Zum besten Bauen - Experten: Grösster Komfort als Ziel - Das Spezialmagazin zu den Internationalen Tagen des Minergie-P/Passivhauses 2008 ...
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zum besten Bauen Das Spezialmagazin zu den Internationalen Tagen des Minergie-P/Passivhauses 2008 Experten: Grösster Komfort als Ziel Report: Unterwegs ins Minergie-P-Haus In Ihrer Nähe: CHF 3.50 60 offene Häuser zum Reinschauen
Franz Beyeler Pierre Honegger Geschäftsführer Minergie Präsident IG Passivhaus Editorial Der Weg zum besten Bauen Das beste Bauen ist heute angesagter denn je. Schlecht gebaute alte und neuere Gebäude verbrauchen für das Heizen und die Warmwasser-Auf- bereitung rund 45 Prozent des gesamten Energieverbrauchs der Schweiz! Diese Situation hat Folgen, die immer spürbarer werden: Die steigenden Energiekosten drücken Hausbesitzern wie Mietern zunehmend aufs Porte- monnaie. Das beste Bauen kann hier entscheidend mitwirken, diese Her- ausforderungen aktiv anzupacken und mit neuen Lösungen zukunfts- weisende Wege freizulegen. Wer besser baut, baut wirtschaftlich. Denn vom besseren Bauen profitie- ren alle: Die Gebäudenutzer kommen in den Genuss eines wesentlich hö- heren Wohnkomforts und tiefer Energiekosten. Das Schweizer Bauge- werbe kann sein Know-how und seine Erfahrungen einbringen. Volks- wirtschaftlich gesehen sinkt die Abhängigkeit von Energieimporten und bezüglich Umweltbelastung werden die Voraussetzungen geschaffen, um die Vorgaben des Kyoto-Protokolls zu erfüllen. Die 10'000 Minergie- Bauten mit einer Energiebezugsfläche von 10 Millionen m2, die in den ersten 10 Jahren erstellt wurden, sind dafür der Tatbeweis. Mit dem «Wegweiser zum besten Bauen» wollen Minergie und die IG Pas- sivhaus aufzeigen, dass das beste Bauen in der Schweiz schon sehr ver- breitet ist. So können Sie am 8. und 9. November im Rahmen des «Tages der offenen Tür» rund 60 Minergie-P/ Passivhäuser besuchen. Ein Besuch lohnt sich, denn einige dieser Häuser produzieren selber gleichviel oder fast gleichviel Energie, wie sie verbrauchen. Oder haben Sie ein solches Wohnkraftwerk schon einmal von innen gesehen? In diese Richtung wird die weitere Entwicklung von Minergie-P einerseits gehen. Auf der anderen Seite werden heute Minergie- und Minergie-P-Häuser zu- sätzlich nach den Kriterien von Minergie-Eco gebaut. Dabei werden die Baumaterialien bezüglich ihrer gesundheitlichen und ökologischen Qua- litäten beurteilt und zertifiziert. Der Gebäudebestand ist eine weitere Hauptaufgabe, da viel zu wenig gesamtsaniert wird – und meist auch noch zu konzeptlos. Minergie und Minergie-P sind beim Modernisieren eine wertvolle Richtschnur. Wir möchten uns ganz herzlich bei allen Minergie-P-Hausbesitzenden und Baufachleuten bedanken, die am «Tag der offenen Tür» mitwirken. Unter- stützt von ihrer Gastfreundschaft und Beratung mögen viele interessierte Bauherrschaften den Weg zum besten Bauen finden – und unter die Füsse nehmen. 02 03
Die Expertenrunde Das Ziel ist der grösste Komfort Gegen 10'000 Minergie-Bauten wurden in 10 Jahren erstellt. Dieser Erfolg belegt, dass sowohl die Technologien als das Know-how für das beste Bauen vorhanden sind. Der Verein Minergie, die IG Passivhaus sowie die innovativen Unternehmen der Bau- und Finanzbranche sind aber weiterhin gefordert: Insbesondere Bauherren müssen noch besser informiert werden. Redaktionsleiter Roland Schönenberger hat sich deshalb mit hochkarätigen Fachmännern darüber unterhalten, was die nächsten Schritte auf dem Weg zum besten Bauen sind. Was muss auf dem Wegweiser stehen, damit das Ziel «Bestes Pierre Honegger: Für mich besteht das beste Bauen im Bauen» erreicht werden kann? besten Komfort und einem