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Strahlentherapie beim Prostatakarzinom Journal für Urologie und Urogynäkologie 2015; 22 (Sonderheft 5) (Ausgabe für Österreich), 3-5 Homepage: www.kup.at/urologie Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Indexed in Scopus Member of the www.kup.at/urologie P . b . b . 0 2 Z 0 3 1 1 1 6 M , V e r l a g s p o s t a m t : 3 0 0 2 P u r k e r s d o r f , E r s c h e i n u n g s o r t : 3 0 0 3 G a b l i t z
Aktuell Strahlentherapie beim Prostatakarzinom C. Uhlir Die moderne Technik ermöglicht heute in der Radiotherapie Tumordosis-Homogenisierung bei verringerter Risikoorgan- eine Vielzahl individueller, bedürfnisorientierter Therapie- dosierung. Dies gelingt durch eine sehr scharfe Abgrenzung konzepte. Nach dem Prinzip der konformalen Strahlenthera- des zu bestrahlenden vom nicht zu bestrahlenden Areal. Die pie wird das Tumorgebiet gezielt unter bestmöglicher Scho- Bestrahlungsdauer beträgt bei IMRT geräteabhängig bis zu 45 nung der umliegenden Organe bestrahlt. Minuten. Im Vergleich dazu erfolgt die Bestrahlung im Rah- men der VMAT nur über wenige Minuten, was auch im Hin- Moderne strahlentherapeutische blick auf die intra- und interfraktionäre Bewegung der Prosta- ta einen wesentlichen Vorteil darstellt. Verfahren Volumetric Modulated Arc Therapy (VMAT) und Simultan integrierter Boost (SIB), Simulta- Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) neous Integrated Sparing (SIS), Stereotaxie, In der Strahlentherapie des Prostatakarzinoms kommt am Atem-Gating SMZ Süd ausschließlich die VMAT zur Anwendung. Dies ist Fokal malignere Regionen können gezielt mit SIB in höhe- eine Weiterentwicklung der IMRT, die eine sehr homogene rer Dosis bestrahlt werden. Umgekehrt ist es möglich, sehr Bestrahlung der Zielregionen unter Schonung des umgeben- sensible Regionen wie die Urethra durch SIS zu schonen. den Gewebes ermöglicht. Diese Bestrahlungstechnik erfor- Auch mit Stereotaxie gelingt es, eine Region sehr gezielt hö- dert eine komplexe, fast einwöchige Planung mit Nachmes- her dosiert zu bestrahlen als die Umgebung, wodurch die Be- sung am Dummy. Ziele sind Dosisoptimierung im Tumor und strahlungsfrequenz verringert werden kann. Speziell im Rah- men der Stereotaxie kann das Atem-Gating (atemabhängige Bestrahlung ausschließlich in einer bestimmten Atemphase, z. B. in tiefer Einatmung) auch bei der Bestrahlung der Pros- Vortrag von Prim. Univ.-Doz. Dr. Annemarie Ulrike Schratter-Sehn, Sozialmedizini- sches Zentrum Süd – Kaiser-Franz-Josef-Spital mit Gottfried von Preyer’schem Kin- tata sinnvoll sein. In Abhängigkeit von der Atmung kann sich derspital, Wien die Prostata um bis zu 1,5 cm bewegen. J UROL UROGYNÄKOL 2015; 22 (Sonderheft 5) 3 For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Aktuell Die 10-Jahres-Daten der EORTC-Studie ergaben einen signi- Tabelle 1: Externe Bestrahlung (EBRT) des Prostatakar- zinoms: risikoadaptierte Hormonradiotherapie. Quelle: F. fikanten Vorteil der Langzeit-Hormontherapie über 3 Jah- Sedlmayer. re plus Bestrahlung im Vergleich zur Kurzzeit-Hormonthera- pie über 6 Monate [6]. Dies bestätigt das Ergebnis der RTOG/ Risikosituation Therapieregime EORTC-Studie [7]. In Tabelle 1 sind die Kriterien für die risi- Niedriges Risiko – Externe Strahlentherapie koadaptierte Hormonradiotherapie dargestellt. – < T2b (74–76 Gy) – Gleason < 7 – Nur optional neoadjuvante – PSA < 10 Androgenblockade (benigne Stellenwert der Lymphknoten- Prostatahyperplasie) bestrahlung Intermediäres Risiko – Neoadjuvante maximale An- drogenblockade (3 