Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi

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Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi
D R U C K + PA P I E R
                                                          Nr. 3 | Mai 2013 | Jahrgang 151

                                                                                                                                                    Die Branchenzeitung
Was kosten Investitionen im

Zeitungsdruck?
Mal ist es Europas »modernste« Rotation, mal ist sie »weltweit einzigartig« – fast zwei Dutzend

                                                                                                                                                    w w w.dr up a.verdi.de
Zeitungsdruckereien haben in den vergangenen fünf Jahren hoch automatisierte Rotationen
gekauft. Die Rationalisierungswelle soll Helfer überflüssig und Drucker arbeitslos machen.

Sparsam, schnell und produktiv ist        weggeschickt. Weil die neue Technik     vielen Zeitungsverlagen so. Nach
die neue Colorman, sagt Maschinen-        sie angeblich überflüssig macht. Und    15 bis 20 Jahren wird das Alte ver-
hersteller Manroland. Plattenwechsel,     weil eine Fremdfirma die Arbeit der     schrottet. Neue Maschinen kosten
Maschineneinstellungen, Rollenkeller      Teilzeitkräfte in der Weiterverarbei-   Arbeitsplätze. Manchmal wird gleich
– alles läuft vollautomatisch. Das        tung übernimmt.                         ein neues Druckzentrum gebaut wie
sichere kürzere Rüstzeiten, verringere         Es hätte noch mehr Arbeitsplätze   beim Oberpfälzer Medienhaus »Der
Makulatur und senke die Personal-         gekostet, wenn der Betriebsrat nicht    Neue Tag« in Weiden (Foto oben).
kosten. Solchen Versprechen glaubt        mit Unterstützung von ver.di eine       Manchmal nutzt der Verleger die In-
die Kundschaft nur allzu gern.            Arbeitszeitverkürzung auf 33 Wo-        vestition, um Kosten zu drücken. So
    Der Braunschweiger Zeitungsver-       chenstunden ausgehandelt hätte.         wie Madsack. Die Märkische Verlags-
                                                                                                                                                    w w w.dr uck .verdi.de

lag WAZ-Gruppe kaufte gleich zwei         Ernst Heilmann von ver.di: »Inzwi-      und Druckgesellschaft wird aufge-
dieser Druckmaschinen und baute ein       schen scheint es üblich zu sein, dass   spalten, Pressedruck Potsdam ist nun
neues Druckzentrum inklusive neuer        Investitionen von den Beschäftigten     eigenständig und tariflos. Die neue
Versandlinien. Macht 31 Millionen         mitbezahlt werden.« Von denen, die      Rotation, die nächstes Jahr dort auf-
Euro. Dank der neuen Technik blicke       gehen. Und von denen, die bleiben,      gestellt werden soll, sei so produktiv
man wesentlich optimistischer in die      mehr arbeiten und mit weniger Geld      und hoch automatisiert, dass die Hel-
Zukunft, erklärte der Geschäftsführer     auskommen müssen. Weil sich aber        fer überflüssig und nur etwa halb so
des Braunschweiger Zeitungsverlags        Belegschaft, Betriebsrat und Gewerk-    viel Drucker gebraucht werden. Sagt
bei der Eröffnung im März. Das gilt       schaft dafür starkgemacht haben,        der Arbeitgeber. Im Glauben an den
allerdings nicht für alle. Mehr als die   ist es gelungen, das Druckzentrum       Hersteller. Ob das stimmt und welche
Hälfte der Stammbelegschaft ist ab-       im Tarif zu halten. Die beiden neuen    Lösungen in Kempten und Augsburg
gebaut worden: von 170 auf 80 Be-         Rotationen in Braunschweig erset-       gefunden wurden, steht auf den
schäftigte. Gekündigt, ausgeschieden,     zen drei alte Maschinen. Das ist in     Seiten 4 und 5.       MICHAELA BÖHM
Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi
2               D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3

                                                              N A C H R I C H T
Mit      DIESER          AUSGABE
... fächert DRUCK + PAPIER ein Themenspektrum auf, das
                                                             Prinovis-Proteste:
                                                             Schließung früher
bei Rationalisierung und deren Folgen im Zeitungsdruck       Betroffene, Angehörige, aber
                                                             auch Einwohner und weitere
beginnt, Tarifentwicklungen sowie Pro und Contra von

                                                                                                                                                                      Foto: Günther Metzinger
                                                             Sympathisanten begleiteten
Leiharbeitsverträgen einschließt. Mitunter die Grenze des    am 15. April den Start von
                                                             Sozialplan- und Sozialtarifver-
Leistbaren überschreitende Arbeit von Betriebsräten wird
                                                             handlungen für die über 1.000
ebenso gezeigt wie beruflich-fachliche und gewerkschaft-     Beschäftigten des Prinovis-        Mit Kind und Kegel zum Protest

                                                             Standortes Itzehoe mit einer       dass noch bis August 2014           und der Betriebsrat lehnten
liche Nachwuchsarbeit an Beispielen. Typografisches und
                                                             Kundgebung vor den Werksto-        produziert wird. Die Arbeit-        das ab und forderten Abfin-
Historisches sind auch vertreten.                            ren. Die Geschäftsleitung legte    geberseite bot als Abfindung        dungen von 1,7 Monatsent-
                                                             zunächst einen »Fahrplan« für      pro Beschäftigungsjahr einen        gelten pro Beschäftigungsjahr
    Eher hintergründig, aber mehrfach taucht das Wort
                                                             die Abwicklung des Werks auf       Monatslohn an, ohne das ta-         sowie Qualifizierungsmaßnah-
Stress auf. Druck- und Papierunternehmen sind landläufig     den Tisch: Ende April kommen-      rifliche Weihnachts- und Ur-        men. Die Verhandlungen wer-
                                                             den Jahres werde die Produk-       laubsgeld zu berücksichtigen.       den fortgesetzt, die Proteste
keine, die für nervenaufreibende Jobs, besondere psy-
                                                             tion beendet, die Hallen sol-      Dadurch kämen nicht einmal          gegen die Schließung gehen
chische Belastung am Arbeitsplatz stehen. Doch die of-       len bis spätestens März 2015       0,9 Monatslöhne pro Beschäf-        mit unterschiedlichen Aktionen
                                                             geräumt sein. Bisher hieß es,      tigungsjahr zustande. ver.di        weiter. -sil
fizielle Statistik der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin belehrt uns: Gleich nach den Lehrern, den       Termi n ka l e n der

Altenpflegerinnen, Notärztinnen oder Rettungssanitä-         BERLIN, 31. MAI BIS 23. JUNI,      LAGE-HÖRSTE, 16. BIS 21.            LAGE-HÖRSTE, 28. BIS 30.
                                                             Kulturforum am Potsdamer           JUNI 2013, ver.di-IMK, Semi-        JUNI 2013, ver.di-IMK, 14.
tern sind es Beschäftigte in Druckereien und der Papier-
                                                             Platz, Auftaktausstellung          nar für Betriebsratsmitglieder      Tage der Typografie: form +
verarbeitung, die am häufigsten wegen psychischer Lei-       »100 beste Plakate 2012 –          aus »Mischbetrieben«,               inhalt: Typografie – Macht –
                                                             Deutschland Österreich             www.imk.verdi.de                    gesellschaftliche Verantwor-
den krankgeschrieben werden. Ein unerwarteter Befund.
                                                             Schweiz«, www.100-beste-                                               tung, www.imk.verdi.de,
Ursachen oder Gründe bleiben im Dunkeln. Altersstruktur      plakate.de                         LAGE-HÖRSTE, 17. BIS 19.            www.tage-der-typografie.de
                                                                                                JUNI 2013, ver.di-IMK, WiDi-
und Schichtdienste mögen dazu gehören. Die Beschleu-         LAGE-HÖRSTE, 2. BIS 7. JUNI
                                                                                                Seminar zur beruflichen Wei-        LEIPZIG, 2. BIS 7. JULI 2013,
                                                             2013, ver.di-IMK, Seminar für
nigung von Prozessen, die Notwendigkeit, schneller und                                          terbildung: Hand-in-Hand            Messegelände, World Skills,
                                                             Betriebsratsmitglieder aus
                                                                                                – Datenprüfung und Da-              Berufe-Weltmeisterschaft,
effizienter zu arbeiten, mehr Verantwortung zu überneh-      dem Verlagsbereich von Zei-
                                                                                                tenkorrektur mit Adobe CS           www.worldskillsleipzig
                                                             tungsbetrieben, www.imk.
men, flexibler und mobiler zu sein, aber auch monotone                                          / Acrobat pro und Enfocus           2013.com
                                                             verdi.de
                                                                                                PitStop, www.imk.verdi.de
Abläufe und häufige Störungen werden von Soziologen
                                                             MAINZ, 7. JUNI BIS 8. SEP-                                             LAGE-HÖRSTE, 26. BIS 30.
und Psychologen für zunehmenden Stress verantwortlich        TEMBER, Gutenberg-Museum:          BERLIN, 20. BIS 21. JUNI            AUGUST 2013, ver.di-IMK,
                                                             Sonderausstellung »Call            2013, Tagung des ver.di-Bun-        Digitaldruck-Workshop 1:
gemacht. Und: Ein besonderes Risiko tragen Leiharbei-
                                                             for Type – Neue Schriften«,        desvorstands der Fachgruppe         Technik, Workflows und An-
ter. Bei ihnen kommen die permanente Unsicherheit des        Einblicke in die Welt des          Verlage, Druck und Papier,          wendungen, www.imk.verdi.de
                                                             Type-Designs, www.                 www.druck.verdi.de
Arbeitsplatzes und Unzufriedenheit hinzu. Welche kon-
                                                             gutenberg-museum.de                                                    LAGE-HÖRSTE, 15. BIS 20.
kreten Auswirkungen das in der Branche und für jede/n                                           LAGE-HÖRSTE, 24. BIS 26.            SEPTEMBER 2013, ver.di-IMK,
                                                             LEIPZIG, 9. JUNI BIS 25. AU-
                                                                                                JUNI 2013, ver.di-IMK, WiDi-        Seminar für Betriebsratsmit-
Einzelne/n hat, das müsste genauer erforscht werden,         GUST, Museum für Druckkunst:
                                                                                                Seminar zur beruflichen Wei-        glieder aus Rollenakzidenz-,
                                                             Karl-Georg Hirsch und Andreas
etwa durch Gefährdungsanalysen. Auch Gewerkschaft                                               terbildung: Fotografie und          Tiefdruck- sowie Endlos- und
                                                             Brylka. 50 Jahre Holzstich und
                                                                                                Bildbearbeitung in der tägli-       Mailingbetrieben, www.imk.
und Tarifkommissionen sollten verstärkt auf die Arbeits-     Buchillustration, www.druck-
                                                                                                chen Praxis, www.imk.verdi.de       verdi.de
                                                             kunst-museum.de
bedingungen schauen, besseres Gesundheitsmanage-
                                                               I mpressum
ment einfordern. Angesichts von Standortschließungen
                                                             DRUCK+PAPIER – die ver.di-         Vereinte Dienstleistungsgewerk-     030.6956-3654, drupa@verdi.de.
und Stellenabbau zweitrangig? Das hieße zu fragen, ob        Branchenzeitung – erscheint        schaft, Bundesvorstand/Fach-        Korrektorat: Hartmut Brecken-
                                                             für die Mitglieder der Alt-Fach-   bereich Medien, Kunst und In-       kamp. Anzeigen­verwaltung:
                                Arbeitslose oder Kranke      gruppen Druckindustrie und         dustrie, Frank Bsirske und Frank    werkzwei, Ruth Schauder, Sach-
                                                             Zeitungsverlage sowie Papier-      Werneke. Redaktion: Michaela        senstr. 26, 32756 Detmold, Tel.
                                schlimmer dran sind.
                                                             und Kunststoffverarbeitung 2013    Böhm, Andreas Fröhlich (verant-     05231.7094454, E-Mail: anzei-
                                Beide, wäre die Antwort.     regulär acht Mal als Beilage zur   wortlich), Helma Nehrlich, Paula-   gen@werkzwei.de. Design und
                                                             ver.di-Mitgliederzeitung PUBLIK.   Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin,       Vorstufe: werkzwei, Detmold.
                                        Helma Nehrlich       151. Jahrgang. Herausgeber:        Telefon: 030.6956-2318, Telefax:    Druck: apm AG, Darmstadt.
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                       F ü r G e w erkschaf t srech t e
Foto: Maichel Dutta

