Forum Ausgabe 10 2016 - Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen - DGUV ...

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        Fachzeitschrift für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung   Ausgabe 10 • 2016

        Forum

        Sicherheit und Gesundheit
        in Bildungseinrichtungen

        Aktuelle Freihandelsabkommen in der EU
        Risiken für die Sozialversicherung?
        Rück-Sicht beim Baggerfahren
        Blickbewegungsmessungen auf Baustellen
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Editorial

                       Liebe Leserinnen,
                       liebe Leser,
                       welche Betreuung braucht ein zweijähriges Kind,
                       um sicher und gesund aufwachsen zu können? Wie
                       kann man geflüchtete Jugendliche schnell zu si-
                       cheren Verkehrsteilnehmenden machen? Die Rah-
                       menbedingungen und damit auch die Anforderun-
                       gen an Schule und Kita wandeln sich: Immer mehr
                       Kinder nutzen die Angebote der Tagesbetreuung, die
                       Zahl der unter Dreijährigen in den Kitas wächst, ge-
                       flüchtete Kinder und Jugendliche brauchen Bildung

                                                                                                              Foto: DGUV/Stephan Floss
                       als wichtigsten Schlüssel zur Integration.

                     Die Kinder in Kita und Schule stehen ebenso wie Er-
                     zieherinnen, Erzieher und Lehrkräfte unter dem
                     Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Ent-
                     wicklungen in der Bildungslandschaft betreffen uns
                     deshalb unmittelbar. So hat parallel zum Ausbau der Tagesbetreuung auch die Zahl
                     der meldepflichtigen Unfälle in diesen Einrichtungen zugenommen. Das Gleiche gilt
                                           für die Unfallzahlen der unter Dreijährigen. Weitere Erhe-
            „Die Kooperation mit           bungen    zeigen, dass die Betreuerinnen und Betreuer selbst
            verschiedenen Trägern          häufig  gesundheitliche Probleme entwickeln – von Muskel-Ske-
                                           lett-Erkrankungen bis hin zu psychischen Beeinträchtigungen.
            im Rahmen des Präven-
            tionsgesetzes kann              Wie können wir Bildungseinrichtungen in ihrer Sorge um Ge-
            uns in Zukunft wichtige         sundheit und Sicherheit noch besser unterstützen? Punktuelle
            Impulse geben.“                 Maßnahmen sind wenig nachhaltig. Es ist daher wichtig, dass
                                            unsere Angebote die gesamte Organisation berücksichtigen. Sie
                       sollen das Betreuungspersonal und die Lehrkräfte nicht zusätzlich belasten, sondern
                       sie in ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag unterstützen. Die Kooperation mit ver-
                       schiedenen Trägern im Rahmen des Präventionsgesetzes kann uns hier in Zukunft
                       wichtige Impulse geben.

                       Das Gesetz nimmt die Gesundheit in verschiedenen Lebenswelten in den Blick: von
                       der Kita über Familie und Arbeit bis ins Seniorenalter. Das ist eine große Chance.
                       Wenn es uns gelingt, ein Gesundheits- und Risikobewusstsein bereits in die frühkind-
                       liche Bildung zu integrieren, kann sich das nur positiv auf das Verhalten in der Ar-
                       beitswelt auswirken.

                       Mit den besten Grüßen
                       Ihr

                       Dr. Joachim Breuer
                       Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

2   DGUV Forum 10/2016
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Inhalt

> Editorial/Inhalt >>>                                    2–3

> Aktuelles >>>                                           4–8

> Nachrichten aus Brüssel >>>                               9

> Titelthema >>>                                      10–33
Eine Aufgabe für die Unfallversicherung
Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen 
Sieglinde Ludwig
                                                            10    12
Sicherheit und Gesundheit in der frühen Bildung fördern
Notwendigkeit und Ausrichtung von Prävention
und Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen       12
Heinz Hundeloh
Zeitgemäße Präventionsangebote
für Kindertageseinrichtungen
Bildung und Betreuung der Jüngsten                         16
Annette Kuhlig
Qualifizierung
Kindersicherheit in der Tagespflege 
Martina Abel, Regina Gerdon
                                                            18
                                                                  32
Projekt
„Mit Schulleitung gesunde, inklusive Schule gestalten“     20
Bettina Amrhein, Benjamin Badstieber
Interaktive Erkundungen
„Sichere Schule“ – ein virtuelles Internetportal           23
Markus Schwan
Qualifizierung
Allgemeiner Hochschulsport – sicher und gesund gestalten  26
Christina Walther
Interview
„Die Zeiten für das Gießkannenprinzip sind vorbei“         28
                                                                  38
Gespräch mit Gabi Ohler
Flüchtlingskinder und jugendliche Flüchtlinge                    > Prävention >>>                                   38–39
Mobilitäts- und Verkehrserziehung
                                                                 Aus der Forschung
vor neuer Herausforderung                                  30
                                                                 Rück-Sicht beim Baggerfahren –
Sabine Bünger, Michael Taupitz
                                                                 Blickbewegungsmessungen auf Baustellen                     38
Verkehrserziehung auf neuen Wegen                                Markus Koppenborg, Peter Nickel, Andy Lungfiel,
Vom Wandel eines Klassikers                                32   Michael Huelke
Katja Seßlen

                                                                 > Personalia >>>                                           40
> Europa und Internationales >>>                      34–37
Aktuelle Freihandelsabkommen in der EU                           > Aus der Rechtsprechung >>>                               41
Neue Entwicklungen im Freihandel – jedoch nicht zu
Lasten der sozialen Sicherungssysteme                      34
Eva-Marie Höffer, Ilka Wölfle                                    > Medien/Impressum >>>                                     42

                                                                                                        DGUV Forum 10/2016    3
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Aktuelles

Alle 23 Minuten kommt ein Kind im Straßenverkehr zu Schaden
Wie die neuesten Zahlen des Statistischen      meisten Unfälle passierten mit dem Fahr-                                                    der DVR nun bundesweit das Programm
Bundesamtes für das Jahr 2015 belegen,         rad. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat                                                    „Kind und Verkehr“ ins Leben gerufen.
sind die Unfallzahlen von Kindern im Stra-     (DVR) sieht diese Entwicklung mit großer                                                    Dieses bietet Informationsveranstaltungen
ßenverkehr im Vergleich zum Vorjahr ge-        Sorge. „Jahrelang wurden immer weniger                                                      für Eltern, Großeltern und Betreuungsper-
stiegen. 2015 verunglückten in Deutsch-        Kinder bei Verkehrsunfällen getötet. Jetzt                                                  sonen zur Verkehrssicherheit des Nach-
land rund 22.500 im Alter von 6 bis 14         hat sich dieser Trend umgekehrt“, sagt An-                                                  wuchses an. In den Veranstaltungen geht
Jahren bei Verkehrsunfällen, 53 von ihnen      dreas Bergmeier vom DVR. Schon von 2013                                                     es um die richtige Sicherung von Kindern
tödlich. Damit kam aus dieser Altersgrup-      auf 2014 wurde eine Zunahme der tödli-                                                      im Auto, das sichere Überqueren einer
pe im Durchschnitt alle 23 Minuten ein         chen Kinderverkehrsunfälle verzeichnet.                                                     Straße oder auch um die schützende Wir-
Kind im Straßenverkehr zu Schaden. Die         Aufgrund der alarmierenden Zahlen hat                                                       kung des Fahrradhelms.

Neue Autobahnplakate: Weil Leben schön ist
Das Bundesministerium für Verkehr und          Video mit prominenten Unterstützerinnen                                                     vom Gas zu gehen. Unter allen Teilnehmen-
digitale Infrastruktur (BMVI) und der          und Unterstützern dazu auf, mit eigenen                                                     den werden ein Reisegutschein und Sach-
Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR)          Fotos zu zeigen, dass es sich lohnt, runter                                                 preise verlost.
haben neue Plakate für Autobahnen und
Rastanlagen entwickelt. Sie sind Bestand-
teil der gemeinsamen Verkehrssicher-
heitskampagne „Runter vom Gas!“. Die
Plakatierung wird von der Deutschen Ge-
setzlichen Unfallversicherung finanziell
unterstützt. Unter dem Motto „WEIL LE-
BEN SCHÖN IST“ zeigen die emotionalen

                                                                                                   WEIL LEBEN SCHÖN IST
Momentaufnahmen, was Verkehrsteilneh-
mende durch überhöhte Geschwindigkeit
verlieren können.