Monate) Die Datenlage zum Nutzen einer Lymphknotenbestrahlung im – Tx – Gleason 7 – Radiotherapie 76–78 Gy Hinblick auf Gesamtüberleben und krankheitsfreies Überle- – PSA > 10 – ± Kurzzeit-Androgenblockade ben ist inkonsistent. Bisher konnte keine randomisierte Stu- (LHRH-Analogon 6 Monate) die eine Verlängerung des Gesamtüberlebens durch pelvi- Hohes Risiko – Neoadjuvante maximale An- ne Lymphknotenbestrahlung zeigen. Auch die Datenlage zur – T2b–T3 „bulky disease“ drogenblockade (3 Monate) adjuvanten Beckenbestrahlung ist unzureichend, prospektive – Gleason 8–10 – + Langzeit-Androgenblocka- Studien hierzu fehlen. Wie auch in den deutschen S3-Leitli- – Positive Lymphknoten, de (primär LHRH-Analogon, nien zur Therapie des Prostatakarzinoms festgehalten, ist der PSA > 20 alternativ evtl. antiandrogene Monotherapie) 24–36 Mona- Stellenwert der Bestrahlung der Lymphknoten daher unge- – XRT 76–80 Gy te; bei präexistenter kardio- klärt [8]. vaskulärer Erkrankung evtl. 12 Monate (?) Die Entscheidung für eine Bestrahlung erfolgt am SMZ Süd auf Basis der klinischen Einschätzung in Absprache mit dem Hormonradiotherapie zuweisenden Arzt. Strahlentherapie plus Hormontherapie versus Für das Jahr 2021 werden die Ergebnisse der Phase-III-Stu- radikale Prostatektomie die RTOG 0924 erwartet, die eine neoadjuvante Androgende- In Abhängigkeit vom Tumorstadium kann die Kombination privation plus Prostata- und Samenbläschenbestrahlung ohne von Strahlentherapie und Hormontherapie vergleichbare Er- Lymphknotenbestrahlung versus zusätzliche Lymphknotenbe- gebnisse bringen wie die radikale Prostatektomie. Eine Strah- strahlung untersucht. lentherapie mit 60–70 Gy über 7 Wochen plus Hormonthe- rapie verbesserte das Gesamtüberleben von Patienten mit lo- Innovationen in der Strahlentherapie kal fortgeschrittenem Prostatakarzinom in ähnlichem Maß wie die radikale Prostatektomie, war aber in Bezug auf das Hypofraktionierte Bestrahlung krankheitsfreie Überleben – möglicherweise aufgrund der ver- Eine neue Errungenschaft auf dem Gebiet der Strahlentherapie gleichsweise geringen Strahlendosis – unterlegen [1]. beim Prostatakarzinom ist die hypofraktionierte Bestrahlung. Eine konventionell fraktionierte Bestrahlung mit 80 Gy erfor- Eine retrospektive Analyse ergab, dass eine externe Bestrah- dert tägliche Bestrahlungen über einen Zeitraum von 8 Wo- lung in hoher Dosierung (80 Gray in 2-Gy-Fraktionen) plus chen, was für alte Patienten schwer zu realisieren ist. Wie aus Hormontherapie der Prostatektomie signifikant überlegen der Mammakarzinom-Strahlentherapie bekannt, waren auch war, obwohl Patienten nach radikaler Prostatektomie bei ent- beim Prostatakarzinom höhere Strahlendosen in längeren In- sprechender Indikation (R1-Resektion, Kapseldurchbruch, In- tervallen ebenso wirksam wie eine konventionell fraktionierte filtration der Nervenbündel) postoperativ eine adjuvante Ra- Bestrahlung [9, 10]. Die gastrointestinale und urogenitale To- diotherapie erhalten hatten [2]. xizität der hypofraktionierten Bestrahlung war jedoch deutlich erhöht. Patienten waren mit der IMRT besonders im Hinblick auf die Nebenwirkungen zufriedener als mit der radikalen Prostatek- Akzelerierte hypofraktionierte Radiotherapie tomie [3]. Bei Patienten mit Hochrisiko-Prostatakarzinom erwies sich eine SIB-IMRT mit 25 Fraktionen zu 2,75 Gy im Bereich der Hormonradiotherapie versus Hormontherapie Prostata, 2,2 Gy im Bereich der Samenbläschen und 1,68 Gy alleine im Bereich der Beckenlymphknoten als effiziente Therapie Verglichen mit alleiniger Langzeit-Hormontherapie halbier- mit