Mission zukunft - Report (+) PLUS

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Mission zukunft - Report (+) PLUS
04   Ausgabe 2019
                                                                             16. Jahrgang

  Ganz ohne Strategie geht es
  auch im schnelllebigen Business
  nicht. Stefan Bergsmann,
  Horváth & Partners, leitet
  Unternehmen ins digitale
  Zeitalter.

 Mission
 zukunft
               30                               34                         44
trends                         vertrauen                              cool stuff
Neues vom Technologiemarkt –   Der NGI-Talk über Erfolge und              Alles, was schön ist
was die Branche verspricht.    Hürden in der Akzeptanz von Technik.       und Spaß macht.
Mission zukunft - Report (+) PLUS
Wir hören überall:

                                 „Künstliche Intelligenz
Stimmt!
                                 ändert alles.“
„Wir machen dieses
Potenzial greifbar!”
 Das Rennen hat begonnen –
 Heute mit KI Anwendungen starten um
 die Marktposition zu stärken.

 Disruption beherrschen –
 Mehrwert entsteht nur, wenn KI in Kultur
 und Prozesse integriert wird.

 Schnell Mehrwert schaffen –
 Fokussierung auf Projekte mit geringer
 Komplexität und hohem Nutzen.

Wir sehen es als unsere Aufgabe, KI
zu entmystifizieren, konkrete Anwendungsfälle zu
identifizieren und diese gemeinsam mit unseren
Kunden in Geschäftsprozesse zu integrieren.                      www.capgemini.com/at
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inhalt         >

Ein Wort vom                              REport Plus das unabhängige Wirtschaftsmagazin

        Al fon s F l ats ch e r                kopf des monats. Mit Josef Fiala wird                          Report(+)plus-umfrage. Wie sieht
                            Herausgeber   4    das Führungsduo der Asfinag komplett.                   10     Ihre Zukunftsstrategie aus?

Zu wenig,
zu spät
      Zaghaft ist, was diese Regie-
 >    rung zum Thema Steuerreform
von sich gibt.                                                                                                                                                    3
   Etwas mehr als 3,5 Milliarden sol-
len es werden, die man den werten
Zahlmeistern der Nation weniger
abnehmen will. Ein ziemlicher Ab-
sturz von den zwölf bis 14 Milliarden
                                           16                                                          34
Euro, die der heutige Bundeskanzler        Mission Zukunft                                              in Technik vertrauen
wahlkämpfend 2017 in den Raum              Starre Konzepte bringen im schnell­                          Der Publikumstalk des AIT über
stellte. Das erinnert an Horaz: »Der       lebigen Business wenig. Ohne Strate-                         Erfolgsfaktoren und Hürden in der
                                           gie geht es aber auch in Zukunft nicht.                      Akzeptanz von Technik.
Berg kreißt und gebiert ein lächerli-
ches Mäuslein.«
   Der Aufbruch scheint von der                  E-Mail aus Übersee. Acht der zehn                            »Neues Protokoll der Werte.«
                                          08     besten Unis sind in den USA.                         40      Alfred Taudes im Interview.
Mutlosigkeit eingeholt und die Sonn-
tagsrede, dass endlich die steuerli-             »Keine Frage der Größe.« Stefan                              Innovatives Österreich. Ausgezeich-
che Belastung der Arbeit reduziert
                                          12     Bergsmann im Interview.                              42      nete und preisverdächtige Ideen.
werden müsste, bleibt frommer, aber
                                                 Neue Technologietrends. Was die                              Cool Stuff. Was schön ist und Spaß
unrealisierter Wunsch. Freiräume          30     Branche verspricht.
                                                                                                      44      macht.
kann nur schaffen, wer bei Bürokra-
                                                 Wettlauf um die Zukunft. Das bes-                            Satire. Gemma Thrones. Ein Serien-
tie und Staat spart und in die verfilz-   38                                                          46
                                                 sere Organisationsmodell gewinnt.                            marathon von Rainer Sigl.
ten Strukturen eingreift. Die Besitz-
standsbewahrer aller Parteien sind
stark genug, um das zu verhindern.
                                                  IMPRESSUM
Daniel Stelter beschreibt in seinem
                                                  Her­­aus­­ge­­ber/Chefredakteur: Dr. Al­­fons Flat­­scher [flatscher@report.at] ­­Verlagsleitung: Mag.
Buch »Das Märchen vom reichen
                                                  Gerda Platzer [platzer@report.at) Chef vom Dienst: Mag. Bernd Affenzeller [affenzeller@
Land«, wie die Politik Deutschland                report.at] ­­Re­­dak­­ti­­on: Mag. Angela Heissenberger [heissenberger@report.at], Martin Szelgrad
zügig ruiniert. Und vieles davon trifft           [szelgrad@report.at] AutorInnen: Valerie Hagmann, Anne M. Schüller, Mag. Rainer Sigl Lay­­out:
natürlich auch auf Österreich zu. Wir             Report Media LLC Produktion: Report Media LLC, Mag. Rainer Sigl Druck: Styria
                                                  Me­­dien­­in­­ha­­ber: Re­­port Ver­­lag GmbH & Co KG, Lienfeldergasse 58/3, A-1160 Wien
gehen den gleichen Weg. Warum                     Te­­le­­fon: (01) 902 99-0 Fax: (01) 902 99-37 E-Mail: office@report.at
sollten wir irgendwo anders ankom-                Web: www.re­­port.at
men?

                                                                                                                        www.report.at             04 - 2019   >
Mission zukunft - Report (+) PLUS
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                                            Was brisant ist und
                                            was sie wissen mÜssen

        kurz
                Zitiert
           »Wer arbeitet, macht
          Fehler. Und aus diesen
           Fehlern können wir ja
             auch lernen. Wobei
           es mir, ehrlich gesagt,
         noch lieber ist, von den
              Fehlern anderer zu
         lernen. Das ist billiger.«
              Karl-Heinz Strauss, CEO
                der Porr AG, hat stets
                   die Kosten im Blick.       Kopf des Monats

                                             Unverhoffter
               »Ich bin ein kleines
                      Würschtel.«

                                             Karrieresprung
             Alfons Mensdorff-Pouilly,
4           Landwirt und Lobbyist, übt
                  sich in ungewohnter
                       Bescheidenheit.
                                             Mit Finanzvorstand Josef Fiala ist das türkis-blaue Führungsduo
             »Wir sind der Über-             der Asfinag komplett. Gemeinsam mit Betriebsvorstand Hartwig
           zeugung: Die Zukunft              Hufnagl soll er das Unternehmen mit neuen Ansätzen und Ideen
              des Carsharings ist            »maßgeblich weiterentwickeln«.
                     elektrisch.«            VON ANGELA HEISSENBERGER
              Olivier Reppert, CEO von
         Share Now, will seine E-Flotte
          bis Ende des Jahres auf 26 %
                            aufstocken.
                                              >    So schnell geht Umfärben: Ende
                                                   Jänner löste Hartwig Hufnagl, frü-
                                                                                          als »gestandenen Manager mit klaren
                                                                                          strategischen Vorstellungen«. Norbert
                                             herer Mitarbeiter im Kabinett von FPÖ-       Hofer stand er bei dessen Prestigepro-
                                             Verkehrsminister Norbert Hofer, die          jekt Tempo 140 zur Seite: Der Anstieg
          »Das Alter entscheidet             SPÖ-nahe Asfinag-Vorständin Karin Zip-       der Emissionen sei aufgrund der geringen
               nicht darüber, ob             perer ab. Nun gab der Aufsichtsrat grünes    faktischen Geschwindigkeitsänderungen
                  jemand gut in              Licht für Josef Fiala als Nachfolger von     »entsprechend gering«.
                Informatik ist. «            Klaus Schierhackl, der ebenfalls im Jän-        In den kommenden fünf Jahren ver-
            IT-Fachkräfte müssen nicht       ner seinen Rücktritt erklärt hatte.          antwortet Fiala sämtliche Belange des
          unbedingt jung und männlich
            sein, findet Johanna Ullrich,       Josef Fiala, Jahrgang 1962, ist pro-      Finanz-, Maut- und Rechnungswesens.
          Forscherin bei SBA Research.       movierter Jurist. Nach dem Studienab-        Geplant sind Investitionen in Höhe von
                                             schluss an der Universität Wien war er       acht Milliarden Euro. 700 Millionen sol-
            »Mit Spielereien wie             in der Generali Versicherung in diversen     len in den Neubau – insbesondere in die
           ›Smart Home‹ begibt               Managementfunktionen tätig, u.a. leitete     Westumfahrung Linz, den Lobautunnel
                                             er die Abteilung Personal und Bildung.       und den Lückenschluss mit der S1 – flie-
          man sich in Abhängig-
                                                                                                                                      Fotos: Asfinag, Accenture/Krewenka

                                             2008 übernahm er die Geschäftsfüh-           ßen. 500 Millionen Euro sind für Sanie-
          keiten, deren Ausmaß
                                             rung der Asfinag Maut Service GmbH           rungen und Instandhaltung veranschlagt.
             unterschätzt wird.«             und wechselte im Juli 2010 als kauf-         Mittels WLAN werden digitale Verkehrs-
           Rudolf J. Melzer, Internatio-
          nales Forum für Wirtschafts-       männischer Geschäftsführer zur Asfi-         informationen künftig direkt in die Fahr-
             kommunikation, steht der        nag Service GmbH. Fiala genießt großen       zeuge eingespielt. Der »europaweit erste
            Digitalisierung im privaten
            Umfeld kritisch gegenüber.       Rückhalt in der Belegschaft und ist in der   Echtbetrieb«, so Fiala, soll noch heuer
                                             ÖVP gut vernetzt. Experten loben ihn         entlang der Westautobahn starten.

