ZEITUNG ZUM 25. JUBILÄUM DES LITERATURHAUSES KÖLN
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ZEITUNG ZUM 25. JUBILÄUM DES LITERATURHAUSES KÖLN 25 Jahre Literaturvermittlung: Von der Gründungsversammlung bis ins Haus Bachem Wegbegleiter, Freunde und Förderer des Literaturhauses erinnern sich Ein Vierteljahrhundert Geschichten: Martini und Umberto Eco, Köln am Meer, Heinrich Böll in Quarantäne u.v.m.
2 25 JAHRE LITERATURHAUS KÖLN Grußwort Editorial Schon lange ist das Literaturhaus Köln D as Literaturhaus Köln wird 25. Eine Den Vorsitz des Vorstandes übergibt Ul- nicht mehr nur der Veranstaltungsort für stolze Zahl – vor allem wenn wir sie über- rich Wackerhagen am 7. Februar 2021 qualitätsvolle Lesungen, als der es einmal setzen: in die Anzahl der Gäste, die auf in die Hände von Wolfgang Schmitz. gestartet ist. In den 25 Jahren, die seit sei- die Literaturhaus-Bühnen getreten sind Wir danken Ulrich Wackerhagen für ein ner Gründung vergangen sind, hat es ein (3278), in die der Bücher, die wir vorstel- Vierteljahrhundert Engagement für das unverwechselbares Profil entwickelt, das len konnten (gut 4500), auf die Gesprä- Kölner Literaturhaus! Und wir wünschen es zu den herausragenden Kultureinrich- che, die wir geführt und angeregt haben Wolfgang Schmitz alles Gute und freuen tungen des Landes macht. Heute ist es das (unzählige). Und wenn wir das große uns auf die Zusammenarbeit. Zentrum einer lebendigen literarischen Engagement vieler Menschen betrachten, Um sie geht es und ohne sie geht es nicht: Szene in Köln und der Region; es ist ein die das Literaturhaus ermöglicht haben Wir danken allen Autor*innen, Mo- Ort, an dem sich etablierte Autorinnen und es begleiten, fördern, betreuen, besu- derator*innen, Übersetzer*innen, Spre- und Autoren und solche am Beginn ihrer chen und seine Arbeit beflügeln. cher*innen, Zeichner*innen und Gästen Karriere die Klinke in die Hand geben, Dieses Magazin haben wir erdacht, weil auf unserer Bühne. und es ist auch ein Treffpunkt für Men- wir im Februar 2021 – 25 Jahre nachdem Stellvertretend für jene, die im Litera- schen aus anderen Ländern und mit an- der Literaturhaus Köln e.V. am 5. Febru- turhaus über die Jahre gearbeitet haben, derer Muttersprache, die sich hier über ar 1996 gegründet wurde – nicht feiern möchten wir Anke Windel, Thomas ihr Schreiben austauschen können. Das können. Die Gründe sind klar: Corona Böhm und Dr. Insa Wilke nennen: Sie Literaturhaus wird getragen von einem unterbindet die für uns übliche Form haben ungezählte Ideen und Programme interessierten und begeisterten Publi- der Literaturvermittlung in Live-Veran- erdacht, sind für das Literaturhaus sicht- kum, einer großen Zahl treuer Freunde staltungen. Vor allem aber bringt Corona bar geworden und haben sich so manche und Förderer und einem engagierten und vielen Menschen Sorge – gesundheitliche, Nacht für die Literatur um die Ohren ge- hochmotivierten Team, das immer wie- materielle oder die um andere Menschen. schlagen. der neue Wege geht, um gute Texte zu Kein guter Zeitpunkt zum Feiern also. Dank gilt der Stadt Köln, die sich 2001 vermitteln und schreibende und lesende Dennoch der Zeitpunkt, großen Dank zu einer institutionellen Förderung des Menschen zusammenzubringen. Diese auszusprechen. Literaturhauses entschloss und seither gelungene Mischung unterschiedlicher Was Sie auf den nächsten Seiten finden: nicht davon abgewichen ist. Dank gilt Formate und Angebote zeichnet das Lite- Wir haben uns Texte zu wichtigen Aspek- dem Land Nordrhein-Westfalen, das das raturhaus aus und lässt auch für die Zu- ten der Literaturhaus-Arbeit gewünscht, Literaturhaus mit einem Personalkosten- kunft viel Gutes erwarten. Ich gratuliere Gespräche geführt und Menschen über zuschuss unterstützt. herzlich zum Geburtstag! ihr Verhältnis zum Lesen befragt. Vom Danken möchten wir auch der REWE Bilderrätsel fürs Junge Literaturhaus Group, die dieses Magazin unterstützt. ISABEL PFEIFFER-POENSGEN übers Glückwunschtelegramm bis zum Ministerin für Kultur und Wissenschaft Praktikumszeugnis spannt sich der Bo- Wir freuen uns auf das nächste Viertel- des Landes Nordrhein-Westfalen gen. Wir haben in alten Unterlagen ge- jahrhundert Literaturvermittlung! wühlt und Fotos und Gästebucheinträge zutage gefördert und hoffen, Sie haben Ihre Freude an dem, was – unter anderem – Bettina Fischer, Ines Dettmann, das Literaturhaus Köln ausmacht. Sonja Herrmann, Clementine Krell 25 Jahre Literaturhaus sind auch 25 Jahre und Ulrike Schulte-Richtering Freundschaft, Förderung und Koopera- tion. Danken möchten wir unseren Mit- gliedern, die uns begleiten und stützen. Danken möchten wir denjenigen, die als Vorsitzende des Vorstandes – gemein- sam mit den Vorstandskolleg*innen – den Rahmen für den Verein schaffen: In den ersten Jahren war dies Dr. Reinhold Neven DuMont, gefolgt von Prof. Dr. Gottfried Honnefelder und seit 2008 Dr. Ulrich Wackerhagen. Bei der Sichtung des Materials aus 25 Jahren Literaturhaus haben wir uns noch mal die riesengroße Arbeit (zahllose Aktenordner!) vor Au- gen geführt, die hier geleistet wurde. An- fänglich von einem Programmbeirat, spä- ter vom Kuratorium des Literaturhauses GÄSTEBUCH: unterstützt. Carlos Fuentes 17.05.2000 Das Literaturhaus in Köln // Hat keine Steine: Buchstaben / Hat keinen Mörtel: Wörter / Hat keine Wände: Stimmen / Hat keine Dächer: Träume / Danke, dass Sie mich aufgenommen haben 5.2.1996 1996 Gründung Literaturhaus Köln e.V. Erstmals: Atlas der neuen Poesie (Lyrikfestival)
25 JAHRE LITERATURHAUS KÖLN 3 Lesen ist ... für mich Im Herzen von Köln Das Wesen der Literatur ist nomadisch. die so manch andere Kultureinrichtung ... die aktuell beste Möglichkeit, meine Rolf Dieter Brinkmann wanderte nachts der Stadt in ihrer Arbeit lähmt. Und mit durch die Straßen von Köln und sprach dem sich stetig beschleunigenden Puls Gehirnfasern mit denen einer ande- seinen Zorn über die bauliche und geis- unserer Gegenwart, unter dem Einfluss tige Enge der Stadt in ein Tonbandgerät. der Brüche und Verwerfungen der letz- ren Person zu verbinden. Bis wir Tele- Sein Werk spiegelt den Widerspruch zwi- schen den Zwängen bürgerlicher Sess- ten zwei Jahrzehnte, die vielleicht den Beginn einer neuen kulturellen Epoche pathie erfinden, muss das reichen. haftigkeit und deren Verweigerung, und diese Dichotomie, die zur künstlerischen markieren, werden auch die Amplituden der Herz- und Schwingungsfrequenz des Tilman Strasser Produktivität beiträgt, mag exemplarisch Kölner Literaturhauses immer steiler und für die Entwicklung des Kölner Literatur- dichter: 2020 – es zeichnet sich ein Acht- hauses in den letzten 25 Jahren stehen. jahresrhythmus ab – musste es abermals Lesen stärkt Seit seiner Gründung 1996 ist das Lite- umziehen – ins Internet. Eine Vielzahl raturhaus Köln beständig in Bewegung; digitaler Projekte bewahrt das literarische die Seele Literatur entsteht aus dem Übergang und Leben Kölns derzeit vor dem Herzstill- der Veränderung, nicht willkürlich oder zufällig, sondern indem sie beharrlich stand im Zuge der allgemeinen Coronavi- rus-Agonie. Wohin die Reise des Kölner Lesen stärkt die Seele« – diese Erkennt- nis verdanken wir Voltaire. Und heute, einem übergeordneten Prinzip des Not- Literaturhauses geht, ist heute ungewisser zweihundertfünfzig Jahre später, die Fra- wendigen folgt. Weder in den ursprüngli- denn je. Doch im besten Fall formuliert ge: Warum lesen Sie? Ablenkung, Zer- chen Räumlichkeiten im MediaPark noch die Literatur ihr Ziel als den Weg, den sie streuung, Neugier, Langeweile, Abenteu- in seinem zweiten Domizil in der Schön- geht und gehen muss; Brinkmanns nächt- erlust, Bildungshunger, um die Welt und hauser Straße konnte (oder wollte?) das liche Wanderungen endeten stets dort, sich selber besser kennenzulernen? Alles Literaturhaus bleiben, und seitdem es wo sie begonnen hatten, im Haus En- ist richtig, wichtig und gut. Das haben 2014 das Haus Bachem im Zentrum der gelbertstraße Nr. 65, an dieser »kleinen, uns nicht zuletzt die vergangenen Monate Stadt bezogen hat, öffnet es sich umso kalten, windigen Ecke (...), um schlafen gelehrt, in denen wir Kontakte zu für uns konsequenter der literarischen Peripherie. zu können.