Inkarnationshilfe Erziehung als Kunst - Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Sommer 2012 Die Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz Herausgegeben von der Arbeits- gemeinschaft der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz www.schulkreis.ch Erziehung als Kunst www.steinerschule.ch Inkarnationshilfe Schulkreis 2/12 1
Sanfte Medizin, Bankgeschäfte ohne Gier, Naturkosmetika, Inhalt kreative Schulen: Die Anthroposophie ist in Basel präsent Erziehung als Kunst Jörg Undeutsch Das grosse Netzwerk Rudolf Steiner-Pädagogik als «Erziehungs-Kunst» Ingrid Ott 4 Herzenswarme der Anthroposophen Massvolles Hin- und Herschwingen 8 Über die Bedeutung des Rhythmus in der anthroposophischen Pädagogik Aufmerksamkeit Lisbeth Wallmeier/Katrin Kleiber Liebe Leserin, lieber Leser Geschickte Finger – bewegliche Gedanken 8 Betrachtungen über den Handarbeitsunterricht an einer Was ist wichtig an der Schule? Dass sie Kindern die «Kulturtechniken» Das Goetheanum, das Zen- Die Region Basel ist das Kernland der anthro- die Anthroposophen in der beibringt, dass Kinder lernen, zu lesen, zu schreiben und zu rechnen? Rudolf Steiner Schule trum der Anthroposophie, posophischen Bewegung für Mensch, Geist und Region Basel sind, zeigt die Dass sie in die Welt der Wissenschaften einführt, in Biologie, Physik, steht auf einem historischen Natur. Der Einfluss vieler Institutionen und Tatsache, dass niemand sich Robert Thomas Chemie? Dass sie die Kinder und Jugendlichen mit dem Wissensschatz Hügel: Hier fand 1499 die Stiftungen hat sich in der Region verstärkt. störte, dass eine Anthroposo- Vertrauen, Fantasie und Mut 9 unserer Zeit vertraut macht, ihnen «Allgemeinbildung» vermittelt? Ja, blutige Schlacht von Dornach phin Basel mitregierte. Zu die- Die Rudolf Steiner Schulen der Schweiz in der Zukunft natürlich – und: nein. Das rein Technische des Rechnens überlassen mit rund 4000 Toten statt. Vielleicht war sollen gleich gefördert werden. Nach der ser Integration haben die Steiner-Schulen wir längst Taschenrechnern, Computern und Smartphones. Was wir am Monika Schneider es diese Erinnerung, dass Rudolf Steiner Finanz- und Wirtschaftskrise sind auch und in geringerem Masse Heilmittel der Rechnen lernen, ist eine bestimmte Art logischen Denkens. Und Ge- Indentitätsentwicklung in der Adoleszenz 10 (1861–1925), Begründer der spirituellen Steiners Erklärungen zum Finanzwesen anthroposophischen Medizin beigetra- schichte ist nicht vor allem Allgemein-Bildung, sondern hilft uns, uns Ein Spiegel der Gesellschaft im 21 Jahrhundert? anthroposophischen Weltanschauung, topaktuell: Heute wollen Bankkunden gen, die in der Öffentlichkeit schon lange selbst zu verorten im Bewusstseinsstrom der Zeit. dort anlässlich eines Aufenthalts von Risiken vermeiden und nachhaltig inve- gut bekannt sind. Sonst galten Anthropo- Peter Lüthi Elf Ausgaben lang hat sich der Schulkreis «Fächern» gewidmet, die 1912 sehr schlecht schlief. Nach dem stieren. Ethisches Banking ist gefragt. sophen vielfach als bizarre, vergeistigte Lebendige Einsicht in das Wesen des ganzen Menschen 12 (scheinbar) nicht zum «Kerngeschäft» der Schule gehören: Turnen, Eu- Aufwachen habe er sich «wie zerhack- Barbara Schneider, ehemalige Basler SP- Gestalten, die vor allem aus Dornach und Lehrerbildung oder Lehrerwerden? rythmie, Theater und Zirkus, Musik; hat sich der Schulkreis mit «Wär- tes Fleisch» gefühlt. Trotzdem liess er auf Arlesheim kommen. Henning Kullak-Ublick/rt mepädagogik» auseinander gesetzt, mit «Beziehungspädagogik» und dem «Bluthügel», wie Autor Willy Loch- Neuerdings wollen weitere Institutionen Die Waldorfpädagogik ist international 14 «Inklusion». Und jedes Mal – unter jedem dieser zunächst einmal un- mann in einem Essay schreibt, das erste Kreise ausserhalb der Anthroposophie 1000 Lehrer aus 50 Ländern treffen sich zur 9. Weltlehrertagung gewöhnlicheren Blickwinkeln – hat sich wieder gezeigt: Auch das ist Goetheanum aus Holz bauen. Am 31. ansprechen. So ist die Freie Gemein- wichtig, ist wesentlich für das Gelingen von «Schule». Dezember 1922 wurde es ein Raub der schaftsbank heute mitten in Basels In- Termine 14 Denn letztlich geht es immer um eines vor allem: «Entwicklungshilfe» Flammen, vermutlich war es eine Brand- nerstadt domiziliert. Auch die Ita-Weg- Stellenmarkt 15 muss Schule bieten, «Inkarnationshilfe», anthroposophisch gespro- stiftung. Tatsache ist, dass Dornach und mann-Klinik ging letztes Jahr neue Wege, Fortsetzung der Weiterbildung «Führung in selbstverwal- chen. Schule führt junge Menschen zu einem Erleben, einem Er- und Arlesheim heute mit dem Goetheanum als sie beim Basler Bahnhof inmitten teten Schulen» im Schuljahr 2011/12 Begreifen ihrer Selbst, zur Beheimatung in sich – und darüber hinaus das weltweite Zentrum der Anthroposo- eines weltlichen Einkaufszentrums in in der Welt, in die sie hineingeboren wurden und in der sie aus ihrem phie sind. Dort ist der Sitz der Allgemei- der Markthalle ihr neues Ambulatorium Im ersten Jahr zielten die vier Weiterbildungsseminare zur Führung selbst- Ich heraus tätig werden wollen. nen Anthroposophischen Gesellschaft, einrichtete. Ein Vorläufer dieser neuen verwalteter Schulen auf grundlegende Aspekte und «Voraussetzungen und Dabei helfen keine Programme, dabei hilft nur herzenswarme Aufmerk- die gemäss ihren Prinzipien «eine Ver- Welle war der Paracelsus-Zweig der An- Impulse» für gelingende Schulführung. In diesem Jahr stand die Analyse samkeit, die zu Wesensbegegnungen führt, wie Ueli Seiler in seinem einigung von Menschen» sein will, «die throposophischen Gesellschaft, der im von Erfahrungen und Fallbeispielen im Vordergrund und die Einladung Auftaktbeitrag geschrieben hat. Wenn wir als Lehrerinnen und Lehrer, das seelische Leben im einzelnen Men- Jahr 2000 das ehemalige Kino Scala an richtete sich an alle Kolleginnen und Kollegen, die ihre Erfahrungen und als Eltern, Grosseltern, Onkel und Tanten aus Wesenserkenntnis heraus schen und in der menschlichen Gesell- der Freien Strasse in Basel übernahm und Fähigkeiten als Konferenzleiter/in austauschen, reflektieren und erweitern Kinder und Jugendliche begleiten (oder zumindest mit dieser im Sinn) schaft auf der Grundlage einer wahren in ein Kulturzentrum verwandelte. Dort wollten. Durchgeführt wurden die Module als praxisorientierte «Meister- – dann wird Erziehung zur Kunst; dann entsteht, was Rudolf Steiner Erkenntnis der geistigen Welt pflegen werden anthroposophische Vorträge ge- kurse». Die Themen waren: Professionell kommunizieren, Prozesse souverän forderte: Erziehungs-Kunst. wollen». Mit seiner spirituellen Weltan- halten. Die Anthroposophie macht sich gestalten, Mut in der kollegialen Zusammenarbeit; Personalentwicklung. Krisen kommen sehen, verstehen und