Zeitungsdruck? Was kosten Investitionen im - Verdi
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D R U C K + PA P I E R Nr. 3 | Mai 2013 | Jahrgang 151 Die Branchenzeitung Was kosten Investitionen im Zeitungsdruck? Mal ist es Europas »modernste« Rotation, mal ist sie »weltweit einzigartig« – fast zwei Dutzend w w w.dr up a.verdi.de Zeitungsdruckereien haben in den vergangenen fünf Jahren hoch automatisierte Rotationen gekauft. Die Rationalisierungswelle soll Helfer überflüssig und Drucker arbeitslos machen. Sparsam, schnell und produktiv ist weggeschickt. Weil die neue Technik vielen Zeitungsverlagen so. Nach die neue Colorman, sagt Maschinen- sie angeblich überflüssig macht. Und 15 bis 20 Jahren wird das Alte ver- hersteller Manroland. Plattenwechsel, weil eine Fremdfirma die Arbeit der schrottet. Neue Maschinen kosten Maschineneinstellungen, Rollenkeller Teilzeitkräfte in der Weiterverarbei- Arbeitsplätze. Manchmal wird gleich – alles läuft vollautomatisch. Das tung übernimmt. ein neues Druckzentrum gebaut wie sichere kürzere Rüstzeiten, verringere Es hätte noch mehr Arbeitsplätze beim Oberpfälzer Medienhaus »Der Makulatur und senke die Personal- gekostet, wenn der Betriebsrat nicht Neue Tag« in Weiden (Foto oben). kosten. Solchen Versprechen glaubt mit Unterstützung von ver.di eine Manchmal nutzt der Verleger die In- die Kundschaft nur allzu gern. Arbeitszeitverkürzung auf 33 Wo- vestition, um Kosten zu drücken. So Der Braunschweiger Zeitungsver- chenstunden ausgehandelt hätte. wie Madsack. Die Märkische Verlags- w w w.dr uck .verdi.de lag WAZ-Gruppe kaufte gleich zwei Ernst Heilmann von ver.di: »Inzwi- und Druckgesellschaft wird aufge- dieser Druckmaschinen und baute ein schen scheint es üblich zu sein, dass spalten, Pressedruck Potsdam ist nun neues Druckzentrum inklusive neuer Investitionen von den Beschäftigten eigenständig und tariflos. Die neue Versandlinien. Macht 31 Millionen mitbezahlt werden.« Von denen, die Rotation, die nächstes Jahr dort auf- Euro. Dank der neuen Technik blicke gehen. Und von denen, die bleiben, gestellt werden soll, sei so produktiv man wesentlich optimistischer in die mehr arbeiten und mit weniger Geld und hoch automatisiert, dass die Hel- Zukunft, erklärte der Geschäftsführer auskommen müssen. Weil sich aber fer überflüssig und nur etwa halb so des Braunschweiger Zeitungsverlags Belegschaft, Betriebsrat und Gewerk- viel Drucker gebraucht werden. Sagt bei der Eröffnung im März. Das gilt schaft dafür starkgemacht haben, der Arbeitgeber. Im Glauben an den allerdings nicht für alle. Mehr als die ist es gelungen, das Druckzentrum Hersteller. Ob das stimmt und welche Hälfte der Stammbelegschaft ist ab- im Tarif zu halten. Die beiden neuen Lösungen in Kempten und Augsburg gebaut worden: von 170 auf 80 Be- Rotationen in Braunschweig erset- gefunden wurden, steht auf den schäftigte. Gekündigt, ausgeschieden, zen drei alte Maschinen. Das ist in Seiten 4 und 5. MICHAELA BÖHM
2 D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3 N A C H R I C H T Mit DIESER AUSGABE ... fächert DRUCK + PAPIER ein Themenspektrum auf, das Prinovis-Proteste: Schließung früher bei Rationalisierung und deren Folgen im Zeitungsdruck Betroffene, Angehörige, aber auch Einwohner und weitere beginnt, Tarifentwicklungen sowie Pro und Contra von Foto: Günther Metzinger Sympathisanten begleiteten Leiharbeitsverträgen einschließt. Mitunter die Grenze des am 15. April den Start von Sozialplan- und Sozialtarifver- Leistbaren überschreitende Arbeit von Betriebsräten wird handlungen für die über 1.000 ebenso gezeigt wie beruflich-fachliche und gewerkschaft- Beschäftigten des Prinovis- Mit Kind und Kegel zum Protest Standortes Itzehoe mit einer dass noch bis August 2014 und der Betriebsrat lehnten liche Nachwuchsarbeit an Beispielen. Typografisches und Kundgebung vor den Werksto- produziert wird. Die Arbeit- das ab und forderten Abfin- Historisches sind auch vertreten. ren. Die Geschäftsleitung legte geberseite bot als Abfindung dungen von 1,7 Monatsent- zunächst einen »Fahrplan« für pro Beschäftigungsjahr einen gelten pro Beschäftigungsjahr Eher hintergründig, aber mehrfach taucht das Wort die Abwicklung des Werks auf Monatslohn an, ohne das ta- sowie Qualifizierungsmaßnah- Stress auf. Druck- und Papierunternehmen sind landläufig den Tisch: Ende April kommen- rifliche Weihnachts- und Ur- men. Die Verhandlungen wer- den Jahres werde die Produk- laubsgeld zu berücksichtigen. den fortgesetzt, die Proteste keine, die für nervenaufreibende Jobs, besondere psy- tion beendet, die Hallen sol- Dadurch kämen nicht einmal gegen die Schließung gehen chische Belastung am Arbeitsplatz stehen. Doch die of- len bis spätestens März 2015 0,9 Monatslöhne pro Beschäf- mit unterschiedlichen Aktionen geräumt sein. Bisher hieß es, tigungsjahr zustande. ver.di weiter. -sil fizielle Statistik der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin belehrt uns: Gleich nach den Lehrern, den Termi n ka l e n der Altenpflegerinnen, Notärztinnen oder Rettungssanitä- BERLIN, 31. MAI BIS 23. JUNI, LAGE-HÖRSTE, 16. BIS 21. LAGE-HÖRSTE, 28. BIS 30. Kulturforum am Potsdamer JUNI 2013, ver.di-IMK, Semi- JUNI 2013, ver.di-IMK, 14. tern sind es Beschäftigte in Druckereien und der Papier- Platz, Auftaktausstellung nar für Betriebsratsmitglieder Tage der Typografie: form + verarbeitung, die am häufigsten wegen psychischer Lei- »100 beste Plakate 2012 – aus »Mischbetrieben«, inhalt: Typografie – Macht – Deutschland Österreich www.imk.verdi.de gesellschaftliche Verantwor- den krankgeschrieben werden. Ein unerwarteter Befund. Schweiz«, www.100-beste- tung, www.imk.verdi.de, Ursachen oder Gründe bleiben im Dunkeln. Altersstruktur plakate.de LAGE-HÖRSTE, 17. BIS 19. www.tage-der-typografie.de JUNI 2013, ver.di-IMK, WiDi- und Schichtdienste mögen dazu gehören. Die Beschleu- LAGE-HÖRSTE, 2. BIS 7. JUNI Seminar zur beruflichen Wei- LEIPZIG, 2. BIS 7. JULI 2013, 2013, ver.di-IMK, Seminar für nigung von Prozessen, die Notwendigkeit, schneller und terbildung: Hand-in-Hand Messegelände, World Skills, Betriebsratsmitglieder aus – Datenprüfung und Da- Berufe-Weltmeisterschaft, effizienter zu arbeiten, mehr Verantwortung zu überneh- dem Verlagsbereich von Zei- tenkorrektur mit Adobe CS www.worldskillsleipzig tungsbetrieben, www.imk. men, flexibler und mobiler zu sein, aber auch monotone / Acrobat pro und Enfocus 2013.com verdi.de PitStop, www.imk.verdi.de Abläufe und häufige Störungen werden von Soziologen MAINZ, 7. JUNI BIS 8. SEP- LAGE-HÖRSTE, 26. BIS 30. und Psychologen für zunehmenden Stress verantwortlich TEMBER, Gutenberg-Museum: BERLIN, 20. BIS 21. JUNI AUGUST 2013, ver.di-IMK, Sonderausstellung »Call 2013, Tagung des ver.di-Bun- Digitaldruck-Workshop 1: gemacht. Und: Ein besonderes Risiko tragen Leiharbei- for Type – Neue Schriften«, desvorstands der Fachgruppe Technik, Workflows und An- ter. Bei ihnen kommen die permanente Unsicherheit des Einblicke in die Welt des Verlage, Druck und Papier, wendungen, www.imk.verdi.de Type-Designs, www. www.druck.verdi.de Arbeitsplatzes und Unzufriedenheit hinzu. Welche kon- gutenberg-museum.de LAGE-HÖRSTE, 15. BIS 20. kreten Auswirkungen das in der Branche und für jede/n LAGE-HÖRSTE, 24. BIS 26. SEPTEMBER 2013, ver.di-IMK, LEIPZIG, 9. JUNI BIS 25. AU- JUNI 2013, ver.di-IMK, WiDi- Seminar für Betriebsratsmit- Einzelne/n hat, das müsste genauer erforscht werden, GUST, Museum für Druckkunst: Seminar zur beruflichen Wei- glieder aus Rollenakzidenz-, Karl-Georg Hirsch und Andreas etwa durch Gefährdungsanalysen. Auch Gewerkschaft terbildung: Fotografie und Tiefdruck- sowie Endlos- und Brylka. 50 Jahre Holzstich und Bildbearbeitung in der tägli- Mailingbetrieben, www.imk. und Tarifkommissionen sollten verstärkt auf die Arbeits- Buchillustration, www.druck- chen Praxis, www.imk.verdi.de verdi.de kunst-museum.de bedingungen schauen, besseres Gesundheitsmanage- I mpressum ment einfordern. Angesichts von Standortschließungen DRUCK+PAPIER – die ver.di- Vereinte Dienstleistungsgewerk- 030.6956-3654, drupa@verdi.de. und Stellenabbau zweitrangig? Das hieße zu fragen, ob Branchenzeitung – erscheint schaft, Bundesvorstand/Fach- Korrektorat: Hartmut Brecken- für die Mitglieder der Alt-Fach- bereich Medien, Kunst und In- kamp. Anzeigenverwaltung: Arbeitslose oder Kranke gruppen Druckindustrie und dustrie, Frank Bsirske und Frank werkzwei, Ruth Schauder, Sach- Zeitungsverlage sowie Papier- Werneke. Redaktion: Michaela senstr. 26, 32756 Detmold, Tel. schlimmer dran sind. und Kunststoffverarbeitung 2013 Böhm, Andreas Fröhlich (verant- 05231.7094454, E-Mail: anzei- Beide, wäre die Antwort. regulär acht Mal als Beilage zur wortlich), Helma Nehrlich, Paula- gen@werkzwei.de. Design und ver.di-Mitgliederzeitung PUBLIK. Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, Vorstufe: werkzwei, Detmold. Helma Nehrlich 151. Jahrgang. Herausgeber: Telefon: 030.6956-2318, Telefax: Druck: apm AG, Darmstadt.