minimalen oder gar kei- nem Verbrauch von fossilen Energien. Wir sind heute Franz Beyeler: Bestes Bauen ist sicher nicht so, wie wir technisch in der Lage, Häuser im Minergie-P/Passiv- es uns im Moment leider noch gewohnt sind. Heute haus-Standard zu bauen, die eigenständige Kraftwerke bauen wir grundsätzlich gleich wie vor 500 Jahren, als sein können. Mit einem solchen Haus ist man folglich man die ersten Fenster anschlug. Mit einem Denk- nicht mehr von Energiepreisen und Energieressour- fehler: Der Mensch produziert inzwischen viel mehr cen abhängig. Das bedeutet für die Bauherrschaft eine Lärm und Dreck und Abgase. Darum müssen wir an- Wertsteigerung. ders, das heisst «technischer» bauen: Beispielsweise mit einer Komfortlüftung mit Pollenschutzfilter. An- René Buholzer: Wenn die Credit Suisse für den Eigenge- sonsten haben wir nicht den Lebenskomfort, den wir brauch baut oder Bauten als Investitionsobjekte er- verdienen. stellt, betrachten wir diese Gebäude aus einer lang- 16 17
fristigen Perspektive und realisieren sie in der Folge Wie können sich Bauherrschaften ein klares Bild von gemäss den besten Standards. Aufgrund der langen Minergie-P und dem Passivhaus machen? Lebenszeiten von Gebäuden ist es ungemein wichtig, die besten Standards als Referenzrahmen zu nehmen. Pierre Honegger: Wer ein Auto kauft, kann eine Probe- Nur dann ist es möglich, dass der Komfort während fahrt machen. Wir haben deshalb seitens der IG Pas- der gesamten Lebenszeit eines Gebäudes erhalten sivhaus ein Projekt mit vier Minergie-P-Ferienhäusern bleibt. in Unterwasser gestartet, wo Interessierte ein «Probe- wohnen im Passivhaus» absolvieren können. Wir las- Rolf Heinrich: Die Technik fürs beste Bauen ist vorhan- sen uns gerne testen, denn wir sind überzeugt, die den. Es ist nicht so, dass man noch warten müsste. Die Besten zu sein. Produkte sind im Markt und erbringen die gewünsch- ten Leistungen. Als Haushaltsgeräte-Hersteller kon- Wir möchten diese Häuser insbesondere an Skeptiker zentrieren wir uns ganz auf die besten Standards. vermieten, die uns immer wieder fragen, ob man in Denn wer in der Branche nicht Geräte der Energie- einem Minergie-P-Haus noch die Fenster öffnen darf. klasse A oder besser anbieten kann, hat kaum noch Wenn Bauinteressierte dort eine Woche oder ein Wo- Chancen. Wichtig ist, dass die Baufachleute noch ver- chenende Ferien verbringen, hoffen wir, dass sie über- stärkt untereinander kommunizieren – auch über die zeugt werden und ein Minergie-P-Haus bauen wollen einzelnen Gewerke hinaus. – oder besser gleich ein Minergie-P-Eco-Haus. Franz Kainz: Dem kann ich nur zustimmen. Das beste Auch von privater Seite her gibt es Initiativen wie das Bauen orientiert sich am Energiesparen, am Senken Bed & Breakfast in Stein am Rhein, wo eine begei- der Heizkosten und Fördern erneuerbarer Energien. sterte Familie Interessierte zu sich einlädt, damit sie Wir als Dämmungshersteller empfehlen gut gedämmte einmal in einem Minergie-P-Haus übernachten kön- Gebäudehüllen mit dem Gedanken, dass eine opti- nen. mierte Haustechnik den Energiehaushalt ausgleicht. Trotzdem: viele Bauherren wissen noch nicht genau, was unter bestem Bauen zu verstehen ist. Als Bau- Infos zu www.probewohnen.ch fachleute müssen wir sie noch besser informieren und Infos zu www.schlafenamrhein.ch noch stärker einbeziehen. Die Experten- runde... Franz Beyeler, René Buholzer, Leiter Politik und Geschäftsführer Verein Minergie Nachhaltigkeit, Credit Suisse
