176 Dezember Februar 2021 - KUPF OÖ

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№  € 5,50 (AT)

   KUPFzeitung

176
   —
   Kulturplattform
   Oberösterreich

Dezembe
Februar
   MONEY, MONEY, MONEY

   Es spricht sich herum

   Stoffwechselstörungen

   Schmähtandler*innen

   Zeit und Geld für Unterbrechungen

   Geld fürs Gemeinwohl!

2021
   Fair Pay mit Fleisch füllen

   You Should Get Paid!

   Geld muss verschwinden

   Mit Salzburg-Teil

   —                         —
   Nummer 176                kupf.at
   Dez – Feb 2021
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG
                                                                                            Foto: © Lieve Boussauw / Jeunesse – Musikalische Jugend Österreichs
npo-fonds.at

Weil wir gemeinsam
das Beste aus uns
herausholen.
Der NPO-Fonds unterstützt gemeinnützige
Organisationen. Unsere Gesellschaft
braucht dieses Engagement.

                  Mit dem NPO-Fonds konnten bisher bereits rund 6.000 Vereine und Orga-
                  nisationen aus den Bereichen Sport, Kunst und Kultur, Umweltschutz oder
                  auch Soziales in der Corona-Krise unterstützt werden. Insgesamt stehen
                  700 Millionen Euro zur Verfügung. Anträge sind bis Ende 2020 möglich.
                  Sichern auch Sie sich rasche und einfache Hilfe für Ihren Verein!
                  Alle Informationen dazu auf www.npo-fonds.at
Editorial

Liebe Verdienende
und Ver­schwendende!
Im notorisch unterfinanzierten Kunst- und Kulturbe-        und Strategien (vom bedingungslosen Grundeinkom-           Verlegerin &
reich geht es immer wieder um das – weniger liebe als      men zur Genossenschaft, S. 10 f.) und Christa H­ ager      ­Herausgeberin
                                                                                                                      Kulturplattform
fehlende – Geld. Es wird geseufzt, gestöhnt, gefordert     schaut überhaupt ganz über den Tellerrand nach
                                                                                                                      ­Oberösterreich
und protestiert, aber selten widmet man sich ‹dem          Frankreich, wo das Intermittence du Spectacle der tra-     Untere Donaulände 10/1
Feind› und seiner Funktionsweise ausführlicher. Nach       ditionell unterbrechungsreichen Kulturarbeit buch-         4020 Linz
bald zehn Jahren Fair Pay-Kampagne und mitten in ei-       stäblich Rechnung trägt (S. 16 f.).                        Tel. (0732) 79 42 88

ner Krise, die das Prekariat verschärft und die Einkom-                                                               kupf@kupf.at
                                                                                                                      → kupf.at
mensschere weit aufreißt, ist es also höchste Zeit, das    Dass auch die Corona-Krise Auswirkungen auf unse-
Geldbörserl aufzumachen und genau hinein zu schau-         re Kontostände und Arbeitsverhältnisse hat, ist unver-     Bürozeiten KUPF OÖ
en: Was glänzt oder stinkt da? Wer hat wieviel davon?      kennbar. Die genauen Konsequenzen für Angestellte          Montag — Donnerstag
Und wer entscheidet das?                                   und Arbeiter*innen, Frauen und Sexarbeiter*innen –         9.00 Uhr — 12.30 Uhr
                                                                                                                      Dienstag
                                                           und die notwendigen Schlussfolgerungen – thematisie-
                                                                                                                      9.00 Uhr — 17.00 Uhr
 Barbara Eder holt erst einmal weit aus und zeichnet den   ren folglich Nicole Schöndorfer (S. 10), Jelena Gučanin
Ursprung des Geldes und die Entwicklung in Richtung        (S. 11) und die anonyme Sexkolumne (S. 31). Da sich seit   Bürozeiten Redaktion
 Ent-Stofflichung nach (S. 6 f.). Schnell wird deutlich,   der Herbstausgabe alles mögliche geändert hat, dru-        Dienstag
 auf welchen Wolkengebilden unser Wirtschaftssystem        cken wir zudem die Visualisierung der Corona-Hilfs-        9.00 Uhr — 17.00 Uhr

 baut. Dagrun Hintze (S. 25) und Elisabeth Burchhardt      maßnahmen für Kulturvereine und -arbeiter*innen in
                                                                                                                      Redaktion
(S. 29) spüren der beschämenden und ­verschämten           aktualisierter Form wieder ab (S. 26 f.). Maria Dietrich   dieser Ausgabe
­Kultur des Geld-Gebens und -Nehmens nach, die Tobi-       schließt einen Wunsch an Corona-bedingte Hilfszah-         Stephan Gasser, ­Tamara
 as Habermayer dazu veranlasst, das Verschwinden des       lungen an, der hier wiederholt sein soll: Mögen sie «in    Imlinger, Susanne Lipinski   03

 Geldes zu fordern (S. 11).                                das Miteinander investiert werden» und in «den Zu-         (Salzburg), Katharina
                                                                                                                      ­Serles
                                                           sammenhalt einer vielfältigen, bunten und pluralen
Keine Spur von Geld-Kritik in jenen Beiträgen dann,        Gesellschaft» (S. 23).                                     Leitung KUPFzeitung,
 die sich mit dem Fair Pay-Diskurs, also einer gerech-                                                                Inserate
 ten Bezahlung im Kulturbetrieb, beschäftigen. Carmen In diesem Sinn ist KUPF-intern auf zweierlei hinzu-             Katharina Serles

Bayer fasst den Stand der Dinge zusammen (S. 14 f.), weisen: In der Heftmitte findet sich ein Poster unserer          Mitarbeit
                                                                                                                      Tamara Imlinger
Wolfgang Richter hört sich diesbezüglich im Bereich Tochtergesellschaft DORFTV, die in zehn Jahren Com-
                                                                                                                      Abonnements
 der Bildenden Kunst um (S. 8 f.) – und im Gespräch mit munity-TV genau jene Diversität abgebildet und ge-            Gerhard Neulinger
Julia Müllegger diskutiert Gabriele Gerbasits, Mit-Ent- fördert hat; außerdem gibt es einen Neuzugang in der          Kontakt
wicklerin der Fair Pay-Kampagne, wie wir vom ­bloßen KUPFzeitung: Tanja Fuchs alias Abu Gabi wird k­ ünftig           zeitung@kupf.at

 Schlagwort nun zur Umsetzung kommen (S. 12 f.). die Musikkolumne bespielen, die vielversprechend
Thomas Diesenreiter unterfüttert all das mit Fair Pay- S_ll_br_ch_st_ll_n heißt. Wir f­ reuen uns auf disrup-
Rechner und -Erhebung. (S. 19).                         tive Beobachtungen zu musikalisch / künstlerischen
                                                        ‹Genresprengungen›!
Auf der Suche nach alternativen Wegen der Finan-
 zierung von Kulturarbeit stellt Christina Buczko die Geldbörserl zugemacht, Zeitung ausgelesen und
­Gemeinwohlökonomie vor (S. 22 f.). Eine Streetview es steht fest: Wir sollten die Welt regieren!
Deluxe erweitert den Blick auf innovative Konzepte Katharina Serles für die Redaktion

Wortspende
« Du bist eine Künstlerin und das bedeutet: Es geht dir nicht ums Geld.                                              Dieter Lesage, Professor
                                                                                                                      für Politische Theorie
  Das ist das, was manche Leute glauben. Eine gute Ausrede, dich nicht                                                und Kulturphilosophie;

  für all das zu bezahlen, was du tust. »                                                                             siehe auch S. 8 f.
Inhalt

               Kulturpolitik                                   Kulturpraxis                                     Kolumnen                                        Salzburg

