JUBILÄUMSAUSGABE 2021 - ZAHNÄRZTEKAMMER & - KZV Sachsen-Anhalt
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ZAHNÄRZTEK AMMER & K ASSENZAHNÄRZTLICHE VEREINIGUNG S A C H S E N - A N H A LT JUBILÄUMSAUSGABE 2021 W W W.ZAEK-SA .DE W W W.KZV-LSA .DE 30 JAHRE PA R TN E R S CH A F T.
4 Grußworte 38 Anhang Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident Mitglieder des Kammervorstandes 1991 – 2021 des Landes Sachsen-Anhalt Mitglieder des KZV-Vorstandes 1991 – 2021 Petra Grimm-Benne, Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt Vorsitzende der Vertreterversammlung 1991 – 2021 6 Editorial 42 Zahlen & Fakten Dr. Jochen Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt Dr. Carsten Hünecke, Präsident der 43 Impressum Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt 8 Die Entwicklung der zahnärztlichen Selbstverwaltung in Sachsen-Anhalt Prolog: Die Anfänge der Selbstverwaltung Von null auf hundert: 1991 – 2001 Bleibendes und Neues: 2002 – 2011 Neue Herausforderungen: 2012 – 2021 36 Aktuelle Themen der zahnärztlichen Liebe Leserinnen, liebe Leser, Selbstverwaltung 30 Jahre ereignisreiche und durchaus emotionale Geschich- te der zahnärztlichen Körperschaften in Sachsen-Anhalt Kosmetik oder Medizin? abzubilden, kann im vorliegenden Format eines Sonderhef- tes nur schlaglichtartig gelingen. Wer mehr über die ver- MVZ auf dem Vormarsch gangenen drei Dekaden wissen möchte, dem sei deshalb die Lektüre der Chronik der Kassenzahnärztlichen Vereini- Corona-Pandemie – Zahnärzteschaft am Limit gung Sachsen-Anhalt (1991 – 2011) sowie der 2016 erschie- nenen Festschrift anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Zahnarzt gesucht! Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt empfohlen. 11 Pfennig – GOZ-Punktwert seit 1988 nicht erhöht Viel Spaß beim Lesen wünschen Kassenzahnärztliche Vereinigung und Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt 30 JAHRE PARTNERSCHAFT. I 3
Dr. Reiner Haseloff Ministerpräsident des Grußworte Landes Sachsen-Anhalt EINE VERLÄSSLICHE PARTNERSCHAFT An jedem Zahn hängt ein die berufsständischen Vereinigungen und die Erfüllung aller beruflichen ganzer Mensch – so sagte mitgeschrieben haben. 1990 wurde Pflichten. Zahnärztekammer und Kas- es bereits Paracelsus im die Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt senzahnärztliche Vereinigung können 16. Jahrhundert. Man kann Körperschaft des öffentlichen Rechts, auf die Geschichte der letzten drei sagen, Zähne sind in aller 1991 folgte die Kassenzahnärztliche Jahrzehnte sehr stolz sein. Besonders Munde. Das trifft auch im Vereinigung und sie nahmen ihre wich- dankbar bin ich dafür, in ihnen auch übertragenen Sinne zu, denn tigen Aufgaben selbstverwaltend auf. immer verlässliche Partner gefunden in unzähligen Zitaten, Re- Es wurde die zahnärztliche Versorgung zu haben, die die Landesregierung densarten und Sprichworten für die Menschen optimal gestaltet. Die kompetent beraten haben. Diese Zu- spielen sie eine Rolle. Es wird Wahrung der Patientenrechte, die Ver- sammenarbeit wird auch in der Zukunft ins Gras gebissen oder auf sorgung multimorbider Patienten, die eng und vertrauensvoll fortgesetzt dem Zahnfleisch gelaufen, digitale Entwicklung, Ausbildungsneu- werden, das sind wir der Zahngesund- auf den Zahn gefühlt oder erungen und die Nachwuchsgewinnung heit der Menschen schuldig. gern auch mal einer gezogen. sind wichtige Facetten dieser Arbeit. Manchmal geht es auch bissig Ich wünsche der Zahnärztekammer zu. Alles das wird auch in den Gegenwärtig sind fast 1.600 Zahnärzte und der Kassenzahnärztlichen Vereini- letzten 30 Jahren bei Zahn- in unserem Land tätig. Sie alle haben gung alles Gute und bin sicher, dass wir ärztekammer und der Kassen- auch die Herausforderungen der Co- gemeinsam eine Fürsorge garantieren zahnärztlichen Vereinigung rona-Pandemie, die uns noch immer in können, die auf der Höhe des medizi- erlebbar gewesen sein. Atem hält, bestanden. Ich möchte mich nischen Fortschritts steht und in allen dafür besonders bedanken. Selbstbe- Belangen die Patienten und ihr Wohl Richtig ist aber auch, dass die zahn- stimmung und Eigenverantwortung fest im Blick hat. ärztliche Versorgung und Berufsaus- bleiben die entscheidenden Säulen, die übung sich in den letzten 30 Jahren unser Gemeinwesen prägen. Auf diesen Dr. Reiner Haseloff rasant verändert und vor allem Säulen ruhen auch die berufsständi- Ministerpräsident des Landes verbessert hat. Das gehört zu der schen Vereinigungen. Sie gewährleis- Sachsen-Anhalt großen Erfolgsgeschichte, an der auch ten Flexibilität, Innovationsbereitschaft 4 I 30 JAHRE PARTNERSCHAFT.
Petra Grimm-Benne Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt ALS PARTNER AN IHRER SEITE Zum 30-jährigen Bestehen Wir können auf eine erfolgreiche für ihre Praxen suchen. Nachwuchs- der Zahnärztekammer Sach- Zusammenarbeit zurückblicken. So kräfte zu gewinnen, um auch künftig sen-Anhalt und der Kassen- konnten gemeinsame Aktionen zur die zahnärztliche Patientenversor- zahnärztlichen Vereinigung Verbesserung der Zahngesundheit der gung sicherstellen zu können, ist eine Sachsen-Anhalt gratuliere ich Bevölkerung unseres Landes erfolg- Herausforderung, der man sich schon Ihnen sehr herzlich. reich umgesetzt werden. Erinnern heute stellen muss. Wie es für Haus- möchte ich an die ins Leben gerufene arztpraxen bereits praktiziert wird, so Viel hat sich verändert seit dem Jahr „Liga der Kariesfreien“, einer Initiative sind auch im zahnärztlichen Bereich 1991, in dem Zahnärztekammer und der Zahnärztekammer und der KZV neue Wege gefragt, diese Aufgabe zu Kassenzahnärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt, um vorbildliche Zahn- bewältigen. Hierbei bleiben wir als als Körperschaften des öffentlichen pflege zu würdigen. Darüber hinaus Partner ebenfalls an Ihrer Seite. Rechts gegründet wurden. Sie haben leisteten die Projekte der Zahnärzte- beide Institutionen mit Leben ge- kammer „Alter mit Biss“, „AzuBiss“ und Für einen konstruktiven Dialog stehen füllt. Die Zahnärztekammer hat sich „Vergissmeinnicht“ einen wichtigen mein Ministerium und ich gern weiter immer für die beruflichen Belange der Beitrag speziell für die Verbesserung zur Verfügung. Zahnärzteschaft im Lande eingesetzt. der zahnärztlichen Versorgung älterer Die Kassenzahnärztliche Vereinigung und pflegebedürftiger Menschen. Petra Grimm-Benne stellte die zahnärztliche Versorgung Ministerin für Arbeit, Soziales und der Bevölkerung sicher. Dass dies auch Regelmäßig stehen wir im gemeinsa- Integration des Landes Sachsen-Anhalt unter den Bedingungen der aktuellen men Austausch mit Ihren beiden Insti- Corona-Pandemie gelingt, ist Ausdruck tutionen, um Sie bei neuen Aufgaben Ihres Engagements. Hierfür möchte ich zu unterstützen. In den nächsten Jah- Ihnen ausdrücklich meinen Dank und ren werden viele Zahnärzte im Land in meine Anerkennung aussprechen. den Ruhestand gehen und Nachfolger 30 JAHRE PARTNERSCHAFT. I 5
