www.seeyou-hamburg.de - Jahres- und Wirkungsbericht 2020 - Stiftung SeeYou

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                 Jahres- und
                 Wirkungsbericht 2020
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Inhaltsverzeichnis

1 – Überblick                                        3   3 – Die Stiftung SeeYou zum 31.12.2020             48                            „Gib mir, Gott, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.
1.1 Vorwort                                          3   3.1 Organisation und Teams                         48                       Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.
                                                         3.1.1   Organisationsstruktur                      48                          Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Unser Jahr in Bildern                                4
                                                         3.1.2   Allgemeine Angaben                         49
1.2 Gegenstand des Berichts                          7   3.1.3   Mitarbeitende                              49                                        Zitat von Friedrich Christoph Oetinger (1702-1782)
                                                         3.1.4   Organisationsentwicklung                   49
1.3 Vision und Mission                               7   3.1.5   Unsere Teams                               51
                                                         3.1.6   Ansprechpartner*innen                      55
Unsere Förder*innen                                  8
                                                         Mitarbeitenden-ABC                                 52
                                                                                                                  Liebe Leserinnen und Leser!
1.4 Das gesellschaftliche Problem                   10
                                                         3.2. Organisationsprofil                           55    Heute halten Sie den Jahres- und Wirkungsbericht der          unser herzlicher Dank für das in dieser Zeit besonders
1.4.1    Ausgangslage                               10
1.4.2    Ursachen-Folgen-Kette des                       3.2.1   Governance                                 55    Stiftung SeeYou 2020 in Ihren Händen. Wir freuen uns          anerkennenswerte, überdurchschnittliche Engagement!
         gesellschaftlichen Problems im Überblick   15   3.2.2   Eigentümerstruktur der Organisation        56
                                                         3.2.3   Partnerschaften, Kooperationen und               sehr, wenn Sie bei der Lektüre über Ihre Beziehung
1.5 Bisherige Lösungsansätze                        16           Netzwerke / Mitgliedschaften               56    zu unserer Stiftung und ihren Mitarbeitenden nachden-         Blicken Sie gern mit uns auf das Jahr 2020 zurück,
                                                         3.2.4   Umwelt- und Sozialprofil                   58    ken und hoffentlich auf erfolgreiche sowie sinnstiftende      erfahren Sie hoffentlich interessante Details zu unserer
                                                         3.2.5   Pressespiegel                              60
2 – Unsere Angebote                                 18                                                            Momente der Zusammenarbeit mit uns zurückblicken.             Arbeit und bitte bleiben Sie uns gewogen.
                                                         3.3 Qualitätsentwicklung                           62
2.1 Die Sozialmedizinische Nachsorge                19
                                                         3.4 Planung und Ziele                              63    Wie die ganze Welt sind auch das Leben und Wirken             Wenn Sie unseren Jahres- und Wirkungsbericht schon
2.1.1    Intendierte Wirkungen der Nachsorge
         auf direkte und indirekte Zielgruppen      19   3.4.1   Zielerreichung Stiftung SeeYou             63    der Stiftung SeeYou 2020 stark von der Pandemie               öfter gelesen haben, dann wissen Sie, dass wir ihn
2.1.2    Unser Lösungsansatz der                         3.4.2   Zielplanung Stiftung SeeYou                63    geprägt worden. Insofern steht an erster Stelle für Sie       stets als unsere Interpretation der Geschehnisse im
         Sozialmedizinischen Nachsorge              20                                                            alle die Hoffnung, dass Sie diese Zeit möglichst unbe-        vorherigen Jahr sehen und uns sehr freuen, wenn Sie
                                                         3.5 SWOT: Risiken und Chancen                      63
2.1.3    Darstellung der Wirkungslogik              23
                                                         3.5.1   Risiken                                    63    schadet überstanden haben mögen.                              uns mit Ihrer Sicht bereichern. Zögern Sie also nicht,
2.1.4    Eingesetzte Ressourcen (Input)             24
2.1.5    Erbrachte Leistungen (Output)              24   3.5.2   Chancen                                    64                                                                  wenn Sie uns Ihre eigene Perspektive auf das Wirken
2.1.6    Erreichte Wirkungen (Outcome / Impact)     24   3.6 Finanzen                                       65    Unsere Stiftung hat in den vergangenen Monaten viele          der Stiftung im Jahr 2020 mitteilen möchten.
2.1.7    Zielerreichung Nachsorge 2020              25                                                            Familien unterstützt, die stark unter den Pandemie-
                                                         3.6.1   Buchführung und Rechnungslegung            65
2.1.8    Zielplanung Nachsorge 2021                 26
2.1.9    Exkurs: Pflegekurse                        26
                                                         3.6.2   Buchführung                                65    Folgen leiden. Wir haben beeindruckende Zeichen               Wie immer dient dieser Bericht für uns auch der Rück-
                                                         3.6.3   Jahresabschluss                            65    der Solidarität erlebt, sowohl bei unseren Mitarbei-          besinnung und Bilanzierung. Und so verzeihen Sie uns
2.2 Das Programm Babylotse                          28   3.6.4   Controlling                                66
                                                         3.6.5   Mittelverwendung                           66    tenden als auch in den Familien, sowohl innerhalb             bitte, wenn immer auch ein Teil Selbstreflexion in den
2.2.1    Intendierte Wirkungen von Babylotse
         auf die Zielgruppen                        28   3.6.6   Kapitalerhaltung                           66    unserer Organisation als auch uns als Stiftung gegen-         Texten zu erkennen ist. Tatsächlich sehen wir den Jah-
2.2.2    Unser Lösungsansatz Babylotse              28   3.6.7   Bilanz zum 31.12.2020                      68    über. Viele Menschen, Mitarbeitende von SeeYou,               res- und Wirkungsbericht als wichtigstes Instrument
2.2.3    Darstellung der Wirkungslogik              32   3.6.8   Darlehen                                   69
                                                                                                                  Kooperationspartner*innen und Familien, sind in den           unserer strukturellen und organisatorischen Weiterent-
2.2.4    Eingesetzte Ressourcen (Input)             33   3.7 Gewinn-und-Verlust-Rechnung      693.8 Glossar und   letzten Monaten bis an ihre Belastungsgrenzen und             wicklung an. Wenn Sie uns dabei unterstützen mögen,
2.2.5    Erbrachte Leistungen (Output)              34       Literaturnachweis                               70
2.2.6    Erreichte Wirkungen (Outcome/Impact)       34                                                            oftmals darüber hinaus gegangen, um „das Schiff auf           freuen wir uns sehr auf Ihre Anmerkungen.
                                                         3.8.1   Glossar                                    70
2.2.7    Zielerreichung Babylotse 2020              36                                                            Kurs zu halten“. Ihnen und Euch allen gebührt daher
                                                         3.8.2   Literaturnachweis                          71
2.2.8    Zielplanung Babylotse 2021                 37
2.3      Verbreitung Babylotse                      38
                                                         4 – Impressum                                      71
2.3.1    Intendierte Wirkung                        38
2.3.2    Unser Lösungsansatz Transfer Babylotse     38
2.3.3    Darstellung der Wirkungslogik              39
2.3.4    Eingesetzte Ressourcen (Input)             40
2.3.5    Exkurs: Politische Themenanwaltschaft      40
2.3.6    Exkurs: Innovationsfondsprojekt
         KID-PROTEKT                                41
2.3.7    Erbrachte Leistungen (Output)              43
2.3.8    Erreichte Wirkung                          43
2.3.9    Exkurs: Qualitätsverbund Babylotse         45
2.3.10   Zielerreichung Transfer 2020               46
2.3.11   Zielplanung Transfer 2021                  46

                                                                                                                        Dr. Sönke Siefert                          Hennig David-Studt                            Andrea Prosch-Eggert
                                                                                                                        Geschäftsführer                             Geschäftsführer                        Stellvertretende Geschäftsführerin

2                                                                                                                                                                                                                                        3
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Unser Jahr in Bildern

   Zum 14. Mal verliehen: Der SeeYou Kooperationspreis             Zu Gast bei der AOK PLUS in Leipzig hat sich die BAG             Mit Weihnachtsmütze, Lametta im Haar und der Wunder-         Bisher führte die Stiftung SeeYou die theoretische Weiterbil-
   ging 2020 an den Deutschen Kinderschutzbund (DKSB),             Gesundheit & Frühe Hilfen am 28. Februar 2020 u. a. mit          kerze vor dem Bildschirm beging das Team Transfer ihre       dung der angehenden Babyots*innen durch, immer mit dem
   Bezirksverband Frankfurt. Als starker Partner arbeitet der      dem Beschluss des Bundesrates zur Bundesstiftung Frühe           letzte sehr besondere Teamsitzung im Dezember. Mit viel      Wunsch diese Aufgabe an einen erfahrenen Partner weiter-
   DKSB Frankfurt bereits seit sechs Jahren aktiv daran, das       Hilfen und dem Nationalen Gesundheitsziel „Gesundheit            Raum für Dank in diesen schwierigen Zeiten, Anregungen       zubegeben. Mit der Medical School wurde dieser endlich
   Programm Babylotse zu verbreiten und so allen Kindern glei-     rund um die Geburt“ beschäftigt.                                 und Austausch ließ das Team gemeinsam ihr Jahr 2020          gefunden. Zukünftig können Babylots*innen in Hamburg
   che Startchancen zu ermöglichen. Mit Erfolg: in Frankfurt                                                                        Revue passieren.                                             und Berlin an den theoretischen Modulen teilnehmen und
   sind die Babylotsinnen flächendeckend in jedem Geburts-                                                                                                                                        sich entsprechend qualifizieren. Der praktische Teil findet in
   haus vertreten.                                                                                                                                                                               einem der sechs Regionalen Weiterbildungszentren statt.
                                                                                                                                                                                                 Mehr Infos: www.qualitaetsverbund-babylotse.de.