D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3 3 F ü r G e w erkschaf t srech t e Foto: Maichel Dutta Sieg gegen Bauer Nachrich t »Volksstimme«-Chef muss Strafe zahlen Nach der rechtswidrigen Aus- Polnische Druckereibeschäftigte können zurück an ihren Arbeitsplatz sperrung eines Gewerkschafters Drei Entlassene aus der Druckerei vor der Druckerei 250 Mitglieder der Drohungen löste sich die Ende vergangenen Jahres muss BDN im polnischen Wykroty erkämpf- Solidarność protestiert (Foto). Zu der gewerkschaftliche Betriebsgruppe der Geschäftsführer der Mag- ten jetzt ihr Recht auf Wiedereinstel- Aktion waren auch Kolleg/innen vom wieder auf. Die meisten der rund deburger »Volksstimme« Klaus lung. Das Unternehmen der Hambur- DGB und von ver.di nach Polen ge- 400 Beschäftigten arbeiten nach Lange 1.000 Euro Strafe zahlen. ger Bauer Media Group steht in der kommen. Angaben von Solidarność zu soge- Die Staatsanwaltschaft verzich- polnischen Sonderwirtschaftszone Die Werksleitung versuchte da- nannten Müllverträgen: Das heißt, tete auf einen Prozess, damit Nowogrodziec. Vor anderthalb Jah- mals, die Protestierenden auf dras- dass sie keine richtigen Arbeitsver- der Betriebsfrieden bei der ren hatte man die drei fristlos entlas- tische Weise einzuschüchtern: Dut- träge haben und zum Beispiel auch zum Hamburger Bauer-Verlag sen, nachdem sie sich vor dem Werk- zende Polizisten in Kampfanzügen keinen Rentenanspruch erwerben. gehörenden Redaktion nicht stor mit einem Vertreter der polni- ließen vor dem Werkstor nur eine »Sonderwirtschaftszonen dürfen durch eine öffentliche Haupt- schen Gewerkschaft Solidarność ge- schmale Gasse. Beschäftigte, die ihre keine Sonder-Arbeitsrechtszonen verhandlung noch weiter leide. troffen hatten. Gegen den Rauswurf Schicht antreten wollten, mussten sein. Grenzüberschreitend müssen Der gekündigte Vorsitzende setzten sie sich seither zur Wehr. durch das Uniformiertenspalier. Flug- die Unternehmen Arbeits- und Ge- des Betriebsrates Winfried Im Februar 2013 wurde in zweiter blätter der Gewerkschaft durften sie werkschaftsrechte einhalten«, sagt Borchert erklärte, die Aussper- Instanz verhandelt. Der Arbeitgeber nicht annehmen. Mutige, die trotz- Markus Schlimbach, stellvertretender rung sei »leider nur die Spitze muss sie wieder einstellen und für dem zugriffen, mussten die Zettel DGB-Vorsitzender im Bezirk Sachsen des Eisberges an Rechtsver- alle Kosten aufkommen. Das Urteil am Eingang wieder abgeben. Nach und Präsident des Interregionalen stößen durch die Geschäftsfüh- ist rechtskräftig und endgültig. »Nie- dieser Aktion traten so viele Drucke- Gewerkschaftsrats Elbe-Neiße, auch rung«. Weitaus folgenschwerer mand darf Arbeitnehmer- und Ge- reibeschäftigte der Gewerkschaft bei, an die Adresse des Bauer-Konzerns. sei die völlige Ausschaltung von werkschaftsrechte straflos verletzen, dass eine Solidarność-Betriebsgruppe Das Elbe-Neiße-Gremium ist eine Arbeitnehmermitbestimmung. weil diese Rechte das Fundament gegründet werden konnte. Daraufhin grenzüberschreitende Initiative der Michael Kopp, zuständiger des demokratischen Systems dar- drohte der Arbeitgeber, die Jahres- Gewerkschaften Solidarność, Region ver.di-Fachbereichsleiter stellen«, betonte Franciszek Kopeć , prämie von 1,5 bis zwei Gehältern Jelenia Góra, der Böhmisch-Mähri- Medien, forderte die Bauer- Vorsitzender der Unabhängigen Ge- nicht mehr zu zahlen. Außerdem schen Konföderation der Gewerk- Konzernleitung auf, endlich werkschaft Solidarność in der Region werde in das Werk nicht mehr inves- schaftsverbände ČMKOS und des über einen Haustarifvertrag Jelenia Góra. Gegen die Kündigungen tiert, was den Abbau von Arbeits- DGB-Bezirks Sachsen. für alle »Volksstimme«-Mitar- hatten bereits am 17. Oktober 2011 plätzen zur Folge hätte. Nach diesen Silke Leukfeld beiter zu verhandeln. Cartoon: Reinhard Alff
4 D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3 M e l du n ge n M o der n s t e Z ei t u n gsdruckmaschi n e n Zerren an der Personaldecke Chesapeake Neu- Isenburg schließt Das Chesapeake-Werk in Neu- Isenburg soll zum Jahresende geschlossen werden. Bisher Rationalisierung macht Helfer überflüssig und Drucker arbeitslos arbeiten dort 120 Beschäf- tigte, die am 11. April in einer Schmid. Natürlich freiwillig, aber was Mitarbeiterversammlung von sei da schon freiwillig. dem Plan überrascht wurden. Obwohl Leute fehlen, wird nie- Lediglich ein Verkaufsbüro soll mand eingestellt. Stattdessen holt bestehen bleiben; bis zu 110 das Druckzentrum zwei Fremdfir- Beschäftigte werden betriebs- men. Die eine schickt Putztrupps bedingt entlassen. Der Be- zum Maschinenreinigen, die andere triebsrat und ver.di werfen der Minijobber/innen für Einlegearbeiten Geschäftsleitung vor, sich nicht in die Weiterverarbeitung. Dabei war im Vorfeld mit den betriebli- im Sozialplan geregelt, dass die Ent- chen Interessenvertretungen lassenen eine drei Jahre lang gültige verständigt zu haben. Diese Wiedereinstellungsgarantie haben, Vorgehensweise sei skanda- falls im Druckzentrum doch mehr lös und nicht nachvollziehbar. Personal gebraucht wird. »Statt ei- Chesapeake Neu-Isenburg pro- nen Teil der Gekündigten wieder zu duziert Faltschachteln für die beschäftigen und nach Tarif zu be- pharmazeutische Industrie. -Sil zahlen, setzt das Druckzentrum auf Diese High-Tech-Rotation der Superlative steht in Braunschweig. Billigjobs und presst die Belegschaft 150 Stellen in aus«, sagte Irene Salberg. Ettringen weg Ob in Weiden, Ansbach oder Neu- Irene Salberg von ver.di. Wer frei Das kann auch anders gehen, UPM legt seine Papiermaschine brandenburg – Zeitungsverleger hat, wird gefragt, ob er nicht doch etwa im Allgäuer Zeitungsverlag in 4 in Ettringen still. Betroffen kaufen neue Rotationen. »Die Ruhe arbeiten kann. Ist ein Kollege krank, Kempten. Kein anderer Verlag welt- sind 150 Beschäftigte. Es werde ist vorbei«, schrieb das Magazin springt ein anderer in seine Schicht. weit hat so eine Rotation. Mitsamt mit ihnen verhandelt, verlaut- »Deutscher Drucker«. Und »auch die Fehlt einer in der Ver- und Entsor- Vorstufe, Druck und Versand inves- bart der finnische Konzern, Beamten-ähnliche Sicherheit der Ar- gung, hilft ein Drucker aus. Weil der tierte man 18 Millionen Euro. Die der sieben deutsche Standorte beitsplätze« sei weg. Die hat es zwar nun an der Maschine fehlt, kommt neue Druckmaschine begeisterte den hat. In Ettringen war bereits nie gegeben, aber richtig ist, dass es vor, dass ein Kollege die Linie al- Geschäftsführer derart, dass er sie als 2011 eine Maschine außer Betriebsräte und Gewerkschaften um lein fährt. Wartung und Instandhal- »catchy« bezeichnete, einprägsam. Betrieb gesetzt worden. Zu Maschinenbesetzungen, Tarife und tung der Maschinen werden immer Wäre sie ein Lied, hätte sie das Zeug Ende April legte UPM auch eine Arbeitsplätze kämpfen müssen. wieder verschoben. Selbst wenn die zum Ohrwurm. Horst Hiltner, der Be- Maschine für ungestrichene Wo sich der Unternehmer durch- Gummitücher Risse zeigen, fehlt zum triebsratsvorsitzende, ist nicht ganz Magazinpapiere im finnischen setzt, herrschen Zustände wie in Wechseln oft die Zeit. Die Besetzung so verzückt. Sämtliche Helfer, fast ein Rauma still. Der Konzern will Regensburg: Der Mittelbayerische ist knapp, Personalreserven gibt es Dutzend, sind entbehrlich geworden. seine Papierproduktion in Verlag kaufte eine neue Maschine, nicht, die beiden Azubis sind fest ein- Und die Zahl der Drucker soll von 18 Europa um jährlich 580.000 baute vor drei Jahren für 45 Mil- geplant: »Die Kollegen kriechen auf auf 13 sinken. Doch hier wurden die Tonnen reduzieren. lionen Euro ein neues Druck- und dem Zahnfleisch.