    >   04 - 2019    www.report.at
Mission zukunft - Report (+) PLUS
| TC12-01G |
                                                     AKUT       >

                                                                                   Das Multicore-Oszilloskop
                                                                                   für Big Data:
                                                                                   TwinCAT 3 Scope.

Drei Player – Avanade, Accenture und Microsoft – weisen den
Weg auf der digitalen Roadmap.

Geballte
Innovationskraft
 >     Das »Power of Three«-Event am 8. Mai steht
       ganz im Zeichen des Themas Innovation.
Avanade, Accenture und Microsoft laden in die
myhive Twin Towers am Wienerberg. »Wir wollen die
gesamte Innovationskraft der drei Companies zeigen
– in der Strategie, bei den Produkten und der
Umsetzung«, erklärt Christiane Noll, Geschäftsführe-
rin von Avanade Österreich, das Konzept.
   Politik- und Kommunikationswissenschafter Peter
Filzmaier liefert in seiner Keynote einen interessan-
ten Perspektivenwechsel. Neben visionären Vorträ-
gen präsentieren österreichische Leitbetriebe ihren
Weg auf der digitalen Roadmap zum intelligenten                                                       Österreich, Linz
Unternehmen und zeigen anhand konkreter Best-                                                         Halle 10, Stand 0201
Practice-Beispiele, wie den Buzzwords »Modern
Workplace« und »Customer Experience« Leben
eingehaucht wird. Die Parallelen liegen auf der Hand:
Wer seine MitarbeiterInnen wie KundInnen behan-
delt, wird im Wettbewerb die Nase vorn haben. Denn                                 www.beckhoff.at/TwinCAT-3-Scope
wo ein motivierter Mitarbeiter ist, sind auch die
                                                                                   Mit dem TwinCAT Scope werden messtechnische Anwendun-
Kunden zufrieden.
                                                                                   gen auch für „Big Data“ denkbar einfach: Der Multicore-
   »Unsere Regional Champions haben nicht nur
                                                                                   Support ermöglicht die Aufzeichnung und Darstellung von
die Digitalisierung verstanden, sie setzen sie erfolg-
                                                                                   sehr großen Datenmengen. Das Software-Oszilloskop ist
reich um. Von ihnen können wir viel lernen«, betont
                                                                                   vollständig in die TwinCAT-Steuerungsarchitektur integriert
Michael Zettel, Country Managing Director von
                                                                                   und ermöglicht über das Charting-Tool die einfache grafische
Accenture Österreich. In den Demo-Sessions können
                                                                                   Darstellung von Signalverläufen.
Blockchain, Bots und Power Apps live erlebt und ak-
                                                                                     Hohe Performance durch Multicore-Support
tuelle Microsoft-Produkte ausprobiert werden. »Um
                                                                                     Einfaches, intuitives Engineering
Innovation besser zu verstehen und auch greifbarer
                                                                                     Nahtlose Integration in Visual Studio®
zu machen, ist es wichtig, sie zu erleben«, erklärt Do-
                                                                                     Hohe Abtastrate im µs-Bereich
rothee Ritz, General Managerin von Microsoft Öster-
                                                                                     Trigger-gesteuerte Aufnahmen
reich. »Die Demo-Sessions ermöglichen inspirieren-
                                                                                     Analysen zur Laufzeit
de Begegnungen und bieten Platz für neue digitale
Ideen.« Einige Restplätze sind noch zu vergeben.

Anmeldung: claudia.linsboth@avanade.com

                                www.report.at       04 - 2019   >
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                                                                                                            standort
        buchTIpp                          Max Hölbl, Forum Wellpappe: »Leicht, stabil,
                                          vielseitig und zu 100 % abbaubar – eine                           Österreich im
        In der                            echte Alternative zu anderen Packstoffen.«                        mittelfeld
        Coaching-Zone
                                                                                                            Seit sechs Jahren analysiert
         > Ein Fachbuch in                                                                                  die Unternehmensberatung
         Roman-Form – warum                                                                                 Deloitte die Ergebnisse
         nicht? Die Autoren                                                                                 internationaler Studien und
         schildern den Arbeitsalltag                                                                        ergänzt sie durch eigene
         von David, einer Führungs-                                                                         Einschätzungen. Mit einem
         kraft in einem Bauunter-                                                                           Gesamtergebnis von 3,1 von
         nehmen, und seiner nicht                                                                           5 möglichen Punkten hat sich
         minder gestressten Frau                                                                            Österreich im diesjährigen
         Emily. Das Ende sei                                                                                »Deloitte Radar« nur leicht
         ausnahmsweise verraten:                                                                            verbessert (2018: 3,0) und
         Mit Hilfe von Coach Leo                                                                            liegt unverändert im Mit-
         gelingt es ihm, den Druck                                                                          telfeld. An der Spitze des
         im Job mit dem Privatleben                                                                         Rankings liegt die Schweiz vor

                                         Wellpappe-
         in Einklang zu bringen.                                                                            den Niederlanden und den
            Der locker erzählte Ro-                                                                         skandinavischen Ländern.
                                                                                                            Österreich schaffte es
         man unterhält nicht nur mit
         Situationen, in denen sich      Produktion stagniert                                               nur auf Platz elf. Das Land
                                                                                                            punktet mit Exportkraft,
         so manche/r Leser/in wie-
         derfinden wird. Vielmehr        Die Branche verzeichnet ein verhaltenes Wachstum,                  Wirtschaftswachstum und
         ist der gesamte Coaching-       das auch 2019 noch anhalten soll.                                  Lebensqualität. Bernhard
                                                                                                            Gröhs, Geschäftsführer von
6        Prozess anschaulich in
         die Geschichte verpackt,        >     Der Versandhandel verzeichnet zweistellige Wachs-
                                               tumsraten, die sechs österreichischen Wellpappe-Her-
                                                                                                            Deloitte Österreich, attes-
                                                                                                            tiert eine »positive Bewusst-
         ergänzt durch Übungen,
                                         steller können davon 2018 nicht profitieren. Mit 478.000           seinsänderung« in Politik,
         die sich leicht in die Praxis
                                         Tonnen stagnierte die Produktion von Wellpappe, wie die            Wirtschaft und Gesellschaft.
         umsetzen lassen. Auf diese
         Weise vermittelt das Buch       Vorjahresbilanz der Branche zeigt. Der Gesamtumsatz stieg
         die fünf Kernkompetenzen        – bedingt durch deutlich höhere Papierpreise – dennoch um
         für ein ausbalanciertes         8,5 % auf 564 Millionen Euro. Der Online-Handel sorgte für
         Leben. Bei Protagonist          rund 10 % der Umsätze. »Es ist leider nicht das Riesenwachs-
         David klappt umgehend           tum wie beispielsweise in Deutschland oder Polen«, bestätigt
         alles wie am Schnürchen –       Max Hölbl, Sprecher des Forums Wellpappe Austria. Große
         in der rauen Geschäftswelt      Online-Händler wie Amazon oder Zalando betreiben in
         wird sich nicht alles so        Österreich keine Versandlager, die wie in Deutschland den
         reibungslos verwirklichen       Markt beleben. Auch das neue Amazon-Verteilzentrum in
         lassen. Einen Versuch ist es    Großebersdorf ist ein reiner Logistikstandort ohne eigene
                                         Verpackung.                                                        Der Deloitte Radar bescheinigt
         dennoch wert. Ein etwas                                                                            Österreich »viel Luft nach oben«.
         anderes Coaching-Buch,             Dabei ist Wellpappe ein reines Naturprodukt und ein
         das neben der Selbstwahr-       Vorzeigeprodukt der Kreislaufwirtschaft. Für die Herstellung
                                                                                                            Einen klaren Nachteil im
         nehmung auch gleich ein         wird ausschließlich Bruch- und Durchforstungsholz eingesetzt.
                                                                                                            europäischen Wettbewerb
                                                                                                                                                Fotos: Forum Wellpappe Austria, Deloitte, Daniel Hinterramskogler

