Forum Ausgabe 10 2016 - Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen - DGUV ...
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80168 Fachzeitschrift für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung Ausgabe 10 • 2016 Forum Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen Aktuelle Freihandelsabkommen in der EU Risiken für die Sozialversicherung? Rück-Sicht beim Baggerfahren Blickbewegungsmessungen auf Baustellen
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, welche Betreuung braucht ein zweijähriges Kind, um sicher und gesund aufwachsen zu können? Wie kann man geflüchtete Jugendliche schnell zu si- cheren Verkehrsteilnehmenden machen? Die Rah- menbedingungen und damit auch die Anforderun- gen an Schule und Kita wandeln sich: Immer mehr Kinder nutzen die Angebote der Tagesbetreuung, die Zahl der unter Dreijährigen in den Kitas wächst, ge- flüchtete Kinder und Jugendliche brauchen Bildung Foto: DGUV/Stephan Floss als wichtigsten Schlüssel zur Integration. Die Kinder in Kita und Schule stehen ebenso wie Er- zieherinnen, Erzieher und Lehrkräfte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Ent- wicklungen in der Bildungslandschaft betreffen uns deshalb unmittelbar. So hat parallel zum Ausbau der Tagesbetreuung auch die Zahl der meldepflichtigen Unfälle in diesen Einrichtungen zugenommen. Das Gleiche gilt für die Unfallzahlen der unter Dreijährigen. Weitere Erhe- „Die Kooperation mit bungen zeigen, dass die Betreuerinnen und Betreuer selbst verschiedenen Trägern häufig gesundheitliche Probleme entwickeln – von Muskel-Ske- lett-Erkrankungen bis hin zu psychischen Beeinträchtigungen. im Rahmen des Präven- tionsgesetzes kann Wie können wir Bildungseinrichtungen in ihrer Sorge um Ge- uns in Zukunft wichtige sundheit und Sicherheit noch besser unterstützen? Punktuelle Impulse geben.“ Maßnahmen sind wenig nachhaltig. Es ist daher wichtig, dass unsere Angebote die gesamte Organisation berücksichtigen. Sie sollen das Betreuungspersonal und die Lehrkräfte nicht zusätzlich belasten, sondern sie in ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag unterstützen. Die Kooperation mit ver- schiedenen Trägern im Rahmen des Präventionsgesetzes kann uns hier in Zukunft wichtige Impulse geben. Das Gesetz nimmt die Gesundheit in verschiedenen Lebenswelten in den Blick: von der Kita über Familie und Arbeit bis ins Seniorenalter. Das ist eine große Chance. Wenn es uns gelingt, ein Gesundheits- und Risikobewusstsein bereits in die frühkind- liche Bildung zu integrieren, kann sich das nur positiv auf das Verhalten in der Ar- beitswelt auswirken. Mit den besten Grüßen Ihr Dr. Joachim Breuer Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung 2 DGUV Forum 10/2016
Inhalt > Editorial/Inhalt >>> 2–3 > Aktuelles >>> 4–8 > Nachrichten aus Brüssel >>> 9 > Titelthema >>> 10–33 Eine Aufgabe für die Unfallversicherung Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen Sieglinde Ludwig 10 12 Sicherheit und Gesundheit in der frühen Bildung fördern Notwendigkeit und Ausrichtung von Prävention und Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen 12 Heinz Hundeloh Zeitgemäße Präventionsangebote für Kindertageseinrichtungen Bildung und Betreuung der Jüngsten 16 Annette Kuhlig Qualifizierung Kindersicherheit in der Tagespflege Martina Abel, Regina Gerdon 18 32 Projekt „Mit Schulleitung gesunde, inklusive Schule gestalten“ 20 Bettina Amrhein, Benjamin Badstieber Interaktive Erkundungen „Sichere Schule“ – ein virtuelles Internetportal 23 Markus Schwan Qualifizierung Allgemeiner Hochschulsport – sicher und gesund gestalten 26 Christina Walther Interview „Die Zeiten für das Gießkannenprinzip sind vorbei“ 28 38 Gespräch mit Gabi Ohler Flüchtlingskinder und jugendliche Flüchtlinge > Prävention >>> 38–39 Mobilitäts- und Verkehrserziehung Aus der Forschung vor neuer Herausforderung 30 Rück-Sicht beim Baggerfahren – Sabine Bünger, Michael Taupitz Blickbewegungsmessungen auf Baustellen 38 Verkehrserziehung auf neuen Wegen Markus Koppenborg, Peter Nickel, Andy Lungfiel, Vom Wandel eines Klassikers 32 Michael Huelke Katja Seßlen > Personalia >>> 40 > Europa und Internationales >>> 34–37 Aktuelle Freihandelsabkommen in der EU > Aus der Rechtsprechung >>> 41 Neue Entwicklungen im Freihandel – jedoch nicht zu Lasten der sozialen Sicherungssysteme 34 Eva-Marie Höffer, Ilka Wölfle > Medien/Impressum >>> 42 DGUV Forum 10/2016 3
Aktuelles Alle 23 Minuten kommt ein Kind im Straßenverkehr zu Schaden Wie die neuesten Zahlen des Statistischen meisten Unfälle passierten mit dem Fahr- der DVR nun bundesweit das Programm Bundesamtes für das Jahr 2015 belegen, rad. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat „Kind und Verkehr“ ins Leben gerufen. sind die Unfallzahlen von Kindern im Stra- (DVR) sieht diese Entwicklung mit großer Dieses bietet Informationsveranstaltungen ßenverkehr im Vergleich zum Vorjahr ge- Sorge. „Jahrelang wurden immer weniger für Eltern, Großeltern und Betreuungsper- stiegen. 2015 verunglückten in Deutsch- Kinder bei Verkehrsunfällen getötet. Jetzt sonen zur Verkehrssicherheit des Nach- land rund 22.500 im Alter von 6 bis 14 hat sich dieser Trend umgekehrt“, sagt An- wuchses an. In den Veranstaltungen geht Jahren bei Verkehrsunfällen, 53 von ihnen dreas Bergmeier vom DVR. Schon von 2013 es um die richtige Sicherung von Kindern tödlich. Damit kam aus dieser Altersgrup- auf 2014 wurde eine Zunahme der tödli- im Auto, das sichere Überqueren einer pe im Durchschnitt alle 23 Minuten ein chen Kinderverkehrsunfälle verzeichnet. Straße oder auch um die schützende Wir- Kind im Straßenverkehr zu Schaden. Die Aufgrund der alarmierenden Zahlen hat kung des Fahrradhelms. Neue Autobahnplakate: Weil Leben schön ist Das Bundesministerium für Verkehr und Video mit prominenten Unterstützerinnen vom Gas zu gehen. Unter allen Teilnehmen- digitale Infrastruktur (BMVI) und der und Unterstützern dazu auf, mit eigenen den werden ein Reisegutschein und Sach- Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) Fotos zu zeigen, dass es sich lohnt, runter preise verlost. haben neue Plakate für Autobahnen und Rastanlagen entwickelt. Sie sind Bestand- teil der gemeinsamen Verkehrssicher- heitskampagne „Runter vom Gas!