« Nicht anders ist es Helfer nicht entlassen, sondern ver- Logistikzentrum und schmiss 45 Ro- in der Weiterverarbeitung. »Zeitkon- setzt oder in Altersteilzeit geschickt. Eigenregie bei tationshelfer/innen und Einleger/in- ten laufen über und Kollegen werden Auch die Drucker landen nicht auf insolventer OAN nen raus. Seitdem ist die Belegschaft aus dem Urlaub und ihrem freien Tag der Straße, sondern scheiden nach Nach einem Berichtstermin heillos überlastet. »Der Umgang mit in den Betrieb zurückgeholt«, erzählt und nach regulär aus. Dafür hat der beim Amtsgericht Leipzig den Beschäftigten ist fahrlässig«, sagt Betriebsratsvorsitzender Manfred Firmentarifvertrag gesorgt, der Kün- stimmten am 8. April auch die Gläubiger des insolventen säch- sischen Druck-Konzerns Offizin Sparwelle erreicht die WAZ-Druckhäuser Andersen Nexö der Fortführung Die Auflagenverluste der vier Zei- nur noch auf sieben Straßen ein dingte Kündigungen zu verhindern«, des Sanierungsverfahrens in tungstitel der WAZ-, neuerdings Umfang von maximal 32 Seiten pro- so der Betriebsratsvorsitzende Rainer Eigenregie zu. Es wurde ein Funke-Mediengruppe in Nordrhein- duziert. Nichtaktuelle Seiten wie die Linxweiler im DVZ Hagen, wo die Gläubigerausschuss bestätigt. Westfalen haben jetzt Auswirkun- Kultur werden in einem Servicebuch »Westfälische Rundschau« und die Der Geschäftsbetrieb soll un- gen auf die schwere Technik in den schon ab 18 Uhr vor der Tageszei- »Westfalenpost« gedruckt werden. befristet weitergeführt werden. Druckhäusern des Konzerns in Essen tungsproduktion gedruckt. Ebenso werde ein Modell für die Geschäftsführer Stephan Treu- und im Druck- und Verlagszentrum »Wir versuchen, in Zusammen- Altersteilzeit entwickelt und zur Vor- leben wurde beauftragt, zügig (DVZ) in Hagen-Bathey. Ab dem arbeit mit der Personalabteilung alle sorge mit der Personalabteilung ein einen Insolvenzplan vorzulegen. 2. Mai wird in beiden Druckereien Register zu ziehen, um betriebsbe- Sozialplan verhandelt.
D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3 5 i n t ervie w Neubrandenburg Delmenhorst Zeitungsforscher Horst Röper vom Minden Braunschweig Potsdam Formatt-Institut Bielefeld in Dortmund Marl Immer noch Aachen ordentliche Gewinne Gießen Fulda D+P: In den vergangenen fünf Koblenz Jahren haben fast zwei Dutzend Verleger neue Zeitungsrotatio- Weiden Ansbach nen gekauft. Offensichtlich ist Heilbronn Crailsheim Regensburg Geld vorhanden? Karlsruhe Straubing Röper: Bei den meisten Ver- Aichach Ulm Augsburg lagen sicherlich. Wir wissen es aber nur für die wenigsten. Penzberg Weingarten Kempten Rosenheim Zeitungsverlage sind Tendenz- betriebe. Im Gegensatz zu an- Neue Rotationen seit 2009, auch geplante. Vor dem Knopfdruck: Qualifizierte Fachkräfte überblicken den gesamten Prozess. deren Unternehmen können die Betriebsräte keinen Wirtschafts- digungen ausschließt, eine Personal- Betrieb. Sie ist nicht ganz so hoch nik, desto höher ist der Aufwand für ausschuss bilden und erhalten reserve von 20 Prozent festlegt und automatisiert wie die der jetzigen die Wartung.« keinen Einblick in Bilanzen. Die die Besetzung regelt. Damit ist klar: Generation. Aber auch bei der Bald ist es wieder so weit. Die veröffentlichen nur wenige, wie Nachts sind die drei Achtertürme »Augsburger Allgemeinen Zeitung« »Augsburger Allgemeine« plant, etwa der Axel-Springer-Verlag, Mad- und ein Falz mit fünf Druckern be- hat die XXL-Rotation 39 Helferjobs im Jahr 2020 die nächste Maschine sack und die FAZ. setzt. Das entspricht der Regelung gekostet; 19 verloren ihren Arbeits- zu kaufen und bis dahin die Zahl der D+P: Aber der Kauf von Ro- von vier Druckern und einem Hel- platz, 20 wurden zu Druckern qualifi- Drucker von heute 48 auf rund 32 tationen lässt darauf schließen, fer im Manteltarifvertrag. Weil die ziert. »Die Umschulung hat gut funk- zu reduzieren. Damit wäre die Beleg- dass es den Verlegern doch so einstigen Helferarbeiten nun durch tioniert, alle haben es gepackt, einige schaft innerhalb von 15 Jahren auf schlecht nicht gehen kann? Drucker erledigt werden, macht das sind heute Maschinenführer«, sagt ein Viertel geschrumpft. Möglicher- Röper: Stimmt. Das sieht man einen Drucker mehr. Damit ist Hiltner Betriebsrat Herbert Kuchenbaur. weise ist die angepeilte Zahl viel eher auch daran, dass immer Zei- zufrieden, zumal die Geschäftsfüh- Ohne Helfer ging es dann aber erreicht, weil etliche in Rente und tungsunternehmen zugreifen, rung ursprünglich eine Besetzung mit doch nicht. Platten wegfahren, Wal- Altersteilzeit gehen. Dann kann die wenn Zeitungen zum Verkauf drei Druckern fahren wollte: »Aber zenstühle einstellen, Reinigungsar- laufende Maschine schon ab über- stehen: Madsack hat die Beteili- machen wir uns nichts vor: Die neue beiten, das erledigen vier befristet nächstem Jahr nicht mehr ausrei- gungen von Springer an Regio- Technik kostet die Hälfte der Arbeits- eingestellte Helfer. Und noch etwas chend besetzt werden. Der Stress sei nalzeitungen gekauft, die »Main plätze im Druck.« deckt sich nicht mit den vollmundi- enorm gestiegen, sagt Kuchenbaur, Post« wurde von der »Augsbur- Ob in Kempten künftig die ver- gen Versprechen der Maschinenher- und die Arbeit falle den Älteren zu- ger Allgemeinen« übernommen, einbarten 13 Drucker ausreichen? steller, die – überspitzt gesagt – so nehmend schwer. Die neuen Maschi- die »Saarbrücker Zeitung« von Die neue Maschine läuft erst ein paar tun, als genüge ein Knopfdruck für nen sind fix und einige Auflagen von der »Rheinischen Post.« Wochen. Wartungsaufwand und den Druck. Werte für Farbe und Was- Lokalausgaben so niedrig, dass sie D+P: Die Forderung der Deut- Auftragsentwicklung lassen sich noch ser müssen oft nachjustiert und die innerhalb weniger Minuten gedruckt schen Journalistinnen- und nicht endgültig abschätzen. Wartungsintervalle exakt eingehalten sind. Dann heißt es wieder umbauen, Journalisten-Union (dju) in Mehr Erfahrungen haben die werden. Sonst gibt’s mehr Makulatur drucken, umbauen. »Umso wichtiger ver.di von 5,5 Prozent mehr Augsburger. Dort ist die Druckma- und miese Druckqualität. »Je mehr ist es, dass die tarifliche Maschinen- Gehalt für Redakteur/innen an schine schon seit sieben Jahren in Elektronik und je komplexer die Tech- besetzung gilt.