         kleines Führungskräftetrai-     »Die Recyclingrate von gebrauchter Wellpappe liegt bei 98,8 %
                                                                                                            sieht Deloitte-Steuerexpertin
         ning mitliefert.                – davon können andere Packstoffe nur träumen«, betont Hölbl.       Barbara Edelmann jedoch in
                                         Die Papierfasern können bis zu 25 Mal wieder zu Wellpappe          der hohen Abgabenquote.
                    > Lutz Urban,        verarbeitet werden. Der nachwachsende Rohstoff ist zudem           Kritisch ist die Situation bei
                    Christian Marx:      biologisch abbaubar und damit gegenüber Kunststoffen klar im       der Verfügbarkeit von Ar-
                    David, Emily und     Vorteil.                                                           beitskräften. In der Bildungs-
                    der ganz normale        Die Vielseitigkeit des Materials weckt die Kreativität großer   und Zuwanderungspolitik
                    Wahnsinn.            und kleiner Unternehmen. Transportboxen für den Handel             schlage die Regierung die
                     Frankfurter         werden mit wenigen Handgriffen zu einem Präsentationsauf-          falsche Richtung ein, meint
                     Allgemeine          steller umfunktioniert. Henkel will bis 2025 alle Verpackungen     Deloitte-Partnerin Gundi
                     Buch 2018           recycelbar, wiederverwendbar oder kompostierbar machen.            Wentner: »Wir verlieren viele
                     ISBN: 978-3-        Das Start-up Hektar-Nektar betreibt einen Online-Marktplatz        Talente aus bildungsfernen
                      96251-028-2        für Imker, die Bienen in einer eigens entwickelten Versandbox      Schichten oder mit Migrati-
                                         aus Wellpappe verschicken.                                         onshintergrund.«

    >   04 - 2019   www.report.at
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KMU ungebrochen optimistisch                                                                                                      mensbereich in den letzten
                                                                                                                                  drei Jahren im Schnitt zwi-
65 % der heimischen Unternehmen investieren. Das Thema Digitalisierung sowie                                                      schen 6 und 8 %. Das Geld ist
Forschung und Entwicklung haben den höchsten Stellenwert.                                                                         da und wir wollen das Wirt-
                                                                                                                                  schaftswachstum      finanzie-
      Brexit und Handelskrieg
>     können die österreichi-
                                                                                                                                  ren!«
                                                                                                                                     Um dem Trend zu digitalem
                                                                                       Stefan Dörfler, Erste Bank:
sche Wirtschaft nicht erschüt-                                                         »Das Geld ist da und wir wollen            Banking entgegenzukommen,
tern. Laut einer aktuellen Um-                                                         finanzieren.«                              arbeitet die Erste Bank inten-
frage der Erste Bank,                                                                                                             siv am Ausbau der Banking-
durchgeführt vom Marktfor-                                                                                                        Plattformen. Telebanking Pro,
schungsinstitut IMAS, zeigen                                                                                                      das Internetbanking für Ge-
sich 91 % der Klein- und Mit-                                                                                                     schäftskunden, bietet seit
telbetriebe optimistisch für                                                                                                      kurzem Schnittstellen zu ex-
2019 und erwarten eine posi-                                                                                                      ternen Kooperationspartnern.
tive Geschäftsentwicklung.                                                                                                           »Durch die Einbindung
Zwar gehen 71 % der 500 Be-                                                                                                       von KSV1870 und kompany
fragten davon aus, dass die            sich nur noch 70 % der Un-                     einen hohen Stellenwert. Als                können ab sofort Bonitätsaus-
globalen Konflikte sich auch           ternehmen dadurch bessere                      größte Hindernisse werden                   künfte eingeholt werden. Mit
auf ihren Betrieb auswirken            Chancen. Die überwältigende                    die Finanzierung und der Kos-               netlivery werden eCommer-
werden, doch nur 16 % sehen            Mehrheit (83 %) sieht sich                     tenaufwand gesehen. »65 %                   ce-Modelle direkt ins Banking
starke Beeinträchtigungen.             jedenfalls ausreichend – 22                    investieren kräftig«, bestätigt             integriert«, so Dörfler. Zwei
   Als dringlicheres Thema er-         % sogar sehr gut – gerüstet                    Stefan Dörfler, CEO der Ers-                weitere Servicepartner – eine
scheint die Digitalisierung. Für       für diese Herausforderun-                      te Bank Österreich. »Bei der                Rückversicherung und ein
89 % hat sie spürbare Auswir-          gen. Das Thema Forschung                       Erste Bank allein wuchs das                 Loyalty-Programm – sollen
kungen. Allerdings erwarten            und Entwicklung hat für 55 %                   Kreditvolumen im Unterneh-                  folgen.
                                                                                                                                                                    >

                                                                                                                                           Steuerberatung
                                                                                                                                        Wirtschaftsprüfung
                                                                                                                                    Unternehmensberatung

                                                                                     Outsourcing –
                                                                                     ein Trend, der sich
                                                                                     bezahlt macht.
                                                                                     Jetzt kostenlos die Broschüre bestellen und profitieren:
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               Graz | Hermagor | Innsbruck | Klagenfurt | Krems | Langenlois | Lilienfeld | Linz | Schrems | St.Pölten | Telfs | Villach | Wien | Zwettl
                                                                 Mitglied der Baker Tilly Europe Alliance
Mission zukunft - Report (+) PLUS
>                    aus übersee

        Acht
        von Zehn
                                                                              Acht der zehn besten Universi-
                                                                              täten der Welt sind in den USA.
                                                                              Jetzt bauen die Amerikaner ih-
                                                                              ren Vorsprung weiter aus. Ein
                                                                              Grund dafür: Die US-Elite-Unis
                                                                              sind finanzielle Powerhäuser,
                                                                              mit einer aggressiven Strategie
                                                                              der Geldvermehrung.

                                  Von Alfons Flatscher, New York

         >
                    Das Shanghai Ranking ist so                                träge in den vergangenen zehn Jahren er-
                    etwas wie die Pisa-Studie auf                              zielten.
                    Ebene der Universitäten. Es gilt                                Die erfolgreichsten Geldvermehrer sit-
        als die seriöseste Bewertung der Leistungs-                            zen allerdings in Princeton. 14,2 % Rendite
        fähigkeit der globalen Wissensinstitute.                               schaffte die dortige Uni 2018 und auch die
        2018 führte Harvard die Liste vor Stanford       Princeton hat eine    Bilanz seit 2008 kann sich sehen lassen.
        an. An dritter Stelle liegt die britische Uni-                              In den vergangenen zehn Jahren hat
8
        versity of Cambridge, dann das MIT, die          beeindruckende        Princeton eine beeindruckende Aufholjagd
        University of California, Berkeley, Prince-      Aufholjagd            hingelegt. 2009 lag das Stifungsvermögen
        ton, Oxford, Columbia, das California In-                              noch bei 12,6 Milliarden US-Dollar. 2018
        stitute of Technology und schließlich an
                                                         hingelegt.            waren es 25,9 Milliarden, ein Zuwachs von
        zehnter Stelle die University of Chicago.                              120 %. Verantwortlich dafür ist PRINCO,
            Die ETH Zürich liegt auf Platz 19, als                             die uni-eigene Investmentfirma, die das
        beste Uni des europäischen Kontinents.                                 Ziel ausgibt: mehr als 10 % Rendite pro
            Die Rangordnung ist seit einem Jahr-                               Jahr!
        zehnt stabil, selbst die Wirtschaftskrise än-                               »Die Finanztheorie und die Erfahrung
        derte daran nichts, im Gegenteil. Die Top-                             zeigen, das geht nur mit einer aggressiven,
        Unis bauen ihren Vorsprung weiter aus. Ei-                             auf Aktien basierenden Strategie«, heißt es
        ner der Gründe dafür: Sie sitzen auf einem                             im Strategiepapier, das einer einfachen Logik
        enormen Stiftungsvermögen, das sie mit                                 folgt: Je besser investiert wird, umso mehr
        aggressiven Strategien vermehren. Sie sind                             steht für den Lehr- und Wissenschaftsbe-
        extrem erfolgreiche Geldhäuser mit ange-                               trieb zu Verfügung. Princeton verwendet
        schlossenem Uni-Betrieb.                                               nämlich zwischen 4 und 6 % des Vermö-
            Harvard etwa besitzt 39,2 Milliarden                               gens, um den laufenden Betrieb zu stützen.
        US-Dollar und erwirtschaftete 2018 einen                               Wächst das Vermögen, wird auch der ohne-
        Ertrag aus Aktien, Hedgefonds und Immo-                                hin schon üppige Spielraum größer.
        bilienbesitz von 10 % – und war unzufrie-                                   1,3 Milliarden des 2-Milliarden-Dollar-
        den damit, weil andere deutlich besser in-                             Budgets der Universität kommen aus den
        vestierten.                                                            Finanzinvestments. Die Studiengebühren
            Stanford schlug den unmittelbaren                                  dagegen spielen eine untergeordnete Rolle.
        Konkurrenten und lukrierte drei Milliar-                               Sie tragen nur rund fünf Prozent – 108 Mil-
        den aus Finanzgeschäften, eine Rendite von                             lionen USD – zum Budget bei.
        11,3 %. Das kalifornische Spitzeninstitut                                   Rund zwei Drittel der 8.273 Studenten
        verzeichnet ein Vermögen von 26,5 Milliar-                             zahlen überhaupt nichts für die Ausbildung,
        den US-Dollar in seinen Büchern.                                       ein Drittel zahlt die vollen Gebühren. Nicht
            »Die Stanford Stiftung hat als Ziel, dau-                          weil die Universität auf das Geld angewie-
        erhaft die Universität finanziell zu stüt-                             sen wäre, aber: Die Eltern können es sich
        zen«, erklärt der Schatzmeister – und findet                           leisten, sie sind wohlhabend, deshalb zahlen
                                                                                                                               Fotos:iStock