               Sieg gegen Bauer                                                                                                                         Nachrich t

                                                                                                                                                      »Volksstimme«-Chef
                                                                                                                                                      muss Strafe zahlen
                                                                                                                                                      Nach der rechtswidrigen Aus-
                      Polnische Druckereibeschäftigte können zurück an ihren Arbeitsplatz                                                             sperrung eines Gewerkschafters
                      Drei Entlassene aus der Druckerei         vor der Druckerei 250 Mitglieder der       Drohungen löste sich die                   Ende vergangenen Jahres muss
                      BDN im polnischen Wykroty erkämpf-        Solidarność protestiert (Foto). Zu der   gewerkschaftliche Betriebsgruppe           der Geschäftsführer der Mag-
                      ten jetzt ihr Recht auf Wiedereinstel-    Aktion waren auch Kolleg/innen vom         wieder auf. Die meisten der rund           deburger »Volksstimme« Klaus
                      lung. Das Unternehmen der Hambur-         DGB und von ver.di nach Polen ge-          400 Beschäftigten arbeiten nach            Lange 1.000 Euro Strafe zahlen.
                      ger Bauer Media Group steht in der        kommen.                                    Angaben von Solidarność zu soge-         Die Staatsanwaltschaft verzich-
                      polnischen Sonderwirtschaftszone              Die Werksleitung versuchte da-         nannten Müllverträgen: Das heißt,          tete auf einen Prozess, damit
                      Nowogrodziec. Vor anderthalb Jah-         mals, die Protestierenden auf dras-        dass sie keine richtigen Arbeitsver-       der Betriebsfrieden bei der
                      ren hatte man die drei fristlos entlas-   tische Weise einzuschüchtern: Dut-         träge haben und zum Beispiel auch          zum Hamburger Bauer-Verlag
                      sen, nachdem sie sich vor dem Werk-       zende Polizisten in Kampfanzügen           keinen Rentenanspruch erwerben.            gehörenden Redaktion nicht
                      stor mit einem Vertreter der polni-       ließen vor dem Werkstor nur eine               »Sonderwirtschaftszonen dürfen         durch eine öffentliche Haupt-
                      schen Gewerkschaft Solidarność ge-      schmale Gasse. Beschäftigte, die ihre      keine Sonder-Arbeitsrechtszonen            verhandlung noch weiter leide.
                      troffen hatten. Gegen den Rauswurf        Schicht antreten wollten, mussten          sein. Grenzüberschreitend müssen           Der gekündigte Vorsitzende
                      setzten sie sich seither zur Wehr.        durch das Uniformiertenspalier. Flug-      die Unternehmen Arbeits- und Ge-           des Betriebsrates Winfried
                           Im Februar 2013 wurde in zweiter     blätter der Gewerkschaft durften sie       werkschaftsrechte einhalten«, sagt         Borchert erklärte, die Aussper-
                      Instanz verhandelt. Der Arbeitgeber       nicht annehmen. Mutige, die trotz-         Markus Schlimbach, stellvertretender       rung sei »leider nur die Spitze
                      muss sie wieder einstellen und für        dem zugriffen, mussten die Zettel          DGB-Vorsitzender im Bezirk Sachsen         des Eisberges an Rechtsver-
                      alle Kosten aufkommen. Das Urteil         am Eingang wieder abgeben. Nach            und Präsident des Interregionalen          stößen durch die Geschäftsfüh-
                      ist rechtskräftig und endgültig. »Nie-    dieser Aktion traten so viele Drucke-      Gewerkschaftsrats Elbe-Neiße, auch         rung«. Weitaus folgenschwerer
                      mand darf Arbeitnehmer- und Ge-           reibeschäftigte der Gewerkschaft bei,      an die Adresse des Bauer-Konzerns.         sei die völlige Ausschaltung von
                      werkschaftsrechte straflos verletzen,     dass eine Solidarność-Betriebsgruppe     Das Elbe-Neiße-Gremium ist eine            Arbeitnehmermitbestimmung.
                      weil diese Rechte das Fundament           gegründet werden konnte. Daraufhin         grenzüberschreitende Initiative der        Michael Kopp, zuständiger
                      des demokratischen Systems dar-           drohte der Arbeitgeber, die Jahres-        Gewerkschaften Solidarność, Region       ver.di-Fachbereichsleiter
                      stellen«, betonte Franciszek Kopeć ,     prämie von 1,5 bis zwei Gehältern          Jelenia Góra, der Böhmisch-Mähri-          Medien, forderte die Bauer-
                      Vorsitzender der Unabhängigen Ge-         nicht mehr zu zahlen. Außerdem             schen Konföderation der Gewerk-            Konzernleitung auf, endlich
                      werkschaft Solidarność in der Region    werde in das Werk nicht mehr inves-        schaftsverbände ČMKOS und des             über einen Haustarifvertrag
                      Jelenia Góra. Gegen die Kündigungen       tiert, was den Abbau von Arbeits-          DGB-Bezirks Sachsen.                 		    für alle »Volksstimme«-Mitar-
                      hatten bereits am 17. Oktober 2011        plätzen zur Folge hätte. Nach diesen       		                  Silke Leukfeld         beiter zu verhandeln.
                                                                                                                                                                                     Cartoon: Reinhard Alff
Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi
4                   D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3