bewältigen; Die Kunst der Konferenz- In diesem Sinne grüsst Sie herzlich schauung, den Menschen in seiner Bezie- auch dadurch bemerkbar, dass ehemalige hung zum Übersinnlichen zu betrachten, Steiner-Schüler mit der Edith-Maryon- und Sitzungsleitung und ihre Klippen; Die Führungsaufgabe «Kraftquellen ist Steiner heute vielen Menschen wenig Stiftung der Spekulation mit Grund und erkennen, Kraftverschleiss vermeiden, Kräfte stärken». Besucht wurden die verständlich. Boden den Kampf angesagt haben. Die Seminare, die bewusst freitags und nicht samstags stattfanden, von 14 bis Jörg Undeutsch Handfester sind die unzähligen Instituti- Regierungsrätin wäre gerne in eine der Stiftung hat den Kauf des ehemaligen 25 Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Schulen. Sehr geschätzt onen, Vereine, Kliniken oder Schulen, die kreativen Steiner-Schulen gegangen: Volksbank-Gebäudes im Herzen Basels wurde der Ansatz, von den Erfahrungen, Sorgen und Fragen der Teilneh- Impressum anthroposophische Werte vertreten. Mit «Meine Schulzeit war nicht sehr bewe- ermöglicht. Dort sind heute ein beliebtes menden auszugehen und dann Lösungsansätze aufzusuchen. Geleitet SCHULKREIS Zeitschrift der Rudolf Steiner Schulen von: Adliswil, Avrona, Basel, Bern/ seinen Impulsen zu heute wichtigen The- gend.» Erst als junge Erwachsene ist sie Café, die Freie Gemeinschaftsbank, die wurde diese ARGE-Weiterbildung wiederum von Elisabeth Anderegg (St. Ittigen/Langnau, Biel, Birseck, Genève, Ins, Kreuzlingen, Langenthal, Lausanne, Luzern, men hat sich Steiner zumindest als Visio- Anthroposophin geworden und ist heute Redaktionen der «Tageswoche» und der Gallen), Immanuel Büttner (Birseck) und Joseph Hess (Schafisheim). Diese Münchenstein, Muttenz, Pratteln, St. Gallen, Schaan, Schaffhausen, Schafisheim, Scuol, när erwiesen. Selbst Schulmediziner set- auch Aktionärin der Naturkosmetik- und Programmzeitung domiziliert. Das Unter- Module sollen im nächsten Schuljahr zur Weiterentwicklung der Schulfüh- Solothurn, Steffisburg, Wetzikon, Wil, Winterthur und Zürich rungskultur, wiederum ein Mal im Quartal, fortgesetzt werden. Redaktion: zen heute auf eine ganzheitliche Medizin, Heilmittelfirma Weleda. Wie integriert nehmen Mitte ist heute ein belieber Treff- I. Büttner/rt – Robert Thomas, Carmenstr. 49, 8032 Zürich, die die Selbstheilungskräfte des Men- punkt in Basel. Die Stiftung Edith Mary- Tel. 044 262 25 01, Fax 044 262 25 02, rthomas@access.ch schen anregen soll. In der Landwirtschaft on hat zusammen mit dem Ehepaar Soi- Stars, étoiles, Sterne – Jörg Undeutsch, Weissenbühlweg 14, 3007 Bern, Tel. 031 312 04 52, Diese Seite stellt regelmässig die undeutsch@sunrise.ch hat schon Steiner auf eine biologisch-dy- pädagogischen und sozialen Im- ron die Altstadthäuser aus dem 13./14. Eine wunderbare dreisprachige Broschüre Abos: Marianne Thomas, Carmenstr. 49, 8032 Zürich, namische Anbauweise gesetzt, die heute pulse von R. Steiner im Ausland Jahrhundert an der St. Johanns-Vorstadt (deutsch, englisch, französisch), die dem Tel. 044 262 25 01, Fax 044 262 25 02, rthomas@access.ch ebenfalls im Trend liegt. Das Gleiche gilt vor; dieses Mal machen wir eine ebenfalls gerettet. Ein Restaurant, phi- Falten von Sternen gewidmet ist; einer Einzelabos: Inland Fr. 36.–, Ausland 30 Euro für die Naturkosmetika von Weleda, die Ausnahme: Wir bleiben in der losophische Vorträge, ein Architektur- dekorativen Anwendung der Geometrie. Produktion/inserate: PUBLIFORM Text & Gestaltung Hp. Buholzer, Postfach 630, allerdings durch eine starke Konkurrenz Schweiz und drucken einen Aus- Seminar, der Rudolf-Steiner-Verlag oder Durch klare Anleitungen wird der Leser 3550 Langnau, 079 263 14 18, info@publiform.ch bedrängt werden. Im Bereich der Schu- das Basler Kammerorchester sollen den eingeladen, aus buntem Transparentpapier eine wundervolle Vielzahl von erscheint Redaktionsschluss www.schulkreis.ch zug des Artikels von Iso Ambühl, Frühling Ende März 10. Februar www.steinerschule.ch len hat bereits Steiner betont, wie wich- der in der Zeitung «Der Sonntag» letztes Jahr eröffneten «Ackermannshof» Sternen zu kreieren, um damit besonders in der Weihnachtszeit die Fen- Sommer Ende Juni 10. Mai Auflage: 6000 Ex. tig musische Fächer für die Entwicklung (1. April 2012) publiziert wurde. (rt) zu einem weiteren Treffpunkt machen. ster schmücken. Herbst Ende September 10. August eines Kindes sind. Kopf, Herz und Hand Iso Ambühl/rt Dom Amat (La lyre d’Alizé: ISBN: 978-2-9700790-0-2) rt Winter Ende Dezember 10. November 2 Schulkreis 2/12 Schulkreis 2/12 3
Sinne – eine analoge, enthüllende, ver-wesen-tli- entwicklungspsychologischer Forschungen ein chende Reaktion im Betrachter. Wenn Erziehung Paradigmenwechsel. Pädagogische Handlungs- Kunst sein will, wird auch sie diesem Grundge- konzepte werden überdacht, da realisiert wird, stus folgen, wird sie «individuumzentriert und dass Kinder keine Belehrungspädagogik brau- entwicklungsbezogen» sein, wie Rüdiger Grimm chen. Kinder bringen mit dem ersten Atemzug in der Schulkreis-Ausgabe 3/11 über die Rudolf den Willen mit, sich selber zu bilden. Sie sind Steiner-Pädagogik schreibt, die nichts weniger motivierte Lernende, hellwach, selbstbewusst, sein will als Erziehungs-Kunst. wissend und haben einen ungeheuren Gestal- Felix Merz, Rudolf Steiner Schüler in den 60er tungs- und Lernwillen. Sie wollen die Erde, die und 70er Jahren, Gymnasiallehrer und ehema- Gesellschaft, kennen lernen, sie bewegen und liger Schulvater, schreibt in Ausgabe 1/11: «Kunst verändern. heisst für mich in diesem Zusammenhang: als Grundlage jeder verantwortlichen Erziehungstä- Lehrkraft selbst schöpferisch zu sein und nicht tigkeit ist die Anerkennung des Kindes als gei- nach vorgegebenen Schemen zu unterrichten. stige Individualität mit eigenen biographischen Das bezieht sich nicht so sehr auf den Inhalt. Motiven. Die Kindheit verläuft nach eigenen Sondern darauf, dass ein Lehrer, eine Lehrerin an Entwicklungsgesetzen, die vor fremdbestim- der Rudolf Steiner Schule sich tief auf die Schü- menden Eingriffen zu schützen ist. Erziehung lerschaft und ihre Entwicklungssituation einlässt soll zur Selbstfindung des Menschen verhelfen, – und dadurch «Ein- gebungen» hat, was jetzt, in diesem Mo- Kunst heisst für mich, dass ein Lehrer, ment für die Schüler eine Lehrerin sich tief auf die Schüler- notwendig ist. Denn schlussendlich geht es schaft und ihre Entwicklungssituation nicht darum, dass ein einlässt – und dadurch «Eingebungen» Mensch am Ende sei- hat, was jetzt, in diesem Moment für die ner Schulzeit rechnen und schreiben kann, Schüler notwendig ist. turnen und singen und was da alles noch in der Schule getrieben indem sie die Möglichkeit eines kindgemässen wird. Das kann man dann halt ein wenig