        sich damit im Einklang mit seinen US-Kol-                              sie, auch wenn es im Budget eigentlich keine
        legen, die im Mittel 5,5 % annualisierte Er-                           Rolle spielt.                             n

    >   04 - 2019   www.report.at
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>    O-töne

       > die Grosse
         Umfrage                                              Zukunfts-
                                                              Strategien           Neue Märkte, neue Produkte, neue
                                                                                   Zielgruppen: Die Digitalisierung hat
                                                                                 nahezu alle Bereiche unseres Lebens
                                                                                erfasst. Jedes Unternehmen muss sich
                                                                                 die Frage stellen, ob und wie es in Zu-
                                                                                 kunft bestehen kann. Veränderungen
                                                                               aktiv anzugehen, könnte eine entschei-
                                                                                             dender Erfolgsfaktor sein.
                                                                               Report(+)PLUS hat bei drei österreichi-
                                                                               schen Unternehmen unterschiedlicher
                                                                                     Größe und Branchen nachgefragt,
                                                                                          welche Themen sie bewegen.

10
      1         Welche Ziele strebt Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren an?

       > Robert Lasshofer                                                             > Stefan Ehrlich-Adám
      Generaldirektor der Wiener Städtischen Versicherung                             Geschäftsführer
                                                                                      EVVA Sicherheitstechnologie GmbH
                                         Unsere zentralen Ziele sind langfristiges
                                     Wachstum und hohe Kundenzufriedenheit.                Das Familienunternehmen EVVA ist heute
                                     Das erreichen wir, indem wir unsere Kun-         ein international renommierter und anerkannter
                                     dinnen und Kunden als verlässlicher Sicher-      Anbieter von mechanischen und elektronischen
                                     heitspartner in die Zukunft begleiten – über     Schließsystemen – 100 Jahre nach Gründung als
                                     alle Kommunikationswege, von persönlich          »Erfindungs-, Versuchs- und Verwertungs-An-
                                     bis digital. Denn der persönliche Kontakt hat    stalt«. Diesen Anspruch, Innovation als Teil der Un-
                                     den bedeutendsten Einfluss auf die Kunden-       ternehmens-DNA zu sehen und immer wieder Pio-
                                     bindung. Das wollen wir in den kommen-           nier in der Entwicklung innovativer Sicherheitslö-
                                     den Jahren weiter stärken und gleichzeitig die   sungen zu sein, wollen wir weiterhin täglich leben,
                                     Vernetzung mit den digitalen Services kon-       gemäß unserem Jubiläumsmotto »EVVA – Start-up
                                     sequent ausbauen. Die Berechenbarkeit, das       seit 100 Jahren«. Höchste Qualität, langlebige Pro-
                                     Sorgen abnehmen, die finanzielle Stärke und      dukte, selbst erfinden und weiterentwickeln: Mit
      vor allem der klare Fokus auf unsere Kundinnen und Kunden sind die ent-         diesem Leitsatz will EVVA den Erfolgsweg weiter
      scheidenden Erfolgskriterien für die Zukunft.                                   gehen.

       > Alexander Neidhart
      Geschäftsführer Bautenschutz Melcher GmbH
                                                                                                                                              Fotos:iStock, Ian Ehm, Evva, beigestellt

          Die Firma Bautenschutz Melcher ist als Familienunterneh-          Gewerbe« noch näher an uns heranzuziehen. Der Erfolg dieser
      men seit über 55 Jahren mit 20 Mitarbeitern im Bereich der Bo-        Strategie bestärkt uns, diesen Weg auch die nächsten Jahre bei-
      denbeschichtungen für Industrie und Gewerbe tätig. Auch Bo-           zubehalten. Dennoch liegt unsere Aufmerksamkeit zu gleichen
      denbeläge aus Epoxidharzen für den privaten Bereich decken            Teilen auch auf dem Privatkundensektor. Der für nächstes Jahr
      wir mit unserem Know-how ab. Wir haben uns bereits vor eini-          geplante Bau eines neuen, eigenen Firmengebäudes wird es uns
      gen Jahren personell verstärkt, um den Bereich »Industrie und         ermöglichen, auch hier die Arbeitsabläufe zu optimieren.

 >   04- 2019    www.report.at
O-töne          >

2         Welche Werte sind Ihnen
          dabei wichtig?                                             3           Was sehen Sie als größte
                                                                                 Herausforderung?

> Robert Lasshofer                                                   > Robert Lasshofer

    Der Erfolg der Wiener Städtischen basiert seit jeher auf Si-         Die größte Herausforderung sehe ich in den biometrischen
cherheit und Stabilität. Diese Werte, gepaart mit nachhaltigem       Risiken: Die Menschen werden immer älter, der Druck auf die
Weitblick, klaren Zielen, zukunftsorientierten Strategien und        erste Säule wächst, der Pflegebedarf steigt. Um damit einherge-
fundierten Maßnahmen bilden den Rahmen, in dem sich die              hende Versorgungslücken zu verhindern, bedarf es nicht nur der
Wiener Städtische weiterentwickelt. Dass eine fortwährende Evo-      Branche, es ist auch die Politik gefordert: Wir brauchen zukunfts-
lution unerlässlich ist, zeigt die Tatsache, dass auch die Rahmen-   gerichtete Rahmenbedingungen und nachhaltige Lösungen für
bedingungen einem ständigen Wandel unterworfen sind: Von             die künftigen Generationen. Aber auch mit neuen Risiken be-
den gesetzlichen beziehungsweise regulatorischen Vorausset-          schäftigen wir uns intensiv – wie Cyberkriminalität, Smart Home
zungen über die persönlichen Sicherheitsbedürfnisse der Men-         oder Autonomes Fahren.
schen bis hin zur Veränderung und Entwicklung neuer Gefahren.

> Stefan Ehrlich-Adám                                                > Stefan Ehrlich-Adám

    Als Industrieunternehmen mit Produktionsstandort in der              Uns geht es darum, kreativ und innovativ die beiden Welten
Großstadt Wien trägt EVVA eine große Ver-                                             Mechanik und Elektronik intelligent zu verei-
                                                                                                                                               11
antwortung. Einerseits geht es um die Si-                                             nen und zusammenspielen zu lassen – Stich-
cherung von Arbeitsplätzen, aber auch um                                              wort Konvergenz. Dafür gehen wir Kooperati-
Wachstum: Wir bilden seit Jahren Lehrlinge                                            onen z. B. mit dem Fraunhofer Forschungsin-
aus. Andererseits sind wir konsequent be-                                             stitut oder mit externen Partnern in der ange-
strebt, Umweltbelastungen zu minimieren.                                              wandten Entwicklungsarbeit ein. Auf der Ebe-
EVVA forciert seit 20 Jahren den Clean-Pro-                                           ne der Projektierung wollen wir gemeinsam mit
duction-Ansatz, dessen Anteil mittlerwei-                                             unseren Partnern und Kunden die Integration
le bei 60 Prozent liegt, und betreibt eigene                                          auf der Prozessebene vorantreiben. Und letzt-
Photovoltaikanlagen zur Energiegewin-                                                 lich überlegen wir, wie wir mit unseren Daten
nung. Schließlich setzen wir auf langlebige                                           für unsere Kunden einen Mehrwert liefern kön-
Produkte wie den Präzisionszylinder – die-                                            nen, insbesondere im Zusammenspiel mit un-
ser kann jahrzehntelang eingesetzt werden.                                            seren elektronischen Systemen.