“. Die Plakatierung wird von der Deutschen Ge- setzlichen Unfallversicherung finanziell unterstützt. Unter dem Motto „WEIL LE- BEN SCHÖN IST“ zeigen die emotionalen WEIL LEBEN SCHÖN IST Momentaufnahmen, was Verkehrsteilneh- mende durch überhöhte Geschwindigkeit verlieren können. „Das Leben ist zu schön, um es leichtfertig RUNTER VOM GAS! aufs Spiel zu setzen. Das ist die klare Bot- schaft unserer neuen Kampagne“, sagt Dorothee Bär, Parlamentarische Staatsse- kretärin beim BMVI. Neben drei Motiven auf rund 700 Plakatflächen entlang der Au- Quelle: DVR tobahnen ist die Kampagne erstmals mit einer Mitmachaktion auch auf Facebook und anderen Onlinemedien präsent. Hier 3790x2540_DVR_Autobahnplakate_Leben_schoen.indd 1 25.07.16 11:06 rufen zahlreiche weitere Motive und ein Eines der Motive für die Plakatflächen an den Autobahnen BGW-Fotowettbewerb „Mensch, Arbeit, Handicap“ Unter dem Titel „Mensch, Arbeit, Handi- Einsendeschluss ist der 31. Mai 2017. Hinter- Rolle kommt dabei der Arbeitswelt zu“, er- cap“ schreibt die Berufsgenossenschaft für grund ist die UN-Behindertenrechtskonven- klärt Professor Stephan Brandenburg, Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege tion (UN-BRK), die in Deutschland seit 2009 Hauptgeschäftsführer der BGW. „Denn Ar- (BGW) einen Fotowettbewerb zum Thema gilt. Kern der Konvention ist die gleichbe- beit schafft Struktur, verbessert die Mög- Inklusion im Arbeitsleben aus. In Medien- rechtigte gesellschaftliche Teilhabe von lichkeit, soziale Beziehungen aufzubauen, partnerschaft mit dem Magazin chrismon Menschen mit Handicap. „Eine zentrale und trägt zum Selbstwertgefühl bei.“ lädt die BGW Fotografinnen und Fotografen ab 18 Jahre zur Teilnahme ein. Ausgelobt sind Preisgelder von insgesamt 22.000 Euro. Pro Person kann wahlweise ein Ein- zelfoto oder eine bis zu fünf Motive um- ! Weitere Informationen zu den Teilnahmebedingungen sowie über die Hintergründe des Wettbewerbs finden sich unter: www.bgw-online.de/fotowettbewerb fassende Fotostrecke eingereicht werden. 4 DGUV Forum 10/2016
Aktuelles Der schmale Grat zwischen tragen und tragisch Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutz- machen sollte und was Arbeitgeber und bildet eine Teilnahmeliste, die dokumen- strategie (GDA) warnt vor Muskel-Skelett- Beschäftigte alles tun können, um ihre tiert, dass der Arbeitgeber damit seiner Erkrankungen, die durch falsches Tragen Gesundheit zu schützen. Den Abschluss Unterweisungspflicht nachgekommen ist. und Ziehen schwerer Lasten entstehen können. Unternehmen sollten daher in enger Abstimmung mit ihrer Fachkraft für Arbeitssicherheit oder dem Betriebsarzt beziehungsweise der Betriebsärztin die Belastungsursachen und -faktoren in den Betrieben analysieren, um geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Auf dem MSE-Portal www.gdabewegt.de stehen Informationen über die wichtigs- ten Belastungsfaktoren bereit sowie eine Reihe von geeigneten Schutz- und Prä- ventionsmaßnahmen und Hilfsmittel. Darüber hinaus findet sich auf der Seite Foto: mauritius images/Reinhard Eisele eine kurze Unterweisungsbroschüre der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN). Beschäftigte und Unterweisende werden darin über die häufigsten Risiken, wichtigsten Hilfsmit- tel und das richtige Verhalten beim Zie- hen und Schieben unterrichtet. Humor- volle Zeichnungen verdeutlichen, wie man es machen beziehungsweise nicht Bergmannstrost als Hand-Trauma-Zentrum zertifiziert Der Dachverband der europäischen hand- Art. In Halle ist es das erste mit diesem Für eine erfolgreiche Zertifizierung muss chirurgischen Gesellschaften hat jüngst Schwerpunkt. „Das Bergmannstrost hat die Klinik unter anderem eine qualifi- die Klinik für Plastische und Handchirur- in den letzten 20 Jahren die Handmedizin zierte Rund-um-die-Uhr-Versorgung für gie am BG Klinikum Bergmannstrost Hal- zu einem zentralen Behandlungsschwer- Akutverletzungen nachweisen, sicher- le als Hand-Trauma-Zentrum zertifiziert. punkt aufgebaut“, erklärt Prof. Frank Sie- gestellt durch eine Mindestzahl spezia- Damit gehört das Bergmannstrost bundes- mers, Direktor der Klinik für Plastische lisierter Fachärzte und Fachärzt innen weit zu den 35 anerkannten Zentren dieser und Handchirurgie. auf diesem Gebiet. Onlinebefragung sucht Fachkräfte für Arbeitssicherheit Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und schutzes zu gestalten. Die Befragung wur- Arbeitsmedizin (BAuA) ruft dazu auf, an de Ende August freigeschaltet und endet einer kurzen Onlinebefragung der Techni- am 13. Oktober 2016. Sie dauert zwischen schen Universität Dresden mitzuwirken. 10 bis 15 Minuten. An die Teilnehmenden Die Frage „Haben wir – auch in Zukunft – wird dreimal das Werk „Arbeitsschutz- genügend Fachkräfte für Arbeitssicherheit recht“ von Ralf Pieper verlost. mit den betrieblichen benötigten Kompe- tenzen?“ steht dabei im Zentrum. Von den ! Foto: gemeinfrei Ergebnissen werden alle Fachkräfte für Arbeitssicherheit, aber auch weitere Ak- So geht es zur Onlinebefragung: teure und Institutionen im Arbeitsschutz ww3.unipark.de/uc/SIFA/2016/ profitieren, um die Zukunft des Arbeits- DGUV Forum 10/2016 5
Aktuelles Disability Management für China Die DGUV hat in Deutschland schon über ment and Research“ (NIDMAR) internatio- geboten. Teilnehmende waren medizini- 1.000 Disability Managern und Managerin- nal vergibt, und kann Disability Manager sche Führungskräfte. Sie werden künftig nen das internationale Zertifikat zum „Cer- und Mangerinnen ausbilden. Hinter dem in China Disability Manager ausbilden, die tified Disability Management Professional“ CRRC steht die Behindertenorganisation in sich um die berufliche Wiedereingliede- (CDMP) verliehen. Die meisten arbeiten mit China (CDPF), die rund 80 Millionen Men- rung von Menschen mit Behinderungen dieser Zusatzqualifikation als Beauftragte schen mit Behinderungen vertritt. Die kümmern. Mit dem Bildungsangebot sollen für Betriebliches Eingliederungsmanage- DGUV ist ein Kooperationspartner der Or- Betriebe und Beteiligte in der sozialen Si- ment (BEM) in deutschen Betrieben oder ganisation. Um die Implementierung des cherheit in China motiviert werden, das sind für Betriebe tätig. Seit Kurzem besitzt Disability Managements im Land zu unter- Disability Management anzuwenden und auch das China Rehabilitation Research stützen, hat die DGUV ein dreitägiges Se- damit auch das Menschenrecht auf Arbeit Center (CRRC) die Lizenzrechte, die das minar für Trainer und Trainerinnen des (Art. 27 der UN-Behindertenrechtskonven- „National Institute of Disability Manage- CDMP-Bildungsprogramms in Peking an- tion) in ihrem Land umzusetzen. Foto: DGUV Dr. Friedrich Mehrhoff (3. v. r.) und Oliver Fröhlke (5. v. r.) gaben medizinischen Führungskräften in China eine Einführung ins Disability Management. Die Gruppe wird wiederum andere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren schulen. Gesundheit hat ihren Preis Die Berufsgenossenschaft für Gesund- mit Behinderungen fördern. Angespro- hilfe tätig sind. Bei der Bewertung geht heitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) chen sind alle bei der BGW versicherten es insbesondere darum, wie Gesundheit ruft alle Einrichtungen der Behinderten- Einrichtungen, die in der Behinderten- im Unternehmen verankert ist. hilfe dazu auf, sich um den BGW-Gesund- heitspreis 2017 zu bewerben. Mit insge- samt 45.000 Euro Preisgeld werden weg- weisende Konzepte ausgezeichnet, die die ! Bewerbungsschluss ist der 31. Dezember 2016. Welche Bedingungen die Bewerbung erfüllen muss, den dazugehörigen Fragebogen sowie weitere Informationen stehen Gesundheit der Mitarbeitenden sowie der online zur Verfügung: www.bgw-online.de/gesundheitspreis in Werkstätten beschäftigten Menschen 6 DGUV Forum 10/2016