« Die Wirkkraft seiner Wor- wichtigen und geliebten Menschen auf Während das im Jahr 2000, also ungefähr te aber hat die Enge der Stadt, unter der ein Minimum reduzieren mussten. Vie- zeitgleich gegründete Literaturfestival er so litt, nachhaltig gesprengt. Hätte es le haben da für sich das Buch, das Lesen lit.COLOGNE zum kommerziellen Groß- 1973, als Brinkmann seine Tonbänder be- wiederentdeckt. ereignis avancierte, zeigt das Literatur- sprach, bereits das Literaturhaus Köln ge- Das Kölner Literaturhaus hat Sie dabei haus eine erstaunliche Resilienz gegen die geben, sein Zorn, der damals noch nicht mit zahlreichen literarischen Anregun- Vereinnahmungskräfte des Mainstreams zur kanonisierten Literatur gehörte, hätte gen per Internet unterstützen können. – ohne dabei das bürgerliche Publikum dort ein Beben verursacht – im Herzen Daran dürfen Sie sich gewöhnen – das und dessen Bedürfnis nach »großen Na- von Köln. Literaturhaus wird seine digitale Präsenz men« aus dem Blick zu verlieren. Bettina weiter ausbauen und will so zu Ihrem li- Fischer und ihr engagiertes Team sorg- GUNTHER GELTINGER ist Autor. Zuletzt er- terarischen Alltagsbegleiter werden. Und ten in den letzten Jahren dafür, dass die schien von ihm Benzin, Suhrkamp 2019 Sie gleichzeitig neugierig machen auf die Kölner Literaturszene nicht nur lebendi- direkte Begegnung mit Autorinnen und ger, sondern in der Kulturlandschaft der Autoren, auf den persönlichen Austausch Stadt auch wieder sichtbarer wurde. Die mit Leserinnen und Lesern. 2019 vom Verein Literaturszene Köln ins In 25 Jahren haben viele Kölnerinnen Leben gerufene Kölner Literaturnacht bil- und Kölner »ihr« Literaturhaus schätzen det den bisherigen Höhepunkt – wer sich gelernt – Sie auch? Wenn noch nicht, las- bei diesem Festival ein Bild von der Viel- sen Sie sich anstecken vom vielfältigen fältigkeit des literarischen Lebens in Köln Programm, aber auch vom Ambiente und machen will, muss sich auf Wanderschaft der besonderen Atmosphäre, die dieses begeben, zu Veranstaltungsorten vom wunderbare Gebäude quasi als Zugabe Zentrum bis an die Stadtgrenzen. bietet. Übrigens auch, wenn Sie einen Zeichnet man die Entwicklung des Litera- schönen Ort zum Feiern suchen, Hoch- turhauses als Linie nach, gliche diese viel- zeiten eingeschlossen. leicht der Kurve eines EKGs oder einem Und wir wollen, dem Beispiel unseres Seismogramm; wie die Literatur selbst Jungen Literaturhauses folgend, noch reagiert auch das Kölner Literaturhaus häufiger als bisher Literatur in die Stadt empfindlich und empfindsam auf die Er- tragen, an Orten des Alltags erlebbar ma- fordernisse und Herausforderungen der chen. Denn, noch ein Zitat, diesmal vom Zeit, in der wir leben (und schreiben); US-Autor James Daniel: »Bücher sind anpassungsfähig, ohne angepasst zu sein, fliegende Teppiche ins Reich der Phanta- und frei von der institutionellen Trägheit, sie«. Fliegen Sie mit?! WOLFGANG SCHMITZ GÄSTEBUCH: Rafik Schami 14.12.2015 Herbst 1996 Erstmals: Lange Nacht mit dem Gastland der Frankfurter Buchmesse in Kooperation mit dem Deutschlandfunk
4 25 JAHRE LITERATURHAUS KÖLN Gespräch mit Ulrich Wackerhagen übers Anfangen und über ehrenamtliches Engagement © privat Lieber Ulrich, du bist einer der Gründer 1999 die Eröffnungsrede hielt. Damals sich für die neue Sa- kann man aber ein des Literaturhauses und engagierst dich habe ich erst erfahren, dass er gelernter che einzusetzen, das Literaturhaus nicht seit mehr als 25 Jahren für den Verein. Buchhändler war. Es hat ihm gefallen, das Neue zu realisieren, finanzieren. Die bil- Kannst du die Geschichte des Anfangs für Literaturhaus Köln im MediaPark zu er- ist etwas Großartiges. dende Kunst hat es da uns bitte nochmals kurz umreißen? öffnen. Irgendwann gehört die- oft einfacher, weil sie als Ulrich Wackerhagen: Ich kannte schon 2006 sind wir in den Kölner Süden, in das ses Neue dann wie selbst- materielle Wertanlage be- mehrere Literaturhäuser in Deutschland, Forum für Fotografie in der Schönhau- verständlich dazu. Das ist griffen wird. Die Literatur in Berlin, in Frankfurt, in Hamburg, und ser Straße umgezogen. 2014 haben wir auch gut so – aber man muss ver- ist flüchtiger. Deshalb ist der gro- mir war eigentlich nie die Frage in den das grandiose historische Gebäude Haus suchen, sich die Kreativität und die Be- ße Appell auch jetzt zum Jubiläum: Wir Sinn gekommen, warum es in Köln kei- Bachem bezogen, das einzige historische geisterung für das Neue zu bewahren. brauchen Menschen, die das Literatur- nes gibt. Diese Frage stellte mir die dama- Gebäude im Griechenmarktviertel, das Natürlich war es am Anfang einfacher, haus nachhaltig unterstützen. Schön fän- lige Kulturdezernentin Kathinka Dittrich im Krieg nicht vollständig zerstört wor- neue Mitglieder, Partner und Förderer zu de ich es, wenn wir wieder ganz große van Weringh, als wir gerade das Libera- den war. Wir haben mit den Eigentümern gewinnen. Begeisterung ist ansteckend. Veranstaltungen machen würden, um le Kulturforum im Kunsthaus Lempertz einen langen und günstigen Mietvertrag Wenn die Arbeit – auch für die Ehren- noch mehr Menschen für das Literatur- vorbereiteten. Das war im März 1995. abschließen können. Dafür sind wir nach amtlichen – Alltag und Routine geworden haus zu gewinnen. Natürlich hat die Li- Wir haben ihre Frage dann zum Anlass wie vor dankbar. Ich bin sehr froh, dass ist, muss man sich aufraffen und erneut teratur selbst nichts mit Geld zu tun, aber für eine Podiumsdiskussion genommen, wir nach langer Reise endlich in der Köl- engagieren. Und es ist uns immer wieder dennoch hat das eine mit dem anderen die von der Presse sehr positiv aufgegrif- ner Innenstadt angekommen sind, wo das gelungen, frische Ideen zu entwickeln viel zu tun: Ohne die Mittel können wir fen wurde. Literaturhaus gegründet worden ist. und Herausforderungen anzupacken. keine Literaturvermittlung machen, un- Und dann geschah wieder nichts. Da Das waren und sind die größten Heraus- Damit meine ich nicht nur unsere Orts- ser Team finanzieren und, und, und. war mir klar: Wir müssen aktiv werden forderungen: passende Gebäude für das wechsel: den MediaPark 