> Alexander Neidhart                                                     > Alexander Neidhart

    Bei einem Unternehmen                                                    Derzeit kommt eine Vielzahl an hochqualifizierten Stu-
unserer Größe stellen die Mit-                                           dienabsolventen auf den Arbeitsmarkt, der in diesem Seg-
arbeiterInnen das wichtigste                                             ment in absehbarer Zeit gesättigt sein wird. Die Aufwertung
Kapital dar. Diese Werte als                                             handwerklicher Berufe wurde hingegen in früheren Jahren
Leiter eines Familienunter-                                              verabsäumt und hinterlässt bereits jetzt ein Vakuum. Die
nehmens zu realisieren und                                               Firma Bautenschutz Melcher bildet ihre Mitarbeiter seit
damit ausgewogen zu jon-                                                 mehr als 20 Jahren selbst aus. Dadurch ist es uns möglich,
glieren, ist nicht immer leicht                                          auch auf einem dünn besetzten Arbeitsmarkt geeignete Be-
– aber ebenso wichtig wie die                                            werber aufzunehmen, die von unseren Mitarbeitern selbst
Kosten, Preise oder Qualität                                             nach ihrer Leistung und ihren Fähigkeiten bewertet, ausge-
unserer Arbeiten. Denn jeder                                             wählt und schließlich auch ausgebildet werden. Der Fach-
zufriedene Kunde ist die beste                                           kräftemangel wird als Regulativ dem Handwerk wieder den
Werbung, wie uns Folgeauf-                                               sprichwörtlichen »goldenen Boden« verleihen, letztendlich
träge häufig zeigen.                                                     aber auf Kosten der Konsumenten.

                                                                                                          www.report.at        04 - 2019   >
>    interview

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         »Je einfacher das Werk, desto
         besser können wir eingreifen«
          Sind Unternehmen zukunftsfähig                 (+) plus: Wie müssen sich Unternehmen für
          für die Marktveränderungen der
          nächsten Jahre aufgestellt? Stefan
                                                >        die Zukunft aufstellen, um erfolgreich zu bleiben
                                                         und auch Wachstum zu sichern? Was bedeutet
                                               das für die Strategiearbeit?
          Bergsmann, Österreich-Geschäfts-         Stefan Bergsmann: Die Strategiearbeit ist weiterhin
          führer von Horváth & Partners, im    wichtig, hat sich aber radikal geändert. Früher wurden
                                               Projekte alle drei bis fünf Jahre oder unmittelbar auch bei
          Gespräch über Herausforderungen      einem Vorstandswechsel durchgeführt. Es wurde ein inte-
          für die Organisation und Tipps für   grierter Prozess durchgezogen – mit Marktanalysen, der
                                               Festlegung von Vision, Mission und strategischen Zielen.
          Strategieprojekte.                   Diese Punkte wurden dann mit Maßnahmen im Projekt-
                                               zeitraum mehr oder weniger abgespult. Es war stets ein
                                               punktueller Ansatz: zuerst die Definition, meist gemein-
          Von Martin Szelgrad                  sam mit einem Strategieberater, dann die Umsetzung.
                                               Nach Ablauf der drei bis fünf Jahre hieß es dann wieder
                                               zurück zum Start – mit einer neuen Vision, neuen Zielen

 >   04 - 2019   www.report.at
interview            >

                                                      Stefan Bergsmann, Horváth & Partners: »Beim Start
                                                      eines Strategieprojekts sollte man der B
                                                                                             ­ elegschaft
                                                      erklären können, warum die angestrebten
                                                      V­eränderungen wichtig sind.«

                                                                                                                                               13

und Maßnahmen. Wenn ich unsere Kunden              Bergsmann: Es gibt nicht mehr das star-     rungsebene. Wenn sich die Führung aber
heute beobachte, sehe ich: Das funktioniert    re Strategiepapier, das nach wochenlan-         permanent um die Weiterentwicklung der
so nicht mehr. Tempo und die Schlagzahl        ger Konzeption fertig zur Umsetzung steht.      Strategie kümmert, ist vielmehr eine ope-
haben sich in allen Märkten massiv erhöht.     Meist gibt es bereits – bevor die Gesamtstra-   rativ gut funktionierende Organisation ge-
Strategiearbeit muss heute wesentlich agiler   tegie überhaupt abgesegnet ist – erste, inei-   fragt. Entlastung kann hier nur eine agile
ablaufen – den Trend kennt man aus der IT.     nander verzahnte Maßnahmen, die einzelne        Organisation mit entsprechend flexiblen
Dort wurde früher Software ebenfalls nach      Themen vorgezogen adressieren. Organi-          Prozessen bieten. Sie ist damit auch die we-
einem fixen Anforderungskatalog über den       satorisch bedeutet dies die Notwendigkeit       sentliche Voraussetzung für den Erfolg der
Zeitraum von vielen Monaten entwickelt.        eines ständigen Überlegens und Nachschär-       Strategie.
In der modernen agilen Entwicklung gibt es     fens der Strategie durch die Führungskräfte.
zu Beginn eines Projekts zwar eine grundle-    Dies darf natürlich nicht von der eingeschla-       (+) plus: Sehen Sie dies vor allem als
gende Zielrichtung – Definition und Umset-     genen Grundrichtung ablenken, die Feinjus­      Aufgabe für größere Unternehmen?
zung verschwimmen aber im schrittweisen        tierungen können damit aber schneller und           Bergsmann: Ich bin überzeugt, dass das
Ausrollen. IT-Leiter sprechen hier im Unter-   häufiger passieren.                             keine Frage der Größe ist. Das Modell der
schied zum früheren Wasserfall-Ansatz von                                                      unaufhörlichen Veränderung kommt ja
einer agilen Projektarbeit oder einem »con-       (+) plus: Droht dadurch nicht ein auf-       von den Startups. Wenn diese trotz des ein-
tinuous deployment«. Das ist jetzt auch bei    wendiges Mikromanagement durch den C-           geschlagenen Wegs ein neues lohnendes
Strategieprojekten gefragt.                    Level?                                          Ziel entdecken, wird augenblicklich umge-
                                                  Bergsmann: Ganz im Gegenteil. Frü-           schwenkt. Eine auf mehrere Jahre ausgelegte
    (+) plus: Was bedeutet die Agilität in     her hatten wir den Zyklus der Strategie-        Strategie kennt man dort nicht – meist ist ja
der Strategiearbeit aber für eine Unterneh-    findung und mehrere Jahre operatives            nicht einmal der Finanzierungshorizont so
mensorganisation?                              Umsetzungsmanagement durch die Füh-             groß.