Aktuelles Zahl der in Minijobs beschäftigten Ausländerinnen und Ausländer steigt Innerhalb eines Jahres er höhte sich der Anteil von Syrien +89,3 % Menschen in gewerblichen Rumänien +21,6 % Minijobs mit ausländischer Bulgarien +20,0 % Staatsangehörigkeit um 3,8 Kroatien +19,2 % Prozent – das hat die Deut- Ungarn +12,7 % sche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Afghanistan +10,1 % jetzt bekannt gegeben. Kosovo +8,3 % Deutschland hat im Jahr Mazedonien +6,6 % 2015 mehr als eine Million Irak +5,5 % Menschen aufgenommen. Polen +5,4 % Ausländerinnen/Ausländer Gesamt +3,8 % Eine Migration, die sich Bosnien und Herzegowina +2,4 % auch in den Zahlen der Mi- Griechenland +1,6 % nijob-Zentrale widerspie- Frankreich +1,6 % gelt. Von Juni 2015 bis Juni Russische Föderation +1,2 % 2 016 erh öhte sich der Thailand +1,1 % A nteil der Beschäft ig- Prozentuale Entwicklung Spanien +0,5 % t en mit ausländis che r der gewerblichen Vietnam +0,3 % Staatsangehörigkeit um Minijobberinnen 30.162 auf 829.665. „Der Ukraine +0,3 % und Minijobber A nstieg gerade bei den Serbien +0,2 % in Deutschland nach Menschen mit syrischer, af- Italien +0,1 % Staatsangehörigkeit ghanischer und irakischer Niederlande -0,3 % (Juni 2015 – Juni 2016) Herkunft zeigt, dass ge- Kasachstan -0,5 % werbliche Minijobs ein Marokko -0,5 % möglich-er erster Schritt für Deutschland -1,0 % eine erfolgreiche Integrati- Quelle: Minijob-Zentrale Österreich -1,3 % on in d en deutschen Ar- Türkei -3,3 % beitsmarkt sein können“, sagt Dr. Erik Thomsen, Lei- ter der Minijob-Zentrale -20 % 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % in Essen. Gemeinsames Präventionszentrum von BGW und VBG in Hamburg Die BGW und die VBG planen ein ge- An diesem gemeinsamen Standort wol- „Zusätzlich zu den bereits auch an a n- meinsames Präventionszentrum in der len BGW und VBG neue Wege besch deren Standorten bewährten Semi Hamburger HafenCity. Sie wollen dort reiten. So sind zeitgemäße und zu narang eboten wird das Prävention Multiplikatorinnen, Multiplikatoren und kunftsorientierte Präventionsangebote szentrum neue, spezifische Qualifizie- Fachleute für den Arbeitsschutz aus den geplant, die gesellschaftliche und wirt- rungsformate sowie Ausstellungen, Unternehmen weiterbilden sowie indi- schaftliche Veränderungen wie etwa die Praxiswelten und Veranstaltungen zu viduelle Beratung anbieten. zunehmende Technisierung und Flexi unters chiedlichen, aktuellen Themen bilisierung der Arbeitswelt berücksichti- aus A rbeitssicherheit und Gesundheits- In dem Gebäude werden jährlich etwa gen. Im Vorderg rund stehen dabei die schutz anbieten“, sagt Prof. Dr. Stephan 30.000 Seminarteilnehmende sowie Be- Förderung der Präventionskultur in den Brandenburg, Hauptgeschäftsführer der sucherinnen und Besucher von Ausstel- Unternehmen und die individuelle Ge- BGW. „Es wird ein zukunftsorientiertes lungen und Veranstaltungen erwartet. sundheitskompetenz der Versicherten. Haus für Arbeitssicherheit, Unfallverhü- Ein A rchitekturwettbewerb wurde be- tung und Gesundheitsschutz entstehen, reits ausgeschrieben. Baubeginn ist vo- Darüber hinaus werden etwa 180 Be- in dem Barrierefreiheit und Inklusion raussichtlich Mitte 2018. Voraussetzung schäftigte der BGW und VBG ihren Ar- nicht nur theor et isch vermittelt, son- dafür ist unter anderem die Zustimmung beitsplatz am neuen Standort beziehen. dern höchste Standards auch selbst re- der zuständige n Aufsichtsb ehörde der Das Präventionszentrum soll voraus- alisiert und vorgelebt werden“, so Berufsgenossenschaften. sichtlich Anfang 2021 eröffnen. Thorsten Döcke, Mitglied der VBG. DGUV Forum 10/2016 7
Aktuelles „Schlauer Fuchs“ für sichere Lösung Das Unternehmen StH Stahlverarbeitung gesetzt. Dafür wurde es mit dem Gütesie- ten will der Unternehmer künftig weiter Hoffmann GmbH aus Lauchammer hat gel „Sicher mit System“ ausgezeichnet. fördern. „Im kommenden Jahr möchte ich gleich zwei Auszeichnungen der Berufs- „Diese Veränderungen sind Ausdruck alle Mitarbeiter mithilfe der Angebote der genossenschaft Holz und Metall (BGHM) einer gelebten Sicherheitskultur“, sagt BGHM zum Thema Rückengesundheit erhalten: Verliehen wurde das Gütesiegel Brendel. Das Potenzial seiner Beschäftig- schulen“, kündigt er an. „Sicher mit System“ für die Einführung ei- nes professionellen Arbeitsschutz-Ma- nagement-Systems sowie der BGHM-Si- cherheitspreis „Schlauer Fuchs“ für eine vorbildlich umgesetzte Idee zur Verbesse- rung der Arbeitssicherheit. „Die ausgezeichnete Idee ist simpel, aber wirkungsvoll“, erklärte der BGHM-Präven- tionsexperte Andreas Brendel bei der Über- gabe des „Schlauen Fuchses“ an den Ge- schäftsführer Thomas Hoffmann. Durch den Einfall eines Mitarbeiters konnte an Foto: StH Stahlverarbeitung Hoffmann GmbH einer Biegemaschine eine mit Gefährdung verbundene Tätigkeit durch einen mecha- nischen Kniff gelöst werden. „Mit dieser Maßnahme haben wir die Gefährdung für die Hände beseitigt“, sagt Hoffmann. Auch die Ergonomie habe sich verbessert. Die Themen Arbeitssicherheit und betrieb- licher Gesundheitsschutz hat das Unter- nehmen mit der Einführung eines Arbeits- schutz-Management-Systems im vergan- BGHM-Präventionsexperte Andreas Brendel (rechts) überreicht das Gütesiegel „Sicher mit genen Jahr systematisch auf seine Agenda System“ an Geschäftsführer Thomas Hoffmann (StH Stahlverarbeitung Hoffmann GmbH). Ein Archiv für alle BG Kliniken Nach anderthalbjähriger Vorbereitungs- zum barrierefreien Datenaustausch zwi- entendaten unabhängig von der jewei- zeit ist der Startschuss zum Aufbau eines schen den BG Kliniken und weiteren Ge- ligen IT-Infrastruktur. „Damit ist die Vor- gemeinsamen Archivs aller Berufsgenos- sundheitsunternehmen geschlossen. Die bereitung eines der komplexesten IT- senschaftlichen Kliniken (BG Kliniken) Kliniken der gesetzlichen Unfallversiche- Gemeinschaftsprojekte der BG Kliniken gefallen: Anfang August 2016 wurde mit rung führen damit an sämtlichen Stand- abgeschlossen und die Umsetzung kann der Firma März als Generalunternehmer orten ein einheitliches Dokumentenarchiv beginnen“, so Eckhard Oesterhoff, Be- der Vertrag für eine digitale Dokumenten- ein. Die Plattform ermöglicht in Zukunft reichsleiter IT der Dachgesellschaft der archivierung (ECM) und einem System eine verbundweite Verwaltung der Pati- BG Kliniken. Zahl des Monats: 53 % 53 Prozent der Autofahrerinnen und bei 2.000 Personen über 14 Jahren durch- Autofahrer sind der Meinung, dass der geführt wurde. Demnach ist Aggression Straßenverkehr zunehmend von aggres- für acht von zehn Befragten ein prägen- sivem Verhalten geprägt ist. Etwa ein Vier- des Element im Straßenverkehr. Als Bei- tel (27 Prozent) ist der Auffassung, das sei spiele für aggressives Verhalten wurden am schon immer so gewesen. Dies ergab eine häufigsten zu schnelles Fahren genannt Quelle: Cicero repräsentative Befragung, die im Auftrag (73 Prozent), gefolgt von dichtem Auffah- des Deutschen Verkehrssicherheitsrates ren/Drängeln (67 Prozent) und riskantem (DVR) vom Marktforschungsinstitut Ipsos Überholen (65 Prozent). 8 DGUV Forum 10/2016