bes- Selbsterfahrungsprozesses schafft. Dazu gehört ser oder schlechter. Aber: Als junger Mensch die im Sinne der Salutogenese die Erfahrung von Ge- Schule verlassen und einen Rucksack mitneh- borgenheit, Pflege, Rhythmus, Kontinuität, sowie men zu dürfen, der soweit gefüllt ist, dass der ein sinnesgesättigtes Erleben und Erschliessen Mensch in die Welt treten kann, selbstständig neuer Lebensfelder, liebevolle Konsequenz und seine Schritte gemäss seinen Fähigkeiten unter- Grenzsetzung, aber auch besonders zur Nachah- nehmen kann, das ist ein hohes Gut. Und dies, mung anregendes Handeln und Verhalten seitens so meine ich zu wissen, wurde mir von meiner des Erziehenden.» Bild: Charlotte Fischer Schule und ihren Lehrern als Geschenk mit auf den Weg gegeben.» Zauberwort «Nachahmung» «Nachahmung» ist das Zauberwort künstle- «Inkarnation» anregend begleiten rischer Erziehung in den ersten sieben Lebens- D Die Rudolf Steiner Pädagogik begreift die Kinder- jahren. «Nachahmen heisst: hereinschlüpfen, Jörg Undeutsch er Maler und Bildhauer und Jugendentwicklung als «Inkarnation»: Der sich ganz hereingeben in das Wesen der Umge- Michelangelo Buonarroti Mensch ergreift Leib und Seele von innen, macht bung, innerlich mitschwingen. Das kleine Kind (1475-1564), so steht es sie sich zu eigen und gestaltet sie zu einem ganz kann sich noch nicht distanzieren von seiner in «Wikipedia», sah «im individuellen Instrument seines Wirkens und Umgebung, es muss, ob es will oder nicht, in Rudolf Steiner-Pädagogik als «Erziehungs-Kunst» rohen Marmorblock das Werdens auf Erden. Er macht den ererbten Leib den Stimmungen mitleben. Im Mitschwingen Kunstwerk vorgeformt, es in den ersten drei mal sieben Jahren seines Le- aber bildet es sich seine Organe aus», schreibt «Individuumzentriert schlummerte als Idee bereits im Stein und musste bens zur Grundlage seiner ureigenen Biografie. Claudia Simcic in der gleichen Ausgabe über nur noch aus ihm ‚befreit‘ werden.» Sinngemäss Wie Kindertagesstätte, Kindergarten und Schu- die «Elementarpädagogik» und zitiert Rudolf soll er seine Arbeitsweise einmal so beschrieben le diesen Prozess unterstützen können, war das Steiner: «Nur die richtige physische Umgebung haben, dass er nur das Überflüssige weghaue, durchgehende Thema der Schulkreis-Schwer- wirkt auf das Kind so, dass seine physischen damit das im Stein verborgene, in den Stein ge- und entwicklungsbezogen» punktbeiträge seit Herbst 2009. Jedes «Fach», Organe sich in die richtigen Formen prägen.» bannte Wesen zur Erscheinung kommen könne: jeder Schul»stoff», alles, was in der Schule ge- Damit das Kind nachahmen könne, brauche es «Der Künstler ist nur der Geburtshelfer der Din- tan (und gelassen) wird - sei es «schulisch» im Vorbilder. Alles habe Vorbildcharakter, nicht nur ge, die zur Erscheinung drängen.» engeren Sinne, habe es eher ergänzenden Cha- wir Menschen, auch Formen, Farben, Klänge Damit ist meines Erachtens das Grundmotiv jeg- rakter - alles hat in der Rudolf Steiner Schule usw. wirkten bildend auf das kleine Kind. «Ein licher Kunst getroffen: Der Künstler macht sicht- das eine Ziel: diesen Inkarnationsprozess anre- nachahmendes Kind ist ein «träumendes» Kind, bar, bringt zur Erscheinung und hilft zu vollen- gend zu begleiten, von Anfang an – und bis in und diesem «Träumen» Raum zu geben, ist eine Von der «Wärme-Pädagogik» über Beziehungs-, Erlebnis- und Inklusionspädagogik bis hin zu den, was in dem von ihm bearbeiteten Stoff an die Oberstufe hinein. der wichtigen Aufgaben im ersten Jahrsiebt.» Theater, Zirkus, Eurythmie und Sport: In den vergangenen elf Ausgaben hat der Schulkreis von Seelischem, Geistigem, an Wesenhaftem veran- In ihrem Beitrag zur «Elementarpädagogik» Das zweite Element neben der Nachahmung, sehr verschiedenen Seiten her auf das «Kerngeschäft» der Schule geblickt. Durch alle Schwer- lagt ist. Oder er provoziert – eher im Beuysschen schrieb Bettine Mehrtens Moerman in Ausgabe die zweite grosse Inkarnationshilfe in den er- punktbeiträge zog sich ein Motiv: «Künstlerisch muss aller Unterricht beschaffen sein» (Rudolf 3/10: «Mit dem Aufbruch ins 21. Jahrhundert sten sieben Lebensjahren, ist neben Rhythmus: Steiner), Waldorf-Pädagogik will «Erziehungs-Kunst» sein, von Anfang an – und bis zum Schluss. Jörg Undeutsch ist Vater von sechs Kindern, Waldorflehrer, vollzieht sich, in Folge der Erkenntnisse aus Neu- die Bewegung; Bewegung, die innere Sinne rei- An dem das Individuum sich zur Freiheit hindurchgerungen hat. Jörg Undeutsch fasst zusammen. Heimleiter und Schulkreis-Redaktor. Er lebt in Bern. rowissenschaften, der Bildungsforschung und fen lässt, Sinne, die den Menschen in seinem 4 Schulkreis 2/12 Schulkreis 2/12 5
es, sein Ich zu finden – Das Curriculum ist entwicklungsbezogen. Un- Konsequent das einzelne Kind in den Mittel- lichen. In Zwiesprache mit ihm – und nichts und frei zu sein, um ter psychologischen Gesichtspunkten berück- punkt der Betrachtung zu stellen, alles Normie- sonst – wächst das Kunstwerk: reift der junge das Ich des anderen sichtigt es die Lerndispositionen der jeweiligen rende hinter sich zu lassen, das zur Erscheinung Mensch in den Glanz seiner eigenen Freiheit hi- wahrzunehmen. Jede kindlichen Lebensaltersentwicklung. Pädago- kommen zu lassen und dem zur Vollendung zu nein. Dabei mag ein «Lehrplan» hilfreich sein. Zirkustätigkeit fördert gisch gesehen bezieht es seine Inhalte nicht verhelfen, was in ihm an Seelischem, Geistigem, Nicht aber, indem ich ihn anwende und umsetze das Selbstvertrauen primär von gesellschaftlichen oder wirtschaft- an Wesenhaftem, an Individuellem wirksam ist – sondern indem er meinen Blick «belehrt», mich und das Vertrauen lichen Bedingungen, sondern aus der biogra- – das ist künstlerische Pädagogik, Pädagogik aufmerksam macht auf die feinen, fast verbor- in den anderen. Das phischen Relevanz des Erlebens des Kindes als Kunst. Was es dazu braucht, beschrieb Ueli genen Seelenregungen meines Gegenübers. Das Kind lernt, dass man und Jugendlichen.» Seiler im Auftaktbeitrag zu der kleinen Artikel- Kind braucht (Seelen-)Nahrung, der Jugendliche das Gleichgewicht Von Anfang an lag dieser «inklusive» Ansatz Serie, die der Schulkreis mit diesem Beitrag ab- einen Partner, an dem er sich reiben kann, um verlassen muss, um im Zentrum der Rudolf Steiner Schule. Über de- schliesst, einem Beitrag über «Wärmepädago- sich an ihm selbst zu erziehen. Sich diesem Pro- vorwärts zu kommen. ren Entstehungsbedingungen in Stuttgart 1919 gik»: «Aufmerksamkeit ist die Grundlage einer zess zu stellen, ist die Aufgabe von Lehrer und Es entwickelt das Ver- schrieb Albert Schmelzer in Ausgabe 1/11: «Als Wärmepädagogik. Aufmerksamkeit der Welt Lehrerinnen, die Erziehung als Kunst begreifen trauen, jederzeit sein «freie Schule» mit relativer