vergleichbarer Nebenwirkungsrate wie eine konventionel- te die Kombination einer Langzeit-Hormontherapie mit einer le Radiotherapie [11]. Dieses Regime erspart Patienten 15 Be- Strahlentherapie die prostataspezifische Mortalität [4]. Dies strahlungen. spricht dafür, auch bei älteren Patienten keine alleinige Hor- montherapie durchzuführen. Eine Metaanalyse ergab bei Pa- Stereotaxie tienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom in etwa glei- Zur Stereotaxie der Prostata läuft derzeit eine Studie bei Pa- che Ergebnisse einer externen Radiotherapie plus Langzeit- tienten mit cT1c- bis cT3a-Tumoren, im Rahmen derer hoch- Hormontherapie versus radikaler Prostatektomie plus Lang- konformal 5 × 7,25 Gy (= 36,25 Gy) über 9 Tage versus 1× zeit-Hormontherapie in Bezug auf das Gesamtüberleben [5]. wöchentlich über 28 Tage appliziert werden, mit SIS der Ure- 4 J UROL UROGYNÄKOL 2015; 22 (Sonderheft 5)
Aktuell thra (5 × 6,5 Gy) [12]. Bisherige Ergebnisse lassen auf eine Tabelle 2: Palliative Strahlentherapie – Fraktionierungen. akzeptable Verträglichkeit des Regimes schließen. Es muss al- Quelle: A. U. Schratter-Sehn 2015. lerdings durch Bildgebung ein ungünstiger Einfluss der Pros- tatabewegung ausgeschlossen werden. Die Stereotaxie dürf- Strahlendosis Behandlungszeit te sich in Zukunft vor allem in der Therapie älterer Patienten 13 × 3 Gy 3 Wochen Weichteilgewebe (z. B. Gehirn, etablieren. Lunge) 5 × 3 Gy 1 Woche Adjuvante oder Salvage-Radiotherapie 5 × 4 Gy 5 Tage Weichteilgewebe (z. B. Gehirn, Lunge) nach Prostatektomie 1 × 8 Gy 1 Tag Knochenmetastasen Die ASCO empfiehlt in ihren Guidelines 2014 bei der Ent- Stereotaxie 1 × 1 Tag Knochenmetastasen 24 Gy scheidung für eine adjuvante oder Salvage-Radiotherapie nach Prostatektomie ein individuelles Vorgehen [13]. Bei kleinen Prostatakarzinomen mit spätem PSA-Rezidiv sollte bei PSA- Anstieg > 0,1–0,2 ng/ml eine Bestrahlung der Prostataloge Literatur: an EORTC randomised study. Lancet Oncol erfolgen. Bei fortgeschrittenem Prostatakarzinom dürfte die 1. Akakura K, Suzuki H, Ichikawa T, et al.; 2010; 11: 1066–73. Japanese Study Group for Locally Advanced 7. Bolla M, Fourneret P, Descotes JL. [Interest postoperative Bestrahlung aufgrund der Metastasierung nur Prostate Cancer. A randomized trial compar- of the radiotherapy-hormonotherapy associa- wenig Benefit bringen. Eine Bestrahlung ist nur bei Durch- ing radical prostatectomy plus endocrine ther- tion in the treatment of the high-risk prostate apy versus external beam radiotherapy plus cancer]. Bull Cancer 2008; 95: 1213–8. führung eines PSMA- („Prostata-spezifisches Membran-An- endocrine therapy for locally advanced pros- tigen“-) PET sinnvoll. tate cancer: results at median follow-up of 8. AWMF-Leitlinie 2014 „Früherkennung, Dia- 102 months. Jpn J Clin Oncol 2006; 36: 789– gnose und Therapie der verschiedenen Sta- 93. dien des Prostatakarzinoms“. AWMF-Regis- ter-Nummer 043/022OL. http://www.awmf. Palliative Strahlentherapie 2. Arcangeli G, Strigari L, Arcangeli S, et al. org/leitlinien/detail/ll/043-022OL.html [gese- Retrospective comparison of external beam hen: 02/2015]. radiotherapy and radical prostatectomy in Bei entsprechender Indikation sollte jedem Patienten eine high-risk, clinically localized prostate cancer. 