Dr. Jochen Schmidt Vorstandsvorsitzender der Editorial Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt IN STRUKTUREN GEGOSSENE WERTE UND IDEALE Eigentlich ist es nicht mög- der Politik und Schikanen der Kosten- zeigt mir, wie sich die Werte und Ziele lich, die Entwicklung des träger die zahnärztliche Versorgung des Berufsstandes in Strukturen ver- zahnärztlichen Berufstandes für die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt wirklicht haben und wie wichtig diese und seiner Standesvertretun- sichergestellt haben. als Grundlage für eine selbstbestimmte gen in Sachsen-Anhalt seit Berufsausübung sind. der politischen Wende im Als die Zahnärzteschaft Sachsen-An- Jahr 1989 auf nur 44 Seiten halts nach dem Mauerfall den Weg in 30 Jahre Zahnärztekammer und darzustellen. Das sind immer- die berufsständische Selbstverwaltung Kassenzahnärztliche Vereinigung in hin drei ganze Jahrzehnte, eingeschlagen hat, taten wir dies in der Sachsen-Anhalt beschreiben drei Jahr- aber in dieser ZN-Sonderaus- Hoffnung, dass sich der Berufsstand zehnte freiberuflicher Selbstverwal- gabe steht hierfür nur etwas künftig in berechtigter Weise an der tung als Grundlage für die fortwähren- mehr als eine Seite pro Jahr Gestaltung der gesellschaftlichen Ver- de Entwicklung und Gestaltung einer zur Verfügung. Viele wichti- hältnisse beteiligen kann. bedarfsgerechten und zukunftsorien- ge Ereignisse und Personen tierten zahnmedizinischen Versorgung bleiben in der nachfolgenden Diese Hoffnung hat sich unzweifelhaft in unserem Bundesland. Retrospektive unerwähnt. erfüllt. Jedoch mussten wir auch die Das ist sicher schade, denn Erfahrung machen, dass die einst in Anliegen dieses Rückblicks ist es somit, sie alle verdienen es, im Ge- Strukturen gegossenen Werte und Ide- auf vergangene Ereignisse zu schauen, dächtnis zu bleiben. ale fortwährend in politischen Kräfte- um sie der Geschichtsvergessenheit zu spielen in Frage gestellt werden. entreißen und zu diskutieren, was wir Aber auch, wenn nicht alle wichtigen heute daraus lernen können. Geschehnisse und Akteure explizit er- Aus der Vergangenheit lernen wähnt werden können, wollen wir mit Ich wünsche Ihnen viel Freude beim dieser Sonderausgabe der Zahnärztli- Ich persönlich blicke zurück und tue Durchstöbern dieses Heftes und hoffe, chen Nachrichten dennoch Wertschät- das durchaus in Nostalgie, aber nicht dass Sie die Lektüre als persönliche zung und Dank gegenüber allen Kol- mit dem Gedanken, dass früher alles Bereicherung erfahren. Ich danke leginnen und Kollegen zum Ausdruck besser war. Die Retrospektive ermög- allen, die an der mühevollen Aufberei- bringen, die in den vergangenen Jahren licht es mir vielmehr, Gegenwart und tung der Geschichte mitgewirkt und die und Jahrzehnten trotz beruflicher An- Zukunft besser zu verstehen. Der Blick Idee dazu überhaupt entwickelt und strengungen, gelegentlicher Trägheit auf das Erkämpfte und Gewonnene angestoßen haben. 6 I 30 JAHRE PARTNERSCHAFT.
Dr. Carsten Hünecke Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt GESTERN UND HEUTE FÜR MORGEN Vor 115 Jahren wurde in rung und auch Misstrauen ausmachte, die Gemeinschaft!“ Dieser gesellschaft- Baden die erste Zahnärz- sowie der Wunsch nach Selbstbestimmt- liche Grundpfeiler gilt in gleicher Weise, tekammer mit staatlicher heit mögen die Kolleginnen und Kolle- wenn Selbstverwaltung die Interessen Anerkennung errichtet. Ange- gen als „Ritter der ersten Stunde“ ganz des einzelnen Mitgliedes in Einklang sichts dessen mögen 30 Jahre besonders beflügelt haben, die Geschi- mit den Interessen der Gemeinschaft zahnärztliche Selbstverwal- cke des Berufsstandes nach der Wende bringen muss. Die vergangenen drei tung mit Zahnärztekammer in die eigenen Hände zu nehmen. Ihnen Jahrzehnte beweisen, dass der enge und Kassenzahnärztlicher kann man nicht genug danken und diese kollegiale Austausch dafür ein zentrales Vereinigung in Sachsen-An- Überzeugung gilt es wach zu halten. Element ist. Die jüngste Vergangenheit halt sehr kurz erscheinen. Ich hat verdeutlicht, dass der virtuelle denke, es ist dennoch eine Vertrauen ist die Basis Kontakt den Wunsch nach persönlicher gute Gelegenheit und ein Nähe und Kommunikation nicht erfüllen würdiger Anlass, zurückzubli- Die Vielfältigkeit der Aufgaben und sich und ersetzen kann. Die sprichwörtliche cken und innezuhalten. Zum immer schneller ändernde Anforde- Geschlossenheit der Zahnärzteschaft einen, weil dieser prägende rungen im Laufe der Zeit sind auf den entsteht in Gemeinschaft und nicht in Abschnitt unseres (Berufs-) folgenden Seiten ebenso dokumentiert der Isolation und verhindert zugleich Lebens rasend schnell verflo- wie die erfolgreiche Umsetzung in der das Gefühl, es werde nicht für, sondern gen ist, zum anderen, weil die Vergangenheit. Das große Engagement gegen den Einzelnen agiert. Erfahrungen der Vergangen- der Kollegenschaft und das Vertrauen heit Richtschnur und Impuls in ihre gewählten Standesvertreter ist Wir stehen vor großen Herausforde- für die Zukunft sein können. für eine Selbstverwaltung dabei die rungen und Umbrüchen in der Gesell- unverzichtbare Basis. Nur so besitzt schaft, der Gesundheits- und Sozial- Im Zentrum stand und steht bis heute man die notwendige Reputation, um politik und im Berufsstand. Mit den der Wunsch nach Selbstbestimmung, verlässlich und glaubhaft im kons- Erfahrungen aus der Vergangenheit egal ob vor über einhundert Jahren truktiven Dialog gegenüber Politik und und Gegenwart, gegründet auf dem oder 1990/1991. Das Ziel der eigenver- Gesellschaft für die Rechte der Kolle- Selbstverständnis der selbstbestimm- antwortlichen, freiberuflichen Tätigkeit ginnen und Kollegen einzutreten. ten, freiberuflichen zahnärztlichen zum Wohle unserer Patienten und die Tätigkeit wird der Berufsstand die gemeinsame Interessenvertretung ge- Als Körperschaften können Kammer nötigen Antworten finden. Eine starke genüber Politik und Gesellschaft haben und KZV dabei auch an ihre Grenzen Selbstverwaltung ist dabei ein unver- zu keiner Zeit an Aktualität verloren kommen, wie es angesichts der zuneh- zichtbares Element. Mein großer Dank und immer die notwendigen Kräfte frei- menden Versozialrechtlichung und bei gilt allen Beteiligten, die zum Gelingen gesetzt. Das gibt angesichts der aktuel- Interessenkonflikten immer häufiger dieser besonderen Ausgabe beigetra- len Umbrüche im Berufsstand Mut für deutlich wird. Die Erfahrung hat gezeigt, gen haben, die auf sehr unterhaltsame die Zukunft. Die Erfahrungen mit einem dass dies aber kein Grund für Resignati- Weise drei prägende Jahrzehnte unse- ideologischen System, welches allge- on sein darf. „Die Gemeinschaft braucht res Lebens Revue passieren lässt. Ich genwärtige Kontrolle, zentrale Steue- den Einzelnen und der Einzelne braucht wünsche viel Freude bei der Lektüre! 30 JAHRE PARTNERSCHAFT. I 7
1991 – 2001 1991 – 2001 VON NULL AUF HUNDERT. 8 I 30 JAHRE PARTNERSCHAFT.