Unabhängigkeit von gegenüber, Aufmerksamkeit dem Mitmenschen – nicht, um dem Stoff ihren Willen, ihre Ideen Gleichgewicht fin- staatlichen Richtlinien in Bezug auf Lehrplan und gegenüber. Mit der den zu können, sei es Lehrerauswahl machte sie ernst mit dem Ge- augenblicklichen Auf- auch noch so anstren- danken eines sich selbst verwaltenden Geistes- merksamkeit nehmen Konsequent das einzelne Kind in den gend.» lebens. Als Schule vor allem für die Kinder der wir das Wesenhafte – Den Leib ergreifen, Angestellten und Arbeiter von Waldorf-Astoria etwa eines blühenden Mittelpunkt der Betrachtung zu stel- den Leib verwandeln überbrückte sie den Abgrund zwischen den so- Kirschbaumes, eines len, alles Normierende hinter sich zu – dieses Grundmo- zialen Klassen und sorgte für Chancengleichheit Sonnenuntergangs, lassen, das zur Erscheinung kommen tiv der ersten sieben – auch durch die damals keineswegs übliche Ko- eines Kindes – wahr. Lebensjahre wird in edukation von Jungen und Mädchen.» Erst durch innerste zu lassen, was in ihm an Wesenhaftem, den zweiten sieben Um wirklich inklusiv zu werden, müsse das in der Wesensbegegnung, an Individuellem wirksam ist – das ist Jahren, in der Schu- Rudolf Steiner Pädagogik Vorgedachte aber ganz die eben nur durch künstlerische Pädagogik. Körper verankern, beheimaten. Christian Breme Mensch werden, der allen auftauchenden Nei- le, ins Seelische hinein fortgesetzt. Noch einmal konsequent zu Ende gedacht (und empfunden) geistige und seelische Bild: Charlotte Fischer und Joseph Aschwanden gaben kleinen Kindern gungen und Begierden gleich folgen muss.» Christian Breme und Joseph Aschwanden: «Es werden, schliesst Rüdiger Grimm seinen Bei- Wärme entsteht, kann im Schulkreis 4/09 in ihrem Beitrag über «Be- Der Gleichgewichtssinn stärkt die Souveränität ist die Zeit des seelischen Erwachens. An den Er- trag über «Inklusionspädagogik», es gelte, «das die Grundlage zu einer integrierenden Pädago- einzuverleiben, sondern ihn unter ihrer wahrneh- ziehungspädagogik» ein «Handbuch» mit auf der Seele gegenüber dem Leib. Auch das ist zählungen der Märchen, der Legenden und Sa- «zwei-Gruppen-Denken» zu überwinden, das die gik gelegt werden. So einfach ist es! So schwer mend tätigen Begleitung zu sich selbst hin reifen den Weg – mit folgenden vier Empfehlungen: eine Grundbedingung des sozialen Lebens.» gen bilden und verfeinern sich die Begriffe für Welt in «Behinderte» und «Nicht-Behinderte» zu erfüllen ebenfalls.» zu lassen: zu Selbst-Bewusstsein, Selbstwertge- 1. «Versuche als Erstes deinen Leib zu ergrei- das Menschsein, für das Mann- und Frausein, für teilen will, anstatt in Menschen unterschied- Denn immer geht es darum: Mich nicht von fühl und Selbstverwirklichung, hier und heute. Bewegungsdrang Richtung geben das, was wir Liebe, Treue, Geduld, Verzicht, Eigen- licher Fähigkeiten und Begrenzungen, die ihren Vorstellungen leiten zu lassen, mein «Wissen» fen, in ihm zu wohnen. Versuche, dich selbst in einem dich ganz umfassenden liebevollen «Liebevolle Autorität» und künstlerisches Tun im sucht, Eitelkeit, Zuwendung, Abneigung nennen. je eigenen Beitrag für das eigene Leben und das an der Garderobe abzugeben – und mich ein- «Gespräch» mit der Umgebung zu empfinden. engeren Sinne der herkömmlichen Künste sind Es entwickeln sich daran Gefühlsurteile, ja fast soziale Miteinander erbringen.» zulassen auf die Begegnung mit dem Wesent- Das kannst du am Besten in der Berührung mit die Zauberworte für die zweiten sieben, die ei- ästhetische Urteile. Dem einen strahlt Anerken- der Mutter!» Liebe erfährt der Mensch zuerst gentlichen Grund-Schuljahre. Daneben gilt es, nung entgegen: So möchte ich auch werden, über die Haut, durch den Tastsinn. Da kann er dem Bewegungsdrang Richtung zu geben, das das andere wird mit Widerwillen abgelehnt. Eine leiblich eine Verbundenheit mit der Welt er- freie sich bewegen Lassen zu einem bewussteren bildhafte Psychologie entwickelt sich. Zugleich leben, die später einmal als seelische Liebe- Üben zu verdichten, zum Beispiel im Sportunter- eine Moralität. Es folgt mit der Pubertät die Zeit fähigkeit und Verantwortung in Beziehungen richt. Benz Schaffner in Ausgabe 1/12: «Das Kind der Visionsbildung, des ersten, ahnungshaften zu den Mitmenschen erscheinen wird. lernt seine Physis durch die Bewegung kennen. biografischen Entwurfes.» Es kann erfahren, wie durch beharrliches Üben Rudolf Steiner Schulen wollen «Entwicklungshil- 2. «Versuche dich in dir wohl zu fühlen und das etwas erreicht wird. Durch das Wiederholen fe» leisten, nichts eintrichtern, haben keine Er- in dir auftauchende Unwohlsein zu ertragen. eines Bewegungsablaufs erlebt das Kind mehr ziehungsziele ausser diesem einen: den jungen Versuche dich ganz zu spüren, denn diese Sicherheit, es wird in der Sache selbständig. Menschen zu sich selbst zu führen und ihm We- Wahrnehmung gibt dir Heimat im Leib. Das ist Durch die Bewegung erfahre ich sehr viel über sensbegegnungen zu erschliessen mit der Welt, ein Gefühl, das du später als seelische Selb- mich, als ganzer Mensch. Das Ergreifen meiner in der er wirksam werden möchte. Das ist eine ständigkeit wieder finden wirst. Du wirst in selbst in meinem Körper wird in diesem Unter- im Kern nicht-selektive Pädagogik, in der «Inklu- dir ruhen können. Das ist eine Ausgangslage, richt zum Wichtigsten. Ich muss in den verschie- sion» – ein sehr aktuelles Stichwort der pädago- ohne die soziale Beziehungen nicht in Freiheit densten Situationen lernen, mit mir umzugehen. gischen Debatte – selbstverständlich sein sollte. begründet werden können.» Wir dürfen von Im Turnunterricht kann sich das Ich mit seinem Rüdiger Grimm fast in Ausgabe 3/11 zusammen, der Entfaltung und Entwicklung eines gesun- Leib verbinden. Dieses «Versuchen», egal wie es weshalb Rudolf Steiner Schulen «für inklusive den Lebenssinnes sprechen. vorerst gelingt, ist für den Turnlehrer das Wert- Prozesse hervorragend geeignet» sind: 3. «Versuche deinen Bewegungssinn durch Tan- vollste. Er hilft mit und schenkt den Schülern – «Rudolf Steiner-Schulen sind Einheitsschulen. zen und Springen, Klettern und Schaukeln zu (Selbst-)Vertrauen.» Sie verweisen auf ein Verständnis gemein- entwickeln. Gelingt dir das, so wirst du spä- In die gleiche Richtung zielt Sabine Schuster in samen Lernens ohne normierende und segre- ter eine Beweglichkeit und Geschmeidigkeit ihrem Beitrag über Theaterpädagogik (in Aus- gierende Ausleseverfahren. in der Gestaltung von Beziehungen zeigen gabe 2/11): Auf einer Tonne oder der Gleich- können, weil du ein innerlich reger Mensch gewichtskugel laufen, auf einem Einrad fahren – Der Unterricht ist handlungs- und erfahrungs- werden wirst.» - «alle diese Tätigkeiten fordern von jedem Kind bezogen. Er verläuft vom Tun zum Begreifen ein individuelles Üben. Das Kind muss stunden- zum Können, vom Bild zum Begriff, vom Ver- 4. «Versuche einen Gleichgewichtssinn zu ent- stehen zum Handeln und zum Aufbau von Er- wickeln. Balanciere über Mauern und Baum- lang die gleichen Bewegungen wiederholen, um schliesslich die Geräte zu beherrschen und fahrung und Lebenstüchtigkeit. In seinen viel- Bild: Charlotte Fischer stämme. Es wird dich später seelisch im fältigen und komplexen Möglichkeiten kann Gleichgewicht halten. Du wirst als ein Ich zu einer Freiheit in der Bewegung zu kommen, die von einem ruhenden Zentrum ausgeht. Sich methodologisch für alle Kinder der richtige der Meister sein in deinem Leib und nicht ein Ansatzpunkt gewonnen werden. zentrieren, das eigene Zentrum zu finden erlaubt 6 Schulkreis 2/12 Schulkreis 2/12 7
