ZAHNFORUM HALLE FEIERLICH ERÖFFNET

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ZAHNFORUM HALLE FEIERLICH ERÖFFNET
W W W.ZAEK-SA .DE                                                            W W W.KZV-LSA .DE

                                                  JAHRGANG 30 // OKTOBER 2020     10 / 2020

  ZAHNÄRZTLICHE NACHRICHTEN
  S A C H S E N - A N H A LT

BEILAGE: ZN-PRAXISTEAM

  THEMA S. 6

  ZAHNFORUM HALLE
  FEIERLICH ERÖFFNET                                                                Auf den Spuren
                                                                                    der Hanse:
                                                                                    Alter Markt
  KZV geht neue Wege bei der Nachwuchsgewinnung                                     in Magdeburg
ZAHNFORUM HALLE FEIERLICH ERÖFFNET
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INHALT
                                                                              ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2020

HISTORISCHES                                                                                                     MITTEILUNGEN DER
Zwerge fressen Riesen ...........................................................................S. 4            KZV SACHSEN-ANHALT
                                                                                                                 Aus der Vorstandssitzung ..................................................................S. 42
EDITORIAL                                                                                                        Abteilung Recht: Gewährleistung bei Zahnersatz
Ein Umdenken muss einsetzen!                                                                                     nach Praxisaufgabe oder -übernahme . ....................................S. 44
von Dr. Carsten Hünecke........................................................................S. 5              Die Zulassungsstelle informiert ....................................................S. 45

BERUFSSTÄNDISCHES                                                                                                SACHSEN-ANHALT
Begegnung, Weiterbildung, Austausch: KZV öffnet                                                                  Zum Titelbild: Alter Markt in Magdeburg..................................S. 46
in Halle (Saale) Zahnforum...................................................................S. 6
Standespolitik: Frauen sind Mangelware.....................................S. 8                                  POST AN ZN
„Es ist schwer, den Fuß in die Tür zu kriegen“ – Interview                                                       Briefe zur Diskussion über Reichenbach
mit Dr. Ute Maier, KZV Baden-Württemberg...........................S. 10                                         und zur Situation an der Uni Halle ..............................................S. 48
Frauenpower und Teamgeist – Dr. Anne Behrens
aus Lutherstadt Eisleben im Porträt.............................................S. 13                            MITTEILUNGEN DES
Zahn(kul)tour: Auf den Spuren Katharinas der Großen                                                              FVDZ SACHSEN-ANHALT
unterwegs in Zerbst ..............................................................................S. 14          Von Analog zu Digital............................................................................S. 49
Nachfolger gesucht!: Die Praxis von Dipl.-Stom.
Karl-Ludwig Manger in Wernigerode...........................................S. 16
Vom Kaiserdom zur Ritterburg: Seniorenfahrt der ZÄK
führte in diesem Jahr nach Merseburg und Schkopau.........S. 18
ÖGD-Zahnärzte im Austausch.........................................................S. 21
Mahlzeit! – Aktionen zum Tag der Zahngesundheit
in Sachsen-Anhalt....................................................................................S. 22
VV-Vorsitzende im Austausch..........................................................S. 23

NACHRICHTEN UND BERICHTE
HS Anhalt startet Physician Assistant-Studiengang............S. 24
Prof. Dr. Rudolf Musil gestorben.....................................................S. 25

FORTBILDUNGSINSTITUT
DER ZAHNÄRZTEKAMMER
Fortbildungsprogramm für Zahnärzte........................................S. 26
Fortbildungsprogramm für Praxismitarbeiterinnen...........S. 27

FORTBILDUNG
Kennen und Erkennen psychosomatischer
Auffälligkeiten in der Zahnarztpraxis / Teil 2.........................S. 32

BÜCHERSCHRANK
Menüs, die tief blicken lassen – Speisefolgen der
Menschheitsgeschichte........................................................................S. 36

PRAXISFÜHRUNG
Neue MDR greift erst 2021 / ZQMS nutzen..............................S. 38

MITTEILUNGEN DER
ZAHNÄRZTEKAMMER SACHSEN-ANHALT
                                                                                                                                                                                Auf den Spuren der Hanse:
Neues Projekt zur Umschulung auf ZFA ...................................S. 39
                                                                                                                                                                                 Alter Markt in Magdeburg.
Treffen der Berufsschuldirektoren in der ZÄK ......................S. 40
                                                                                                                                                                                     Titelbild: Fredi Fröschki
Auftakt für Kurzcurriculum Praxiseinstieg...............................S. 41

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ZAHNFORUM HALLE FEIERLICH ERÖFFNET
HISTORISCHES
                                               ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2020

     ZWERGE
  FRESSEN RIESEN
       Kleine urzeitliche Säugetiere nagten
          an Knochen von Dinosauriern

Um Aufmerksamkeit zu erreichen, lautet eine alte journa-
listische Weisheit: „Hund beißt Mensch ist keine originelle
Nachricht. Mensch beißt Hund dagegen schon“. Dennoch
wäre es vermutlich falsch, allein unter dem Aspekt der Erre-
gung öffentlicher Aufmerksamkeit die Entdeckung einer For-
schergruppe um den amerikanischen Paläontologen Nicholas                  So ähnlich wie dieser spitzmausähnliche Tenrek in Madagaskar
Longrich von der Abteilung Geologie und Geophysik der Yale              sah vermutlich das urzeitliche Säugetier aus, dass vor 75 Millionen
University in New Haven abzutun. Das Team berichtet über                  Jahren Nagespuren an den Knochen eines vier Tonnen schweren
von ihm entdeckte Fraßspuren, die vermutlich kleine urzeit-                                    Dinosauriers hinterließ. Foto: Uwe Seidenfaden
liche Vorfahren heutiger Säugetiere vor 75 Millionen Jahren
auf den Skelettüberresten großer Dinosaurier hinterließen.
Diese Ur-Säugetiere waren nicht größer als heutige Eichhörn-
chen und hatten es vermutlich nur auf Mineralien in den Ka-          dieser Tiere, dass diese bei der Nahrungssuche nicht wähle-
davern abgesehen. Veröffentlicht haben die Wissenschaftler           risch waren. Harte pflanzliche Nahrung, Samen und Knollen
ihre Entdeckung in der Fachzeitschrift „Palaeontology“ (doi          könnte ebenso wie Aß auf den Speiseplan gestanden haben.
10.1111/j.1475-4983.2010.00957.x).                                   Die Entdeckung des Paläontologen Nicholas Longrich lieferte
                                                                     erstmals genauere Hinweise auf die Ernährung der Ur-Säuge-
Entdeckt hat das Forscherteam die Nagerspuren bei Aus-               tiere. Dem Forscher waren die unscheinbaren Fraßspuren an
grabungen in der kanadischen Provinz Alberta, u. a. auf den          den Dinosaurierknochen aufgefallen, weil er ähnliche „Krat-
Oberschenkelknochen bis zu 13 Meter langer und vier Tonen            zer“ schon einmal auf einem Hirschgeweih gesehen hatte. Pa-
schwerer, pflanzenfressender Edmontosaurier. Die in den Di-          läontologen erwarten, dass man zukünftig bei Mikroanalysen
nosaurierknochen hinterlassenen Kerben passen zu Schnei-             fossile Knochenreste auf noch mehr Fraßspuren kleiner Tiere
dezähnen im Unterkiefer von Säugetieren aus der Gruppe               stoßen wird. Sofern man den Gebisszustand kennt, kann man
der Multituberculata. Dabei handelt es sich um eine Gruppe           auf die Arten schließen, die sich an den Überresten der Dino-
Säugetier-Urahnen, die erstmals vor 165 Millionen Jahren auf-        saurier zu schaffen machten.                             use
tauchten. Zu dieser Zeit entwickelten parallel einige Dinosau-
rierarten sich zu den größten Landlebewesen aller Zeiten. Die
Multituberculata sind vor rund 34 Millionen Jahren aus un-
bekannten Gründen ausgestorben. Über ihre Lebensweise ist
bislang kaum etwas bekannt. Einige Wissenschaftler vermu-
ten, dass es nachtaktive Beuteltiere (ähnlich Kängurus) waren.