                                                                                                              www.report.at       04 - 2019    >
>    interview

            (+) plus: Nun sind Startups natürlich
     wendiger – ohne mittlere Managementebe-
     nen oder unternehmerische Substanz, die es
     zu bewahren gilt.
         Bergsmann: So wendig wie ein Kleiner
     wird ein Großunternehmen nie werden –
     man kann aber diese Richtung einschlagen.
     Die Großen müssen zunächst auch darauf
     schauen, ihr laufendes Geschäft und ihre
     Unternehmensprozesse im Griff zu haben.
     Erst dann hat man überhaupt die Zeit, sich
     Neuem zu widmen. Das funktioniert dann
     mit organisatorischen Maßnahmen, vielfach
     auch durch eine Vereinfachung der Prozesse.
     Denn je einfacher das Werk ist, desto besser
     kann ich dort eingreifen. Ich habe Industrie­
     unternehmen erlebt, die ihre Prozesse regel-
     recht ausgemistet haben und so wesentlich
     Komplexität reduzieren konnten. Umge-
     kehrt gesagt: Bis eine gute strategische Idee
     in einem Regelwerk hochkomplexer Pro-
                                                                                                       Über das
     zesse umgesetzt ist, ist das Ziel wahrschein-                                                     Unternehmen
     lich nicht mehr aktuell.                        Ausnahmen und Sonderfälle rauszunehmen
                                                     und insgesamt die Systeme zu harmonisie-
         (+) plus: Auf dem Papier klingt die Re-     ren. Viele kommen wieder von der Individu-          >   Horváth & Partners ist eine
                                                                                                             international tätige, unab-
     duktion von Komplexität in den Prozessen        alsoftware ab und gehen den Weg zurück zu         hängige Managementberatung mit
     einfach – wie aber ist dies umzusetzen?         Standardlösungen. Diese schaffen dann viel-       den Kernkompetenzen Unterneh-
         Bergsmann: Wir haben konkret ein Pro-       leicht 70 % von dem, was man sich wünscht,        menssteuerung und Performance-
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     jekt zur Analyse der Prozesse einer Indus-      sind aber der Hebel für schnelles Agieren auf     optimierung für die Geschäfts- und
     triegruppe begleitet. Die drei Divisionen       dem Markt.                                        Funktionsbereiche Strategie,
     des Kunden unterscheiden sich ein bisschen                                                        Innovation, Organisation, Vertrieb,
     in ihren Geschäftsmodellen und historisch           (+) plus: Die Standardisierung der
                                                                                                       Operations, Einkauf, Controlling,
     hatte jede Abteilung ihre eigenen idealen       IT ist auch stets die Voraussetzung für den       Finanzen und IT. Horváth &
     Prozesse etabliert. Änderungsprojekte, viel-    Wechsel zu Cloud-Services gewesen.                Partners begleitet seine Kunden
     leicht auch noch über die Einheiten in meh-         Bergsmann: Cloud-Services werden aus          von der betriebswirtschaftlichen
     reren Ländern, waren kaum fertigzustellen.      dem Grund gewählt, um sich nicht mehr
                                                                                                       Konzeption bis zur Verankerung in
     Die Organisationsstruktur hatte sich als sehr   direkt um einzelne Prozesse kümmern zu
                                                                                                       Prozessen und Systemen.
     träge erwiesen, was sich auch auf Innova-       müssen. IT-Infrastruktur aus der Cloud
     tion und Flexibilität niedergeschlagen hat.     unterstützt deshalb auch sehr gut eine agile      Info: www.horvath-partners.com
     Man hat dann hinterfragt, warum nicht auch      Strategie. Die Unternehmen können damit
     ein einheitlicher Prozess für alle Niederlas-   viel schneller auf Veränderungen wie etwa
     sungen möglich ist. Natürlich gibt es in be-    Wachstum reagieren.                             morgen abgeschlossen, machen sich aber
     stimmten Bereichen zum Beispiel auch regu-                                                      langfristig bezahlt. Unternehmen sind da-
     latorische oder juristische Anforderungen,          (+) plus: Wie sind Ihre Erfahrungen da-     mit ausgesprochen wettbewerbsfähig auf-
     denen man entsprechen muss, aber einige         zu, IT zu standardisieren und Kernprozesse      gestellt.
     Unternehmens­prozesse wurden schließlich        zu vereinfachen? Wie lange dauert die Arbeit        Ich kenne ein gegenteiliges Beispiel eines
     nach dem Konzept »one fit« vereinfacht. Im      dazu?                                           Unternehmens mit komplexen Prozessen
     ersten Moment sind die Mitarbeiter vielleicht       Bergsmann: Im Wesentlichen hängt dies       über die gesamte Organisation. Man hatte
     über das Wegfallen von Gewohntem unglück-       von der Breite meiner Organisation, der An-     hervorragende Digitalisierungsschritte für
     lich – Simplifizierung erfordert deshalb auch   zahl der Gesellschaften und generell auch       die Effizienzsteigerung in einem Lager um-
     immer begleitende Kommunikation und             der internationalen Aufstellung des Unter-      gesetzt. Leider konnte die Lösung aufgrund
     Überzeugungsarbeit –, das Ergebnis ist aber     nehmens ab. Die Phase der Definition und        von unterschiedlichen Prozessen und Syste-
     eine Organisation, die wesentlich besser für    des Konzepts ist je nach Priorität und Ver-     men nicht von anderen Werken und Lagern
     künftige Veränderungen aufgestellt ist, etwa    fügbarkeit der Leute bei Großunternehmen        übernommen werden. Das Anpassen hätte
     für Digitalisierungsmaßnahmen.                  in sechs bis neun Monaten abgeschlossen.        zu viel Zeit und Geld benötigt.
                                                                                                                                                      Foto: Anna Rauchenberger

                                                     Das entspricht in etwa der Laufzeit unserer
         (+) plus: Eine Vereinfachung der Pro-       Projekte in diesem Bereich. Wenn das IT-            (+) plus: Ein Lager eines Unterneh-
     zesse ist mit der Standardisierung der IT in    System noch angepasst wird, kann man ein        mens ist sicherlich ein gutes Beispiel für ei-
     Unternehmen gleichzusetzen?                     weiteres Jahr bis eineinhalb Jahre dazule-      ne bestehende Prozesslandschaft und IT. Ist
         Bergsmann: Die IT bildet heute die Basis    gen – plus einer finalen Phase des Rollouts.    es nicht viel verlangt, seinen Bestand völlig
     der meisten Geschäftsprozesse – also gilt es,   Solche Projekte sind nicht von heute auf        umzukrempeln?

 >   04 - 2019   www.report.at
interview              >

    Bergsmann: Natürlich ist das eine gewal-           (+) plus: Wie geht es mittelständischen          Wir sehen zudem, dass sich zunehmend
tige Aufgabe. Manche Unternehmen nutzen           Unternehmen mit dieser Aufgabe – sind die-        die Beratungsfelder vermischen und integra-
die Gelegenheit einer ohnehin notwendigen         se in ihrer Historie der Zukäufe und Organi-      tive Kompetenz auch zu Change-Manage-
technische Umstellung – beispielsweise auf        sationen überhaupt mit Großunternehmen            ment gefordert ist. Vielfach ist der Druck
SAP S/4HANA –, um ebenso ihre Prozesse zu         vergleichbar?                                     so groß, dass in der Begleitung einer Trans-
überarbeiten. Gerade in Branchen wie Ban-              Bergsmann: Ich sehe die gleichen – wenn      formation auch Steuerungskompetenz ge-
ken ist es eine enorme Herausforderung, die       nicht sogar noch stärker ausgeprägten – He-       fordert ist. Während das für den klassischen
gewachsenen Kernsysteme abzulösen oder            rausforderungen. Viele Mittelständler ha-         Strategieberater sicherlich eine große He-
auch nur umzustellen. Veränderungen sind          ben in den vergangenen Jahren ebenfalls zu-       rausforderung ist, trifft dieser Trend genau
dort oft nur eingeschränkt möglich.               gekauft. Sie tendieren dazu, ihren Managern       auf unsere Kompetenz – Projekte aufzuset-
                                                  in der Verantwortung einer Landesorganisa-        zen, zu begleiten und darauf zu schauen, dass
     (+) plus: Befinden wir uns in einem          tion auch viel Freiheit zu geben. Das ist eine    das Zielbild konsequent weiterentwickelt
großen Umbruch in der IT, in dem Unter-           hervorragende Voraussetzung, um zu wach-          wird. Wir bringen auch Best-Practice-Pro-
nehmen viele IT-Systeme ablösen und stan-         sen und am Markt erfolgreich zu sein. Der         zesse aus anderen Unternehmen ein.
dardisieren müssen?                               Nachteil dieser Freiheit ist freilich ein Wild-       Ich warne aber davor, das Change-The-
     Bergsmann: In jedem der Projekte, die        wuchs an Systemen. Wenn sie 50 verschie-          ma durch reine Change-Manager, die nicht
ich in den vergangenen Jahren gesehen ha-         dene Prozesse in 50 Ländern haben, ist ein        aus dem Fachbereich kommen, zu adressie-
be, steht Standardisierung ganz oben in den       Wachstum ab einem bestimmten Grad nicht           ren. Fachinhalt und Veränderungsmanage-
Guidelines mit höchster Priorität. Strategie-     mehr managbar. Änderungen sind so nur             ment müssen unmittelbar verknüpft wer-
änderungen zielen allesamt darauf ab, als         schwer möglich. Großkonzerne sind da ein          den. Außerdem hilft die tollste Intervention
Unternehmen permanent und schnell auf             Stück starrer – sie lassen diese Freiheit we-     wenig, wenn diese nicht glaubwürdig und
Marktveränderungen und Trends reagieren           niger zu.                                         authentisch vermittelt wird. Wir empfehlen
zu können. Im Finanzwesen betrifft diese                                                            ausdrücklich, dass sich bei einem Projektstart
Harmonisierung nicht unbedingt Prozesse,              (+) plus: Welche Empfehlung haben Sie         der Initiator vor die Belegschaft stellt und er-
sondern die Strukturen in der Unterneh-           für Unternehmen bei einem Strategiepro-           klärt, warum ihm die angestrebten Verände-
menssteuerung. Hier geht es um dahinter-          jekt? Wo sollte man hier zunächst ansetzen        rungen wichtig sind. Die unterschiedlichen
liegende Logiken im Controlling – um Wer-         – und ist es nicht besser, dies zunächst aus      Formate, dies dann weiter kommunikativ zu
teflüsse, Kontenpläne, Deckungsbeitrags-          eigener Kraft zu versuchen?                       begleiten, sind Standard.
                                                                                                                                                       15
schema, Kostenstellenstrukturen und Kos­
tenarten. Geht in einem Markt meine Profi-
tabilität bei einem bestimmten Produkt oder
bei einem Kunden zurück, bemerke ich das                     Es ist die zentrale
mit harmonisierten Strukturen eher. Und ich
kann bei einem einheitlichen Reporting bes-
                                                       Fragestellung, ob ich zu den
ser vergleichen. Anderswo wissen Unterneh-
men gar nicht, was sie bei einzelnen Produkt-
                                                        gewinnern gehöre oder in
gruppen und Kunden verdienen. In den ver-               meiner Existenz bedroht bin.
gangenen Jahren hatten viele Unternehmen
ihren Fokus auf Wachstum, haben aber weni-             Kosten und Effizienz kommen
ger die Entwicklung ihrer Systeme, Prozesse
und ihrer Organisation beachtet. Da hat sich               erst an zweiter Stelle.
viel Komplexität aufgebaut.