     — 05 	Which Way                                — 16	Zeit und Geld für                          — 11 	Widerworte:                              — 08	You Should Get Paid!
           to Fair Pay?                                    ­Unterbrechungen                                  Stoppt die Mieten                                 Wolfgang Richter holt
               Mahnrufe aus der                              Christa Hager blickt                             Emanzenkolumne von                               Haltungen zu Geld, Kunst
              ­Geschäftsführung der                          nach Frankreich.                                 Jelena Gučanin.                                  und Förderung ein.
               KUPF OÖ.                              — 19 	Wie fair payen                            — 23	Salon Sozial:                             — 14	Zwischen Beifall
     — 06 	Stoffwechsel­                                  unsere Vereine?                                  Ein Wunsch ans Geld                             und Prekariat
            störungen                                        Thomas Diesenreiter                            der Welt                                           Carmen Bayer fasst
              Barbara Eder auf                               über die Fair Pay-­                              Sozialkolumne von                                den Stand der Fair Pay-­
              den S
                  ­ puren der Geld-                          Erhebung.                                        Maria Dietrich.                                  Debatte zusammen.
              Geschichte.                            — 20	Mitgegeben                                 — 29	Nicht müde werden ...                     — 15	Kunstfehler: Hartes
     — 07	Comic                                             Wie können Alternativen                          Crip & Mad Kolumne von                        Brot Gerechtigkeit
              Von Stephan Gasser.                            zu Finanzierung und                              Eliah Lüthi.                                     Gerhard Dorfi über
     — 10	Es spricht sich herum                             (Selbst-)Organisation von                — 30	S_ll_br_ch_st_ll_n:                                die I­ llusion eines ‹an-
                Nicole ­Schöndorfer                          Kulturarbeit aussehen?                         Tony Renaissance                                   ständigen› Kapitalismus.
               ­analysiert die                       — 25	Was Süßes                                          Musikkolumne von
              ­Konsequenzen der                              Ein Gedicht von                                  Abu Gabi.                                         Kulturplattform
                Corona-Krise.                                Dagrun Hintze.                           — 30 	Doppelklick:                                       Kulturinitiativen
     — 11	Geld muss                                 — 25	Comic                                            Lange nichts gehört!
           ­verschwinden                                     Von Stephan Gasser.                            Warum eigentlich?                         — 18	Keine Termine
              Ein Kommentar von                      — 26	Licht am Ende des                                  Netzkolumne von                                  Wissenswertes von
              ­Tobias Habermayer.                          Dschungels?                                        Anna Goldenberg.                                 und für KUPF-Mitglieds-
     — 12	Fair Pay mit Fleisch                              Aktualisierte Entschei-                  — 31	Was macht ihr eigent-                              initiativen.
           füllen                                            dungsbäume zu Corona-                          lich? Geld ausgeben!                      — 18	Ausschreibungen
              Gabriele Gerbasits                             Hilfsmaßnahmen.                                  Bürokolumne von                               und Preise
              im Interview mit Julia                                                                          ­Gerhard Neulinger.                              Zusammengetragen
              ­Müllegger.                                                                             — 31	pretty? dirty?                                     vom KUPFbüro.
04   — 22	Geld fürs                                                                                        Über Arbeit sprechen                      — 34	Banken, Politik,
           ­Gemeinwohl!                                                                                       Sexkolumne von                                ­Kulturarbeit
               Ein Plädoyer von                                                                               Entdecker*innen.                                 Florian Walter hat Elena
              ­Christina Buczko.                                                                      — 33	Medial:                                            Messners Nebelmaschine
     — 29	Schmähtandler*innen                                                                              Der Lohn der Angst                                 gelesen.
              Elisabeth Burchhardt                                                                            Kommunikations­                         — 30	Empfehlungen
              über Geld und Scham.                                                                            kolumne von Barbara                              Kunst und Kultur
                                                                                                              Eppensteiner.                                    ­finanzieren / Alltag im
                                                                                                      — 33	Gnackwatsch’n                                       Prekariat / Semra Ertan /
                                                                                                              Inszenierung in Wels.                             Schulden nicht rück­
                                                                                                                                                                zahlen.

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     Die KUPF OÖ ist die Kulturplattform Oberösterreich. Sie ist die Interessenvertretung und Anlaufstelle für mehr als 170 freie Kunst- und Kulturinitiativen in Oberösterreich. Die KUPF ist eine
     kulturpolitische NGO mit dem klaren Ziel, die Rahmenbedingungen für freie, initiative Kulturarbeit in Oö gemeinsam mit deren Protagonist*innen abzusichern und beständig zu verbessern.
     KUPFvorstand: Thomas Auer (Klangfolger Gallneukirchen), Sigrid Ecker (Freiraum Ottensheim), Eva Falb (KV KomA Ottensheim), Bernhard Forstenlechner (Klangfolger Gallneukirchen),
     Parisa Ghasemi (Linz International Short Film Festival), Christian Haselmayr (Schule des Ungehorsams), Alice Moe (Hosi), Klemens Pilsl (KAPU), Anna Rieder (Youki), Florian Walter
     (KV waschaecht Wels). KUPFgeschäftsführung: Thomas Diesenreiter, Katharina Serles.
Leitartikel

Which Way
to Fair Pay?
Mahnrufe aus der Geschäftsführung der KUPF OÖ.

Die «Kulturnation Österreich» und das «Kulturland                          Österreichs Kunst- und Kulturszene beruht zu großen                                     Thomas Diesenreiter
Oberösterreich» sind nichts anderes als Tourismus-                         Teilen auf (Selbst-)Ausbeutung. Doch das finanzielle                                    ist Geschäftsführer
                                                                                                                                                                   der KUPF OÖ.
Slogans, die wenige reich und viele immer ärmer wer-                       Aushungern und Kürzen der Kulturförderungen zahlt
den lassen. Wer sich hierzulande für Arbeit im Kunst-                      sich nicht einmal wirtschaftlich aus. Studien des ifo
und Kulturbereich entscheidet, hat gute Chancen,                           Instituts in München oder der Hochschule für Tech-
nur die Mindestpension zu beziehen, im Schnitt zehn                        nik, Wirtschaft und Kultur Leipzig belegen, dass öf-
Stunden mehr pro Woche für 33 % weniger Gehalt zu                          fentliche Kulturförderungen sich rechnen: Sie brin-
arbeiten oder wie 37 % der Kolleg*innen unter der Ar-                      gen Umwegrentabilität und Wohlstand durch Zuzug
mutsgrenze zu leben. Auch die vielen EPUs wie Ton-                         hochqualifizierter Mitarbeiter*innen und Tourismus.
und Lichttechniker*innen oder Bühnenbauer*innen                            Das gilt für jedes ‹normale› Jahr, darf aber in Hinblick
sind in einem Konkurrenzkampf gefangen, der die                            auf die zu planenden Budgets und bereits angekün-
Honorare seit Jahren stagnieren oder gar sinken lässt.                     digten Sparkurse Post-Corona auf keinen Fall verges-                                    Foto: Jürgen Grünwald
Zahlreiche Studien haben aufgezeigt, wie schlecht es                       sen werden: Bei der Kultur kürzen heißt doppelt Geld
um die Einkommen von Österreichs Kulturarbeiter*­                          verlieren.
innen und Künstler*innen steht. Der kulturpolitische                       Diese Kürzungen passieren auch schleichend. Wäh-                                        Katharina Serles ist
Handlungsdruck ist enorm und bekannt. Dennoch                              rend die Inflation der letzten 20 Jahre 46 % beträgt,                                   Leiterin der KUPF-
                                                                                                                                                                   zeitung und stv.              05
hat es bisher keine Partei geschafft, das Ruder her-                       ist der Finanzierungsbeitrag des Bundes zu den regi-
                                                                                                                                                                   ­Geschäftsführerin der
um zu reißen. Die Lage verschärft sich zusehends, be-                      onalen Kulturinitiativen nur um 11 % gestiegen.1 Und                                    KUPF OÖ.
sonders in der Freien Szene, aber auch in den unteren                      die große Mehrheit der österreichischen Kulturinitia-
Ebenen der großen Häuser. Seit Jahrzehnten lautet                          tiven sieht sowieso keinen Cent vom Bund, da dieser
daher das Mahn-tra der KUPF OÖ: Kürzt nicht, wir ar-                       nur Vereine von «überregionalem Interesse» finan-
beiten schon am Limit! Das System der tausenden                            ziert. Beides gehört geändert. Ein mickriges Plus von
Einzelkämpfer*innen und Zwangs-Ehrenamtlichen                              ein paar hunderttausend Euro mehr für die Kultur­
ist höchst fragil. Wer macht noch hoffnungsvoll (oder                      initiativen im nächsten Jahr, wie sie zum Zeitpunkt der
verzweifelt) in diesem Sesseltanz mit – um den zwei-                       Drucklegung dieses Artikels im Gespräch sind, wäre
felhaften Preis eines morschen Sitzplatzes?                                daher ein schlechter Witz.
Im Brennglas der Corona-Krise und im ersten Jahr je-                       Österreich braucht eine Kulturpolitik mit Visionen.
ner Bundesregierung, die sich erstmals – zumindest                         Wenn es die Bundes-Grünen mit Fair Pay ernst meinen,                                    Foto: Eva Würdinger
programmatisch – dem Fair Pay verschrieben hat,                            dann muss ein drastischer Umbau in Österreichs Kul-
werden die Perversionen der österreichischen Kul-                          turfinanzierung folgen. Eine Million mehr reicht nicht.
turlandschaft sichtbar: Klein-Klein-Hilfsmaßnahmen                         Wir brauchen eine Milliarde mehr. Wir brauchen ein
werden jenen als Strohhalme zugeworfen, denen das                          Kulturzentrum in jeder Gemeinde, wir brauchen Kunst
Wasser längst bis zum Hals steht. Wie bitter nötig das                     und Kultur in der Breite und nicht nur in den Leucht-
ist, zeigt sich daran, dass nicht wenige dieser kleinen,                   türmen. Wir brauchen weniger Verwaltungsaufwand
prekären Einzelkämpfer*innen mit dem Strohhalm                             für die Kulturfinanzierung. Wir brauchen unabhängige
besser atmen können als zuvor. Dass eine Hilfszah-                         Förderstellen, die sich losgelöst von parteipolitischen
lung von 1.000 € pro Monat für manche Künstler*­                           Interessen bestmöglich um ihre Kund*innen kümmern.
innen einen finanziellen Aufstieg darstellt, zeigt die                     Wir brauchen faire Bezahlungen, faire Honorare, faire
Kaputtheit des regulären Kulturfördersystems beson-                        Förderungen. This is the way.
ders drastisch.