„Das Leben ist zu schön, um es leichtfertig
                                                                                                                          RUNTER VOM GAS!
aufs Spiel zu setzen. Das ist die klare Bot-
schaft unserer neuen Kampagne“, sagt
Dorothee Bär, Parlamentarische Staatsse-
kretärin beim BMVI. Neben drei Motiven
auf rund 700 Plakatflächen entlang der Au-
                                                               Quelle: DVR

tobahnen ist die Kampagne erstmals mit
einer Mitmachaktion auch auf Facebook
und anderen Onlinemedien präsent. Hier         3790x2540_DVR_Autobahnplakate_Leben_schoen.indd 1                                                                                        25.07.16 11:06

rufen zahlreiche weitere Motive und ein        Eines der Motive für die Plakatflächen an den Autobahnen

BGW-Fotowettbewerb „Mensch, Arbeit, Handicap“
Unter dem Titel „Mensch, Arbeit, Handi-        Einsendeschluss ist der 31. Mai 2017. Hinter-                                               Rolle kommt dabei der Arbeitswelt zu“, er-
cap“ schreibt die Berufsgenossenschaft für     grund ist die UN-Behindertenrechtskonven-                                                   klärt Professor Stephan Brandenburg,
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege         tion (UN-BRK), die in Deutschland seit 2009                                                 Hauptgeschäftsführer der BGW. „Denn Ar-
(BGW) einen Fotowettbewerb zum Thema           gilt. Kern der Konvention ist die gleichbe-                                                 beit schafft Struktur, verbessert die Mög-
Inklusion im Arbeitsleben aus. In Medien-      rechtigte gesellschaftliche Teilhabe von                                                    lichkeit, soziale Beziehungen aufzubauen,
partnerschaft mit dem Magazin chrismon         Menschen mit Handicap. „Eine zentrale                                                       und trägt zum Selbstwertgefühl bei.“
lädt die BGW Fotografinnen und Fotografen
ab 18 Jahre zur Teilnahme ein. Ausgelobt
sind Preisgelder von insgesamt 22.000
Euro. Pro Person kann wahlweise ein Ein-
zelfoto oder eine bis zu fünf Motive um-
                                                                                           !       Weitere Informationen zu den Teilnahmebedingungen sowie über die Hintergründe des
                                                                                                   Wettbewerbs finden sich unter: www.bgw-online.de/fotowettbewerb
fassende Fotostrecke eingereicht werden.

4   DGUV Forum 10/2016
Forum Ausgabe 10 2016 - Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen - DGUV ...
Aktuelles

Der schmale Grat zwischen tragen und tragisch
Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutz-      machen sollte und was Arbeitgeber und        bildet eine Teilnahmeliste, die dokumen-
strategie (GDA) warnt vor Muskel-Skelett-   Beschäftigte alles tun können, um ihre       tiert, dass der Arbeitgeber damit seiner
Erkrankungen, die durch falsches Tragen     Gesundheit zu schützen. Den Abschluss        Unterweisungspflicht nachgekommen ist.
und Ziehen schwerer Lasten entstehen
können. Unternehmen sollten daher in
enger Abstimmung mit ihrer Fachkraft für
Arbeitssicherheit oder dem Betriebsarzt
beziehungsweise der Betriebsärztin die
Belastungsursachen und -faktoren in den
Betrieben analysieren, um geeignete
Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Auf dem MSE-Portal www.gdabewegt.de
stehen Informationen über die wichtigs-
ten Belastungsfaktoren bereit sowie eine
Reihe von geeigneten Schutz- und Prä-
ventionsmaßnahmen und Hilfsmittel.

Darüber hinaus findet sich auf der Seite

                                                                                                                                  Foto: mauritius images/Reinhard Eisele
eine kurze Unterweisungsbroschüre der
Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel
und Gastgewerbe (BGN). Beschäftigte und
Unterweisende werden darin über die
häufigsten Risiken, wichtigsten Hilfsmit-
tel und das richtige Verhalten beim Zie-
hen und Schieben unterrichtet. Humor-
volle Zeichnungen verdeutlichen, wie
man es machen beziehungsweise nicht

Bergmannstrost als Hand-Trauma-Zentrum zertifiziert
Der Dachverband der europäischen hand-      Art. In Halle ist es das erste mit diesem    Für eine erfolgreiche Zertifizierung muss
chirurgischen Gesellschaften hat jüngst     Schwerpunkt. „Das Bergmannstrost hat         die Klinik unter anderem eine qualifi-
die Klinik für Plastische und Handchirur-   in den letzten 20 Jahren die Handmedizin     zierte Rund-um-die-Uhr-Versorgung für
gie am BG Klinikum Bergmannstrost Hal-      zu einem zentralen Behandlungsschwer-        Akutverletzungen nachweisen, sicher-
le als Hand-Trauma-Zentrum zertifiziert.    punkt aufgebaut“, erklärt Prof. Frank Sie-   gestellt durch eine Mindestzahl spezia-
Damit gehört das Bergmannstrost bundes-     mers, Direktor der Klinik für Plastische     lisierter Fachärzte und Fachärz­t innen
weit zu den 35 anerkannten Zentren dieser   und Handchirurgie.                           auf diesem Gebiet.

Onlinebefragung sucht Fachkräfte für Arbeitssicherheit
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und     schutzes zu gestalten. Die Befragung wur-
Arbeitsmedizin (BAuA) ruft dazu auf, an     de Ende August freigeschaltet und endet
einer kurzen Onlinebefragung der Techni-    am 13. Oktober 2016. Sie dauert zwischen
schen Universität Dresden mitzuwirken.      10 bis 15 Minuten. An die Teilnehmenden
Die Frage „Haben wir – auch in Zukunft –    wird dreimal das Werk „Arbeitsschutz-
genügend Fachkräfte für Arbeitssicherheit   recht“ von Ralf Pieper verlost.
mit den betrieblichen benötigten Kompe-
tenzen?“ steht dabei im Zentrum. Von den

                                             !
                                                                                          Foto: gemeinfrei

Ergebnissen werden alle Fachkräfte für
Arbeitssicherheit, aber auch weitere Ak-          So geht es zur Onlinebefragung:
teure und Institutionen im Arbeitsschutz          ww3.unipark.de/uc/SIFA/2016/
profitieren, um die Zukunft des Arbeits-

                                                                                                             DGUV Forum 10/2016                                            5
Forum Ausgabe 10 2016 - Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen - DGUV ...
Aktuelles

Disability Management für China
Die DGUV hat in Deutschland schon über         ment and Research“ (NIDMAR) internatio-       geboten. Teilnehmende waren medizini-
1.000 Disability Managern und Managerin-       nal vergibt, und kann Disability Manager      sche Führungskräfte. Sie werden künftig
nen das internationale Zertifikat zum „Cer-    und Mangerinnen ausbilden. Hinter dem         in China Disability Manager ausbilden, die
tified Disability Management Professional“     CRRC steht die Behindertenorganisation in     sich um die berufliche Wiedereingliede-
(CDMP) verliehen. Die meisten arbeiten mit     China (CDPF), die rund 80 Millionen Men-      rung von Menschen mit Behinderungen
dieser Zusatzqualifikation als Beauftragte     schen mit Behinderungen vertritt. Die         kümmern. Mit dem Bildungsangebot sollen
für Betriebliches Eingliederungsmanage-        DGUV ist ein Kooperationspartner der Or-      Betriebe und Beteiligte in der sozialen Si-
ment (BEM) in deutschen Betrieben oder         ganisation. Um die Implementierung des        cherheit in China motiviert werden, das
sind für Betriebe tätig. Seit Kurzem besitzt   Disability Managements im Land zu unter-      Disability Management anzuwenden und
auch das China Rehabilitation Research         stützen, hat die DGUV ein dreitägiges Se-     damit auch das Menschenrecht auf Arbeit
Center (CRRC) die Lizenzrechte, die das        minar für Trainer und Trainerinnen des        (Art. 27 der UN-Behindertenrechtskonven-
„National Institute of Disability Manage-      CDMP-Bildungsprogramms in Peking an-          tion) in ihrem Land umzusetzen.

                                                                                                                                     Foto: DGUV

Dr. Friedrich Mehrhoff (3. v. r.) und Oliver Fröhlke (5. v. r.) gaben medizinischen Führungskräften in China eine Einführung ins
Disability Management. Die Gruppe wird wiederum andere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren schulen.