PROLOG: DIE ANFÄNGE DER SELBSTVERWALTUNG Mit der vorliegenden Sonder- bung der Grundstein für die wachsende den Kassen auf die Fahnen geschrie- ausgabe der Zahnärztlichen sozialpolitische und wirtschaftliche ben hatte, gelang es 1923, eine erste Nachrichten laden wir Sie ein Bedeutung der Krankenkassen gelegt. übergreifende Vereinbarung zu einer auf eine Zeitreise durch die Sie schlossen Einzelverträge mit den Ärz- Gebührenordnung und Vergütungsform, 30-jährige, bewegte Geschich- tinnen und Ärzten oder betrieben eigene zum Schiedswesen und zur Zulassung te der beiden zahnärztlichen Versorgungseinrichtungen, in denen sie von Kassenzahnärzten zu schließen. Körperschaften Sachsen-An- Ärztinnen und Ärzte anstellten – oder halts – Zahnärztekammer eben auch Dentisten und „Zahnkünstler“. Grundlegende Neuerungen brachte die und Kassenzahnärztlicher Aufgrund der rasch wachsenden Zahl „4. Notverordnung des Reichspräsiden- Vereinigung. Wir beleuchten der gesetzlich Versicherten gewan- ten zur Sicherung von Wirtschaft und Umbruch und Neuanfang, nen die Krankenkassen schnell immer Finanzen“ aus dem Jahr 1931 mit sich: Entwicklung und Herausforde- größeren Einfluss auf die wirtschaftliche Die Kassenärztlichen Vereinigungen rungen, Rückschläge und Er- Situation der (Zahn-)Ärztinnen und Ärzte. (KVen) als Körperschaften des öffentli- folge für Körperschaften und Ein wichtiger Streitpunkt war auch die chen Rechts, in denen alle Kassenärzte Zahnärzteschaft im Land. Viel Frage der Zulassung zur kassen-(zahn-) zusammengeschlossen waren, konstitu- zu erzählen! In diesem Kapitel ärztlichen Versorgung. Schließlich stellte ierten sich und traten bei den gemein- möchten wir den Blick aber die bis dato bestehende Zulassungsau- samen Verhandlungen an die Stelle noch etwas weiter zurückwer- tonomie der Krankenkassen ein erhebli- der einzelnen Kassenärzte. Kollektiv- fen – und die Frage beantwor- ches Druckmittel gegenüber der (Zahn-) vertragliche Verhandlungen lösten die ten: Warum gibt es Kammer Ärzteschaft dar. (kündbaren) privatrechtlichen Einzel- und KZV eigentlich? verträge ab. Im Folgejahr wurde dieses Bereits seit den 1890er Jahren schlos- Modell auch auf die Zahnärzteschaft Nach dem Zusammenbruch der DDR sen sich daher Zahnarztinnen und (und die Dentisten) übertragen. wurden in den neuen Bundesländern Zahnärzte zur Wahrnehmung ihrer (Zahn-)Ärztekammern und Kas- Interessen in Verbänden zusammen, um Die (zahn-)ärztliche Selbstverwaltung sen-(zahn-)ärztliche Vereinigungen gegenüber den Kassen größere Autono- und die freie (zahn-)ärztliche Berufs- nach westdeutschem Modell lediglich mie und die Aufnahme von Leistungen ausübung bilden heute das Grundgerüst wiedererrichtet. Der historische Ur- in den Pflichtkatalog zu erwirken sowie des deutschen Gesundheitssystems. Das sprung des (zahn-)ärztlichen Verbands- Qualität und Wissenschaftlichkeit ihrer war nicht immer so. Sie sind das Ergeb- wesens, in dem auch Kammer und KZV Berufsausübung zu fördern. Nach dem nis politisch-historischer Kämpfe – eine wurzeln, reicht in Deutschland noch viel Vorbild ärztlicher Berufsorganisati- Errungenschaft zur Wahrung des Stan- weiter zurück. Genauer gesagt bis ins onen gründeten sich Anfang des 20. des- aber auch des Patienteninteresses 19. Jahrhundert: Die Zahnärzteschaft Jahrhunderts Zahnärztekammern, die sowie zum Schutz vor Willkür der Kran- befand sich bereits seit langem im – als Körperschaften des öffentlichen kenkassen. Im Korsett der vertragszahn- Wettbewerb mit Ärzten und Chirurgen, Rechts – staatlich anerkannt waren, der ärztlichen Regelungen und Pflichten denen die Ausführung zahnärztlicher eigenverantwortlichen Selbstregulie- hat die Selbstverwaltung mit Kammern Tätigkeiten ebenfalls erlaubt war, rung einer geordneten Berufsausübung und Kassenzahnärztlichen Vereinigun- als mit der „Kurierfreiheit“ anno 1871 dienten und der Zahnärzteschaft als gen Freiberuflichkeit überhaupt mög- die Freigabe der Heilkunde und der institutionelle Plattform die Mitwir- lich gemacht. Die Körperschaften bilden Zahnheilkunde für Laienbehandler – kung an Entscheidungen über die das Gegengewicht zu den gesetzlichen sprich: Nichtapprobierte – folgte. Wenig Ausgestaltung des Gesundheitswesens Krankenkassen und gewährleisten, dass später wurde mit der Einführung der ermöglichten. Dem Wirtschaftlichen auch die Seite der „Leistungserbringer“ Krankenversicherungspflicht und der Verband deutscher Zahnärzte, der sich eine politische Stimme hat. Damals wie 1911 neugeschaffenen Sozialgesetzge- die Interessenvertretung gegenüber heute. 30 JAHRE PARTNERSCHAFT. I 9
1991 – 2001 VOM VEREIN ZUR KÖRPERSCHAFT Die politische Wende im künftige Zahnärztekammer zu Geschäftsstelle eingerichtet (siehe Herbst 1989 hatte auch Aus- erarbeiten und eine Gründungs- unten). Am 13. Juli 1990 verab- wirkungen auf die Zahnärz- versammlung vorzubereiten. schiedete die DDR-Volkskammer te der DDR, von denen der das im Eiltempo erstellte Kam- Großteil in Polikliniken tätig Zwei Bezirke, mergesetz. Auf dessen Grundlage war. Es galt, das staatliche Ge- eine Kammer wurde der Zahnärztekammer Sach- sundheitswesen der DDR nach sen-Anhalt im August 1990 mit Schrei- westlichem Vorbild umzuge- Um die Vereinnahmung des Begriffes ben des DDR-Gesundheitsministers stalten und sich in eigener Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt die Wahrnehmung der Aufgaben einer Praxis niederzulassen. durch ehemalige Führungskräfte zu Körperschaft des Öffentlichen Rechts verhindern, ließ Dr. Frank Dreihaupt die (KdÖR) übertragen. Es galt bis zur Über- Im Frühjahr 1990 fanden sich im ehe- Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt e. V. tragung in Landesrecht im Jahr 1994. maligen Bezirk Magdeburg in einem mit Sitz in Lüderitz in das Vereinsregis- Spätsommer und Herbst 1990 waren Kammerausschuss Kollegen zusammen, ter eintragen. Mitte Mai 1990 war die von Niederlassungsseminaren geprägt. die sich für eine demokratische Um- Satzung erarbeitet und 25 Exemplare Mit Beginn des Jahres 1991 tritt die Not- strukturierung des staatlichen Gesund- gingen an die Kollegen im Bezirk Halle. dienstordnung in Kraft, die ZÄK startet heitswesens stark machten. Gabriele Am 13. Juni 1990 wählten 47 Vertreter eigene Fort- und Weiterbildungen für Oschmann und Jens-Uwe Engelhardt beider Bezirke einen Vereinsvorstand Zahnärzte und Helferinnen. Bei der aus Magdeburg, Burkhard Labs aus mit Dr. Frank Dreihaupt an der Spitze. konstituierenden Kammerversammlung Biere bei Schönebeck und Dr. Frank Sein Vize wurde Dr. Bernhard Lutterberg der ZÄK am 29. Juni 1991 wird Dr. Frank Dreihaupt aus Tangerhütte trafen sich aus Halle (Saale). Bereits zwei Wochen Dreihaupt Präsident. Es werden acht ab da alle 14 Tage in der Poliklinik Mitte später gab es die erste Vorstandssitzung Ausschüsse gebildet und der AVW-Ver- in Magdeburg, um eine Satzung für eine in Dessau. Parallel dazu wurde eine waltungsausschuss gewählt. Zwei Umzüge und ein neues Institut Eine feste Geschäftsstelle bekam die Drei weitere Mitarbeiterinnen für das später fand dort die erste Fortbildungs- ZÄK bereits Ende Juni 1990. Bei der Sekretariat und das Referat Helferinnen veranstaltung statt. Am 14. Juni 1996 Commerzbank in der Magdeburger kamen dazu, darunter die heuti- feierte die Kammer ihr neues Domizil Innenstadt wurden zwei Räume ge Geschäftsführerin Christina und zugleich fünften Geburtstag. angemietet, besetzt mit einer Glaser. Anfang 1995 mussten sich Sekretärin und einer Buchhalte- die Delegierten der Kammerver- rin. Die Kammer Niedersachsen lie- sammlung erneut mit dem Thema ferte Schützenhilfe in Form eines Umzug befassen. Die Frage nach Kopiergerätes mitsamt Papier. Neubau, Kauf oder Anmietung Im Mai 1991 nahm Rechtsanwalt eines Objektes sowie die Einrich- Hans-Hugo Rau seine Tätigkeit als tung eines eigenen Fortbildungs- Geschäftsführer auf, außerdem wur- institutes standen im Raum, wofür den zwei weitere Mitarbeiterinnen für man sich schließlich im Sinne der Unab- Fortbildung und Mitgliederverwaltung hängigkeit von externen Räumlichkeiten eingestellt. Weil die Räume schnell zu entschloss. Im April 1996 zog die ZÄK an Einweihung des neuen ZÄK-Domi- eng wurden, zog die ZÄK bereits Anfang ihren heutigen Standort in der Großen zils am 14. Juni 1996. Linkes Bild: 1992 auf den Magdeburger Werder. Diesdorfer Straße in Magdeburg. Wenig Geschäftsführer Hans-Hugo Rau. 10 I 30 JAHRE PARTNERSCHAFT.