Im Unterkiefer hatten die bereits ein Fell tragenden Tiere ein
vergrößtes Paar Schneidezähne, das nach vorne ragte und an
moderne Nagetiere erinnerte, jedoch nicht so effektiv war.
Die Molaren in jeder Kieferhälfte besaßen bis zu acht hinter-
einander angeordnete Höcker (Tuberkeln). Diese brachten
den unscheinbaren Tieren den Namen „Multituberculata“ ein.
Beim Beißen fügten sich die Höcker und die Täler der gegen-
überliegenden Backenzähne ineinander. Auf dieser Weise
konnten sie beim Kauen ihre Nahrung zerkleinern.
Bislang vermuteten Forscher auf Grundlage des Gebisses

                                                                    4
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EDITORIAL
                                            ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2020

 EIN UMDENKEN
MUSS EINSETZEN!
       Liebe Kolleginnen und Kollegen,
     unter der Überschrift „Starker Beitrag
    der Gesundheitswirtschaft zur gesamt-
   wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen-
    Anhalt“ veröffentlichte das statistische
 Landesamt Anfang September die Ergebnisse
           des vergangenen Jahres.

„Die Gesundheitswirtschaft Sachsen-Anhalts erwirtschaftete
                                                                                Dr. Carsten Hünecke
2019 eine Bruttowertschöpfung (in jeweiligen Preisen) von 7,0
Mrd. EUR“, heißt es in der Pressemitteilung. Das sei eine Stei-
gerung gegenüber dem Vorjahr um 5,9 Prozent und läge damit
deutlich über dem Durchschnitt der Bundesländer von +4,2               Wachstumsmotor bleiben. Eine mögliche „Kostendämpfung“
Prozent sowie über dem nominalen Wachstum der gesamt-                  als Antwort aus den hohen finanziellen Belastungen der Sozi-
wirtschaftlichen Bruttowertschöpfung in Sachsen-Anhalt                 alsysteme in 2020 wäre ein vollkommen falsches Signal.
(+2,8 Prozent). Den zentralen Teil der Gesundheitswirtschaft
bilde das Gesundheits- und Sozialwesen mit der stationä-               Die Parteien in Bund und Land rüsten sich zum (Wahl-)Kampf
ren und ambulanten Gesundheitsversorgung. Um diesen                    um die Wählerstimmen im Superwahljahr 2021. In den kom-
gruppieren sich zahlreiche wirtschaftliche Akteure aus dem             menden Wochen werden die Eckdaten der Wahlkampfpro-
Verarbeitenden Gewerbe, dem Handel sowie aus weiteren                  gramme entwickelt. Ob als Körperschaften, Berufsverband
Wirtschaftszweigen, die mit dem Thema „Gesundheit“ ver-                oder im Rahmen des Landesverbandes der Freien Berufe – wir
bunden seien. Bedenkt man dann noch die Tatsache, dass der             wollen die Zeit nutzen und jetzt den intensiven politischen
Anteil der Gesundheitsleistungen am Bruttoinlandsprodukt               Dialog führen. Dies muss nicht nur im Bund und auf Spitzene-
von Sachsen-Anhalt mit 17,5 Prozent (2018) bundesweit nach             bene des Landes beschränkt bleiben, sondern kann auch in
Brandenburg und mit Mecklenburg-Vorpommern an zweiter                  den Wahlkreisen mit Kandidaten für Land- und Bundestag ge-
Stelle steht, zeigt es die wirtschaftliche Wichtigkeit und Sys-        schehen. Viele von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, en-
temrelevanz dieses Sektors. Dazu zählen auch Zahnärzte!                gagieren sich auch politisch auf kommunaler Ebene. Nutzen
Auch wir und unsere Teams haben trotz Shutdown, Home-                  Sie die Kontakte und helfen Sie uns! Das können Gesprächs-
schooling und vieler anderer täglicher Herausforderungen               termine vor Ort sein, die wir wahrnehmen können, oder wir
unsere Patienten umfassend versorgt.                                   geben Ihnen die argumentative Unterstützung.

Sie werden zu Recht einwenden, dass es müßig ist, an dieser            Themen gibt es genug, von der attraktiven Infrastruktur vor
Stelle zum wiederholten Male den aktuellen Umgang der Po-              Ort für junge Kolleginnen und Kollegen und ihre Familien bis
litik und Gesellschaft mit dem zahnärztlichen Berufsstand zu           zur adäquaten Vergütung der zahnärztlichen Leistung oder
beklagen. Dennoch muss an dieser Stelle einmal mehr festge-            einer Digitalisierung, die, angesichts der aktuellen Pannen
halten werden, dass das Gros der Belastungen der aktuellen             bei der TI, endlich ent- und nicht zusätzlich belastet. Es gilt,
Covid-19-Pandemie der ambulante Sektor trägt. Und da zäh-              die Attraktivität der eigenen Praxis deutlich zu steigern. Eine
len die Zahnärzte als zweitstärkste Facharztgruppe maßgeb-             flächendeckende Versorgung aufrechterhalten zu können,
lich dazu!                                                             kann nicht allein Aufgabe des Berufsstandes sein. Es ist ein
                                                                       (politisches) Umdenken gefordert.
Deshalb müssen Politik und Gesellschaft endlich umdenken
und gerade in Sachsen-Anhalt die Handelnden im Gesund-
heitswesen finanziell so absichern, dass sie ihrer gesellschaft-       Dr. Carsten Hünecke
lichen Verantwortung gerecht werden können und weiter ein              Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt

                                                                 5
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BERUFSSTÄNDISCHES
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  ZAHNFORUM
 HALLE FEIERLICH
   ERÖFFNET
  KZV will mit ständiger Präsenz in Hallenser
Innenstadt junge Studierende der Zahnmedizin
              gezielt ansprechen

Am 7. Oktober 2020 hat die Kassenzahnärztliche Vereinigung
Sachsen-Anhalt hochrangige Vertreter aus Berufsstand, Poli-
tik und Wissenschaft zur feierlichen Eröffnung des „Zahnfo-
rum Halle“ in die Saalestadt eingeladen. Mit den Räumlichkei-
ten in der Mittelstraße 9, unweit der Uni, als ständiger Präsenz
in Halle (Saale) möchte die KZV neue Wege unter dem Motto
„Begegnung, Weiterbildung, Austausch“ bei der Nachwuchs-
gewinnung und der Zukunftssicherung der zahnärztlichen
Versorgung im Land gehen. Das Zahnforum Halle soll eine
vielseitige Plattform für die Studierenden der Zahnmedizin
an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sein. Die
Studierenden finden dort neben frei zugänglichem WLAN und
unerschöpflichen Kaffeevorräten eine entspannte Lern- und                 In der Mittelstraße 9, unweit der Martin-Luther-Universität, will die
Arbeitsumgebung, ein reichhaltiges Seminar- und Tutorien-                 KZV mit dem Zahnforum als Begegnungsstätte künftig permanent
angebot sowie direkten Zugang zu zahnmedizinischen Kar-                             in Halle (Saale) präsent sein. Fotos: KZV / Andreas Stein
riereberatungen. Es ist darüber hinaus ein Forum, über das
sich Studierende mit niedergelassenen Zahnärztinnen und
Zahnärzten auf Augenhöhe vernetzen sollen und Kontakte                 sie für Sachsen-Anhalt, die ansässigen Unternehmen und die
wie auch berufliche Perspektiven nachhaltig wachsen kön-               Potenziale der ländlichen Regionen begeistern könne. Er fand
nen. Diese Leistungen werden von der KZV kostenlos zur Ver-            mit Blick auf die zurückliegenden Monate auch Dankesworte
fügung gestellt.                                                       für die Kollegen, ihre Teams und deren Einsatz. „Die Landes-
                                                                       regierung ist dankbar und stolz, dass Sie Ihren Dienst tun", so