Gesundheit hat ihren Preis
Die Berufsgenossenschaft für Gesund-           mit Behinderungen fördern. Angespro-          hilfe tätig sind. Bei der Bewertung geht
heitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)         chen sind alle bei der BGW versicherten       es insbesondere darum, wie Gesundheit
ruft alle Einrichtungen der Behinderten-       Einrichtungen, die in der Behinderten-        im Unternehmen verankert ist.
hilfe dazu auf, sich um den BGW-Gesund-
heitspreis 2017 zu bewerben. Mit insge-
samt 45.000 Euro Preisgeld werden weg-
weisende Konzepte ausgezeichnet, die die
                                                !   Bewerbungsschluss ist der 31. Dezember 2016. Welche Bedingungen die Bewerbung
                                                    erfüllen muss, den dazugehörigen Fragebogen sowie weitere Informationen stehen
Gesundheit der Mitarbeitenden sowie der             online zur Verfügung: www.bgw-online.de/gesundheitspreis
in Werkstätten beschäftigten Menschen

6   DGUV Forum 10/2016
Forum Ausgabe 10 2016 - Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen - DGUV ...
Aktuelles

Zahl der in Minijobs beschäftigten Ausländerinnen und Ausländer steigt
Innerhalb eines Jahres er­
höhte sich der Anteil von                                                                      Syrien                                                             +89,3 %
­Menschen in gewerblichen
                                                                                           Rumänien                         +21,6 %
 ­Minijobs mit ausländischer
                                                                                            Bulgarien                    +20,0 %
  Staatsange­hörigkeit um 3,8
                                                                                             Kroatien                    +19,2 %
  Prozent – das hat die Deut-
                                                                                              Ungarn               +12,7 %
  sche Rentenversicherung
  Knappschaft-Bahn-See                                                                   Afghanistan              +10,1 %

  jetzt bekannt gegeben.                                                                      Kosovo            +8,3 %

  Deutschland hat im Jahr                                                                Mazedonien            +6,6 %

  2015 mehr als eine Million                                                                     Irak          +5,5 %
  Menschen aufgenommen.                                                                        Polen          +5,4 %
                                                                     Ausländerinnen/Ausländer Gesamt          +3,8 %
 Eine Migration, die sich                                                    Bosnien und Herzegowina      +2,4 %
 ­auch in den Zahlen der Mi-                                                            Griechenland      +1,6 %
  nijob-Zentrale widerspie-                                                                Frankreich     +1,6 %
  gelt. Von Juni 2015 bis Juni
                                                                                 Russische Föderation     +1,2 %
  2 016 er­h öhte sich der
                                                                                            Thailand      +1,1 %
­A nteil der Beschäf­t ig­-                                                                                                           Prozentuale Entwicklung
                                                                                             Spanien     +0,5 %
­t en mit auslän­­d­i­s ch­­­­­­­­­­e r                                                                                               der gewerblichen
                                                                                             Vietnam     +0,3 %
  Staatsan­gehör­ig­­keit um                                                                                                          Minijobberinnen
  30.162 auf 829.665. „Der                                                                   Ukraine     +0,3 %
                                                                                                                                      und Minijobber
  ­A nstieg gerade bei den                                                                   Serbien     +0,2 %                       in Deutschland nach
   Menschen mit syrischer, af-                                                                 Italien   +0,1 %                       Staatsangehörigkeit
   ghanischer und irakischer                                                             Niederlande     -0,3 %                       (Juni 2015 – Juni 2016)
   Herkunft zeigt, dass ge-                                                               Kasachstan     -0,5 %
   werbliche Minijobs ein                                                                   Marokko      -0,5 %
   möglich-­­er erster Schritt für                                                       Deutschland     -1,0 %
   eine er­folgreiche Integrati-
                                          Quelle: Minijob-Zentrale

                                                                                           Österreich    -1,3 %
   on in d­ en deutschen Ar-                                                                   Türkei    -3,3 %
   beitsmarkt sein können“,
   sagt Dr. Erik Thomsen, Lei-
   ter der Minijob-Zentrale­                                                                   -20 %     0%             20 %          40 %     60 %        80 %     100 %
   in Essen.

Gemeinsames Präventionszentrum von BGW und VBG in Hamburg
Die BGW und die VBG planen ein ge-                                        An diesem gemeinsamen Standort wol-                  „Zusätzlich zu den bereits auch an   ­­ ­a n­-
meinsames Präventionszentrum in der                                       len BGW und VBG neue Wege besch­                     deren Standorten bewährten Semi ­
Hamburger HafenCity. Sie wollen dort                                      reiten. So sind zeitgemäße und zu­                   naran­g eboten wird das Prävention­
Multi­plikatorinnen, Multiplikatoren und                                  kunftsorientierte Präventionsangebote                szentrum neue, spezifische Qualifizie-
Fach­leute für den Arbeitsschutz aus den                                  ­geplant, die ge­sellschaftliche und wirt-           rungsformate sowie Ausstellungen,
Unternehmen weiterbilden sowie indi-                                      schaftliche Ver­änderungen wie etwa die­­            Praxiswelten und Veranstaltungen zu
viduelle Beratung anbieten.                                               zunehmende Technisie­rung und Flexi­                 unter­s chiedlichen, aktuellen Themen
                                                                          bilisier­ung der Arbeits­welt berücksichti-          aus A
                                                                                                                                   ­ rbeitssicherheit und Gesundheits-
In dem Gebäude werden jährlich etwa                                       gen. Im Vorder­g rund stehen dabei die               schutz anbieten“, sagt Prof. Dr. Stephan
30.000 Seminarteil­nehmende sowie Be-                                     Förderung der Präventionskultur in den               Brandenburg, Haupt­geschäftsführer der
sucherinnen und Besucher von Ausstel-                                     Unterneh­men und die individuelle Ge-                BGW. „Es wird ein ­zukunftsorientiertes
lungen und Veranstaltungen erwartet.                                      sundheitskompetenz der Ver­sicherten.                Haus für Arbeits­sicherheit, Unfallverhü-
Ein ­A rchitekturwettbewerb wurde be-                                                                                          tung und Gesund­heitsschutz entstehen,
reits ausgeschrieben. Bau­beginn ist vo-                                  Darüber hinaus werden etwa 180 Be-                   in dem Barrierefreiheit und Inklusion
raussichtlich Mitte 2018. Voraussetzung                                   schäftigte der BGW und VBG ihren Ar-                 nicht nur the­o­r e­­t isch vermittelt, son-
dafür ist unter ander­­em die Zustimmung                                  beitsplatz am neuen Standort beziehen.               dern höchste ­Stan­dards auch selbst re-
der zuständig­e n Aufsichts­b ehörde der                                  Das Präventionszentrum soll voraus-                  alisiert und vorgelebt werden“, so
Berufsgenossenschaften.                                                   sichtlich Anfang 2021 eröffnen.                      Thorsten Döcke, Mitglied der VBG.

                                                                                                                                                      DGUV Forum 10/2016    7
Forum Ausgabe 10 2016 - Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen - DGUV ...
Aktuelles

„Schlauer Fuchs“ für sichere Lösung
Das Unternehmen StH Stahlverarbeitung          gesetzt. Dafür wurde es mit dem Gütesie-     ten will der Unternehmer künftig weiter
Hoffmann GmbH aus Lauchammer hat               gel „Sicher mit System“ ausgezeichnet.       fördern. „Im kommenden Jahr möchte ich
gleich zwei Auszeichnungen der Berufs-         „Diese Veränderungen sind Ausdruck           alle Mitarbeiter mithilfe der Angebote der
genossenschaft Holz und Metall (BGHM)          einer gelebten Sicherheitskultur“, sagt      BGHM zum Thema Rückengesundheit
erhalten: Verliehen wurde das Gütesiegel       Brendel. Das Potenzial seiner Beschäftig-    schulen“, kündigt er an.
„Sicher mit System“ für die Einführung ei-
nes professionellen Arbeitsschutz-Ma-
nagement-Systems sowie der BGHM-Si-
cherheitspreis „Schlauer Fuchs“ für eine
vorbildlich umgesetzte Idee zur Verbesse-
rung der Arbeitssicherheit.

„Die ausgezeichnete Idee ist simpel, aber
wirkungsvoll“, erklärte der BGHM-Präven-
tionsexperte Andreas Brendel bei der Über-
gabe des „Schlauen Fuchses“ an den Ge-
schäftsführer Thomas Hoffmann. Durch
den Einfall eines Mitarbeiters konnte an
                                                Foto: StH Stahlverarbeitung Hoffmann GmbH

einer Biegemaschine eine mit Gefährdung
verbundene Tätigkeit durch einen mecha-
nischen Kniff gelöst werden. „Mit dieser
Maßnahme haben wir die Gefährdung für
die Hände beseitigt“, sagt Hoffmann. Auch
die Ergonomie habe sich verbessert.

Die Themen Arbeitssicherheit und betrieb-
licher Gesundheitsschutz hat das Unter-
nehmen mit der Einführung eines Arbeits-
schutz-Management-Systems im vergan-           BGHM-Präventionsexperte Andreas Brendel (rechts) überreicht das Gütesiegel „Sicher mit
genen Jahr systematisch auf seine Agenda       System“ an Geschäftsführer Thomas Hoffmann (StH Stahlverarbeitung Hoffmann GmbH).

Ein Archiv für alle BG Kliniken
Nach anderthalbjähriger Vorbereitungs-         zum barrierefreien Datenaustausch zwi-       entendaten unabhängig von der jewei-
zeit ist der Startschuss zum Aufbau eines      schen den BG Kliniken und weiteren Ge-       ligen IT-Infrastruktur. „Damit ist die Vor-
gemeinsamen Archivs aller Berufsgenos-         sundheitsunternehmen geschlossen. Die        bereitung eines der komplexesten IT-
senschaftlichen Kliniken (BG Kliniken)         Kliniken der gesetzlichen Unfallversiche-    Gemeinschaftsprojekte der BG Kliniken
gefallen: Anfang August 2016 wurde mit         rung führen damit an sämtlichen Stand-       abgeschlossen und die Umsetzung kann
der Firma März als Generalunternehmer          orten ein einheitliches Dokumentenarchiv     beginnen“, so Eckhard Oesterhoff, Be-
der Vertrag für eine digitale Dokumenten-      ein. Die Plattform ermöglicht in Zukunft     reichsleiter IT der Dachgesellschaft der
archivierung (ECM) und einem System            eine verbundweite Verwaltung der Pati-       BG Kliniken.