« Michaela Böhm Tageszeitungen hat der Bundes- verband Deutscher Zeitungsver- Nach Informationen des Dortmun- rungen von 20 Prozent erzielen zu tretenden Betriebsratsvorsitzenden leger als utopisch bezeichnet. der ver.di-Sekretärs Rolf Ellerkamp wollen, befürchtet er personelle Kon- des WAZ-Druckhauses in Essen, hat Er spricht von wirtschaftlich sind die Betriebsvereinbarungen zur sequenzen auch für die Druckereien: man sich dort »bis heute nicht über schwierigen Rahmenbedingun- Lage der Arbeitszeit in der Rotation »Die Zeiten, als die Druckhäuser in Personalabbau unterhalten« müssen. gen bei Zeitungsunternehmen. und der Weiterverarbeitung in Ha- einem ruhigen Fahrwasser unterwegs Allerdings lief in Essen, wo die »Neue Röper: Das ist der übliche Re- gen wie in Essen gekündigt worden. waren, sind vorbei.« Allein wenn Ruhr/Neue Rhein Zeitung« und die flex auf Gehaltsforderungen. Angesichts der Entwicklungen in den Arbeiten von der Nacht- in die Tag- »Westdeutsche Allgemeine« gedruckt Gerade bei den Verlegern mit letzten Monaten, der Schließung der schicht verlegt würden, bedeute das werden, zuletzt die Produktion oh- Monopolstellung ist die Ren- kompletten Redaktion der »Westfäli- für jeden Einzelnen Verlust von Er- nehin nur auf sieben Linien. Anders dite ordentlich, auch wenn die schen Rundschau« und der Ankündi- schwerniszuschlägen. Nach Auskunft als in Hagen, wo von acht auf sieben Gewinnspannen kleiner sind gung, insgesamt im Konzern Einspa- von Klaus Blömeke, dem stellver- reduziert werden muss. -fbi als früher.
6 D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3 B ra n che n zusch l ä ge i n der D rucki n dus t rie Ab 10. Monat: Lohnplus in Stufen 12,67 Euro Auch in der Druckindustrie erhalten Leiharbeiter Zuschläge nach Einsatzdauer Ab 1. November gibt es für Leihar- noch mit 6,15 Euro pro Stunde we- beiter in der Druckindustrie mehr niger zufriedengeben als der Helfer Geld. ver.di hat im Februar mit den in Lohngruppe IV des Tarifvertrags beiden Arbeitgeberverbänden der der Druckindustrie, so schrumpft der Leiharbeit Branchenzuschläge verein- Unterschied nach neun Monaten auf bart. Wie auch in der Papier, Pappe 2,22 Euro. Gleicher Lohn für gleiche 5. Woche: und Kunststoffe verarbeitenden In- Arbeit ist das nicht, aber »ein weite- 9,44 Euro dustrie erhalten die Leiharbeitsbe- rer Schritt, um die Löhne von Leih- schäftigten bereits nach der vierten arbeitsbeschäftigten zu verbessern«, Woche einen Zuschlag auf ihren sagt Andreas Fröhlich von ver.di. Stundenlohn. Die Zuschläge gelten allerdings Die Zuschläge sind gestaffelt und nur für Leiharbeiter im gewerblichen steigen mit der Einsatzdauer. Los Bereich. Für die kaufmännischen und geht es mit acht Prozent nach der technischen Angestellten, die in die vierten Woche. Die letzte Stufe ist Druckindustrie entliehen werden, nach neun Monaten erreicht. Dann sind sich ver.di und die Verleiherver- erhält ein Leiharbeiter einen Zuschlag bände noch nicht einig geworden. von 45 Prozent. Ein Beispiel: Startet Außer ver.di haben auch die IG ein Leiharbeiter in der Druckindustrie, Metall, die IG Bergbau, Chemie und Start: erhält er in der Entgeltgruppe 2 nach Energie und die Eisenbahn- und Ver- 8,74 Euro dem Leiharbeitstarifvertrag in den kehrsgewerkschaft ein Plus für die ersten vier Wochen pro Stunde 8,74 Leiharbeiter/innen durchgesetzt. Euro (West) oder 7,64 Euro (Ost). Ab Es gibt eine weitere Verbesse- der fünften Woche steigt der Stun- rung: Das Bundesarbeitsgericht hat denlohn auf 9,44 Euro (8,25 Euro). entschieden, dass Leiharbeitnehmer Und ab dem zehnten Monat erhält er künftig mitzuzählen sind, wenn es 12,67 Euro (11,08 Euro). um die Zahl der Betriebsratsmitglie- Kurz gesagt: Je länger der Leih- der geht. Arbeiten in einem Betrieb arbeiter im Druckbetrieb eingesetzt beispielsweise 130 Stammbeschäf- ist, desto kleiner der Unterschied tigte und 71 Leiharbeiter, besteht zum Lohn eines Stammbeschäftigten der Betriebsrat aus neun Mitgliedern (siehe Grafik). Muss sich der gleiche und nicht aus sieben wie bisher. Und Leiharbeiter in einem Druckbetrieb eines davon ist für die Betriebsratsar- im Westen in den ersten vier Wochen beit freizustellen. MICHAELA BÖHM Was ist Equal Pay? Entgelt- iGZ/BAP nach Nach nach nach nach gruppe West ab 4 Wochen 3 Monaten 5 Monaten 7 Monaten 9 Monaten Leiharbeiter/innen müssen so bezahlt und behandelt werden wie Stammbe- iGZ/BAP 1.11.2012 8 Prozent 15 Prozent 20 Prozent 35 Prozent 45 Prozent schäftigte (Equal Pay und Equal Treatment). Das regelt das Arbeitnehmer- Zu.* Ent.** Zu. Ent. Zu. Ent. Zu. Ent. Zu. Ent. überlassungsgesetz. Allerdings gibt es darin eine Öffnungsklausel. Danach 1 8,19 0,66 8,85 1,23 9,42 1,64 9,83 2,87 11,06 3,69 11,88 2 8,74 0,70 9,44 1,31 10,05 1,75 10,49 3,06 11,80 3,93 12,67 darf von der gleichen Bezahlung und Behandlung per Tarifvertrag abgewi- 3 10,22 0,82 11,04 1,53 11,75 2,04 12,26 3,58 13,80 4,60 14,82 chen werden. Das hat in Deutschland dazu geführt, dass für die allermeis- 4 10,81 0,86 11,67 1,62 12,43 2,16 12,97 3,78 14,59 4,86 15,67 ten Leiharbeiter/innen zwar Tarifverträge gelten, sie aber dennoch sehr viel 5 12,21 0,98 13,19 1,83 14,04 2,44 14,65 4,27 16,48 5,49 17,70 schlechter bezahlt und behandelt werden als Stammbeschäftigte. Zuschläge für Leiharbeit in der Druckindustrie (West) Entgelt- iGZ/BAP nach Nach nach nach nach 16 14,89 gruppe Ost ab 4 Wochen 3 Monaten 5 Monaten 7 Monaten 9 Monaten iGZ/BAP 1.11.2012 8 Prozent 15 Prozent 20 Prozent 35 Prozent 45 Prozent 14 Zu. Ent. Zu. Ent. Zu. Ent. Zu. Ent. Zu. Ent. 12,67 11,80 1 7,50 0,60 8,10 1,13 8,63 1,50 9,00 2,63 10,13 3,38 10,88 12 10,49 2 7,64 0,61 8,25 1,15 8,79 1,53 9,17 2,67 10,31 3,44 11,08 10,05 10 9,44 3 8,93 0,71 9,64 1,34 10,27 1,79 10,72 3,13 12,06 4,02 12,95 8,74 8 4 9,45 0,76 10,21 1,42 10,87 1,89 11,34 3,31 12,76 4,25 13,70 bis 4. Woche 4. Woche 3. Monat 5. Monat 7. Monat 9. Monat 5 10,68 0,85 11,53 1,60 12,28 2,14 12,82 3,74 14,42 4,81 15,49 EG 2 Leiharbeit LG 4 Druck * Werte in Euro pro Stunde; Vergleich iGZ/BAP-DGB-Tarif und Drucktarif *Zuschlag, **Entgelt, abgestimmt mit iGZ/BAP, 22. März 2013