Über die Bedeutung des Rhythmus in der anthroposophischen Pädagogik Die Rudolf Steiner Schulen der Schweiz in der Zukunft! Massvolles Hin- und Herschwingen Vertrauen, Fantasie und Mut Was bedeutet es nun, im Rhythmus zu sein? Als Das Fremdwörterlexikon bietet ei- daraus ergebenden Konsequenzen: Atemlo- Diese Fragestellung ist nachvollziehbar und le- Wie sieht aus der Sicht der Koor- verlangt nach neuen, auch spirituellen Werten, nicht näher umschriebener Ausspruch klingt «im nige hilfreiche Erklärungen, um das sigkeit, Schlafmangel oder unrhythmische Es- gitim, kann aber nicht beantwortet werden. Wie dinationsstelle der Rudolf Steiner die es unserer Gesellschaft erlauben, die einsei- Rhythmus sein» zuerst einmal positiv, einladend, Wort «R hythmus » besser zu ver- senszeiten gefährden unsere körperliche und die Welt in zehn oder fünfzehn Jahren aussehen Schulen in der Schweiz die Zukunft tige Ökonomisierung zu überwinden durch die gesund, Kräfte sparend. Eigentlich müssten wir stehen. «Rhythmus» leitet sich vom seelische Gesundheit. Der Erwachsene hat die wird, weiss sicher niemand. Prognosen sind oft dieser Schulen und deren Pädagogik Weiterentwicklung von humanistisch, nachhal- griechischen Tätigkeitswort «flies- aus? Was kann man heute dazu sa- nur im Rhythmus sein und alles würde leichter Möglichkeit, einiges zu individualisieren oder sehr einseitig und lebensfremd. «Denn es kann tig und solidarisch geprägten Lebensmodellen. sen » ab und bedeutet G leichmass, gen und feststellen? Wie sollte sich gehen. Wer oder was stört uns dabei? Wir ken- gleichmässig gegliederte Bewegung, auszugleichen. Dauerhaft herauslösen aus dem zum Beispiel sein, dass man durch die beson- diese Pädagogik in nächster Zukunft In diesem Sinn könnte die anthroposophische nen über die oben genannten Beispiele hinaus periodisch wiederkehrender Wechsel, Bedürfnis des Lebendigen nach Rhythmus kann dere Art von Lehrerschaft und Kinderschaft, die entwickeln? Pädagogik erneut zu einem wichtigen Impuls- noch viele andere Polaritäten, zwischen denen regelmässige Wiederkehr natürlicher er sich aber nicht. Er wird unweigerlich Schaden man, sagen wir, im Jahre 1920 vor sich hat, ganz geber für die Zukunft werden.» Wie schaffen rhythmische Bewegung im Idealfall stattfindet: Vorgänge wie etwa Ebbe und Flut. nehmen. Rhythmus wirkt heilend und wird dem- anders vorgehen muss als bei der Lehrerschaft Schule die Bedürfnisse der Kinder, der Jugend- wir es, erneut Impulsgeber zu werden? Kreati- Geburt und Tod, Einatmen und Ausatmen, Be- R hythmus ist aber eigentlich die entsprechend auch therapeutisch eingesetzt. und Schülerschaft, die man im Jahre 1924 vor lichen, der Eltern und der Lehrkräfte spiegelt und vität, Erneuerungsprozesse, Durchsetzungskraft wegung und Ruhe, Wachen und Schlafen oder Bewegung, die zwischen Polaritäten Das Kind ist – je jünger, desto mehr – vollkom- sich hat. » (Rudolf Steiner in Oxford, 1922, GA wenn danach immer wieder gefragt und gesucht sind gefragt. Die Kommunikation zwischen «Im- stattfindet. Also weniger der eine Wärme und Kälte. men abhängig vom gesunden Empfinden der 305). Diese Aussage zeigt eindeutig, dass Speku- wird, dann entsteht eine Lerngemeinschaft, die pulsgeber» und der heutigen Gesellschaft muss oder andere Zustand am Ende der Bewegung, sondern der Weg dazwi- verantwortlichen erwachsenen Person für den lationen zu nichts führen. Soziale Entwicklungen dasjenige generiert, was die Waldorfpädagogik sich wandeln, viel mehr auf Dialog setzen, um Schlaf- und Atemrhythmus lebenserhaltenden, heilmachenden, Kräfte auf- sind Resultate von individuellen Wechselwir- braucht: Vertrauen, Fantasie und Mut. Eltern fruchtbar zu werden. schen. Das Dynamische, der Wechsel, Rudolf Steiner gab im November 1918 den ers- das sich Verändernde, sich Bildende bauenden Rhythmus des Lebendigen. Erschüt- kungen zwischen Menschen in einer ganz be- fühlen sich angesprochen, SchülerInnen fühlen ten Lehrern der neu gegründeten Waldorfschule und Vergehende. ternde Berichte über die Konsequenzen des Ent- stimmten Zeit. Die Steinerschulen 2024 werden sich ernst genommen und haben Freude am Ler- Auf den Punkt gebracht in Stuttgart sein Werk «Allgemeine Menschen- zugs dieser lebenswichtigen Fürsorge kennen das Ergebnis dieser Wechselwirkung sein; was nen, Lehrkräfte erleben täglich die Begeisterung Erziehungskunst, soziale, gesuchte Gemein- kunde» zur Hand. Hier fasste er zusammen, was Rudolf Steiner Schule. In unserer modernen Welt wir zur Genüge. Das Wissen um die Wichtigkeit die zivile und politische Gesellschaft zulässt, ge- des Unterrichtens. Solche Schulgemeinschaften schaften und eine aufgeklärte Zivilgesellschaft er als Grundwissen für Lehrer und Erzieherinnen wird es immer wichtiger, auf einen gesunden der Rhythmen des Lebens ist heute nicht mehr hört auch dazu. Was wir aber beschreiben kön- sind unumgänglich und stehen in der Bildungs- sind meines Erachtens die Voraussetzungen für als unabdingbar ansah. Darin wird als grundle- Rhythmus zu achten. Guter Rhythmus, das heisst selbstverständlich. Da ist manches verloren ge- nen, sind die Voraussetzungen, die erfüllt wer- landschaft Schweiz als wahre Alternative da. Das die Zukunft der Rudolf Steiner Schulen in der gende Forderung angesprochen, dass die er- massvolles Hin- und Herschwingen zwischen gangen und vieles wird neu erforscht. Im Sinne den müssen, damit diese Schulen sich entfalten konstruktive, schnelle Anpassungsvermögen der Schweiz. Eltern haben einen sicheren Instinkt ziehende Person die Aufgabe hat, dem Kind Polaritäten, verleiht uns Kraft. Wir alle kennen einer heilsamen Erziehung ist die gemeinsame und weiterentwickeln können. Ich möchte drei Schulorganisation an Probleme macht sie leben- für Gleichgewicht. Der Ruf unserer Zeit nach einen gesunden Schlaf- und Atemrhythmus zu das gute Lebensgefühl, wenn unser Schlaf- und Aufgabe aller für die Kinder verantwortlichen Voraussetzungen nennen. dig und dialogfähig; diese