6, das Forum für Was bedeutet dir ehrenamtliches Engage- und zunächst eine passende Rechtsform Literaturhaus zu finden und die notwen- Fotografie und den Großen Griechen- ment für die Kultur? finden. Ich bin zu einem Notar gegan- digen finanziellen Mittel aufzutreiben. markt. Das hat auch Impulse gegeben UW: Kultur ist nicht alles, aber ohne Kul- gen und habe gesagt: Wir wollen einen Was ist das Besondere an der Arbeit des und nicht zuletzt neue Partnerschaften tur ist alles nichts. Das hat mich mein gemeinnützigen Verein gründen. Mit Literaturhauses? geschaffen – ich denke da beispielhaft an ganzes Leben lang begleitet. Das ver- Reinhold Neven DuMont und Klaus Bitt- UW: Das Besondere ist natürlich nicht, die Kunstmeile Süd, die ich auf den Weg danke ich vor allem meiner Schulzeit in ner haben wir dann sehr viele Verleger, Immobilien zu finden, sondern in diesen gebracht habe. der vor 100 Jahren gegründeten Schule Schriftsteller und Kulturinteressierte ins Immobilien Literatur zu vermitteln. Es Wie blickst du auf 25 Jahre Litera- Schloss Salem, der Erziehung zur Verant- Römisch-Germanische Museum einge- gibt sehr viele Veranstaltungen, an die ich turhaus-Vorstandsarbeit? wortung, dem Wunsch, Verantwortung laden und eine Liste verteilt, in die man mich sehr gerne erinnere. Zum Beispiel UW: Ich bin sehr glücklich, dass ich so zu übernehmen, um Dinge zu gestalten sich eintragen konnte, wenn man zur Ver- mit Herta Müller, mit Siri Hustvedt oder lange für das Literaturhaus verantwort- und zu verändern. Für mich ist das – auch einsgründung eingeladen werden wollte. mit ihrem Mann Paul Auster. Das war am lich sein durfte. Dadurch hatte ich auch wenn das viele anders sehen mögen – die Ungefähr ein Jahr später, am 5. Februar, 6. Mai 2004 im Schauspiel Köln, noch am immer die Gelegenheit, Schriftstellerin- schönste politische Tätigkeit: Kulturpoli- haben wir im Belgischen Haus den Lite- Offenbachplatz. Wir mussten sogar Be- nen und Schriftsteller kennenzulernen. tiker zu sein. Und das auch schon seit raturhaus Köln e.V. gegründet. Reinhold sucher zurückweisen, und das bei mehr Es ist etwas anderes, ein Buch zu lesen, mehr als 25 Jahren. Da gehört natürlich Neven DuMont, der zunächst meinte, ein als 800 Plätzen. Ich hatte die Ehre, neben als wenn man einen Schriftsteller, eine die Literatur wie alle anderen Bereiche Literaturhaus in Köln zu gründen, kön- Siri Hustvedt zu sitzen und – was auch Schriftstellerin auf der Bühne erlebt und der Kultur dazu. ne nicht funktionieren, wurde sein erster hochspannend war – neben dem Künst- mit ihnen sprechen kann. Man hat da- Das Entscheidende ist, dass man etwas Vorsitzender und ich sein Stellvertreter. ler Gerhard Richter. Paul Auster hatte durch eine ganz andere Beziehung und findet, das einen begeistert. Ein Beruf ist Was waren in den 25 Jahren aus deiner sich gewünscht, Gerhard Richter kennen- Verbindung zu den literarischen Werken. das eine, das andere sind die Leidenschaf- Sicht die größten Herausforderungen? zulernen. Die haben nach der Veranstal- Das ist wirklich ein großes Geschenk. ten, die man entwickelt. Das kann die UW: Als wir das Literaturhaus gründeten, tung noch sehr lange in der Bar des Hotel Und das alles wegen eines Zufalls – dass eigene Familie sein, das kann der Garten gab es eine wirklich große Begeisterung. Excelsior gesessen und sich ausgetauscht. die Kulturdezernentin Kathinka Dittrich sein oder was auch immer. Theater, Lite- Das Belgische Haus war rappelvoll mit Das war ein wirklich tolles Ereignis. van Weringh mich auf das Fehlen eines ratur, das ist für mich eine enorme Ver- Menschen, die alle sagten: Endlich, end- Nach 25 Jahren kann man sich Köln Literaturhauses in Köln aufmerksam ge- wandtschaft. lich kommt ein Literaturhaus für Köln. eigentlich ohne Literaturhaus gar nicht macht hat. Am 7. Februar 2021 endet deine Amtszeit Aber wir hatten kein Haus und auch kei- mehr vorstellen. Etwa wenn im Kultur- Werfen wir einen Blick in die Zukunft. und du übergibst den Vorsitz an Wolf- ne öffentliche Förderung. Im Haushalt ausschuss jedes Jahr die Aktivitäten der Was wünschst du dem Literaturhaus? gang Schmitz. Was wünschst du ihm für der Stadt Köln war die Literaturförde- freien Szene vorgestellt werden – dann UW: Ich wünsche dem Literaturhaus wei- sein neues Amt? rung so gut wie gar nicht vorgesehen, mit stehst für die Literatur auch immer du, terhin viel Anerkennung von den Kölner UW: Ich wünsche Wolfgang Schmitz, Ausnahme etwa von Stipendien und dem liebe Bettina, Rede und Antwort. Das Li- Bürgerinnen und Bürgern, auch durch dass es ihm gemeinsam mit seinem Vor- Heinrich-Böll-Preis. Heute werden wir teraturhaus steht für die Literaturszene in die Verlage, durch die Schriftstellerinnen stand und dem Team des Literaturhauses von Stadt und Land gefördert. Wir haben Köln ein. Das zeigt, dass die Arbeit des und Schriftsteller. gelingt, immer wieder neue Impulse zu aber immer noch keine ausreichenden Hauses vielseitige Erscheinungsformen Aber eines unserer großen Probleme ist entwickeln. Ob es sich dabei um das Pro- Mittel, und das ist nach wie vor eine Her- hat. Und im Laufe der 25 Jahre sind bei nach wie vor – und ich wünsche unse- gramm handelt oder der Blick auf neue ausforderung. uns mehr als 2.500 Autorinnen und Au- rem Haus wirklich –, dass wir noch mehr Publikumsgruppen gerichtet wird: Neues Wir haben mit Veranstaltungen in ver- toren vorgestellt worden: Das ist schon Förderer bekommen. Wir brauchen mehr zu schaffen erleichtert das Vorhaben, dem schiedenen Räumlichkeiten begonnen. etwas ganz Besonderes. Förderung, nicht nur aus der öffentli- Literaturhaus für die Zukunft endlich Und dann ist es 1999 dank der Sparkasse Was hat sich deiner Wahrnehmung nach chen Hand, wobei die auch noch wach- eine noch bessere Finanzierung zu schaf- KölnBonn gelungen, Räume im Media- in 25 Jahren Literaturhaus verändert? sen könnte. Ich glaube, viele sehen unser fen. Alte Freunde und Partner zu behalten Park zu bekommen. Ich erinnere mich UW: Dem Anfang, der Gründungsphase schönes Haus und denken, dem Literatur- und neue zu finden, ist eine sehr wichtige noch wie heute daran, dass Bundesprä- wohnt natürlich immer etwas ganz Be- haus geht es gut, es hat ja guten Zuspruch. Aufgabe für jeden Vorstand. Diese För- sident Johannes Rau dort im November sonderes inne: Die Begeisterung aller, Mit den Einnahmen aus Kartenverkäufen derung sollte, ebenso wie die Vernetzung Juni 1997 Anke Windel wird Geschäftsführerin (bis 2000)