„WICHTIG, FLAGGE ZU ZEIGEN“                                            der Ministerpräsident. „Dem Schwund zahnärztlicher Praxen
                                                                       in ländlichen und strukturschwachen Regionen wirkungsvoll
Aus der Landesregierung waren mit Ministerpräsident Dr. Rei-
                                                                       zu begegnen, ist standespolitisch derzeit die größte Heraus-
ner Haseloff, Bildungsminister Marco Tullner (beide CDU) und
                                                                       forderung“, erklärte Dr. Jochen Schmidt, Vorstandsvorsitzen-
Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) gleich drei Mit-
                                                                       der der KZV, in seinem Grußwort. Die KZV wolle daher junge
glieder anwesend. „Sie sehen, es ist uns wichtig, hier Flagge
                                                                       Nachwuchskräfte offensiver ansprechen, für die Niederlas-
zu zeigen“, sagte der Ministerpräsident, dessen Frau selbst
                                                                       sung in eigener Praxis und die Mitarbeit in den Gremien der
Zahnärztin war und dessen Bruder Dr. Norbert Haseloff im-
                                                                       Standespolitik gewinnen. Auf weiche Faktoren wie einen
mer noch in Lutherstadt Wittenberg praktiziert. Auch seine
                                                                       Kita- bzw. Schulplatz, ausgebaute Infrastruktur, Kulturange-
Frau habe es nur mit Mühe geschafft, einen Nachfolger zu
                                                                       bote und Arbeitsplätze für Partner habe die KZV nur wenig
finden. Den Beteiligten müsse mehr einfallen als bisher, da-
                                                                       Einfluss. Aber mit Angeboten wie dem Praxislotsen oder eben
mit Studierende der Zahnmedizin in Halle anschließend im
                                                                       dem Zahnforum wolle die Körperschaft das ihre tun.
Land blieben und auch Auswärtige Blut leckten, meinte Ha-
seloff. Er dankte der KZV für die Idee und würdigte die neue
Initiative der Zahnärzteschaft. Der Ministerpräsident betonte,         NACHFOLGER SELTENER
dass Projekte wie das „Zahnforum Halle“ ein herausragendes             Die Nachwuchsgewinnung als Aufgabe rückt zunehmend in
Beispiel dafür seien, wie man junge Menschen erreichen und             den Fokus der KZV. Hintergrund: Allein im Jahr 2019 haben            ▶

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ZAHNFORUM HALLE FEIERLICH ERÖFFNET
BERUFSSTÄNDISCHES
                                                  ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2020

       in Sachsen-Anhalt 70 Vertragszahnärztinnen und Vertrags-
       zahnärzte ihre Zulassung beendet. Nur bei 37 konnte die Pra-
       xis durch Übergabe an eine junge Kollegin oder an einen jun-
       gen Kollegen weitergeführt werden. Damit konnten nur knapp
       mehr als 50 Prozent der abgegebenen Zulassungen ausgegli-
                                                                              Bei der Eröffnung des Zahnforums dabei (v.l.): KZV-Vorstandsvorsitzen-
       chen werden. Auf dem Land fällt diese Quote noch deutlich
                                                                             der Dr. Jochen Schmidt, Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff, Sozialmi-
       schlechter aus. Gleichzeitig liegt das Durchschnittsalter der
                                                                                nisterin Petra Grimm-Benne, Dozent Dr. Christian Wegner, Uni-Rektor
       berufstätigen Zahnärzte in einigen Kreisstellen des Landes
                                                                                         Prof. Dr. Christian Tietje und Bildungsminister Marco Tullner.
       schon bei über 55, zum Beispiel in Klötze, Zerbst oder Eisle-
       ben. Auch wenn einige Kollegen noch über das Rentenalter hi-
       naus ihrem Beruf nachgehen, ist in wenigen Jahren eine Welle
       von Praxisschließungen zu erwarten.

       ERSTE KURSE STEHEN SCHON
       Und was sagt die Zielgruppe des Zahnforums? Markus Ku-
       rowski und Max Dorschner von der Fachschaft der Hallenser
       Zahnmedizinstudierenden sowie Paul Poethke von der Medi-
       zinerfachschaft waren ebenfalls unter den Gästen. „Das Forum
       ist ein gutes Angebot für Wissenszuwachs und als Begegnungs-
       stätte oder auch für Treffen der Studierenden oder Feiern ge-
       eignet, finden Kurowski und Dorschner. Die Mediziner hätten
       kein entsprechendes Pendant, sagte staunend Paul Poethke.
       Das Zahnforum soll seinen Gästen auch inhaltlichen Mehrwert
                                                                                Die Gewinnung zahnärztlichen Nachwuchses für die Praxen gerade
       bieten – auf der Homepage wird bereits für mehrere „Crash-
                                                                                 in strukturell schwachen Gebieten Sachsen-Anhalts sei die derzeit
       kurse“ geworben. Schon im Oktober sind die ersten Kurse für
                                                                                    größte Aufgabe der Standespolitik, erklärte Dr. Jochen Schmidt.
       Studierende im klinischen Bereich angesetzt, darunter Themen
       wie „Der erste Patient“ und „HKP/Kassenrecht“. Für Studierende
       der Vorklinik soll es Vorbereitungskurse auf Chemie-, Physik-
       oder Anatomieprüfungen geben. Als Dozenten fungieren Ex-
       perten der KZV sowie Dr. Christian Wegner, der an der Uni Halle
       als Oberarzt arbeitet und mit eigener Praxis in Schönebeck nie-
       dergelassen ist. Ansprechpartner ist René Woytera. Er betreut
       die Räumlichkeiten des Zahnforums vor Ort, unterstützt von
       studentischen Hilfskräften.

ZAHNFORUM HALLE
                                                                               Marius Kurowski und Max Dorschner (l. u. r.) von der Fachschaft der
                                                                               Zahnmedizinstudierenden sowie Paul Poethke von der Fachschaft
Mittelstraße 9, 06108 Halle (Saale)                                          der Medizinstudierenden halten das Zahnforum für eine gute Sache.
info@zahnforum-halle.de
www.zahnforum-halle.de

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 STANDESPOLITIK:
   FRAUEN SIND
  MANGELWARE
  Wachsender Anteil an Zahnärztinnen spiegelt
sich nicht in Gremien der Selbstverwaltung wider

Die Heilberufe werden immer weiblicher – auch der Zahn-
arztberuf. Laut Statistischem Jahrbuch der Bundeszahnärzte-
kammer (BZÄK) sind die zahnärztlich tätigen Frauen auf dem           Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für junge Zahnärztinnen
Vormarsch: 33.113 waren es 2018/19 und damit rund 46 Pro-            bereits ein großes Thema. Für standespolitisches Engagement bleibt
zent aller Zahnärzte in Deutschland. Knapp zehn Jahre zuvor                                       noch weniger Zeit. Foto: ProDente e.V.
lag die Zahl noch bei 27.303 (41 Prozent). Die Zahl der Männer
stagniert dagegen bzw. fiel zuletzt leicht auf 39.479. Und die-
se Entwicklung wird weitergehen, wie der Blick auf die Zahlen    gungen von Frauen im Öffentlichen Dienst bekämpfen sollte,
der Zahnmedizinstudierenden in Deutschland zeigt: 66,3 Pro-      erst kürzlich am Zwist innerhalb der Kenia-Koalition endgül-
zent der Studierenden der Zahnmedizin im Wintersemester          tig gescheitert. An sich war man sich einig, die CDU wollte
2018/19 waren weiblich. In der Mitgliederstatistik der Zahn-     jedoch auch männliche Gleichstellungsbeauftragte ermögli-
ärztekammer Sachsen-Anhalt haben die Frauen ihre männli-         chen, was SPD und Grüne nicht mittragen konnten. Dennoch:
chen Kollegen bereits überholt: 757 Praxisinhaberinnen sind      Der politische Druck auf die Selbstverwaltung, Frauen sicht-
dort verzeichnet, aber nur 636 Männer (Stand: 01.10.2020).       bar besser zu beteiligen, erhöht sich. Deshalb hat die Kassen-
Auch die Vorbereitungs- und Entlastungsassistenten sind laut     zahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) bereits 2019 eine
Statistik mit deutlicher Mehrheit weiblich, die angestellten     Arbeitsgemeinschaft Frauenförderung ins Leben gerufen, um
Zahnärzte sowieso. Laut KZV sind 55 Prozent der                            hier wieder die Initiative zu übernehmen. Die gro-
Vertragszahnärzte im Land weiblich, wobei das                                  ße Zahl der männlichen Standespolitiker und
Durchschnittsalter 54 Jahre beträgt.                                              deren Revierverhalten mache es Zahnärz-