   Im Rahmen eines feierlichen Symposiums zum Thema „Medi-         Die Pandemie führte dazu, dass Pläne im letzten Jahr oft-        Im Juni wurden die Büroräume in Hamburg-Wandsbek             Zum Abschluss des bewegten Jahres 2020 wurde den Ham-
   zinische und psychosoziale Herausforderungen rund um die        mals neu gedacht werden musste – so auch die Planung für         vom ehemaligen Geschäftsführer der Stiftung und des Wil-     burger Babylotsinnen, die Auszeichnung „Hamburger des
   Geburt" wurde im März Dr. Christine Klapp in den Ruhe-          die Mittelhessenkonferenz am 27.Oktober 2020. Kurzfristig        helmstifts, Domkapitular Berthold Bonekamp, gesegnet.        Jahres“ verliehen. Damit wurde die bedeutsame Arbeit der
   stand verabschiedet. Sie war viele Jahre an der Charité in      musste alles ins Digitale verlegt werden – und das mit Erfolg.   Durch die Haussegnung sollen die Räumlichkeiten zukünf-      Babylotsinnen für die Familien, besonders in Pandemie-Zei-
   der Geburtsmedizin tätig und etablierte mit der Unterstützung   Trotz oder gerade wegen der Umstände nahmen 40 Interes-          tig vor allem Bösen geschützt sein. Corona zum Trotz konn-   ten, gewürdigt und das Engagement ausgezeichnet.
   der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstel-      sierte an der Tagung teil, um noch mehr Standorte in Hes-        ten einige Mitarbeitende, unter Berücksichtigung der AHA-
   lung das Programm Babylotse im eigenen Haus – und auch          sen für das Programm Babylotse zu begeistern. Das erklärte       Regeln, dieser feierlichen Zeremonie beiwohnen.
   an allen Geburtskliniken in Berlin. Wir wünschen alles Gute!    Ziel nach der Veranstaltung: die fehlenden sieben Kliniken in
                                                                   Hessen zu gewinnen.

   4                                                                                                                                                                                                                                                         5
www.seeyou-hamburg.de - Jahres- und Wirkungsbericht 2020 - Stiftung SeeYou
Zusammenhalt
                                                 stressiger denn je                                                                                  1.2 Gegenstand des Berichts
                                      herausfordernd     anstrengend
            Gemeinschaftsgefühl                                                                                                                        Geltungsbereich
                                                                                                                                                                                                                                 Der Bericht stellt die Angebote und Leistungen
                                                                                                                                                                                                                                 der Stiftung SeeYou dar.

                                    Politikverdrossenheit
              digital                       Überforderung intensiv                                                                                     Berichtszeitraum und -zyklus                                              Kalenderjahr 2020, jährlich
                                    Freunde

                                                                                          Kinder
                                                                                                 Einsamkeit
                                                                                                                                                       Anwendung des Social-Reporting-Standards (SRS)                            Vorgaben des SRS 2014
                                      Festnetztelefonie

          alles gleichzeitig
                                         Demut            durchdrehen                                                                                1.3 Vision und Mission                                                      Auf der Metaebene sorgen wir für eine verbindliche
                                                                                                                                                                                                                                 und systematische Kooperation der unterschiedlichen
                                                                                          auf Sicht fahren
                                                         Entscheidungen
                                                                                                                                                     Wir haben die Vision, dass auch das Leben von Fami-                         sozialen Sicherungssysteme. Dazu bedarf es definier-
                                                                      inspirierend   Gesundheit                                                      lien mit hohen Belastungen gelingen kann. Wir möch-                         ter, abrechenbarer Leistungen in der Gesundheits- und

                                                                                     Flexibilität
                                                                                                                                                     ten, dass unabhängig vom Wohnort, der Arztpraxis                            Jugendhilfe in Form von durch das Case-Management
                                                                                                                                                     oder der Geburtsklinik jedem Kind die bestmöglichen                         gestützten Lotsendiensten aus dem Gesundheitssys-
                                                                                                                                                     Entwicklungschancen zuteilwerden. Gerade Men-                               tem heraus in andere soziale Sicherungssysteme. Die
     unwiederbringlich                                                                    weniger ist mehr                                           schen mit einem hohen Unterstützungsbedarf nehmen                           Leistungserbringung soll unabhängig von den Aspek-
                                                                                                                                                     Hilfsgebote oftmals nicht in Anspruch (Präventionsdi-                       ten Zeitpunkt (vor- / nachgeburtlich), Zugangsweg (sta-
                                                                                                                  Erschöpfung
    Relaunch zurücksetzen                         eng                                                                                                lemma). Dies gilt insbesondere für (werdende) Eltern.                       tionär / ambulant) und Art des Bedarfs bzw. der benö-

                     intensive Familienzeit                                                                                                          Dadurch wird eine gesunde Kindesentwicklung gefähr-
                                                                                                                                                     det.
                                                                                                                                                                                                                                 tigten Hilfen (medizinisch / psychosozial) möglich sein.
                                                                                                                                                                                                                                 Wir entwickeln und erforschen im Rahmen von Pro-

          Homeschooling                                             Wertschätzung                                                                                                                                                jekten Unterstützungs- und Versorgungskonzepte für
                                                                                                              Beständigkeit im Wandel
                                                                                                                                                     Das Ziel der Stiftung ist daher das systematische, früh-                    (werdende) Familien und stellen auch anderen Interes-
                 Familie                                                                   Stress                                                    zeitige, empathische und verlässliche Erkennen von                          sierten neue Erkenntnisse zur Verfügung.

        Fremdbestimmung                                                                                                                              gesundheitlichen und / oder psychosozialen Unterstüt-
                                                                                                                                                     zungsbedarfen bei Schwangeren und jungen Familien                           Auf der Systemebene setzen wir uns dafür ein, eine
                                                                                               Gesellschaft

                                                                                                                                                     im Gesundheitssystem. Bei Bedarf stellen wir gemein-                        gesetzliche Grundlage für eine sozialgesetzbuchüber-
                                                Flexibilität
                  Video-Gespräche

                                        Fokus

                                                                                                                                                     sam mit den Eltern eine passgenaue Überleitung zu                           greifende Lotsentätigkeit zu schaffen, die eine bedarfs-
                                                               Homeoffice                                                                            Hilfsangeboten der verschiedenen sozialen Siche-
                                                                                                                                                     rungssysteme sicher.
                                                                                                                                                                                                                                 orientierte Leistungserbringung für Schwangere und
                                                                                                                                                                                                                                 Familien ermöglicht.

                                                                                                                                                     Am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift leis-                        Auf diese Weise werden die somatische und psycho-
                                    vermehrte Belastung der Familien                                                                                 ten wir Sozialmedizinische Nachsorge für Frühgebo-                          soziale Gesundheit der Kinder sowie ihre gesellschaft-

                                      Ungewissheit                                                                                                   rene, chronisch und schwerstkranke Kinder sowie ihre
                                                                                                                                                     Familien nach dem Modell Bunter Kreis1. Darüber hin-
                                                                                                                                                     aus unterstützen Babylots*innen der Stiftung Schwan-
                                                                                                                                                                                                                                 liche Teilhabe verbessert.

                                    durchhalten
                                                                                                                                                     gere und Familien mit psychosozialen Belastungen in
                                              Dunnin-Kruger-Effekt
               Wertschätzung

                                                                                                                                                     Geburtskliniken sowie Frauen- und Kinderarztpraxen
                                                                             Anspannung                                                              in Hamburg und der zugehörigen Metropolregion. In
                                      Kolleginnenwechsel                                                                                             Deutschland befähigen wir interessierte Akteur*innen
                                                                                                                                                     auf vielfältige Weise dazu, mit unseren Konzepten ver-
                                                 Hobby-Virologen
                                                                                                                                Mut                  gleichbare Unterstützungssysteme aufzubauen.
                                          Video-Konferenzen
                                    Besinnung                                                                                                        1 Der Bundesverband Bunter Kreis e.V. ist ein Zusammenschluss der deutschen Nachsorgeeinrichtungen. Sein Nachsorge-Modell hat in Deutschland Vorbild-
                                                                                                                                                     funktion. Über 90 Einrichtungen arbeiten nach den gleichen Prinzipien und Qualitätsstandards.