25 JAHRE LITERATURHAUS KÖLN 5 Gespräch mit Insa Wilke übers Veranstalten und Köln des Literaturhauses in alle Richtungen, Liebe Insa, du hast zwei Jahre lang das das ging, wie frei von Profilierungssucht weiterwachsen. Ich bin sehr zuversicht- Programm im Kölner Literaturhaus ver- und Konkurrenz das passierte, ganz dar- lich, dass das Literaturhaus auch in den antwortet: Was hat diese Arbeit damals für auf konzentriert, einem einzelnen Men- nächsten 25 Jahren weiterhin ein ganz dich bedeutet? schen zu helfen und gegen Ungerechtig- besonderer Ort der Ideen und Impulse Insa Wilke: Einen großen Freiraum, ein keit zu protestieren – das war prägend der Literaturvermittlung sein wird. gemeinsames Denken im Team, intensi- und steht auch für das Bild, das ich vom ve Begegnungen mit den Mitgliedern des Kölner Publikum gewonnen habe. ULRICH WACKERHAGEN ist einer der Gründer Vereins, unseren Gästen und dem Publi- Eine Anekdote, die mir erzählt wurde des Literaturhauses. Von 1996 bis 2008 war er stell- kum, eine enorme Kraftanstrengung. Es und die dazu passt: Als Kardinal Meisner vertretender Vorsitzender, von da an bis Februar waren in vielerlei Hinsicht auch Lehrjah- im Dom einmal einen Gottesdienst hielt 2021 der Vorsitzende des Vorstandes re für mich, weil wir damals eine enorm und ein Chor sang und die Besucher*in- hohe Taktung an Veranstaltungen hatten, nen nach dessen Auftritt klatschten, dreh- wie du ja weißt. Diese zwei Jahre besetzen te sich der Kardinal zu seiner Gemeinde DANK einen deutlichen Teil meines Lebens, der um, faltete die Hände und tadelte die Lieber Ulrich, Du hast Dich mehr als 25 viel umfassender ist, als es mit der Zahl Leute, dass sie geklatscht hatten. In einer Jahre für das Kölner Literaturhaus einge- der Monate benannt werden kann. Ich Kirche würde man die Hände nur zum setzt. 21 Jahre davon haben wir zusam- schaue sehr dankbar, innig und froh auf Beten aneinanderlegen. Einen Moment mengearbeitet – im Bemühen, das Litera- diese Zeit zurück. Stille und dann: tosender Applaus. Genau turhaus voranzubringen und abzusichern. Es ist wohl unbestritten, dass Literatur- so widerständig und anständig habe ich Dein Engagement war ehrenamtlich und veranstaltungen für den Literaturbetrieb die Kölner*innen kennen- und schätzen ehrenamtliche Tätigkeit ist etwas sehr Be- wichtige Funktionen erfüllen. Wie sieht für gelernt. sonderes: Sie macht Arbeit, kostet Zeit, ist dich eine gelungene Veranstaltung aus bzw. Es gibt aber auch eine andere Seite von unentgeltlich. Ich habe erlebt, dass sie Dir was sollten wir mit Veranstaltungen idea- Köln, die ich sehr in Erinnerung habe und eine innere Verpflichtung ist. Ich möchte lerweise erreichen? die mich damals verblüffte, weil mir nicht mich für Dein Engagement für das Kölner IW: Etwas Magisches. Dass plötzlich eine klar war, dass solche sozialen Hierarchien Literaturhaus im Namen aller, die für das Verbindung zwischen Publikum und und patriarchalen Muster noch existie- Literaturhaus arbeiten und gearbeitet ha- Gästen auf der Bühne entsteht. Man hat ren. Ein simples Beispiel: Als ich das erste ben, aber auch persönlich sehr bedanken! das nur bedingt in der Hand, kann aber Mal zu Alfred Neven DuMont eingeladen durch die Rahmenbedingungen wie gutes war, in sein Büro, und den langen Gang BETTINA FISCHER Licht, guten Ton, atmosphärische Bühne dorthin ging, huschten aus einer dunk- und natürlich gute Moderation und Gäste len Ecke plötzlich zwei »Dienstmädchen« die Voraussetzungen schaffen. Die hand- mit Häubchen und Schürzchen auf mich werkliche Seite der Veranstaltung wird zu und boten auf dem silbernen Tablett leider immer unterschätzt. Und für die Wasser an. Es wirkte, als würden sie da braucht es nun einmal auch das entspre- Tag und Nacht stehen, und der Gestus chende Budget, also das Engagement der der Besucherin gegenüber war klar. Man Stadt und möglichst vieler Förderer. Inso- konnte in Köln damals viel über die Be- fern hängt eine gelungene Veranstaltung deutung symbolischer Gesten für Herr- vom gemeinsamen Handeln ab, für das es schaftsmechanismen lernen. Das ist die in Köln ja eine große Begeisterung gibt. andere Seite der Karnevalshochburg, die Gibt es ein Ereignis aus deiner Kölner Zeit, aber hoffentlich mit einem Generationen- das dir besonders in Erinnerung ist? wechsel dann auch irgendwann genau das IW: Es gibt viele Situationen, an die ich wird, was sie für mich heute ist: eine Ge- mich erinnere und von denen ich auch schichte. immer wieder erzähle. Eine Erfahrung, die ich in Köln machen durfte, war die So- lidarität und die Handlungsbereitschaft, als Doğan Akhanli 2010 in Istanbul ver- haftet worden war. Das Literaturhaus hat damals mit anderen Institutionen und Privatpersonen gemeinsam eine große Veranstaltung organisiert. Wie schnell ... Vertiefung, Differenzierung. Lesen ist … ein Erkunden von Sehnsuchtsräumen. ... für mich … das Kennenlernen von anderen Perspektiven und Abtauchen in Schönheit. Kerstin Gleba Einladung zur Gründungsversammlung Juni 1999 Thomas Böhm wird Programmleiter (bis 2010)
6 25 JAHRE LITERATURHAUS KÖLN Hinter den Kulissen – Thomas Böhm und Bettina Fischer erinnern sich Am 05.01.2021 um 11:40 Am 11.01.2021 um 23:37 die Bühne verlässt, mit einem trockenen fen, zu zeigen, dass man ihn, dass man schrieb Thomas Böhm: schrieb Thomas Böhm: Martini empfangen zu werden. Ich habe sie wahrnimmt und schätzt. Wenn Au- dann während der Lesung in einer Bar tor*innen die Bühne betreten, möchten Liebe Bettina, Da würde ich doch zu gern wissen, wel- den Drink abgeholt. Er kam danach noch wir eine besondere Wärme erzeugen, die lass uns doch das Gespräch über die cher Autor Deinen Stift eingesteckt hat ... zweimal zu Lesungen zu uns. Der Service dann auch dazu verhelfen soll, dass Ge- Arbeit im Literaturhaus wie einen Chat An die Moby Dick-Lesung erinnere ich scheint ihm gefallen zu haben ... danken sich besser im Raum ausbreiten führen, hin und her. Ich fang mal an: Ich mich bestens. Wie wir auf dem Schiff wa- Aber dieser »Service« war ja kein Selbst- können. habe Bilder in mir aufsteigen lassen, aus ren, Christian Brückner die letzten Ka- zweck, sondern unser Markenzeichen. Gerne zitiere ich einen Deiner Aussprü- der Zeit, in der ich im Literaturhaus gear- pitel las und plötzlich – nachdem wir ja Bei allem, was wir für die Gäste getan che, dass wir immer rechtfertigen können beitet habe. Und das erste Bild, das kam, den ganzen Tag auf dem Schiff waren und haben, ging es ja auch immer darum, sollten, Menschen vom Lesen abzuhalten. war das eines Raumes im Kölner Dom. Er dessen »Seegang« kannten – das Schiff so ihnen unsere Wertschätzung zu zeigen. Dass wir immer ein Surplus schaffen wol- befindet sich in einem der Türme. Circa vom Wellengang hochgehoben wurde, als Als Dank für das Vergnügen und die Er- len. Heute stellt niemand mehr infrage, auf halber Höhe. Es war ja immer unser wäre wirklich ein Wal darunter. Lesungs- kenntnisse, die uns die Lektüre ihrer Bü- dass Lesungen einen Sinn erfüllen und Anliegen, den AutorInnen, die nach Köln magie ... cher vermittelt hat. ihren eigenen Reiz haben, ein Gewinn kamen, etwas Besonderes zu bieten. Als Was Du »tiefe Begegnung« nennst, war Und mir ging es auch immer darum, den für die Zuhörenden sind – und nicht nur Stewart O’Nan da war, sagte uns der Ver- wirklich eine einzigartige Erfahrung. Die internationalen Gästen etwas von unserer den Zweck haben, Autor*innen zu einem lag, er hätte am Tag der Lesung Geburts- Lesung dauerte ja fast 40 Stunden. Und Stadt zu zeigen. Kölner Geschichte, Köl- Einkommen zu verhelfen. Und dennoch: tag. Deshalb haben wir für ihn eine be- dabei zweimal bis in die frühen Morgen- ner Kultur. Zum einen, damit der Besuch Man könnte sich ja immer fürs Lesen ent- sondere Domführung organisiert. Ulrike stunden. Ich weiß noch, die Momente, an bei uns nicht einfach eine gesichtslose