Form der Selbstver- Transparenz, Dialogfähigkeit und Orientierung ermöglichen. Wachrhythmus im Gleichgewicht ist. erwachsenen Personen, deren Entwicklung so waltung ist sicher zukunftsträchtig. bestimmt die Zukunft der Bildung. Waldorfpä- Auch heute noch bildet dieses Werk die wesentli- zu unterstützen, dass der dem Lebendigen in- Die Erziehungskunst wird praktiziert dagogik ist eine Pädagogik der offenen Türen, che Grundlage der Lehrerbildung im anthroposo- Bedürfnis des Lebendigen newohnende Rhythmus seine guten Kräfte ent- Wie werden die Lehrkräfte in der Lage sein, die Die zivile Gesellschaft übernimmt mehr dadurch entsteht mehr Authentizität und Aus- phischen Sinn, also im Sinn der Pädagogik einer Und wir alle kennen das Gegenteil und die sich wickeln kann. Ingrid Ott zahlreichen Anregungen von Rudolf Steiner in- Verantwortung tausch. Die Möglichkeit, als Eltern zu verfolgen, dividuell umzusetzen? Das Studium der päda- Unsere Mainstream-Gesellschaft neigt dazu, das was die Heranwachsenden erleben und mit zu gogischen und anthroposophischen Vorträge ist individuelle Denken zu unterbinden oder zu rela- gestalten, stärkt – wie längst wissenschaft- Betrachtungen über den Handarbeits-Unterricht an einer Rudolf Steiner Schule eine Fundgrube für die Entwicklung einer päda- tivieren; dieser Strom nimmt an Kraft zu. Gelingt lich nachgewiesen wurde — die Lernkraft und gogischen Grundhaltung, die das Kind und den es, das kritische und aufgeklärte Denken scho- den Schulerfolg aller SchülerInnen. Jenseits der Geschickte Finger – bewegliche Gedanken Jugendlichen stützt und fördert. Diese ethische, spirituelle und intellektuelle Haltung setzt sich nungslos und konsequent weiter zu hinterfragen, um eigene Verantwortung frei zu übernehmen? grossen Bildungsanstalten mit standardisierten Normen und Quoten ist die Waldorf- oder Ru- mit der Praxis auseinander, um die gewonnenen Emanzipierte Menschen schaffen immer die frei- dolf Steiner Schule die Schule, die auf das Leben In der Handarbeit übt das Kind koordinierte Stricken, häkeln, sticken, nähen – geführt. Sie erleben, dass durch das Auf- und Einsichten pädagogisch umzusetzen. Schüler- en Räume von Zukunftswerkstätten. Frau Dr. vorbereitet und nicht auf Ausgedachtes hinführt. feinmotorische Bewegungsabläufe ein, erfühlt muss das heute noch sein ? I n der Abnehmen von Maschen dem Gestrickten eine Innen brauchen gute und kompetente Lehrer- Yvonne Gilly, Nationalrätin, beantwortete kürz- Eine Schattenseite darf nicht verdrängt werden: die Eigenarten der verschiedenen Materialien, neueren Gehirnforschung wird den Form gegeben werden kann, dass Hülle gebil- Innen. Die Erziehungskunst als Kunst der Praxis lich die Frage (Schulkreis: Frühling 2012): Wie Die Hürde der Finanzierung wirkt immer wieder lernt Harmonien und Formen und Farben er- Sinneserfahrungen und dem eigenen det wird. verlangt viel und harte Arbeit, um wirklich frucht- beurteilen Sie den sozialen, pädagogischen Bei- hemmend auf eine Elternschaft, welche diese praktischen Tun eine grosse Bedeu- kennen. Das Begreifen der Welt durch schöpfe- Das Thema der sechsten Klasse ist das Nähen bar zu werden; ein lebenslanges, individuelles trag der Rudolf Steiner Schulen in der Schweiz?: Qualität sucht aber nicht in der Lage ist, sie zu tung für das L ernen beigemessen . rische Eigentätigkeit ist durch nichts anderes zu Diese fördern die Voraussetzung für von Puppen und Tieren. Es gilt, den Puppen ei- Lernen der Lehrkräfte wird durch das Kollegium «Ihr Wert ist unschätzbar. Die anthroposophische finanzieren; dieser Schultypus sollte wie in an- ersetzen. Fingerfertigkeit, die das Kind sich in differenziertes Sprechen und bewegli- nen «seelischen Ausdruck» zu geben oder beim der Schule ermöglicht und gefördert. Gegenwär- Pädagogik hat das öffentliche Bildungswesen deren europäischen demokratischen Ländern, der Handarbeit erwirbt, wirkt sich in seiner ge- ches Denken. Flinke Finger und flinke Tier etwas typisch Wesenhaftes sichtbar zu ma- tig und zukünftig Heranwachsende sind auf diese durch ihre Impulse mitgeprägt. Die heutige Zeit allgemein zugänglicher werden (Bildungsgut- samten Entwicklung aus. Mit jeder feinen Be- Gedanken verleihen Lebenssicherheit. chen. Das Muster der Puppe oder des Tieres wird Pädagogik angewiesen, da die schein, freie Schulwahl, Spen- wegung wird das Gehirn differenziert geformt. ausgeschnitten, die einzelnen Teile werden mit gesellschaftlichen und globa- den, Mäzenat, ...) ohne dabei Je geschickter das Kind seine Finger bewegen Sticken, Nähen und anderes mehr. Etwas Neu- kleinen Stichen zusammengenäht. Die Formen len Herausforderungen immer auf ihre Selbstbestimmung zu kann, desto lebendiger und geschmeidiger wer- es beginnt in der vierten Klasse mit dem Kreuz- werden durch Stopfen modelliert. Das erfordert komplexer werden. Die Zukunft verzichten, denn hierin liegt ihr den seine Gedanken. stich. Die Kinder müssen sich bei dieser Arbeit viel Aufmerksamkeit und Überlegung. Mit allen erwartet kreative Menschen, Erfolgsgeheimnis. räumlich zurechtfinden, im Oben und Unten, im kindlichen Gefühlskräften arbeiten die Buben die mit dem Leben selbständig Robert Thomas Willenskräfte entfalten Rechts und Links, im Hinten und Vorne. Das ist und Mädchen so an ihren Puppen oder an ih- umgehen können. Diese päda- Dieser Artikel wurde für die Schulmit- Sich nur mit einer Sache beschäftigen und dazu eine Herausforderung, da alle Kreuzstiche in der ren Tieren. gogische Kunst ist die Quelle teilung der Rudolf Steiner Schule Plat- noch stillsitzen, das fällt den Kindern heute gleichen Richtung stehen müssen. Jedes Kreuz In der siebten Klasse lernen die Kinder die Näh- tenstrasse verfasst und im Sommer der Resilienz; die Widerstands- publiziert. schwer. So wird im Handarbeitsunterricht auch wird zuerst zu Ende gestickt, bevor das nächs- maschine zu gebrauchen. Sie nähen zum Beispiel fähigkeit des Menschen wird der Durchhaltewille ausgebildet und gestärkt. te beginnt. Zudem besteht die Aufgabe darin, Topflappen, Taschen und Gegenstände, die man altersgemäss und systematisch Durch das künstlerische Gestalten und durch eine freie Form symmetrisch zu gestalten. Diese im Alltag gebrauchen kann. geübt; eine gute Schule ist der die Arbeit am Objekt wachsen Ausdauer und Arbeit macht die Kinder wach und gibt ihnen In der achten Klasse schneidern sie sich ein Lern-Ort, an dem diese Fähig- Konzentration, Genauigkeit und Phantasie. Auch Halt. Sie fördert durch das wiederholende Bilden Kleidungsstück. Eine anspruchsvolle Herausfor- keit mit Nachdruck veranlagt der Schönheitssinn wird entwickelt. Das gleich- der Überkreuzung ihre Konzentrationsfähigkeit. derung, die zugleich ein sichtbares Zeugnis der werden muss. mässige, rhythmische Arbeiten hilft Willenskräf- erworbenen Fähigkeiten bedeutet.Der Handar- te zu entfalten. Form geben, Hülle bilden beitsunterricht begleitet die Schülerinnen und Die Steinerschulen sind In den ersten drei Schuljahren lernen die Kinder Anhand des Sockenstrickens in der fünften Klas- Schüler bis in die achte Klasse. echte Lerngemeinschaften Mit freundlicher Genehmigung der Rudolf verschiedene Techniken kennen: Stricken, Häkeln, se werden die Kinder in das Dreidimensionale Lisbeth Wallmeier und Katrin Kleiber Wenn die Sozialgestalt der Steiner Nachlassverwaltung 8 Schulkreis 2/12 Schulkreis 2/12 9