                                               66,3 %
                                                                                    tinnen schwer, bei der Standespolitik einen
Diese Zahlen spiegeln jedoch nicht die                                                Fuß in die Tür zu bekommen, sagt Dr. Ute
Machtverhältnisse wider – denn Füh-                                                    Maier, KZV-Vorstandsvorsitzende von
rungspositionen in den Organisationen                                                  Baden-Württemberg und Vorsitzende
und Gremien des deutschen Gesund-                                                      der AG Frauenförderung (siehe auch In-
                                              der Studierenden der Zahnmedizin
heitswesens sind überwiegend von Män-                                                 terview in dieser zn, S. 10 bis 12).
                                                   in Deutschland im Winter-
nern besetzt. Bundesgesundheitsminister           semester 2018/19 waren
Jens Spahn (CDU) sagte beim Start der Ini-                weiblich.                   „KOLLEGINNEN
tiative Spitzenfrauen Gesundheit im Februar
2019, es gebe dagegen wenige Bereiche, in denen                                     DIREKT ANSPRECHEN“
                                                                       Der Frauenanteil von 55 Prozent bei den Vertrags-
so überproportional viele Frauen Leistungsträgerinnen sei-
                                                                 zahnärzten bildet sich weder beim Vorstand der Kassen-
en wie im Gesundheitswesen. Es gelte deshalb, sowohl gesell-
                                                                 zahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt und dessen Re-
schaftliche Rahmenbedingungen wie die Verfügbarkeit von
                                                                 ferenten noch in der Vertreterversammlung ab: Von den 29
Kita-Plätzen oder die Präsenzpflicht am Arbeitsplatz in Frage
                                                                 VV-Delegierten sind nur fünf und damit knapp 17 Prozent
zu stellen, aber auch im Rahmen der Reform der Sozialwahl
                                                                 weiblich. Zwei dieser fünf Frauen, Dr. Dorit Richter und Ange-
eine Frauenquote zu prüfen. Im Februar dieses Jahres hat der
                                                                 la Braune, sind auch im Landesvorstand des FVDZ aktiv – der
Bundestag dann das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz, kurz
                                                                 immerhin zur Hälfte weiblich ist. Dr. Dorit Richter ist dazu
GKV-FKG, verabschiedet. Darin wird auch die Struktur des
                                                                 noch Mitglied der Kammerversammlung der Zahnärztekam-
Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung neu
                                                                 mer Sachsen-Anhalt, also in allen drei Standesorganisationen
geregelt und eine Frauenquote eingeführt. Auf Landesebene
ist ein Gleichstellungsgesetz, das strukturelle Benachteili-
                                                                 vertreten. In der Kammerversammlung sind derzeit 7 von              ▶

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47 Delegierten und damit rund 15 Prozent weiblich. Dr. Nicole         despolitik ein und geht in anderen Bundesländern bei Gremi-
Primas, einzige Frau im Vorstand der Zahnärztekammer, ist eher        enwahlen längst mit eigenen Listen an den Start. Zahnärztin
per Zufall zur Standespolitik gekommen, nachdem ihre Vorgän-          Dr. Tina Rudatzki aus Hettstedt (Landkreis Mansfeld-Süd-
gerin Dr. Heidrun Petzold sie 2004 angesprochen hatte, beim           harz), die sich derzeit um den Aufbau einer Dentista-Regio-
Projekt „Altern mit Biss“ mitzumachen. „Es hat Spaß gemacht,          nalgruppe Sachsen-Anhalt bemüht und bereits ein Dutzend
etwas zu bewegen und so bin ich dabei geblieben“,                               Mitstreiterinnen gewonnen hat, sieht durchaus
erinnert sich Nicole Primas. Sie hatte viele Ideen                                   Schwierigkeiten, sich einzubringen. Als Frau und
im Bereich Prävention, zum Beispiel das immer                                           jüngste Kollegin müsse sie doppelt kämpfen

                                                             15 %
noch laufende Projekt „Azubiss“ an der BBS                                                und dringe in ihrer Kreisstelle einfach nicht
Magdeburg. Nach der Wahl zur Kammer-                                                       mit ihren Anliegen durch. Zudem sieht sie
delegierten und in den Kammervorstand                                                      zumindest jüngere Kolleginnen immer
2011 folgten weitere Ehrenämter. Es sei                                                     noch in klassischen Rollenbildern gefan-
insgesamt schwierig, standespolitischen                                                    gen:  Wenn man sich um die eigene Praxis,
                                                    der Delegierten der Kammer-
Nachwuchs zu finden, egal ob männlich                                                       kleine Kinder und den Haushalt kümmern
                                                     versammlung der Zahnärzte-
oder weiblich, findet Dr. Primas. Sie setzt                                                müsse,  sei der Tag irgendwann einfach zu
                                                       kammer Sachsen-Anhalt
darauf, Kolleginnen direkt anzusprechen und                                             Ende, so Dr. Tina Rudatzki. Dabei spielen bei
                                                             sind weiblich.
in den Ausschüssen etwas zu bewegen – so wie                                         ihrem größten Anliegen Frauen eine wichtige
es auch bei ihr selbst war. Dass die Repräsentanz der                            Rolle: Ländliche Praxen attraktiv zu gestalten und
Frauen im Berufsstand sich bisher nicht in den Gremien von              zahnärztlichen Nachwuchs dorthin zu holen.
ZÄK und KZV adäquat wiederfinde, liege nach der Erfahrung
von Kammerpräsident Dr. Carsten Hünecke aus den Gesprächen                    QUOTE KEINE LÖSUNG
mit Kolleginnen nicht an einer „Blockade“ durch männliche Kol-        Eine Frauenquote in der zahnärztlichen Selbstverwaltung,
legen, sondern in der persönlichen Lebensplanung mit Praxis,          wie sie in Aufsichtsräten großer Unternehmen bereits einge-
Familie und ehrenamtlichem Engagement. „Wir brauchen in Zu-           führt wurde, hält kaum jemand für sinnvoll. Vielmehr sollen
kunft eine junge Generation, egal ob männlich oder weiblich, die      generell praxistaugliche Ansätze erarbeitet werden, die in den
bereit ist, sich über die persönlichen Interessen für die Belange     Standesgremien konkret umgesetzt werden können, sagt die
des Berufsstandes zu engagieren“, so Dr. Hünecke mit Blick auf        KZV-Vorsitzende Dr. Ute Maier. Erste Vorschläge dazu soll ihre
die Wahlen zur Kammerversammlung im kommenden Frühjahr.               Arbeitsgemeinschaft bereits auf der nächsten Vertreterver-
                                                                              sammlung der KZBV machen, die Ende Oktober in München
Der bundesweit tätige Verein Dentista e. V. setzt sich bereits                stattfindet. Die zn werden darüber berichten.
seit 2007 für mehr Beteiligung von Zahnärztinnen an der Stan-

                                                                                             FRAUEN IN DIE BERUFS-
                                                                                             UND STANDESPOLITIK! –
 %
                     Frauenanteil in ZÄK und KZV                                             EIN AUFRUF
90                   (gesamt und in den Gremien)
                                                                                            „2021 wird gewählt – die
80
                                                                                            Kammerwahlen bieten
70                                                                                          allen Mitgliedern die Chan-
                                                                                            ce auf Beteiligung an der
60          55 %                               57 %
                                                                                            zahnärztlichen Berufs- und
50
                                                                                            Standespolitik. Sie haben
40                                                                                          es selbst in der Hand, liebe
                                                                                            Kolleginnen, für eine aus-
30
                                                                                            reichende Berücksichtigung        Dr. Nicole Primas
20                            17 %                              15 %                        der weiblichen Zahnärzte-
10                                                                                          schaft in Sachsen-Anhalt zu sorgen. Stellen Sie
                                                                                            sich zur Wahl, arbeiten Sie mit! Damit Frauen
    weibliche Ver-    Frauenanteil      weibliche       Frauenanteil                        in der Standespolitik endlich zu der Selbstver-
  tragszahnärzte /      in der VV     Kammermit-          in der KV
                                                                                            ständlichkeit werden, die sie schon lange sein
  Kieferorthopäden       der KZV     glieder (Praxis-      der ZÄK
       laut KZV                      inhaber / Ass.)                                        müssten.“

                                                                                            // Ihre Dr. Nicole Primas
                                                                        9
ZAHNFORUM HALLE FEIERLICH ERÖFFNET
BERUFSSTÄNDISCHES
                                                 ZN SACHSEN-ANHALT I AUSGABE 10 I Oktober 2020