                               Entschleunigung
                                                                                                     Mitarbeitende bei SeeYou über ihr Coronajahr.
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Unsere Förder*innen

  Unsere engagierten Förder*innen

  Wir danken allen Spender*innen, Förder*innen und Freund*innen für ihr Engagement sowie ihre Unterstützung.
  Wie wunderbar, dass es Wegbegleiter*innen gibt, die mit einmaligen oder regelmäßigen Zuwendungen, mit
  „Spenden statt Geschenken“ oder Kondolenzspenden „helfen uns zu helfen“ und somit vielen Familien eine
  Perspektive geben. Wie Sie uns helfen können, lesen Sie hier: www.seeyou-hamburg.de/foerdern-spenden/
  spenden/

                                                                                                                                                                            von Arnim’sche Stiftung
                                                                  Christel-Grimme-Stiftung

                                                                                                                      

      „Prinzipiell möchte ich gerne mit einem Teil mei-    „Einer der Schwerpunkte der Edmund Sie-             „In der Corona-Krise haben gerade die Kinder       „Wenn man Familien und ihren Kindern helfen
      nes Einkommens Familien unterstützen und             mers-Stiftung ist die Förderung der Kinder- und     und Jugendlichen viele Entbehrungen auf sich       kann, die es nicht so leicht haben – da bin ich
      war daher vor einiger Zeit auf der Suche nach        Jugendhilfe, besonders von Randgruppen und          nehmen müssen. Geschlossene Kitas und Dis-         auch mit ganzem Herzen dabei!“
      geeigneten Spendenempfängern. Als Vater              Minderheiten in Hamburg.                            tanzlernen, kaum Kontakte zum Freundeskreis
      eines inzwischen 3-jährigen Sohnes liegt mir die                                                         und sogar zu den eigenen Verwandten. All das       Olaf Steffen
      Unterstützung von Kindern, die einen nicht ganz      Sie wird durch gezielte Bildung und Erziehung       hat vor allem bei den Jüngsten zu vielen Fra-      IT Weischer Solutions GmbH
      so einfachen Start haben, am Herzen. Über            unterstützt, unter anderem auch, um dadurch         gen, Ängsten und Verunsicherung geführt. Wir
      das Phineo Wirkt-Siegel für die Babylotsen bin       die Integration zu fördern. Im Rahmen des           freuen uns daher sehr über das Engagement
      ich letztlich auf SeeYou gestoßen. Die positive      von der Edmund Siemers-Stiftung aufgelegten         der Stiftung SeeYou - die Corona-Erklärvideos
      Bewertung von Phineo als unabhängiger Dritter        Coronafonds, haben wir in diesem Sinne das          treffen da genau den richtigen Ton. Insofern ist   Wir sagen DANKE!
      hat mir geholfen und gibt mir das gute Gefühl,       Erklärvideo von der Stiftung SeeYou sehr gern       unsere Spende zur Realisierung dieses Projek-      Spendenkonto
      dass meine Spende ankommt.“                          gefördert.“                                         tes genau richtig angekommen.“                     DKM Darlehnskasse Münster eG
                                                                                                                                                                  Konto 250 501 00, BLZ 400 60 265
      Anonymer Spender                                     Christiane Siemers-Guth                             Manfred Alfers                                     IBAN: DE89 4006 0265 0025 0501 00
                                                           Edmund Siemers-Stiftung                             DKM Darlehnskasse Münster eG                       BIC: GENODEM1DKM

                                                                                                                                                                  www.seeyou-hamburg.de/foerdern-spenden/
                                                                                                                                                                  spenden

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1.4 Das gesellschaftliche Problem                                               vermutlich die stärkste Einflussgröße bezogen auf vor-
                                                                                zeitige Erkrankungen und Sterblichkeit. Forschungs-                             Belastungsfaktoren und (potenzielle) medizinische Auswirkungen7
1.4.1 Ausgangslage                                                              ergebnisse zeigen auf, dass pränatale Bedingungen
                                                                                – beispielsweise mütterlicher Stress, Infektion, Ent-                             Somatische Belastungen                                   Psychische Belastungen                                   Soziale Belastungen
Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland oft-                              zündung, Drogen- und / oder Alkoholexposition – Ver-
                                                                                                                                                                  Adipositas                                               Paarproblematik                                          Arbeitsbedingungen
mals unter hohen Belastungen auf. Die Zahl von Kin-                             änderungen im Gehirn des Ungeborenen und infolge-
                                                                                                                                                                  Mangelernährung                                          Gewalt                                                   Wohnsituation
dern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft, die                              dessen psychopathologische Entwicklungsstörungen
                                                                                                                                                                  Nikotin                                                  u. a.                                                    Umwelt
unter schwersten und / oder chronischen Erkrankun-                              wie Autismus, ADHS oder Schizophrenie verursachen
                                                                                                                                                                  Alkohol                                                                                                           u. a.
gen leiden, wächst stetig: Über 60 000 Kinder werden                            können. Diese Einflüsse können sich auf die Anato-
                                                                                                                                                                  u. a.
jährlich in Deutschland zu früh geboren, 12 Prozent                             mie des Gehirns sowie die strukturelle oder funktio-
der 0- bis 17-jährigen Kinder sind chronisch krank.                             nelle Konnektivität neuronaler Strukturen auswirken.                                                                                                                            Stress
Ihre medizinische Versorgung ist in Deutschland gut,                            Soziale Interventionen sollten daher extrem früh – in
dennoch sind viele Familien mit der Behandlung sowie                            Schwangerschaft und frühester Kindheit – einsetzen,
ihren sozialen und psychischen Folgen überfordert.                              um die „angeborene“ Armut erfolgreich zu bekämpfen.                                                                                                                          Infektionen

Der medizinische Fortschritt ermöglicht in Deutschland                          Untersuchungen von James Heckman4 legen nahe,
immer mehr Kindern eine Heilung und somit ein Leben                             dass auch volkswirtschaftlich betrachtet Interventionen
mit der Krankheit und / oder die Verlängerung des                               umso sinnvoller sind, je früher sie einsetzen. Gleichzei-
Lebens. Extrem zu früh geborene Kinder überleben,                               tig verzeichnen die meisten Kommunen in Deutschland
Kindern mit vielfältigen Behinderungen kann geholfen                            massiv steigende Ausgaben für Hilfen zur Erziehung.                              Gestationsdiabetes             Mangelgeborenes                   Frühgeburt                   Fehlgeburt                  Fehlbildungen
werden, die Heilungschancen bei Krebs sind teilweise                            Bundesweit haben die Jugendämter laut Statistischem
auf über 80 Prozent gestiegen, Kinder mit fortschrei-                           Bundesamt 2019 knapp 55 Milliarden Euro für Einzel-
tenden Krankheiten erreichen das Erwachsenenalter.                              und Gruppenhilfe sowie Einrichtungen der Jugendhilfe
Diese Erfolge haben dazu geführt, dass die Zahl der                             ausgegeben. Im Vergleich zu 2009 entspricht dies
Kinder mit erhöhtem Versorgungsbedarf zunimmt.                                  einer Verdopplung der Ausgaben (um knapp 27 Milli-
                                                                                onen Euro).5
Das Risiko für Kinder aus psychosozial und / oder
gesundheitlich hoch belasteten Familien, eine                                   Kinder und Jugendliche werden hierzulande in Klini-                                                          Mütterliche                    Erhöhte perinatale                Kindliche Erkrankungen,
schwere, chronische oder psychische Krankheit oder                              ken, Rehabilitationszentren oder Spezialeinrichtungen                                                        Erkrankung                         Mortalität                    Entwicklungsstörungen
gravierende Entwicklungsstörungen zu erleiden, ist im                           stationär medizinisch umfassend und intensiv nach
Vergleich zur Normalbevölkerung deutlich erhöht2,3.                             höchsten medizinischen Standards behandelt. Viele
Gleichzeitig sind in diesen Familien die Ressourcen zur                         fallen jedoch nach der Entlassung in ein „Versorgungs-                     Grafische Darstellung der Belastungsfaktoren
Sicherstellung einer möglichst ungestörten Entwick-                             loch“. Gerade am Übergang von der Klinik nach Hause
lung eines neugeborenen Kindes reduziert. Mögliche                              sind die Patientenfamilien bei der Krankheitsbewälti-                      diese anspruchsvolle und kräfteraubende Aufgabe                                 mit der komplexen Behandlung sowie den sozialen
Folgen für das Kind sind eine höhere Krankheitshäu-                             gung stark gefordert: Sie müssen Gefühle wie Angst,                        nicht (allein) zu bewältigen. Gerade in der Umgebung                            und psychischen Folgen der Krankheit ihres Kindes
figkeit, eine höhere Sterblichkeit sowie eine Behinde-                          Schuld, Hilflosigkeit und / oder Wut bewältigen; sie                       des Katholischen Kinderkrankenhauses Wilhelmstift in                            überfordert. Medizinische Behandlungen und andere
rung seiner intellektuellen, seelischen und körperlichen                        müssen die vielfältigen, teils sehr komplexen Thera-                       Hamburg-Rahlstedt leben viele Familien in prekären                              Hilfen können dann oftmals nicht umgesetzt werden.
Entwicklung.                                                                    pien verstehen und in ihren Alltag integrieren; sie müs-                   Verhältnissen. Diese Familien haben häufig geringere                            Der medizinische Behandlungserfolg ist gefährdet,
                                                                                sen das Leben aller Familienmitglieder (bezogen auf                        Ressourcen und sind nach der Klinikentlassung durch                             wiederholte Krankenhausaufenthalte drohen. Letztlich
Empirische Erkenntnisse über den Zusammenhang                                   Beruf, Schule, Freizeit) neu organisieren; sie müssen                      die Erkrankung, Behinderung und / oder besondere                                ist eine nicht gelingende ambulante Therapie auch mit
zwischen Armut und Gesundheit lassen sich heute                                 sich mit einer zunehmenden Bürokratie und sparsa-                          Pflegebedürftigkeit ihres Kindesakut überfordert. Die                           hohen Kosten für das Solidarsystem der Versicherten
naturwissenschaftlich untermauern. Das Zusammen-                                men Kostenträgern auseinandersetzen.6                                      Gründe dafür sind vielfältig: Sie reichen von alleiner-                         verbunden.
spiel von Genetik, Epigenetik und sozioökonomischen                                                                                                        ziehenden Elternteilen über eine prekäre Wohn- und /
Lebensumständen bewirkt zahlreiche, u.  U. lebens-                              Insbesondere dann, wenn die familiären Ressourcen                          oder Finanzsituation bis hin zum Migrationshintergrund                          Familien benötigen daher ein verbindliches Case-
lange gesundheitliche Konsequenzen. Die Zugehö-                                 durch weitere gesundheitliche und / oder psychosozi-                       oder einer Erkrankung der Eltern. Am Übergang von                               Management, das sie bei der Umsetzung der notwen-
rigkeit zu einer niedrigen sozialen Schicht ist weltweit                        ale Belastungen zusätzlich reduziert sind, ist jedoch                      stationärer zu ambulanter Therapie sind viele Familien                          digen Hilfen am Übergang von der stationären Behand-