D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3 7 Pro und Contra Leiharbeitstarifverträge S t rich ä t zu n g Balanceakt Yoga-Lehrer ist der entspan- Seit zehn Jahren schließt die Tarifgemeinschaft der DGB-Gewerkschaften mit den beiden nendste aller Berufe. Laut einer großen Arbeitgeberverbänden für Leiharbeit Tarifverträge ab. Jetzt will sie den Tarif- Umfrage. »Stress« und »Burn- out« sind in diesem Job unbe- vertrag für Leiharbeiter zum 30. April kündigen und neu verhandeln. Letzteres sollte kannt. Aber auch die am we- sie nicht tun, sagt der Arbeitsrechtler Professor Wolfgang Däubler von der Universität nigsten Entspannten – Piloten, Krankenhausärzte und Kellner – Bremen. Welche Argumente dafür sprechen, erklärt ver.di-Tarifexperte Jörg Wiedemuth. dürften nie über zu viel Stress klagen, glaubt man Arbeitge- berpräsident Dieter Hundt: »Die Jobwelt ist nicht schuld, dass viele Arbeitnehmer unter Stress leiden und krank werden. Sie Foto: Christian von Polentz bekommen ihr Privatleben nicht Jörg Wiedemuth Wolfgang Däubler, in den Griff.« Aha! ist Leiter der Rechtsprofessor an der Nun kommt aber wieder Foto: ver.di tarifpolitischen Universität Bremen, Grundsatzabteilung Mitautor des Kommentars zum mal die Bundesanstalt für bei ver.di Betriebsverfassungsgesetz Arbeitsschutz mit ihrem jährli- »Wir haben uns nach langer Debatte dazu entschlos- »Seit zehn Jahren sorgen Tarifverträge – auch die chen Stressreport daher. Dieser sen, mit den anderen DGB-Gewerkschaften erneut der DGB-Gewerkschaften – dafür, dass Leiharbeiter zeigt: Es gibt doch Stress in der über Tarifverträge für Leiharbeiter zu verhandeln. Ein enorme Zumutungen hinnehmen müssen. Berufswelt. Zeitdruck, Multi- wichtiger Grund ist der Mindestlohn. Er liegt jetzt Denken wir folgendes Szenario: Ohne Tarifver- tasking und Monotonie. Die bei 8,19 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten. träge in der Leiharbeit würden Equal Pay und Equal Zahl der psychisch bedingten Den darf kein Arbeitgeber unterschreiten. Das gilt Treatment gelten, wie es im Gesetz steht. Die DGB- Krankschreibungen nimmt zu. auch für ausländische Verleiher, die Leiharbeiter nach Gewerkschaften müssten keinen Mindestlohn und »Papierherstellung und Druck« Deutschland schicken. Basis für den Mindestlohn ist keine Branchenzuschläge verhandeln. Denn die liegen da statistisch gar auf aber der Tarifvertrag. Ohne ihn verlieren wir die un- Leiharbeiter/innen würden bezahlt und behandelt Platz drei. tere Haltegrenze. Unser Ziel ist jetzt, den Mindestlohn wie Stammbeschäftigte. Und wenn Scheingewerk- Was nun? Gewerkschaf- für alle Leiharbeiter auf 8,50 Euro zu erhöhen. schaften Dumping-Verträge mit Arbeitgebern verein- ten und Politiker fordern die Wir haben von unseren Juristen prüfen lassen,ob baren, dann helfen auch keine DGB-Tarife, sondern Einführung einer Anti-Stress- Equal Pay und Equal Treatment gelten würden, wenn – wie im Fall der Christlichen Gewerkschaften Zeit- Verordnung für Betriebe. Auch wir den Tarifvertrag mit den Verleihverbänden ein- arbeit (CZGP) – nur gerichtliche Mittel. Nichts ande- die Bundesarbeitsministerin fach auslaufen ließen und nicht mehr neu verhandeln. res gilt für Billigtarife aus dem Ausland. Abgesehen denkt darüber nach und ruft Aber den Automatismus sehen wir – im Gegensatz zu davon, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz an den Verhandlungstisch. Für Professor Däubler – nicht. Das müsste gerichtlich ge- nur nach deutschem Recht geschlossene Tarife gel- die Arbeitgeber ist das schon klärt werden und das dauert lange. Wir gehen davon ten lässt. Billigtarife aus dem Ausland verhindern die wieder zu viel Stress: »Gerne aus, dass der Tarifvertrag nachwirkt, also hätten wir DGB-Gewerkschaften nicht dadurch, dass sie den Verbesserungen in der Arbeits- nichts gewonnen, wenn wir uns verweigern. Verleiherverbänden mit dem Abschluss von Tarifver- welt, aber bloß keine rechtliche Stattdessen haben wir uns dazu entschieden, trägen entgegenkommen. Außerdem: Die Leihar- Verordnung.« Branchenzuschläge durchzusetzen. Das entspricht beitsrichtlinie der Europäischen Union verlangt, dass In Japan verordnen Arbeit- auch unserer Forderung von 2003. Damals steck- der ›Gesamtschutz‹ der Leiharbeiter nicht schlechter geber Mittagskurzschlaf und in ten wir allerdings mitten in den Verhandlungen, sein darf als der der Stammbeschäftigten. Das ist den Niederlanden entspannen als sogenannte christliche Gewerkschaften einen aber mit den DGB-Tarifen der Fall. Damit riskieren sich gestresste Beschäftigte in Lohndumping-Tarifvertrag auf den Tisch legten. Wir die DGB-Gewerkschaften, dass ihre Tarifverträge Snoezelräumen. Bei Thyssen- waren dadurch enorm unter Druck und haben eigene durch europäische Rechtsprechung für unwirksam Krupp in Essen gibt es einen Tarifverträge abgeschlossen, die allerdings weit weg erklärt werden. »Raum der Stille« – für’s Austa- waren von unseren ursprünglichen Forderungen. Was könnten die DGB-Gewerkschaften jetzt also rieren der inneren Ballance. Man sollte den Gewerkschaften aber nicht anlasten, tun, damit Equal Pay und Equal Treatment greifen? Immerhin. Aber solcherart was die rot-grüne Bundesregierung damals mit der Sie sollten erklären, dass sie jetzt und in Zukunft Entschleunigung ersetzt keine Gesetzesänderung verursacht hat. Eine faire Rege- nicht mehr über Leiharbeitstarife verhandeln. Damit Anti-Stress-Verordnung. Daher lung wäre, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz würden Tarifverträge nicht mehr die gleiche Bezah- der Appell an die Arbeitgeber: so zu ändern, dass Equal Pay und Equal Treatment lung und Behandlung verhindern; in diesem Punkt Stressreport durchlesen und gelten, ohne dass durch Tarifverträge davon abgewi- gäbe es keine Nachwirkung mehr. Verhandeln sie zurück an den Verhandlungs- chen werden kann. Weil wir aber nicht glauben, dass aber wieder, müssen sich die DGB-Gewerkschaften tisch. So viel Stress muss sein. die Bundesregierung daran Interesse hat, müssen wir unterstellen lassen, sie wollten in Wahrheit flexible Wenn’s zu viel wird, dürfen weiter über Tarifverträge für mehr Geld und bessere Arbeitskräfte, die in wirtschaftlich schwierigen Zei- sie für die Pausen gerne einen Bedingungen in der Leiharbeit sorgen.« ten als Erste gehen müssen.« Yoga-Lehrer engagieren. Reinhard Fanslau
8 D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3 M e l du n ge n J uge n d - u n d A uszubi l de n de n ver t re t u n ge n Marburger Tapetenfabrik angezündet Innerhalb eines knappen Jah- res hat es in der Marburger Auf Augenhöhe mit den Tapetenfabrik im hessischen Wie junge Leute aus der Papierverarbeitung ihr Wahlamt lernen Kirchhain zum zweiten Mal gebrannt. Während beim ersten Der Termin der wöchentlichen JAV- Feuer Tanks mit Thermoöl ent- Sitzung naht und der Schichtleiter zündet worden waren, loderte signalisiert: schwache Maschinen- es am 24. März 2013 aus dem besetzung. »Was macht ihr«, fragen Keller der Traditionsfabrik. Dort Ingo und Maxi, die Teamer. »Lasst waren Tapetenmuster, Kataloge ihr die Sitzung ausfallen?« »Ja schon, und Holzpaletten gelagert. Eine wenn es nur um die normale Arbeit Fabrikhalle brannte völlig aus. geht und nichts wirklich Dringliches Da auch die Fertigungslogistik vorliegt«, kristallisiert sich in der in Mitleidenschaft gezogen war, Runde als Einschätzung heraus. Ingo gab es für die 350 Beschäftig- interveniert: »Falsch, die Arbeit der ten einen tagelangen Produk- Interessenvertretung hat immer Vor- tionsausfall. Offenbar handelte rang!« Und Maxi fügt hinzu: »Ihr seid es sich um Brandstiftung; der fast alle Azubis. Wenn die Produktion psychisch kranke Täter wurde ohne euch zusammenbricht, läuft festgenommen. Der Schaden etwas ganz grundsätzlich schief im wird auf 20 Millionen Euro Betrieb!