scheiden ... Gerade in Zeiten von Corona Brinkmann von der Dombauhütte hat denen ich fast einschlief, und in diesem Station mehr auf der Lesereise war. Zum spüren wir, dass die lebendige Begegnung uns geführt, dorthin, wo BesucherInnen halbberußten Zustand fühlte es sich an, anderen aber auch aus der Überzeugung mit Literatur unserem Publikum viel be- sonst nicht hinkommen. Eben auch in als bestünde die ganze Realität nur noch heraus, dass die Lesungen dadurch besser deutet, etwas, das nur die gut vorbereite- diesen Raum, der voll ist mit lebensgro- aus dem Text. Als würde ich in dem Text wurden. Denn so begann der Austausch te Lesung auslösen kann, das Glück im ßen Heiligenfiguren, die demnächst die leben. von Gedanken und Geschichten ja schon Flüchtigen und in der Begegnung. Und Figuren ersetzen, die durch die Umwelt- Das hatte ich nur noch ein anderes Mal. lange vor der eigentlichen Lesung. Es das Großartige ist, dass sich diese Magie einflüsse zerstört wurden. Ein Ersatzlager Bei der Werkschau mit Peter Kurzeck, der wurde Vertrauen gestiftet. in viele Richtungen ausbreiten kann – ob für Heilige. Als wir in diesen Raum ka- ja an vier aufeinanderfolgenden Abenden Das allerbeste Beispiel, welche Früchte bei einer Solidaritätsveranstaltung für men, waren wir überwältigt. Wir standen aus Oktober und wer wir sind gelesen hat. das tragen kann, war ja die Lesung mit Doğan Akhanli oder beim Auftritt von lange da und haben nichts gesagt. Es war, Da überkam mich auch eines Abends bei Denis Johnson. Ich weiß noch, wie lange Marcel Beyer und Manos Tsangaris bei als hätten wir hinter die Kulissen einer vollem Bewusstsein das Gefühl, dass sich wir uns bemüht hatten, ihn einzuladen. unserem letzten Satelliten-Festival. Kultur geschaut, deren Manifestation der Realität und Text vertauscht hätten. Dass Jahre ... Als er dann kam, waren wir im Das kennst Du gar nicht, aber es ist ein Dom ja ist. Wollen wir hinter die Kulissen der Text, das Leben im Buch von Peter Dom und im Wallraf-Richartz-Museum. Nachnachfolger des Lyrikfestivals »Atlas von Lesungen schauen? Kurzeck ist. Und der Rest darum eine Er- Im Museum stand er lange von einigen der neuen Poesie«, das wir damals mit findung. Triptycha. Und sagte zu mir, dass ein Klaus Bittner und Joachim Sartorius auf Am 08.01.2021 um 17:42 Wenn ich in meine Fotos von damals Freund von ihm mal gesagt hätte, seine die Beine stellen konnten. Eine der ersten schrieb Bettina Fischer: schaue – vor allen die von Hans Günter Romane seien wie mittelalterliche Tripty- großen Veranstaltungen, die ich im Jahr Contzen, der uns ja über all die Jahre be- cha. Jetzt verstünde er, warum. Im Dom 2000 begleitet habe, war ein »Atlas« mit Lieber Thomas, gleitet hat, – dann kriege ich manchmal stand er lange vorm Gerokreuz und sagte, vielen Gästen aus der arabischen Welt. Deine Erinnerung zeigt es: Wenn man einen Schreck: wie jung wir waren. jetzt wisse er, was Vergebung heiße. Am Ende standen alle zum gemeinsamen sich für die Literatur einsetzt und Lesun- Von ihm gibt es ja auch viele Fotos von Die Lesung bestand dann nur aus zwei Appell auf. Aber die Verhältnisse sind gen organisiert, wird das Leben selbst hinter den Kulissen. Aber nicht von mei- Fragen: Was denn seine Bücher mit diesen keinen Deut besser geworden, im Gegen- reich an wunderbaren Geschichten. Da nem Lieblingsmoment backstage. Habe dreiteiligen mittelalterlichen Bildern ge- satz erleben wir vielerlei Eskalationen. Du Stewart O’Nan erwähnst, muss ich ich ihn Dir eigentlich je erzählt ...? Es war mein hätten und wieso ihm beim Anblick Mir kam es damals aber so vor, als wür- daran denken, wie ich mit ihm und Tessa bei der Lesung von Umberto Eco am 17. des Gerokreuzes der Gedanke an Verge- den wir einen Zipfel der Geschichte zu Martin, die ihn für den Rowohlt Verlag September 2001. Die Lesungen in den Ta- bung gekommen sei. Und seine Antwort packen bekommen. Übrigens auch später begleitete, in der Aachener Straße im Café gen nach dem 11. September waren ja alle auf beide Fragen füllte den Abend. Aber immer wieder, etwa als Abbas Khider di- saß. Er schenkte mir seinen Vierfarbku- abgesagt worden. Aber Eco hatte gesagt: das Großartige war: Es war eine perma- rekt vom Tahrir-Platz in die Schönhauser gelschreiber, als ich ihm erzählte, dass ich Er komme. Rüdiger Safranski hat mo- nente Verbindung dessen, was das Kölner Straße kam ... einen solchen als Kind besessen und ge- deriert. Vorgestellt wurde Ecos Roman Publikum aus eigener Betrachtung kann- Aber da hattest Du Deine Zelte schon in liebt habe. Jahrelang habe ich die Planung Baudolino, in dem es unter anderem um te mit dem, was Johnsons Schreiben aus- Berlin aufgeschlagen und ich blicke bes- fürs Literaturhaus vierfarbig mit diesem die Assassinen geht, um politische Mör- machte. ser noch einmal in die Fotokiste. Und da Stift skizziert (bis ein anderer Schriftstel- der. Und ohne einmal direkt auf die Er- Entschuldige, jetzt bin ich ein bisschen zu ist auch eines aus dem letzten September: ler ihn beim Signieren eingesteckt hat ...). eignisse in New York zu sprechen zu kom- sehr ins Plaudern gekommen. Ich nippe Du stellst dem Kölner Publikum Dein Im Zuge der Vorbereitung für dieses Ma- men, sprachen sie eigentlich den ganzen jetzt mal ausgiebig an einem trockenen Buch über die Deutsche Sprache vor. gazin habe ich übrigens in alten Fotos Abend darüber. Ich weiß noch, wie un- Martini und Du bist dran ... Nach wie vor bist Du vielfach als Mode- gewühlt. Auf einem stehst Du mit einer glaublich gespannt die Atmosphäre im rator, ob im Radio oder bei Veranstaltun- Harpune in der Hand vor dem Rhein- Schauspielhaus von Anfang an war. Und Am 12.01.2021 um 00:40 gen, und als Organisator unterwegs. Aber schiff Albatros in Rodenkirchen. Anlass wie groß der Applaus am Schluss. Es war, schrieb Bettina Fischer: Du gibst auch Bücher heraus. Ist das ein war die Moby Dick-Gesamtlesung, die wir als hätte Eco im Gespräch wieder Sicher- Seitenwechsel und erlebst Du nun etwas 2001 gemacht haben: der Koloss von ei- heit gestiftet. Das Erlebte, den Schock der Deine Erzählungen wecken in mir tat- anderes hinter den Kulissen von Lesun- nem Buch, an drei Tagen vorgelesen! Das Gegenwart in einen historischen Zusam- sächlich das Gefühl der frühen Jahre. gen? (Im Übrigen tut’s mir leid, dass wir war nicht nur eine tiefe Begegnung mit menhang eingefügt. Und wenigstens zwei Gedanken springen Dir hinterher keinen Martini gereicht dem Text, eine Prüfung fürs Durchhalte- Der Abend hatte für mich noch eine be- mich an: Sollte man als Veranstalter*in haben. Coronabedingt gab es Pizza vom vermögen, wir erlebten auch eine beson- sondere Pointe. Eco hatte bei der Bespre- auch ein*e Erzähler*in sein? Und ja, beim Pizzaservice.) dere Verbindung zu jenen, die ebenfalls chung vor der Lesung erzählt, er habe Veranstalten geht es immer darum, dem unermüdlich zuhörten! immer gehofft, in dem Moment, wo er Gast eine besondere Situation zu schaf- 19. November 1999 März 2000 Eröffnung des Literaturhauses Im MediaPark 6a durch Bundespräsident Johannes Rau Bettina Fischer wird Geschäftsführerin