1991 – 2001 Seit 25 Jahren vor Ort: Am 14. Juni 1996 wurden feierlich die neue Geschäftsstelle und das Fortbil- dungsinstitut im Westen Magdeburgs eingeweiht. Informationen für Zahnärzteschaft, Teams und Patienten Der Öffentlichkeitsarbeit als Mittlerin Hannover. Ab Januar 1994 erschienen mehr als 100 Ausgaben erschienen. Ab zwischen Körperschaften und Zahnärz- die zn dann unter Federführung der Februar 1997 baut der emeritierte Hal- ten, aber auch zwischen Berufsstand und langjährigen Redakteurin Sabine Fiedler lenser Klinikdirektor Prof. Dr. Fritz Taege Gesellschaft wurde von Anfang an hohe mit neuem Layout unter eigener die Patientenberatung der ZÄK auf. Bedeutung beigemessen. Bereits im Juli Verantwortung. Im Juli 1995 Zuerst gibt es Beratungsstellen 1990 öffnete sich das Niedersächsische erscheint erstmals die zn-Beila- in Magdeburg, Halle und Dessau, Zahnärzteblatt (NZB) für Mitteilungen ge für Helferinnen. Anfang 1996 2001 folgen weitere in Stendal, aus dem Nachbarbundesland. Im beschlossen die Kammern der Halberstadt und Weißenfels. Bis Juni 1991 wurden neuen Bundeslän- heute haben sich 12.000 Patienten dann erstmals der, den in Sach- beraten lassen. Ein weiterer Service für die Zahnärztli- sen aus der Taufe Zahnärzte und Patienten ist die 1993 chen Nachrichten gehobenen „Zahn- eingerichtete Schlichtungsstelle. In der Sachsen-Anhalt Rat“ als gemeinsa- Kommunikation nach außen gab es über als eigenes me, vierteljährlich die Jahre hinweg nicht nur zahlreiche Mitteilungsblatt erscheinende Presseinformationen und -konferenzen, von ZÄK und KZV Patientenzeitschrift sondern auch Aktionen und Wettbewer- Sachsen-Anhalt herauszugeben. Die be wie den „Markttag der Zahngesund- herausgegeben, KZV Sachsen-Anhalt heit“ in Wernigerode 1995 bis 2008 und bis Ende 1993 ist ebenfalls mit im die Ausstellung „Auf den Zahn gefühlt“ mit Redaktion in Boot. Bis heute sind von 1997 bis 2000. 30 JAHRE PARTNERSCHAFT. I 11
1991 – 2001 Das Altersversorgungswerk der Zahnärztekammer Eine der ersten Amtshandlungen der sorgungswerkes beschließen konnte. Mit sollte. Die Sachverständigen des AVW Zahnärztekammer e. V. 1990 war die der nötigen Genehmigung vom 11. Juni Niedersachsen arbeiteten ebenfalls für Vorbereitung der Gründung eines 1991 im Rücken konnte das Altersver- Sachsen-Anhalt. Mitglieder der Zahnärz- Altersversorgungswerkes. Bereits im sorgungswerk der Zahnärztekammer tekammer Sachsen-Anhalt vor Voll- November 1990 konstituierte sich ein Ar- Sachsen-Anhalt am 1. Juli 1991 offiziell endung des 45. Lebensjahres wurden beitsausschuss unter Leitung von seine Arbeit aufnehmen – nun Pflichtmitglieder anstelle der Jens-Uwe Engelhardt (Magde- schneller als jedes andere Gesetzlichen Krankenversiche- burg, l.). Auch der heutige Vorsit- der neuen Bundesländer. rung. Ältere Mitglieder konnten zende des AVW-Verwaltungsaus- Vorsitzender des AVW-Ver- freiwillig beitreten, wofür sich die schusses Dieter Hanisch (Freyburg, waltungsausschusses wurde überwiegende Anzahl der Betrof- r.) war schon dabei. Mit Hilfe aus Nieder- Jens-Uwe Engelhardt, seit 1998 ist es fenen entschied. Eine „Solidarrente“ si- sachsen erarbeitete der Ausschuss eine Dieter Hanisch. Die ZÄK schloss einen cherte auch ihnen einen auskömmlichen Sachsen-Anhalt-spezifische Satzung, Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Ruhestand. Am 1. Juli 1996, fünf Jahre woraufhin die Kammerversammlung im AVW der Zahnärztekammer Nieder- nach seiner Gründung, konnte das AVW April 1991 die Gründung des Altersver- sachsen, der bis 2012 Bestand haben die ersten zehn Renten auszahlen. LEBENSLANGES LERNEN Fort- und Weiterbildung der mitsamt feierlichem Ball statt. schlug. Mit der Gründung des eige- Zahnärzte und ihrer Teams 1995 zog die Veranstaltung in nen Fortbildungsinstitutes 1996 gehören zu den Kernaufgaben den Magdeburger Herrenkrug wurde die ZÄK von kommerziel- der Zahnärztekammer. Nach um, seit dem Jahr 2000 wird sie len Angeboten unabhängig. 1997 der Wende wurde der Grund- gemeinsam mit der Gesellschaft erhielt das Institut den Namen des stein für Veranstaltungen für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Polyhistors Erwin Reichenbach. gelegt, die es bis heute gibt. (GZMK) ausgerichtet. Nach der Wende zu Gast bei den Fortbildungskongres- Von der Stoma-Schwester Bereits im Juli 1991 bot die ZÄK ihren sen der niedersächsischen Kammer zur Zahnarzthelferin Mitgliedern ein Kursprogramm, wie in Braunlage, nahm die ZÄK 1993 die es bis heute üblich ist. Im November Tradition der niedergelassenen Zahn- Aus der Stomatologischen Schwester 1992 fand die erste Auflage des bis ärzte wieder auf, die sich zu DDR-Zeiten wurde 1991 die Zahnarzthelferin, an heute durchgeführten Zahnärztetages jährlich zu einer Fortbildungswoche die Stelle der Fachschule trat die duale getroffen hatten. Rund 100 Kollegen Ausbildung in Praxen und Berufsschu- kamen so am 17. September 1993 zur len. Fachlich gut ausgebildet, fehlte den ersten Auflage der Fortbildungstage Stoma-Schwestern das Wissen zur Ab- in den malerischen Harzort Schierke rechnung in Kassenpraxen. 1992 begann am Fuße des Brockens; 1994 gab es die die ZÄK deshalb mit „Anpassungslehr- zweite Auflage mit nunmehr 330 Teil- gängen“. Diese absolvierten mehr als nehmern, 1995 fanden die Fortbildungs- 500 Teilnehmerinnen, die letzte Prüfung tage in Dessau statt und seit 1996 sind wurde 1998 abgelegt. Die Kurse ebne- sie in Wernigerode heimisch. Ab 1993 ten auch den Weg zu den ab 1996 in der betreute der emeritierte Magdeburger ZÄK angebotenen Aufstiegsfortbildun- Klinikdirektor Prof. Dr. Dr. Raimund Petz gen. Bis 1995 ließen sich in Sachsen-An- das Fortbildungsprogramm, was sich halt außerdem mehr als 350 Frauen zur Fortbildungstage deutlich in Qualität und Umfang nieder- Zahnarzthelferin umschulen. in Schierke 1994. 12 I 30 JAHRE PARTNERSCHAFT.