_________                                                                                                                                                  _________
2 Lenz, 2009.                                                                                                                                              7 Nach Goeckenjan et al, 2009, Soziales Risiko – geburtshilfliches Risiko? Gynäkologe. 42. (S. 102-110); Erläuterungen zur Abbildung: Adipositas = starkes
3 Dragano, Lampert & Siegrist, 2010.                                                                                                                       oder krankhaftes Übergewicht, Gestationsdiabetes = Schwangerschaftsdiabetes, perinatale Mortalität = Totgeburten und Todesfälle bis zum 7. Tag nach der
4 Heckman and Masterov, 2007, Early Childhood Development is a Smart Investment. The earlier the investment, the greater the return.                       Geburt pro 1000 Geburten.
5 Statistisches Bundesamt (Destatis), https://de.statista.com/statistik/daten/studie/72050/umfrage/ausgaben-fuer-kinder--und-jugendhilfe-in-deutschland/
  Abfrage vom 28.05.2021, 12:30 Uhr.
6 Businessplan Bundesverband Bunter Kreis e. V., Nachsorgemodell Bunter Kreis, 2014.

10                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  11
www.seeyou-hamburg.de - Jahres- und Wirkungsbericht 2020 - Stiftung SeeYou
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lung zur häuslichen Umgebung unterstützt und durch                              ¡ So gibt es Familien, in denen primär kein Bewusst-                    Good-Practice-Kriterien12 für die Ausgestaltung entsprechender Angebote sind daher folgende:
verlässliche Vernetzung mit der ambulanten medizini-                               sein für den eigenen Unterstützungsbedarf besteht.
schen Versorgung den medizinischen Behandlungser-
folg sichert. So wird mit und nach der Erkrankung eine                          ¡ Andere Familien erkennen zwar einen Unterstüt-                             Kriterien                                   Erläuterungen
möglichst gesunde Kindesentwicklung gefördert.                                     zungsbedarf, wissen aber nicht, dass dieser zu
                                                                                   decken ist.                                                                                                           ¡ Einbindung von „Türöffner*innen“ mit besonderer Ver-
Auch Familien ohne schwerwiegende Erkrankung                                                                                                                                                                trauensstellung bezogen auf die Zielgruppe (Hebammen,
eines Kindes leiden jedoch oftmals unter schweren                               ¡ Manchmal scheitern Hilfen daran, dass Familien                             Finden eines systemati-                        Schwangerschaftsberater*innen)
Belastungen.                                                                       nicht wissen, wie (und wo) ihr Unterstützungsbedarf                       schen und umfassenden
                                                                                   zu decken ist.                                                            Zugangs zu Zielgruppen                      ¡ Nutzung von etablierten Vorsorgestrukturen der medizinischen Versor-
Die Notwendigkeit, diese Familien möglichst frühzeitig                                                                                                       sowie Schaffung vernetzter                     gung; dabei ist relevant, dass von den Türöffner*innen keine Stigmati-
zu erkennen und ihnen eine passgenaue Unterstüt-                                ¡ In anderen Fällen wiederum gibt es kein Angebot,                           Angebote                                       sierung ausgeht
zung aus den Frühen Hilfen zu vermitteln, ist hinrei-                              das ihren Unterstützungsbedarf deckt, oder die
chend belegt.8                                                                     Angebote sind qualitativ und / oder quantitativ nicht                                                                 ¡ Brückenbauen an System- und Angebotsgrenzen, dazu zählen Lotsen-
                                                                                   dafür geeignet, den speziellen Unterstützungsbe-                                                                         systeme, Präventionsketten und kommunale Netzwerke
Gleichzeitig ist diese Aufgabe angesichts eines viel-                              darf zu decken.
fältigen, oftmals unübersichtlichen Angebots an Frü-                                                                                                                                                     ¡ an die Bedarfe der Familien angepasste Angebotsvorhaltung, -gestal-
hen Hilfen selbst für professionelle Helfer*innen sehr                          Somit kommt den Zugangswegen zu den Familien                                 systematische                                  tung und Information
anspruchsvoll. In Hamburg gab es 2010 beispielsweise                            sowie den Möglichkeiten, diese zur Inanspruchnahme                           Belastungseinschätzung
schon rund 400 Angebote der Frühen Hilfen.9                                     von Hilfen zu motivieren, eine herausragende Bedeu-                          und Bedarfsorientierung                     ¡ verbindliche Verfügbarkeit und Anwendung von Instrumenten zur
                                                                                tung zu.10                                                                                                                  Bedarfseinschätzung
¡ Das vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH)
     beschriebene Präventionsdilemma (Seite 13) stellt                              „Der beste Weg, um Kinder vor Vernachlässi-                                                                          ¡ eine Geh- statt Komm-Struktur, d. h. eine aufsuchende Arbeits-
     ein Modell für die Erklärung dessen dar, warum                                 gung zu schützen, ist unumstritten der einer                                                                            weise (Familienhebammen / Familien-Gesundheits- und
     Familien mit einem psychosozialen Unterstützungs-                              Früherkennung und von Frühen Hilfen“, sagen                              niedrigschwellige                              Kinderkrankenpfleger*innen (FGKiKP); Familienpat*innen)
     bedarf nicht die erforderliche Unterstützung erhal-                            Kinderschutzexpert*innen weltweit.11                                     Arbeitsweise
     ten:                                                                                                                                                                                                ¡ sozialräumlich (Setting-Ansatz13; Familienzentren)

                                                                                                                                                                                                         ¡ Schaffung von mehr handlungs- als gesprächsorientierten Angeboten
_________
8     Geeraert, 2004.                                                                                                                                        Partizipation                               ¡ Einbeziehung und hoher Grad an Beteiligungsmöglichkeiten für die
9     Pawils, 2010.
10    „Geeignete Zugangswege zu schaffen stellt eine der größten Herausforderungen für die Forschung als auch für die Praxis in der Prävention und 		                                                       Zielgruppe
      Gesundheitsförderung dar.“ (Walter & Jahn, 2015: „Zielgruppen erreichen – Zugangswege gestalten“).
11    Helmig, 2006.
                                                                                                                                                                                                         ¡ auf vorhandenen Stärken und Ressourcen aufbauen

                                                                                                                                                             Empowerment                                 ¡ Hilfe zur Selbsthilfe, Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung und
                                                                                                                                                                                                            dadurch der eigenen Handlungskompetenz hin zum selbstbestimmten
                                                                                                                                                                                                            Handeln

                                                                                                                                                                                                         ¡ Förderung von Potenzialen und Ressourcen (anstatt Fokussierung auf
                                                                                                                                                             Von besonderer                                 die Defizite)
                                                                                                                                                             Bedeutung ist eine
                                                                                                                                                             wertschätzende Haltung                      ¡ Zusammenarbeit auf Augenhöhe (keine Bevormundung)
                                                                                                                                                             der Fachkräfte
                                                                                                                                                             gegenüber den Eltern                        ¡ Authentizität

                                                                                                                                                                                                         ¡ Überwindung soziokultureller Unterschiede

                                                                                                                                                        _________
                                                                                                                                                        12    Nach M. Paul, NZFH 2019.
                                                                                                                                                        13    Der Setting-Ansatz nimmt die Lebenswelten von Menschen und damit die Bedingungen in den Blick, unter denen Menschen spielen, lernen, arbeiten und
                                                                                                                                                              wohnen.