  „ES IST SCHWER,
  DEN FUß IN DIE
 TÜR ZU KRIEGEN“
  Dr. Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der KZV
 Baden-Württemberg, spricht im Interview über
 Herrenwitze und Quoten in der Standespolitik

Dr. Ute Maier ist Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und Vorsitzende der AG Frauenförderung
              der KZBV. Von einer Quote hält sie nichts, verbindliche Maßnahmen seien aber dringend nötig. Foto: KZV Baden-Württemberg

Dr. Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der KZV Baden-Würt-                Kindern einfach oft unzumutbar sind. Es gilt aber auch, einige
temberg, erarbeitet sich seit vergangenem Jahr gemeinsam               unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Allein das männ-
mit der Arbeitsgemeinschaft Frauenförderung der KZBV Vor-              liche Übergewicht in der zahnärztlichen Selbstverwaltung
schläge, wie die stärkere Beteiligung von Frauen in der Zahn-          macht es jungen Frauen ohne entsprechende Netzwerke sehr
ärztlichen Selbstverwaltung gelingen kann. Über die Arbeit             schwer, den Fuß in die Tür zu kriegen, um überhaupt ihre Durch-
der AG und erste Ergebnisse des Gremiums sprach mit ihr für            setzungsfähigkeit unter Beweis stellen zu können. Das Revier-
die Zahnärztlichen Nachrichten Andreas Stein.                          verhalten männlicher Standespolitiker tut das Ihrige noch dazu.
                                                                       Selbst der gute alte Herrenwitz ist noch nicht ausgestorben.
Sehr geehrte Frau Dr. Maier, längst gibt es in Deutschland ge-
nauso viele Zahnärztinnen wie Zahnärzte – Tendenz steigend,            Als die Politik im vergangenen Jahr Quoten in der Selbstver-
denn zwei Drittel der Zahnmedizinstudierenden sind weiblich.           waltung ins Spiel brachte, hat die Vertreterversammlung der
In den Gremien der zahnärztlichen Standespolitik und Selbst-           Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung eine Arbeitsge-
verwaltung auf Bundes- und Landesebene spiegelt sich dieses            meinschaft Frauenförderung eingerichtet, deren Vorsitzende
Verhältnis jedoch nicht wider. Woran liegt das Ihrer Ansicht           Sie sind. Welche Ziele hat die AG?
nach?                                                                  Wir müssen herausarbeiten, wo die Probleme wirklich liegen.
Zunächst ist es so, dass sich generell wenige junge Kolleginnen        Darauf aufbauend wollen wir Vorschläge machen, wie wir zu ei-
und Kollegen aktuell in der Standespolitik engagieren. Deshalb         ner stärkeren Beteiligung von Frauen in der vertragszahnärztli-
schlägt sich der große Frauenanteil in der jüngeren sowie den          chen Selbstverwaltung kommen können. Es geht also nicht um
kommenden Generationen in den Gremien derzeit nicht nieder.            die Abarbeitung feministischer Theorien, sondern um die Erar-
Ich denke, dass wir mutig die Frage stellen müssen, warum das          beitung genereller praxistauglicher Ansätze, die in jeder einzel-
so ist. Wir müssen die bestehenden Strukturen sehr ernsthaft           nen KZV konkret umgesetzt werden können. Die politische De-
durchleuchten, um hierauf eine Antwort zu finden: Sind diese           battenhoheit hat damit natürlich ganz unmittelbar zu tun. Nach
geeignet, dass sich junge Frauen gerne einbringen? Das fängt           dem Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz, in dem Quoten für die
schon mit den Sitzungszeiten an, die für Frauen mit kleineren          Entscheidungsgremien des GKV-Spitzenverbands festgelegt       ▶

                                                                      10
BERUFSSTÄNDISCHES
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wurden, konnte man davon ausgehen, dass die Politik den                Durch eine strategische Vernetzung von Frauen. Mittels Fo-
Druck auch auf andere Bereiche der Selbstverwaltung erhöhen            ren und (virtuellen) Treffen, wo sich Frauen im Berufsstand
würde, endlich sichtbar zu einer besseren Beteiligung von Frau-        gezielt selbst organisieren können. In diesem Rahmen wird
en zu kommen. Andernfalls drohen nach wie vor gesetzliche              es gelingen den Kolleginnen zu vermitteln, dass die aktive
Regelungen. Wir wollen die Deutungshoheit in diesem Prozess            Standespolitik ganz konkret mit ihrem Berufsalltag und der
erlangen, um dadurch Eingriffe in die Kompetenz der Selbstver-         Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Interessen zu tun hat und
waltung zu vermeiden.                                                  dass es wichtig ist, dies als kollektive Interessenvertretung zu
                                                                       bewerkstelligen. Die Einzelne kann das in diesem Maße nicht
Gibt es in der AG schon erste Arbeitsergebnisse?                       leisten. Andererseits sollten Frauen ja auch nicht nur von
Wir sind mit unserer Arbeit gut unterwegs. Auf der KZBV-Ver-           Frauen gewählt werden. Ich möchte hier an die männlichen
treterversammlung im November 2019 in Berlin konnten wir               Kollegen appellieren.
erste Vorschläge präsentieren. Die Konzepte müssen jedoch
weiter ausgearbeiten werden. Deswegen feilen wir diese auch            Spricht man mit jungen Zahnärztinnen, kritisieren diese oft
in Coronazeiten weiter aus, denn die Krise darf nicht als Ausre-       die Vereinbarkeit von Familiengründung und Selbstständig-
de herhalten, um beim Thema Frauenförderung zu pausieren.              keit. Immer öfter fällt auch bei jungen männlichen Kollegen
                                                                       das Stichwort „work-life-balance“. Sehen Sie vor dem Hin-
Lässt sich mit Absichtsbekundungen zur Frauenförderung                 tergrund der oben erwähnten steigenden Zahl weiblicher
überhaupt etwas ändern oder bräuchte es Ihrer Ansicht nach             Studierender der Zahnmedizin eine Versorgung, die sich nur
wirklich von oben verordnete Regelungen für Quoten und                 auf den niedergelassenen Zahnarzt in freier Berufsausübung
Strukturveränderungen?                                                 stützt, als reformbedürftig an?
Die Diskussion dazu in unserer Arbeitsgruppe war sehr enga-            Wir haben doch seit Jahren eine anhaltende Entwicklung, dass
giert und kontrovers, aber schließlich im Ergebnis eindeutig:          Berufseinsteiger – und hier mehrheitlich die Frauen – erstmal
Wir wollen keine Quote. Unser Anspruch muss es sein, dieses            eine Anstellung anstatt einer eigenen Niederlassung suchen.
Ziel aus eigener Kraft und aus unserer Selbstverantwortung als         Gleichzeitig nimmt die Zahl von Einzelpraxen ab, zugunsten
Vertretung des gesamten Berufsstandes heraus zu erreichen.             von größeren Einrichtungen. Aus Befragungen, die wir in      ▶
Es geht also nicht um bloße Absichtsbekundungen in Sonn-
tagsreden, sondern um verbindliche Maßnahmen, die auch
dem ein oder anderen möglicherweise nicht sofort schmecken
werden. Wenn man es damit wirklich ernst meint, dann bin ich
überzeugt davon, dass es ohne Quote gehen kann. Aber das ist
definitiv ein hartes Stück Arbeit.                                                    ZUR PERSON:
                                                                                      DR. UTE MAIER
In den vergangenen Jahren wurde in der deutschen Gesell-
schaft viel über Geschlechtergerechtigkeit, Sexismus und                              •     Studium der Zahnmedizin 1979-1984 in
Quotenregelungen diskutiert, aber viel getan hat sich (noch)                                Marburg und Tübingen
nicht. Da passte es irgendwie ins Bild, dass bei der zurücklie-                       •     Danach Assistenzzeit in Praxis (Nagold)
genden KZBV-VV der erste Redner nach Ihrer Vorstellung der                                  und an der Klinik für Zahn-, Mund- und
AG Frauenförderung sein Statement mit einem Kompliment an                                   Kieferheilkunde in Tübingen bis 1989
Sie begann – andersherum undenkbar. Wie erleben Sie diese                             •     Niederlassung in Tübingen 1989 -2014
Debatten?                                                                             •     Mitarbeit in standespolitischen Gremien
Frauen, auch wenn sie verantwortungsvolle Positionen inne-                                  ab 1986
haben, werden in unserer Gesellschaft häufig noch anders an-                          •     1997-2000 ehrenamtliches Mitglied im
geschaut und beurteilt als Männer. Das beginnt damit, dass in                               Vorstand der KZV Tübingen und der BZK
Presse und Öffentlichkeit zu oft über das Outfit der Kanzlerin                              Tübingen (ZE/PAR-Referentin und
oder einer Ministerin diskutiert wird, während sich kein Mensch                             GOZ-Referentin)
für die Farbe der Krawatte von z. B. Ministern interessiert. Wir                      •     2001-2004 ehrenamtliche Präsidentin der
müssen vermitteln, dass diese Gesichtspunkte im Geschäftsle-                                KZV Tübingen und Mitglied im Vorstand
ben keinerlei Rolle spielen.                                                                der KZBV
                                                                                      •     Ab 2005 hauptamtliche Stellv. Vorsitzende
Interessierte und engagierte Zahnärztinnen für die Standespo-                               des Vorstandes der KZV Baden-Württem-
litik zu finden, ist das eine, gewählt werden müssen sie aber                               berg
auch. Wie kann das gelingen?                                                          •     Seit 2008 hauptamtliche Vorsitzende des
                                                                                            Vorstandes der KZV Baden-Württemberg