1991 – 2001 SCHWIERIGER START MIT SCHÜTZENHILFE Die erste Vorstandssitzung der ein Prozent des Umsatzes als Ver- ten zahnärztlichen Stammdaten KZV als e. V. (Vors. Dr. Rainer waltungskostenbeitrag erhalten. mussten schnellstens in die KZV Littinski) fand am 06.11.1990 Thema der ersten Vorstandssit- Niedersachsen zur EDV-Erfas- statt. Für die zukünftige Arbeit zung war zudem der Zustand der sung gebracht werden, um sicher- gab es vieles zu entscheiden, Geschäftsstelle im „Ärztehaus Mag- zustellen, dass die Zahnarztpraxen aber nur wenig Erfahrungswer- deburg“ in der Gellertstraße 5, wo schon im Februar 1991 die ersten Abschlags- te. Es ging vor allem darum, die ehemalige Abrechnungsstelle der im zahlungen für das erste Quartal 1991 Modalitäten für die Kassenzu- Bezirk Magdeburg verbliebenen privat erhalten konnten. lassung und für die Ersatzkas- niedergelassenen Zahnärzte ihren Sitz senbeteiligung festzulegen. hatte. Dort fanden in den Abendstunden Das war für alle Beteiligten ein heute die wöchentlichen Vorstandssitzungen nicht mehr vorstellbarer Kraftaufwand: Anfangs suchte man Schützenhilfe bei der und auch die Gespräche mit den Behör- Es musste nicht nur die Sicherheit KZV Niedersachsen. Denn noch waren den, Krankenkassen, Banken und – nicht für den Transport dieser Unterlagen die räumlichen und personellen Kapazi- zu vergessen – mit vielen Berufskollegen gewährleistet werden, sondern auch die täten und sicher auch die Sachkenntnis und der Partner-KZV Niedersachsen statt. Einhaltung des Datenschutzes war ein nicht ausreichend, um die Abrechnung großes Problem. Hinzu kamen die logis- der zahnärztlichen Leistungen vollends Stammdaten-Übertragung: tischen Herausforderungen: kein Auto, in Eigenregie durchzuführen. So sollte Ein Wettlauf mit der Zeit kein Telefon und keine Telefonverbin- die Abrechnung für das 1. und 2. Quar- dungen, kein Faxgerät, keine Kopierer, tal 1991 durch die KZV Niedersachsen Im Januar 1991 begann der Wettlauf keine Computer … heute muss man sich erfolgen und sie für diese Dienstleistung mit der Zeit: Die manuell registrier- fragen, wie das zu schaffen war! In die Praxis: Erste Zulassungen und Niederlassungen Soweit heute noch nachvollziehbar, war ten, ihre Praxen bis Ende 1990 eröffnet etwa 1.500 zugelassenen Zahnärzten Claudia Albrecht die erste Zahnärztin, zu haben. Eine nicht unerhebliche rund 1.400 ihre eigene Praxis tatsäch- die vom Zulassungsausschuss in Sach- Anzahl weiterer zeigte bei Einreichung lich eröffnet hatten. sen-Anhalt die Zulassung erhalten hat. der Unterlagen an, die Tätigkeit in eige- Obwohl bis zum Ende des Jahres 1990 ner Niederlassung Anfang Januar 1991 nur etwa 20 Zulassungen erteilt wur- aufgenommen zu haben bzw. aufneh- den, hatten zu diesem Zeitpunkt bereits men zu wollen. Da sich im Nachhinein weit mehr Zahnärzte ihre Tätigkeit in jedoch viele Niederlassungsmeldungen eigener Niederlassung aufgenommen: als bloße Absichtserklärungen heraus- rund 800 Zahnärzte in Sachsen-Anhalt! stellten, sind verlässliche statistische Aussagen aus der Anfangsphase dazu Für Zahnärzte, die im Angestelltenver- nicht mehr möglich. hältnis (Kommune, Poliklinik) verblie- ben, erfolgte die Teilnahme an der kas- Den statistischen Erhebungen konnte senzahnärztlichen Versorgung über den man sich erst später widmen und bei- Ein Provisorium: Die ersten jeweiligen Träger des Angestelltenver- spielsweise in mühevoller Kleinarbeit Geschäftsräume der KZV in der hältnisses. Etwa 550 Zahnärzte melde- ermitteln, dass von den bis Ende 1991 Magdeburger Gellertstraße. 30 JAHRE PARTNERSCHAFT. I 13
1991 – 2001 AUFBAU DER SELBSTVERWALTUNG Ende 1990 waren die ersten drei Mitarbeiter der KZV in den Räumen der ehemaligen Abrechnungsstelle für Ärzte und Zahnärzte des ehemali- gen Bezirkes Magdeburg in der Gellertstraße 5 unterge- bracht. Die Arbeitsmittel wie Schreibtische, Stühle, Schreib- und Addiermaschinen besorg- ten sie sich aus dem Familien- und Freundeskreis. Die Baustelle des KZV-Verwaltungs- Am 4. April 1991 konnte die Geschäfts- werden. Damit war die Voraussetzung gebäude im Jahr 1994. Zu Weih- stelle der KZV aus ihren beengten und für die Planung des Gebäudes und den nachten war der Umzug vollbracht. provisorischen Räumlichkeiten zum Kai- Erwerb eines Grundstückes am südlichen ser-Otto-Ring 6 in Magdeburg umziehen. Stadtrand gegeben. Knapp zwei Jahre Allerdings wurden mit den steigenden später, am 26. Juni 1993, stimmte die Dr. Rainer Littinski unter dem lachenden Anforderungen auch hier die Räume Vertreterversammlung dem vorgelegten Beifall der Anwesenden mit schmerzver- schnell knapp, dazu kam der marode Zu- Finanzierungsmodell zu, das für jedes zerrtem Gesicht aus dem Munde riss … stand des Gebäudes. Deshalb beantragte KZV-Mitglied eine monatliche Belastung der KZV-Vorstand bei der Aufsichts- für die Dauer von zehn Jahren mit hälfti- Die Arbeiten am Verwaltungsneu- behörde die Zustimmung zum Erwerb ger Refinanzierung vorsah. Aufgrund der bau der KZV Sachsen-Anhalt gingen eines Grundstücks für den Neubau eines guten finanziellen Entwicklung konnte planmäßig voran. So konnte die KZV Verwaltungsgebäudes mit 3.500 Quad- die Finanzierung des Verwaltungsgebäu- Sachsen-Anhalt am 10. August 1994 zu ratmetern Nutzfläche. Am 28. November des jedoch früher abgeschlossen und die einem kleinen Richtfest für den Neubau 1992 beschloss die Vertreterversamm- Belastung der KZV-Mitglieder deutlich einladen. Der Tradition folgend, schlug lung der KZV, dass die Vertragszahnärz- reduziert werden. Dr. Hans Hünecke den letzten Nagel te des Landes den Hausbau finanzieren in den Dachstuhl, nachdem der Burger Am 12. Januar 1994 erfolgte bei nass- Zimmermann Dirk Adam in seinem kaltem, stürmischen Wetter die Grund- Richtspruch dem Bauherrn mit seinem steinlegung. In seiner Rede zu diesem Haus viel Glück gewünscht hatte. Den feierlichen Anlass verwies der 1. Vorsit- Umzug aus dem Kaiser-Otto-Ring an zende der KZV Sachsen-Anhalt, Dr. Hans den südlichen Stadtrand von Magdeburg Hünecke, darauf, dass mit dem Grund- konnte die Verwaltung ab Mitte Dezem- stein für das neue Verwaltungsgebäude ber angehen – wenn auch zu diesem „die abschließende Phase des Aufbaus Zeitpunkt noch fast mehr Bauarbeiter unserer Selbstverwaltung“ beginne. Im als Angestellte im Haus tätig waren. Die Grundstein versenkt wurden die aktuelle Vorfreude auf optimale Arbeitsbedin- Ausgabe der Tageszeitung „Volksstim- gungen motivierte die 140 Mitarbeiter me“, ein Satz Münzen, ein Grundsatzpa- so, dass keiner auf Arbeitsstunden oder pier des KZV-Vorstandes zu Fragen der -belastungen achtete. Und Weihnachten berufsständischen Selbstverwaltung und verspürten alle ein wohliges Glücksge- Grundsteinlegung am 12. Januar 1994 drei Zähne, die sich Vorstandsmitglied fühl: Es ist geschafft! durch Dr. Hans Hünecke. 14 I 30 JAHRE PARTNERSCHAFT.