Ein Spiegel der Gesellschaft im 21.Jahrhundert? Da sich im Laufe des Lebens immer neue Aufga- nem ethischen Thema, ben und Herausforderungen stellen und auch der so dass Jugendliche Identitätsentwicklung erwachsene Mensch sich weiterentwickelt, ist er lernen, ihre eigene auch immer wieder aufgerufen, seine Entschei- Position zu finden, zu dungen zu prüfen und zur Passung zu bringen. artikulieren und einer So erhält Identitätsentwicklung nicht nur eine anderen Position ge- innere Dimension sondern auch eine äussere genüber abzugrenzen. in der Adoleszenz Dimension und bezeichnet somit einen lebens- In Gruppenarbeiten langen Prozess. Die Frage «Wer bin ich» und die können Lernprozes- damit verbundene Arbeit kann je nach Entwick- se selber gesteuert, lungsgang somit eine lebenslange Baustelle dar- ergänzt, erwägt und stellen, die in einen neuen Bewusstseinszustand gestaltet werden. Frei- mündet, mit dem sich der Mensch im 21. Jahr- heit in Grenzen wird hundert identifiziert. Hier stellt sich mir wiederum so gegenüber gren- Was ist dieser neue Zeitgeist, der uns erfasst, indem er alte Autorität, Hie- die Frage: Ist es dieser heutige Zeitgeist, der uns zenloser Freiheit für rarchie in Frage stellt, Trug und Schein aufdeckt und rebellisch, jugendlich dorthin führt und sind es v.a. die Jugendlichen, die Gruppenmitglie- kritisch neue Formen im Umgang mit Geld, Politik, Spiritualität fordert? Ruft die diesen Ruf am deutlichsten hören? der einsichtig prak- dieser Zeitgeist auf, sich auf die Suche nach einer neuen Identität zu machen? tiziert. Jugendsprache – ein Mittel zur Identitätsfindung Ruft der neue Viele Ereignisse im öffentlichen Leben öffnen welche durch Interaktion zwischen Mensch geboten, damit nicht etwas, das noch nicht an Zeitgeist auch den Heckenschneider, ratzen, zugetackert, Dreh- in frappanter Weise die Augen. So musste der und Umwelt hervorgerufen werden. In dieser seinem Platz ist, beschädigt wird. erwachsenen stuhlpilot – das sind Ausdrücke heutiger Ju- deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Übergangsphase stellen sich dem Jugendlichen Menschen auf, gendlicher und erscheinen mittlerweile auch im Gutenberg zu seinen Fehlern stehen, nachdem verschiedene Aufgaben. Um sie lösen zu kön- Grenzen ausloten sich zu einer Langenscheidt Wörterbuch «Jugendsprache Hä? Plagiate eine unbequeme Wahrheit ans Tages- nen, schöpft er aus personalen sowie sozialen Jugendliche legen oft ein riskantes Verhalten an neuen Identität 2012» Eine Sprache, die sich also stetig weiter- licht brachten. Ein Doktortitel kann also nicht Ressourcen und erarbeitet sich zusätzlich neue den Tag, das Eltern oder Lehrer dazu animieren zu entwickeln? entwickelt und doch recht witzig, ja hie und da nur erworben sondern auch verloren werden, je Kompetenzen. Erfolgreich durchlebt und abge- kann zu intervenieren. Doch auch dieses Ver- auch recht einfallsreich sich präsentiert. Das in Anders ausgedrückt nachdem ob der Verfasser sich als würdig oder schlossen hat ein Jugendlicher diese Phase, wenn halten dient zur Positionierung des suchenden Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch. Hier könnte man auch unwürdig erweist. Nachdem das Volk in den er selbständig geworden ist, sich aber mit der Ichs oder eben der sich entwickelnden Identität. nur von Sprachverfremdung oder Sprachver- fragen, ob sich die arabischen Ländern Mitspracherecht, Demokra- Familie noch verbunden fühlt. Ein jugendlicher Riskantes Verhalten (sensation seeking) kann im wahrlosung zu sprechen, ginge am Thema vorbei. menschliche Gesell- tie und Gerechtigkeit fordert, wird ein Umden- Mensch, der mit 16 von zuhause auszieht, weil Bereich Ernährung, Strafe, Verschuldung auf- Vielmehr ist auch hier Sprache identitätsstiftend schaft in so etwas ken auch in der Politik deutlich und notwendig. er es nicht mehr aushält, praktiziert daher nicht treten. Jugendliche gehen Risiken ein als Mit- und klar abgrenzend gegenüber einer Erwach- wie einer adoleszen- Vertuschen, weghören, schönreden, Wahlen eine erfolgsversprechende Strategie. tel zur Selbstdarstellung oder auch als Mittel senenwelt. Ein Schmunzeln kann ich mir jedoch ten Phase befindet. manipulieren - all das passt nicht mehr zu die- Eine dieser Aufgaben besteht nun in der Ent- zur Opposition. Auch kann es den individuellen nicht verwehren, hat doch bereits Mani Matter Ich würde das auf- sem neuen Geist, der jüngst auch in Moskau die wicklung einer eigenen Identität. Ziel ist es eine Freiheitsgrad darstellen oder eine Kompensati- zu seiner Zeit mit «Löu u blöde Siech, Glünggi u grund des Vergleichs mit der jugendlichen Ado- das Herumbasteln an der Sprache identitätsstif- Menschen auf die Strassen trieb. Die Forderung eigene Lebenskohärenz, eigene Strukturen zu onshandlung sein, um schwierige Situationen zu Sürmu» nicht nur Anerkennung geerntet. Weite- leszenz, den ich hier aufgezeigt habe, bejahen. tend für Jugendliche sein kann, ist es bereits für nach Neuwahlen, Demokratie, getragen von ei- schaffen, ein Beziehungsnetz aufzubauen in meistern. Hier sind nun die Erwachsenen gefragt, re Merkmale und Potentiale der Jugendsprache Gesellschaftlich gesehen befinden wir uns in ei- die Erwachsenenwelt. Englische Wörter sind be- nem Wunsch und Bedürfnis nach menschlicher dem Anerkennung, Zugehörigkeit und gemein- Stellung zu beziehen. Tun sie das nicht, werden sind Integration von Fremdwörtern z.B. «mir gö ner Umbruchstimmung, wirtschaftlich gesehen reits «verlinkt» mit dem deutschen Wortschatz. und politischer Verantwortung wird laut geäus- same Interessen zählen. Gelingen können die- sie von den Jugendlichen nicht ernst genommen. ga shoppe» oder Verwendung von Mundart im betreten wir eine Baustelle. Alte Werte werden Risikoverhalten als ein Suchen nach einer neuen sert, neue Ideologien wollen umgesetzt werden se Bemühungen, indem der/die jugendliche Er- Obwohl es für den Erwachsenen unbequem ist, schriftlichen Bereich, begleitet von inszenierten abgelehnt, neue sind noch nicht etabliert. Die Identität ist v.a. im ökologischen Bereich erschre- und nicht Träger von erstarrten Tabus sein. wachsene seinen/ihren Körper akzeptieren lernt, diese Grenze zu spielen, ist es ein