                                                                 11
BERUFSSTÄNDISCHES
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Baden-Württemberg durchgeführt haben, wissen wir, dass der             Sie sind die einzige KZV-Vorstandsvorsitzende in Deutschland,
Wunsch zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele an-           zwei der vier weiblichen Delegierten der KZBV-VV kommen
gestellte Zahnärztinnen tatsächlich ein großes Hindernis auf           aus Baden-Württemberg. Weht in Ihrer KZV in Sachen Frauen-
dem Weg zu einer Niederlassung darstellt. Zumindest in der             förderung in Ehrenamt und Verwaltung ein anderer Wind, von
Phase der Familiengründung entscheiden sich viele bewusst              dem sich die anderen KZVen etwas abgucken könnten?
dagegen. Über all das kann man viel lamentieren. Ich halte es          Ja klar. Natürlich bin ich darauf auch ein bisschen stolz. Aber
aber für zielführender, dass wir diese Entwicklung annehmen            auch in Baden-Württemberg gibt es dieselben strukturellen
und diese aktiv gestalten. Unsere Versorgungslandschaft wird           Probleme wie in anderen Ländern. In unserer VV sitzen von
in Zukunft definitiv vielfältiger werden und Rücksicht auf die         50 Delegierten immerhin 13 Frauen. Das sind vielleicht et-
Wünsche derjenigen nehmen, die ja die Versorgung sicher-               was mehr als in anderen Ländern, und trotzdem bin ich damit
stellen sollen.                                                        noch nicht zufrieden. Wir haben das Thema Frauenförderung
                                                                       im Ehrenamt daher weit oben auf der Agenda und entwickeln
Welche Rolle könnten hier neue Praxismodelle spielen, etwa             konkrete Konzepte. Der Austausch zwischen verschiedenen
die im vergangenen Jahr geöffnete „Zahnarztpraxis der Zu-              KZVen kann da nur gut tun und wir geben unsere Erfahrungen
kunft“ in Düsseldorf?                                                  gerne weiter.
Neue Praxismodelle gehören selbstverständlich zu einer viel-
fältigen Versorgungslandschaft dazu. Ich sehe die Aufgabe ei-          Man hat Ihre Mitstreiterinnen und Sie auch schon als „Suffra-
ner Standesvertretung wie der KZV auch darin, Bedingungen              getten“ bezeichnet. Ist das für Sie ein Lob oder eher Herab-
zu schaffen, dass jede und jeder die individuell passende Form         würdigung?
findet, um den Traumberuf Zahnärztin bzw. Zahnarzt ausüben             Häufig beruht das auf Unkenntnis. Die historischen Suffraget-
zu können. Das betrifft nicht nur die fachliche Spezialisierung,       ten haben mit beeindruckendem Mut für ein Ziel gekämpft,
sondern auch andere Aspekte wie etwa die Praxisform, die               das uns mittlerweile selbstverständlich erscheint: das Wahl-
Arbeitszeiten, die Frage nach Anstellung oder Selbständigkeit          recht für Frauen. In so eine Tradition gestellt zu werden, ist
und vieles mehr.                                                       alles andere als eine Herabwürdigung.

                                                                      12
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  FRAUENPOWER                                                          viel eigener Disziplin und Unterstützung durch das ganze Pra-
                                                                       xisteam hat sie bis zwei Wochen vor dem Entbindungstermin

  UND TEAMGEIST
                                                                       weiter Patienten behandelt. Und nur sieben Wochen nach der
                                                                       Geburt ihrer Tochter kam sie zurück in die Niederlassung. Im
                                                                       Unterschied zu Festangestellten erhalten selbständige Frei-
                                                                       beruflerinnen nämlich nur eine minimal bezahlte Elternzeit.
         Die Zahnärztin Dr. Anne Behrens                               „Ich habe Glück, dass mein Mann mich unterstützt und sich
             aus Lutherstadt Eisleben                                  um unsere kleine Tochter kümmert, während ich Patienten
                                                                       behandele“, sagt Dr. Behrens.
Kindliche Erlebnisse beim Zahnarzt können manchmal prä-
gend für das spätere Leben sein. So gesehen hatte Dr. Anne             Im März 2020, genau ein Jahr nach der Praxisübernahme, kam
Behrens zweifellos sehr gute Erfahrungen als Kind gemacht,             die nächste Herausforderung: der staatlich verordnete Lock-
– zumindest so gut, dass sie schon in der Schulzeit Zahnärz-           down als Reaktion auf die Corona-Pandemie. Die Zahl der Un-
tin werden wollte. Geboren in Schönebeck bei Magdeburg,                tersuchungen und Behandlungen brach binnen weniger Tage
stammt sie aus keiner Zahnarztfamilie. Dennoch hatte sie               ein. „Wir haben in den ersten Wochen in reduzierter Beset-
diesen Berufswunsch schon Jahre vor dem Abitur und verfolg-            zung weitergemacht“, sagt die Zahnärztin. PZRs und Vorsor-
te ihn danach ganz konsequent. Von 2006                                                 geuntersuchungen wurden je nach Patien-
bis 2011 studierte sie Zahnmedizin an der                                               tenwunsch verschoben. Mit gewissem Stolz
Martin-Luther-Universität in Halle (Saale).                                             sagt die Zahnärztin, dass dennoch niemand
Bis heute ist die Händelstadt ihr bevorzug-                                             in Kurzarbeit geschickt werden musste. „Es
ter Wohnort. Ihre berufliche Heimat hat Dr.                                             war mir klar, dass für die Praxismitarbei-
Anne Behrens jedoch in der Lutherstadt Eis-                                             terinnen eine Lohnkürzung auf 60 Prozent
leben gefunden, wo sie direkt im Stadtzen-                                              ein sehr starker Einschnitt ist. Das wollte
trum eine eigene Praxis hat. Gleich nach                                                ich nach Möglichkeit niemanden zumuten.“
dem Studium war sie in der ehemals von                                                  Glücklicherweise gab es im Landkreis kaum
der Zahnärztin Monika Makowski geleite-                                                 Infektionen, und so kamen die Patienten
ten Niederlassung am Plan 1 als Assistenz-                                              auch schnell zurück in die Praxis. „Viele
ärztin tätig. „Damals fühlte ich mich noch                                              waren dankbar, dass wir nicht geschlossen
nicht bereit, eine Zahnarztpraxis zu leiten“,                                           hatten.“
sagt sie. Es folgten zwei weitere Jahre als
angestellte Zahnärztin in Halle und die                                                   „Ohne ein gutes Teamwork wäre das aber
Promotion zum Thema „In-vitro-Untersu-                                                     kaum möglich gewesen“, sagt Dr. Behrens.
chungen zur Effektivität einer Arginin-halti-                          Dr. Anne Behrens Dabei stets zur Seite stand auch ihre Pra-
gen Zahnpasta, Dentintubuli an zervikalem                                                  xis-Vorgängerin, die bis September noch für
Dentin adäquat zu verschließen“.                                       einige Stunden tätig ist und einsprang, wenn die „neue Chefin“
                                                                       verhindert war. Eine Hilfe ist auch die Assistenzärztin Isabel-
„In diesen Jahren habe ich gemerkt, was ich beruflich möch-            le Ziehe, die im März zu dem Praxis-Frauenteam stieß. Trotz
te und was nicht“, sagt Dr. Behrens: „Einerseits ist es bequem,        aller Schwierigkeiten und Herausforderungen ist Dr. Behrens
angestellt zu sein. Wenn man aber bemerkt, was man gerne               überzeugt, dass der freiberufliche Zahnarzt Zukunft hat und
verändern würde, jedoch nicht die Freiheit dazu hat, dann ist          auch für Frauen mit Familienwunsch vereinbar ist. Dafür enga-
es Zeit für eine Veränderung.“ In dieser Situation traf es sich        giert sie sich im Freien Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ)
gut, dass die Zahnärztin Monika Makowski in Eisleben eine              in Sachsen-Anhalt. Im Vorstand des größten unabhängigen
Nachfolgerin für ihre Praxis suchte. Dr. Anne Behrens war von          zahnärztlichen Landesberufsverbandes sind bereits mehr als
Beginn an bewusst, dass berufliche Selbständigkeit mehr als            die Hälfte Frauen. Angesichts der demografischen Entwick-
nur „Ponyhof“ ist: Ihre Mutter betrieb ein Kosmetikstudio und          lung und steigender weiblicher Absolventenzahlen in der
verbrachte dort so manche „Überstunde“. „Ich glaubte gut zu            Zahnmedizin werden KZV und ZÄK diesen Trend demnächst
wissen, was auf mich zukommt …“ Doch die erste Zeit nach               folgen müssen. Auch Dr. Anne Behrens ist bereit, sich zukünf-
der Praxisübernahme im März des vergangenen Jahres soll-               tig stärker in die Standespolitik einzubringen. Vorerst jedoch
te noch herausfordernder werden, als man es sich vorstellen            möchte sie sich in ihrer Freizeit um ihr erst wenige Monate
konnte. „Nur gut zwei Monate nach Einstieg in die berufliche           altes Baby kümmern. Dahinter zurücktreten müssen auch ihre
Selbständigkeit wurde ich schwanger“, sagt Dr. Behrens. Mit            Hobbys wie Literatur, Filme und Kino.                     use