1991 – 2001 Begrenzte Vergütung und Einführung des HVM In Folge des Gesundheitsstrukturgeset- Verteilung der Gelder musste her. Über • die Sicherheit des Praxisbestandes zes von 1993 ließ sich in Paragraph 85 Monate und mehrere Vertreterversamm- nicht gefährden. Abs. 1 des SGB V Folgendes lesen: „Die lungen zogen sich die Vorbereitungen Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe des Honorarverteilungsmaßstabs Gerecht könne ein HVM nicht sein – des Gesamtvertrages für die gesamte (HVM), der nach dem Willen des dies war allen Vertretern klar. In vertragsärztliche Versorgung mit befrei- Vorstands fünf Anforderungen der Frühjahrssitzung am 8. April ender Wirkung eine Gesamtvergütung erfüllen sollte: 1995 beschlossen die Delegier- an die Kassenärztliche Vereinigung.“ Das ten der VV schließlich den HVM bedeutete im Klartext: Die Gesamtver- • jedem Vertragszahnarzt eine der KZV Sachsen-Anhalt. Die Stimmung gütung wird gedeckelt, es steht nur ein Leistungserbringung zum Vertrags- fasste Dr. Peter Schmidt, der den Dele- bestimmter Betrag für die kassen-(zahn-) punktwert ermöglichen, gierten den HVM vorstellte, treffend in ärztliche Versorgung zur Verfügung. Das • die Punktwertangleichung an den folgende Worte: „Alles, was wir in dieser hieß aber auch: Die KZVen sind vom Ge- Punktwert West nicht gefährden, Angelegenheit tun, erfolgt unter Geset- setzgeber verpflichtet, sicherzustellen, • eine möglichst gerechte Verteilung zeszwang; wir halten derartige Maßnah- dass diese Gesamtvergütung auch für der Honorare anstreben, men für absolut leistungsfeindlich und alle unter das Budget fallenden Leis- • eine Entsolidarisierung der Ver- hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit tungen ausreicht. Sprich: Ein Modell zur tragszahnärzte vermeiden und für sehr fragwürdig.“ Das Verwaltungsgebäude der Kassenzahnärztlichen Auszug aus dem ersten Rundbrief der KZV Sachsen-Anhalt, 10.12.1990: Vereinigung Sachsen-Anhalt. „Die Verantwortlichen der KZV arbeiten seit Wochen ohne freie Abende oder Wochenenden. Verwaltungsmäßig sind wir völlig überfordert. Trotzdem hoffen wir, ab Januar 1991 mit Ihrer Hilfe die Zahnheilkunde in unserem Land in eigener Verwaltung auf den richtigen Weg zu bringen. Sie bitten wir dabei um etwas Geduld und Verständnis für die totale Überforderung und auch die Unmöglichkeit, diesem oder jenem von Ihnen auf persönliche Anfragen zu antworten …“ 30 JAHRE PARTNERSCHAFT. I 15
1991 - 2001 HIGHLIGHTS AUS EINEM Das AVW startet Die ZÄK wird KdöR 1. Juli 1991: Das Al- tersversorgungswerk 29. Juni 1991: Konstituierende (AVW) der Zahnärzte- Die KZV wird KdöR Kammerversammlung der Zahnärztekammer Sach- kammer Sachsen-An- halt nimmt offiziell sen-Anhalt, ebenfalls als seine Tätigkeit auf. 28. Juni 1991: Konstituierung der KZV als Körperschaft des öffentlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Rechts. erste Vertreterversammlung findet statt. ZÄK und GZMK kooperieren Reichenbach- Förderpreis 29. Februar 2000: Der Zahnärztetag wird in KZV geht online Januar 2001: Die ZÄK verleiht zu seiner 8. Auflage erst- Ehren des Polyhistors erstmals den mals gemeinsam von Juli 2001: Die Körperschaft geht ins Erwin-Reichenbach-Förderpreis. ZÄK und GZMK veran- Netz: Die erste Internetpräsenz 2020 werden Preis und Fortbildungs- staltet. Ort seitdem: der KZV wird unter der Adresse institut vom Namensgeber gelöst, Das Hotel im Magde- www.kzv-sa.de freigeschaltet. nachdem Näheres zur Biografie burger Herrenkrug. Reichenbachs in der Zeit des Natio- nalsozialismus bekannt wurde. 16 I 30 JAHRE PARTNERSCHAFT.
M JAHRZEHNT 1991 - 2001 ZÄK startet die Das erste KZV-Logo Fortbildungstage KZV rechnet September 1993: 1993: Die KZV Sachsen-Anhalt eigenständig ab Schierker Fortbildung möchte sich in einer unverwechsel- baren Erscheinungsweise präsentie- der Zahnärztekammer April 1992: Die KZV-Ge- ren. Daraufhin wird EDV-Mitarbeiter mit 100 Teilnehmern. schäftsstelle übernimmt Thomas Wernecke kreativ: Sein 1994 gibt es eine die Abrechnung der Be- Entwurf eines magentafarbenen zweite Auflage in handlungsscheine von der Logos mit den drei schattierten Ver- Schierke, 1995 ziehen KZV Niedersachsen – ein salien „KZV“ und dem Landesnamen die Fortbildungstage bedeutender Schritt für die „Sachsen-Anhalt“ findet ungeteilte nach Dessau, seit 1996 Eigenständigkeit und die Zustimmung. sind sie in Wernigerode Entwicklung der KZV. heimisch. Patientenberatung Diskettenabrechnung startet Die ZÄK zieht um erfolgreich gestartet Februar 1997: Die April 1996: Die Geschäftsstelle der April 1997: In Sachsen-Anhalt läuft ab der drit- erste Patientenbera- ZÄK zieht in die Große Diesdorfer ten Quartalsabrechnung 1995 der Feldversuch tungsstelle der ZÄK Str. 162 in Magdeburg. Zwei Monate zum Datenträgeraustausch. Die papierlose öffnet in Magdeburg. später wird offiziell das neue Fort- Abrechnung ist das (Fern-)Ziel. 1997 heißt es Seitdem wurden mehr bildungsinstitut eröffnet. Von 1997 dann: Die Diskettenabrechnung ist erfolgreich als 12.000 Patienten bis 2020 trägt es den Namen „Erwin gestartet. Von 1.379 eingereichten Disketten anonym und unpartei- Reichenbach“. können 1.368 verwendet werden. Nur 119 Pra- isch beraten. xen rechnen noch „per Hand“ ab. 30 JAHRE PARTNERSCHAFT. I 17
2002 – 2011 2002 – 2011 BLEIBENDES UND NEUES. 18 I 30 JAHRE PARTNERSCHAFT.