Zahl des Monats: 53 %
53 Prozent der Autofahrerinnen und             bei 2.000 Personen über 14 Jahren durch-
Autofahrer sind der Meinung, dass der          geführt wurde. Demnach ist Aggression
Straßenverkehr zunehmend von aggres-           für acht von zehn Befragten ein prägen-
sivem Verhalten geprägt ist. Etwa ein Vier-    des Element im Straßenverkehr. Als Bei-
tel (27 Prozent) ist der Auffassung, das sei   spiele für aggressives Verhalten wurden am
schon immer so gewesen. Dies ergab eine        häufigsten zu schnelles Fahren genannt
                                                                                                                                     Quelle: Cicero

repräsentative Befragung, die im Auftrag       (73 Prozent), gefolgt von dichtem Auffah-
des Deutschen Verkehrssicherheitsrates         ren/Drängeln (67 Prozent) und riskantem
(DVR) vom Marktforschungsinstitut Ipsos        Überholen (65 Prozent).

8   DGUV Forum 10/2016
Forum Ausgabe 10 2016 - Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen - DGUV ...
Nachrichten aus Brüssel

 EU nimmt Modernisierung der Sozialstatistik in Angriff
  Die Stärkung der sozialen Dimension        Mit einem aktuellen Verordnungsvor-         europaweit besser vergleichbar werden.
  steht ganz oben auf der politischen        schlag zur Modernisierung der Sozial-       Deshalb sollen die Vorgaben für die sie-
  Agenda der EU-Kommission. Das hat          statistik soll die Bedeutung der Sozial-    ben derzeit nebeneinander bestehenden
  EU-Sozialkommissarin Marianne Thys-        politik weiter untermauert werden. So       Erhebungen vereinheitlicht werden.
  sen bereits zu Beginn des Jahres betont,   möchte die Brüsseler Behörde, dass          Konkret wird in dem Vorschlag auch die
  als sie ihre Vorstellungen zur Einfüh-     zukünftig personenbezogene Daten, die       Erhebung von Datensätzen zur Gesund­­-
  rung einer Europäischen Säule sozialer     für die europäische Sozial­politik von      heit, zur Arbeitsbedingungen sowie Teil­-
  Rechte präsentierte.                       Bedeutung sind, schneller vorliegen und     -habe angesprochen. Ob und inwieweit
                                                                                         die EU-Kommission erhobene Daten – so
                                                                                         zum Beispiel zu Arbeitsunfällen – für po­
                                                                                         litische Entscheidungs­fin­dungen nutzen
                                                                                         wird, bleibt abzuwarten.

                                                                                         Die Brüsseler Behörde hat jedoch be-
                                                                                         reits angekündigt, dass eine schnellere
                                                                                         Erhebung von Daten notwendig sei, um
                                                                                         mit sozialpolitischen Maßnahmen auf
                                                                                         die tatsächlichen Bedürfnisse der euro-
                                                                                         päischen Bürgerinnen und Bürger ein-
   Foto: mangulica/Fotolia.com

                                                                                         gehen zu können.

                                                                                         Der am 24. August veröffentlichte Vor-
                                                                                         schlag für eine Rahmenverordnung
                                                                                         wird nun im Europäischen Parlament
                                                                                         und Rat beraten.

  Arbeitskräftemobilität: EU-Kommission hält an ihren Reformplänen fest
  Bereits im Frühjahr hat die EU-Kom-        mit den Entwicklungen seit Verabschie-      vorgeschlagenen Änderungsrichtlinien
  mission ihre Vorstellungen zu einer        dung der Entsenderichtlinie im Jahr         nicht besser auf nationaler Ebene er-
  Überarbeitung der Entsenderichtlinie       1996. Die damalige Situation auf den        reicht werden könnte. Die EU-Kommis-
  (96/71/EG) veröffentlicht. Die Kommis-     Arbeitsmärkten sei mit den heutigen         sion hat in einer Mitteilung dargelegt,
  sion möchte mit ihren Vorschlägen die      Bedingungen nicht mehr vergleichbar.        dass sie diese Auffassung nicht teilt,
  Arbeitnehmerrechte verbessern und          So bestehe aktuell ein erheblich größe-     und bekräftigt, dass sie an ihren Re­
  insgesamt transparentere Vorschriften      res Lohngefälle zwischen den Entsen-        form­plänen festhalten will. Die Entsen-
  erwirken. Im Mittelpunkt der Reform-       de- und den Aufnahmeländern. Dies           dung von Beschäftigten sei naturgemäß
  vorschriften stehen Themen wie eine        soll nun geändert werden.                   eine grenzüberschreitende Angelegen-
  gerechtere Entlohnung von entsandten                                                   heit. Die Verpflichtung aller Mitglied-
  Beschäftigten sowie gleiche Wettbe-        Im Mai hat sich jedoch eine Reihe von       staaten, die einschlägigen Vorschriften
  werbsbedingungen. Im Kern sollen für       nationalen Parlamenten gegen den Ge-        in allen Wirtschaftsbranchen anzuwen-
  entsandte Beschäftigte die gleichen        setzesvorschlag gewandt. Unter Hin-         den, könne nur auf EU-Ebene geregelt
  Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen        weis auf einen Verstoß gegen das Sub-       werden, eine Festlegung auf nationaler
  gelten wie für lokale Arbeitnehmerin-      sidiaritätsprinzip haben sie ein Über­­-    Ebene sei hier nicht möglich. Damit ist
  nen und Arbeitnehmer. Die EU-Kom-          prüfungsverfahren eingeleitet. Damit        der Weg für das Gesetzgebungsverfah-
  mission begründet ihre Überlegungen        werfen sie die Frage auf, ob das Ziel der   ren nun frei.

Weitere Informationen: ilka.woelfle@dsv-europa.de

                                                                                                            DGUV Forum 10/2016       9
Forum Ausgabe 10 2016 - Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen - DGUV ...
Titelthema

                     Eine Aufgabe für die Unfallversicherung

               Sicherheit und Gesundheit in
               Bildungseinrichtungen
                     In den Lebenswelten Kita, Schule und Hochschule stehen die Unfallversicherungsträger vor der
                     Herausforderung, das Bewusstsein für Sicherheit und Gesundheit noch stärker zu fördern als bisher:
                     Das Titelthema dieser Ausgabe zeigt erfolgversprechende Lösungsansätze.