Nachrichten aus Brüssel EU nimmt Modernisierung der Sozialstatistik in Angriff Die Stärkung der sozialen Dimension Mit einem aktuellen Verordnungsvor- europaweit besser vergleichbar werden. steht ganz oben auf der politischen schlag zur Modernisierung der Sozial- Deshalb sollen die Vorgaben für die sie- Agenda der EU-Kommission. Das hat statistik soll die Bedeutung der Sozial- ben derzeit nebeneinander bestehenden EU-Sozialkommissarin Marianne Thys- politik weiter untermauert werden. So Erhebungen vereinheitlicht werden. sen bereits zu Beginn des Jahres betont, möchte die Brüsseler Behörde, dass Konkret wird in dem Vorschlag auch die als sie ihre Vorstellungen zur Einfüh- zukünftig personenbezogene Daten, die Erhebung von Datensätzen zur Gesund- rung einer Europäischen Säule sozialer für die europäische Sozialpolitik von heit, zur Arbeitsbedingungen sowie Teil- Rechte präsentierte. Bedeutung sind, schneller vorliegen und -habe angesprochen. Ob und inwieweit die EU-Kommission erhobene Daten – so zum Beispiel zu Arbeitsunfällen – für po litische Entscheidungsfindungen nutzen wird, bleibt abzuwarten. Die Brüsseler Behörde hat jedoch be- reits angekündigt, dass eine schnellere Erhebung von Daten notwendig sei, um mit sozialpolitischen Maßnahmen auf die tatsächlichen Bedürfnisse der euro- päischen Bürgerinnen und Bürger ein- Foto: mangulica/Fotolia.com gehen zu können. Der am 24. August veröffentlichte Vor- schlag für eine Rahmenverordnung wird nun im Europäischen Parlament und Rat beraten. Arbeitskräftemobilität: EU-Kommission hält an ihren Reformplänen fest Bereits im Frühjahr hat die EU-Kom- mit den Entwicklungen seit Verabschie- vorgeschlagenen Änderungsrichtlinien mission ihre Vorstellungen zu einer dung der Entsenderichtlinie im Jahr nicht besser auf nationaler Ebene er- Überarbeitung der Entsenderichtlinie 1996. Die damalige Situation auf den reicht werden könnte. Die EU-Kommis- (96/71/EG) veröffentlicht. Die Kommis- Arbeitsmärkten sei mit den heutigen sion hat in einer Mitteilung dargelegt, sion möchte mit ihren Vorschlägen die Bedingungen nicht mehr vergleichbar. dass sie diese Auffassung nicht teilt, Arbeitnehmerrechte verbessern und So bestehe aktuell ein erheblich größe- und bekräftigt, dass sie an ihren Re insgesamt transparentere Vorschriften res Lohngefälle zwischen den Entsen- formplänen festhalten will. Die Entsen- erwirken. Im Mittelpunkt der Reform- de- und den Aufnahmeländern. Dies dung von Beschäftigten sei naturgemäß vorschriften stehen Themen wie eine soll nun geändert werden. eine grenzüberschreitende Angelegen- gerechtere Entlohnung von entsandten heit. Die Verpflichtung aller Mitglied- Beschäftigten sowie gleiche Wettbe- Im Mai hat sich jedoch eine Reihe von staaten, die einschlägigen Vorschriften werbsbedingungen. Im Kern sollen für nationalen Parlamenten gegen den Ge- in allen Wirtschaftsbranchen anzuwen- entsandte Beschäftigte die gleichen setzesvorschlag gewandt. Unter Hin- den, könne nur auf EU-Ebene geregelt Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen weis auf einen Verstoß gegen das Sub- werden, eine Festlegung auf nationaler gelten wie für lokale Arbeitnehmerin- sidiaritätsprinzip haben sie ein Über- Ebene sei hier nicht möglich. Damit ist nen und Arbeitnehmer. Die EU-Kom- prüfungsverfahren eingeleitet. Damit der Weg für das Gesetzgebungsverfah- mission begründet ihre Überlegungen werfen sie die Frage auf, ob das Ziel der ren nun frei. Weitere Informationen: ilka.woelfle@dsv-europa.de DGUV Forum 10/2016 9
Titelthema Eine Aufgabe für die Unfallversicherung Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen In den Lebenswelten Kita, Schule und Hochschule stehen die Unfallversicherungsträger vor der Herausforderung, das Bewusstsein für Sicherheit und Gesundheit noch stärker zu fördern als bisher: Das Titelthema dieser Ausgabe zeigt erfolgversprechende Lösungsansätze. Wie der Bericht „Bildung in Deutschland Die zuvor genannten Tatsachen stellen ei- sich weiterentwickelt und ob es an die an- 2016“ zeigt, haben der zuletzt leichte An- nerseits eine zu bewältigende Aufgabe dar, deren Bundesländer weitergegeben wird. stieg der Geburtenzahlen und die aktuel- andererseits bieten sie die Chance, Sicher- le Zuwanderung schutz- und asylsuchen- heit und Gesundheit als qualitatives Inst- Lebenswelt frühe Kindheit der Familien mit Kindern kurzfristig zu rument möglichst früh und noch besser Wie die Werte Sicherheit und Gesundheit einem höheren Bedarf an frühkindlichen innerhalb der Curricula zu implementie- vermittelt werden können, zeigt das Fach- Bildungsangeboten geführt. Auch der ren. Die Unfallversicherungsträger möch- konzept „Die Gesundheit und Sicherheit seit August 2013 bestehende Rechtsan- ten die Bildungseinrichtungen bei dieser in der frühen Bildung fördern“, das Dr. h. spruch auf einen Betreuungsplatz für gesamtgesellschaftlichen Aufgabe inner- c. Heinz Hundeloh von der Unfallkasse Kinder ab dem vollendeten ersten Le- halb ihres Präventionsauftrages unterstüt- Nordrhein-Westfalen im Leitartikel dieses bensjahr führt noch kontinuierlich zu ei- zen. Wie, erfährt man anhand von exemp- Schwerpunktheftes vorstellt. Beim Studie- ner steigenden Nachfrage die Betreuung larischen Beispielen in diesem Heft. ren seines Textes wird das Motto „Was der unter Dreijährigen betreffend. Da die Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer- Bildungsbeteiligung von Kindern im Alter Qualitätssteigerung in mehr“ assoziiert. Und wie schwer es ist von unter drei Jahren aktuell bei 51,9 Pro- der Tagespflege Verhalten zu verändern, hat jeder schon zent in Ostdeutschland und 28,2 Prozent Weil immer mehr Kinder unter drei Jahren am „eigenen Leib“ erfahren. in Westdeutschland liegt, ist ein quantita- von Tagespflegepersonen betreut werden, tiver Mehrbedarf an frühkindlichen Ange- haben die Bundesarbeitsgemeinschaft Zudem trägt die gesamte Gesellschaft boten anzunehmen. „Mehr Sicherheit für Kinder e. V.