  M e l du n ge n                   M o der n s t e Z ei t u n gsdruckmaschi n e n

                                   Zerren an der Personaldecke
Chesapeake Neu-
Isenburg schließt
Das Chesapeake-Werk in Neu-
Isenburg soll zum Jahresende
geschlossen werden. Bisher         Rationalisierung macht Helfer überflüssig und Drucker arbeitslos
arbeiten dort 120 Beschäf-
tigte, die am 11. April in einer                                                                                            Schmid. Natürlich freiwillig, aber was
Mitarbeiterversammlung von                                                                                                  sei da schon freiwillig.
dem Plan überrascht wurden.                                                                                                      Obwohl Leute fehlen, wird nie-
Lediglich ein Verkaufsbüro soll                                                                                             mand eingestellt. Stattdessen holt
bestehen bleiben; bis zu 110                                                                                                das Druckzentrum zwei Fremdfir-
Beschäftigte werden betriebs-                                                                                               men. Die eine schickt Putztrupps
bedingt entlassen. Der Be-                                                                                                  zum Maschinenreinigen, die andere
triebsrat und ver.di werfen der                                                                                             Minijobber/innen für Einlegearbeiten
Geschäftsleitung vor, sich nicht                                                                                            in die Weiterverarbeitung. Dabei war
im Vorfeld mit den betriebli-                                                                                               im Sozialplan geregelt, dass die Ent-
chen Interessenvertretungen                                                                                                 lassenen eine drei Jahre lang gültige
verständigt zu haben. Diese                                                                                                 Wiedereinstellungsgarantie haben,
Vorgehensweise sei skanda-                                                                                                  falls im Druckzentrum doch mehr
lös und nicht nachvollziehbar.                                                                                              Personal gebraucht wird. »Statt ei-
Chesapeake Neu-Isenburg pro-                                                                                                nen Teil der Gekündigten wieder zu
duziert Faltschachteln für die                                                                                              beschäftigen und nach Tarif zu be-
pharmazeutische Industrie. -Sil                                                                                             zahlen, setzt das Druckzentrum auf
                                   Diese High-Tech-Rotation der Superlative steht in Braunschweig.                          Billigjobs und presst die Belegschaft
150 Stellen in                                                                                                              aus«, sagte Irene Salberg.
Ettringen weg                      Ob in Weiden, Ansbach oder Neu-                Irene Salberg von ver.di. Wer frei             Das kann auch anders gehen,
UPM legt seine Papiermaschine      brandenburg – Zeitungsverleger                 hat, wird gefragt, ob er nicht doch       etwa im Allgäuer Zeitungsverlag in
4 in Ettringen still. Betroffen    kaufen neue Rotationen. »Die Ruhe              arbeiten kann. Ist ein Kollege krank,     Kempten. Kein anderer Verlag welt-
sind 150 Beschäftigte. Es werde    ist vorbei«, schrieb das Magazin               springt ein anderer in seine Schicht.     weit hat so eine Rotation. Mitsamt
mit ihnen verhandelt, verlaut-     »Deutscher Drucker«. Und »auch die             Fehlt einer in der Ver- und Entsor-       Vorstufe, Druck und Versand inves-
bart der finnische Konzern,        Beamten-ähnliche Sicherheit der Ar-            gung, hilft ein Drucker aus. Weil der     tierte man 18 Millionen Euro. Die
der sieben deutsche Standorte      beitsplätze« sei weg. Die hat es zwar          nun an der Maschine fehlt, kommt          neue Druckmaschine begeisterte den
hat. In Ettringen war bereits      nie gegeben, aber richtig ist, dass            es vor, dass ein Kollege die Linie al-    Geschäftsführer derart, dass er sie als
2011 eine Maschine außer           Betriebsräte und Gewerkschaften um             lein fährt. Wartung und Instandhal-       »catchy« bezeichnete, einprägsam.
Betrieb gesetzt worden. Zu         Maschinenbesetzungen, Tarife und               tung der Maschinen werden immer           Wäre sie ein Lied, hätte sie das Zeug
Ende April legte UPM auch eine     Arbeitsplätze kämpfen müssen.                  wieder verschoben. Selbst wenn die        zum Ohrwurm. Horst Hiltner, der Be-
Maschine für ungestrichene              Wo sich der Unternehmer durch-            Gummitücher Risse zeigen, fehlt zum       triebsratsvorsitzende, ist nicht ganz
Magazinpapiere im finnischen       setzt, herrschen Zustände wie in               Wechseln oft die Zeit. Die Besetzung      so verzückt. Sämtliche Helfer, fast ein
Rauma still. Der Konzern will      Regensburg: Der Mittelbayerische               ist knapp, Personalreserven gibt es       Dutzend, sind entbehrlich geworden.
seine Papierproduktion in          Verlag kaufte eine neue Maschine,              nicht, die beiden Azubis sind fest ein-   Und die Zahl der Drucker soll von 18
Europa um jährlich 580.000         baute vor drei Jahren für 45 Mil-              geplant: »Die Kollegen kriechen auf       auf 13 sinken. Doch hier wurden die
Tonnen reduzieren.                 lionen Euro ein neues Druck- und               dem Zahnfleisch.« Nicht anders ist es     Helfer nicht entlassen, sondern ver-
                                   Logistikzentrum und schmiss 45 Ro-             in der Weiterverarbeitung. »Zeitkon-      setzt oder in Altersteilzeit geschickt.
Eigenregie bei                     tationshelfer/innen und Einleger/in-           ten laufen über und Kollegen werden       Auch die Drucker landen nicht auf
insolventer OAN                    nen raus. Seitdem ist die Belegschaft          aus dem Urlaub und ihrem freien Tag       der Straße, sondern scheiden nach
Nach einem Berichtstermin          heillos überlastet. »Der Umgang mit            in den Betrieb zurückgeholt«, erzählt     und nach regulär aus. Dafür hat der
beim Amtsgericht Leipzig           den Beschäftigten ist fahrlässig«, sagt        Betriebsratsvorsitzender Manfred          Firmentarifvertrag gesorgt, der Kün-
stimmten am 8. April auch die
Gläubiger des insolventen säch-
sischen Druck-Konzerns Offizin     Sparwelle erreicht die WAZ-Druckhäuser
Andersen Nexö der Fortführung      Die Auflagenverluste der vier Zei-             nur noch auf sieben Straßen ein           dingte Kündigungen zu verhindern«,
des Sanierungsverfahrens in        tungstitel der WAZ-, neuerdings                Umfang von maximal 32 Seiten pro-         so der Betriebsratsvorsitzende Rainer
Eigenregie zu. Es wurde ein        Funke-Mediengruppe in Nordrhein-               duziert. Nichtaktuelle Seiten wie die     Linxweiler im DVZ Hagen, wo die
Gläubigerausschuss bestätigt.      Westfalen haben jetzt Auswirkun-               Kultur werden in einem Servicebuch        »Westfälische Rundschau« und die
Der Geschäftsbetrieb soll un-      gen auf die schwere Technik in den             schon ab 18 Uhr vor der Tageszei-         »Westfalenpost« gedruckt werden.
befristet weitergeführt werden.    Druckhäusern des Konzerns in Essen             tungsproduktion gedruckt.                 Ebenso werde ein Modell für die
Geschäftsführer Stephan Treu-      und im Druck- und Verlagszentrum                   »Wir versuchen, in Zusammen-          Altersteilzeit entwickelt und zur Vor-
leben wurde beauftragt, zügig      (DVZ) in Hagen-Bathey. Ab dem                  arbeit mit der Personalabteilung alle     sorge mit der Personalabteilung ein
einen Insolvenzplan vorzulegen.    2. Mai wird in beiden Druckereien              Register zu ziehen, um betriebsbe-        Sozialplan verhandelt.
Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi
D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3    5

                                                                                                                                                                      i n t ervie w

                                                   Neubrandenburg

                           Delmenhorst
                                                                                                                                                                    Zeitungsforscher
                                                                                                                                                                    Horst Röper vom
                          Minden            Braunschweig               Potsdam                                                                                      Formatt-Institut
              Bielefeld                                                                                                                                             in Dortmund
       Marl

                                                                                                                                                                    Immer noch
  Aachen
                                                                                                                                                                    ordentliche Gewinne
                          Gießen    Fulda
                                                                                                                                                                    D+P: In den vergangenen fünf
   Koblenz
                                                                                                                                                                    Jahren haben fast zwei Dutzend
                                                                                                                                                                    Verleger neue Zeitungsrotatio-
                                           Weiden
                              Ansbach                                                                                                                               nen gekauft. Offensichtlich ist
                      Heilbronn   Crailsheim
                                                                Regensburg
                                                                                                                                                                    Geld vorhanden?
      Karlsruhe
                                                    Straubing                                                                                                       Röper: Bei den meisten Ver-
                                         Aichach
                              Ulm                  Augsburg                                                                                                         lagen sicherlich. Wir wissen
                                                                                                                                                                    es aber nur für die wenigsten.
                                       Penzberg
                              Weingarten Kempten
                                                 Rosenheim                                                                                                          Zeitungsverlage sind Tendenz-
                                                                                                                                                                    betriebe. Im Gegensatz zu an-
Neue Rotationen seit 2009, auch geplante.                                        Vor dem Knopfdruck: Qualifizierte Fachkräfte überblicken den gesamten Prozess.     deren Unternehmen können die
                                                                                                                                                                    Betriebsräte keinen Wirtschafts-
digungen ausschließt, eine Personal-                                   Betrieb. Sie ist nicht ganz so hoch           nik, desto höher ist der Aufwand für           ausschuss bilden und erhalten
reserve von 20 Prozent festlegt und                                    automatisiert wie die der jetzigen            die Wartung.«                                  keinen Einblick in Bilanzen. Die
die Besetzung regelt. Damit ist klar:                                  Generation. Aber auch bei der                      Bald ist es wieder so weit. Die           veröffentlichen nur wenige, wie
Nachts sind die drei Achtertürme                                       »Augsburger Allgemeinen Zeitung«              »Augsburger Allgemeine« plant, etwa            der Axel-Springer-Verlag, Mad-
und ein Falz mit fünf Druckern be-                                     hat die XXL-Rotation 39 Helferjobs            im Jahr 2020 die nächste Maschine              sack und die FAZ.
setzt. Das entspricht der Regelung                                     gekostet; 19 verloren ihren Arbeits-          zu kaufen und bis dahin die Zahl der           D+P: Aber der Kauf von Ro-
von vier Druckern und einem Hel-                                       platz, 20 wurden zu Druckern qualifi-         Drucker von heute 48 auf rund 32               tationen lässt darauf schließen,
fer im Manteltarifvertrag. Weil die                                    ziert. »Die Umschulung hat gut funk-          zu reduzieren. Damit wäre die Beleg-           dass es den Verlegern doch so
einstigen Helferarbeiten nun durch                                     tioniert, alle haben es gepackt, einige       schaft innerhalb von 15 Jahren auf             schlecht nicht gehen kann?
Drucker erledigt werden, macht das                                     sind heute Maschinenführer«, sagt             ein Viertel geschrumpft. Möglicher-            Röper: Stimmt. Das sieht man
einen Drucker mehr. Damit ist Hiltner                                  Betriebsrat Herbert Kuchenbaur.               weise ist die angepeilte Zahl viel eher        auch daran, dass immer Zei-
zufrieden, zumal die Geschäftsfüh-                                         Ohne Helfer ging es dann aber             erreicht, weil etliche in Rente und            tungsunternehmen zugreifen,
rung ursprünglich eine Besetzung mit                                   doch nicht. Platten wegfahren, Wal-           Altersteilzeit gehen. Dann kann die            wenn Zeitungen zum Verkauf
drei Druckern fahren wollte: »Aber                                     zenstühle einstellen, Reinigungsar-           laufende Maschine schon ab über-               stehen: Madsack hat die Beteili-
machen wir uns nichts vor: Die neue                                    beiten, das erledigen vier befristet          nächstem Jahr nicht mehr ausrei-               gungen von Springer an Regio-
Technik kostet die Hälfte der Arbeits-                                 eingestellte Helfer. Und noch etwas           chend besetzt werden. Der Stress sei           nalzeitungen gekauft, die »Main
plätze im Druck.«                                                      deckt sich nicht mit den vollmundi-           enorm gestiegen, sagt Kuchenbaur,              Post« wurde von der »Augsbur-
     Ob in Kempten künftig die ver-                                    gen Versprechen der Maschinenher-             und die Arbeit falle den Älteren zu-           ger Allgemeinen« übernommen,
einbarten 13 Drucker ausreichen?                                       steller, die – überspitzt gesagt – so         nehmend schwer. Die neuen Maschi-              die »Saarbrücker Zeitung« von
Die neue Maschine läuft erst ein paar                                  tun, als genüge ein Knopfdruck für            nen sind fix und einige Auflagen von           der »Rheinischen Post.«
Wochen. Wartungsaufwand und                                            den Druck. Werte für Farbe und Was-           Lokalausgaben so niedrig, dass sie             D+P: Die Forderung der Deut-
Auftragsentwicklung lassen sich noch                                   ser müssen oft nachjustiert und die           innerhalb weniger Minuten gedruckt             schen Journalistinnen- und
nicht endgültig abschätzen.                                            Wartungsintervalle exakt eingehalten          sind. Dann heißt es wieder umbauen,            Journalisten-Union (dju) in
     Mehr Erfahrungen haben die                                        werden. Sonst gibt’s mehr Makulatur           drucken, umbauen. »Umso wichtiger              ver.di von 5,5 Prozent mehr
Augsburger. Dort ist die Druckma-                                      und miese Druckqualität. »Je mehr             ist es, dass die tarifliche Maschinen-         Gehalt für Redakteur/innen an
schine schon seit sieben Jahren in                                     Elektronik und je komplexer die Tech-         besetzung gilt.«       Michaela Böhm           Tageszeitungen hat der Bundes-
                                                                                                                                                                    verband Deutscher Zeitungsver-
Nach Informationen des Dortmun-                                        rungen von 20 Prozent erzielen zu             tretenden Betriebsratsvorsitzenden             leger als utopisch bezeichnet.
der ver.di-Sekretärs Rolf Ellerkamp                                    wollen, befürchtet er personelle Kon-         des WAZ-Druckhauses in Essen, hat              Er spricht von wirtschaftlich
sind die Betriebsvereinbarungen zur                                    sequenzen auch für die Druckereien:           man sich dort »bis heute nicht über            schwierigen Rahmenbedingun-
Lage der Arbeitszeit in der Rotation                                   »Die Zeiten, als die Druckhäuser in           Personalabbau unterhalten« müssen.             gen bei Zeitungsunternehmen.
und der Weiterverarbeitung in Ha-                                      einem ruhigen Fahrwasser unterwegs            Allerdings lief in Essen, wo die »Neue         Röper: Das ist der übliche Re-
gen wie in Essen gekündigt worden.                                     waren, sind vorbei.« Allein wenn              Ruhr/Neue Rhein Zeitung« und die               flex auf Gehaltsforderungen.
Angesichts der Entwicklungen in den                                    Arbeiten von der Nacht- in die Tag-           »Westdeutsche Allgemeine« gedruckt             Gerade bei den Verlegern mit
letzten Monaten, der Schließung der                                    schicht verlegt würden, bedeute das           werden, zuletzt die Produktion oh-             Monopolstellung ist die Ren-
kompletten Redaktion der »Westfäli-                                    für jeden Einzelnen Verlust von Er-           nehin nur auf sieben Linien. Anders            dite ordentlich, auch wenn die
schen Rundschau« und der Ankündi-                                      schwerniszuschlägen. Nach Auskunft            als in Hagen, wo von acht auf sieben           Gewinnspannen kleiner sind
gung, insgesamt im Konzern Einspa-                                     von Klaus Blömeke, dem stellver-              reduziert werden muss. -fbi                    als früher.
Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi
6                          D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3