                                                                 13
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  Blick auf den erhalten gebliebenen Ostflügel des Zerbster Schlosses und Reste des Corps de logis (links). Im Vordergrund zu sehen ist die Kathari-
   nen-Statue, die im Sommer 2010 eingeweiht wurde und vom Moskauer Bildhauer Michail Perejaslawez erschaffen wurde. Fotos: U. Seidenfaden

AUF DEN SPUREN                                                              Zweiten Weltkrieges und in den Jahren danach stark zerstör-
                                                                            ten Schlosses zu erhalten, zu sanieren und zu einer kulturhis-

KATHARINAS DER                                                              torischen Begegnungsstätte für Bürger aus dem In- und Aus-
                                                                            land zu machen. „Anfangs belächelte man uns“, so Herrmann.

    GROßEN
                                                                            Seit aber die Sanierung des Zerbster Schlosses vorangeht,
                                                                            wächst auch das Vertrauen bei Förderern und im Stadtrat.

                                                                            Der ehemals dreiflügelige Bau zählte früher zu den bedeu-
    Zweite Auflage der Zahn(kul)tour führte                                 tendsten Barockbauten Mitteldeutschlands. Für dessen Be-
          in diesem Jahr nach Zerbst                                        rühmtheit sorgte vor allem die russische Zarin Katharina II.,
                                                                            auch Katharina die Große genannt, die im Zerbster Schloss
Zahn(kul)tour heißt die Veranstaltungsreihe der Zahnärzte-                  einige Zeit ihrer Jugend verbrachte. Die einstige Prinzessin
kammer Sachsen-Anhalt in der Tradition der Dessauer Aben-                   Sophie Auguste Friederike war die Tochter von Christian Au-
de. Am 23. September 2020 stand bei der zweiten Auflage                     gust, Fürst von Anhalt-Zerbst, den man im Adel auch als „Fürst
in diesem Jahr – im Juni ging es nach Schierke – ein Besuch                 von Zipfel-Zerbst“ verspottete. Sophies Mutter, Johanna Elisa-
im ehemaligen Zerbster Residenzschloss der Fürsten zu An-                   beth, stammte aus dem Fürstenhaus Holstein-Gottorf. Sie war
halt-Zerbst auf den „Tour-Fahrplan“. Knapp 30 Zahnärztinnen                 verwandt mit dem schwedischen König Adolf Friedrich. Ihre
und Zahnärzte folgten der Einladung der ZÄK und ließen sich                 frühe Kindheit verbrachte die Prinzessin zunächst in Stettiner
von Dirk Herrmann, dem 54-jährigen Mitbegründer und Vor-                    Schloss, das nach dem Zweiten Weltkrieg rekonstruiert wur-
sitzenden des Fördervereines Schloss Zerbst e. V. in die wech-              de. Im neu erbauten Zerbster Schloss lebte sie nur etwas über
selvolle Geschichte des Barockbaus entführen.                               ein Jahr. Im Januar 1744, im Alter von 14 Jahren, verließ sie
                                                                            zusammen mit ihrer Mutter die Zerbster Residenz, um in ei-
Der im Jahr 2003 gegründete Förderverein hat es sich zur Auf-               ner arrangierten Moskauer Hochzeit den späteren russischen
gabe gesetzt, die Überreste des in den letzten Wochen des                   Thronfolger Peter III. zu heiraten.                                 ▶

                                                                           14
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Über das Leben der Prinzessin im Zerbster                                    Einspruch des damaligen Landeskonservators
Schloss ist nicht so viel überliefert. Erst nach um-                         zu verdanken. Bis 1989 standen allerdings kaum
fangreichen Recherchen fand der Vereinsleiter                                finanzielle Mittel für den Erhalt der Ruine zur
Dirk Herrmann, den das Schloss schon in Kinder-                              Verfügung.
tagen faszinierte, heraus, in welchen Räumen
Sophie Auguste Friederike damals lebte. Nach                                 Obwohl das Zerbster Schloss ab 1921 ein öffent-
den Bombenangriffen am 16. April 1945 stan-                                  liches Museum war, ist nur von wenigen Räu-
den vom Schloss nur noch die Grundmauern.                                    men deren Innenausstattung überliefert. Soweit
Vieles von kulturhistorischem Wert ging durch                                fotografische Belege vorliegen, versuchen die
den Krieg und bei späteren Plünderungen undo-                                Vereinsmitglieder mit Unterstützung der Stadt,
kumentiert verloren. Unwiederbringlich verlo-                                der Stiftung für Denkmalsschutz und anderer
ren sind der Westschlossflügel und das präch-                                Sponsoren die Räumlichkeiten im Ostflügel des
                                                             Dirk Herrmann
tige Hauptgebäude – das sogenannte Corps de                                  Zerbster Schlosses, mit den barocken Stuckde-
logis. Diese Teile der Schlossanlage wurden nur                              cken, Tapisserien, Kaminen und anderen Gegen-
wenige Jahre nach Kriegsende abgerissen, weil alte Fürsten-     ständen aus der Zeit des Barock für Besucher aus dem In- und
häuser nicht mehr in die politische Gedankenwelt des „neuen,    Ausland wieder zugänglich zu machen. Langfristig will der
demokratischen Deutschlands“ nach 1945 passten. Dass im         Verein auch den nördlichen Teil des östlichen Schlossflügels
Jahr 1952 der Ostflügel vom Abriss verschont wurde, ist dem     sanieren.                                               use

     Dirk Herrmann, Vorsitzender des Fördervereins Schloss Zerbst,
                 konnte knapp 30 Kollegen zur Führung begrüßen.

        Dirk Herrmann im vertiefenden Gespräch mit zn-Redakteur           Mit bedruckten Papiertapeten und aufgekauften oder nachgebauten
             Andreas Stein im Hotel & Restaurant Rephuns Garten.          Möbeln konnte ein Teil der Räume wieder erlebbar gemacht werden.