12                                                                                                                                                                                                                                                                                                          13
www.seeyou-hamburg.de - Jahres- und Wirkungsbericht 2020 - Stiftung SeeYou
SeeYou                                                                                                                                  1.4.2 Ursachen-Folgen-Kette des gesellschaftlichen Problems im Überblick
                                                                                                                                                                Ursachen

Systematische Verfahren zur Ansprache und Vermitt-                              Ergänzend dazu werden Lotsendienste auch auf Bun-                                    Jedes Jahr sind in ganz Deutschland mehr als 40 000 Familien20 mit einer neuen schweren Erkrankung
lung von psychosozial belasteten Familien aus dem                               desländerebene als förderfähig ausgewiesen, so z. B.                                 ihres Kindes und somit einem grundlegenden Eingriff in ihren Alltag konfrontiert. Der medizinische Fort-
Gesundheitswesen heraus sind notwendig und hilf-                                im Rahmen der „Landesförderung Frühe Hilfen, Prä-                                    schritt ermöglicht zugleich immer mehr Kindern eine Heilung und dadurch ein Leben mit der Krankheit bzw.
reich – diese Aussage gilt mittlerweile als Konsens.                            vention und Kinderschutz in Hessen“.                                                 die Verlängerung des Lebens. Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf, zahlreiche weitere
Erfahrungen von SeeYou in Hamburg und Zahlen des                                                                                                                     Familien leiden unter schwerwiegenden psychosozialen Belastungen.
Qualitätsverbunds Babylotse e. V. in Deutschland zei-                           Trotz dieser optimistisch stimmenden Trends ist das                                  Für viele Probleme stehen zwar wirkungsvolle Hilfen zur Verfügung, aber das Präventionsdilemma, stark
gen, dass rund ein Viertel der jungen Familien einen                            Hauptproblem einer flächendeckenden Regelfi-                                         versäulte Hilfesysteme und hohe Barrieren der Inanspruchnahme verhindern, dass komplexe Unterstüt-
erhöhten Beratungsbedarf rund um die Geburt haben,                              nanzierung von Lotsendiensten weiter ungelöst,                                       zungsbedarfe gedeckt werden.
Tendenz steigend.14 67,1 Prozent der vom NZFH                                   außerdem fehlen verbindliche, einheitliche Quali-
befragten Geburtskliniken gaben an, dass der Anteil an                          tätsstandards. SeeYou setzt sich auf verschiedenen                                   Sozialmedizinische                          Babylotse:                         Transfer:
psychosozial belasteten Familien zugenommen hat.15                              Ebenen dafür ein,                                                                    Nachsorge:
Dieser Trend wird in Großstädten und städtischen Krei-                                                                                                               ¡ In der Kinderklinik fehlt oft             ¡ Viele Familien leiden unter      Es fehlen
sen zugleich deutlich stärker wahrgenommen als in                               ¡ eine regelhafte, flächendeckende Finanzierung,                                       eine systematische Erfas-                   hohen psychosozialen und         ¡ ein gesetzlicher Auftrag für
ländlichen und dünn besiedelten Gebieten.                                                                                                                              sung von biopsychosozialen                  gesundheitlichen Belastungen.       das Gesundheitssystem zur
                                                                                                                                                                       Krankheitsfolgen (International                                                 Einführung von Lotsendiens-
                                                                                ¡ einheitliche Qualitätsstandards,                                                                                               ¡ Zahlreiche Barrieren ver-
                                                                                                                                                                       classification of functioning,                                                  ten,
Die praktischen Erfahrungen von SeeYou mit der                                                                                                                                                                     hindern die frühzeitige und
Ansprache von Kliniken, Jugendhilfeträgern und                                  ¡ eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Qualität                                  disability and health).                                                      ¡ eine Regelfinanzierung für
                                                                                                                                                                                                                   nachhaltige Inanspruchnahme
Kommunen decken sich auch hinsichtlich der Nach-                                    sowie                                                                            ¡ In der Gesellschaft mangelt                 von Hilfen.                         diese Leistung und
frage nach Lotsendiensten mit den Erkenntnissen des                                                                                                                    es an einer Berücksichtigung                                                 ¡ Qualitätsstandards für alle
                                                                                                                                                                                                                 ¡ Daraus erwächst eine „Verer-
NZFH. Übereinstimmung zwischen Forschung und                                    ¡ den Know-how-Transfer                                                                der Zusammenhänge von                                                           Lotsendienste.
                                                                                                                                                                                                                   bung“ der in Armut aufwach-
Praxis besteht auch darin, dass sich sowohl für die                                                                                                                    Gesundheit und psychosozia-
                                                                                                                                                                                                                   senden Kindern und Jugend-
Geburtsklinik als auch die entsprechend versorgten                              für Lotsendienste sicherzustellen sowie zu verstetigen                                 len Rahmenbedingungen und
                                                                                                                                                                                                                   lichen sowie eine erhöhte
Familien Vorteile ergeben: Die Überleitung in externe                           und somit allen interessierten Akteur*innen zur Verfü-                               ¡ an der Finanzierung von koor-               Morbidität und Mortalität
Unterstützungsangebote gelingt besser und häufiger,16                           gung zu stellen. Von den rund 660 Geburtskliniken in                                   dinierenden und vernetzenden                dieser Gruppen (Zusammen-
die Zusammenarbeit mit Externen verbessert sich, die                            Deutschland gab es laut Milupa-Liste 2019 zum Jah-                                     Leistungen.                                 hang zwischen Armut und
Zufriedenheit der Mitarbeitenden in den Geburtsklini-                           resende 360 Geburtskliniken mit jeweils mehr als 800                                                                               Gesundheit).
ken sowie der (werdenden) Eltern ist deutlich größer                            Geburten jährlich. Nach Abzug derjenigen Kliniken,
                                                                                                                                                                 Gesellschaftliches Problem
und das Image der Klinik profitiert durch den Einsatz                           die ein systematisches, qualitätsgestütztes Programm
von Lotsendiensten.17,18                                                        wie Babylotse, „Kinderzukunft NRW“ oder „Landespro-                                                                              Die Entwicklungschancen von        Eine flächendeckende Einführung
                                                                                gramm Frühe Hilfen (Saarland)“ einsetzen, ergibt sich                            Der medizinische Behandlungser-                 Kindern und Jugendlichen sind      von Lotsendiensten zur Sicher-
Gleichzeitig befördern neue Finanzierungsmöglich-                               ein Ausweitungspotenzial im Umfang von 70 bis 100                                folg ist gefährdet.                             stark von ihren gesundheitlichen   stellung bedarfsgerechter, früher
keiten diese Entwicklung: Seit Anfang 2018 werden in                            Kliniken.19                                                                                                                      und psychosozialen Aufwachsens-    und zielgerichteter Hilfen wird
den Leistungsleitlinien der Bundesstiftung Frühe Hil-                                                                                                                                                            bedingungen abhängig.              verhindert.
fen explizit Lotsendienste im Förderbereich „Angebote                                                                                                                Folgen für Kinder, Familien und die Gesellschaft
und Dienste an den Schnittstellen der unterschiedli-
chen Sozialleistungssysteme“ als förderfähig benannt.                                                                                                                ¡ Rückfälle und neue Erkran-                ¡ Die Wahrscheinlichkeit von       ¡ Psychosoziale Bedarfe von
                                                                                                                                                                       kungen mit der Gefahr eines                 chronischen Erkrankungen           Familien werden nicht überall
                                                                                                                                                                       „Drehtüreffekts“ drohen,                    des Kindes und gravierenden        gleichermaßen erkannt.
_________
                                                                                                                                                                                                                   Entwicklungsstörungen steigt.
14   Auszug aus den vorl. Kennzahlen Qualitätsverbund Babylotsen Deutschland 2020: Bei 27 Prozent der Entbindungen ergab sich ein Beratungsfall, davon              ¡ die Wahrscheinlichkeit einer                                                 ¡ Es kommt zur Fehlallokation
     waren 7 Prozent Intensivfälle mit komplexen Problemlagen und multiplen Überleitungen.
15   Renner & Scharmanski: Die Geburtsklinik in den Frühen Hilfen. Anlage und erste Ergebnisse des ZuFa-Monitorings (Zusammen für Familien) des NZFH.                  Überforderung der Familie                 ¡ Die Chancen auf eine alters-       der Frühen Hilfen.
     Vortrag bei dem Workshop „Sozialdienst im Krankenhaus und Frühe Hilfen“ am 07.02.2018 in Köln.                                                                   steigt,                                     gerechte Teilhabe sinken.
16   Ausnahmen sind die Fälle, in denen das Jugendamt eingeschaltet wird.                                                                                                                                                                           ¡ Daher kann keine Chancen-
17   Renner & Scharmanski (2019): Ergebnisse aus dem Studienzyklus „Zusammen für Familien“ (ZuFa-Monitoring Gesundheit und Frühe Hilfen) durch das                  ¡ die Chancen des Kindes auf                                                     gleichheit für ein gesundes
     Nationale Zentrum Frühe Hilfen. Vortrag „Bundesweite Befragung von Geburtskliniken“ bei dem Experten-Workshop zu den Qualitätskriterien von Lotsen-
     diensten Frühe Hilfen am 22.01.2019 in Köln.                                                                                                                      eine gesunde Entwicklung                                                       Aufwachsen aller Kinder her-
18   51,2 Prozent der Befragten fühlen sich gut oder sehr gut entlastet durch die Betreuung von Familien mit psychosozialem Unterstützungsbedarf.                     sinken.                                                                        gestellt werden.
     78 Prozent der Befragten halten Babylotsen für gut oder sehr gut in ihre Praxen- oder Klinikabläufe integriert (Einweiserbefragung von SeeYou, 05.01. –
     31.01.2018).
19   4,5 Prozent der Kliniken haben die Einrichtung einer speziellen Funktion für Frühe Hilfen konkret in Planung, weitere 18,1 Prozent sind konkret in
     Planung. Von den 24,5 Prozent der Kliniken, die bereits eine Lösung haben, könnten weitere 10 Prozent an einer qualitativen Weiterentwicklung in                Fehlende Präventionsketten führen zu gesundheitlichen, sozialen sowie psychischen Folgeschäden und
     Richtung Babylotse interessiert sein. Renner & Scharmanski (2018): Die Geburtsklinik in den Frühen Hilfen. Anlage und erste Ergebnisse des
     ZuFa-Monitorings.
                                                                                                                                                                     verursachen so hohe Folgekosten. Die Familien sind in ihrer sozialen Teil-habe und ihrer Arbeitsfähig-
                                                                                                                                                                     keit eingeschränkt. Die Ausgrenzung psychosozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen verschärft sich
                                                                                                                                                                     dadurch weiter.