B ra n che n zusch l ä ge i n der D rucki n dus t rie
                                                                                                                                            Ab 10. Monat:

Lohnplus in Stufen
                                                                                                                                            12,67 Euro

Auch in der Druckindustrie erhalten Leiharbeiter Zuschläge nach Einsatzdauer
                                                                                                 Ab 1. November gibt es für Leihar-                     noch mit 6,15 Euro pro Stunde we-
                                                                                                 beiter in der Druckindustrie mehr                      niger zufriedengeben als der Helfer
                                                                                                 Geld. ver.di hat im Februar mit den                    in Lohngruppe IV des Tarifvertrags
                                                                                                 beiden Arbeitgeberverbänden der                        der Druckindustrie, so schrumpft der
                                                                                                 Leiharbeit Branchenzuschläge verein-                   Unterschied nach neun Monaten auf
                                                                                                 bart. Wie auch in der Papier, Pappe                    2,22 Euro. Gleicher Lohn für gleiche
                                                              5. Woche:                          und Kunststoffe verarbeitenden In-                     Arbeit ist das nicht, aber »ein weite-
                                                              9,44 Euro                          dustrie erhalten die Leiharbeitsbe-                    rer Schritt, um die Löhne von Leih-
                                                                                                 schäftigten bereits nach der vierten                   arbeitsbeschäftigten zu verbessern«,
                                                                                                 Woche einen Zuschlag auf ihren                         sagt Andreas Fröhlich von ver.di.
                                                                                                 Stundenlohn.                                               Die Zuschläge gelten allerdings
                                                                                                      Die Zuschläge sind gestaffelt und                 nur für Leiharbeiter im gewerblichen
                                                                                                 steigen mit der Einsatzdauer. Los                      Bereich. Für die kaufmännischen und
                                                                                                 geht es mit acht Prozent nach der                      technischen Angestellten, die in die
                                                                                                 vierten Woche. Die letzte Stufe ist                    Druckindustrie entliehen werden,
                                                                                                 nach neun Monaten erreicht. Dann                       sind sich ver.di und die Verleiherver-
                                                                                                 erhält ein Leiharbeiter einen Zuschlag                 bände noch nicht einig geworden.
                                                                                                 von 45 Prozent. Ein Beispiel: Startet                      Außer ver.di haben auch die IG
                                                                                                 ein Leiharbeiter in der Druckindustrie,                Metall, die IG Bergbau, Chemie und
                  Start:
                                                                                                 erhält er in der Entgeltgruppe 2 nach                  Energie und die Eisenbahn- und Ver-
                  8,74 Euro
                                                                                                 dem Leiharbeitstarifvertrag in den                     kehrsgewerkschaft ein Plus für die
                                                                                                 ersten vier Wochen pro Stunde 8,74                     Leiharbeiter/innen durchgesetzt.
                                                                                                 Euro (West) oder 7,64 Euro (Ost). Ab                       Es gibt eine weitere Verbesse-
                                                                                                 der fünften Woche steigt der Stun-                     rung: Das Bundesarbeitsgericht hat
                                                                                                 denlohn auf 9,44 Euro (8,25 Euro).                     entschieden, dass Leiharbeitnehmer
                                                                                                 Und ab dem zehnten Monat erhält er                     künftig mitzuzählen sind, wenn es
                                                                                                 12,67 Euro (11,08 Euro).                               um die Zahl der Betriebsratsmitglie-
                                                                                                      Kurz gesagt: Je länger der Leih-                  der geht. Arbeiten in einem Betrieb
                                                                                                 arbeiter im Druckbetrieb eingesetzt                    beispielsweise 130 Stammbeschäf-
                                                                                                 ist, desto kleiner der Unterschied                     tigte und 71 Leiharbeiter, besteht
                                                                                                 zum Lohn eines Stammbeschäftigten                      der Betriebsrat aus neun Mitgliedern
                                                                                                 (siehe Grafik). Muss sich der gleiche                  und nicht aus sieben wie bisher. Und
                                                                                                 Leiharbeiter in einem Druckbetrieb                     eines davon ist für die Betriebsratsar-
                                                                                                 im Westen in den ersten vier Wochen                    beit freizustellen. MICHAELA BÖHM

Was ist Equal Pay?                                                                               Entgelt- iGZ/BAP   nach               Nach             nach             nach             nach
                                                                                                 gruppe West ab 4 Wochen               3 Monaten        5 Monaten        7 Monaten        9 Monaten
Leiharbeiter/innen müssen so bezahlt und behandelt werden wie Stammbe-                           iGZ/BAP 1.11.2012 8 Prozent           15 Prozent       20 Prozent       35 Prozent       45 Prozent
schäftigte (Equal Pay und Equal Treatment). Das regelt das Arbeitnehmer-                                            Zu.*   Ent.**      Zu.    Ent.      Zu.    Ent.      Zu.    Ent.      Zu.    Ent.
überlassungsgesetz. Allerdings gibt es darin eine Öffnungsklausel. Danach                                1      8,19 0,66 8,85            1,23 9,42        1,64 9,83        2,87 11,06       3,69 11,88
                                                                                                        2        8,74   0,70    9,44     1,31   10,05     1,75   10,49     3,06   11,80     3,93   12,67
darf von der gleichen Bezahlung und Behandlung per Tarifvertrag abgewi-
                                                                                                        3      10,22    0,82   11,04     1,53   11,75     2,04   12,26     3,58   13,80     4,60   14,82
chen werden. Das hat in Deutschland dazu geführt, dass für die allermeis-
                                                                                                        4      10,81    0,86   11,67     1,62   12,43     2,16   12,97     3,78   14,59     4,86   15,67
ten Leiharbeiter/innen zwar Tarifverträge gelten, sie aber dennoch sehr viel
                                                                                                        5      12,21    0,98   13,19     1,83   14,04     2,44   14,65     4,27   16,48     5,49   17,70
schlechter bezahlt und behandelt werden als Stammbeschäftigte.

Zuschläge für Leiharbeit in der Druckindustrie (West)                                            Entgelt- iGZ/BAP   nach               Nach             nach             nach             nach
16                                                                                     14,89     gruppe Ost ab      4 Wochen           3 Monaten        5 Monaten        7 Monaten        9 Monaten
                                                                                                 iGZ/BAP 1.11.2012 8 Prozent           15 Prozent       20 Prozent       35 Prozent       45 Prozent
14                                                                                                                  Zu.    Ent.        Zu.    Ent.      Zu.    Ent.      Zu.    Ent.      Zu.    Ent.
                                                                                       12,67
                                                                            11,80                       1       7,50 0,60 8,10            1,13 8,63        1,50 9,00        2,63 10,13       3,38 10,88
12
                                                                  10,49                                 2        7,64   0,61    8,25     1,15    8,79     1,53    9,17     2,67   10,31     3,44   11,08
                                              10,05
10                         9,44                                                                         3        8,93   0,71    9,64     1,34   10,27     1,79   10,72     3,13   12,06     4,02   12,95
           8,74
    8                                                                                                   4        9,45   0,76   10,21     1,42   10,87     1,89   11,34     3,31   12,76     4,25   13,70
        bis 4. Woche     4. Woche            3. Monat           5. Monat   7. Monat   9. Monat          5      10,68    0,85   11,53     1,60   12,28     2,14   12,82     3,74   14,42     4,81   15,49
           EG 2 Leiharbeit                LG 4 Druck
* Werte in Euro pro Stunde; Vergleich iGZ/BAP-DGB-Tarif und Drucktarif                           *Zuschlag, **Entgelt, abgestimmt mit iGZ/BAP, 22. März 2013
Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi
D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3                              7

               Pro und Contra Leiharbeitstarifverträge
                                                                                                                                                                S t rich ä t zu n g