                                                                  15
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       NACHFOLGER
        GESUCHT!
        7. Teil der Serie mit der Praxis von
Dipl.-Stom. Karl-Ludwig Manger in Wernigerode

Im Januar-Heft 2020 sind die Zahnärztlichen Nachrichten mit
einer neuen Serie gestartet. Unter der Rubrik „Nachfolger ge-
sucht!“ stellen wir regelmäßig abgabewillige Zahnärztinnen
und Zahnärzte aus Sachsen-Anhalt mit ihren Praxen vor, um sie
bei der Suche nach einem Nachfolger zu unterstützen. In Teil 7
der Serie sind wir zu Gast bei Dipl.-Stom. Karl-Ludwig Manger in
Wernigerode.                                                            Die Praxis von Dipl.-Stom. Karl-Ludwig Manger. Foto: Praxis Manger

DIE LAGE
Wernigerode gehört zum Landkreis Harz, schmiegt sich an die            zu erkennen ist. Die Stadt ist als Tor zum Brocken ganzjährig
Nordostseite des gleichnamigen Mittelgebirges und ist rund 12          Ziel vieler naturliebender Touristen und bietet selbst zahlreiche
Kilometer vom Brocken, dem höchsten Berg Norddeutsch-                  Attraktionen. Neben der reizvollen Altstadt mit ihren Fachwerk-
lands, entfernt. Die Stadt liegt direkt an der Auto-                     häusern und dem Rathaus, dem Schloss samt Museum sind das
bahn 36 (Braunschweig – Bernburg). Darüber                                       Luftfahrtmuseum, der Miniaturenpark und der Wild-
sind die Städte Halle (Saale), Magdeburg                                          park Christianental zu nennen. In der Nachbarschaft
und Nordhausen in etwas über einer Stun-                                          der Praxis Manger entstehen derzeit eine Kulturkirche
de Autofahrt zu erreichen, noch schneller                                           und eine gläserne Dampfwerkstatt der Harzer Sch-
kommt man nach Braunschweig, Hannover                                                malspurbahnen (HSB). Wernigerode ist nicht nur für
und Wolfsburg in Niedersachsen. Mit einem                                           Köstlichkeiten wie Argenta-Schokolade oder Schier-
Bahnhof ist Wernigerode ans Eisenbahn-Re-                                           ker Feuerstein bekannt. Musikfreunde schätzen seine
gionalnetz angeschlossen, Züge ver-                                                            international bekannten Chöre und das
kehren regelmäßig nach Magdeburg,                                                                   Philharmonische Kammerorchester,
Goslar und Halle (Saale). Die „bunte                                                                die vom örtlichen Landesgymnasium
                                               Wernigerode
Stadt am Harz“, wie Heimatdichter                                                                    für Musik profitieren. Wirtschaftlich
Hermann Löns sie nannte, ist außerdem                                                               steht Wernigerode hervorragend
Endstation und Sitz der Harzer Schmal-                                                           da – abgesehen von Einzelhandel und
spurbahnen (HSB). Busse fahren nach Quedlin-                                       Tourismus bieten große ortsansässige Unternehmen
burg und Thale, auch in der Stadt selbst gibt es                                    wie die Hasseröder Brauerei, NEMAG und VEM so-
einen ÖPNV mit Bussen. Die Zahnarztpraxis Manger                                     wie Thyssen-Krupp und Salzgitter-AG unweit in Il-
selbst liegt im Stadtzentrum und ist fußläufig gut erreich-                          senburg sichere Arbeitsplätze. Mit der Verwaltung
bar. Patienten können ihr Auto bei Bedarf auf einem großen öf-                      des Nationalparkes Harz, der Hochschule Harz und
fentlichen Parkplatz gleich um die Ecke abstellen.                              einer Außenstelle des Robert-Koch- und des Fraunho-
                                                                              fer-Institutes ist die Stadt auch ein Wissenschaftsstand-
DER ORT                                                                ort. Die Schullandschaft. Grund- und weiterführende Schulen in
Wernigerode hat rund 32.500 Einwohner. Zur Stadt gehören die           mehreren Trägerschaften sind hier vorhanden. Das Landesmu-
Kernstadt sowie sieben Ortsteile, darunter das Tourismus- und          sikgymnasium mit seinem Rundfunk-Jugendchor ist bundesweit
Wintersportzentrum Schierke. Geprägt wird der staatlich an-            bekannt. Und die Hochschule Harz ist ein Zeichen der Entwick-
erkannte Erholungsort von seinem pulsierenden Altstadtkern             lung Wernigerodes zu einem Wissenschaftsstandort.
mit Fachwerkhäusern, viel Einzelhandel und Gastronomie, am
Ortsrand liegen Wohnviertel, zahlreiche Einkaufsmöglichkei-            DIE PRAXIS
ten und Industriegebiete. Über Wernigerode thront markant das          Die Zahnarztpraxis befindet sich seit 1992 im Obergeschoss
neugotische Wernigeröder Schloss, das schon aus der Ferne gut          der ehemaligen Kreispoliklinik für allgemeine Stomatologie      ▶

                                                                      16
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      Wernigerode. Es handelt sich um ein saniertes Fachwerkge-
      bäude. Die Praxis ist 150 Quadratmeter groß und verfügt über
      einen Rezeptions- und Wartebereich, zwei Behandlungszimmer,
      separate Räume für Röntgen und Aufbereitung sowie einen
      Aufenthaltsraum und ein Büro, in dem auch ein drittes Behand-
      lungszimmer eingerichtet werden könnte. Die Praxis ist nicht
      barrierefrei zugänglich, die Möglichkeit eines Liftbaues durch
      den Hausbesitzer wäre aber gegeben. Patienten mit sehr starker
      Gehbehinderung behandelt Zahnarzt Manger in Ausnahmefäl-
      len in den Praxisräumen seiner Kollegin Franziska Sommer, die
      eine eigene Praxis im Erdgeschoss unterhält und mit der er auch
      bei der digitalisierten Röntgentechnik eng zusammenarbeitet.
      Die Praxis Manger ist eine klassische Familienzahnarztpraxis                   Karl-Ludwig Manger in einem der beiden Behandlungszimmer
      mit Patienten von Jung bis Alt, wobei sich der 64-Jährige auf Pa-                                              seiner Wernigeröder Praxis.
      rodontologie spezialisiert hat. Das Praxisteam besteht aus drei
      erfahrenen ZFA, von denen eine derzeit eine Ausbildung zur Pra-
      xismanagerin absolviert. Zahntechnische Arbeiten liefern drei
      Partnerlabore aus Wernigerode, Halberstadt und Wolfsburg.

      WER ODER WAS WIRD GESUCHT?
      Karl-Ludwig Manger möchte seine Praxis ab dem 1.1.2022 in
      interessierte Hände abgeben und sucht dafür junge Kollegen,
      gerne auch ein Zahnarztpaar. Wenn es etwas später werde, sei
      das auch kein Problem, sagt der gebürtige Ilsenburger, der auch
      Seniorenbeauftragter seiner Kreisstelle ist. Auch eine Einarbei-
      tung oder ein zeitweiliges Mitarbeiten ist aus seiner Sicht mög-
      lich. Auch der Vermieter der Praxis hat Interesse daran, dass
      die Praxis erhalten bleibt und würde entsprechend investieren.
      Ganz in den Ruhestand geht Karl-Ludwig Manger eh noch nicht,
      denn wenn er gebraucht wird, ist er immer da, für Kollegen, drei
      Seniorenheime, die er seit vielen Jahren betreut, und die evan-
      gelische Gemeinde, für die er in die Synode des Kirchenkreises
      Halberstadt-Wernigerode gewählt wurde. Und ein bischen Sport
      darf es auch sein, sagt der passionierte Skilangläufer.

                                                                               Das Wartezimmer der Praxis. Das Anbringen eines Liftes durch den
                                                                                   Hausbesitzer wäre eine Option, ebenso eine Praxiserweiterung.
      DER KONTAKT
      Dipl. Stom. Karl-Ludwig Manger
      Burgstraße 46
      38855 Wernigerode
      Tel. 03943 / 63 21 38
      dsmanger@mein-hauszahnarzt.de

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Nachrichten vor! Melden Sie sich per Mail unter
stein@zahnaerztekammer-sah.de oder per Telefon
unter 0391 73939-22.

                                                                         17
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