1 Kulturministerium, Kunstbericht 1999 Förderbudget Abteilung II/8 (exklusive Förderung freie Medien) und Kunst- und Kulturbericht
2019 Förderbudget Abteilung II/7

Blattlinie Zeitschrift zur Verbreitung von Nachrichten und Meinungen im Bereich der alternativen Kultur, Kulturpolitik und verwandter Themen. Namentlich ­gekennzeichnete Artikel müssen nicht
die Meinung der Redaktion wiedergeben. Die Offenlegung gemäß § 25 MedienG ist ständig unter → kupf.at/impressum abrufbar. Lizenz Die abgedruckten Texte erscheinen (Ausnahmen ausge-
nommen) unter der Creative Commons-Lizenz CC BY 4.0. Die Texte dürfen geteilt und bearbeitet werden, Bedingung ist die Namensnennung. Erscheinungsweise 4× Jahr Auflage 4.000 Stk
Einzelpreis € 5,50 (an ausgewählten Orten kostenlos) Abo € 20,81 (beide inkl. 5 % USt.) Lektorat Andrea Trawöger Gestaltung Michael Reindl Druck BTS Druckkompetenz GmbH Inserat-
formate und Preise → kupf.at/zeitung/176 Redaktions- und Anzeigenschluss 29.01.2021 Erscheinungstermin 04.03.2021 Die KUPFzeitung ist auf 100 % ­Recyclingpapier gedruckt.
Kulturpolitik

     Stoffwechsel­
     störungen, oder:
     Über den Ursprung
     des Geldes
     Was genau ist Geld und wie definiert sich sein Wert? Zur Entstehung des Geldsystems gibt
     es mehrere Theorien, die des in logischen Kategorien fundierten Äquivalententausches ist
     nur eine davon. Barbara Eder berichtet.

     Barbara Eder studierte     Als Marco Polo in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhun- die wir Geld zu nennen pflegen, eine Veränderung der
     Informations- und           derts nach China kam, entdeckte er dort nicht nur menschlichen Bewusstseinstätigkeit einhergehe – un-
     Kommunikationstechno­
                                Schießpulver und Kohle, sondern auch erste Ableger klar bleibt jedoch, was vorher vorhanden war, logi-
     logien, Philosophie &
     Sozial- und Wirtschafts-
                                 des Papiergeldes. Die Form gewordene Wertgröße be- sche Kategorie oder bare Münze.
     wissenschaften. Sie ist     stand aus Teilen des Maulbeerbaumes, gewonnen aus Durch Geld wird einem Tauschobjekt ein Wert bei-
06   Wissensarbeiterin und       einer Schicht der äußeren Rinde. Eine ganze Schar gemessen. In einer voll entfalteten, kapitalistischen
     Linux-Sysadmina.           von Beamten versiegelte das auf diese Weise erzeugte Gesellschaftsordnung kennt der Preis für dieses
     → barbaraeder.org
                                Wertpapier – und wer sich weigerte, es anzuerkennen, Objekt jedoch keinen realen Gegenwert mehr. Der
                                konnte mit dem Tod bestraft werden. Die Einführung Tausch von Äquivalenten steht dabei nicht länger
                                 des Geldsystems ging nicht ohne Gewalt vonstatten an der Tagesordnung – weder im Bewusstsein der
                                und bewirkte eine entscheidende Zäsur: Fortan wur- Warenproduzent*innen noch am globalen Markt-
                                 den nicht länger Naturalien gegeneinander getauscht, platz des Finanzsystems. Repräsentiert als Zahlen-
                                 deren Wert über den Umweg eines Maßes – Kilo- kolonne auf Computer-Monitoren, wird Geld nicht
                                 gramm, Stückzahl oder andere Werte – objektiviert nur zur immateriellen Größe, sondern hat Wert und
                                werden konnte; stattdessen begann das Geld die Sphä- Zweck zunehmend in sich selbst. Das erkannte auch
                                 re des Naturalientausches zu bestimmen und löste der englische Utilitarist John Stuart Mill, der bereits
                                 nach und nach alle gängigen Zahlungsmittel ab – etwa gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Geldbesitz eine
     Foto: L. B. Eder           Gold, Silber, Kupfer, Eisenbarren, Perlen oder Salz.   der stärksten Triebfedern des menschlichen Lebens
                                                                                       erkennen zu können glaubte – und den Wunsch, es
                                Geld als Wunsch und Wille                              zu besitzen, als bedeutsamer erachtete als die Mög-
                                Die Erfindung des Geldes hat nicht nur die Formen lichkeit, davon jemals Gebrauch zu machen.
                                 des Zusammenlebens verändert, sondern auch fun-
                                 damentale Kategorien menschlichen Denkens: So Geld im 20. Jahrhundert
                                 etwa stellte der Philosoph Alfred Sohn-Rethel im Bereits das 20. Jahrhundert hat vornehmlich immate-
                                Rahmen seines im August 1936 verfassten Luzerner rielle oder kaum mehr materialisierbare Formen des
                                Exposés einen Zusammenhang zwischen den Grund- Geldes hervorgebracht, Giral- und Fiat-Geld sind nur
                                formen logischen Denkens und der Einführung des zwei der dazugehörigen Ausprägungen. Fiat-Geld wur-
                                Münzgeldes um 680 vor Christus fest: Mit der Aristo- de mit Ende des 2. Weltkriegs eingeführt, es erfüllte
                                 telischen Begründung der Aussagenlogik um 300 vor jedoch die Voraussetzung für den durch staatliche
                                Christus sind sprachliche Sätze nicht mehr nur in se- Edelmetall-Vorräte gedeckten Goldstandard nicht. In
                                 mantischer Hinsicht von Bedeutung, sie können auch seiner stofflichen Substanz verfügt Fiat-Geld weder
                                 in Teilaussagen zerlegt und mit numerischen Werten über Gold- noch Silberanteile, in sich ist es vollkom-
                                – Eins für wahr, Null für falsch – belegt werden: eine men wertlos. Nicht das Material, sondern das Vertrau-
                                Voraussetzung für die Herausbildung eines Wertma- en, das in sie investiert wurde, machte diese Währung
                                ßes. Sohn-Rethel leitet daraus ab, dass mit der Aus- zu einer bedeutsamen ­Größe, so auch in der Weima-
                                weitung der Zirkulationsphäre jener Größe aus Metall, rer Republik. Auf die hohen Reparationszahlungen mit
Stephan Gasser
ist freischaffender
Künstler in Linz.