« Da nicken ein paar. Stimmt, beziffert. so muss man das sehen. Grundlagenseminar für Jugend- Druck- und und Auszubildendenvertretungen Medien Awards (JAV) aus der Papier verarbeitenden ausgeschrieben Industrie in der Bildungszentrale neration im Betrieb. Das ist überall eben ganz allein als Einer-JAV! Gar Bis zum 31. Mai können Unter- der ver.di-Jugend in Naumburg bei dort der Fall, wo zwischen fünf und nicht so einfach. nehmen der deutschen Druck- Kassel. Eine Woche lang lassen sich 20 Auszubildende, Volontäre, Prakti- Ohne das Betriebsverfassungsge- wirtschaft Wettbewerbsbeiträge elf junge Männer und fünf junge kanten, dual Studierende arbeiten. setz, ohne das mühsame Eintauchen für den neunten Branchenpreis Frauen für ihr neues Amt schulen. Teamerin Maxi und Teamer Ingo in die juristische Art des Denkens, Druck & Medien Award einrei- Einer von ihnen, ein Verpackungsmit- haben ein klares Ziel: Die Neuge- Formulierens und Kommentierens chen. Ausgeschrieben ist er in telmechaniker, hat ausgelernt, alle wählten sollen ihre Rechte kennen- kommt kein JAVi aus. Also üben sie 22 Kategorien. Erstmals wird anderen stecken noch mitten in der lernen und ihre neue Rolle anneh- im Seminar in Kleingruppen den Um- 2013 auch ein LFP-Drucker des beruflichen Qualifizierung. Sie wer- men. Immer wieder erinnern sie die gang mit dem 800-Seiten-Wälzer. Jahres gesucht. den Packmitteltechnolog/innen, Me- Gruppe daran: Ihr habt per Gesetz Wo steht, wer die Kosten einer Ju- Bis 24. Mai läuft noch die dientechnologe Druck, Industrie- und die Aufgabe, auf Augenhöhe mit gendversammlung trägt, ob die JAV- Ausschreibung für den »DID- Bürokaufleute, Maschinen- und Anla- Betriebsrat und Chefs die Interessen Sitzung öffentlich ist, ob ein Gewerk- Award für Druckweiterverarbei- genführer oder Industriemechanike- der Auszubildenden zu vertreten! Ein schaftssekretär teilnehmen darf? Wo, tung 2013«, den das Deutsche rin. Fast alle haben Schichtarbeit. hoher Anspruch, sind doch die meis- verdammt, findet man, wann die JAV Institut für Druck e.V. (DID) zum Aus neun verschiedenen Betriebs- ten nach eigener Einschätzung in ihr beschlussfähig ist? In der Inhaltsan- achten Mal auslobt. Teilnehmen stätten kommen die 18- bis 24-Jähri- Amt gekommen, »weil ich mich mit gabe? Im Stichwortverzeichnis? Beim können Druckereien, Fotostu- gen; fünf von ihnen sind Einer-JAVs, allen gut verstehe« und/oder »weil Durchblättern? Ob die Suche im In- dios, Verlage, Vorstufenbe- was heißt: Sie allein vertreten die ich Organisationstalent habe«. Auf ternet schneller geht? triebe, Weiterverarbeiter sowie Interessen der nachwachsenden Ge- Augenhöhe mit den Vorgesetzten? Googeln hilft, verkünden strah- berufsbezogene Ausbildungs- Und das meist ohne lend zwei junge Männer nach der institute oder Hochschulen. Unterstützung von Gruppenarbeit. Kaum das passende Adobe ruft Studierende zur Kolleg/innen, die Stichwort ins Smartphone eingege- Teilnahme am Design Achieve- schon etwas Amts- ben, schon erscheint die Fundstelle ment Award auf. Prämiiert erfahrung auf dem aus dem Betriebsverfassungsgesetz! werden Arbeiten aus Grafik- Buckel haben. Oder Prima, loben die Teamer die findige design, Fotografie, Videopro- Web-2.0-Generation, setzen aber duktion oder Webdesign, die sofort gnadenlos hinzu: »Nachdem mit Adobe-Software realisiert ihr jetzt den Paragrafen wisst, könnt Foto: Sebastian Drost wurden. Beteiligen können sich Nicht nur googeln hilft – ihr gleich im roten Buch die Kom- es gibt auch jede Menge Einzelpersonen oder Projekt- gedruckte Informationen mentierung dazu nachschlagen!« gruppen bis 22. Juni 2013. für JAV-Mitglieder. Immer wieder wird im Laufe der Se-
D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3 9 I n t ervie w M e l du n ge n 100 beste Chefs Plakate gekürt Foto: Christian von Polentz/transitfoto.de Der Wettbewerb um die 100 besten Plakate im deutschspra- chigen Raum wurde von einer Jury Ende Februar für 2012 entschieden. Beteiligt hatten sich 510 Einreicher, darunter 180 Studierende sowie 110 Fragen an Agenturen bzw. Grafik- und Sebastian Drost, Designbüros aus Deutschland, Gewerkschaftssekretär Österreich und der Schweiz. in Berlin, ver.di-Projekt Die Auftaktausstellung der Papierverarbeitung: Gewinnerwerke startet am 30. Mai in Berlin. Anschließend DRUCK+PAPIER: Etliche Neuge- werden die 100 Siegerplakate wählte machen ein JAV-Grundlagen- noch in Nürnberg, Essen, seminar bei ver.di b+b, ohne schon Luzern und Wien gezeigt. ver.di-Mitglied zu sein ... Sebastian Drost: Wir können bei »Gotteslob« ins vielen jungen Leuten nicht mehr vo- Ausland verlagert raussetzen, dass sie Gewerkschaft Ein Großauftrag der katholi- Illustration: Matthias Berghahn kennen, weil ihre Eltern organisiert schen Kirche ging Anfang des sind, dass sie etwas über tarifver- Foto: Jürgen Seidel Jahres an die Druckerei C.H. traglich gesicherte Arbeit wissen. In Beck in Nördlingen. Hier sollen solchen JAV-Qualifizierungen liegt vier Millionen Exemplare des eine große Chance, das zu ändern. erneuerten offiziellen Gebet- Wir müssen da etwas in Vorleistung und Gesangbuches »Gottes- gehen. minarwoche deutlich, wie viel für die er sieht, dass auch die Maschinen- lob« gedruckt werden. Statt Jugendvertreter von der Unterstüt- führer von veränderten Regelungen diesen Auftrag mit dringlichen JAV-Seminare werden ja nicht nur zung des Betriebsrats abhängt. Klar, profitieren könnten: »Jeder ist an der Investitionen in eine neue von DGB-Gewerkschaften angeboten. der muss formal etwa Beschlüsse Anlage voll ausgelastet. Und es gibt Druckmaschine zu verbinden, Worin liegen die Vorzüge, wenn ver.di der JAV bestätigen, ein Mitglied auf ein Prämiensystem. Wenn ich als Ma- entschied Prinzipal Dr. Hans das macht? Schulung zu schicken. Und der Be- schinenführer da noch die Betreuung Dieter Beck, Teile der Druckauf- Die Teamer sind absolut fit und triebsrat muss die JAVis mitnehmen, eines Azubis aufgedrückt bekomme, lage weiterzugeben. Es sei ein kennen auch die betriebliche Praxis. wenn es in Jugendangelegenheiten kann das nicht gut gehen.