notwendiges Begrüssungsritualen. Bei diesem Herumbasteln Kommunikation über das Internet nimmt glo- ckend deutlich sichtbar. Die Gletscher schmelzen, Als Oberstufenlehrerin beobachtete ich im letz- d.h. auch Veränderungen annimmt, er/sie eine Übel, damit dort eine Auseinandersetzung ent- an Sprache gilt auch hier: Eintritt für Erwachse- bale Formen an, wir suchen neue Peergroups, der CO2-Gehalt steigt, Atomkatastrophen wer- ten Jahr viele Ähnlichkeiten zwischen der Ent- Rolle annimmt, einen Freundeskreis aufbaut, steht. Studien zeigen, dass in Familien, in de- ne strengstens verboten… die den Familienrahmen sprengen. Wir fordern den real und doch wird nur langsam etwas an wicklung des Jugendlichen und dem jetzt neu zwischen intimen und freundschaftlichen Kon- nen solche Grenzen nicht thematisiert werden, Reziprozität von Machthabern, Offenlegung von der umweltzerstörenden menschlichen Verhal- aufbrechenden gesellschaftlichen Zeitgeist, der takten unterscheidet, sich die Zukunft vorstellt in denen Alkohol und Drogenmissbrauch oder Die Rolle des Erwachsenen geheimen Machenschaften und wir wollen nicht tensweise geändert. Investment Banking ist ein auch mich berührt. hinsichtlich Beruf, Familie, Weltanschauung und Harmoniesucht herrschen, und in denen keine Angesichts dieser Abgrenzung, was durchaus in- von Strukturen kontrolliert werden, sondern sel- Spiel mit dem Risiko und ruft nach Sanktionen Die Entwicklung des Jugendlichen ist geprägt auch ein Bewusstsein über die eigenen Wün- Auseinandersetzung stattfindet, der Ablösungs- nerhalb der Identitätsentwicklung des Jugendli- ber neue menschlichere schaffen. Der Mensch statt nach staatlichen Zuschüssen. Ich denke, von Ablösung, Unsicherheit und individueller sche vergegenwärtigt. Da die Zukunftsperspek- prozess erschwert ist. chen Sinn macht, kann ein Zusammenleben mit im 21. Jahrhundert baut das WWW weiter aus, dass nicht nur Jugendliche mit Risikoverhalten Identitätsentwicklung. Der Jugendliche von heu- tive und Weltsicht noch am Entstehen ist, ist Jugendlichen in diesem Alter schwierig sein. ein weltweites Beziehungsnetz, in dem Anerken- die Grenzen ihrer Identität abtasten, sondern te spiegelt vielleicht deshalb gerade diese gesell- auch die Abgrenzung gegenüber den Eltern so Identitätsentwicklung – ein lebens- Die Jugendlichen sind so sehr mit ihrer eigenen nung oder gemeinsame Interessen ausgetauscht auch der moderne Mensch im 21. Jahrhundert. schaftliche Umbruchstimmung am deutlichsten wichtig. Ihr Urteil ist daher nicht in erster Linie langer Prozess? Identitätssuche beschäftigt, dass man mit Recht und geteilt werden. Sicherlich werden die moder- Die Frage bleibt. Schaffen wir es erwachsen zu wieder, da er sie selbst entwicklungsbedingt gefragt. Ein gesunder Jugendlicher investiert Nach James E. Marcia (1980) durchläuft der auch vom sog. Jugendegoismus spricht. Verant- nen Kommunikationsmittel noch über die «mag werden und dem Ruf des neuen Zeitgeistes zu durchmacht. Auf dieses Suchen nach einer pas- immer weniger Emotionen, Zeit und Aufwand Mensch vier Stufen der Identität. Von der über- wortung seitens der Erwachsenen abgeben an ich – mag ich nicht» Stufe hinauswachsen, doch folgen? Können erwachsen gewordene Men- senden Identität möchte ich im Folgenden näher in die Familie, da er sich ja auch nicht mehr mit nommenen Identität, in welcher ein Kind bei- eine jüngere Generation geht also gar nicht. im Kern ist doch hier ein Bedürfnis nach inter- schen den Rahmen neu definieren, der gebraucht eingehen, und dann weiter den Bogen spannen deren Werten identifiziert, dafür immer mehr in spielsweise die von Bezugspersonen vorgelebte Wo liegen dann die Aufgaben der Erwachsenen nationaler Kommunikation bereits angelegt. Alte wird, nicht nur um gesprengt zu werden, sondern zu den ihn umgebenden gesellschaftlichen Hin- eigene Freundschaften und den Aufbau von Be- Handlungsart ungefragt nachahmt oder über- und Lehrpersonen in diesem Ablösungsprozess? politische Strukturen werden brüchig, neue sind auch um als Orientierungshilfe zu dienen? Immer tergründen. ziehungen. Obwohl Jugendliche eigentlich keine nimmt, dann die diffuse Identität, in welcher Jugendliche schätzen es, wenn sie in ihren ei- noch nicht da, und doch wird der Wunsch nach mehr wird auch in religiösen Belangen ein Ruf Lust haben, den Eltern gegenüber dies zu proto- noch keine Krise stattgefunden hat und auch genen Bemühungen unterstützt werden, mehr Kohärenz, d.h. nach Passung auch mit einem nach mehr Spiritualität hörbar, der die Grenzen Identitätsentwicklung in der kollieren, verlangen sie Reziprozität und wollen noch keine eigenen Werte festgelegt worden Verantwortung übertragen bekommen und auch neuen spirituellen Weltbild bereits sichtbar. Wie der Kirchendogmatik oder Religionszugehörig- Adoleszenz auf keinen Fall kontrolliert werden. Nicht nur sind, dann die kritische Identität, in welcher der Gelegenheit erhalten, Arbeitsprozesse selber Jugendliche sich auf persönliche und soziale Res- keit nicht ungefragt akzeptiert. Als angehende Adoleszenz wird als eine Phase des Übergangs Jugendliche lösen sich von den Eltern, auch El- Jugendliche sich in Zeiten der Krise zurechtfinden zu strukturieren. In einer wertschätzenden Ge- sourcen stützen und auch bereit sind, neue Kom- Philosophie-und Religionslehrerin beschäftigen zwischen Kindheit und Erwachsenenalter be- tern lösen sich von ihren Kindern und erhalten lernt, und schliesslich die erarbeitete Identität, sprächskultur, wo jeder zu Wort kommt und sei- petenzen zu erlernen, ist auch der Erwachsene und begleiten mich diese Fragen in der Arbeit zeichnet und als solche beinhaltet sie Entwick- so mehr Zeit, ihren eigenen Interessen nachzu- in welcher der jugendliche Erwachsene Entschei- ne Meinung äussern darf, werden verschiedene hierzu aufgefordert. Es entstehen Patchworkfa- und bilden immer auch Arbeitshypothesen in lung. Veränderungen werden einerseits durch gehen. Ein neues Identitätsbewusstsein ist da dungen geprüft hat, Begründungen aufgrund ei- Standpunkte gegeneinander abgewägt. Im Un- milien, in welchen Verantwortung familienüber- meiner Forschungsarbeit mit Jugendlichen. Wachstum und Reifung hervorgerufen, ande- beiderseits am Entstehen und eigentlich noch gener Erfahrungen getroffen und Krisen erfolg- terricht macht es daher Sinn, wenn pro und con- greifend geteilt wird, Weltoffenheit hinsichtlich Monika Schneider (Mutter, Wissenschaftlerin, Oberstufen- rerseits sind sie Ergebnisse von Lernvorgängen, eine Baustelle. Das heisst grösste Vorsicht ist reich bewältigt hat. tra Diskussionen ermöglicht werden z.B. zu ei- religiöser Toleranz und Partnerschaften. So wie lehrerin, Mitglied des Berufsverbandes Lehrer Bern) 10 Schulkreis 2/12 Schulkreis 2/12 11
Sie können auch lesen