                                                                                                                                                                Balanceakt
                                                                                                                                                                Yoga-Lehrer ist der entspan-
               Seit zehn Jahren schließt die Tarifgemeinschaft der DGB-Gewerkschaften mit den beiden                                                            nendste aller Berufe. Laut einer
               großen Arbeitgeberverbänden für Leiharbeit Tarifverträge ab. Jetzt will sie den Tarif-                                                           Umfrage. »Stress« und »Burn-
                                                                                                                                                                out« sind in diesem Job unbe-
               vertrag für Leiharbeiter zum 30. April kündigen und neu verhandeln. Letzteres sollte                                                             kannt. Aber auch die am we-
               sie nicht tun, sagt der Arbeitsrechtler Professor Wolfgang Däubler von der Universität                                                           nigsten Entspannten – Piloten,
                                                                                                                                                                Krankenhausärzte und Kellner –
               Bremen. Welche Argumente dafür sprechen, erklärt ver.di-Tarifexperte Jörg Wiedemuth.                                                             dürften nie über zu viel Stress
                                                                                    
                                                    
                                                                                                                                                                klagen, glaubt man Arbeitge-
                                                                                                                                                                berpräsident Dieter Hundt: »Die
                                                                                                                                                                Jobwelt ist nicht schuld, dass
                                                                                                                                                                viele Arbeitnehmer unter Stress
                                                                                                                                                                leiden und krank werden. Sie

                                                                                                                                  Foto: Christian von Polentz
                                                                                                                                                                bekommen ihr Privatleben nicht
                                    Jörg Wiedemuth                                         Wolfgang Däubler,
                                                                                                                                                                in den Griff.« Aha!
                                    ist Leiter der                                     Rechtsprofessor an der
                                                                                                                                                                     Nun kommt aber wieder
Foto: ver.di

                                    tarifpolitischen                                       Universität Bremen,
                                    Grundsatzabteilung                          Mitautor des Kommentars zum                                                     mal die Bundesanstalt für
                                    bei ver.di                                      Betriebsverfassungsgesetz
                                                                                                                                                                Arbeitsschutz mit ihrem jährli-
               »Wir haben uns nach langer Debatte dazu entschlos-        »Seit zehn Jahren sorgen Tarifverträge – auch die                                      chen Stressreport daher. Dieser
               sen, mit den anderen DGB-Gewerkschaften erneut            der DGB-Gewerkschaften – dafür, dass Leiharbeiter                                      zeigt: Es gibt doch Stress in der
               über Tarifverträge für Leiharbeiter zu verhandeln. Ein    enorme Zumutungen hinnehmen müssen.                                                    Berufswelt. Zeitdruck, Multi-
               wichtiger Grund ist der Mindestlohn. Er liegt jetzt           Denken wir folgendes Szenario: Ohne Tarifver-                                      tasking und Monotonie. Die
               bei 8,19 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten.           träge in der Leiharbeit würden Equal Pay und Equal                                     Zahl der psychisch bedingten
               Den darf kein Arbeitgeber unterschreiten. Das gilt        Treatment gelten, wie es im Gesetz steht. Die DGB-                                     Krankschreibungen nimmt zu.
               auch für ausländische Verleiher, die Leiharbeiter nach    Gewerkschaften müssten keinen Mindestlohn und                                          »Papierherstellung und Druck«
               Deutschland schicken. Basis für den Mindestlohn ist       keine Branchenzuschläge verhandeln. Denn die                                           liegen da statistisch gar auf
               aber der Tarifvertrag. Ohne ihn verlieren wir die un-     Leiharbeiter/innen würden bezahlt und behandelt                                        Platz drei.
               tere Haltegrenze. Unser Ziel ist jetzt, den Mindestlohn   wie Stammbeschäftigte. Und wenn Scheingewerk-                                               Was nun? Gewerkschaf-
               für alle Leiharbeiter auf 8,50 Euro zu erhöhen.           schaften Dumping-Verträge mit Arbeitgebern verein-                                     ten und Politiker fordern die
                   Wir haben von unseren Juristen prüfen lassen,ob       baren, dann helfen auch keine DGB-Tarife, sondern                                      Einführung einer Anti-Stress-
               Equal Pay und Equal Treatment gelten würden, wenn         – wie im Fall der Christlichen Gewerkschaften Zeit-                                    Verordnung für Betriebe. Auch
               wir den Tarifvertrag mit den Verleihverbänden ein-        arbeit (CZGP) – nur gerichtliche Mittel. Nichts ande-                                  die Bundesarbeitsministerin
               fach auslaufen ließen und nicht mehr neu verhandeln.      res gilt für Billigtarife aus dem Ausland. Abgesehen                                   denkt darüber nach und ruft
               Aber den Automatismus sehen wir – im Gegensatz zu         davon, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz                                         an den Verhandlungstisch. Für
               Professor Däubler – nicht. Das müsste gerichtlich ge-     nur nach deutschem Recht geschlossene Tarife gel-                                      die Arbeitgeber ist das schon
               klärt werden und das dauert lange. Wir gehen davon        ten lässt. Billigtarife aus dem Ausland verhindern die                                 wieder zu viel Stress: »Gerne
               aus, dass der Tarifvertrag nachwirkt, also hätten wir     DGB-Gewerkschaften nicht dadurch, dass sie den                                         Verbesserungen in der Arbeits-
               nichts gewonnen, wenn wir uns verweigern.                 Verleiherverbänden mit dem Abschluss von Tarifver-                                     welt, aber bloß keine rechtliche
                   Stattdessen haben wir uns dazu entschieden,           trägen entgegenkommen. Außerdem: Die Leihar-                                           Verordnung.«
               Branchenzuschläge durchzusetzen. Das entspricht           beitsrichtlinie der Europäischen Union verlangt, dass                                       In Japan verordnen Arbeit-
               auch unserer Forderung von 2003. Damals steck-            der ›Gesamtschutz‹ der Leiharbeiter nicht schlechter                                   geber Mittagskurzschlaf und in
               ten wir allerdings mitten in den Verhandlungen,           sein darf als der der Stammbeschäftigten. Das ist                                      den Niederlanden entspannen
               als sogenannte christliche Gewerkschaften einen           aber mit den DGB-Tarifen der Fall. Damit riskieren                                     sich gestresste Beschäftigte in
               Lohndumping-Tarifvertrag auf den Tisch legten. Wir        die DGB-Gewerkschaften, dass ihre Tarifverträge                                        Snoezelräumen. Bei Thyssen-
               waren dadurch enorm unter Druck und haben eigene          durch europäische Rechtsprechung für unwirksam                                         Krupp in Essen gibt es einen
               Tarifverträge abgeschlossen, die allerdings weit weg      erklärt werden.                                                                        »Raum der Stille« – für’s Austa-
               waren von unseren ursprünglichen Forderungen.                 Was könnten die DGB-Gewerkschaften jetzt also                                      rieren der inneren Ballance.
               Man sollte den Gewerkschaften aber nicht anlasten,        tun, damit Equal Pay und Equal Treatment greifen?                                           Immerhin. Aber solcherart
               was die rot-grüne Bundesregierung damals mit der          Sie sollten erklären, dass sie jetzt und in Zukunft                                    Entschleunigung ersetzt keine
               Gesetzesänderung verursacht hat. Eine faire Rege-         nicht mehr über Leiharbeitstarife verhandeln. Damit                                    Anti-Stress-Verordnung. Daher
               lung wäre, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz             würden Tarifverträge nicht mehr die gleiche Bezah-                                     der Appell an die Arbeitgeber:
               so zu ändern, dass Equal Pay und Equal Treatment          lung und Behandlung verhindern; in diesem Punkt                                        Stressreport durchlesen und
               gelten, ohne dass durch Tarifverträge davon abgewi-       gäbe es keine Nachwirkung mehr. Verhandeln sie                                         zurück an den Verhandlungs-
               chen werden kann. Weil wir aber nicht glauben, dass       aber wieder, müssen sich die DGB-Gewerkschaften                                        tisch. So viel Stress muss sein.
               die Bundesregierung daran Interesse hat, müssen wir       unterstellen lassen, sie wollten in Wahrheit flexible                                  Wenn’s zu viel wird, dürfen
               weiter über Tarifverträge für mehr Geld und bessere       Arbeitskräfte, die in wirtschaftlich schwierigen Zei-                                  sie für die Pausen gerne einen
               Bedingungen in der Leiharbeit sorgen.«                    ten als Erste gehen müssen.«                                                           Yoga-Lehrer engagieren.
                                                                                                                                                                        Reinhard Fanslau
Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi
8                   D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3

  M e l du n ge n                                      J uge n d - u n d A uszubi l de n de n ver t re t u n ge n