                     Wie der Bericht „Bildung in Deutschland       Die zuvor genannten Tatsachen stellen ei-     sich weiterentwickelt und ob es an die an-
                     2016“ zeigt, haben der zuletzt leichte An-    nerseits eine zu bewältigende Aufgabe dar,    deren Bundesländer weitergegeben wird.
                     stieg der Geburtenzahlen und die aktuel-      andererseits bieten sie die Chance, Sicher-
                     le Zuwanderung schutz- und asylsuchen-        heit und Gesundheit als qualitatives Inst-    Lebenswelt frühe Kindheit
                     der Familien mit Kindern kurzfristig zu       rument möglichst früh und noch besser         Wie die Werte Sicherheit und Gesundheit
                     einem höheren Bedarf an frühkindlichen        innerhalb der Curricula zu implementie-       vermittelt werden können, zeigt das Fach-
                     Bildungsangeboten geführt. Auch der           ren. Die Unfallversicherungsträger möch-      konzept „Die Gesundheit und Sicherheit
                     seit August 2013 bestehende Rechtsan-         ten die Bildungseinrichtungen bei dieser      in der frühen Bildung fördern“, das Dr. h.
                     spruch auf einen Betreuungsplatz für          gesamtgesellschaftlichen Aufgabe inner-       c. Heinz Hundeloh von der Unfallkasse
                     Kinder ab dem vollendeten ersten Le-          halb ihres Präventionsauftrages unterstüt-    Nordrhein-Westfalen im Leitartikel dieses
                     bensjahr führt noch kontinuierlich zu ei-     zen. Wie, erfährt man anhand von exemp-       Schwerpunktheftes vorstellt. Beim Studie-
                     ner steigenden Nachfrage die Betreuung        larischen Beispielen in diesem Heft.          ren seines Textes wird das Motto „Was
                     der unter Dreijährigen betreffend. Da die                                                   Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer-
                     Bildungsbeteiligung von Kindern im Alter      Qualitätssteigerung in                        mehr“ assoziiert. Und wie schwer es ist
                     von unter drei Jahren aktuell bei 51,9 Pro-   der Tagespflege                               Verhalten zu verändern, hat jeder schon
                     zent in Ostdeutschland und 28,2 Prozent       Weil immer mehr Kinder unter drei Jahren      am „eigenen Leib“ erfahren.
                     in Westdeutschland liegt, ist ein quantita-   von Tagespflegepersonen betreut werden,
                     tiver Mehrbedarf an frühkindlichen Ange-      haben die Bundesarbeitsgemeinschaft           Zudem trägt die gesamte Gesellschaft
                     boten anzunehmen.                             „Mehr Sicherheit für Kinder e. V.“ (BAG)      ebenfalls Verantwortung für den Nach-
                                                                   und die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen       wuchs, und jede Person kann durch ihre
                     Bessere Verankerung in den Curricula          (UK NRW) ein Modellprojekt gestartet. Im      Vorbildfunktion gerade bei den Kleinsten,
                     Das Bereitstellen einer Lernumgebung,         Rahmen der Präventionsleistung „For-          Großes bewirken. Denn: Wie der Leiter
                     die den zunehmend heterogenen Qualifi-        schung, Entwicklung und Modellprojek-         des Fachbereiches Bildungseinrichtungen
                     kationsbedarfen Rechnung trägt, fordert       te“ soll damit die Betreuungsqualität         der DGUV richtig schildert, führen mehr
                     Anstrengungen von allen Beteiligten. Es       durch Tagespflegepersonen sichergestellt      Sicherheit und Gesundheit in Kinderta-
                     gilt, geeignete Lernarrangements und          werden. Das Projekt wird von Martina          geseinrichtungen zu mehr Sicherheit und
                     Lernmaterialien zu entwickeln und das         Abel (Geschäftsführerin der BAG) und Re-      Gesundheit in den nachfolgenden Lebens-
                     Personal in den Bildungseinrichtungen         gina Gerdon (UK NRW) vorgestellt. Es          phasen. In diesem Konzept einer Prä­
                     durch Qualifikationsmaßnahmen auf die-        bleibt abzuwarten, wie erfolgreich dieses     ventionsleistung aus dem Bereich „Infor-
                     se Aufgaben vorzubereiten.                    Qualifizierungskonzept sein wird, wie es      mation und Kommunikation“ wird somit
                                                                                                                 beschrieben, wie sich gute gesunde Kin-
                                                                                                                 dertageseinrichtungen schaffen lassen.

                     Autorin                                                                                     Eine weitere Präventionsleistung aus die-
                                                                                                                 sem Bereich stellt Annette Kuhlig von der
                                               Sieglinde Ludwig                                                  Unfallkasse Berlin mit der neuen DGUV
                                               Unterabteilung Gesundheit der DGUV                                Information 202-093 „Die Jüngsten in Kin-
                                               E-Mail: sieglinde.ludwig@dguv.de                                  dertageseinrichtungen sicher bilden und
                                                                                                                 betreuen“ vor. Damit steht dem Präven­
                                                                                                                 tionspersonal der Unfallversicherungs­
Foto: Porta Design

                                                                                                                 träger eine bundesweite Handlungsan-
                                                                                                                 leitung zur Verfügung, um Kinder­tages-
                                                                                                                 einrichtungen zu beraten, die Kinder unter
                                                                                                                 drei Jahren betreuen.

               10        DGUV Forum 10/2016
Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen

Lebenswelt Schule und die Inklusion             tödliche und schwere Unfälle zu verhin-         tert, weshalb Rahmenbedingungen und
Nach der Lebenswelt Kita kommen die             dern. Unfallschwerpunkte in diesen beiden       Qualifizierung der Übungsleitenden im
Kinder aufgrund der Schulpflicht in das         Kategorien sind die Schulwegunfälle und         Fokus stehen sollten. Was Unfallversiche-
Setting Schule. Den Menschen, die in die-       die Schulsportunfälle. Für Flüchtlingskin-      rungsträger in diesem Zusammenhang tun,
ser Umgebung tätig sind, stellt Markus          der und jugendliche Flüchtlinge (Zuwan-         schildert sie an einem Beispiel.
Schwan von der Unfallkasse Rheinland-           derung) ist der Weg zu den Bildungseinrich-
Pfalz den Internetauftritt www.sichere-         tungen neu (etwa Umgebung, Verkehrs-            Das Miteinander zählt
schule.de vor. Alle Interessierten erfahren     situation) und stellt in Verbindung mit dem     Prävention und damit die Werte Sicherheit
in diesem Portal, wie Schulen sicher und        originär vorhandenen Spieltrieb der In-         und Gesundheit müssen integrativer Be-
gesund gestaltet werden können: Schul-          dividuen eine noch größere Gefahr dar.          standteil der pädagogischen Arbeit in allen
träger erhalten Informationen zu ihren                                                          Bildungseinrichtungen werden und auch
Pflichten, die Sicherheit und Gesundheit                                                        zur Organisationsentwicklung beitragen.
betreffen, Lehrkräfte finden Materialien                                                        Wichtig sind individuelle Konzepte, die
und Hilfen für die sicherheitsgerechte                „Prävention und damit die                 für die konkreten Situationen passen, in
Unterrichtsgestaltung und -organisation,               Werte Sicherheit und Ge-                 denen sich die Bildungseinrichtungen be­
Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie             sundheit müssen integrativer                 finden. Das jeweilige familiäre und soziale
alle anderen Interessierten können sich           Bestandteil der pädagogischen                 Umfeld muss dabei helfen, die Kompetenz-
dort „schlaumachen“.                                 Arbeit in allen Bildungsein-               entwicklung zu fördern; auch die Kinder
                                                                                                selbst sind aufgefordert, ihre Entwicklung
                                                    richtungen werden und auch
Seit dem 26. März 2009 ist die UN-Konven-                                                       aktiv mitzugestalten. Nur Miteinander wird
tion über die Rechte von Menschen mit              zur Organisationsentwicklung                 Erfolg zu erreichen sein und nicht durch
Behinderungen (UN-BRK) in Deutschland                         beitragen.“                       ein Abschieben von Verantwortung auf die
geltendes Recht. Um Menschen mit Behin-                                                         jeweils anderen.
derung eine Teilhabe zu ermöglichen, hat
die DGUV 2011 ihren ersten Aktionsplan 1.0      Die Verkehrserziehung ist von jeher eine        Durch ein vielfältiges, sicherheits- und
auf den Weg gebracht. Seit 2015 ist der Ak-     der wichtigsten Maßnahmen zur Ver-              gesundheitsbezogenes Angebot an Prä-
tionsplan 2.0 in Kraft, der seine Schwer-       hütung der Schulwegunfälle in Bildungs-         ventionsleistungen versucht die gesetzli-
punkte auf die Bewusstseinsbildung, die         einrichtungen. Um bei dem Thema die vor-        che Unfallversicherung dabei zu unter-
Inklusion und die Partizipation legt. Um        genannte Personengruppe zu berücksich-          stützen. Dazu gehört unter anderem ihre
Inklusion zu befördern, unterstützt die         tigen, bedarf es – wie Michael Taupitz und      nächste Präventionskampagne „Kultur
DGUV zum Beispiel das Projekt „Mit Schul-       Sabine Bünger von der Unfallkasse Nord          der Prävention“, die 2017 startet. Mit ihr
leitung gesunde, inklusive Schule gestal-       ausführen – neuer oder abgewandelter            wollen die DGUV und die Unfallversiche-
ten“. Wie Prof. Bettina Amrhein und Ben-        Denkansätze. Denn die Herausforderung           rungsträger Sicherheit und Gesundheit
jamin Badstieber schildern, untersucht          lässt sich ihres Erachtens nur bewältigen,      als Werte für alle Menschen, für jede Or-
es Möglichkeiten, wie Schulleitungen das        wenn Flüchtlingskinder und jugendliche          ganisation sowie für die Gesellschaft eta-
gemeinsame Lernen aller Kinder und Ju-          Flüchtlinge im Schonraum auf den Real-          blieren. Diese beiden Werte sollen zum
gendlichen realisieren und Inklusion zum        verkehr vorbereitet werden, damit sie si-       Maßstab allen Handelns und bei allen
Leitbild von Veränderungsprozessen ma-          cher zu den Bildungseinrichtungen und           Entscheidungen mitberücksichtigt wer-
chen können. Eine Schulentwicklung soll         wieder nach Hause kommen. Ergänzend             den, um in allen Bildungseinrichtungen
dabei integrativ immer auch Sicherheit          lenkt Katja Seßlen von der Kommunalen           und Betrieben eine Präventionskultur zu
und Gesundheit im Blick haben.                  Unfallversicherung Bayern/Bayerischen           etablieren.
                                                Landesunfallkasse einen interessanten
Im Interview erläutert Gabi Ohler, Staats-      Blick auf die integrative Verkehrserzie-        Zum Schluss sollte noch das Gesetz zur
sekretärin im Thüringer Ministerium für         hung. Sie stellt klar, dass sich Lehrkräfte     Stärkung von Gesundheitsförderung und
Bildung, Jugend und Sport, dass in den          grundsätzlich in allen Fächern und in           Prävention erwähnt werden, das am
Thüringer Lehrplänen Sicherheit und Ge-         sämtlichen Jahrgangsstufen bis hin zur          25. Juli 2015 in Kraft getreten ist. Es ver-
sundheit aus ihrer Sicht ausreichend ver-       Oberstufe diesem „überlebenswichtigen“          folgt unter anderem das Ziel, die Präven-
ankert sind, die qualitätsgesicherte Um-        Thema widmen sollten – auch vor dem             tion und Gesundheitsförderung in Le-
setzung und damit das „Leben“ zum Teil          Hintergrund der neuesten Entwicklungen.         benswelten wie Kitas und Schulen zu
aber noch verbesserungsfähig sind.                                                              stärken. Hierzu sollen die gesetzliche
                                                Aufgegriffen wird auch der zweite Unfall-       Kranken-, Unfall-, Renten- und Pflegever-
Ein Schwerpunkt:                                schwerpunkt, die Schulsportunfälle, aller-      sicherung eine nationale Präventionsstra-
die Verkehrserziehung                           dings in einem Randbereich: dem Hoch-           tegie ent­wickeln, damit Prävention dort
Vor dem Hintergrund der Vision Zero – der       schulsport. Denn auch in der Hochschule         greift, wo Menschen lernen. Die Umset-
Strategie, eine Zukunft zu schaffen, in der     ist der Sport die Unfallursache Nr. 1. Chris-   zung des Präventionsgesetzes könnte da-
niemand in der Bildungs- und Arbeitswelt        tina Walther von der Unfallkasse Hessen         bei helfen, das bisher erreichte Präventi-
getötet oder so schwer verletzt wird, dass er   stellt dar, dass der Hochschulsport zur För-    onsniveau im Bildungsbereich weiter zu
lebenslange Schäden davonträgt – ist die        derung der Gesundheit der Studierenden          steigern sowie Sicherheit und Gesundheit
gesetzliche Unfallversicherung bestrebt,        ein wichtiges Element darstellt, und erläu-     als Werte zu implementieren.             •
                                                                                                                   DGUV Forum 10/2016     11
Titelthema