« offenes Geheimnis, heißt es im So wird der direkte Branchenbezug zu Verhandlungen mit dem Arbeit- Es gibt viele solcher gemeinsa- C.H.Beck-ver.di-Blog, dass fast hergestellt. Ich bringe zu den JAV- geber kommt – sei es wegen einer men Interessen von JAV und Be- zwei Drittel der Auflage in einer Seminaren immer den Manteltarif- Pausenregelung, eines Kantinenra- triebsrat. Etwa beim Thema »Per- italienischen Druckerei gefertigt vertrag mit. Plus eine Übersicht, die batts oder des Arbeitsschutzes für sonalplanung«. Zwar ist in den werden sollen. die Vorteile der tariflichen gegen- Auszubildende. Fast noch wichtiger tarifgebundenen Unternehmen der über den gesetzlichen Regelungen allerdings: Der Betriebsrat kann den Papier- und Kunststoffverarbeitung auflistet – von der geringeren Wo- Nachruf jungen Leuten den Rücken stärken, die einjährige Übernahme der Ausge- chenarbeitszeit über Urlaub und Günter Frohböse wenn ihnen beispielsweise vorge- lernten in der Regel gesichert. Doch Im Alter von 82 Jahren ist Gün- Urlaubsgeld bis zur zwölfmonatigen worfen wird, sie würden doch nur nach diesen zwölf Monaten hängt ter Frohböse gestorben. Bis zu Übernahmeregelung für Azubis in den Betrieb aufhalten, sobald sie in die Weiterbeschäftigung vom Bedarf deren Selbstauflösung war er der Papierverarbeitung. Das liefert Ausübung ihres Amts die anderen ab. »Bei uns«, berichtet ein neu ge- als langjähriger Sekretär beim Diskussionsstoff. Auszubildenden an ihrem Einsatzort wählter JAVi, »haben sie letztes Jahr Zentralvorstand der Industrie- besuchen und über die Ausbildungs- zwei junge Verpackungsmittelmecha- Also jede Menge Information. gewerkschaft Druck und Papier qualität befragen. niker nach dem einen Jahr entlassen. Auch was Praktisches? im FDGB der DDR verantwort- Der ausgelernte Verpackungs- Und dabei wissen alle, dass im kom- Material zum Mitnehmen. Ich gebe lich für die internationalen mittelmechaniker, Einer-JAVi im menden Sommer mehrere erfahrene den JAVis auch die genauen Kon- Beziehungen, auch die mit der Dreischichtbetrieb, hat sich vorge- Leute in Rente geben. Da muss es taktdaten der jeweiligen regionalen westdeutschen IG Druck und nommen, bei jeder wöchentlichen doch eine bessere Lösung geben!« ver.di-Gewerkschaftssekretäre. Die Papier. Der gelernte Buchdru- Betriebsratssitzung dabei zu sein, Vorausgesetzt, die Interessenvertre- sind zwar formal nur für Mitglieder cker engagierte sich, geprägt auch wenn er zuvor in der Nacht tungen von Alt und Jung engagieren zuständig, werden einer JAV aber vom Erleben des Krieges, früh gearbeitet hat. Denn er will, dass die sich rechtzeitig und gemeinsam. Auf sicher ein Problem lösen helfen. als Gewerkschafter, von 1955 Ausbildungsqualität im laufenden Augenhöhe mit den Chefs. Auch so kann Vertrauen wachsen ... an hauptamtlich. -hem Produktionsbetrieb besser wird. Und Helga Ballauf
10 D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3 B e t riebsr ä t e bes t ehe n Z errei S S pr o be n Irgendwoher kommt die Kraft D+P: Und – wie lautet die Antwort? Opel-Standorte haben die Bochumer Bathis: Ich bin keiner, der kneift. Opelaner abgelehnt. Weil das min- destens 2.500 Arbeitsplätze gekostet D+P: Wie hältst du das aus? hätte. Sie sollten betriebsbedingte Bathis: Von irgendwoher kommt die Kündigungen akzeptieren und keine Kraft, aber neulich bin ich mit dem verbindliche Zusage bekommen. Jetzt Notarzt ins Krankenhaus gebracht will GM nicht mehr verhandeln und worden. Ich hatte stechende Schmer- die Fabrik Ende 2014 dichtmachen. zen in der Brust und Todesangst. Ich hatte wirklich Angst zu sterben. Zum D+P: Gewöhnt man sich daran, Glück ist organisch alles in Ordnung. wenn dauernd von Schließung Das war der Druck, der mich umge- geredet wird? hauen hat. Einenkel: Das nicht. Ich habe mir aber im Laufe der Zeit Mechanismen D+P: Wenn du zurückschaust, was zugelegt, wie ich damit umgehe. Ich hat dich am meisten belastet? betrachte nüchtern, wer welches In- Bathis: Dafür ist es noch zu früh, ich teresse hat. Das Kapital, die Banken, hatte noch nicht einmal Zeit, um zu die Aktionäre, das Management? trauern um diesen Betrieb und diese Dann suche ich nach Lösungen. Da Belegschaft – das sind doch meine Betriebsräte vertreten die Interessen Tausender bleibt keine Zeit, verzweifelt zu sein. Kollegen und Kolleginnen, die jetzt Man darf nicht vergessen, dass Ma- Kollegen. Angetreten sind sie oft mit hohen Idealen. auf der Straße landen. Es ist eine nager bei Opel häufig wechseln. Wir Schande, dass diese Druckerei und Plötzlich droht die Schließung oder der Betrieb geht Betriebsräte sind die Konstante für der Verlag kaputt gemacht werden. die Kollegen. Ich bin gewählt und pleite. Auf einmal müssen sie Sozialpläne unter- D+P: Und die größte Belastung? bleibe. Auch wenn es schwierig ist. zeichnen und Massenentlassungen abwickeln. Von Bathis: Alles. Die schlichte Menge Schön-Wetter-Betriebsrat kann jeder. an Aufgaben hat mich viele Nerven dieser nervenzerreißenden Zeit, dem Druck und Rainer Einenkel, gekostet. In den Hochzeiten riefen 58, ist Betriebsrats- den Erpressungsversuchen ist selten die Rede. täglich Journalisten an. Dazu kamen vorsitzender bei Opel in Bochum. Gespräche mit dem Insolvenzverwal- General Motors will ter; wir mussten Protest und Wider- das Werk mit 3.800 Marcel Bathis, 41, setzt sich, springt stand organisieren, immer wieder mit Beschäftigten Ende wieder auf, zieht einen Packen Unter- 2014 schließen. den Gesellschaftern verhandeln, da- lagen aus der Tasche, blättert, findet mit sie uns nicht so billig abspeisen. Manchmal glauben Außenstehende nicht, was er sucht, stopft das Papier Und die Kollegen und Kolleginnen, zu wissen, wie es der Betriebsrat bes- zurück, drückt einen Anrufer weg, die alles Mögliche zum Arbeits- und ser machen müsste. Auch Beschäf- setzt Kaffee auf, redet ohne Unter- Sozialrecht wissen wollten und fra- tigte lassen ihre Wut an Betriebsräten Marcel Bathis, 41, ist Betriebs- lass. Der Mann steht unter Strom. gen, was passiert jetzt mit mir? Und aus. Zimperlich sind sie nicht mit ratsvorsitzender des Druck- Marcel Bathis ist Betriebsratsvorsit- und Verlagshauses Frankfurt dieser unendliche Nervenkrieg: Gibt Kritik. Das hat Christel Hoffmann, 59, zender des Druck- und Verlagshauses am Main (»Frankfurter Rund- es einen Investor? Ist das Angebot erfahren. Sie ist Gesamtbetriebsrats- schau«). Frankfurt am Main. Die »Frankfurter ernsthaft? Was will er dafür? Oder vorsitzende der insolventen Drogerie- Rundschau« und 28 Redakteure/innen doch blinder Alarm. Bis zum nächs- kette Schlecker. 23.500 Kolleg/innen sind von der Frankfurter Societät und ten Interessenten. haben ihren Job verloren. Fast exakt dem F.A.Z.-Verlag übernommen wor- Das Auf und Ab zermürbt Be- ein Jahr ist es her, dass sie den Inte- den, Druckerei und Verlag werden triebsräte und ganze Belegschaften. ressenausgleich in der ersten Kündi- dichtgemacht. Die meisten der 350 »Die Unsicherheit ist brutal für die gungswelle von 10.000 Beschäftig- Beschäftigten sind schon in die Trans- Kollegen«, sagt Rainer Einenkel, 58, ten unterschrieben hat. Sie stockt, fergesellschaft gewechselt, bei weite- Betriebsratsvorsitzender bei Opel kämpft mit den Tränen und muss sich ren 100 ist die Zukunft ungewiss. Die Bochum. Seit acht Jahren droht dem erst sammeln, bevor sie wieder spre- Tage in der Rotation sind gezählt. Werk immer wieder das Aus. Sieben chen kann. Der 1. April ist Stichtag. DRUCK+PAPIER: Hast du es bereut, Schließungspläne liegen in seiner Für tausende ehemalige Schlecker- den Betriebsratsvorsitz übernommen Schublade. Den Tarifvertrag zur Be- Beschäftigte läuft das Arbeitslosen- zu haben? schäftigungssicherung und Sanierung geld aus. Jetzt bleibt nur noch Hartz Bathis: Ich habe mich mehr als ein- zwischen IG Metall und dem Mutter- IV. Als sie den Interessenausgleich mal gefragt, wieso ich mir das antue. konzern General Motors (GM) für die unterschrieb, »hatten wir keine an-