25 JAHRE LITERATURHAUS KÖLN 7 Ein Literaturhaus für Köln? Ein Erinnerungsfragment Am 12.01.2021 um 00:54 Mein Mitgliedsausweis des Literatur- uns, mich, der ich hier seit meinen ersten schrieb Thomas Böhm: hauses Köln trägt die Nummer 12. Ich bin Publikationen ab Mitte der 70er-Jahre ak- also Gründungsmitglied. Wenn ich mich tiv war, eingeschlossen, auch ein klareres Den Martini hätte ich nicht vertragen, nun zu erinnern versuche, was ich nach institutionelles Bekenntnis der Stadt zur so wie Umberto Eco ihn getrunken hat: dem Vollzug der Vereinsgründung vor 25 Literatur, einen zentralen Ort für die Ver- »Industrielle Mengen Vodka und einen Jahren empfand, so werde ich unsicher. mittlung von Literatur. Ich meine mich Tropf Martini«. Zweifellos war es Freude, große Freude, zu erinnern, damals sogar mit der Skizze Was den Seitenwechsel angeht: Am liebs- doch womöglich auch ein wenig Unmut. eines solchen Hauses beim Kulturamt der ten bin ich Organisator. Ich organisiere ja Warum nur hatte es so lange gedauert, bis Stadt vorstellig geworden zu sein. hier in Berlin für radioeins Lesungen im auch Köln ein deutliches, symbolstarkes Ob es je eine Antwort gab? Ich weiß es Großen Sendesaal, die auch live im Radio Zeichen für eine Verbundenheit mit der nicht mehr, und falls ja, so war sie zwei- übertragen werden. Und da habe ich vie- Literatur setzte? Natürlich hatte es im- fellos abschlägig. le alte Kölner Bekannte wiedergetroffen: mer schon ein reges literarisches Leben in Bedingt durch meine berufliche Entwick- TC Boyle, Paul Auster, Orhan Pamuk, Köln gegeben; so waren literarische Ver- lung, verlor ich den Gedanken bald ein der sich noch bestens an den Spaziergang einigungen und Buchhandlungen als Ver- wenig aus den Augen; ein wehmütiges über den Melaten-Friedhof erinnert hat. anstalter aktiv, in der Zentralbibliothek Aufflackern gab es erst wieder 1982, als Ich habe das, von dem Du schreibst, aus bestach die nimmermüde Uta Bieder- das vom VS in Köln veranstaltete inter- der Ferne alles mitbekommen. Weil ich mann mit einem auch international weit nationale Literaturfestival INTERLIT natürlich das Programm immer genau gefächerten Lesungsangebot, in ihr – und ’82 mit über 250 Schriftsteller*innen aus anschaue. Und die Aktion für Doğan ab Ende der 70er-Jahre in Dr. Winfried annähernd 50 Ländern die Vielfalt und Akhanli; darüber wurde ja bundesweit Gellner, der als Referent des Kulturam- Wirkmächtigkeit der Literatur unter Be- berichtet. tes für Literatur zuständig war, – hatten weis stellte. Ja, der Mantel der Geschichte. Vielleicht die Autor*innen Kölns stets verlässliche Dringlich wurde der Wunsch nach einem sollte man dankbar sein, wenn der einen Partner, etwa für das Veranstaltungspro- solchen zentralen Ort wieder nur wenige nicht allzu oft streift. gramm, das damals die Bezirksgruppe Jahre später, als der Senat der Stadt Berlin Was Du über das Vermissen von Lesun- Köln des Verbands Deutscher Schrift- seine bis dahin stiefmütterliche Behand- gen in Corona schreibst, bringt mich steller dem Publikum regelmäßig in der lung der Literatur erkannte, ihr 1986 ein auf einen anderen Aspekt, der vielleicht Hahnentorburg am Rudolfplatz anbot. Haus in der Fasanenstraße »schenkte« durch diese Erfahrung noch mal anders Dennoch wünschten sich manche unter und Deutschland das erste Literaturhaus deutlich wird. Was Lesungen ja auch sind: überhaupt. Zelebrierungen eines besonderen Augen- Zehn Jahre später nun war es auch in blicks von Menschen, die durch ihre Lie- Köln soweit – wenn auch ein wenig an- be zur Literatur verbunden sind. Ganz ders. Mit Kathinka Dittrich van Weringh, unterschiedliche Menschen, mit ganz der damaligen Kulturdezernentin der unterschiedlichen Lebensgeschichten, Stadt, hatte ich das ein oder andere Mal die zusammenkommen. Das habe ich über die Idee eines Literaturhauses ge- am Literaturhaus immer sehr genossen, sprochen. So ging die Anregung nicht überhaupt an Köln. Wie sehr sich das zuletzt von der Stadt aus, denn sie war Publikum interessieren, begeistern es, wie in ihrem autobiografischen Buch lässt. Und auch einen Augenblick Wann vergeht Vergangenheit nachzulesen, feiern kann. die Dr. Ulrich Wackerhagen auf das Feh- len eines Literaturhauses ansprach. Doch Am 12.01.2021 um war es nicht die Stadt Köln selbst, die den 14:19 schrieb entscheidenden Schritt tat, es waren die Bettina Fischer: Bürgerinnen und Bürger Kölns. Sie legten Zeugnis ab für den Wert der Literatur in Feiern ist das Stichwort: Das ihrer Stadt, als Mitglieder des Vereins Li- Gespräch führen wir, weil wir teraturhaus Köln, als Förderer und ehren- uns leider am 6. Februar – aus amtlich Tätige. Und auch wenn es mit der Anlass von 25 Jahren Literatur- Gründung zunächst noch keinen Ort gab, haus – NICHT in Köln sehen an dem Literatur und Öffentlichkeit zen- werden und nicht, erinnerungs- tral zusammengebracht werden konnten, selig zu später Stunde, über die so stand das Ziel doch klar vor Augen, frühen Jahre des Literaturhauses ein Ziel, das zu erreichen auch der Stadt sprechen. Mir war’s ein Fest, mit Dir Köln von da an zu einem stetigen Anlie- gemeinsam elf Jahre Literaturhaus-Arbeit gen wurde. vors innere Auge zu rufen und dabei da- rüber nachzudenken, was Lesungen be- WOLFGANG SCHIFFER sonders macht. Am Anfang steht immer der Text – und dann sind es die Geschich- Thomas Böhm mit Harpune, 2001 ten, das Detail, es sind die Begegnungen © Hans Günter Contzen – und was wir daraus machen. Danke, lieber Thomas. Und nun muss dies hier rasch zu Thomas Jarzina, der noch immer unsere Druck- sachen gestaltet. Du erinnerst Dich be- stimmt ... weißt Du noch, als ... April 2003 2003 Das schnellste Buch der Welt mit dem Verlag Landpresse Prof. Dr. Gottfried Honnefelder wird Vorstandsvorsitzender
8 25 JAHRE LITERATURHAUS KÖLN Über das Ermöglichen von Literatur – Gespräch mit Dagmar Fretter und Beate Möllers Liebe Dagmar, liebe Beate, ihr kennt bei- für die Literatur stehen und einen wich- das für uns als Literaturförderer im Fo- Für alle müssen wir immer wieder neue de die Literaturlandschaft – weit über tigen Beitrag dazu leisten, dass sie wahr- kus ist, hat die Digitalisierung bisher nur Unterstützungsformate entwickeln, die Nordrhein-Westfalen hinaus. Was be- genommen wird. Dazu gehören natürlich wenig Einfluss. Ich gehe davon aus, dass dazu beitragen, dass Literatur wahrge- reitet euch an eurer Arbeit, Literatur in die Literaturbüros und Literaturhäuser, das auf Dauer nicht so bleiben wird, kann nommen wird. diesem an Kultur reichen Bundesland zu aber auch so besondere Einrichtungen mir aber nicht so recht vorstellen, wie Welche Bedeutung hat eurer Ansicht nach ermöglichen, Freude? wie das Europäische Übersetzerkolle- diese Veränderungen aussehen werden. eine Einrichtung wie ein Literaturhaus? Dagmar Fretter: Als ich vor mittlerwei- gium in Straelen. Überall arbeiten Men- Wahrnehmbar sind sie auf jeden Fall Dagmar Fretter: Damit sich literarisches le mehr als elf Jahren nach NRW kam, schen, die für die Literatur brennen und schon in der Literaturkritik – Blogs ha- Leben bilden kann, braucht es Orte der um bei der Kunststiftung NRW die Lei- mit denen zusammenzuarbeiten eine ben hier ja schon etliches übernommen, Begegnung und des