                                Sicherheit und Gesundheit in der frühen Bildung fördern

                           Notwendigkeit und Ausrichtung von
                           Prävention und Gesundheitsförderung
                           in Kindertageseinrichtungen
                                Prävention in der frühen Bildung auf der Grundlage des Konzeptes „Gute gesunde Kindertageseinrichtung“
                                kann zu mehr Sicherheit und Gesundheit sowohl in Kindertageseinrichtungen als auch in den nachfol-
                                genden Lebensphasen beitragen.

                                Frühe Bildung ist grundlegend                Fundament. Von einer guten Betreuungs-       Arbeit – und Lebensphasen werden we-
                                Seit Anfang der 2000er Jahre ist die Kin-    qualität in Kindertageseinrichtungen (Ki-    sentlich durch die Qualität der Prävention
                                dertagesbetreuung in den Fokus bildungs-     tas) profitieren Kinder deshalb ein Leben    und Gesundheitsförderung in der frühen
                                politischen und bildungswissenschaft-        lang. Was in der frühkindlichen Bildung      Bildung beeinflusst. Im Sinne einer nach-
                                lichen Interesses gerückt. Vor der PISA-     und Erziehung versäumt wird, ist später      haltig wirksamen Prävention ist es deshalb
                                Studie lag der Fokus der öffentlichen Dis-   gar nicht oder nur schwer aufzuholen und     erforderlich, die frühe Bildung gesund-
                                kussion über die Kindertagesbetreuung        auszugleichen.                               heitsförderlich zu gestalten und stärker, als
                                auf der familienpolitisch motivierten Auf-                                                es bisher geschah, für Prävention zu nut-
                                gabe der Vereinbarkeit von Familie und                                                    zen. Es gilt, möglichst frühzeitig Kinder da-
                                Beruf. Nach PISA lautete das Schlüssel-      „Von 2009 bis 2013 ereigneten                bei zu unterstützen, sich ein ausgeprägtes
                                wort „Bildung“. Demzufolge wird heutzu-      sich pro Jahr rund 238.000 Unfälle           Gefahrenbewusstsein und umfassende Ge-
                                tage die Kindertagesbetreuung schwer-        von Kindern in einer Kita.“                  sundheitskompetenzen anzueignen, damit
                                punktmäßig unter dem Aspekt betrachtet,                                                   sie sich sicher- und gesundheitsbewusst
                                welchen Beitrag sie zur frühkindlichen                                                    verhalten und zunehmend selbstbestimmt
                                Bildung und Kompetenzentwicklung leis-       Die ersten Lebensjahre prägen aber nicht     entscheiden können.
                                ten soll und leisten kann.                   nur die Persönlichkeit und die Bildungs-
                                                                             chancen, sondern auch das Sicherheits-       Gesundheit in
                                Die Notwendigkeit dieser veränderten Per-    und Gesundheitsverhalten sowie die Ge-       Kindertageseinrichtungen
                                spektive auf die Kindertagesbetreuung        sundheitschancen eines Menschen. In der      Ein hoher Stellenwert von Prävention und
                                wird durch Ergebnisse der Bildungsfor-       frühesten und frühen Kindheit können         Gesundheitsförderung in Kindertagesein-
                                schung gestützt: Schon in den ersten Le-     und müssen Kinder elementare Voraus-         richtungen scheint auch erforderlich zu
                                bensjahren werden bei Kindern die            setzungen erwerben, die sie in die Lage      sein, wenn man die Daten zur Gesundheit
                                Grundlagen für späteres erfolgreiches Ler-   versetzen, kompetent mit Risiken und Ge-     von Erzieherinnen und Erziehern sowie zur
                                nen und damit für gute Entwicklungs-,        fahren umzugehen und ihre Gesundheit         Kindergesundheit zugrunde legt. Parallel
                                Teilhabe- und Aufstiegschancen gelegt.       zu erhalten und zu stärken.                  zum Ausbau der Kindertagesbetreuung hat
                                Für ihre gesamte kognitive, sprachliche                                                   die Zahl der meldepflichtigen Unfälle von
                                und sozio-emotionale Entwicklung bildet      Die Sicherheit und Gesundheit in allen Le-   Kindern in der Tagesbetreuung zugenom-
                                die Phase der frühen Bildung das zentrale    benswelten – Schule, Familie, Freizeit und   men – und zwar sowohl in der absoluten
                                                                                                                          Unfallhäufigkeit als auch in der Unfallrate.
                                                                                                                          Insgesamt ereigneten sich in den Jahren
                                Autor                                                                                     2009 bis 2013 pro Jahr durchschnittlich
                                                                                                                          rund 238.000 Unfälle von Kindern in einer
                                                         Dr. h. c. Heinz Hundeloh                                         Kindertagesbetreuung.1 Die Unfälle in Kin-
                                                         Fachbereich Bildungseinrichtungen der DGUV                       dertageseinrichtungen machen jedoch nur
                                                         Unfallkasse Nordrhein-Westfalen                                  einen kleinen Teil der Unfälle aus, die im
Foto: Eugen Oskamp, Steinfurt

                                                         E-Mail: h.hundeloh@unfallkasse-nrw.de                            Alter zwischen ein und sechs Jahren pas-
                                                                                                                          sieren. Je nach Altersgruppe sind es zwi-
                                                                                                                          schen fünf und 20 Prozent.