Ende des 1. Weltkriegs reagierend, entstand dazumal zufolge «das Gold, welches der Teufel seinen Buhlen
eine Flut von frischem Papiergeld, die eine Hyperin- schenkt, sich nach seinem Weggehen in Dreck verwan-
flation auslöste.                                     delt», dann haben wir es mit einem Analcharakter zu
Bei Giral-Geld handelt es sich um Geld, welches das tun.
Guthaben der Kund*innen in den Büchern von Ban- Theorien wie diese waren immer schon empiriefrei
ken bezeichnet. Im Gegensatz zum Fiat-Geld hat es – und vielleicht ist es auch deshalb an der Zeit, die           07

nie stoffliche Substanz besessen – es ist nicht mehr Psychoanalyse durch die Kryptoanalyse zu ersetzen.
als ein Eintrag in der elektronischen Datenbank eines Jene Währung, die derzeit das staatliche Monopol auf
Finanzunternehmens und kann von Privatbanken per Gelderzeugung vehement durchbricht, heißt Bitcoin.
Tastendruck erzeugt werden. Die Kund*innen des da- Die Krypto-Währung, die auf der Blockchain-Tech-
zugehörigen Geldinstituts gehen stets davon aus, dass nologie basiert, kommt aus der Steckdose und hat als
das, was auf ihren Girokonten liegt, einem realen Ge- Hacker-Währung ihren Siegeszug begonnen. Mit digi-
genwert entspricht – in der Tat handelt es sich dabei talen Münzen wie diesen kann man Online-Services
jedoch um eine Schuldverschreibung der Bank. Diese ebenso kaufen wie Waffen – gegenüber dem Gekauf-
behauptet, sie könne jederzeit unter allen Umständen ten verhält auch dieses Zahlungsmittel sich indiffe-
die am Konto verzeichneten Geldscheine geben – und rent. Es wird nicht durch eine Schuldverschreibung
belässt ihre Kund*innen damit in der Illusion, jeder- geschaffen, sondern elektronisch erzeugt. Reich wird
zeit liquide zu sein. Im Gegensatz zum Giral-Geld man mit dem Schürfen von Bitcoins – dem ‹Mining›
hat das Bargeld noch am ehesten eine reale Entspre- – jedoch nur selten und auch die im Vorfeld benötig-
chung: Seine Menge wird durch die jeweiligen Zen­ ten Hardware-Investitionen lohnen sich nicht immer.
tralbanken reguliert und – vereinfacht ausgedrückt – Gold ist eben nicht alles, was glänzt; nicht selten ist es
an die jeweiligen Geschäftsbanken verteilt.           schwarz – und stinkt zum Himmel.

Krypto- statt Psychoanalyse
Der Wiener Psychoanalytiker Sigmund Freud sah sich
in seinem Text Charakter und Analerotik von 1908
dazu veranlasst, das Horten von Geld zu einer Psycho-
pathologie zu erklären. Die infantile Verwechselung
von Kot und Geschenk bewirke später eine sogenannte
analcharakterliche Disposition. Der dazugehörige Per-
sönlichkeitstypus zeichne sich durch ein hohes Maß
an Sparsamkeit aus. Bereits in frühester Kindheit habe
der Analcharakter es verabsäumt, sich von seinen Ex-
krementen zu trennen. Als Erbe des mittelalterlichen
‹Dukatenscheißers› verwandle er seine Exkremente
bis heute auf erfolgreiche Weise in Geld. Wenn Freud
Salzburg

     You Should Get Paid!
     Bemerkungen zu Geld, Kunst und Förderung. Von Wolfgang Richter.

     Wolfgang Richter studierte      Die COVID-19-Pandemie hat aufgezeigt, wie unsicher und die Geldmenge wäre dem Wirtschaftsvolumen
     Germanistik, Geschichte         die Arbeitsbedingungen für bildende Künstler*innen anzupassen. Die Finanzkrise habe 2008 viele wach-
     und Bildnerische Erziehung
                                     nicht nur in Österreich sind. An diesem strukturellen gerüttelt und für das Thema Geld sensibilisiert. Da-
     in Salzburg, war Lehrer für
     Bildnerische Erziehung,
                                     Problem ändern auch die aktuellen Unterstützungs- mals habe Hickmann in seiner Justismus Deklaration
     Lehrbeauftragter an der         aktionen von Bund, Ländern und Gemeinden nichts. versucht, den Istzustand des Geldsystems dem Soll-
     Hochschule Mozarteum,           Generell können immer mehr Menschen nicht von ei- zustand gegenüberzustellen. Justismus ist ein Denk-
     ist bildender Künstler, war     ner Beschäftigung leben und finden sich in prekären ansatz zur Überwindung von Kommunismus und
     Mitglied im Fachbeirat
                                     Situationen.                                                  Kapitalismus. Er steht für Demokratie, Gemeinwohl,
     Bildende Kunst des Landes-
     kulturbeirates Land Salzburg    Anlass genug, nachzufragen, welchen Stellenwert die Freiheit, für das Recht auf vollen Arbeitsertrag.
     und ist Vorstandsmitglied der   Arbeit der Künstler*innen für die Gesellschaft hat, ob Während der weltweite Kulturaustausch grundsätz-
     Galerie Eboran.                 sie überhaupt als Arbeit bewertet und wie sie abge- lich positiv sei, wäre Kunst, verknüpft mit der Profit-
     → wolfgang-richter.eu
                                     golten wird.                                                  maxime, aber häufig Mittel zum Zweck. Luxus und
                                                                                                   Kunst träfen einander auf pervertierte Art in Auktions­
                                     Kann Geld arbeiten?                                           häusern oder beim Art Investment. Als Beispiel nennt
                                     Mit der Galerie 1Blick betreibt Helmuth Hickmann seit Hickmann den Künstler Gerhard Richter, der bei der
                                     1992 auf 0,372 m2 die «kleinste Galerie des Univer- Ausstellungseröffnung im Kunstforum Wien am 1. Ok-
                                     sums», eine nicht kommerzielle Initiative für Gegen- tober 2020 vor laufender Kamera über den Kunstmarkt
                                     wartskunst in Hallein. Hauptanliegen ist die Präsenta- den Kopf schüttelte: «… Ich kann den Preis meiner Bil-
08                                   tion von «kritischer Kunst» und «Einblicke» in «sonst der nicht nachvollziehen …»
                                     wenig beachtete» Bereiche im öffentlichen Diskurs.
                                     Die Galerie setzt jedes Jahr ein Schwerpunktthema; Abseits kommerzieller Interessen
     Foto: Andreas Hauch             dabei spielte das Thema ‹Geld› von Anfang an eine Die Galerie Fünfzigzwanzig definiert sich als «Ort der
                                     Rolle: Im Jahr 2005 war Globalisierung und Neolibera- Auseinandersetzung mit zeitgenössischer bildender
                                     lismus das Jahresmotto zu dem 12 Künstler*innen mit Kunst» und widmet sich «ausschließlich der Förde-
                                     unterschiedlichen Projekten Stellung bezogen. 2007 rung und Vermittlung zeitgenössischer Kunstdiskur-
                                     ging es um Geld und Gold. – Kann Geld arbeiten?               se» abseits von «kommerziellen Interessen». Ihr Trä-
                                                                                                   gerverein setzt sich auch kulturpolitisch immer wieder
                                                                                                   für die Anliegen der bildenden Künstler*­innen ein.
                                                                                                   Die Leiterin Karolina Radenković schätzt Salzburg
                                                                                                   als interessanten Standort, um sich mit den aktu-
                                                                                                   ellen Agenden und Diskrepanzen in der Kulturpro-
                                                                                                   duktion auseinander zu setzen. Auf der einen Seite
                                                                                                   sei die Stadt geprägt von Entertainment- und Groß­
                                                                                                   events, die auf altbewährte Traditionen und Quali-
                                                                                                   täten einer Hochkultur ausgerichtet sind, auf der an-
                                                                                                   deren Seite zelebriere diese Stadt das Volkstümliche.
                                                                                                   Das Experimentelle, noch nicht Erprobte, habe hier
                                                                                                   schwer zu kämpfen. Im Vergleich zu anderen österrei-
                                                                                                   chischen Städten sei in Salzburg jegliche Art von Sub-
     Foto: Helmuth Hickmann          Helmuth Hickmanns Rauminstallation Nachruf auf den Schilling, kultur praktisch inexistent. Eine Subkultur könne, so
                                     Januar 2002, Galerie 1Blick, Hallein (Foto: Helmuth Hickmann) Radenković, nur entstehen, wenn es strukturell dafür
                                                                                                   Platz gebe. Das schließe auch die Frage mit ein, was
     Helmuth Hickmann ist            Laut Hickmann müssten die rechtlichen Grundlagen eine Stadt braucht, um eine zukünftige Generation
     Gründer und Betreiber von       für die Verwendung von Geld auf völlig neue Beine zu halten. Hier kämen Orte ins Spiel, die ‹unabhän-
     1Blick. Kunst im Vorhaus
                                     gestellt werden. Das Geldsystem sollte einfach, über- gig› funktionieren müssten, die nicht unbedingt einer
     in Hallein. Seit 1980 setzt
     er sich mit Fragen zum
                                     zeugend und klar aufbereitet sein, mit dem Alltag der ökonomischen Verwertungslogik ausgesetzt seien.
     Geld- und Bodenrecht            Menschen verknüpft werden und so ins kollektive Be- Diese Orte hätten aber nur dann eine Existenzgrund-
     auseinander.                    wusstsein gelangen. Geld dürfe nicht als Ware behan- lage, wenn sie von öffentlicher Hand gefördert werden
     → 1blick.org                    delt, eine Umlaufsicherung müsste eingeführt werden und mehr oder minder frei agieren können.
Und wie sieht es in der Praxis mit fairer Bezahlung aus?
Viele Interessengemeinschaften, u. a. auch die Galerie
Fünfzigzwanzig, arbeiten gerade an Berechnungs­
modellen für Honorare. Diese sollen in weiterer Fol-
ge eine Grundlage für Richtlinien bei Förderansuchen
bilden. Was Radenković dennoch wichtig ist: Jeder
Kulturbetrieb soll sich die Frage stellen, wie es über-
haupt dazu kommen konnte, dass die Arbeit eines / ei-      Ausstellungsansicht Ghost Ride the Whip, 2016 in der Fünfzig­   Foto: I. Rauchenbichler
ner Künstler*in nicht entlohnt wird.                       zwanzig in ­Salzburg (Foto: 5020)

„Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“                  anderen Künstler*innen-Honoraren zu setzen. Wich-               Karolina Radenković
(Karl Valentin)                                            tig sei es gerade auch jetzt, dafür ein Bewusstsein zu          ­leitet die Galerie Fünfzig­
                                                                                                                           zwanzig in Salzburg und
1956 wurde die IG Bildende Kunst als selbstorganisier-     schaffen und eine breite Unterstützung zu erlangen,
                                                                                                                           ist Mitbegründerin der
te Interessenvertretung gegründet, um auf politische       nach dem Motto: «No Fee, No Exhibition».                        BILDETAGE, Verein zur
Entscheidungen und deren Auswirkungen auf bilden-                                                                          Förderung zeitgenössi-
de Künstler*innen einwirken zu können. Sie setzt sich Wahrnehmung & Widerstand                                             scher Kunst.

für eine «Verbesserung der strukturellen Rahmenbe- Beim Schweigemarsch der IG Kultur Österreich am                         → 5020.info
                                                                                                                           → bildetage.com
dingungen künstlerischen Schaffens» ein. Zu den zen- 1. Juli 2020 in Wien forderten die Teilnehmer*innen
tralen Aufgabengebieten zählen laut Statuten die Wah- ein klares Bekenntnis zur Finanzierung von Kunst und                                                09

rung und Vertretung der kulturpolitischen, sozialen, Kultur in Österreich, damit Künstler*innen «von ihrer
rechtlichen, wirtschaftlichen Interessen von bilden- Arbeit leben können». Seit Jahrzehnten leiden die Frei-
den Künstler*innen sowie die Öffentlichkeitsarbeit.      schaffenden unter prekären Umständen, jetzt sind sie
Seit 2016 liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der aber massiv in ihrer Existenz bedroht. Ohne Kunst, so
Kampagne pay the artist now! In den meisten Berei- die Haltung der Veranstalter*innen, «verliert die Be-
chen der Kunstproduktion, besonders in den darstel- völkerung geistiges und seelisches Niveau und Krea-
lenden Künsten, gibt es schon seit langem Regelungen tivität, die Demokratie an Kritikfähigkeit, verlieren
in Form von Anstellungsverhältnissen. Für bildende Städte, Regionen und Gemeinden an Attraktivität, der
Künstler*innen in allen öffentlich geförderten Kunst­ Tourismus verliert Anreize und Österreich verliert an
institutionen wird deshalb eine faire Bezahlung bei Identität.»
Ausstellungen, künstlerischen Produktionen und für Das Widerständige ist ein wichtiges Merkmal der
jede andere künstlerische Arbeit gefordert.              Kunst – frei nach Max Frisch (Die Schwierigen, 1970):
                                                         «Der Beitrag der Kunst an die Gesellschaft ist die Irri-
                                                         tation, dass es sie trotzdem gibt.» Aber es ist auch so,
                                                         dass sich die gesellschaftliche Wertschätzung einer
                                                         Leistung im materiellen Entgelt zeigt.
                                                         Und da hat Dieter Lesage leider noch immer recht:
                                                         «Du bist eine Künstlerin und das bedeutet: Es geht dir
                                                         nicht ums Geld. Das glauben zumindest manche Leu-
                                                         te. Eine gute Ausrede, dich für all das nicht zu bezah-
                                                         len, was du tust.»
                                                         Auf Transparenten beim Schweigemarsch stand zu le-
                                                         sen «Keine Ausstellung ohne Honorar! No fee, no ex-
Protest der Kunst- und Kulturarbeiter*innen 2020 in Wien hibition!» Was in best practice Beispielen1 schon an-
Foto: IG Bildende Kunst                                  satzweise funktioniert, dafür sollten sich möglichst              → 1blick.org
                                                         viele Künstler*innen und Kunstinstitutionen einset-               → 5020.info
Das Honorarmodell soll auch andere Institutionen, zen, denn: You should get paid!                                          → igbildendekunst.at
die Ausstellungen, Symposien, Vorträge und Work-
shops organisieren, anregen, einen Schritt zur flächen­- 1 Vgl. → igbildendekunst.at/themen/kunst-und-geld/
deckenden Implementierung von Ausstellungs- und             best-practice-kuenstler_innenhonorare
Kulturpolitik

     Es spricht
     sich herum
     Während jene, die sich dem Corona-Virus täglich im                                          Zu Beginn heuchelten Sebastian Kurz und Co. noch,
     Job aussetzen müssen, weiter an der kurzen Lohn-                                            dass diese gesundheitliche Krise nicht zu einer sozia-
                                                                                                 len werden dürfte. Mittlerweile wird die immer mehr
     Leine gehalten werden, schütten die Unternehmen,                                            Menschen in Existenznot und Armut treibende Ar-
     die sie anstellen, Milliarden an Aktionär*innen aus.                                        beitslosigkeit aber nur noch dann thematisiert, wenn
     Das bleibt der Bevölkerung nicht länger verborgen.                                          es darum geht, gewisse Dinge zu rechtfertigen. Etwa
                                                                                                 warum bei 6.000 Neuinfektionen pro Tag nicht schon
     Von Nicole Schöndorfer.                                                                     lange Großraumbüros und nicht-systemnotwendige
                                                                                                 Arbeitsplätze geschlossen sind. Wenn die Wirtschaft
                                                                                                 leidet, tun es auch die Menschen, heißt es sinngemäß.
                                                                                                 Nein, tatsächlich leiden die Menschen unter den ihren
                                                                                                 eigenen Interessen widersprechenden Interessen der
                                                                                                 Wirtschaftstreibenden.

                                                                                                 Zuhause bleiben, um zum Arbeiten fit zu bleiben
                                                                                                 Regierungsvertreter*innen rechtfertigen sich immer
                                                                                                 weniger. Ihnen fällt keine Schönmalerei mehr ein, mit
     Nicole Schöndorfer lebt           Es mag vielleicht noch nicht wieder ein Gespenst um-      der sie ihre kapitalorientierten (Nicht-)Maßnahmen
10   als freie Journalistin in Wien.   gehen in Europa, doch die Corona-Krise hat innerhalb      legitimieren könnten. Man hat außerdem den Ein-
     Sie schreibt vor­wiegend über
                                       kurzer Zeit wesentlich dazu beigetragen, die wachsen-     druck, dass sie die Bevölkerung ohnehin für zu dumm
     femi­nistische Themen und
     diskutiert gesellschafts- und
                                       den gesellschaftlichen Ungleichheiten und gegensätz-      halten, um zu merken, auf welcher Seite sie wirklich
     frauenpolitische Aspekte          lichen Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Klassen        stehen. Doch die Menschen sind sauer. Es wird dann
     u. a. auf ihrem Podcast Darf      einem größeren globalen ‹Publikum› zugänglich zu          gerne auf eine ‹Corona-Müdigkeit› verwiesen und so
     sie das?                          machen. Ungeplanterweise verdeutlichten sich sozia-       getan, als hätten diese bloß aus hedonistischen Mo-
     → darfsiedas.at
                                       le Gräben in allen Bereichen und wurden nicht nur für     tiven keine Lust mehr auf Hygienevorschriften und
                                       die direkt von den Auswirkungen Betroffenen stärker       Einschränkungen. In Wahrheit ertragen sie es nicht
                                       sicht- und spürbar. Viele Menschen können gar nicht       mehr, dass ihr Leben nur noch aus Arbeit bestehen
                                       mehr anders, als die kapitalistische Wirtschaftsweise     darf – bezahlt und unbezahlt. Freizeitaktivitäten, so-
                                       zu hinterfragen. Wenn auch das Fachvokabular fehlen       ziale Zusammenkünfte, Kultur? Zu gefährlich, man
                                       mag: Dass die Pandemie nicht alle gleich erleben, ist     hat schließlich in die Arbeit zu gehen. Alles, was nicht
                                       für alle mehr als offensichtlich.                         dem Profit dient, soll unterlassen werden.
                                                                                                 Der kollektive Ärger über die ungleichen V ­ erhältnisse
                                       Es trifft die unten                                       und Vermögensverteilungen wächst und ist spürbar.
                                       Als nach und nach bekannt wurde, dass die als staat-      Doch bleibt neben Lohnabhängigkeit, Reproduktions­
     Foto: privat                      liche Hilfspakete zur Verfügung gestellten Geldleis-      arbeit, Homeschooling und Infektionsrisiko w    ­ eniger
                                       tungen an große Unternehmen gingen, die dort lie-         Zeit und Raum, um diesen Ärger zuzulassen und nach
                                       ber für die Absicherung der Profite – und nicht für die   Außen zu tragen. Insbesondere jene, die in den soge-
                                       Fortzahlung der Gehälter der darauf angewiesenen          nannten systemerhaltenden Branchen tätig sind, hät-
                                       Mitarbeiter*innen – aufgewendet wurden, kamen             ten tausend Gründe, aufzubegehren. Selbst unter
                                       manche plötzlich in Erklärungsnot. Nämlich diejeni-       dem Druck der andauernden Krisenbewältigung ha-
                                       gen, die den Kapitalismus als alternativlos verteidi-     ben die Lohnverhandlungen im Handel nur einen In-
                                       gen, darunter die Regierenden in Österreich. Es häuf-     flationsabgleich und einen freiwilligen Corona-Bo-
                                       ten sich die Meldungen über prominente Namen wie          nus ergeben. Was tun? Streik? Unverantwortlich in
                                       Swarovski, Voest und FACC, die Hunderte bis Tausen-       diesen prekären Zeiten, würden Regierungs- und Un­
                                       de lohnabhängige Menschen auf die Straße setzten.         ternehmensvertreter*innen so ein Vorhaben öffent-
                                       Darunter nur niemanden aus den oberen Rängen. Es          lichkeitswirksam anprangern. Sollen sie doch den Job
                                       traf die Arbeiter*innenschaft. Wie immer. Mit den Ta-     wechseln! Die stetig steigenden Arbeitslosenzahlen
                                       schen voller Geld wurde behauptet, dass man die Leu-      versprechen schließlich eine allzeit bereite Reserve-
                                       te halt nicht mehr bezahlen könne.                        armee.
Kommentar                                                                        Emanzenkolumne                                von Jelena Gučanin