2002 – 2011 NACHDENKLICHKEIT STATT FEIERLAUNE Ein Gläschen Sekt wurde den Mit Budgetierung, angestrebten Ta- Politik, bei der für die Honorierung Mitgliedern der KZV-Vertreter- gesprofilen, PKV-Standardtarifen von Leistungen deren Art und versammlung in ihrer Sitzung zum 1,7-fachen GOZ-Satz, Mehr- Umfang ebenso wenig ins Ge- am 25. November 2000 kre- kostenvereinbarungen, deren pri- wicht fielen wie die tatsächlichen denzt. Diese recht ungewöhn- vat verhandeltes Honorar gesetzlich Praxiskosten, sondern einzig die liche Zäsur nach dem Bericht begrenzt sein sollte, mit verschärften Stabilität des Beitragssatzes für die GKV des 1. Vorsitzenden der KZV, Dr. Wirtschaftlichkeitsprüfungen, in Frage zähle. Anstatt auf das voraussichtliche Hans Hünecke, wurde aller- gestelltem Sicherstellungsauftrag der Defizit in den Haushalten der Kranken- dings nicht mit Ausgelassenheit KZV und mit Zulassungsbeschränkungen kassen mit noch mehr Bürokratie und quittiert, sondern eher mit seien die Zahnärzte der neuen Bundes- Kontrolle der Heilberufe zu reagieren, Nachdenklichkeit. Denn ziem- länder nach zehn Jahren wieder bei solle die Politik besser dem Vorschlag lich genau zehn Jahre zuvor Planwirtschaft, Dirigismus und letztlich der Zahnärzteschaft Gehör schenken: – am 24. Oktober 1990 – hatten dem drohenden Zusammenbruch der mehr Selbstbestimmung und zumutbare sich 210 basisdemokratisch ge- Gesundheitsversorgung gelandet – nach Eigenverantwortung der Patientinnen wählte Vertreterinnen und Ver- so hoffnungsvollem Start. und Patienten in einem System von Ver- treter der Zahnärzteschaft aus trags- und Wahlleistungen mit Kosten- Sachsen-Anhalt in Magdeburg 50 Insolvenzanträge erstattung und Festzuschüssen. getroffen, um den ersten Vor- durch Zahnarztpraxen stand der KZV e. V. zu wählen. Einem entsprechenden Leitantrag des So mancher fühlte sich anno Allerdings, so warnte der KZV-Vorsitzen- Vorstandes stimmte auch die Vertreter- 2000 aber wieder in die Zeit vor de, treffe die Pleite diesmal nicht den versammlung der KZV Sachsen-Anhalt der Wende zurückversetzt. Staat, sondern die Zahnärzte persönlich: einstimmig zu. Diese Konzepte in der 50 Insolvenzanträge von Zahnarztpra- Öffentlichkeit und vor der Zahnärzte- Aus der Sicht des 1. Vorsitzenden schloss xen seien bereits eingereicht, mit weite- schaft zu vertreten, bezeichnete Dr. sich nach zehn Jahren mit dem GKV-Ge- ren 100 müsse man wohl in nächster Zeit Hans Hünecke als die Hauptaufgabe der sundheitsreformgesetz nun der Kreis: rechnen. Das seien Auswirkungen einer kommenden Jahre. Die Vertreterversammlung der KZV im November 2001. 30 JAHRE PARTNERSCHAFT. I 19
2002 – 2011 Früh erkannt: Die Altersstruktur wird zum Problem Bei den Zahnärzten in Sachsen-An- zwanzigste älter als 56. Im Jahr 2001 zu absolvieren. Und kaum jemand von halt existierten Anfang 2002 für acht war nur noch ein Achtel unter 36, aber ihnen kam nach Sachsen-Anhalt zurück. Planungsbereiche Zulassungssperren, der Anteil der über 56-Jährigen hatte Auch im Jahr 2010 wies der Vorstand und weiteren drei Gebieten stand sich verdreifacht. Für die fortgesetz- das aufsichtführende Ministerium auf die Sperrung bevor. Die Zahl der zur ten Zulassungssperren war allerdings den stetig maroder werdenden Zustand vertragszahnärztlichen Versor- nicht ein überdurchschnittlicher des demografischen Lebensbaumes der gung Zugelassenen stieg bisher Zustrom an Zahnärztinnen und Vertragszahnärzteschaft des Landes noch an. In der Frühjahrstagung Zahnärzten verantwortlich, hin: Bereits mehr als die Hälfte der der Vertreterversammlung wies sondern vielmehr das „negati- KZV-Mitglieder hatten zu diesem Zeit- Vorstandsmitglied Dieter Hanisch ve Bevölkerungswachstum“, das punkt „die 50“ überschritten. allerding bereits auf die bedenkliche in Sachsen-Anhalt dramatische Aus- Entwicklung der Altersstruktur der hiesi- maße angenommen hatte. Das machte Interessant auch die Details: Von den gen Zahnärzteschaft hin: Die Alters- zugleich auch vor dem zahnärztlichen 40- bis 49-Jährigen arbeiteten 41 Pro- pyramide hatte ihre Basis verloren und Nachwuchs nicht halt: Von den jährlich zent im Süden des Landes, 39 Prozent stattdessen einen „Bauch“ bekommen. rund dreißig jungen Zahnmedizinern, in den Städten und nur 29 Prozent die in Halle nach erfolgreichem Studi- im Norden. Kaum 2 Prozent der Ver- Der Grund dafür: Die Zahnärzteschaft um die Approbationsurkunden erhielten tragszahnärzte im Norden des Landes alterte, ohne dass in ausreichendem und die im langjährigen Mittel auch nö- waren jünger als 30 Jahre. Im Süden Maß junge Kolleginnen und Kollegen tig waren, um den Generationswechsel war übrigens ein ähnlich großer Anteil nachrückten. So war im Jahr 1993 noch auszugleichen, gingen neuerdings im- bereits über 69 Jahre alt – und noch am ein Drittel der niedergelassenen Zahn- mer mehr in die alten Bundesländer, um Behandlungsstuhl tätig. Aus dem Minis- ärzte jünger als 36 Jahre, und nur jeder dort ihre zweijährige Vorbereitungszeit terium kam dazu keine Äußerung. Das Ende einer Ära: Dr. Hans Hünecke hört auf Zwölf Jahre als 1. Vorsitzender der danken der Freiberuflichkeit bestimmt KZV Sachsen-Anhalt gingen für Dr. sind, und dies der Kollegenschaft als Hans Hünecke am 25. Januar 2003 mit alternatives Angebot unterbreitet. der konstituierenden Sitzung der neu Tatsächliche Veränderungen herbeizu- gewählten Vertreterversammlung, für führen – das ist ein äußerst zählebiger die er nicht wieder kandidiert hatte, zu Prozess. Jeder Zahnarzt sollte wissen: Ende. Man konnte, wie es die Zahnärzt- Auch er selbst muss sich daran beteili- lichen Nachrichten Sachsen-Anhalt in gen, sie herbeizuführen. Die seit Jahren ihrer Januar-Ausgabe 2003 taten, sicher auf gleichem Niveau begrenzten Mittel mit Fug und Recht vom Ende einer Ära müssen auf der Basis eines HVM verteilt sprechen. Eine neue würde beginnen, werden, der die Leistungen auch nur zu kein Zweifel. In einem Interview gab einem begrenzten Teil angemessen ver- Dr. Hünecke noch einmal Auskunft zu gütet. Bei Fortsetzung der derzeitigen Fragen der Standespolitik, der Freibe- Sozialpolitik wird sich das nicht bessern, ruflichkeit in Sachsen-Anhalt und zu im Gegenteil. Wo da die Schmerzgrenze den Zwängen, denen sich auch die KZV erreicht ist, wird jeder Zahnarzt indivi- Sachsen-Anhalt stellen musste und duell erleben. Wenn sie die Mehrzahl muss. Auf die Frage, was der Berufs- der Kollegen spürbar erfasst, dann wird stand von der KZV angesichts der ihr diese Mehrheit darüber entscheiden, in gesetzten Grenzen denn überhaupt auf den Weg gab: Der Berufsstand kön- welcher Form den Patienten ein Ange- erwarten könne, formulierte der erfah- ne von der KZV erwarten, „dass sie die bot zu einer qualitativen, umfassenden rene Standespolitiker ein Credo, das er Zielstellungen der politischen Tätigkeit zahnärztlichen Versorgung unterbreitet seinen Nachfolgern gewissermaßen mit formuliert, Wege aufzeigt, die vom Ge- werden soll.“ 20 I 30 JAHRE PARTNERSCHAFT.