                                                                                                                                                                _________
                                                                                                                                                                20    https://www.bunter-kreis-deutschland.de.
14                                                                                                                                                                                                                                                                                    15
www.seeyou-hamburg.de - Jahres- und Wirkungsbericht 2020 - Stiftung SeeYou
SeeYou

Fehlende Präventionsketten führen zu gesundheitli-                            Hamburger Landesinitiative „Guter Start für Hamburgs
chen, sozialen sowie psychischen Folgeschäden und                             Kinder“ ergänzt und in eine Präventionskette integriert.
verursachen so hohe Folgekosten für das Solidarsys-                           Die zentralen Ziele der Frühen Hilfen als Präventions-
tem. Die Familien sind in ihrer sozialen Teilhabe und                         kette22 folgen als Überblick:
ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. Die Ausgrenzung
psychosozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen                              ¡ Erkennen von Schwangeren / Müttern und Vätern
verschärft sich dadurch weiter.                                                   mit psychosozialem Unterstützungsbedarf in der
                                                                                  Geburtsklinik durch Mitarbeiter*innen der Klinik;
1.5 Bisherige Lösungsansätze
                                                                              ¡ Klärung von deren Hilfebedarf in der Klinik durch
In Hamburg und Umgebung gibt es zahlreiche Hilfen,                                Fachpersonal der Babylotsen Hamburg;                                    der Patient*innen hinaus andere Faktoren in den Blick    ¡ fehlender oder unzureichender Nutzung der Kom-
Pflegedienste und Selbsthilfegruppen für Familien mit                                                                                                     zu nehmen, die für ein gesundes Aufwachsen des Kin-        petenzen der Mitarbeitenden des Gesundheitssys-
kranken, behinderten oder anderweitig besonders pfle-                         ¡ mit Einverständnis der Mütter / Eltern Überleitung                        des erforderlich sind. So sollen die Hamburger Kran-       tems hinsichtlich der Ansprache auf psychosoziale
gebedürftigen Kindern. Auch die Mütterberatung und                                zum regionalen Familienteam, dort Identifizierung                       kenhäuser nach der letzten Änderung des Hamburgi-          Bedarfe und
die Frühen Hilfen haben die kleinen Kinder im Fokus.                              des Hilfebedarfs und ggf. Vermittlung ins Hilfesys-                     schen Krankenhausgesetzes (§ 6 c) vom 29.12.2014
Der schulärztliche Dienst ist in den Schulen präsent.                             tem (passgenaue Hilfe);                                                 an der Erfüllung der Aufgaben im Rahmen der Frühen       ¡ fehlendem oder unzureichendem Zusammenwirken
Setting-bezogene Angebote spielen eine große Rolle                                                                                                        Hilfen entsprechend § 3 des Gesetzes zur Kooperation       des Gesundheitssystems und der Frühen Hilfen auf-
für die Erreichbarkeit der Zielgruppen. Krippen, Kinder-                      ¡ aufsuchende Arbeit, bedarfsgerechte Begleitung                            und Information im Kinderschutz mitwirken.                 grund unterschiedlicher gesetzlicher und fachlicher
gärten und Schulen sind weitere Orte, wo Kinder (und                              der Familie sowie Hinwirken auf die Teilnahme an                                                                                   Historie sowie
deren Eltern) erreicht werden können. Über 300 sozi-                              Kinderfrüherkennungsuntersuchungen;                                     Ein weiterer Ansatz des Gesundheitswesens, um
alräumliche Angebote der Familien- und Jugendhilfe                                                                                                        Familien frühzeitig passgenaue Hilfen anzubieten,        ¡ fehlender oder unzureichender bundesweiter ver-
führen jährlich ca. 6 000 individuelle Unterstützungen                        ¡ Vernetzung der Familien mit Eltern-Kind-Zentren                           wird in Form von interprofessionellen Qualitätszirkeln     bindlicher gesetzlicher Vorgaben inklusive einer
durch, 20 000 Nutzer*innen nehmen offene Angebote                                 und in der Folge mit Kitas zur Fortsetzung der Unter-                   Frühe Hilfen (IQZ FH) verfolgt. Diese bieten ein Forum     regelhaften Refinanzierung.
wahr.21 Wichtige Dienstleister*innen im Gesundheits-                              stützung.                                                               für den Austausch und die Vernetzung von Fachkräf-
system sind auch die allerdings sehr knappen ambu-                                                                                                        ten des Gesundheitswesens sowie der Kinder- und          Bundesweit gibt es eine Reihe von Initiativen, die sich
lanten Pflegedienste und Nachsorge-Hebammen.                                  Dadurch sind die Babylots*innen in den Hamburger                            Jugendhilfe, um Familien zu einem frühen Zeitpunkt       für eine systematische und verbindliche Vernetzung
                                                                              Geburtskliniken zu einem Kernelement des Landes-                            Hilfe durch die koordinierte Zusammenarbeit beider       von Gesundheitssystem und Frühen Hilfen engagie-
Neben der Stiftung SeeYou gibt es weitere Ange-                               konzeptes geworden. Ein weiteres Kernelement bilden                         Systeme anzubieten.                                      ren, sich allerdings inhaltlich in relevanten Punkten
bote der Nachsorge nach dem Modell Bunter Kreis in                            die regionalen Familienteams.                                                                                                        unterscheiden. Dazu gehören „Kinderzukunft NRW“
Hamburg: „Kinderlotse e.  V.“ am Universitätsklinikum                                                                                                     Doch trotz dieser vielen sehr wichtigen und wirksa-      in Nordrhein-Westfalen, „Guter Start ins Kinderleben“
Eppendorf (UKE) und „Leuchtturm Hamburg e.  V.“ am                            Der dritte Baustein sind die regionalen Netzwerke im                        men Angebote sowie überzeugender Ergebnisse aus          in Rheinland-Pfalz, „das Landesprogramm Frühe Hil-
Altonaer Kinderkrankenhaus.                                                   Stadtteil. Hier arbeiten die Familienteams zusammen                         der Forschung, welche die Effektivität und Effizienz     fen“ im Saarland, das Lotsensystem im Ortenaukreis,
                                                                              mit Schwangerenberatungsstellen, Eltern-Kind-Zen-                           von Frühen Hilfen und Früherkennungssystemen ein-        Baden-Württemberg, sowie das Projekt „Von Anfang
Auch für psychosozial belastete Familien gibt es zahl-                        tren, Elternschulen, Familienbildungsstätten, Früh-                         drucksvoll belegen,23 gelingen die flächendeckende       an. Gemeinsam.“ des Deutschen Caritasverbandes.
reiche lokale Unterstützungsangebote für Schwan-                              förderstellen, Hebammen, Ärzt*innen und weiteren                            Früherkennung und Intervention in der Praxis noch        Bundesweite Skalierungsbemühungen sind bei diesen
gere und junge Familien mit Kindern im Alter von null                         Fachleuten aus dem Wohnquartier. In allen sieben                            nicht in hinreichendem Maße. Gründe hierfür sind u. a.   eher regionalen Ansätzen nicht zu erkennen. Die inter-
bis drei Jahren (Frühe Hilfen) in Hamburg. Zu diesen                          Hamburger Bezirken organisieren Netzwerkkoordi-                             unzureichende Ressourcen und ein nicht systemati-        professionellen Qualitätszirkel sind ein gleichfalls sehr
Angeboten zählen u. a. (Familien-)Hebammen, die                               nierende das Zusammenwirken der regionalen Netz-                            sches Vorgehen bei der Bedarfserkennung. Gerade          geeignetes Verfahren, um die Zusammenarbeit zwi-
Mütterberatungsstellen der Gesundheitsämter, Eltern-                          werke.                                                                      die Familien, die am dringendsten Unterstützung benö-    schen Gesundheitssystem und Frühen Hilfen zu ver-
Kind-Zentren bzw. Familienzentren.                                                                                                                        tigen, finden aufgrund von Unwissenheit, Schwellen-      bessern, stehen zugleich nicht in Konkurrenz zu den
                                                                              Das Bundeskinderschutzgesetz bezieht bislang nur                            angst und anderem den Weg zu den Hilfsangeboten          Lotsendiensten, sondern ergänzen sich mit Letzteren
Auf der Basis des Bundeskinderschutzgesetzes wur-                             unzureichend die Akteur*innen aus dem Gesundheits-                          häufig schwer oder gar nicht.                            gegenseitig hervorragend.
den präventive Versorgungsstrukturen für (werdende)                           system ein. Daher weist in Hamburg die Landesgesetz-
Familien auf- und ausgebaut sowie verbindliche regi-                          gebung den Krankenhäusern bereits über das Landes-                          Nach Überzeugung und Erfahrung aus inzwischen über
onale Netzwerkstrukturen geschaffen. In Hamburg                               krankenhausgesetz gezielt die Verpflichtung und die                         zehnjähriger Durchführung des Programms Babylotse
wurden so die bestehenden Angebote im Zuge der                                Befugnis zu, über die rein medizinische Versorgung                          liegt dies jedoch insbesondere an:

_________                                                                                                                                                 _________
21   Bericht der Freien und Hansestadt Hamburg, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration 2017: Lebenslagenbericht „Familien in Hamburg“,   23   Geeraert, 2004.
     www.hamburg.de/familie.
22   Ergänzung der Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 25. Oktober 2011 „Verbindliche Vorsorgeuntersuchungen für Kinder
     (U-Untersuchungen) wirksam mit einem System Früher Hilfen verbinden“ – Drucksache 20/1939.

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www.seeyou-hamburg.de - Jahres- und Wirkungsbericht 2020 - Stiftung SeeYou
Nachsorge

                                    Mit Gründung der Stiftung                                          Sozialmedizinische Nachsorge                                                                                                   Die Diabetesnachsorge wird mit
                                  startet die Sozialmedizinische                                        von SeeYou wird durch den                                          Geschwisterkindprogramm                                Unterstützung des Lions Club Lüneburg-
                                     Nachsorge für Früh- und                                           Bundesverband Modell Bunter                                      Ich Auch erhält den Förderpreis                              Ilmenau auf den Raum Lüneburg
                                       kranke Neugeborene.                                                   Kreis akkreditiert.                                              der FamilienBande.                                               ausgeweitet.
        2003                                                                2005                                                              2007                                                              2018                                                        2020

 Idee für Nachsorge entsteht im          2004                      Auch Kinder mit Diabetes mellitus          2006                    Start des Projekts Ich Auch für           2013                      Sozialmedizinische Nachsorge        2019                        Start der kostenlosen
Kinderkrankenhaus Wilhelmstift.                                     Typ I erhalten eine Nachsorge.                                     Geschwister von erkrankten                                         durch SeeYou wird am Marien-                               Pflegekurse (familiale Pflege).
      Vorbild ist das Modell                                                                                                                     Kindern.                                                 krankenhaus ausgebaut dank
          Bunter Kreis.                                                                                                                                                                                   der Förderung des Hamburger
                                                                                                                                                                                                               Spendenparlaments.

 2 – Unsere Angebote
 Die Stiftung SeeYou leistet Nachsorge nach dem                    zu ermöglichen. So werden wiederholt systematische                         2.1 Die Sozialmedizinische Nachsorge                                     den negativen Gesundheitsfolgen für das betroffene
 Modell Bunter Kreis und setzt das in der Stiftung ent-            und verbindliche Brücken zwischen dem Gesundheits-                                                                                                  Kind führen.
 wickelte Programm Babylotse in Hamburg in Geburts-                system und anderen sozialen Sicherungssystemen                             2.1.1 Intendierte Wirkungen der Nachsor-
 kliniken und Arztpraxen um. Darüber hinaus engagiert              errichtet sowie geeignete, niedrigschwellige und nicht                     ge auf direkte und indirekte Zielgruppen                                 Die systemische Wirkung (Impact) lässt sich an der
 sich SeeYou dafür, dass das Programm Babylotse                    stigmatisierende Zugangswege gerade zu hoch belas-                                                                                                  Stärkung der familiären Kompetenzen, einer verbes-
 bundesweit eingeführt wird.                                       teten Familien geschaffen.                                                 Die Stiftung verfolgt mit ihrem Angebot der Sozialme-                    serten Teilhabe der Kinder, z. B. in Form der erfolgrei-
                                                                   Detaillierte Informationen zur Wirkung der Baby-                           dizinischen Nachsorge nach dem Modell Bunter Kreis                       chen Integration in das Bildungssystem (Kita, Schule)
 Im Rahmen der Nachsorge erfolgt eine aufsuchende                  lots*innen finden Sie ab Seite 28.                                         das Ziel, den medizinischen Behandlungserfolg durch                      und dadurch gerechterer Aufwachsensbedingungen
 und beratende Begleitung von Familien mit zu früh oder                                                                                       Sicherstellung der ambulanten medizinischen Thera-                       für diese Kinder erkennen.
 krank geborenen, chronisch kranken oder schwerst-                 Die Stiftung SeeYou unterstützt in ganz Deutschland                        pie sowie die Stabilisierung von Familien in einer kriti-
 kranken Kindern und Jugendlichen im Anschluss an                  Geburtskliniken, Arztpraxen, Jugendhilfeträger und                         schen Lebensphase sicherzustellen.                                       Zielgruppe der Sozialmedizinischen Nachsorge sind
 einen Krankenhausaufenthalt. Ein Ziel ist die Sicher-             Kommunen bei der Einführung des Programms Baby-                                                                                                     Kinder und Jugendliche nach ihrer Entlassung aus der
 stellung des medizinischen Behandlungserfolgs durch               lotse. Dazu bietet die Stiftung ein umfangreiches Ent-                     Die passgenauen und wirkungsvollen Hilfen, die erfor-                    Klinik oder Rehabilitationseinrichtung. Vor allem sehr
 Anleitung, Motivation und Vernetzung. Ein wesentlicher            wicklungs- sowie Qualifizierungs- und Beratungsange-                       derlich sind, um eine gesunde Kindesentwicklung zu                       kleine Frühgeborene und kranke Neugeborene sowie
 Teil der Nachsorge ist die Sozialmedizinische Nach-               bot an. Das bundesweite politische Engagement der                          befördern, erreichen die Kinder so früh wie möglich.                     Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus wer-
 sorge gemäß § 43 (2) Sozialgesetzbuch V (SGB V).                  Stiftung unterstützt außerdem unsere Mission.                              Die Nachsorge ist dann erfolgreich, wenn eine Teilhabe                   den unterstützt. Darüber hinaus können andere akut
 Lesen Sie mehr über unser Angebot der Nachsorge ab                Erfahren Sie mehr über die bundesweite Verbreitung                         der betroffenen Kinder und eine weitestgehend unge-                      und schwerst erkrankte Kinder und Jugendliche – wie
 Seite 19 dieses Berichts.                                         des Programms Babylotse ab Seite 38.                                       störte Entwicklung gesichert werden. Auch aus einer                      schwer brandverletzte Kinder, Kinder mit schweren
                                                                                                                                              gesamtgesellschaftlichen Public-Health-Perspektive                       Atemwegs- und Infektionserkrankungen, Kinder mit
 Das Programm Babylotse richtet sich an junge Fami-                                                                                           ist der nachhaltige Erfolg einer teuren und qualitativ                   neurologischen Erkrankungen sowie kinderchirurgi-
 lien in der Schwangerschaft und frühen Kindheit.                     Das Ziel der Sozialmedizinischen Nachsorge ist                          hochwertigen Krankenhaustherapie ein wichtiges Ziel.                     sche Patient*innen, insbesondere mit Gesichtsfehl-
 Speziell qualifizierte Babylots*innen beraten Familien               die Erhaltung des medizinischen Behandlungs-                            Die Implementierung der Nachsorgeeinrichtung im kli-                     bildungen, und Neugeborene mit Trisomie 21 – vom
 bereits in der Frauenarztpraxis bzw. der Geburtsklinik,              erfolges durch Sicherstellung der ambulanten                            nischen Entlassungsmanagement soll zudem zu einer                        Angebot der Nachsorge profitieren.
 um frühzeitig psychosoziale Belastungen zu erkennen                  medizinischen Therapie sowie die Stabilisierung                         höheren Sensibilität für die Bedeutung von psychoso-                     Die Nachsorge schließt die Lücke zwischen stationärer
 und eine erfolgreiche Vermittlung an geeignete Hilfen                von Familien in einer kritischen Lebensphase.                           zialen Belastungen der Familie und daraus resultieren-                   und ambulanter Behandlung.