Geld muss ­ 
verschwinden                                                                     Wider­
                                                                                 worte
Mit Geld kann man – so die Logik der Leistungsge-         Tobias Habermayer      Stoppt die Mieten
 sellschaft – ideal bemessen, ob ein Mensch Arbeit        ist Schüler in Wels.

leistet, die für die Gesellschaft relevant ist: Hat sie                          Wie immer geht’s ums Geld. Die Corona-Krise macht
 materiellen Wert? Dem gegenüber steht eine anti-                                Haben oder Nicht-Haben davon aber noch viel stär-
kapitalistische Logik, die sich eher an der Zufrie-                              ker als sonst zu einer Überlebensfrage. Während für
 denheit der Menschen als an der Entwicklung des                                 manche (Großunternehmer*innen) Hilfspakete ge-
Marktes orientiert. Die zweite Definition klingt für                             schnürt werden, schauen andere – etwa geringfügig
 mich mehr nach einer gerechten Gesellschaft als                                 Beschäftigte ohne Job – weiterhin durch die Finger.
 die erste. Sie kommt ohne Geld zu nennen aus. Ist                               Letztere sind meist Frauen, darunter viele, die Sozial­
Geld ein Hindernis für eine gerechte Gesellschaft?                               leistungen beziehen und mit dem geringfügigen Job
Geld und der Fakt, dass fortschreitend alles mit                                 einen g­ roßen Teil ihrer Fixkosten decken – oder eben
 ihm bewertet wird – seien es Grundlebensmittel           Foto: R. Habermayer    gedeckt haben. Bis zu einem Drittel ihres Gesamtein-
 oder die Arbeitskraft – schaffen einen Vergleich,                               kommens ist bei ihnen wegen der Corona-Krise weg-
 der für Menschen mit ungesichertem Einkommen,                                   gefallen, in manchen Fällen auch mehr.
hohen Ausgaben, oder erschwerenden Umständen                                     Das zeigt eine aktuelle Studie der Armutskonferenz:
 zum Hindernis werden kann. Wer keine Arbeit leis-                               Wer vor dem März 2020 prekär oder irregulär gear-
 tet, die wertgeschätzt – im Sinne von fair bezahlt                              beitet hatte, konnte in den Wochen danach den Le-
– wird, muss ein Leben lang am Existenzminimum                                   bensunterhalt so gut wie gar nicht mehr bestreiten.
kämpfen und wird als erstes über Bord geworfen,                                  Aber wo sind diese Menschen im öffentlichen Dis-                    11

wie man gegenwärtig am Kunst- und Kulturbereich                                  kurs? Wo ist der Aufschrei gegen die offensichtlich
Österreichs sehen kann. Neben nicht ausreichen-                                  steigende Armutsbetroffenheit in diesem Land? Wo
 den Hilfsmaßnahmen bzw. trotz Maßnahmen des                                     sind die Gelder und Schlafplätze für jene, die in den
Wohlfahrtsstaats rächen sich hier ganz grundsätz-                                nächsten Monaten wohnungslos sein werden, wäh-
lich das Prekariat und das kapitalistische System                                rend so viele Wohnhäuser leer stehen?
 an sich.                                                                        Die Langzeitfolgen dieser Versäumnisse werden fatal
Wo bleibt der Aufschrei? Ich sehe, dass ­jüngere Ge-                             sein. Dabei gäbe es Lösungen. Einige Aktivist*innen
 nerationen zu großen Teilen ein unkritisches Mind­                              und Expert*innen fordern zum Beispiel: Mieten end-
 set übernehmen. Wie auch sonst? Alternativen                                    lich aussetzen. Die meisten Vermieter*innen trifft die-
werden nicht aufgezeigt, und schon gar nicht ge-                                 se Krise nicht im Geringsten. Wenn doch, sollen eben
lebt. Geld und seine Rolle in der Gesellschaft führen                            jene Kleinvermieter*innen, die das Geld zum Über-
 dazu, dass kritisches Denken ausgelöscht wird – es                              leben brauchen, Hilfsgelder beantragen können. Die
 erschafft ja keinen materiellen Wert – und jede non-                            Summe wird wohl überschaubar sein. Das forderte
konforme Tätigkeit in den Hintergrund gerät. Geis-                               etwa die Initiative Coview bereits vor Monaten. Ge-
 teswissenschaften brauchen dringend mehr Auf-                                   tan hat sich bisher nichts, schließlich ist die Immobi-
 merksamkeit und Relevanz – auch in den Schulen                                  lienwirtschaft eine wichtige ÖVP-Geldgeberin, um nur
–, dann würde die kapitalistische Logik in keinem                                einen Grund zu nennen. Eine einfache und effektive
Kontext als ‹gerecht› bezeichnet und gedacht wer-                                Lösung wäre es dennoch. Denn sie würde jene tref-
 den können. TINA (there is no alternative) als Ein-                             fen, die ohnehin von einem Menschenrecht – näm-
 stellung hat sich eingestellt und man hat sich ein-                             lich jenem auf Wohnen – über die Maßen und zu
 gelebt in einen Konsumismus, der sich – und da                                  Unrecht profitieren. Bevor punktuell Gelder verteilt
 schließt sich der Teufelskreis – ohne das Brotlose                              werden, die sowieso nicht zum Überleben reichen,
 aber nicht beseitigen lassen wird.                                              sollten strukturelle Maßnahmen angedacht werden.
Geld besitzt einen wertenden Charakter, der die                                  Sie würden den Alltag tatsächlich erleichtern und die
Gesellschaft in die Konformität treibt und getrie-                               Lebensgrundlage Vieler sichern. Das geht nur, wenn
ben hat, einfach dadurch, dass das, was nicht kon-                               auch leistbarer Wohnraum ermöglicht wird. Sonst
form wäre, keine grundlegende Unterstützung be-                                  wird diese Krise nicht zu bewältigen sein.
kommt. Um eine gerechte, differenzierende und
 differenzierte Gesellschaft zu kreieren, muss Geld                              Jelena Gučanin, geboren 1989 in Jugoslawien, gelandet 1991 in
verschwinden.                                                                    Wien. Seitdem lernt, staunt und schreibt sie dort.
Kulturpolitik

     Fair Pay mit
     Fleisch füllen
     Gabriele Gerbasits war langjährige ­Geschäftsführerin                               Bund, Länder und Interessengemeinschaften be­
     der IG Kultur Österreich und hat die Kampagne ‚Fair                                 raten nun das erste Mal gemeinsam wie u. a. ‚Fair Pay‘
                                                                                         im Kunst- und Kulturbereich realisiert werden kann.
     Pay‘ mitentwickelt. Darüber, wo wir heute stehen, wie                               Die Gesprächsplattform ‚Arbeitsgruppe Fairness‘
     wir über Arbeit reden und wo es hingehen kann, spricht                              und das ‚FORUM Fairness‘1 sind große Meilensteine.
     sie mit Julia Müllegger.                                                            Genau, jetzt hat der Bund auf Verwaltungsebene die
                                                                                         Führer*innenschaft übernommen, was in der Folge
                                                                                         die IG KÖ in eine andere Position innerhalb der Kam-
                                                                                         pagne bringt. Dennoch werden die Interessenvertre-
                                                                                         tungen in den Bundesländern durchaus mitarbeiten
                                                                                         müssen, um das zu befeuern. Dieses Zusammenspiel
                                                                                         der Interessenvertretung auf Landesebene gibt es
                                                                                         nur in der IG KÖ und deswegen können auch nur wir
                                                                                         Kampagnen in diesem föderalen System durch­
                                                                                         setzen.