2002 – 2011 LAND UNTER AUCH BEI ZAHNÄRZTEN Im Sommer 2002 schwollen die Fluten von Elbe und Mulde nach heftigen Regenfällen zu einem Hochwasser an, das erst in Sachsen große Verwüs- tungen anrichtete und ab dem 13./14. August auch Sach- sen-Anhalt erreichte. Fieberhaft wurde seitdem in den Dörfern und Städten entlang von Bildunterschrift Mulde und Elbe an der Befestigung mit kurzer Beschreibung der Deichanlagen, aber auch an der Abdichtung von Häusern gearbeitet. Tausende Menschen vor allem im Süden Sachsen-Anhalts mussten ihre Häuser verlassen. Viele von ihnen arbeiteten bis zur Erschöpfung an der Sicherung und Verstärkung der Hoch- wasserschutzanlagen mit. Die Vorstän- 16. August 2002: Freiwillige Helfer sind am de von ZÄK und KZV Sachsen-Anhalt gebracht wurden, aber in den am Ufer der Goitzsche in Bitterfeld mit dem Bau trafen sich am Freitagnachmittag (16. meisten gefährdeten Gebieten – eines Dammes beschäftigt. Das ehemalige Tagebaurestloch droht nach der Flut der August 2002) zu einer Krisensitzung. Pretzsch an der Elbe, Wittenberg, Mulde überzulaufen und die Stadt Bitterfeld Etwa 10 Prozent der Zahnarztpraxen Dessau, Bitterfeld, Raguhn, Jessnitz … zu gefährden. Foto: ZB / Peter Endig des Landes, so eine erste, vorsichtige – waren die Praxen am Freitagvormit- Schätzung aufgrund von Gesprächen tag telefonisch schon gar nicht mehr zu mit Kreisstellenvorsitzenden, könnten erreichen. Angesichts dieser Situati- vom Hochwasser betroffen sein – nicht on verständigten sich die Vorstände finanzielle Erleichterungen und Hilfen wenige von ihnen in einem Ausmaß, beider Körperschaften auf Maßnahmen entsprechend den Möglichkeiten der das ihre Existenz bedrohte. zur Unterstützung der geschädigten Körperschaften gewährt werden. Am Praxen. Es wurde ein Beratungsdienst Ende standen Milliardenschäden in Zwei Wochen eingerichtet, der beispielsweise Hin- Sachsen-Anhalt zu Buche. Magdeburg Ausnahmezustand weise und Ratschläge geben sollte, kam durch Ziehen des Pretziener wie man die angekündigten staatli- Wehrs glimpflich davon. Viele nicht Zwar war aus den Gebieten um Dessau, chen Hilfen und Fördermittel nutzbar direkt betroffene Kolleginnen und Schönebeck, Burg, Magdeburg zu machen konnte, welche steuerlichen Kollegen zeigten sich beim Sandsäcke erfahren, dass in bedrohten Bereichen Erleichterungen in Frage kamen und schleppen, bei Deichwachen und mit vorsorglich aus Kellern Kompressoren welche Hilfen bei der Entlohnung von Spenden solidarisch. Die Bundesregie- und Absauganlagen, aber auch Archiv- Zahnarzthelferinnen bei vorüberge- rung unterstützte mit Soforthilfen und materialien ausgelagert, in manchen henden Praxisschließungen möglich einem 7,1 Milliarden Euro umfassenden Praxen sogar auch die Behandlungs- waren. In extremen Notfällen sollten Fonds zur Aufbauhilfe in den Hochwas- stühle demontiert und in Sicherheit auch mittelbare und unmittelbare sergebieten. 30 JAHRE PARTNERSCHAFT. I 21
2002 – 2011 EINE NEUE KZV ENTSTEHT Man konnte auf der Tagesord- nung zur Frühjahrssitzung der Vertreterversammlung anno 2004 schnell darüber hinweg- lesen, aber dieser TOP hatte es in sich: die Diskussion zur „Selbstauflösung“ der Vertre- terversammlung vor Ende der Legislaturperiode, wie sie per Gesetz verlangt wurde. Die Frühjahrs-VV hatte gemäß den gesetzlichen Vorgaben die Satzung und die Wahlordnung für eine „neue“ KZV zu beschließen. Die Anzahl der Vertre- ter wurde von 45 auf 30 reduziert, der ehrenamtliche Vorstand durch einen hauptamtlichen ersetzt, der maximal aus drei Personen bestehen sollte. In seinen Ausführungen wies der KZV-Vorsitzende Dieter Hanisch auf die Notwendigkeit Blick in die Reihen der Vertreterversamm- hin, dass der zahnärztliche Sachverstand lung der KZV Sachsen-Anhalt bei ihrer Frühjahrstagung am 17. April 2004. auch unter den Kautelen des GKV-Mo- dernisierungsgesetzes erhalten bliebe. Die Spielräume für die KZV seien schon immer als zu klein empfunden worden, Geschichte der KZVen einen hauptamt- der Praxen in Sachsen-Anhalt nutzen aber man habe sich trotzdem in ihnen lichen Vorstand zu wählen hatte. Noch – der großen wie der kleinen. „Mir ist bewegen können. Sie würden ab 2005 während der alten Legislaturperiode, am allerdings schon heute klar: Wir werden mit hauptamtlichen Vorständen ge- 27. November 2004, fand sich die neue es nicht jedem recht machen können; wiss nicht größer werden, aber es wäre Vertreterversammlung zu ihrer konstitu- Interessenvertretung ist immer maxi- sträflich, sie nicht auch dann zum Nutzen ierenden Sitzung ein, um den hauptamt- mal für eine Mehrheit möglich, nie für der Zahnärzte ausreizen zu wollen. Er lichen Vorstand der KZV zu wählen, alle“, schätzte Klaus Brauner ein. Dieter plädierte dafür, Zahnärzte und nicht dessen sechsjährige Amtszeit (wie die Hanisch formulierte es so: „Wir wollen Berufsfremde in den künftigen Vorstand der VV) am 1. Januar 2005 beginnen soll- es schaffen, dass die Kollegen ihre KZV zu wählen, denn: „Dass Entscheidun- te. Zum Vorstandsvorsitzenden wurde auch weiterhin als eine Service-Einrich- gen über Zahnärzte künftig von Leuten Dieter Hanisch, zum Stellvertretenden tung sehen, als eine Institution, die sie getroffen werden könnten, die von der Vorsitzenden Dr. Klaus Brauner gewählt. anrufen können, wenn sie eine Frage, ein Sache nicht die geringste Ahnung haben Damit war die „neue“ KZV Sachsen-An- Problem haben, und in der sie kom- – das fände ich beängstigend.“ halt startklar. petente Ansprechpartner und Interes- senvertreter finden. Das soll immer im Am 21. August 2004 erfolgte die Auszäh- Auf die Frage nach den Zielen ihrer Vordergrund stehen und nie von der lung der Stimmen für die neue Vertreter- Tätigkeit antworteten beide, sie wollten Kontrollfunktion, die der Gesetzgeber versammlung der 5. Legislaturperiode die Freiräume, die noch vorhanden seien, der KZV ja auch aufgedrückt hat, über- ab 2005, die zum ersten Mal in der maximal im Sinne des Funktionierens deckt werden.“ 22 I 30 JAHRE PARTNERSCHAFT.
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