Marburger
Tapetenfabrik
angezündet
Innerhalb eines knappen Jah-
res hat es in der Marburger
                                      Auf Augenhöhe mit den
Tapetenfabrik im hessischen               Wie junge Leute aus der Papierverarbeitung ihr Wahlamt lernen
Kirchhain zum zweiten Mal
gebrannt. Während beim ersten             Der Termin der wöchentlichen JAV-
Feuer Tanks mit Thermoöl ent-             Sitzung naht und der Schichtleiter
zündet worden waren, loderte              signalisiert: schwache Maschinen-
es am 24. März 2013 aus dem               besetzung. »Was macht ihr«, fragen
Keller der Traditionsfabrik. Dort         Ingo und Maxi, die Teamer. »Lasst
waren Tapetenmuster, Kataloge             ihr die Sitzung ausfallen?« »Ja schon,
und Holzpaletten gelagert. Eine           wenn es nur um die normale Arbeit
Fabrikhalle brannte völlig aus.           geht und nichts wirklich Dringliches
Da auch die Fertigungslogistik            vorliegt«, kristallisiert sich in der
in Mitleidenschaft gezogen war,           Runde als Einschätzung heraus. Ingo
gab es für die 350 Beschäftig-            interveniert: »Falsch, die Arbeit der
ten einen tagelangen Produk-              Interessenvertretung hat immer Vor-
tionsausfall. Offenbar handelte           rang!« Und Maxi fügt hinzu: »Ihr seid
es sich um Brandstiftung; der             fast alle Azubis. Wenn die Produktion
psychisch kranke Täter wurde              ohne euch zusammenbricht, läuft
festgenommen. Der Schaden                 etwas ganz grundsätzlich schief im
wird auf 20 Millionen Euro                Betrieb!« Da nicken ein paar. Stimmt,
beziffert.                                so muss man das sehen.
                                               Grundlagenseminar für Jugend-
Druck- und                                und Auszubildendenvertretungen
Medien Awards                             (JAV) aus der Papier verarbeitenden
ausgeschrieben                            Industrie in der Bildungszentrale               neration im Betrieb. Das ist überall       eben ganz allein als Einer-JAV! Gar
Bis zum 31. Mai können Unter-             der ver.di-Jugend in Naumburg bei               dort der Fall, wo zwischen fünf und        nicht so einfach.
nehmen der deutschen Druck-               Kassel. Eine Woche lang lassen sich             20 Auszubildende, Volontäre, Prakti-            Ohne das Betriebsverfassungsge-
wirtschaft Wettbewerbsbeiträge            elf junge Männer und fünf junge                 kanten, dual Studierende arbeiten.         setz, ohne das mühsame Eintauchen
für den neunten Branchenpreis             Frauen für ihr neues Amt schulen.                   Teamerin Maxi und Teamer Ingo          in die juristische Art des Denkens,
Druck & Medien Award einrei-              Einer von ihnen, ein Verpackungsmit-            haben ein klares Ziel: Die Neuge-          Formulierens und Kommentierens
chen. Ausgeschrieben ist er in            telmechaniker, hat ausgelernt, alle             wählten sollen ihre Rechte kennen-         kommt kein JAVi aus. Also üben sie
22 Kategorien. Erstmals wird              anderen stecken noch mitten in der              lernen und ihre neue Rolle anneh-          im Seminar in Kleingruppen den Um-
2013 auch ein LFP-Drucker des             beruflichen Qualifizierung. Sie wer-            men. Immer wieder erinnern sie die         gang mit dem 800-Seiten-Wälzer.
Jahres gesucht.                           den Packmitteltechnolog/innen, Me-              Gruppe daran: Ihr habt per Gesetz          Wo steht, wer die Kosten einer Ju-
     Bis 24. Mai läuft noch die           dientechnologe Druck, Industrie- und            die Aufgabe, auf Augenhöhe mit             gendversammlung trägt, ob die JAV-
Ausschreibung für den »DID-               Bürokaufleute, Maschinen- und Anla-             Betriebsrat und Chefs die Interessen       Sitzung öffentlich ist, ob ein Gewerk-
Award für Druckweiterverarbei-            genführer oder Industriemechanike-              der Auszubildenden zu vertreten! Ein       schaftssekretär teilnehmen darf? Wo,
tung 2013«, den das Deutsche              rin. Fast alle haben Schichtarbeit.             hoher Anspruch, sind doch die meis-        verdammt, findet man, wann die JAV
Institut für Druck e.V. (DID) zum              Aus neun verschiedenen Betriebs-           ten nach eigener Einschätzung in ihr       beschlussfähig ist? In der Inhaltsan-
achten Mal auslobt. Teilnehmen            stätten kommen die 18- bis 24-Jähri-            Amt gekommen, »weil ich mich mit           gabe? Im Stichwortverzeichnis? Beim
können Druckereien, Fotostu-              gen; fünf von ihnen sind Einer-JAVs,            allen gut verstehe« und/oder »weil         Durchblättern? Ob die Suche im In-
dios, Verlage, Vorstufenbe-               was heißt: Sie allein vertreten die             ich Organisationstalent habe«. Auf         ternet schneller geht?
triebe, Weiterverarbeiter sowie           Interessen der nachwachsenden Ge-               Augenhöhe mit den Vorgesetzten?                 Googeln hilft, verkünden strah-
berufsbezogene Ausbildungs-                                                                                Und das meist ohne        lend zwei junge Männer nach der
institute oder Hochschulen.                                                                                Unterstützung von         Gruppenarbeit. Kaum das passende
     Adobe ruft Studierende zur                                                                            Kolleg/innen, die         Stichwort ins Smartphone eingege-
Teilnahme am Design Achieve-                                                                               schon etwas Amts-         ben, schon erscheint die Fundstelle
ment Award auf. Prämiiert                                                                                  erfahrung auf dem         aus dem Betriebsverfassungsgesetz!
werden Arbeiten aus Grafik-                                                                                Buckel haben. Oder        Prima, loben die Teamer die findige
design, Fotografie, Videopro-                                                                                                        Web-2.0-Generation, setzen aber
duktion oder Webdesign, die                                                                                                          sofort gnadenlos hinzu: »Nachdem
mit Adobe-Software realisiert                                                                                                        ihr jetzt den Paragrafen wisst, könnt
                                    Foto: Sebastian Drost

wurden. Beteiligen können sich                                                                           Nicht nur googeln hilft –   ihr gleich im roten Buch die Kom-
                                                                                                         es gibt auch jede Menge
Einzelpersonen oder Projekt-                                                                             gedruckte Informationen     mentierung dazu nachschlagen!«
gruppen bis 22. Juni 2013.                                                                               für JAV-Mitglieder.         Immer wieder wird im Laufe der Se-
Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi
D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3                                                  9

                                                                                                                                    I n t ervie w                                                                          M e l du n ge n

                                                                                                                                                                                                                         100 beste

Chefs                                                                                                                                                                                                                    Plakate gekürt

                                                                                                                                                                            Foto: Christian von Polentz/transitfoto.de
                                                                                                                                                                                                                         Der Wettbewerb um die 100
                                                                                                                                                                                                                         besten Plakate im deutschspra-
                                                                                                                                                                                                                         chigen Raum wurde von einer
                                                                                                                                                                                                                         Jury Ende Februar für 2012
                                                                                                                                                                                                                         entschieden. Beteiligt hatten
                                                                                                                                                                                                                         sich 510 Einreicher, darunter
                                                                                                                                                                                                                         180 Studierende sowie 110
                                                                                                                                    Fragen an                                                                            Agenturen bzw. Grafik- und
                                                                                                                                    Sebastian Drost,                                                                     Designbüros aus Deutschland,
                                                                                                                                    Gewerkschaftssekretär                                                                Österreich und der Schweiz.
                                                                                                                                    in Berlin, ver.di-Projekt                                                            Die Auftaktausstellung der
                                                                                                                                    Papierverarbeitung:                                                                  Gewinnerwerke startet am
                                                                                                                                                                                                                         30. Mai in Berlin. Anschließend
                                                                                                                                    DRUCK+PAPIER: Etliche Neuge-
                                                                                                                                                                                                                         werden die 100 Siegerplakate
                                                                                                                                    wählte machen ein JAV-Grundlagen-
                                                                                                                                                                                                                         noch in Nürnberg, Essen,
                                                                                                                                    seminar bei ver.di b+b, ohne schon
                                                                                                                                                                                                                         Luzern und Wien gezeigt.
                                                                                                                                    ver.di-Mitglied zu sein ...
                                                                                                                                    Sebastian Drost: Wir können bei
                                                                                                                                                                                                                         »Gotteslob« ins
                                                                                                                                    vielen jungen Leuten nicht mehr vo-
                                                                                                                                                                                                                         Ausland verlagert
                                                                                                                                    raussetzen, dass sie Gewerkschaft
                                                                                                                                                                                                                         Ein Großauftrag der katholi-
                                                                                                  Illustration: Matthias Berghahn

                                                                                                                                    kennen, weil ihre Eltern organisiert
                                                                                                                                                                                                                         schen Kirche ging Anfang des
                                                                                                                                    sind, dass sie etwas über tarifver-
                                                                            Foto: Jürgen Seidel