D R U C K + PA P I E R 3 . 2 0 1 3 11 M e l du n ge n dere Wahl. Das war wie Pest oder Schliemann: Es gab einen Investor, der Cholera.« Sie bekam wütende Mails und Anrufe. Warum hast du so unter der Bedingung einsteigen wollte, dass noch mal Personal abgebaut und Immer mehr Verpackungen schnell unterschrieben? Wäre nicht unter Tarif gearbeitet wird. Ich habe die Premiere in München. »Europas einzige Fachmesse für die Well- noch etwas zu retten gewesen? Unterschrift verweigert. Teile der Ge- pappen- und Faltschachtelindustrie«, wie sich die CCE Internati- Hoffmann: Die Kritik hat wehge- schäftsleitung erzählten daraufhin, der onal nennt, brachte im März 110 Aussteller aus 15 Ländern mit tan. Aber ich nehme das nieman- Betriebsrat sei schuld, dass der Betrieb gut 2.000 Fachbesuchern zusammen. Eine komplette Produkti- dem übel. Verzweiflung braucht ein geschlossen werden muss. onslinie des Herstellers TCY Machinery aus Taiwan war das größte Ventil. Ich habe den Kolleginnen er- Bathis: Erpressung gab es häufig. Die Exponat. Kein Zufall: Immer stärker drängen asiatische Hersteller klärt, dass ich nach dem Gesetz und Bedingungen für die Übernahme der auf den europäischen Markt. Laut TCY-Geschäftsführung wurden Beschluss des Gesamtbetriebsrates Zeitung und von ein paar wenigen innerhalb von zwei Jahren zehn komplette Produktionslinien al- einen Interessenausgleich unter- Redakteuren durch die Frankfurter lein in Deutschland aufgestellt. Möglicherweise auch in den ganz schreiben musste und es nur einen Societät und den F.A.Z-Verlag sind neuen Wellpappe-Werken, die von Bad Wörishofen bis Leinefelde Schuldigen und einen Verantwort- uns regelrecht diktiert worden. Mit- entstehen. Sieben zusätzliche Produzenten könnten nach Schät- lichen für die Insolvenz gibt: Anton bestimmungsrechte für den Betriebs- zungen von Branchenkennern zehn Prozent mehr Verpackungen Schlecker. Und einen zweiten, der rat gab es nur auf dem Papier. auf den deutschen Markt werfen. uns für seine politische Bühne miss- D+P: Wie konntet ihr durchhalten? Wem nützt diese Ausweitung, wem schadet sie? Klar ist bis- braucht hat: Das ist Wirtschaftsmi- Christel Hoffmann her nur: Online-Shopping wird weiter zunehmen – und damit der nister Philipp Rösler, FDP, der die ist noch bis Ende Bedarf an Wellpappe-Hüllen für den Versand. Unklar dagegen Transfergesellschaft verhinderte. diesen Jahres Gesamtbetriebsrats- ist, wie sich die Nachfrage nach speziell gefertigten Transportver- Einenkel: Mir wurde Verrat an der vorsitzende packungen für Industriegüter entwickelt. Bricht der Export ein, Belegschaft unterstellt. Man sollte der insolventen wachsen Überkapazitäten beim Wellpappe-Angebot. nur mal abwarten, schrieb einer im Drogeriemarktkette Schlecker. Noch ist die Zahl der Beschäftigten stabil und liegt nach Anga- Internetforum, lange werde es nicht ben des Verbands der deutschen Wellpappen-Industrie (VDW) bei dauern, bis dieser Einenkel in der Hoffmann: Ich war immer eine knapp 18.000. Allerdings: Der Grad der Automatisierung in den Gewerkschaft Karriere macht. Das Kämpfernatur. Geholfen haben mir Werkhallen nimmt weiter zu, die Anforderungen an Facharbeiter ist lächerlich. Aber das muss man Menschen, die mir immer wieder steigen ebenfalls. Helferjobs verschwinden oder werden ausgela- aushalten. sagten: Du bist nicht verantwortlich gert als Leiharbeit. -hbf Bathis: Richtig geärgert hat mich für die Insolvenz. die Kritik in der Zeitung »Neues Einenkel: Ich vergewissere mich Deutschland«. Dort stand, dass die Belegschaft durch stoisches Abwar- ständig bei der Belegschaft, berichte C.H. Beck: ver.di fordert in allen Schichten und auch mal in ten, Wohlverhalten und moralische Appelle an die Gesellschafter und einer elfstündigen Versammlung. Die vernünftigen Kompromiss Kollegen würden mir deutlich sagen, den Springer-Konzern versucht wenn ich falsch läge. Und wenn Eine Rückkehr zum Flächentarifvertrag schließt der neue Druckerei- habe, die Katastrophe abzuwenden. mein Kopf nur noch um die Arbeit leiter von C.H. Beck in Nördlingen kategorisch aus. Oliver Kranert Der Axel-Springer-Verlag hatte den kreist, gibt es eine klare Ansage von spüre allerdings den Unfrieden, den die derzeit so unterschiedlichen Druckauftrag gekündigt, wodurch meiner Frau, dass es noch ein Leben Vertragsbedingungen im Werk verursachen, meldeten am 13. April die Hälfte des Umsatzes weggebro- außerhalb von Opel gibt. die »Rieser Nachrichten«. Seine Lösung: Wieder einheitliche Rege- chen war und es noch schwieriger Schliemann: Wir haben in dieser Zeit lungen für alle – auf der Basis der (schlechten) Einzelverträge. wurde, einen Investor zu interes- aufeinander aufgepasst. Im Betriebs- Genau das wollen die Beschäftigten keinesfalls, bekräftigten sieren. Aber vom Schreibtisch lässt rat, aber auch in der Belegschaft. am gleichen Tag die ver.di-Mitglieder der Beckschen Druckerei. sich gut Revolution machen. Getrof- Guckt aufeinander, das empfehle ich »Es kann nicht sein, dass wir einem Haustarifvertrag zustimmen, fen haben mich böse Einträge von auch den Kollegen von Prinovis in in dem festgeschrieben wird, was den Beschäftigten vorher einzeln Kollegen im Internet. Ihre Nerven Itzehoe, denen die Schließung des abgepresst wurde – unter der Drohung des Arbeitsplatzverlusts«, lagen blank. Meine aber auch. Werkes bevorsteht. Aber man muss unterstrich ver.di-Sekretär Rudi Kleiber. Die Mitgliederversammlung Welchen Betriebsrat man auch sich nichts vormachen. Es gab bei formulierte Forderungen in einem Eckpunktepapier. fragt – viele sind Erpressungsversu- uns einen Suizid. Das ist mir sehr Die Belegschaft der Buchdruckerei hat mit viel Engagement er- chen ausgesetzt gewesen. Auch Kai nahegegangen. reicht, dass es überhaupt Haustarifverhandlungen im Hause Beck Schliemann, 51, Betriebsratsvorsit- Bathis: Jeder Tag bringt eine neue gibt. Die ersten Arbeitgeber-Vorschläge aber laufen darauf hinaus, zender der Tiefdruckerei Broschek Wendung, eine andere Katastrophe, die miesesten Konditionen im Werk für alle zu zementieren und das in Hamburg, die 2011 geschlossen da bleibt keine Luft, um nachzuden- als Vereinheitlichung zu verkaufen. Da ziehen nicht nur die Drucker, wurde. ken, was man eigentlich tut. Mir hat sondern auch die Beschäftigten in der Buchbinderei nicht mit, die Kai Schliemann, 51, es gutgetan, dass mir jemand zuge- bisher immerhin nach dem Tarif der Papier verarbeitenden Industrie war bis zur Schließung 2011 Betriebsrats- hört hat und ich dort viel abladen bezahlt werden. Die ver.di-Linie, so Kleiber: »Vernünftige Kom- vorsitzender der Tief- konnte. Jemand, der die Situation promisse im Vergleich zum Flächentarif: Ja. Aber keine nochmaligen druckerei Broschek mit kennt, aber nicht mitten im Gesche- Verschlechterungen.« Geht der Arbeitgeber nicht mit, wird ver.di 200 Beschäftigten in Hamburg. Heute arbei- hen steckt. (Fragen: mib) die Beschäftigten in der Nördlinger Druckerei zum Streik aufrufen. tet er bei der IG Metall. Zunächst wird weiter verhandelt. Helga Ballauf
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