Die Expertenrunde Gibt es auch Initiativen, die sich an weitere Kreise richten? den Mehrkosten von Minergie-P. Aus meiner Erfah- Beispielsweise für Banken oder Schulen? rung halten sich die Mehrkosten in einem bescheide- nen Rahmen, wenn das Projekt klug angepackt wird. Pierre Honegger: Die Geschäftsstelle der Energiefach- Beim Betrieb von Komfortlüftungen mit Einzelgeräten, leute Thurgau wird im nächsten Jahr die Oberstufen- die an den Wohnungszähler angehängt sind, hat man gebäude des Kantons besuchen, um zusammen mit zudem keine Administration mehr für Heizkostenab- den Schülerinnen und Schülern das jeweilige Schul- rechnungen – und somit keine Streitfälle mehr. Und haus zu analysieren. Unsere Fachleute werden ihnen die Bewohnenden haben eine Kostensicherheit, denn erklären, wie man es allenfalls sanieren könnte. Über ein Minergie-P-Haus verursacht etwa 100 bis 150 Fran- diesen Kanal sollten wir ein breites Publikum errei- ken an Heizkosten für eine Wohnung – im Jahr und chen. Denn viele Schülerinnen und Schüler werden nicht pro Monat! In einem solchen Fall kann der Ver- nach Haus gehen und ihre Eltern fragen: Du Papa, wel- mieter sich auf eine Nebenkostenpauschale einlassen, chen Energiestandard besitzt eigentlich unser Haus? denn die restliche Verbräuche für Hauswart oder Lift sind bekannt. Franz Beyeler: Wir möchten die Banken ansprechen, damit Bauherren mit Minergie-P-Projekten im Hypo- Franz Beyeler: Es ist ja schon aufschlussreich, dass man thekengespräch mit Finanzfachleuten sprechen kön- beim Haus immer nach der Rendite fragt, dieses nen, die ein Verständnis von gutem Bauen haben. Thema aber beim Auto vollkommen ausschliesst. Aber Dieses Verständnis ist wichtig, um bei Minergie-P- es sind eigentlich die Lifecycle-Kosten, die bei Gebäu- Projekte zu erkennen, dass die Investitionen in Däm- den matchentscheidend sind. Wer heute tief investiert, mung und Komfortlüftung wichtiger sind als diejenigen hat morgen mit seinen Lifecycle-Kosten eine Riesen- in eine teure Küche. hypothek am Bein, weil die Energiekosten nur noch steigen werden. Vielfach werden die Kosten als Hemmnis für das Bauen über der gesetzlichen Norm angeführt. Wie hoch sind die Mehrko- René Buholzer: Im Unterschied zum Auto, das als sten tatsächlich? Konsumobjekt betrachtet wird, gilt ein Haus als In- vestitionsobjekt. Dementsprechend wird ein Auto Pierre Honegger: Oft fragen bei Mehrfamilienhäusern auch über Emotionen verkauft. Deshalb wäre es Private oder Erbgemeinschaften nach der Rendite und für eine noch bessere Positionierung von Minergie-P- Pierre Honegger, Rolf Heinrich, Franz Kainz, Architekt/Präsident IG Passivhaus Leiter Marketing Services, V-Zug Verkaufsleiter Flumroc 18 19
Dank Minergie haben wir den Mut, eine aktivere, intelligentere Energiepolitik zu betreiben. Franz Beyeler Gebäuden wichtig, noch stärker auf die emotionalen Verbesserungen im Sinne von Materialien mit noch Aspekte wie Wohlbefinden und vorzüglichen Komfort tieferen Wärmeleitwerten. Das würde es erlauben, hinzuweisen. weniger dick zu bauen. Ein Vorteil, da in vielen Kanto- nen die Ausnützung der Bruttogeschossfläche leider Sind Minergie-P-Bauten eine Sache des Gewissen bezüglich immer noch aussen gemessen wird. Umwelt? Oder dürfen sie sexy sein, wie sich eine Berner Bau- direktorin ausdrückte? Franz Kainz: Allzu dicke Dämmstärken von über 400 Millimeter nützen niemandem. Doch es bleibt zu be- René Buholzer: Aus meiner Sicht hat die Umweltbe- achten, dass die vorteilhaften Eigenschaften der Ge- wegung das Problem, dass mit ihr noch zu stark das bäudehülle bei einer optimalen Dämmstärke zwischen Verzichtdenken assoziiert wird. Um den Erfolg von Mi- 160 bis 280 Millimeter nicht verloren gehen. nergie-P in Zukunft noch breiter zu verankern, müss- ten sich die Angebote noch trendiger und attraktiver Wie wichtig ist das Verhalten der Bewohnerinnen und Be- präsentieren. Es muss klar werden, dass die Leute