“ (BAG) ebenfalls Verantwortung für den Nach- und die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen wuchs, und jede Person kann durch ihre Bessere Verankerung in den Curricula (UK NRW) ein Modellprojekt gestartet. Im Vorbildfunktion gerade bei den Kleinsten, Das Bereitstellen einer Lernumgebung, Rahmen der Präventionsleistung „For- Großes bewirken. Denn: Wie der Leiter die den zunehmend heterogenen Qualifi- schung, Entwicklung und Modellprojek- des Fachbereiches Bildungseinrichtungen kationsbedarfen Rechnung trägt, fordert te“ soll damit die Betreuungsqualität der DGUV richtig schildert, führen mehr Anstrengungen von allen Beteiligten. Es durch Tagespflegepersonen sichergestellt Sicherheit und Gesundheit in Kinderta- gilt, geeignete Lernarrangements und werden. Das Projekt wird von Martina geseinrichtungen zu mehr Sicherheit und Lernmaterialien zu entwickeln und das Abel (Geschäftsführerin der BAG) und Re- Gesundheit in den nachfolgenden Lebens- Personal in den Bildungseinrichtungen gina Gerdon (UK NRW) vorgestellt. Es phasen. In diesem Konzept einer Prä durch Qualifikationsmaßnahmen auf die- bleibt abzuwarten, wie erfolgreich dieses ventionsleistung aus dem Bereich „Infor- se Aufgaben vorzubereiten. Qualifizierungskonzept sein wird, wie es mation und Kommunikation“ wird somit beschrieben, wie sich gute gesunde Kin- dertageseinrichtungen schaffen lassen. Autorin Eine weitere Präventionsleistung aus die- sem Bereich stellt Annette Kuhlig von der Sieglinde Ludwig Unfallkasse Berlin mit der neuen DGUV Unterabteilung Gesundheit der DGUV Information 202-093 „Die Jüngsten in Kin- E-Mail: sieglinde.ludwig@dguv.de dertageseinrichtungen sicher bilden und betreuen“ vor. Damit steht dem Präven tionspersonal der Unfallversicherungs Foto: Porta Design träger eine bundesweite Handlungsan- leitung zur Verfügung, um Kindertages- einrichtungen zu beraten, die Kinder unter drei Jahren betreuen. 10 DGUV Forum 10/2016
Sicherheit und Gesundheit in Bildungseinrichtungen Lebenswelt Schule und die Inklusion tödliche und schwere Unfälle zu verhin- tert, weshalb Rahmenbedingungen und Nach der Lebenswelt Kita kommen die dern. Unfallschwerpunkte in diesen beiden Qualifizierung der Übungsleitenden im Kinder aufgrund der Schulpflicht in das Kategorien sind die Schulwegunfälle und Fokus stehen sollten. Was Unfallversiche- Setting Schule. Den Menschen, die in die- die Schulsportunfälle. Für Flüchtlingskin- rungsträger in diesem Zusammenhang tun, ser Umgebung tätig sind, stellt Markus der und jugendliche Flüchtlinge (Zuwan- schildert sie an einem Beispiel. Schwan von der Unfallkasse Rheinland- derung) ist der Weg zu den Bildungseinrich- Pfalz den Internetauftritt www.sichere- tungen neu (etwa Umgebung, Verkehrs- Das Miteinander zählt schule.de vor. Alle Interessierten erfahren situation) und stellt in Verbindung mit dem Prävention und damit die Werte Sicherheit in diesem Portal, wie Schulen sicher und originär vorhandenen Spieltrieb der In- und Gesundheit müssen integrativer Be- gesund gestaltet werden können: Schul- dividuen eine noch größere Gefahr dar. standteil der pädagogischen Arbeit in allen träger erhalten Informationen zu ihren Bildungseinrichtungen werden und auch Pflichten, die Sicherheit und Gesundheit zur Organisationsentwicklung beitragen. betreffen, Lehrkräfte finden Materialien Wichtig sind individuelle Konzepte, die und Hilfen für die sicherheitsgerechte „Prävention und damit die für die konkreten Situationen passen, in Unterrichtsgestaltung und -organisation, Werte Sicherheit und Ge- denen sich die Bildungseinrichtungen be Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie sundheit müssen integrativer finden. Das jeweilige familiäre und soziale alle anderen Interessierten können sich Bestandteil der pädagogischen Umfeld muss dabei helfen, die Kompetenz- dort „schlaumachen“. Arbeit in allen Bildungsein- entwicklung zu fördern; auch die Kinder selbst sind aufgefordert, ihre Entwicklung richtungen werden und auch Seit dem 26. März 2009 ist die UN-Konven- aktiv mitzugestalten. Nur Miteinander wird tion über die Rechte von Menschen mit zur Organisationsentwicklung Erfolg zu erreichen sein und nicht durch Behinderungen (UN-BRK) in Deutschland beitragen.“ ein Abschieben von Verantwortung auf die geltendes Recht. Um Menschen mit Behin- jeweils anderen. derung eine Teilhabe zu ermöglichen, hat die DGUV 2011 ihren ersten Aktionsplan 1.0 Die Verkehrserziehung ist von jeher eine Durch ein vielfältiges, sicherheits- und auf den Weg gebracht. Seit 2015 ist der Ak- der wichtigsten Maßnahmen zur Ver- gesundheitsbezogenes Angebot an Prä- tionsplan 2.0 in Kraft, der seine Schwer- hütung der Schulwegunfälle in Bildungs- ventionsleistungen versucht die gesetzli- punkte auf die Bewusstseinsbildung, die einrichtungen. Um bei dem Thema die vor- che Unfallversicherung dabei zu unter- Inklusion und die Partizipation legt. Um genannte Personengruppe zu berücksich- stützen. Dazu gehört unter anderem ihre Inklusion zu befördern, unterstützt die tigen, bedarf es – wie Michael Taupitz und nächste Präventionskampagne „Kultur DGUV zum Beispiel das Projekt „Mit Schul- Sabine Bünger von der Unfallkasse Nord der Prävention“, die 2017 startet. Mit ihr leitung gesunde, inklusive Schule gestal- ausführen – neuer oder abgewandelter wollen die DGUV und die Unfallversiche- ten“. Wie Prof. Bettina Amrhein und Ben- Denkansätze. Denn die Herausforderung rungsträger Sicherheit und Gesundheit jamin Badstieber schildern, untersucht lässt sich ihres Erachtens nur bewältigen, als Werte für alle Menschen, für jede Or- es Möglichkeiten, wie Schulleitungen das wenn Flüchtlingskinder und jugendliche ganisation sowie für die Gesellschaft eta- gemeinsame Lernen aller Kinder und Ju- Flüchtlinge im Schonraum auf den Real- blieren. Diese beiden Werte sollen zum gendlichen realisieren und Inklusion zum verkehr vorbereitet werden, damit sie si- Maßstab allen Handelns und bei allen Leitbild von Veränderungsprozessen ma- cher zu den Bildungseinrichtungen und Entscheidungen mitberücksichtigt wer- chen können. Eine Schulentwicklung soll wieder nach Hause kommen. Ergänzend den, um in allen Bildungseinrichtungen dabei integrativ immer auch Sicherheit lenkt Katja Seßlen von der Kommunalen und Betrieben eine Präventionskultur zu und Gesundheit im Blick haben. Unfallversicherung Bayern/Bayerischen etablieren. Landesunfallkasse einen interessanten Im Interview erläutert Gabi Ohler, Staats- Blick auf die integrative Verkehrserzie- Zum Schluss sollte noch das Gesetz zur sekretärin im