     (+) plus: Werden IT-Services mit einer
Standardisierung auch günstiger? Wie groß             Bergsmann: Ob man dabei vollständig               (+) plus: Wie ist die Wirtschaftslage
ist der Kostenfaktor in dieser Rechnung?          auf die eigene Organisation oder auf Externe      derzeit aus Ihrer Sicht? Wie geht es Ihren
     Bergsmann: Habe ich weniger unter-           setzt, hängt vom einzelnen Unternehmen ab:        Kunden?
schiedliche Systeme, die betreut werden           Habe ich die richtigen Leute dafür? Ist mei-          Bergsmann: Die Lage ist gut und stabil,
müssen, bringt das natürlich Effizienzen in       ne Belegschaft vielleicht auch etwas durch-       auf einem hohen Niveau. Wir bekommen
den Prozess- und Personalkosten. Wir war-         mischt – mit Mitarbeitern, die Erfahrung aus      viele Anfragen aus dem Markt und merken
nen aber vor dieser einseitigen Sicht. Ein pla-   anderen Unternehmen oder auch anderen             auch bei unseren Kunden, dass es zurzeit gut
kativ primär auf Kosteneinsparungen ausge-        Branchen mitbringen? Wesentlich leichter          läuft. Je nach Branche sind die Auftragsbe-
richtetes Projekt wird auf einen noch größe-      tut man sich sicherlich mit Hilfe von außen –     stände bereits im Vorjahr für 2019 gefüllt ge-
ren Widerstand in der Organisation stoßen.        mit Führungskräften oder auch klassischen         wesen. Man denkt jetzt eher bereits über die
     Der wahre Hebel für die Akzeptanz je-        Beratern, die einen guten Blick aus neutraler     Lage im Jahr 2020 nach.
der Veränderung und den Wert für Unter-           Position bieten. Ein Berater kann sehr gut die        Es ist jedem klar, dass die Konjunktur-
nehmen ist eine zukunftssichere Position am       Komplexität und Schwierigkeit von Maß-            kurve nicht auf ewig ansteigen kann. Auch
Markt. Es ist die zentrale Fragestellung, ob      nahmen einschätzen und hat entsprechende          wenn wir etwa weniger Wachstum haben,
ich zu den Gewinnern gehöre oder in meiner        Erfahrung aus der Themenbreite seiner Kun-        geht es dem Wirtschaftsstandort gut. Wir er-
Existenz bedroht bin. Kosten und Effizienz        den. Dies ist ein wesentliches Geschäftsfeld      warten jedenfalls ein sehr gutes Geschäfts-
kommen erst an zweiter Stelle.                    auch für Horváth & Partners.                      jahr.                                      n

                                                                                                                    www.report.at        04 - 2019     >
>    strategie

         Mission
16
         Zukunft   Vorgefertigte, starre Konzepte bringen im schnelllebi-
                   gen Business wenig. Ganz ohne Strategie geht es aber
                   auch in Zukunft nicht. Wie es gelingt, ein Big Picture
                   für das Unternehmen zu entwerfen und die großen
                   Zukunftsthemen – Innovation, Nachhaltigkeit, Digitali-
                   sierung – erfolgreich zu meistern.
                   Von Angela Heissenberger

                       >
                                 Harte Zeiten für den Autoherstel­       Perspektiven und verlässliche Entschei­
                                 ler Audi: Der Vorstand hat eine Lis­    dungen her.« Vorstandschef Bram Schot ha­
                                 te mit geplanten Einsparungen           be keinerlei Zukunftsstrategie, in der E-Mo­
                      vorgelegt. Im Mai wird die Nachtschicht im         bilität, Batterie- und Brennstoffzellen, Car­
                      Stammwerk Ingolstadt eingestellt, mehrere          sharing und der Wandel zum Mobilitäts­
                      tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter           dienstleister verankert seien.
                      verlieren ihre Jobs. Der Betriebsrat zeigte sich        Nun, »keine Strategie« stimmt nicht
                      naturgemäß verärgert, seine Kritik geht aber       ganz. Der Holländer hat sogar ein ganzes
                      tiefer: »Wir können noch nicht nachvollzie­        Bündel an Vorhaben präsentiert, die das Un­
                      hen, wie wir Audi mit diesen Mitteln wieder        ternehmen wieder vorwärts bringen sollen.
                      an die Spitze bringen wollen«, sagte der stell­    Zehn Prozent der Führungskräfte müssen
                      vertretende Betriebsratsvorsitzende Jörg           gehen, auch die Produktpalette wird kräftig
                      Schlagbauer. »Die Zeit der schönen Worte           reduziert. Etliche Nischenmodelle will man
                                                                                                                         Foto: iStock

                      und großen Reden ist vorbei – jetzt müssen         künftig einsparen, ebenso die kleinen Spie­

 >   04 - 2019   www.report.at
strategie           >

                                                                                  17

lereien und edlen Gimmicks, die der    >> Nachjustieren notwendig
>
                                                                                                        Barbara Liebermeister, IFIDZ: »Kein Computer-
                                                                                                        programm der Welt ersetzt agile Führungsper-
                                                                                                        sönlichkeiten.«

      Simone Ashoff, Good School: »Es braucht gar                                                          Lena Papasabbas, Zukunftsinstitut: »Um das
      keinen CDO, sondern eine ganze Bande von                                                             Thema Innovation ist ein gigantischer Blindspot
      Playern, um die Digitalisierung voranzutreiben.«                                                     entstanden.«

            parent zu kommunizieren und die Mit­                          Beim Thema Innovation steht meist
        arbeiterInnen von deren Notwendigkeit zu                           die technologische Machbarkeit im
        überzeugen.
             Die Entwicklung und Umsetzung ei­
                                                                         Vordergrund. Der tatsächliche Nutzen
        ner Strategie galt im Management seit je­                         eines Produkts oder Services für den
        her als Königsdisziplin. Gemessen an dem                          Menschen oder die Gesellschaft wird
        hohen Stellenwert wenden Führungskräf­
        te jedoch nur einen geringen Teil ihrer Zeit
                                                                                 kaum noch hinterfragt.
18
        für die strategische Ausrichtung des Un­
        ternehmens auf, obwohl sich das Business         »Am wichtigsten ist, dass sie ihre Strategie    einer Komfortzone – so lange wie mög­
        schneller ändert denn je. Neue Geschäfts­        für ein nachhaltiges langfristiges Wachs­       lich«, erklärt Christoph D. Albrecht, Ge­
        felder und Technologien machen eine              tum klar und effektiv formulieren.«             schäftsführer der Strategie- und Marken­
        Standortbestimmung und gegebenenfalls                                                            beratung AC Consulting.
        eine Nachjustierung in kürzeren Abstän­          >> In der Komfortzone    04- 2019    www.report.at
strategie         >

  Wo Unternehmen ihre Digitaleinheiten ansiedeln

                                                                                                                  13 %
                  10 %

                                              31 %                            23 %
       In Form einer Stabstelle       In einer eigenständigen        In Form eines abteilungs-            In einer Digitalisierungs-
                                       Digitalisierungseinheit        übergreifenden Projekt-             einheit innerhalb der IT-
                                     außerhalb der IT-Abteilung                teams                              Abteilung

