SRH Hochschulen GmbH,
DEKRA Akademie GmbH, der Firmengruppe             Work-Life-Health-Balance entwickelt. Die                  die Ergebnisse strategisch aufgearbeitet und
Liebherr-Werk Biberach GmbH und Zorn              Dekra erfasste, inwiefern sich die Anforde-               ein Leitbild für die obere Führungsebene ge-
Instruments GmbH & Co. KG in Sachsen-             rungen an die Kompetenzen der Mitarbeiter                 schaffen. Das Ziel: Die Mitarbeiter sollen sich
Anhalt. Gefördert wird das Projekt durch das      durch die Digitalisierung verändern. Die Er-              noch stärker mit dem Unternehmen identifi-
Bundesministerium für Bildung und For-            gebnisse: Im privaten Umfeld ist die Digitali-            zieren.
schung.                                           sierung für die Mitarbeiter meist selbstver-
                                                  ständlich. Die meisten sind zudem interessiert            Liebherr-Werk Biberach GmbH:
Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter                  und neugierig darauf, diese Digitalisierung               Virtuelles Werker-Informationssystem
                                                  künftig auch auf das Arbeitsleben auszuwei-
»In einem ersten Schritt haben wir die Ar-        ten. Gläsern jedoch möchten sie nicht sein.               Beim Baumaschinenhersteller Liebherr-Werk
beitsfähigkeit der Mitarbeiter bestimmt und       Im Alltag heißt das: Die Mitarbeiter nutzen               Biberach GmbH mündete die Untersuchung
untersucht, wie sich diese durch die Digitali-    beispielsweise betriebliche Sport­angebote                im Assistenzsystem ViWIS, kurz für »Virtuelles
sierung erhöhen lässt«, erläutert die Mathe-      eher, wenn diese nicht ausgewertet und In-                Werker-Informationssystem«. »ViWIS soll
matikerin Stefanie Samtleben vom Fraunho-         halte nicht weitergegeben werden.                         dem Werker eine Hilfestellung bieten und re-
fer IFF. »Die entsprechenden Methoden dafür                                                                 levante Daten in Echtzeit bereitstellen«, fasst
wurden von der SRH Fernhochschule ausge-          Das Forschungsteam des Fraunhofer IFF hat                 Samtleben zusammen. Bislang erhielten die
wählt und entwickelt.« Dabei berücksichtig-       bei den Anwendungspartnern eine grobe                     Werker die Informationen zur Erledigung der
ten sie vier Gestaltungsfelder der Arbeitsfä-     Wertstromaufnahme durchgeführt: Auf diese                 jeweiligen Arbeitsaufgabe in Papierform –
higkeit: Die individuelle Gesundheit, der         Weise erhielten sie einen Überblick über die              etwa beim Herstellen von Kranbauteilen. Die
Arbeitsinhalt bzw. die Arbeitsumgebung, die       Prozesse und konnten das Einsatzfeld mög­                 Herausforderung dabei: Es ist sehr aufwän-
Arbeitsorganisation bzw. die Arbeitsführung       licher Assistenzsysteme beleuchten und be-                dig, die im Umlauf befindlichen Unterlagen
und die professionelle Kompetenz der Be-          werten. Zusätzlich wurde bei der Liebherr-                aktuell zu halten – besonders Änderungen an
schäftigten. All diese Punkte erhoben die         Werk Biberach GmbH ein »Industrie-4.0-                    Zeichnungen, Normen etc. nachzuhalten ist
Forscher und Forscherinnen über Fokus­            CheckUp« eingesetzt, um zu erfahren, wel-                 sehr zeitintensiv. Zudem strebte die Liebherr-
gruppeninterviews. »Wir haben jeweils Mit­        che Digitalisierungsmaßnahmen in welchen                  Werk Biberach GmbH eine papierlose Produk-
arbeiter aus derselben Ebene befragt, die         Bereichen bereits durchgeführt werden und                 tion an.
Gespräche aufgezeichnet und anschließend          welche Zielstellungen verfolgt werden.
qualitativ ausgewertet«, sagt Samtleben.                                                                    Das Assistenzsystem ViWIS führt nun Infor-
                                                  Die Zorn Instruments GmbH. KG hat aus die-                mationen aus verschiedenen Systemen zu-
Zusätzlich zu den Fokusgruppeninterviews          sen Interviews viele Anregungen aufgegriffen              sammen. Der Werker meldet sich mit seiner
hat die SRH Fernhochschule Fragebögen zur         und Veränderungen angestoßen. Sie haben                   Mitarbeiterkarte im mobil verfügbaren Be-

                                                                                                                            Aus Forschung und Entwicklung               21
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