Thüringer Ministerium für hung. Sie stellt klar, dass sich Lehrkräfte Stärkung von Gesundheitsförderung und Bildung, Jugend und Sport, dass in den grundsätzlich in allen Fächern und in Prävention erwähnt werden, das am Thüringer Lehrplänen Sicherheit und Ge- sämtlichen Jahrgangsstufen bis hin zur 25. Juli 2015 in Kraft getreten ist. Es ver- sundheit aus ihrer Sicht ausreichend ver- Oberstufe diesem „überlebenswichtigen“ folgt unter anderem das Ziel, die Präven- ankert sind, die qualitätsgesicherte Um- Thema widmen sollten – auch vor dem tion und Gesundheitsförderung in Le- setzung und damit das „Leben“ zum Teil Hintergrund der neuesten Entwicklungen. benswelten wie Kitas und Schulen zu aber noch verbesserungsfähig sind. stärken. Hierzu sollen die gesetzliche Aufgegriffen wird auch der zweite Unfall- Kranken-, Unfall-, Renten- und Pflegever- Ein Schwerpunkt: schwerpunkt, die Schulsportunfälle, aller- sicherung eine nationale Präventionsstra- die Verkehrserziehung dings in einem Randbereich: dem Hoch- tegie entwickeln, damit Prävention dort Vor dem Hintergrund der Vision Zero – der schulsport. Denn auch in der Hochschule greift, wo Menschen lernen. Die Umset- Strategie, eine Zukunft zu schaffen, in der ist der Sport die Unfallursache Nr. 1. Chris- zung des Präventionsgesetzes könnte da- niemand in der Bildungs- und Arbeitswelt tina Walther von der Unfallkasse Hessen bei helfen, das bisher erreichte Präventi- getötet oder so schwer verletzt wird, dass er stellt dar, dass der Hochschulsport zur För- onsniveau im Bildungsbereich weiter zu lebenslange Schäden davonträgt – ist die derung der Gesundheit der Studierenden steigern sowie Sicherheit und Gesundheit gesetzliche Unfallversicherung bestrebt, ein wichtiges Element darstellt, und erläu- als Werte zu implementieren. • DGUV Forum 10/2016 11
Titelthema Sicherheit und Gesundheit in der frühen Bildung fördern Notwendigkeit und Ausrichtung von Prävention und Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen Prävention in der frühen Bildung auf der Grundlage des Konzeptes „Gute gesunde Kindertageseinrichtung“ kann zu mehr Sicherheit und Gesundheit sowohl in Kindertageseinrichtungen als auch in den nachfol- genden Lebensphasen beitragen. Frühe Bildung ist grundlegend Fundament. Von einer guten Betreuungs- Arbeit – und Lebensphasen werden we- Seit Anfang der 2000er Jahre ist die Kin- qualität in Kindertageseinrichtungen (Ki- sentlich durch die Qualität der Prävention dertagesbetreuung in den Fokus bildungs- tas) profitieren Kinder deshalb ein Leben und Gesundheitsförderung in der frühen politischen und bildungswissenschaft- lang. Was in der frühkindlichen Bildung Bildung beeinflusst. Im Sinne einer nach- lichen Interesses gerückt. Vor der PISA- und Erziehung versäumt wird, ist später haltig wirksamen Prävention ist es deshalb Studie lag der Fokus der öffentlichen Dis- gar nicht oder nur schwer aufzuholen und erforderlich, die frühe Bildung gesund- kussion über die Kindertagesbetreuung auszugleichen. heitsförderlich zu gestalten und stärker, als auf der familienpolitisch motivierten Auf- es bisher geschah, für Prävention zu nut- gabe der Vereinbarkeit von Familie und zen. Es gilt, möglichst frühzeitig Kinder da- Beruf. Nach PISA lautete das Schlüssel- „Von 2009 bis 2013 ereigneten bei zu unterstützen, sich ein ausgeprägtes wort „Bildung“. Demzufolge wird heutzu- sich pro Jahr rund 238.000 Unfälle Gefahrenbewusstsein und umfassende Ge- tage die Kindertagesbetreuung schwer- von Kindern in einer Kita.“ sundheitskompetenzen anzueignen, damit punktmäßig unter dem Aspekt betrachtet, sie sich sicher- und gesundheitsbewusst welchen Beitrag sie zur frühkindlichen verhalten und zunehmend selbstbestimmt Bildung und Kompetenzentwicklung leis- Die ersten Lebensjahre prägen aber nicht entscheiden können. ten soll und leisten kann. nur die Persönlichkeit und die Bildungs- chancen, sondern auch das Sicherheits- Gesundheit in Die Notwendigkeit dieser veränderten Per- und Gesundheitsverhalten sowie die Ge- Kindertageseinrichtungen spektive auf die Kindertagesbetreuung sundheitschancen eines Menschen. In der Ein hoher Stellenwert von Prävention und wird durch Ergebnisse der Bildungsfor- frühesten und frühen Kindheit können Gesundheitsförderung in Kindertagesein- schung gestützt: Schon in den ersten Le- und müssen Kinder elementare Voraus- richtungen scheint auch erforderlich zu bensjahren werden bei Kindern die setzungen erwerben, die sie in die Lage sein, wenn man die Daten zur Gesundheit Grundlagen für späteres erfolgreiches Ler- versetzen, kompetent mit Risiken und Ge- von Erzieherinnen und Erziehern sowie zur nen und damit für gute Entwicklungs-, fahren umzugehen und ihre Gesundheit Kindergesundheit zugrunde legt. Parallel Teilhabe- und Aufstiegschancen gelegt. zu erhalten und zu stärken. zum Ausbau der Kindertagesbetreuung hat Für ihre gesamte kognitive, sprachliche die Zahl der meldepflichtigen Unfälle von und sozio-emotionale Entwicklung bildet Die Sicherheit und Gesundheit in allen Le- Kindern in der Tagesbetreuung zugenom- die Phase der frühen Bildung das zentrale benswelten – Schule, Familie, Freizeit und men – und zwar sowohl in der absoluten Unfallhäufigkeit als auch in der Unfallrate. Insgesamt ereigneten sich in den Jahren Autor 2009 bis 2013 pro Jahr durchschnittlich rund 238.000 Unfälle von Kindern in einer Dr. h. c. Heinz Hundeloh Kindertagesbetreuung.1 Die Unfälle in Kin- Fachbereich Bildungseinrichtungen der DGUV dertageseinrichtungen machen jedoch nur Unfallkasse Nordrhein-Westfalen einen kleinen Teil der Unfälle aus, die im Foto: Eugen Oskamp, Steinfurt E-Mail: h.hundeloh@unfallkasse-nrw.de Alter zwischen ein und sechs Jahren pas- sieren. Je nach Altersgruppe sind es zwi- schen fünf und 20 Prozent. Neben den Unfällen sind die psychischen Beeinträchtigungen und Störungen im 12 DGUV Forum 10/2016