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Nachsorge in den Familien
         Nachsorge

                                                     Unterstützen                                                                           Im Rahmen der Sozialmedizinischen Nachsorge wer-             gungsangebote darzustellen und den Kontakt zu wei-
     Erkennen                   Klären                                          Vernetzen              Evaluieren

                                                                                                                            Unterstützung
                                                     und Anleiten

                                                                                                                             Begleitung/
                                                                                                                                            den mit der Familie und externen beteiligten Institutionen   teren Leistungserbringer*innen anzubahnen.
                                                                                                                                            (Hebammen, Pädiater*innen, Physiotherapeut*innen,
                                                                                                                                            Diabetolog*innen, Psycholog*innen, Ämtern und                Anleitung und Motivation, u. a. zur Durchführung der
                                                                                                                                            Behörden) Ziele und Maßnahmen erarbeitet, die im             Behandlung und Inanspruchnahme verordneter Maß-
                                                                                                                                            weiteren Verlauf überprüft und ggf. angepasst werden.        nahmen sowie zur Förderung des Krankheitsverständ-
                                                                                                                                            Die aufsuchende Hilfe schafft ein hohes Maß an Ver-          nisses.
                                                                                                                                            trauen. Der Einblick in die häusliche Umgebung erlaubt
                                                                                                                                            neben der Einschätzung der Lebensumstände eine               Methodisch erfolgt die Hilfeleistung durch das Case-
                                                    Aufsuchende
                                                                                                                                            erweiterte Beobachtung der Interaktionen in der Fami-        Management mit den Merkmalen der Bedarfs-, Fami-
                                                                                                                                            lie sowie die Erfassung weiterer Belastungsfaktoren.         lien- und Ressourcenorientierung, Ganzheitlichkeit,
 Entlassung des           Assessment der            Betreuung der             Nachhaltige Beratung,   Evaluation der
 Kindes mit               Ressourcen und des        Familien nach der         Empfehlung,             Wirkung und                                                                                        Wissenschaftlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Im Umfeld
 Nachsorgebedarf aus      Hilfebedarfs der          Entlassung. Je nach       Überleitung an          Patientenzufrieden-                   Die Betreuung erfolgt schwerpunktmäßig im häusli-            der Familie bereits verfügbare Hilfsangebote werden
 der Klinik steht kurz    Familien für einen        Bedarf mit Anleitung,     passgenaue Angebote     heit.
 bevor.                   gelingenden Alltag.       Schulung,                 des Gesundheits- und                                          chen Bereich. Die Eltern erhalten umfassende Unter-          vernetzt, fehlende Maßnahmen durch Aufbau entspre-
                                                    Unterstützung und         Sozialsystems.                                                stützung bei der medizinischen Therapie ihres Kin-           chender Angebote ergänzt. Die Methode des Case-
                                                    Begleitung.
                                                                                                                                            des, z. B. werden sie bei der Medikamentengabe oder          Managements gliedert sich in die Teilprozesse Intake,
                                                                                                                                            Ernährung ihres Kindes angeleitet oder die Mitarbei-         Assessment, Hilfeplanung, Durchführung, Monito-
Der Prozess der Sozialmedizinischen Nachsorge (eigene Darstellung)                                                                          tenden von SeeYou erklären komplexe medizinische             ring und Evaluation, die nachfolgend einzeln erläutert
                                                                                                                                            Interventionen wie die Bedienung einer Insulinpumpe.         werden.
                                                                                                                                            Auch der sichere Umgang mit einem Heimmonitor wird
                                                                                                                                            eingeübt. Die Familien erhalten außerdem Unterstüt-          2.1.2.1 Intake
Die Stiftung SeeYou verfolgt das Ziel, allen Familien                enthaltes aktiv in das Entlassungsmanagement einge-                    zung bei sozialen Fragen wie der Beantragung eines
mit sozialmedizinischem Nachsorgebedarf ein ent-                     bunden werden.                                                         Pflegegrades oder Schwerbehindertenausweises.                Der Kontakt zu den betroffenen Familien wird, erleich-
sprechendes Angebot bei deren Entlassung aus dem                                                                                            Weitere wichtige Teile der Nachsorge sind Vernet-            tert durch die räumliche und persönliche Nähe zwi-
Wilhelmstift zu unterbreiten. Auch Patient*innen aus                 Nach der Entlassung aus der Krankenhausbehand-                         zung und Anbindung im Gesundheitssystem; nieder-             schen Stiftung und Kinderkrankenhaus, rasch und
anderen Kliniken, die im Einzugsbereich der Stiftung                 lung betreuen die Nachsorgemitarbeiter*innen die                       gelassene Kinderärzt*innen, Frühförderstellen oder           niedrigschwellig angebahnt. Im Rahmen eines Konsils
SeeYou wohnen, können Unterstützung erhalten.                        Patient*innen und ihre Familien im Wesentlichen auf-                   Physiotherapeut*innen sind zu finden. Das Gedeihen           wird der Auftrag zur Sozialmedizinischen Nachsorge
Zeigt sich bei Kindern, die im Kinderkrankenhaus Wil-                suchend in ihrem persönlichen Umfeld. Sie leiten an,                   des Kindes wird sorgfältig beobachtet. Regelmäßi-            in der Regel schon während des Klinikaufenthaltes
helmstift oder in kooperierenden Kliniken behandelt                  vernetzen zu Versorgungseinrichtungen, welche die                      ges Wiegen bei Säuglingen gehört dazu. Eine gute             erteilt. Patient*innen / Familien mit anderen Bedarfen
werden, ein komplexer Interventionsbedarf bei gleich-                die Betreuung ggf. langfristig sicherstellen, und moti-                Eltern-Kind-Bindung wird gefördert. Die Leistung wird        werden von der Klinik, z. B. dem Kliniksozialdienst, mit
zeitig ungünstigen Umweltbedingungen, wird rechtzei-                 vieren die Familien zur Inanspruchnahme der verord-                    durch ein multiprofessionelles Team erbracht, sodass         anderen Hilfseinrichtungen vernetzt.
tig vor der Entlassung (maximal fünf Tage) durch die                 neten Leistungen.                                                      unterschiedlichste Bedarfe von Familien erkannt sowie
behandelnden Ärzt*innen Sozialmedizinische Nach-                                                                                            angesprochen und geeignete Hilfen initiiert werden
sorge verordnet.                                                     Die Nachsorge endet dann, wenn die Familie die not-                    können.                                                      2.1.2.2 Assessment
                                                                     wendige Versorgungskompetenz aufgebaut hat und
2.1.2 Unser Lösungsansatz der Sozial-                                die Vernetzung zu den benötigten Hilfseinrichtungen                    Zur Förderung der kognitiven, emotionalen, sozialen          Meist noch während der stationären Behandlung erfol-
medizinischen Nachsorge                                              erfolgt ist, in der Regel innerhalb von zwölf Wochen                   und verhaltensbezogenen Kompetenzen im Umgang                gen eine umfassende Familienanamnese sowie eine
                                                                     nach der Entlassung aus der Klinik.                                    mit den Anforderungen aus Krankheitssituation und            Analyse der Situation der Familie und des Unterstüt-
Gleichzeitig mit dieser Verordnung durch die behan-                                                                                         Behandlung sowie zur Stärkung der familiären Selbst-         zungsbedarfes. Dies erfolgt unter der Berücksichti-
delnden Klinikärzt*innen beantragt die Familie bei der               Die Sozialmedizinische Nachsorge stellt den reibungs-                  versorgungskompetenz werden folgende Prozesse                gung der vorhandenen und zu fördernden Ressourcen.
Krankenkasse diese Leistung.                                         losen Übergang aus der Klinik in die häusliche und                     sichergestellt:
                                                                     ambulante Versorgung sicher. Die räumliche Nähe der                    Analyse des Unterstützungsbedarfs, d. h. Erstellung          Dieses Assessment erfolgt unter Berücksichtigung
Die Krankenkasse genehmigt die Sozialmedizini-                       Stiftung SeeYou zum Kinderkrankenhaus Wilhelmstift                     eines Hilfeplans unter Berücksichtigung der familiären       der notwendigen Versorgungsmaßnahmen für das
sche Nachsorge nach Möglichkeit innerhalb von vier                   sorgt für eine enge Zusammenarbeit mit dem Kranken-                    Situation sowie des Lebenskontextes von Patient*innen        akut / chronisch kranke Kind und der Auswirkungen
Arbeitstagen und beauftragt SeeYou mit der Leistungs-                haus und einen reibungslosen Informationsfluss. Die                    und ihren Angehörigen.                                       von bestehenden psychosozialen Problemen auf die
erbringung. Die Stiftung kann zur Analyse des Unter-                 Pflegekräfte sind z. T. sowohl in der Klinik als auch bei                                                                           Behandlung. Parameter wie Selbstversorgungskom-
stützungsbedarfs und der Erstellung eines Hilfeplans                 SeeYou tätig, was den Aufbau einer vertrauensvollen                    Zur Koordinierung der verordneten Leistungen                 petenz, Eltern-Kind-Interaktion sowie der Grad der vor-
auch schon in den letzten Tagen des stationären Auf-                 Beziehung zu den Familien ermöglicht.                                  gehört es u. a., den Familien die regionalen Versor-         handenen Vernetzung werden ermittelt.

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