9. Fonteyne V, Soete G, Arcangeli S, et al. Hypofractionated high-dose radiation therapy palliative Strahlentherapie zugänglich gemacht werden. Am Int J Radiat Oncol Biol Phys 2009; 75: 975– for prostate cancer: long-term results of a 82. SMZ Süd wird diese ebenfalls am Linearbeschleuniger durch- multi-institutional phase II trial. Int J Radiat 3. Yamamoto S, Masuda H, Urakami S, et al. Oncol Biol Phys 2012; 84: e483–e490. geführt, da dies das modernste und schonendste Verfahren Patient-perceived satisfaction after definitive 10. Aluwini S, Pos F, Schimmel E, et al. Hypo- darstellt. Eine Übersicht zu den Fraktionierungen in Abhän- treatment for men with high-risk prostate fractionated versus conventionally fractionat- gigkeit vom zu bestrahlenden Gewebe findet sich in Tabelle 2. cancer: radical prostatectomy vs intensity- ed radiotherapy for patients with prostate modulated radiotherapy with androgen depri- cancer (HYPRO): acute toxicity results from a Mit VMAT ist auch eine myelonschonende Bestrahlung von vation therapy. Urology 2015; 85: 407–14. randomised non-inferiority phase 3 trial. Knochenmetastasen möglich. Hirnmetastasen können stereo- 4. Widmark A, Klepp O, Solberg A, et al.; Lancet Oncol 2015 [Epub ahead of print]. taktisch oder mit SIB bestrahlt werden. Scandinavian Prostate Cancer Group Study 7; 11. Valeriani M, Carnevale A, Osti MF, et al. Swedish Association for Urological Oncology Image guided intensity modulated hypofrac- 3. Endocrine treatment, with or without radio- tionated radiotherapy in high-risk prostate Durchführung der Radiotherapie therapy, in locally advanced prostate cancer (SPCG-7/SFUO-3): an open randomised phase cancer patients treated four or five times per week: analysis of toxicity and preliminary re- am SMZ Süd III trial. Lancet 2009; 373: 301–8. sults. Radiat Oncol 2014; 9: 214. 5. Zhou ZR, Zhu XD, Xia J, et al. Short-term 12. Präsentation beim SBRT-Symposium des Vor der Bestrahlung wird auch zu Dokumentationszwecken versus long-term hormone therapy plus radio- VU University Medical Center. Amsterdam, therapy or prostatectomy for prostate cancer: 2014. ein konventionelles Röntgen oder eine Computertomogra- a systematic review and meta-analysis. J 13. Freedland SJ, Rumble RB, Finelli A, et al.; phie (CT) der zu bestrahlenden Region angefertigt („image- Cancer Res Clin Oncol 2013; 139: 783–96. American Society of Clinical Oncology. Ad- guided radiotherapy“). Während der Bestrahlung werden MV- 6. Bolla M, Torecilla JL, Pfeffer R, et al. Ex- juvant and salvage radiotherapy after prosta- ternal irradiation with or without long-term tectomy: American Society of Clinical On- Feldaufnahmen gemacht. Am SMZ Süd erfolgt die Bestrah- androgen suppression for prostate cancer cology clinical practice guideline endorse- lung unter Verwendung von Goldmarkern. Diese erlauben die with high metastatic risk: 10-year results of ment. J Clin Oncol 2014; 32: 3892–8. schnellste und beste Bildgebung zur Ausschaltung der inter- fraktionären Mobilität. Lehnt der Patient das Setzen von Gold- markern ab, ist – wie auch bei multimorbiden Patienten – eine Korrespondenzadresse: Bildgebung mittels CT möglich, die allerdings etwas mehr Prim. Univ.-Doz. Dr. Annemarie Ulrike Zeit beansprucht. Die Bestrahlung erfolgt bei voller Harnbla- Schratter-Sehn se, da so mit VMAT das Blasendach und der Dünndarm ge- Institut für Radioonkologie schont werden können. Durch Bestrahlung der A. profunda Sozialmedizinisches Zentrum Süd – kommt es bei einem Teil der Patienten im weiteren Verlauf Kaiser-Franz-Josef-Spital zum Verlust der erektilen Funktion. Die Hautpflege hat einen A-1100 Wien, Kundratstraße 3 wesentlichen Einfluss auf die lokalen Effekte der Strahlenthe- E-Mail: rapie. annemarie.schratter@wienkav.at J UROL UROGYNÄKOL 2015; 22 (Sonderheft 5) 5
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