                                                                                                                                                                                                                         Jahres an die Druckerei C.H.
                                                                                                                                    traglich gesicherte Arbeit wissen. In
                                                                                                                                                                                                                         Beck in Nördlingen. Hier sollen
                                                                                                                                    solchen JAV-Qualifizierungen liegt
                                                                                                                                                                                                                         vier Millionen Exemplare des
                                                                                                                                    eine große Chance, das zu ändern.
                                                                                                                                                                                                                         erneuerten offiziellen Gebet-
                                                                                                                                    Wir müssen da etwas in Vorleistung
                                                                                                                                                                                                                         und Gesangbuches »Gottes-
                                                                                                                                    gehen.
 minarwoche deutlich, wie viel für die    er sieht, dass auch die Maschinen-                                                                                                                                             lob« gedruckt werden. Statt
 Jugendvertreter von der Unterstüt-       führer von veränderten Regelungen                                                                                                                                              diesen Auftrag mit dringlichen
                                                                                                                                     JAV-Seminare werden ja nicht nur
 zung des Betriebsrats abhängt. Klar,     profitieren könnten: »Jeder ist an der                                                                                                                                         Investitionen in eine neue
                                                                                                                                    von DGB-Gewerkschaften angeboten.
 der muss formal etwa Beschlüsse          Anlage voll ausgelastet. Und es gibt                                                                                                                                           Druckmaschine zu verbinden,
                                                                                                                                    Worin liegen die Vorzüge, wenn ver.di
 der JAV bestätigen, ein Mitglied auf     ein Prämiensystem. Wenn ich als Ma-                                                                                                                                            entschied Prinzipal Dr. Hans
                                                                                                                                    das macht?
 Schulung zu schicken. Und der Be-        schinenführer da noch die Betreuung                                                                                                                                            Dieter Beck, Teile der Druckauf-
                                                                                                                                    Die Teamer sind absolut fit und
 triebsrat muss die JAVis mitnehmen,      eines Azubis aufgedrückt bekomme,                                                                                                                                              lage weiterzugeben. Es sei ein
                                                                                                                                    kennen auch die betriebliche Praxis.
 wenn es in Jugendangelegenheiten         kann das nicht gut gehen.«                                                                                                                                                     offenes Geheimnis, heißt es im
                                                                                                                                    So wird der direkte Branchenbezug
 zu Verhandlungen mit dem Arbeit-             Es gibt viele solcher gemeinsa-                                                                                                                                            C.H.Beck-ver.di-Blog, dass fast
                                                                                                                                    hergestellt. Ich bringe zu den JAV-
 geber kommt – sei es wegen einer         men Interessen von JAV und Be-                                                                                                                                                 zwei Drittel der Auflage in einer
                                                                                                                                    Seminaren immer den Manteltarif-
 Pausenregelung, eines Kantinenra-        triebsrat. Etwa beim Thema »Per-                                                                                                                                               italienischen Druckerei gefertigt
                                                                                                                                    vertrag mit. Plus eine Übersicht, die
 batts oder des Arbeitsschutzes für       sonalplanung«. Zwar ist in den                                                                                                                                                 werden sollen.
                                                                                                                                    die Vorteile der tariflichen gegen-
 Auszubildende. Fast noch wichtiger       tarifgebundenen Unternehmen der
                                                                                                                                    über den gesetzlichen Regelungen
 allerdings: Der Betriebsrat kann den     Papier- und Kunststoffverarbeitung
                                                                                                                                    auflistet – von der geringeren Wo-
                                                                                                                                                                                                                         Nachruf
 jungen Leuten den Rücken stärken,        die einjährige Übernahme der Ausge-
                                                                                                                                    chenarbeitszeit über Urlaub und
                                                                                                                                                                                                                         Günter Frohböse
 wenn ihnen beispielsweise vorge-         lernten in der Regel gesichert. Doch                                                                                                                                           Im Alter von 82 Jahren ist Gün-
                                                                                                                                    Urlaubsgeld bis zur zwölfmonatigen
 worfen wird, sie würden doch nur         nach diesen zwölf Monaten hängt                                                                                                                                                ter Frohböse gestorben. Bis zu
                                                                                                                                    Übernahmeregelung für Azubis in
 den Betrieb aufhalten, sobald sie in     die Weiterbeschäftigung vom Bedarf                                                                                                                                             deren Selbstauflösung war er
                                                                                                                                    der Papierverarbeitung. Das liefert
 Ausübung ihres Amts die anderen          ab. »Bei uns«, berichtet ein neu ge-                                                                                                                                           als langjähriger Sekretär beim
                                                                                                                                    Diskussionsstoff.
 Auszubildenden an ihrem Einsatzort       wählter JAVi, »haben sie letztes Jahr                                                                                                                                          Zentralvorstand der Industrie-
 besuchen und über die Ausbildungs-       zwei junge Verpackungsmittelmecha-                                                        Also jede Menge Information.                                                         gewerkschaft Druck und Papier
 qualität befragen.                       niker nach dem einen Jahr entlassen.                                                      Auch was Praktisches?                                                                im FDGB der DDR verantwort-
     Der ausgelernte Verpackungs-         Und dabei wissen alle, dass im kom-                                                       Material zum Mitnehmen. Ich gebe                                                     lich für die internationalen
 mittelmechaniker, Einer-JAVi im          menden Sommer mehrere erfahrene                                                           den JAVis auch die genauen Kon-                                                      Beziehungen, auch die mit der
 Dreischichtbetrieb, hat sich vorge-      Leute in Rente geben. Da muss es                                                          taktdaten der jeweiligen regionalen                                                  westdeutschen IG Druck und
 nommen, bei jeder wöchentlichen          doch eine bessere Lösung geben!«                                                          ver.di-Gewerkschaftssekretäre. Die                                                   Papier. Der gelernte Buchdru-
 Betriebsratssitzung dabei zu sein,       Vorausgesetzt, die Interessenvertre-                                                      sind zwar formal nur für Mitglieder                                                  cker engagierte sich, geprägt
 auch wenn er zuvor in der Nacht          tungen von Alt und Jung engagieren                                                        zuständig, werden einer JAV aber                                                     vom Erleben des Krieges, früh
 gearbeitet hat. Denn er will, dass die   sich rechtzeitig und gemeinsam. Auf                                                       sicher ein Problem lösen helfen.                                                     als Gewerkschafter, von 1955
 Ausbildungsqualität im laufenden         Augenhöhe mit den Chefs.                                                                  Auch so kann Vertrauen wachsen ...                                                   an hauptamtlich. -hem
 Produktionsbetrieb besser wird. Und                           Helga Ballauf
Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi
10                 D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3

B e t riebsr ä t e bes t ehe n Z errei S S pr o be n

Irgendwoher kommt die Kraft
                                                                            D+P: Und – wie lautet die Antwort?       Opel-Standorte haben die Bochumer
                                                                            Bathis: Ich bin keiner, der kneift.      Opelaner abgelehnt. Weil das min-
                                                                                                                     destens 2.500 Arbeitsplätze gekostet
                                                                            D+P: Wie hältst du das aus?
                                                                                                                     hätte. Sie sollten betriebsbedingte
                                                                            Bathis: Von irgendwoher kommt die
                                                                                                                     Kündigungen akzeptieren und keine
                                                                            Kraft, aber neulich bin ich mit dem
                                                                                                                     verbindliche Zusage bekommen. Jetzt
                                                                            Notarzt ins Krankenhaus gebracht
                                                                                                                     will GM nicht mehr verhandeln und
                                                                            worden. Ich hatte stechende Schmer-
                                                                                                                     die Fabrik Ende 2014 dichtmachen.
                                                                            zen in der Brust und Todesangst. Ich
                                                                            hatte wirklich Angst zu sterben. Zum     D+P: Gewöhnt man sich daran,
                                                                            Glück ist organisch alles in Ordnung.    wenn dauernd von Schließung
                                                                            Das war der Druck, der mich umge-        geredet wird?
                                                                            hauen hat.                               Einenkel: Das nicht. Ich habe mir
                                                                                                                     aber im Laufe der Zeit Mechanismen
                                                                            D+P: Wenn du zurückschaust, was
                                                                                                                     zugelegt, wie ich damit umgehe. Ich
                                                                            hat dich am meisten belastet?
                                                                                                                     betrachte nüchtern, wer welches In-
                                                                            Bathis: Dafür ist es noch zu früh, ich
                                                                                                                     teresse hat. Das Kapital, die Banken,
                                                                            hatte noch nicht einmal Zeit, um zu
                                                                                                                     die Aktionäre, das Management?
                                                                            trauern um diesen Betrieb und diese
                                                                                                                     Dann suche ich nach Lösungen. Da
                                                                            Belegschaft – das sind doch meine
Betriebsräte vertreten die Interessen Tausender                                                                      bleibt keine Zeit, verzweifelt zu sein.
                                                                            Kollegen und Kolleginnen, die jetzt
                                                                                                                     Man darf nicht vergessen, dass Ma-
Kollegen. Angetreten sind sie oft mit hohen Idealen.                        auf der Straße landen. Es ist eine
                                                                                                                     nager bei Opel häufig wechseln. Wir
                                                                            Schande, dass diese Druckerei und
Plötzlich droht die Schließung oder der Betrieb geht                                                                 Betriebsräte sind die Konstante für
                                                                            der Verlag kaputt gemacht werden.
                                                                                                                     die Kollegen. Ich bin gewählt und
pleite. Auf einmal müssen sie Sozialpläne unter-
                                                                            D+P: Und die größte Belastung?           bleibe. Auch wenn es schwierig ist.
zeichnen und Massenentlassungen abwickeln. Von                              Bathis: Alles. Die schlichte Menge       Schön-Wetter-Betriebsrat kann jeder.
                                                                            an Aufgaben hat mich viele Nerven
dieser nervenzerreißenden Zeit, dem Druck und                                                                                           Rainer Einenkel,
                                                                            gekostet. In den Hochzeiten riefen                          58, ist Betriebsrats-
den Erpressungsversuchen ist selten die Rede.                               täglich Journalisten an. Dazu kamen                         vorsitzender bei
                                                                                                                                        Opel in Bochum.
                                                                            Gespräche mit dem Insolvenzverwal-                          General Motors will
                                                                            ter; wir mussten Protest und Wider-                         das Werk mit 3.800
                                   Marcel Bathis, 41, setzt sich, springt
                                                                            stand organisieren, immer wieder mit                        Beschäftigten Ende
                                   wieder auf, zieht einen Packen Unter-                                                                2014 schließen.
                                                                            den Gesellschaftern verhandeln, da-
                                   lagen aus der Tasche, blättert, findet
                                                                            mit sie uns nicht so billig abspeisen.   Manchmal glauben Außenstehende
                                   nicht, was er sucht, stopft das Papier
                                                                            Und die Kollegen und Kolleginnen,        zu wissen, wie es der Betriebsrat bes-
                                   zurück, drückt einen Anrufer weg,
                                                                            die alles Mögliche zum Arbeits- und      ser machen müsste. Auch Beschäf-
                                   setzt Kaffee auf, redet ohne Unter-
                                                                            Sozialrecht wissen wollten und fra-      tigte lassen ihre Wut an Betriebsräten
Marcel Bathis, 41, ist Betriebs-   lass. Der Mann steht unter Strom.
                                                                            gen, was passiert jetzt mit mir? Und     aus. Zimperlich sind sie nicht mit
ratsvorsitzender des Druck-        Marcel Bathis ist Betriebsratsvorsit-
und Verlagshauses Frankfurt                                                 dieser unendliche Nervenkrieg: Gibt      Kritik. Das hat Christel Hoffmann, 59,
                                   zender des Druck- und Verlagshauses
am Main (»Frankfurter Rund-                                                 es einen Investor? Ist das Angebot       erfahren. Sie ist Gesamtbetriebsrats-
schau«).                           Frankfurt am Main. Die »Frankfurter
                                                                            ernsthaft? Was will er dafür? Oder       vorsitzende der insolventen Drogerie-
                                   Rundschau« und 28 Redakteure/innen
                                                                            doch blinder Alarm. Bis zum nächs-       kette Schlecker. 23.500 Kolleg/innen
                                   sind von der Frankfurter Societät und
                                                                            ten Interessenten.                       haben ihren Job verloren. Fast exakt
                                   dem F.A.Z.-Verlag übernommen wor-
                                                                                Das Auf und Ab zermürbt Be-          ein Jahr ist es her, dass sie den Inte-
                                   den, Druckerei und Verlag werden
                                                                            triebsräte und ganze Belegschaften.      ressenausgleich in der ersten Kündi-
                                   dichtgemacht. Die meisten der 350
                                                                            »Die Unsicherheit ist brutal für die     gungswelle von 10.000 Beschäftig-
                                   Beschäftigten sind schon in die Trans-
                                                                            Kollegen«, sagt Rainer Einenkel, 58,     ten unterschrieben hat. Sie stockt,
                                   fergesellschaft gewechselt, bei weite-
                                                                            Betriebsratsvorsitzender bei Opel        kämpft mit den Tränen und muss sich
                                   ren 100 ist die Zukunft ungewiss. Die
                                                                            Bochum. Seit acht Jahren droht dem       erst sammeln, bevor sie wieder spre-
                                   Tage in der Rotation sind gezählt.
                                                                            Werk immer wieder das Aus. Sieben        chen kann. Der 1. April ist Stichtag.
                                   DRUCK+PAPIER: Hast du es bereut,         Schließungspläne liegen in seiner        Für tausende ehemalige Schlecker-
                                   den Betriebsratsvorsitz übernommen       Schublade. Den Tarifvertrag zur Be-      Beschäftigte läuft das Arbeitslosen-
                                   zu haben?                                schäftigungssicherung und Sanierung      geld aus. Jetzt bleibt nur noch Hartz
                                   Bathis: Ich habe mich mehr als ein-      zwischen IG Metall und dem Mutter-       IV. Als sie den Interessenausgleich
                                   mal gefragt, wieso ich mir das antue.    konzern General Motors (GM) für die      unterschrieb, »hatten wir keine an-
D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3   11