                                                                                Quelle: CDO-Studie 2017/2018 Kienbaum in Kooperation mit bitkom

>> Verzahnung Strategie – Innovation
>    xxxxx

                                                                                                             Fällen Halt. Trotzdem empfiehlt es
                                                                                                             sich, flexibel zu bleiben: Schon beim
                                                                                                             Aufbau der Strategie sollte einkalku­
                                                                                                             liert werden, dass sich einige Punkte
                                                                                                             der Umsetzung ändern könnten.
                                                                                                             Neue Geschäftsideen sollten eben­
                                                                                                             so Spielraum bekommen wie dafür
                                                                                                             erforderliche IT-Anforderungen. Je
                             Das Internet der Dinge hält in der Baubranche Einzug. Hilti entwickelt          nach Größe und Struktur benöti­
                             intelligente, smarte Lösungen für Geräte und Services.                          gt ein Bereich vielleicht nur digitale
                                                                                                             Unterstützung, während komplexere
                                                                                                             Abläufe grundlegend optimiert wer­
                       Die digitale Transformation einer                                                     den müssen.
                                                                                                                  Die Informationsverarbeitung
                     einzelnen Person oder einer von der                                                     und -vernetzung spielt in diesem
                   übrigen Organisation isolierten Abteilung                                                 Zusammenhang eine entscheidende
                     zu übertragen, ist längst umstritten.                                                   Rolle. Viele Fragen können durch ei­
                                                                                                             ne Analyse der bestehenden Prozesse
                    Dennoch ist der Chief Digital Officer die                                                geklärt werden: In welchem Bereich
                       meistgesuchte Personalressource.                                                      wird viel Zeit mit manueller Arbeit
                                                                                                             oder Systempflege zugebracht? Wo
                                                                                                             gibt es hohe Fehlerquoten, die zeit-
       ren sprichwörtlich selbst aus dem Dreck        schinen verfügbar. Das Liechtensteiner Un­             und kostenintensive Nacharbeiten
     gezogen. Die Richtung gab 2014 die Unter­        ternehmen mauserte sich somit vom Werk­                erfordern? Besser als jedes Analyse­
     nehmensstrategie »Champion 2020« vor:            zeughersteller zum Anbieter einer umfang­              tool wissen oft die MitarbeiterInnen,
     Die Produkt- und Dienstleistungspalette          reichen Lösungspalette und verzeichnet                 wo die Schwachstellen liegen. »Kein
     sollte ausgeweitet und die Expansion vo­         inzwischen ein zweistelliges Umsatzwachs­              Computerprogramm der Welt ersetzt
     rangetrieben werden.                             tum. Auch innovative Konzepte wie Big                  agile Führungspersönlichkeiten, die
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         Was sich einfach anhört, setzte einen        Data Analytics, maschinelles Lernen oder               für die Menschen in ihrem Umfeld
     umfangreichen strukturellen Umbau des            IoT-Anwendungen finden Platz. Im Werk                  Impuls- und Ideengeber sowie Mo­
     Unternehmens voraus. Die Prozesse, Da­           Thüringen in Vorarlberg testet Hilti die Fer­          tivatoren sind«, bestätigt Manage­
     ten- und IT-Infrastruktur wurden welt­           tigungstechnologien von morgen: Roboter,               mentberaterin und Rednerin Barba­
     weit vereinheitlicht; Prototypen sind nun        die Hand in Hand mit Menschen Elektro­                 ra Liebermeister.
     schneller verfügbar. Um besser auf die Be­       werkzeuge herstellen, oder 3D-Druck für                     Viel beschworener Hoffnungs­
     dürfnisse der Kunden einzugehen, führte          Bauteil-Designs.                                       träger im Kontext der Digitalisierung
     Hilti ein Direktvertriebssystem mit Leasing                                                             ist der Chief Digital Officer (CDO)
     und langfristigen Wartungsverträgen ein.         >> Knackpunkt Digitalstrategie    04- 2019   www.report.at
strategie           >

                                                                                                                                                         Christoph D. Albrecht, AC Consulting:
                                                              Oliver Greiner, Horváth & Partners: »Viele ehe-                                            »Erfolgsstrategien und Geschäftsmo-
                                                              malige Platzhirsche haben Neuerungen zu früh                                               delle werden nicht von Unternehmen,
                                                              mit dem Stigma des Unsinns abgetan.«                                                       sondern von Menschen entwickelt.«

                                                 on Club der Hamburger Good School. Sie             feld zwischen altem und neuem Business            werden. Spätestens bis 2025 sollte jede Füh­
                                                 rät Unternehmen, stattdessen in die digi­          auszubalancieren, so die Digitalexpertin.         rungskraft – idealerweise auch jede/r Mitar­
                                                 tale Bildung der eigenen MitarbeiterInnen          Für eine funktionierende Digitalstrategie         beiterIn – digitales Verständnis mitbringen.
                                                 zu investieren: »Ein CDO und überhaupt             gebe es keine Blaupause. Der Wissensauf­              Chief Digital Officers selbst sehen ihre
                                                 eine einzelne Person kann ein Unterneh­            bau funktioniere vor allem über das Teilen        Rolle ohnehin nur als Job auf Zeit, wie eine
                                                 men nicht transformieren. Es braucht eine          von Erfahrungen.                                  im Vorjahr veröffentlichte Studie der Perso­
                                                 richtige Führungsbande von Playern – vom               Tatsächlich ist die in vielen Unterneh­       nalberatung Kienbaum ergab. Die dafür be­
                                                 CEO bis zum HR-, IT- und Marketingchef             men geübte Praxis, die digitale Transforma­       fragten ExpertInnen gaben sich bezüglich
                                                                                                                                                                                                       21
                                                 –, die die Digitalisierung des Unternehmens        tion einem mehr oder weniger vom übrigen          der Halbwertszeit ihrer Funktion keinen Il­
                                                 vorantreibt.« Aktuelles Digitalwissen sei na­      Gefüge isolierten Team oder der IT-Abtei­         lusionen hin, wie beispielsweise Elke Katz,
                                                 türlich erforderlich, vor allem aber innova­       lung zu übertragen, längst umstritten. Viel­      CDO bei ratiopharm: »Wenn wir unseren
                                                 tive Wege, Organisationen zu verändern, die        mehr sollte das Bewusstsein dafür die ge­         Job gut machen, gibt es uns nicht mehr.«
                                                 Vorstände, KollegInnen und Mitarbeite­             samte Organisation gleichermaßen durch­           Anders formuliert: Die CDOs schaffen sich
                                                 rInnen mitzunehmen und das Spannungs­              dringen und nicht von außen oktroyiert            selbst ab.                                n

                                                   tipp                                                                                               n Erklärungsschleifen, intensive Ver-
                                                                                                                                                      ständnisarbeit
                                                                                                                                                      n MitarbeiterInnen können Verände-
                                                  Einbeziehung der                                                                                    rungen vorschlagen
                                                  Mitarbeiter/Innen                                                                                   n Unternehmensleitung akzeptiert die
                                                                                                                                                      Veränderungen, sofern sie nicht den
                                                  > Variante 1: Informieren und
                                                                                                                                                      Kern der Strategie berühren
                                                  anweisen
                                                  Ziel: Die MitarbeiterInnen sind über die
                                                                                                                                                      > Variante 4: Gemeinsam entwickeln
                                                  neue Strategie informiert und sollen die          Der Grad der Einbeziehung in den Strategiepro-
                                                                                                    zess wirkt sich unmittelbar auf den Erfolg aus.   Ziel: Alle haben die neue Strategie entwi-
                                                  Veränderungen umsetzen.
                                                                                                                                                      ckelt, es ist ein gemeinsames Vorgehen.
                                                                                                    n Erklärungsschleifen, intensive Ver-
                                                  n Information durch das Management
                                                                                                    ständnisarbeit                                    n Management und MitarbeiterInnen
                                                  n nur Verständnisfragen möglich
                                                                                                    n MitarbeiterInnen müssen die Strategie           legen Entscheidungsregeln fest
                                                  n MitarbeiterInnen müssen die Stra-
                                                                                                    unverändert mittragen und umsetzen                n Strategie (Unternehmensziele,
Foto:Horvath & Partners, AC Consulting, iStock

                                                  tegie unverändert akzeptieren und
                                                                                                                                                      Geschäftsmodell, Positionierung,
                                                  umsetzen                                          >  Variante 3: Identifikation erreichen           Markenemotion, etc.) wird gemeinsam
                                                                                                    Ziel: Die MitarbeiterInnen haben die neue         entwickelt
                                                  > Variante 2: Verständnis schaffen
                                                                                                    Strategie verstanden und machen sie zu            n Umsetzung der Strategie (Internet-
                                                  Ziel: Die MitarbeiterInnen haben die neue
                                                                                                    ihrer Sache.                                      seite, Marketing, Haltung gegenüber
                                                  Strategie verstanden und tragen sie mit.
                                                                                                                                                      den Kunden etc.) wird gemeinsam
                                                                                                    n Information durch das Management
                                                  n Information durch das Management                                                                  realisiert
                                                                                                    n MitarbeiterInnen werden ermuntert,
                                                  n MitarbeiterInnen werden ermuntert,
                                                                                                    Fragen zu stellen
                                                  Fragen zu stellen                                                                                   Quelle: Olaf Hinz

                                                                                                                                                                          www.report.at    04 - 2019   >
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