Diskurses als Nähr- tung des Fachbereichs Literatur zu über- Freude ist. Und nicht zuletzt ist es natür- das bisher nur im klassischen Feuilleton boden für interessante Literatur. Für mich nehmen, war ich zunächst erstaunt über lich die eigene Freude an der Literatur, die stattgefunden hat. Und vielleicht hat die ist ein Literaturhaus – und das Kölner Li- die literarischen Entdeckungen, die ich mich motiviert und treibt. Möglichkeit, über die sozialen Netzwer- teraturhaus erfüllt diese Aufgabe auf her- hier machen konnte. Die reichten von Könnt ihr beschreiben, wie sich die Lite- ke viele Menschen zu erreichen, die das vorragende Weise – eine Art literarisches Autor*innen, die mir bis dahin unbe- raturlandschaft in der Zeit, in der ihr sie klassische Feuilleton eher nicht lesen, Kraftzentrum, das für Qualität steht und kannt waren, über eine große Zahl an beobachtet und begleitet, verändert hat? auch dazu beigetragen, dass z. B. die Lyrik neue literarische Tendenzen aufspürt. Ein Literatureinrichtungen und Institutionen Dagmar Fretter: Das ist ein sehr kom- mehr Aufmerksamkeit findet als noch vor Ort, um den die Literaturszene kreist, bis zu besonderen Literaturfestivals von plexes Thema, das ich hier nur anreißen einigen Jahren. der das Gespräch über literarische, aber außerordentlicher Qualität, dazu die kann. Insgesamt hat sich die Literatur- Wo seht ihr die größten Herausforderun- auch kultur- und gesellschaftspolitische vielen großen und kleinen Player, die landschaft natürlich dahingehend ver- gen (auch jenseits der Corona-Folgen) Themen anstößt. Themen, die Menschen, dieses dezentrale Bundesland literarisch ändert, dass die Verkaufszahlen von an- – als fördernde / ermöglichende Institu- die literarisch arbeiten oder Literatur re- bespielen. Es war eine große Freude für spruchsvoller Literatur – und von der tionen und in der Entwicklung der Lite- zipieren – Autor*innen, Übersetzer*in- mich, die Möglichkeiten auszuloten, wie spreche ich hier – seit Jahren zurückge- raturlandschaft? nen, Vermittler*innen und natürlich die die Kunststiftung NRW als unabhängige hen. Der Wettbewerb und die Dichte auf Dagmar Fretter: Die Literatur ist eine Leser*innen – zusammenbringen, am Fördereinrichtung durch gezielte Unter- dem Buchmarkt nehmen beständig zu, langsame Kunst, die nicht kurzfristig auf besten physisch, aber nun, krisenbedingt, stützung zur Weiterentwicklung dieser gleichzeitig erwartet das Publikum im- aktuelle Ereignisse reagiert – zum Glück, auch im digitalen Raum. Ein lebendiger Literaturlandschaft beitragen kann. Dann mer mehr Eventkultur und Inszenierung. könnte man sagen. Und in diesem Sinne Ort also für gute Literatur und das Ge- die Freude, zu beobachten, wie diese bun- Für Autor*innen wird es also schwieriger, sollten auch wir als Fördereinrichtungen spräch darüber, zu dem sich das Litera- te Vielfalt – auch durch die flexiblen För- vom Verkauf ihrer Bücher zu leben. Au- keine Schnellschüsse und abrupte Rich- turhaus Köln in 25 Jahren entwickelt und dermaßnahmen der Kunststiftung NRW tor*innen waren immer schon und sind tungswechsel vollführen. Es bleibt unsere dabei kein bisschen Staub angesetzt hat. – Profil gewinnt, wie Autor*innen auch zunehmend auf Honorare aus Lesungen Aufgabe, gezielt zu fördern, Qualität aus- Beate Möllers: Ich knüpfe auch gern noch weit über das Bundesland hinaus bekannt und Veranstaltungen angewiesen. Auch zumachen, Veränderungen zu beobach- einmal an den Beitrag zum gesellschaftli- wurden, wozu auch eine Initiative der das führt sicherlich dazu, dass jedes Jahr ten, zu analysieren – und im beständigen chen Diskurs an, den die Literatur leisten Stiftung, die Schriftenreihe Literatur, bei- neue Literaturfestivals aus dem Boden Austausch mit unseren Förderpartnern kann und auch soll. Das Lesen selbst ist tragen konnte. Besonders freue ich mich schießen. Tatsächlich gibt es immer mehr darauf zu reagieren. Die vielen digitalen ja eine eher einsame Angelegenheit. Es über die lebendige Lyrikszene in NRW regionale literarische Großereignisse, die Formate, die im vergangenen Jahr eine braucht daher Orte, an denen dieser Dis- und die Begegnungen mit einigen der be- sich an dem bekannten Kölner Großer- rasante technische Professionalisierung kurs explizit stattfinden kann, an denen deutendsten Dichter*innen, die wir im eignis orientieren, sich aber auch produk- in der Inszenierung von Literatur ge- Menschen miteinander über Texte ins deutschsprachigen Raum haben. tiv davon abgrenzen. bracht haben, müssen bewertet und auf Gespräch kommen, an denen Bücher und Und natürlich freue ich mich immer wie- In NRW hat all das erfreulicherweise zu Qualität hinsichtlich des künstlerischen Autoren nicht wegen der Verkaufszahlen, der über die enge Zusammenarbeit mit einem engeren Austausch zwischen den Mehrwerts geprüft werden. Außerdem sondern der literarischen Qualität und dem Literaturhaus Köln, die sich im Lauf Literaturschaffenden geführt. Die Lite- müssen wir dafür sorgen, dass auch in der inhaltlichen Relevanz wegen vorge- der Jahre durch die Ermöglichung von raturlandschaft NRW ist nach meiner Zeiten einer Pandemie grenzüberschrei- stellt und diskutiert werden. Und gerade Veranstaltungsreihen und Schwerpunkt- Wahrnehmung in den letzten Jahren tende Begegnungen möglich sind. Denn in Köln wird deutlich, dass ein Literatur- setzungen intensiviert hat. Vor allem deutlich stärker und sichtbarer geworden: obwohl Schreiben ein einsames Geschäft haus nicht nur ein Veranstaltungsort ist, möchte ich den beständigen und anre- Renommierte Institutionen wie z. B. das ist, brauchen auch Autor*innen Bewe- sondern auch eine zentrale Anlaufstelle genden Austausch mit dir, liebe Bettina, Übersetzer-Kollegium in Straelen konn- gung und Begegnung. für das literarische Leben in der Stadt zu literarischen oder literaturpolitischen ten ihr Qualifizierungsangebot erweitern, Beate Möllers: Eine große Herausforde- sein kann, ein Ort, der für Leserinnen Themen nicht missen. neue Festivals wie z. B. die Wuppertaler rung sehe ich darin, die Vielfalt, die das und Leser genauso wichtig ist wie für Au- Je länger ich über diese Frage nachdenke, Literatur Biennale haben sich stetig ent- literarische Schaffen in Deutschland aus- torinnen und Autoren, für Rezensenten, desto mehr Freude empfinde ich an dieser wickelt, in Westfalen ist mit dem Center zeichnet, zu erhalten und zu stärken – ge- Blogger, und, und, und. Veranstaltungen Arbeit! for Literature Burg Hülshoff ein neues gen den Trend der Kommerzialisierung wie der Mittagstisch für Autoren oder das Beate Möllers: Freude daran bereitet literarisches Zentrum mit neuen Schwer- und der medialen Konzentration auf Café fremdwOrte mit geflüchteten Auto- mir genau das: Literatur zu ermöglichen, punkten aufgeblüht und wirft andere, di- Bestseller. Gute Literatur ist nicht nur ein rinnen und Autoren, die im Literaturhaus denen, die schreiben, und denen, die versere Schlaglichter auf die Gegenwarts- ästhetisches Vergnügen, sondern leistet stattfinden, sind für mich sehr prägnante Literatur vermitteln, den dafür nötigen literatur. Dazu bringt der noch junge einen wichtigen Beitrag zum gesellschaft- Beispiele