Gesunde Kita „Was in der frühkindlichen Bildung und Erziehung versäumt wird, ist später gar nicht oder nur schwer aufzuholen und auszugleichen.“ Kindes- und Jugendalter bedeutsam. Nach Wesentlich für diese gesundheitlichen Be- nung tragen. Nur dann findet ihr Enga- den Ergebnissen der „KiGGS-Studie – Ers- einträchtigungen ist nach Auffassung der gement Anklang bei den Akteuren der te Folgebefragung (KiGGS Welle 1)“ aus Autorinnen der Studie die Strukturquali- frühen Bildung und nur dann werden den Jahren 2009 bis 2012 weisen gut 17 tät einer Einrichtung, wie zum Beispiel Prävention und Gesundheitsförderung zu Prozent der Drei- bis Sechsjährigen ein er- räumliche Bedingungen, Ausmaß der einem selbstverständlichen Bestandteil höhtes Risiko für psychische Belastungen Fluktuation unter den Mitarbeitenden der Arbeit und des Lebens in Kinderta- auf. Problematisch scheint in dieser Al- oder der Fachkraft-Kind-Schlüssel. Mit ab- geseinrichtungen. Vor diesem Hinter- tersgruppe vor allem das prosoziale Ver- nehmender Strukturqualität der vorschu- grund sollten die präventiven Maßnah- halten zu sein.2 lischen Einrichtung sinkt die subjektive men der gesetzlichen Unfallversicherung Gesundheit der Beschäftigten. in Kindertageseinrichtungen nachfolgen- Nicht selten sind auch chronische Gesund- de Aspekte berücksichtigen: heitsprobleme, zum Beispiel Allergien Voraussetzungen für wirksame oder Erkrankungen der Atemwege. Nach Prävention in Kitas Akzeptanz findet die Förderung von Si- Angaben der Eltern haben etwa 14 Prozent Die Unfallversicherungsträger sind wich- cherheit und Gesundheit in Kindertages- der drei- bis sechsjährigen Kinder und Ju- tige Partner der Kindertageseinrichtungen einrichtungen, wenn sie ihr Kerngeschäft gendlichen ein lang andauerndes chroni- bei der Förderung von Sicherheit und Ge- unterstützt. Dies ist vor allem dann der sches Gesundheitsproblem. Dadurch sei sundheit. Es gehört zu ihrem gesetzlichen Fall, wenn die Maßnahmen auch die Um- jedoch nur etwa jedes fünfte Kind einge- Präventionsauftrag, in den Einrichtungen setzung des Betreuungs-, Erziehungs- und schränkt oder daran gehindert, Dinge zu für die Verhütung von Unfällen und ar- Bildungsauftrags von Kindertagesein tun, die Gleichaltrige tun können.3 beitsbedingten Gesundheitsgefahren so- richtungen unterstützen und sich an den wie für eine wirksame Erste Hilfe zu sor- I nhalten der länderspezifischen Bil Schlechter als der Gesundheitsstatus der gen. Versicherte sind sowohl die Kinder dungspläne orientieren. Sicherheits- und Kinder ist der der pädagogischen Fach- als auch das Personal. Allerdings ist die Gesundheitsinterventionen sind somit so kräfte einzustufen. Fasst man die Ergeb- Zuständigkeit nicht einheitlich. Sowohl zu gestalten, dass sie sowohl einen Beitrag nisse der STEGE-Studie4 zusammen, ergibt die Unfallkassen beziehungsweise Ge- zum Erhalt und/oder zur Verbesserung der sich folgendes Bild: Die pädagogischen meindeunfallversicherungsverbände in Gesundheit leisten als auch zur Förderung Fach- und Leitungskräfte in Kindertages- den Ländern als auch Berufsgenossen- der Bildungsqualität einer Kindertagesein- einrichtungen weisen im Vergleich zu schaften, insbesondere die Berufsgenos- richtung. Die Voraussetzungen für eine gleichaltrigen Frauen mit gleicher Bildung senschaft für Gesundheitsdienst und derartige Ausrichtung sind in Kindertages- in der deutschen Bevölkerung eine deut- Wohlfahrtspflege (BGW), sind für die 3,3 einrichtungen verhältnismäßig gut, weil lich schlechtere subjektive Gesundheit auf Millionen Kinder und über 550.000 päda- Gesundheit in den Bildungsplänen aller 16 und sind häufiger dauerhaft in ihrem All- gogische Fachkräfte in über 54.000 Tages- Bundesländer als eigenständiger Bil- tag aufgrund gesundheitlicher Probleme einrichtungen zuständig.5 dungsbereich installiert ist. Maßnahmen, eingeschränkt. Als häufigste Erkrankun- die die Verbesserung der Sicherheit und gen zeichnen sich Muskel-Skelett-Erkran- Gesundheit als alleiniges Ziel haben, wer- kungen, Erkrankungen der Atemwege, „Schlechter als der Gesundheits- den eher als additiv und zusätzliche Auf- neurologische Erkrankungen sowie psy- status der Kinder ist der gabe wahrgenommen und laufen damit chische Beeinträchtigungen ab. Bei jeder der pädagogischen Fachkräfte Gefahr, keine oder nur bedingte Akzeptanz zehnten pädagogischen Fach- und Lei- einzustufen.“ bei den Akteuren und Akteurinnen der frü- tungskraft wurde innerhalb der letzten hen Bildung zu finden. zwölf Monate ein psycho-vegetatives Er- schöpfungssyndrom ärztlich diagnosti- Soll das präventive Engagement der Un- Die Orientierung am Betreuungs-, Erzie- ziert. Die häufigsten Beschwerden von fallversicherungsträger in Kindertages- hungs- und Bildungsauftrag ist nicht zu- Fach- und Leitungskräften sind Kreuz- und einrichtungen nachhaltig wirksam sein, letzt auch deshalb erforderlich, weil es Rückenschmerzen, Nacken- und Schulter- dann sollten sie nicht nur miteinander einen engen wechselseitigen Zusammen- schmerzen, Grübelei, innere Unruhe sowie kooperieren, sondern sie müssen vor al- hang zwischen Bildung und Gesundheit leichte Ermüdbarkeit, Mattigkeit und ein lem den Besonderheiten des Lebens- und einschließlich Sicherheit gibt. Wohler übermäßiges Schlafbedürfnis. Lernraums Kindertageseinrichtung Rech- gehen, Gesundheit und Sicherheit sind ▸ DGUV Forum 10/2016 13
Titelthema zentrale Voraussetzungen für die Arbeits- und Leistungsfähigkeit von Bildungsein- richtungen, denn Bildung ist weniger ein technisches als vielmehr ein personen- und beziehungsabhängiges Ergebnis. Umgekehrt beeinflussen aber auch die Anforderungen, Arbeitsbedingungen und Ergebnisse der Lebenswelt Kindertages- einrichtung die Gesundheit. Die Förderung von Sicherheit und Gesund- heit ist als Beitrag zur Entwicklung einer Organisation und ihrer Qualität zu verste- hen und dementsprechend zu gestalten. Deshalb und weil die Gesundheit von Kin- dertageseinrichtungen und ihrer Akteu rinnen und Akteure sowohl durch die Organisationsverhältnisse als auch die in- dividuellen Verhaltensweisen bestimmt wird, sollten Prävention und Gesundheits- förderung im Wesentlichen als Organisati- onsentwicklung realisiert werden. Hierzu gehören personale Entwicklung, Entwick- lung der materiellen und sozialen Struktu- ren sowie die Gestaltung der Prozesse ei- ner sozialen Organisation. Die Orientierung am Betreuungs-, Erzie- hungs- und Bildungsauftrag sowie die Tatsache, dass in Kindertageseinrichtun- gen die Sicherheit und Gesundheit von Er- wachsenen und Kindern in den Blick ge- nommen werden müssen, legen nahe, als Von einer guten Betreuungsqualität in Kitas profitieren Kinder ein Leben lang. Grundlage für Prävention und Gesund- heitsförderung in Kindertageseinrichtun- gen ein umfassendes und dynamisches Gesundheitsverständnis zu verwenden. gut geeignet zu sein, weil es die genannten und Betreuungsauftrags von Kindertages- Dieses Verständnis schließt nicht mehr Anforderungen an ein wirksames und zeit- einrichtungen mit dem Schutz und der nur die klassischen Sicherheits- und Ge- gemäßes Präventionskonzept erfüllt. Es Förderung der Gesundheit aller Beteilig- sundheitsthemen wie Unfallverhütung, verbindet die Förderung von Sicherheit ten. Bildungsqualität und Gesundheits Bewegungsförderung oder Ernährung ein, und Gesundheit mit der Ausgestaltung und förderung werden als sich wechselseitig sondern auch Themen wie Sozialklima, Entwicklung der frühen Bildung in Kinder- bedingende Faktoren betrachtet. Der An- Kooperation oder Selbstwirksamkeit. Ein tageseinrichtungen. satz nutzt und entwickelt somit die Res- solches Gesundheitsverständnis ermög- source Sicherheit und Gesundheit, um die licht in der Praxis unterschiedliche und Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungs- bisher wenig genutzte thematische Zugän- „Zeitlich befristete Einzelmaß- qualität der Institution Kindertagesein- ge. Dadurch kann die Passung zwischen nahmen verändern keine richtung zu erhöhen und sie im Sinne von dem bildungsbezogenen Auftrag einer Haltungen und Werte, also Empowerment8 zu ermächtigen, ihre ei- Kindertageseinrichtung und der Präventi- nicht die Kultur von Kitas.