                                                                                          M e l du n ge n
dere Wahl. Das war wie Pest oder             Schliemann: Es gab einen Investor, der
Cholera.« Sie bekam wütende Mails
und Anrufe. Warum hast du so
                                             unter der Bedingung einsteigen wollte,
                                             dass noch mal Personal abgebaut und
                                                                                          Immer mehr Verpackungen
schnell unterschrieben? Wäre nicht           unter Tarif gearbeitet wird. Ich habe die
                                                                                          Premiere in München. »Europas einzige Fachmesse für die Well-
noch etwas zu retten gewesen?                Unterschrift verweigert. Teile der Ge-
                                                                                          pappen- und Faltschachtelindustrie«, wie sich die CCE Internati-
Hoffmann: Die Kritik hat wehge-              schäftsleitung erzählten daraufhin, der
                                                                                          onal nennt, brachte im März 110 Aussteller aus 15 Ländern mit
tan. Aber ich nehme das nieman-              Betriebsrat sei schuld, dass der Betrieb
                                                                                          gut 2.000 Fachbesuchern zusammen. Eine komplette Produkti-
dem übel. Verzweiflung braucht ein           geschlossen werden muss.
                                                                                          onslinie des Herstellers TCY Machinery aus Taiwan war das größte
Ventil. Ich habe den Kolleginnen er-         Bathis: Erpressung gab es häufig. Die
                                                                                          Exponat. Kein Zufall: Immer stärker drängen asiatische Hersteller
klärt, dass ich nach dem Gesetz und          Bedingungen für die Übernahme der
                                                                                          auf den europäischen Markt. Laut TCY-Geschäftsführung wurden
Beschluss des Gesamtbetriebsrates            Zeitung und von ein paar wenigen
                                                                                          innerhalb von zwei Jahren zehn komplette Produktionslinien al-
einen Interessenausgleich unter-             Redakteuren durch die Frankfurter
                                                                                          lein in Deutschland aufgestellt. Möglicherweise auch in den ganz
schreiben musste und es nur einen            Societät und den F.A.Z-Verlag sind
                                                                                          neuen Wellpappe-Werken, die von Bad Wörishofen bis Leinefelde
Schuldigen und einen Verantwort-             uns regelrecht diktiert worden. Mit-
                                                                                          entstehen. Sieben zusätzliche Produzenten könnten nach Schät-
lichen für die Insolvenz gibt: Anton         bestimmungsrechte für den Betriebs-
                                                                                          zungen von Branchenkennern zehn Prozent mehr Verpackungen
Schlecker. Und einen zweiten, der            rat gab es nur auf dem Papier.
                                                                                          auf den deutschen Markt werfen.
uns für seine politische Bühne miss-
                                             D+P: Wie konntet ihr durchhalten?                 Wem nützt diese Ausweitung, wem schadet sie? Klar ist bis-
braucht hat: Das ist Wirtschaftsmi-
                                             Christel Hoffmann                            her nur: Online-Shopping wird weiter zunehmen – und damit der
nister Philipp Rösler, FDP, der die          ist noch bis Ende                            Bedarf an Wellpappe-Hüllen für den Versand. Unklar dagegen
Transfergesellschaft verhinderte.            diesen Jahres
                                             Gesamtbetriebsrats-
                                                                                          ist, wie sich die Nachfrage nach speziell gefertigten Transportver-
Einenkel: Mir wurde Verrat an der
                                             vorsitzende                                  packungen für Industriegüter entwickelt. Bricht der Export ein,
Belegschaft unterstellt. Man sollte          der insolventen                              wachsen Überkapazitäten beim Wellpappe-Angebot.
nur mal abwarten, schrieb einer im           Drogeriemarktkette
                                             Schlecker.
                                                                                               Noch ist die Zahl der Beschäftigten stabil und liegt nach Anga-
Internetforum, lange werde es nicht
                                                                                          ben des Verbands der deutschen Wellpappen-Industrie (VDW) bei
dauern, bis dieser Einenkel in der
                                             Hoffmann: Ich war immer eine                 knapp 18.000. Allerdings: Der Grad der Automatisierung in den
Gewerkschaft Karriere macht. Das
                                             Kämpfernatur. Geholfen haben mir             Werkhallen nimmt weiter zu, die Anforderungen an Facharbeiter
ist lächerlich. Aber das muss man
                                             Menschen, die mir immer wieder               steigen ebenfalls. Helferjobs verschwinden oder werden ausgela-
aushalten.
                                             sagten: Du bist nicht verantwortlich         gert als Leiharbeit. -hbf
Bathis: Richtig geärgert hat mich
                                             für die Insolvenz.
die Kritik in der Zeitung »Neues
                                             Einenkel: Ich vergewissere mich
Deutschland«. Dort stand, dass die
Belegschaft durch stoisches Abwar-
                                             ständig bei der Belegschaft, berichte       C.H. Beck: ver.di fordert
                                             in allen Schichten und auch mal in
ten, Wohlverhalten und moralische
Appelle an die Gesellschafter und
                                             einer elfstündigen Versammlung. Die         vernünftigen Kompromiss
                                             Kollegen würden mir deutlich sagen,
den Springer-Konzern versucht
                                             wenn ich falsch läge. Und wenn              Eine Rückkehr zum Flächentarifvertrag schließt der neue Druckerei-
habe, die Katastrophe abzuwenden.
                                             mein Kopf nur noch um die Arbeit            leiter von C.H. Beck in Nördlingen kategorisch aus. Oliver Kranert
Der Axel-Springer-Verlag hatte den
                                             kreist, gibt es eine klare Ansage von       spüre allerdings den Unfrieden, den die derzeit so unterschiedlichen
Druckauftrag gekündigt, wodurch
                                             meiner Frau, dass es noch ein Leben         Vertragsbedingungen im Werk verursachen, meldeten am 13. April
die Hälfte des Umsatzes weggebro-
                                             außerhalb von Opel gibt.                    die »Rieser Nachrichten«. Seine Lösung: Wieder einheitliche Rege-
chen war und es noch schwieriger
                                             Schliemann: Wir haben in dieser Zeit        lungen für alle – auf der Basis der (schlechten) Einzelverträge.
wurde, einen Investor zu interes-
                                             aufeinander aufgepasst. Im Betriebs-             Genau das wollen die Beschäftigten keinesfalls, bekräftigten
sieren. Aber vom Schreibtisch lässt
                                             rat, aber auch in der Belegschaft.          am gleichen Tag die ver.di-Mitglieder der Beckschen Druckerei.
sich gut Revolution machen. Getrof-
                                             Guckt aufeinander, das empfehle ich         »Es kann nicht sein, dass wir einem Haustarifvertrag zustimmen,
fen haben mich böse Einträge von
                                             auch den Kollegen von Prinovis in           in dem festgeschrieben wird, was den Beschäftigten vorher einzeln
Kollegen im Internet. Ihre Nerven
                                             Itzehoe, denen die Schließung des           abgepresst wurde – unter der Drohung des Arbeitsplatzverlusts«,
lagen blank. Meine aber auch.
                                             Werkes bevorsteht. Aber man muss            unterstrich ver.di-Sekretär Rudi Kleiber. Die Mitgliederversammlung
     Welchen Betriebsrat man auch
                                             sich nichts vormachen. Es gab bei           formulierte Forderungen in einem Eckpunktepapier.
fragt – viele sind Erpressungsversu-
                                             uns einen Suizid. Das ist mir sehr               Die Belegschaft der Buchdruckerei hat mit viel Engagement er-
chen ausgesetzt gewesen. Auch Kai
                                             nahegegangen.                               reicht, dass es überhaupt Haustarifverhandlungen im Hause Beck
Schliemann, 51, Betriebsratsvorsit-
                                             Bathis: Jeder Tag bringt eine neue          gibt. Die ersten Arbeitgeber-Vorschläge aber laufen darauf hinaus,
zender der Tiefdruckerei Broschek
                                             Wendung, eine andere Katastrophe,           die miesesten Konditionen im Werk für alle zu zementieren und das
in Hamburg, die 2011 geschlossen
                                             da bleibt keine Luft, um nachzuden-         als Vereinheitlichung zu verkaufen. Da ziehen nicht nur die Drucker,
wurde.
                                             ken, was man eigentlich tut. Mir hat        sondern auch die Beschäftigten in der Buchbinderei nicht mit, die
                 Kai Schliemann, 51,
                                             es gutgetan, dass mir jemand zuge-          bisher immerhin nach dem Tarif der Papier verarbeitenden Industrie
                 war bis zur Schließung
                 2011 Betriebsrats-          hört hat und ich dort viel abladen          bezahlt werden. Die ver.di-Linie, so Kleiber: »Vernünftige Kom-
                 vorsitzender der Tief-      konnte. Jemand, der die Situation           promisse im Vergleich zum Flächentarif: Ja. Aber keine nochmaligen
                 druckerei Broschek mit
                                             kennt, aber nicht mitten im Gesche-         Verschlechterungen.« Geht der Arbeitgeber nicht mit, wird ver.di
                 200 Beschäftigten in
                 Hamburg. Heute arbei-       hen steckt. (Fragen: mib)                   die Beschäftigten in der Nördlinger Druckerei zum Streik aufrufen.
                 tet er bei der IG Metall.                                               Zunächst wird weiter verhandelt.                    Helga Ballauf
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