                                                                                                                          Neben den Unfällen sind die psychischen
                                                                                                                          Beeinträchtigungen und Störungen im

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Gesunde Kita

                              „Was in der frühkindlichen Bildung und
                         Erziehung versäumt wird, ist später gar nicht oder
                            nur schwer aufzuholen und auszugleichen.“

Kindes- und Jugendalter bedeutsam. Nach       Wesentlich für diese gesundheitlichen Be-    nung tragen. Nur dann findet ihr Enga-
den Ergebnissen der „KiGGS-Studie – Ers-      einträchtigungen ist nach Auffassung der     gement Anklang bei den Akteuren der
te Folgebefragung (KiGGS Welle 1)“ aus        Autorinnen der Studie die Strukturquali-     frühen Bildung und nur dann werden
den Jahren 2009 bis 2012 weisen gut 17        tät einer Einrichtung, wie zum Beispiel      Prävention und Gesundheitsförderung zu
Prozent der Drei- bis Sechsjährigen ein er-   räumliche Bedingungen, Ausmaß der            einem selbstverständ­lichen Bestandteil
höhtes Risiko für psychische Belastungen      Fluktuation unter den Mitarbeitenden         der Arbeit und des Lebens in Kinderta-
auf. Problematisch scheint in dieser Al-      oder der Fachkraft-Kind-Schlüssel. Mit ab-   geseinrichtungen. Vor diesem Hinter-
tersgruppe vor allem das prosoziale Ver-      nehmender Strukturqualität der vorschu-      grund sollten die präventiven Maßnah-
halten zu sein.2                              lischen Einrichtung sinkt die subjektive     men der gesetzlichen Unfallversicherung
                                              Gesundheit der Beschäftigten.                in Kindertageseinrichtungen nachfolgen-
Nicht selten sind auch chronische Gesund-                                                  de Aspekte berücksichtigen:
heitsprobleme, zum Beispiel Allergien         Voraussetzungen für wirksame
oder Erkrankungen der Atemwege. Nach          Prävention in Kitas                          Akzeptanz findet die Förderung von Si-
Angaben der Eltern haben etwa 14 Prozent      Die Unfallversicherungsträger sind wich-     cherheit und Gesundheit in Kindertages-
der drei- bis sechsjährigen Kinder und Ju-    tige Partner der Kindertageseinrichtungen    einrichtungen, wenn sie ihr Kerngeschäft
gendlichen ein lang andauerndes chroni-       bei der Förderung von Sicherheit und Ge-     unterstützt. Dies ist vor allem dann der
sches Gesundheitsproblem. Dadurch sei         sundheit. Es gehört zu ihrem gesetzlichen    Fall, wenn die Maßnahmen auch die Um-
jedoch nur etwa jedes fünfte Kind einge-      Präventionsauftrag, in den Einrichtungen     setzung des Betreuungs-, Erziehungs- und
schränkt oder daran gehindert, Dinge zu       für die Verhütung von Unfällen und ar-       Bildungsauftrags von Kindertagesein­
tun, die Gleichaltrige tun können.3           beitsbedingten Gesundheitsgefahren so-       richtungen unterstützen und sich an den
                                              wie für eine wirksame Erste Hilfe zu sor-    ­I nhalten der länderspezifischen Bil­
Schlechter als der Gesundheitsstatus der      gen. Versicherte sind sowohl die Kinder       dungspläne orientieren. Sicherheits- und
Kinder ist der der pädagogischen Fach-        als auch das Personal. Allerdings ist die     Gesundheitsinterventionen sind somit so
kräfte einzustufen. Fasst man die Ergeb-      Zuständigkeit nicht einheitlich. Sowohl       zu gestalten, dass sie sowohl einen Beitrag
nisse der STEGE-Studie4 zusammen, ergibt      die Unfallkassen beziehungsweise Ge-          zum Erhalt und/oder zur Verbesserung der
sich folgendes Bild: Die pädagogischen        meindeunfallversicherungsverbände in          Gesundheit leisten als auch zur Förderung
Fach- und Leitungskräfte in Kindertages-      den Ländern als auch Berufsgenossen-          der Bildungsqualität einer Kindertagesein-
einrichtungen weisen im Vergleich zu          schaften, insbesondere die Berufsgenos-       richtung. Die Voraussetzungen für eine
gleichaltrigen Frauen mit gleicher Bildung    senschaft für Gesundheitsdienst und           derartige Ausrichtung sind in Kindertages-
in der deutschen Bevölkerung eine deut-       Wohlfahrtspflege (BGW), sind für die 3,3      einrichtungen verhältnismäßig gut, weil
lich schlechtere subjektive Gesundheit auf    Millionen Kinder und über 550.000 päda-       Gesundheit in den Bildungsplänen aller 16
und sind häufiger dauerhaft in ihrem All-     gogische Fachkräfte in über 54.000 Tages-     Bundesländer als eigenständiger Bil-
tag aufgrund gesundheitlicher Probleme        einrichtungen zuständig.5                     dungsbereich installiert ist. Maßnahmen,
eingeschränkt. Als häufigste Erkrankun-                                                     die die Verbesserung der Sicherheit und
gen zeichnen sich Muskel-Skelett-Erkran-                                                    Gesundheit als alleiniges Ziel haben, wer-
kungen, Erkrankungen der Atemwege,            „Schlechter als der Gesundheits-              den eher als additiv und zusätzliche Auf-
neurologische Erkrankungen sowie psy-         status der Kinder ist der                     gabe wahrgenommen und laufen damit
chische Beeinträchtigungen ab. Bei jeder      der pädagogischen Fachkräfte                  Gefahr, keine oder nur bedingte Akzeptanz
zehnten pädagogischen Fach- und Lei-          ein­zustufen.“                                bei den Akteuren und Akteurinnen der frü-
tungskraft wurde innerhalb der letzten                                                      hen Bildung zu finden.
zwölf Monate ein psycho-vegetatives Er-
schöpfungssyndrom ärztlich diagnosti-         Soll das präventive Engagement der Un-       Die Orientierung am Betreuungs-, Erzie-
ziert. Die häufigsten Beschwerden von         fallversicherungsträger in Kindertages-      hungs- und Bildungsauftrag ist nicht zu-
Fach- und Leitungskräften sind Kreuz- und     einrichtungen nachhaltig wirksam sein,       letzt auch deshalb erforderlich, weil es
Rückenschmerzen, Nacken- und Schulter-        dann sollten sie nicht nur miteinander       einen engen wechselseitigen Zusammen-
schmerzen, Grübelei, innere Unruhe sowie      kooperieren, sondern sie müssen vor al-      hang zwischen Bildung und Gesundheit
leichte Ermüdbarkeit, Mattigkeit und ein      lem den Besonderheiten des Lebens- und       einschließlich Sicherheit gibt. Wohler­
übermäßiges Schlafbedürfnis.                  Lernraums Kindertageseinrichtung Rech-       gehen, Gesundheit und Sicherheit sind          ▸
                                                                                                              DGUV Forum 10/2016     13
Titelthema

zentrale Voraussetzungen für die Arbeits-
und Leistungsfähigkeit von Bildungsein-
richtungen, denn Bildung ist weniger ­­ein
technisches als vielmehr ein perso­­­­­nen-
und beziehungsabhängiges Ergebnis.
Umgekehrt beeinflussen aber auch die
Anforderungen, Arbeitsbe­­dingungen und
Ergebnisse der Lebenswelt Kindertages-
einrichtung die Gesundheit.

Die Förderung von Sicherheit und Gesund-
heit ist als Beitrag zur Entwicklung einer
Organisation und ihrer Qualität zu verste-
hen und dementsprechend zu gestalten.
Deshalb und weil die Gesundheit von Kin-
dertageseinrichtungen und ihrer Ak­­teu­
rinnen und Akteure sowohl durch die
­Organisationsverhältnisse als auch die in-
 dividuellen Verhaltensweisen bestimmt
 wird, sollten Prävention und Gesundheits-
 förderung im Wesentlichen als Organisati-
 onsentwicklung realisiert werden. Hierzu
 gehören personale Ent­­wicklung, Entwick-
 lung der materiellen und sozialen Struktu-
 ren sowie die Gestaltung der Prozesse ei-
 ner sozialen Organisation.

Die Orientierung am Betreuungs-, Erzie-
hungs- und Bildungsauftrag sowie die
Tatsache, dass in Kindertageseinrichtun-
gen die Sicherheit und Gesundheit von Er-
wachsenen und Kindern in den Blick ge-
nommen werden müssen, legen nahe, als                 Von einer guten Betreuungsqualität in Kitas profitieren Kinder ein Leben lang.
Grundlage für Prävention und Gesund-
heitsförderung in Kindertageseinrichtun-
gen ein umfassendes und dynamisches
Gesundheitsverständnis zu verwenden.          gut geeignet zu sein, weil es die genannten   und Betreuungsauftrags von Kindertages-
Dieses Verständnis schließt nicht mehr        Anforderungen an ein wirksames und zeit-      einrichtungen mit dem Schutz und der
nur die klassischen Sicherheits- und Ge-      gemäßes Präventionskonzept erfüllt. Es        Förderung der Gesundheit aller Beteilig-
sundheitsthemen wie Unfallverhütung,          verbindet die Förderung von Sicherheit        ten. Bildungsqualität und Gesundheits­­
Bewegungsförderung oder Ernährung ein,        und Gesundheit mit der Ausgestaltung und      förderung werden als sich wechselseitig
sondern auch Themen wie Sozialklima,          Entwicklung der frühen Bildung in Kinder-     bedingende Faktoren betrachtet. Der An-
Kooperation oder Selbstwirksamkeit. Ein       tageseinrichtungen.                           satz nutzt und entwickelt somit die Res-
solches Gesundheitsverständnis ermög-                                                       source Sicherheit und Gesundheit, um die
licht in der Praxis unterschiedliche und                                                    Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungs-
bisher wenig genutzte thematische Zugän-      „Zeitlich befristete Einzelmaß-               qualität der Institution Kindertagesein-
ge. Dadurch kann die Passung zwischen         nahmen verändern keine                        richtung zu erhöhen und sie im Sinne von
dem bildungsbezogenen Auftrag einer           Haltungen und Werte, also                     Empowerment8 zu ermächtigen, ihre ei-
Kindertageseinrichtung und der Präventi-      nicht die Kultur von Kitas.“                  genen Prozesse aktiv, nachhaltig und
on und Gesundheitsförderung einfach                                                         präventiv in die Hand zu nehmen.
und effektiver hergestellt werden.
                                              In Anlehnung an den Ansatz „Gute ge-          Was nun konkret eine gute gesunde Kin-
Das Konzept „Gute gesunde                     sunde Schule“7 begreifen Viernickel und       dertageseinrichtung ist, beschreiben Vier-
Kindertageseinrichtung“                       Voss eine gute gesunde Kindertagesein-        nickel und Voss in ihrem Qualitätsta-
Für die Arbeit des DGUV-Spitzenverbandes      richtung als Lebenswelt von Kindern,          bleau. Es umfasst insgesamt acht Dimen­­-
und seiner Mitglieder in Kindertagesein-      pädagogischen Fachkräften und Eltern          sionen und 40 Qualitätsbereiche mit
richtungen erscheint das von Voss und         und ver­­folgen das Ziel einer nachhaltigen   Schlüsselindikatoren, die auf den sieben
Viernickel entwickelte Konzept „Gute ge-      Sys­temveränderung. Sie verbinden die         Grunddimensionen Strukturqualität, Ent-
sunde Kindertageseinrichtung“6 besonders      Um­setzung des Bildungs-, Erziehungs-         wicklungsqualität, Organisations- und