“ genen Prozesse aktiv, nachhaltig und on und Gesundheitsförderung einfach präventiv in die Hand zu nehmen. und effektiver hergestellt werden. In Anlehnung an den Ansatz „Gute ge- Was nun konkret eine gute gesunde Kin- Das Konzept „Gute gesunde sunde Schule“7 begreifen Viernickel und dertageseinrichtung ist, beschreiben Vier- Kindertageseinrichtung“ Voss eine gute gesunde Kindertagesein- nickel und Voss in ihrem Qualitätsta- Für die Arbeit des DGUV-Spitzenverbandes richtung als Lebenswelt von Kindern, bleau. Es umfasst insgesamt acht Dimen- und seiner Mitglieder in Kindertagesein- pädagogischen Fachkräften und Eltern sionen und 40 Qualitätsbereiche mit richtungen erscheint das von Voss und und verfolgen das Ziel einer nachhaltigen Schlüsselindikatoren, die auf den sieben Viernickel entwickelte Konzept „Gute ge- Systemveränderung. Sie verbinden die Grunddimensionen Strukturqualität, Ent- sunde Kindertageseinrichtung“6 besonders Umsetzung des Bildungs-, Erziehungs- wicklungsqualität, Organisations- und 14 DGUV Forum 10/2016
Gesunde Kita • Kindertageseinrichtung als ner können Kindertageseinrichtungen Setting verstehen dabei unterstützen, indem sie solche Pro- • Verhaltens- und Verhältnisorientierung zesse anstoßen und Einrichtungen, die • Prävention und Gesundheits- sich auf den Weg zur guten gesunden Kita förderung als Leitungshandeln gemacht haben, bei Bedarf Unterstützung • Transparenz und Hilfe geben. Dies kann durch Bera- • Partizipation tung und Begleitung sowie Qualifizierung, • Empowerment aber auch mithilfe von Informationen, • Risiko- und Ressourcenorientierung Programmen und Instrumenten erfolgen, • Arbeitsschutz und Gesundheitsförde- die im Rahmen der Entwicklungsprozesse rung als zwei Seiten einer Medaille von den Kindertageseinrichtungen ein- gesetzt werden können. • Viernickel und Voss favorisieren auch ei- ne bestimmte Strategie, um eine gute ge- sunde Kita zu realisieren. Erforderlich sei Fußnoten mehr als isolierte und zeitlich befristete Einzelmaßnahmen. Sie gehen in der Re- [1] Deutsche Gesetzliche Unfallversi- gel nicht tief genug und verändern keine cherung (Hrsg.): „Unfälle von Kindern in Tagesbetreuung 2013“, Berlin 2015 Haltungen und Werte, also nicht die Kul- [2] Hölling, H.; Schlack, R.: Essstörungen tur von Kindertageseinrichtungen. Mehr im Kindes- und Jugendalter. Erste Ergeb- Sicherheit und Gesundheit sowie weni- nisse aus dem Kinder- und Jugendsurvey ger Unfälle und Erkrankungen erfordern (KIGGS). In: Bundesgesundheitsblatt – insbesondere langfristige und systemati- Gesundheitsforschung – Gesundheits- schutz, 2007, S. 794–799 sche Entwicklungsprozesse. Nach den [3] Neuhauser, H.; Poethko-Müller, C.; Foto: Oksana Kuzmina/Fotolia.com vorliegenden Erkenntnissen scheint des- KiGGS Study Group (2014): Chronische halb die Organisationsentwicklung für Erkrankungen und impfpräventable sie die effektivste Strategie zu sein, die Infektionserkrankungen bei Kindern Förderung von Sicherheit und Gesund- und Jugendlichen in Deutschland. heit in Kindertageseinrichtungen erfolg- Ergebnisse der KiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1). In: reich zu gestalten. Bundesgesundheitsblatt – Gesund- heitsforschung – Gesundheitsschutz, 2014, S. 279–288 „Für jede Einrichtung müssen [4] Viernickel, S.; Voss, A.; Mauz, E.; wichtige Qualitätsfelder und Schumann, M.: Gesundheit am Arbeits- platz Kita. Ressourcen stärken, Belas- Inhalte identifiziert und konti- tungen mindern, Prävention in NRW nuierlich bearbeitet werden.“ Bd. 55, Unfallkasse Nordrhein-Westfa- Managementqualität, Prozessqualität, len (Hrsg.), Düsseldorf 2014 Orientierungsqualität und Ergebnisquali- [5] Statistisches Bundesamt (Hrsg.): tät sowie auf der in allen Grunddimensi- Organisationsentwicklung hat für Vierni- Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. onen integrierten Gesundheitsqualität ba- ckel und Voss zum Ziel, die Kita-Verhält- Kinder und tätige Personen in Tages- einrichtungen und in öffentlich sieren.6 Mit dieser Kategorisierung ähnelt nisse in ihrer Gesamtheit zu gestalten und geförderter Kindertagespflege am das Qualitätstableau der guten gesunden die Verhaltensweisen, das heißt die Le- 01.03.2015, Wiesbaden 2015 Kindertageseinrichtung dem Qualitäts- bensstile und Kompetenzen der Kita-Ak- [6] Voss, A.; Viernickel, S.: Gute gesunde rahmen, den Brägger und Posse für den teure zu beeinflussen, und zwar nicht nur Kita. Bildung und Gesundheit in Kinder- Ansatz der guten gesunden Schule entwi- die einzelner Personen und Gruppen, son- tageseinrichtungen, Kiliansroda 2016 ckelt haben.9 In den Qualitätsdimensio- dern aller Mitglieder einer Einrichtung. [7] vgl. Hundeloh, H.: Gesundheitsma- nen und -bereichen werden einerseits si- Vorrangiges Ziel sollte es sein, die für die nagement an Schulen, Weinheim und cherheits- und gesundheitsbezogene eigene Einrichtung wichtigen Qualitätsfel- Basel 2012 Ansätze wirksam. Andererseits haben sie der und Inhalte zu identifizieren und die- [8] Empowerment bedeutet in der Prä- selbst einen Einfluss auf die Entwicklung vention und Gesundheitsförderung, se kontinuierlich zu bearbeiten. Menschen oder Gruppen zu befähigen, psychosozialer Schutzfaktoren und damit ihre Bedürfnisse zum Ausdruck zu brin- auch auf die Leistungsbereitschaft und Aufgaben von gen, ihre Sorgen vorzutragen, Strategien -fähigkeit. Unfallversicherungsträgern für die Einbeziehung in Entscheidungs- prozesse zu entwerfen sowie Aktivitäten Es ist die Aufgabe jeder einzelnen Kinder- zu erwirken, um diese Bedürfnisse zu Neben der Orientierung an den Qualitäts- tageseinrichtung, solche Organisations- befriedigen. dimensionen des Referenzrahmens spie- entwicklungsprozesse entsprechend ihren [9] Brägger, G.; Posse, N.: Instrumente len die nachfolgenden Grundsätze bei der Voraussetzungen, Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Evaluation in Entwicklung guter gesunder Kindertages- und Zielsetzungen zu realisieren. Unfall- Schulen (IQES), 2. Bde., Bern 2007 einrichtungen eine Rolle: versicherungsträger und auch andere Part- DGUV Forum 10/2016 15
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