für die Aufgaben, die ein Lite- Spielraum zu verschaffen, gemeinsam mit Schwerpunkt Literarisches Schreiben an lichen Diskurs. Damit sie entsteht, brau- raturhaus wahrnehmen, und damit auch interessanten und engagierten Menschen der Kunsthochschule für Medien inter- chen wir gute Autorinnen und Autoren für die Bedeutung, die es haben kann. über neue Wege nachzudenken. Dabei essante Stimmen zwischen Literatur und und engagierte Verlage – und die müssen entdecke auch ich immer wieder Neues anderen Künsten hervor. von ihrer Arbeit leben können. Wir brau- DAGMAR FRETTER ist Fachbereichsleiterin in dieser breit aufgestellten, bunten und Beate Möllers: Ich habe den Eindruck, chen auch Orte und Veranstalter, die li- der Kunststiftung NRW. BEATE MÖLLERS ist vielfältigen Literaturszene in NRW. Als dass eine wesentliche Veränderung noch terarische Texte präsentieren, vermitteln Literaturreferentin im Ministerium für Kultur Landesregierung haben wir dabei immer bevorsteht: Zumindest in dem Segment, und die Diskussion darüber anstoßen. und Wissenschaft NRW auch die Infrastruktur im Blick – die Ins- titutionen, die vor Ort und in der Region 2004 2007 1. Literarische Werkschau Ensuite Eröffnung im Forum für Fotografie in der Schönhauser Straße
25 JAHRE LITERATURHAUS KÖLN 9 Literatur und Verwaltung. Gespräch mit Nadine Müseler und Gerd Winkler Liebe Nadine, lieber Gerd, danke, dass es so gut wie keine Förderstrukturen auf gemeinsam – auch mit weiteren Ak- ihr euch auf einen Austausch über Lite- Ebene des Landes oder der Kommunen teur*innen aus der Kölner Literaturszene ratur und Verwaltung einlasst! Ich denke, für Literaturschaffende und -vermitteln- – haben wir auch einige andere Projekte dass vielen die durchaus nahe Verbindung de gibt, freute es mich sehr, die Früchte auf den Weg gebracht. Wie seht ihr die nicht klar ist. Und wenn ich sage, »was zu sehen, die eine solche Förderung im Bedeutung des Literaturhauses für Köln? wären wir ohne hilfreiche Unterstützung besten Fall hervorbringen kann. GW: Für mich hat die Bedeutung des Li- aus dem Kulturamt Köln«, dann sage ich Wie soll sich ein Antragsteller verhalten? teraturhauses mehrere Aspekte. Zum ei- das gewiss im Namen vieler Kulturschaf- Macht das Literaturhaus viel Arbeit? nen ist es eine Institution, die das Kölner fender und -vermittler*innen! GW: Jeder Antragsteller/jede Antragstel- Literaturleben und letztlich auch die Li- Um kurz die Voraussetzungen zu klären: lerin sollte sich wahrhaft und realistisch teraturszene von außen deutlich sichtbar Wann ist euch das Literaturhaus das ers- verhalten und die Inhalte der Projekte werden lässt. Es ist ein »Fixstern«, neben te Mal begegnet? Und verbindet ihr damit sollten sich auch nachvollziehbar in den dem eine Vielzahl anderer individueller vielleicht auch eine Geschichte? Projektbeschreibungen wiederfinden. Protagonisten und Orte die Vielfalt in Eine Förderung von Luftschlössern ge- Köln lebt. Es ist auch ein Motor, der im- hört nicht zu den Förderzielen des Kul- mer wieder neue Formate und Blicke auf Im Geiste Heinrich Bölls turamts. die Literatur durch eine kluge Programm- IOO JAHRE NM: Ergänzend möchte ich hinzufügen, gestaltung kreiert. Nicht nur bekannte dass ich unseren Job neben der Antrags- Autorinnen und Autoren werden vorge- bewertung auch darin sehe, Antrag- stellt, sondern auch noch unbekannten steller*innen zu vernetzen, auf Wunsch wird eine Plattform geboten. Diesen Mix auch spartenübergreifend, »Scout« und begrüße ich sehr. »Ermöglicher« von Neuerungen zu sein. NM: Gerd bringt es wunderbar auf den Die positive Entwicklung der letzten Jah- Punkt. Aus meiner Sicht hat das Literatur- Samstag, 25. November Mit: Jürgen Becker (Böll-Preis 1995), WDR – Kleiner Sendesaal Marcel Beyer (2001) re liegt auch an diesem Teil unserer Tä- haus auch bei der Entwicklung der Kul- und Eva Menasse (2013) Funkhaus am Wallrafplatz Eine Anmeldung ist erforderlich unter tigkeit. Klar, insgesamt macht das viel turentwicklungsplanung der Stadt Köln 12.00 Uhr boell100@literaturhaus-koeln.de Die Kartenvergabe erfolgt nach Reihenfolge Arbeit, aber das liegt nicht am Literatur- eine entscheidende Rolle gespielt. Zu- der eingegangenen Zusagen haus! dem vertritt das Literaturhaus die Inter- Plakat 100 Jahre Böll GW: Die Zusammenarbeit mit dem Lite- essen von Autor*innen, ehrt sie zu ihren Gerd Winkler: Das Literaturhaus kenne raturhaus ist immer sehr angenehm und Jubiläen mit besonderen Veranstaltungen und begleite ich bereits seit seiner Grün- inspirierend und verläuft wünschenswert und regt den Austausch der Literatursze- dung und habe seine »Geburtswehen«, problemlos. Dies ist sicher auch der Tat- ne an – beispielsweise mit unserem jähr- wenn nicht direkt aus erster Hand, so sache geschuldet, dass auf der »anderen lichen gemeinsamen »Saisonauftakt«, der doch aber sehr nah miterlebt. Bevor das Seite« Profis ihre Arbeit mit viel Herzblut hoffentlich bald wieder stattfinden kann. Literaturhaus eine eigene Bleibe hatte, machen. hat das Kulturamt der damaligen Leiterin Welchen Anteil hat die Literaturförde- Anke Windel über mehrere Jahre »Asyl« rung eigentlich an der Förderung der Kulturarbeit entsteht häufig im Zusam- in seinen Räumlichkeiten gewährt. Die freien Szene? menspiel der Kulturakteur*innen mit der Erstausstattung in seinem ersten Domizil GW: Die Literaturförderung hat einen Verwaltung und Politik einer Stadt. An haben wir auch maßgeblich gefördert. Anteil von 4 % an der Gesamtförderung dieser Stelle möchten der Vorstand und Nadine Müseler: Tatsächlich ist mir die durch das Kulturamt (s. Geschäftsbericht das Team des Kölner Literaturhauses allen Arbeit des Literaturhauses erst voll be- Kulturamt 2019, S. 27). sehr herzlich danken, die sich in der Ver- wusst geworden, als ich 2015 nach meiner Das Kölner Literaturhaus wird seit 2001 waltung mit Rat und Tat um die Entwick- Tätigkeit in Marokko zurück nach Köln regelmäßig von der Stadt Köln finanziell lung und den Bestand des Literaturhauses gekommen bin. Mit dem Blick von außen gefördert, mittlerweile mit einem soge- kümmern. Lesen ist und aus einem Land kommend, in dem nannten Betriebskostenzuschuss. Aber Ein besonderer Dank geht an Gerd ... für mich Winkler: Seit Bestehen des Literaturhauses ist er im Kulturamt als Sachbearbeiter des Literaturreferats tätig. An der Seite der Re- ferent*innen Dr. Winfried Gellner, Barba- ... eine Fertigkeit, die man für’s Leben braucht. Wer Bücher liest, ra Foerster und Nadine Müseler hat Gerd Winkler dem Literaturhaus mit ruhiger ist nicht zwingend, aber möglicherweise auch fähiger, politische Gelassenheit und umfassender Sachkennt- nis beigestanden. Im Frühjahr 2021 geht er und gesellschaftliche Vorgänge zu „lesen“ und ist ihnen im nach mehr als 32 Jahren Arbeit im Kultur- amt in den Ruhestand. Wir wünschen ihm Idealfall weniger ausgeliefert, weniger manipulierbar. Literatur nur das Beste! lesen bedeutet für mich aber auch, ganz physisch, dem Wesentlichen zu begegnen. Insa Wilke Januar 2007 August 2007 Ines Dettmann wird Programmleiterin Junges Literaturhaus Köln Eröffnung Junges Literaturhaus Köln
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