     Gabriele Gerbasits ist       Julia Müllegger: Ausgehend vom Start der ‚Fair Pay‘-
     gelernte Kulturmanagerin.
     Ihr spezielles Interesse
                                  Kampagne vor 10 Jahren, wo stehen wir heute auf                Das Prekäre ist in der
                                  einer Skala von 0 bis 10?
12
     gilt der Schnittstelle von
                                  Gabriele Gerbasits: Von der damaligen ­Zieldefinition        breiteren Gesellschaft als
     Kulturpolitik und Gesell-
     schaftspolitik.              bei 5,5. Fair Pay war ein Projekt der IG Kultur Öster­     ­Diskursthema angekommen.
                                  reich, das in seiner ersten Phase von der Länderver-
                                  tretung übernommen wurde. In meiner Erinnerung
                                  haben IG Kultur Wien und KUPF OÖ die Themen­
                                  führer*­innenschaft dieser Kampagne übernommen Ist es nicht auch eine Art Zeitgeist bzw. die Art, wie
                                  und die IG Steiermark und der Dachverband Salzbur- der Begriff Arbeit definiert wird, weshalb ‚Fair Pay‘
                                  ger Kulturstätten waren für Grafik, Plakate, Postkar- nun zielorientiert diskutiert wird?
                                  ten etc. zuständig. Dieses Zusammenspiel wurde von Prekaritäten wurden auch in anderen Arbeitsfeldern
                                  der IG KÖ koordiniert und es war sinnvoll und vor al- sichtbar. Wir sitzen nicht mehr im Elfenbeinturm,
                                  lem effektiv, dass die Landesorganisationen die Kam- heute redet auch eine Arbeiterkammer über prekä-
     Foto: Pat Kwasi              pagne an sich gezogen haben. Denn die Fair Pay-Kam- re Arbeitsverhältnisse. Das Prekäre ist in der breite-
                                  pagne konnte nur im Zusammenspiel von Bund und ren Gesellschaft als Diskursthema angekommen. Das
                                  Ländern funktionieren. Die Bundesvertretung (IG KÖ) hilft uns – leider. Corona hilft uns wahrscheinlich aus
                                  hat das Gehaltsschema für Angestellte und die TKI das dieser Perspektive auch: Es ist viel sichtbarer gewor-
                                  Honorarschema erstellt.                                den, was wir für die Gesellschaft leisten. Wir hatten
                                  Gespräche mit der Gewerkschaft verliefen gut, führ- und haben das Problem, dass Kulturpolitik völlig ir-
                                  ten aber zu keinem konkreten Ergebnis. Schritte, um relevant von den anderen Politikfeldern betrachtet
                                  mit diesem Thema politisch landen zu können, gab wird. Seit COVID-19 haben Kulturthemen wieder die
                                  es immer wieder. Als Thomas Drozda Minister wurde, Innenpolitikseiten erreicht und auch die Medien ha-
                                  gaben gute Gespräche kurzzeitig Hoffnung, das The- ben Kultur wieder als Politikfeld erkannt. Wir wissen
                                  ma unterzubringen, auch wenn es damals nicht so im ja schon lange, wie sehr Kultur mit Wirtschaft, Tou-
                                  Regierungsprogramm stand. Aktuell geht es darum, rismus usw. zusammenhängt. Jetzt wissen es die an-
                                  Fair Pay wiederum mit Fleisch zu füllen. Für unsere deren auch wieder. Das treibt den Diskurs voran. Als
                                  Mitglieder war es wichtig, über ein Gehaltsschema Fair Pay unter BM Drozda diskutiert wurde, sind all-
                                  zu verfügen. Ein anderer Meilenstein war, den Bei- gemeine Fragen ins Zentrum des politischen Diskur-
                                  rat dazu zu bringen, das Gehaltsschema in Beirats- ses gerückt: Wie können Menschen von ihrer Arbeit
                                  diskussionen einzubringen. Es ist nun ein wirklicher leben? Es ging nicht nur um Kulturarbeiter*innen und
                                  Glücksfall, dass Fair Pay im aktuellen Regierungspro- Künstler*innen, sondern um breite Teile der Gesell-
                                  gramm so prominent verankert ist. Dafür gibt es die schaft. Die Thematisierung von Arbeit hat die Fair Pay-
                                  5,5. Die 10 zu erreichen wird dann schon schwierig.    Kampagne unterfüttert.
Die Diskussion um die Begrifflichkeiten möchte ich                  Es ist der Zeitpunkt einer Positionierung. Aber das               Julia Müllegger ist
noch etwas vertiefen. Ist es ein gesellschaftliches                 werden wir den Arbeitnehmer*innen – nehmen wir                    ­gelernte Theaterwissen­
                                                                                                                                      schafterin und aktive
­Paradigma, dass (Kultur)Arbeit keinen Spaß machen                  einmal kurz den Begriff, damit man es klarer sieht –
                                                                                                                                      Kulturarbeiterin im
darf? Müssen sich gesellschaftliche Werte verändern,                nicht anlasten können. Egal in welchem Feld sie sich              ­Kulturverein Kino
damit eine Kampagne wie diese Erfolg hat?                           befinden, werden sie immer versuchen, sich so billig              Ebensee und im Freien
Ich glaube, ich hätte «Ja» gesagt, wenn nicht Corona                zu verkaufen, dass sie irgendwie überleben. Das wird              Radio ­Salzkammergut.

gekommen wäre. Bei der Antwort muss man zwi-                        jede Honorargrenze unterschreiten, wenn man sie                   Ihr Interesse gilt
                                                                                                                                      speziell der Kultur- und
schen Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen un-                   nicht festmacht. Deshalb zielte die Gewerkschaft in
                                                                                                                                      Medienpolitik und der
terscheiden. Künstler*innen wird viel stärker zuge-                 unseren Gesprächen auf einen Kollektivvertrag anstel-             Regionalentwicklung.
schrieben, dass sie das nur aus Freude an den                       le von Empfehlungen für Gehälter und Honorare.
Inhalten machen. Ein Teil der Leute hat nun verstan-                Mit Blick auf die Machtverhältnisse sollte der Staat
den: Egal, ob die das jetzt aus Freude machen oder                  Subventionen nur vergeben dürfen, wenn die Ho-
nicht – wir brauchen, dass sie es machen. Bei                       norargrenzen nicht unterschritten werden. Der Staat
Kulturarbeiter*innen habe ich das nie so stark emp-                 vergibt Geld in Form von Werkverträgen oder Subven-
funden. Den Diskurs bzw. die gesellschaftliche Dis-                 tionen. Bei Werkverträgen – wenn er ein Werk möch-
kursverschiebung kann ich jetzt noch nicht fassen,                  te – zahlt er ein normales Honorar. Bei den Subventi-
aber sie findet in allen möglichen Feldern statt: in der            onen achtet er nicht darauf, deshalb kannibalisieren
Kultur, der Architektur, der Gastronomie und wir                    sich Antragsteller*innen oft selbst, um Projekte über-
müssen schauen, wie wir uns darin positionieren.                    haupt durchführen zu können. Und um auf deine Fra-                Foto: erlas
                                                                    ge konkret zu antworten: Die Künstler*innen müssten                                          13

                                                                    sich stärker gewerkschaftlich organisieren, um sich
    Die Künstler*innen müssten                                      diesbezüglich besser vertreten zu können.