14   DGUV Forum 10/2016
Gesunde Kita

                                                                 • Kindertageseinrichtung als                  ner können Kindertageseinrichtungen
                                                                     Setting verstehen                          dabei unterstützen, indem sie solche Pro-
                                                                 • Verhaltens- und Verhältnisorientierung      zesse anstoßen und Einrichtungen, die
                                                                 • Prävention und Gesundheits-                 sich auf den Weg zur guten gesunden Kita
                                                                     förderung als Leitungshandeln              gemacht haben, bei Bedarf Unterstützung
                                                                 • Transparenz                                 und Hilfe geben. Dies kann durch Bera-
                                                                 • Partizipation                               tung und Begleitung sowie Qualifizierung,
                                                                 • Empowerment                                 aber auch mithilfe von Informationen,
                                                                 • Risiko- und Ressourcenorientierung         Programmen und Instrumenten erfolgen,
                                                                 • Arbeitsschutz und Gesundheitsförde-         die im Rahmen der Entwicklungsprozesse
                                                                     rung als zwei Seiten einer Medaille        von den Kindertageseinrichtungen ein-
                                                                                                                gesetzt werden können.                •
                                                                 Viernickel und Voss favorisieren auch ei-
                                                                 ne bestimmte Strategie, um eine gute ge-
                                                                 sunde Kita zu realisieren. Erforderlich sei
                                                                                                                   Fußnoten
                                                                 mehr als isolierte und zeitlich befristete
                                                                 Einzelmaßnahmen. Sie gehen in der Re-             [1] Deutsche Gesetzliche Unfallversi-
                                                                 gel nicht tief genug und verändern keine          cherung (Hrsg.): „Unfälle von Kindern in
                                                                                                                   Tagesbetreuung 2013“, Berlin 2015
                                                                 Haltungen und Werte, also nicht die Kul-
                                                                                                                   [2] Hölling, H.; Schlack, R.: Essstörungen
                                                                 tur von Kindertageseinrichtungen. Mehr
                                                                                                                   im Kindes- und Jugendalter. Erste Ergeb-
                                                                 Sicherheit und Gesundheit sowie weni-             nisse aus dem Kinder- und Jugendsurvey
                                                                 ger Unfälle und Erkrankungen erfordern            (KIGGS). In: Bundesgesundheitsblatt –
                                                                 insbesondere langfristige und systemati-          Gesundheitsforschung – Gesundheits-
                                                                                                                   schutz, 2007, S. 794–799
                                                                 sche Entwicklungsprozesse. Nach den
                                                                                                                   [3] Neuhauser, H.; Poethko-Müller, C.;
                              Foto: Oksana Kuzmina/Fotolia.com

                                                                 vorliegenden Erkenntnissen scheint des-
                                                                                                                   KiGGS Study Group (2014): Chronische
                                                                 halb die Organisationsentwicklung für
                                                                                                                   Erkrankungen und impfpräventable
                                                                 sie die effektivste Strategie zu sein, die        Infektionserkrankungen bei Kindern
                                                                 Förderung von Sicherheit und Gesund-              und Jugendlichen in Deutschland.
                                                                 heit in Kindertageseinrichtungen erfolg-          Ergebnisse der KiGGS-Studie – Erste
                                                                                                                   Folgebefragung (KiGGS Welle 1). In:
                                                                 reich zu gestalten.                               Bundesgesundheitsblatt – Gesund-
                                                                                                                   heitsforschung – Gesundheitsschutz,
                                                                                                                   2014, S. 279–288
                                                                 „Für jede Einrichtung müssen                      [4] Viernickel, S.; Voss, A.; Mauz, E.;
                                                                 wichtige Qualitätsfelder und                      Schumann, M.: Gesundheit am Arbeits-
                                                                                                                   platz Kita. Ressourcen stärken, Belas-
                                                                 Inhalte identifiziert und konti-                  tungen mindern, Prävention in NRW
                                                                 nuierlich bearbeitet werden.“                     Bd. 55, Unfallkasse Nordrhein-Westfa-
Managementqualität, Prozessqualität,                                                                               len (Hrsg.), Düsseldorf 2014
Orientierungsqualität und Ergebnisquali-                                                                           [5] Statistisches Bundesamt (Hrsg.):
tät sowie auf der in allen Grunddimensi-                         Organisationsentwicklung hat für Vierni-          Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe.
onen integrierten Gesundheitsqualität ba-                        ckel und Voss zum Ziel, die Kita-Verhält-         Kinder und tätige Personen in Tages-
                                                                                                                   einrichtungen und in öffentlich
sieren.6 Mit dieser Kategorisierung ähnelt                       nisse in ihrer Gesamtheit zu gestalten und
                                                                                                                   geförderter Kindertagespflege am
das Qualitätstableau der guten gesunden                          die Verhaltensweisen, das heißt die Le-           01.03.2015, Wiesbaden 2015
Kindertageseinrichtung dem Qualitäts-                            bensstile und Kompetenzen der Kita-Ak-
                                                                                                                   [6] Voss, A.; Viernickel, S.: Gute gesunde
rahmen, den Brägger und Posse für den                            teure zu beeinflussen, und zwar nicht nur         Kita. Bildung und Gesundheit in Kinder-
Ansatz der guten gesunden Schule entwi-                          die einzelner Personen und Gruppen, son-          tageseinrichtungen, Kiliansroda 2016
ckelt haben.9 In den Qualitätsdimensio-                          dern aller Mitglieder einer Einrichtung.          [7] vgl. Hundeloh, H.: Gesundheitsma-
nen und -bereichen werden einerseits si-                         Vorrangiges Ziel sollte es sein, die für die      nagement an Schulen, Weinheim und
cherheits- und gesundheitsbezogene                               eigene Einrichtung wichtigen Qualitätsfel-        Basel 2012
Ansätze wirksam. Andererseits haben sie                          der und Inhalte zu identifizieren und die-        [8] Empowerment bedeutet in der Prä-
selbst einen Einfluss auf die Entwicklung                                                                          vention und Gesundheitsförderung,
                                                                 se kontinuierlich zu bearbeiten.
                                                                                                                   Menschen oder Gruppen zu befähigen,
psychosozialer Schutzfaktoren und damit                                                                            ihre Bedürfnisse zum Ausdruck zu brin-
auch auf die Leistungsbereitschaft und                           Aufgaben von                                      gen, ihre Sorgen vorzutragen, Strategien
-fähigkeit.                                                      Unfallversicherungsträgern                        für die Einbeziehung in Entscheidungs-
                                                                                                                   prozesse zu entwerfen sowie Aktivitäten
                                                                 Es ist die Aufgabe jeder einzelnen Kinder-
                                                                                                                   zu erwirken, um diese Bedürfnisse zu
Neben der Orientierung an den Qualitäts-                         tageseinrichtung, solche Organisations-           befriedigen.
dimensionen des Referenzrahmens spie-                            entwicklungsprozesse entsprechend ihren
                                                                                                                   [9] Brägger, G.; Posse, N.: Instrumente
len die nachfolgenden Grundsätze bei der                         Voraussetzungen, Rahmenbedingungen                für die Entwicklung und Evaluation in
Entwicklung guter gesunder Kindertages-                          und Zielsetzungen zu realisieren. Unfall-         Schulen (IQES), 2. Bde., Bern 2007
einrichtungen eine Rolle:                                        versicherungsträger und auch andere Part-

                                                                                                                                     DGUV Forum 10/2016         15
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