   sich stärker gewerkschaftlich                                      Die IG Kultur Österreich ist die kulturpolitische Inter­
            organisieren.                                             essenvertretung auf Bundesebene. Auf Landesebene
                                                                      vertreten IG Kultur Burgenland, IG Kultur Steiermark,
                                                                      IG Kultur Vorarlberg, IG Kultur Wien, IG KIKK, Kultur­-
                                                                      vernetzung Niederösterreich, TKI – ­Tiroler Kultur-
Veronika Kaup-Hasler verwies im Rahmen des
­Symposiums ‚Freie Szene – Freie Kunst. Soziale                       initiativen, der Dachverband Salzburger ­Kulturstätten
­Gerechtigkeit – Fair Pay‘2 auf die Selbstverant­                     und die KUPF OÖ die Interessen ihrer Mitglieder.
wortung der Kunst- und Kulturarbeiter*innen und                       Die Landesverbände sind Mitglieder der IG KÖ und –
meinte sinngemäß, dass man nicht alles zu jedem                       als ‚Ländervertretungen‘ – miteinander vernetzt.
Preis ­machen soll. Wenn wir gerade im Moment
­einer ­Verschiebung sind, welches Handeln ist in
­dieser ­Situation durch Betroffene gefragt?                          Die Fair Pay-Kampagne der IG KÖ teilt Kulturarbeit
Das ist keine neue Position der Stadt Wien und ich                    in fünf Kategorien ein. Im Gehaltsschema ist
finde es obszön, das in einer Machtposition zu sagen:                 ein Brutto-Einstiegsgehalt von 1.651 € bis
«Ich gebe euch zwar nur die Hälfte der Subvention,                    3.594 € (bei 35 Wochenstd.) vorgesehen. Im ­TKI-
aber eigentlich solltet ihr es um den Preis nicht ma-                 Honorarspiegel für Selbstständige liegen die
chen.» Ehrlicher wäre es, zuzugeben: «Ihr kriegt die                  Mindest-Stundensätze bei 18,78 € bis 43,99 €.
Subvention nicht, weil wir können es uns nicht leis-
                                                                      → igkultur.at/projekt/fair-pay
ten.»

1 Als Gesprächsplattform wird dazu eine bundesweite Arbeitsgruppe Fairness eingerichtet, die aus Nominierten der neun ­Bundesländer
sowie Vertreter*innen der Kunst- und Kultur-Sektion im BMKÖS besteht. Das FORUM Fairness besteht aus Vertreter*­innen der diversen
Interessenvertretungen. Die Vertreter*innen werden vom Österreichischen Kulturrat, der Dachorganisation der Interessenvertretungen,
nominiert. Das Forum soll die Möglichkeit für Input und Feedback bieten.

2 Am 8. und 9. April 2019 fand im Gartenbaukino in Wien das Symposium Freie Szene – Freie Kunst. Soziale Gerechtigkeit — Fair Pay.
Konkrete Strukturen und Ideen für Wien statt.
Salzburg

     Zwischen Beifall
     und Prekariat
     Die vergangenen Monate waren geprägt von Diskussionen über den Stellenwert von Berufen.
     Welchen Wert schreiben wir ihnen zu – oder eben nicht? Wird nur anerkennend applaudiert
     oder auch angemessen bezahlt? Carmen Bayer zur Fair Pay-Debatte und den aktuellen Ent-
     wicklungen als Schritte in die richtige Richtung.

     Carmen Bayer, Sprecherin     Die Gründe für den Mangel an fairer Bezahlung sind geworden. Die Kulturlandschaft ist besonders anfäl-
     der Salzburger Armuts­       vielfältig, die Folgen erschreckend aber durchaus po- lig, umso wichtiger ist daher eine Absicherung über
     konferenz wundert sich
                                  litisch bekannt: Schon 2008 zeigte eine vom Bund be- höhere Honorare und Löhne. Im Kulturentwicklungs-
     oft über gesellschaftliche
     Entwicklungen und schreibt
                                   auftragte Studie Missstände auf. Zehn Jahre danach plan des Landes Salzburg haben wir die ‹soziale Absi-
     darüber.                     wurde ein Update dieser Studie veröffentlicht, eine cherung im Kunst- und Kulturbereich› bereits veran-
                                   zweite Erhebung wurde durchgeführt. 2018 zeigte kert, jetzt geht es an die Umsetzung.»
                                   sich zum Beispiel, dass selbstständige Künstler*innen Das Vorhaben der Landespolitik zeigt sich mit Blick
                                  im Schnitt 5.000 € pro Jahr verdienen1.                  auf das von Schellhorn verwaltete Budget für Kultur.
                                  Wesentlich aber ist, dass sich Kulturarbeiter*innen Hier sind für 2021 450.000 € für die schrittweise Rea-
                                  ­inzwischen ihres Wertes bewusst sind und diesen ein- lisierung von Fair Pay und die Verbesserung der Kunst-
                                  fordern. Die groß angelegten Aktionen zu Fair Pay in produktion für alle Sparten reserviert. «Erfreulich,
                                   ganz Österreich stehen exemplarisch hierfür. Mehr dass hier das Land Salzburg als einer der drei Förder-
                                   noch, neben dem aktivistischen Engagement der IG geber einen ersten wichtigen Schritt macht – es wäre
14                                Kultur Österreich fand zunehmend eine Professionali- nun hoch an der Zeit, dass die Stadt Salzburg bei Fair
     Foto: Sarah Baier             sierung der Akteur*innen statt. Erhebungen zur Lage Pay auch ihren Anteil abliefert.», so Thomas Randisek,
                                   der Kulturarbeiter*innen, die Quote von angemesse- Geschäftsführer vom Dachverband der Salzburger
                                   nen Löhnen und die Anzahl der vielen ehrenamtlichen Kulturstätten. Nach den Berechnungen des Dachver-
                                   Stunden zeigen auf, was hier eigentlich geleistet wird. bandes werden nämlich weit mehr Leistungen benö-
                                  Kurz gesagt, viel zu viel für viel zu wenig. So auch in tigt, wenn eine umfassende Umstellung auf Fair Pay
                                   der Mozartstadt Salzburg.                               in Salzburg gelingen sollte: Würde man 2021 etwa alle
                                                                                           Mitarbeiter*innen der Mitglieder des Dachverbandes
                                   Fair oder überhaupt bezahlt?                            fair bezahlen, würde das allein 2,3 Mio. € mehr ­kosten.
                                  Eine Erhebung des Dachverband Salzburger Kultur- Von dieser Rechnung sind aber die notwendigen Mittel
                                  stätten 2019 macht deutlich, dass Kunst- und Kultur- von rund 500.000 € für die zusätzlich benötigten An-
                                   arbeit großteils nicht angemessen bezahlt und dazu stellungen sowie finanzielle Leistungen für die Freie
                                   auch noch von vielen Stunden unbezahlter Arbeit Szene ausgenommen.
                                   getragen wird. Von den insgesamt 78 Mitgliedern er-
                                   möglichen 43 ein Beschäftigungsverhältnis, davon Lücken, die durch die Stadtpolitik abgefedert
                                  wiederum schafften es mit Stichtag 01.12.2019 gera- ­werden können?
                                   de 14 % beziehungsweise sechs Einrichtungen, ihre In der Stadt wird aktuell an der Kulturstrategie Salz-
                                  Mitarbeiter*innen nach dem fairen Gehaltsschema burg 2024 gearbeitet, die unter dem Motto «Kultur.
                                   der IG KÖ zu bezahlen. Die restlichen Aufgaben ent- Leben.Räume» die Vielfalt neben den typischen Tou-
                                  fallen auf viele Stunden ehrenamtlicher Tätigkeiten, rismusmagneten stärker in den Vordergrund stellen
                                  welche zusätzlich einen Mehrbedarf an 18 Fixanstel- möchte und neue Synergien zwischen Kunst, Wissen-
                                  lungen unter den Mitgliedern des Dachverbandes schaft und Wirtschaft plant. Laut Budget-Vorschlag
                                   ausmachen.                                              sind für 2021 29,4 Mio. € geplant, ein Rückgang, ver-
                                                                                           glichen mit den 30 Mio. € des Vorjahres.
                                  Zahltag?                                                 Trotz der Pandemie-bedingten Kürzungen versucht
                                  Seitens des Landes Salzburg gibt es bereits politische die Abteilung für Kultur, Bildung und Wissen der Stadt
                                  Bemühungen, diese Lücke zu schließen. Für Landes- Salzburg fixe Anstellungen und soziale Absicherung zu
                                  hauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn ist stärken. Bürgermeister-Stellvertreter Auinger nimmt
                                  «das Thema Fair Pay durch Corona noch dringlicher dazu Stellung: «In meinem Zuständigkeitsbereich

                                  1 → bmkoes.gv.at/Service/Publikationen/Kunst-und-Kultur/­berichte-studien-kunst.html
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