mit wohner eines Minergie-P-Hauses? einem Minergie-P-Haus an allen Fronten gewinnen – und nicht nur ihr Umweltgewissen beruhigen. Franz Beyeler: Das Benutzerverhalten ist matchent- scheidend. Nötig ist ein umfassendes Gesamtver- Franz Beyeler: Ja, viele Leute denken noch heute beim ständnis, um Energieeffizienz und die Vorteile der Wort Energieeffizienz daran, einen dicken Wollpullover Komfortlüftung zusammenzuführen. anzuziehen. Das ist komplett falsch! Bei Minergie geht es um Komfort, Lebensqualität und Lebenssicherheit. Franz Kainz: Wer nicht weiss, wie ein Minergie-P-Haus genutzt werden soll, dem nützt selbst das beste Haus Wie zukunftssicher ist der Minergie-P-/ Passivhaus-Standard? nichts. Während man sich bei Autokauf im Detail be- Wird er bald einmal von einem noch besseren Standard abge- raten lässt, glaubt man beim Hauskauf die Tür zu öff- löst? nen und wohnen zu können. Deshalb ist auch hier Kommunikation und Information angesagt: Wir müs- Pierre Honegger: Wer nach Minergie-P baut, kann si- sen die Bauherren informieren, wie er die Vorteile nut- cher sein, dass in den nächsten 50 Jahren kein besse- zen kann. rer Standard kommen wird. Denn physikalisch sind die Möglichkeiten bei Minergie-P ausgereizt, was auch Rolf Heinrich: Wer beispielsweise von einem Altbau in Wolfgang Feist, der Erfinder des Passivhauses, bestä- einen Neubau umzieht, wird mit einer ganz anderen tigt. Was noch erwartet werden kann, sind technische Form des Wohnens konfrontiert. Die vertrauten Me-
Die Expertenrunde Pierre Honegger: Im Thurgau haben wir im Jahr 2006 be- gonnen, zusammen mit der IG Passivhaus und den kantonalen Energieberatungsstellen Infoabende zu veranstalten zum Thema «Gebäude sanieren – Ener- gie halbieren». Ein Riesenerfolg! Einerseits konnten wir die Anzahl der Energieberater erhöhen: Im Jahr 2005 waren es drei im ganzen Kanton, heute gibt es nur noch eine Gemeinde, die keinen hat! Dazu haben wir anfangs den Leuten in einer Gemeinde mit Ener- gieberater einen Beratungsgutschein von 200 Franken ausgestellt, worauf die anderen Gemeinden unter Zugzwang gerieten. Andererseits haben wir Tools entwickelt, um Modernisierungen auf Minergie-P- Niveau anzuschieben: Energieberater besuchen ein Haus mit einer Infrarotkamera, nehmen aussagekräf- tige Bilder auf und führen eine erste Analyse durch. Mit einfachen Excel-Tools haben wir Diagnose-Instru- chanismen müssen der neuen Situation angepasst mente geschaffen, die einfacher sind als der SIA- werden, damit sie nicht die technologischen Vorteile Energienachweis. Dadurch konnten Hausbesitzer ins im Neubau wieder ausschalten. Förderprogramm gelangen, und beispielsweise Fen- ster und Fassaden erneuern. Wie können Einfamilienhausbesitzer, die ihr Heim vor Jahren gebaut haben, für Modernisierungen auf Minergie-P-Standard Franz Beyeler: Gemäss einer Zürcher Studie erfolgen gewonnen werden? Gesamtsanierungen meist innerhalb der ersten fünf Jahre nach dem Kauf einer Liegenschaft! Wir müssen Franz Kainz: Einfamilienhausbesitzer abzuholen, die sicherlich die Rahmenbedingungen für diejenigen ver- vor 30 bis 40 Jahren gebaut haben, ist äusserst schwie- bessern, die sanieren wollen. Das heisst, Mieterschutz rig. Sie leben jetzt als ältere Menschen in ihrem trau- und Hauseigentümerinteresse müssen besser auf- ten Eigenheim und wollen keine grosse Veränderungen einander abgestimmt werden, wie jetzt mit der Ab- mehr. Unsere Herausforderung ist deshalb: Die Haus- schaffung der Dumont-Praxis. Das Umlegen von Inve- besitzer an Energie- und Hausmessen über Energie- stitionen muss besser werden. Die Krux in der Schweiz sparen, Gebäudehülle dämmen oder Förderbeiträge sind aber die 75 Prozent Mieter, die nicht durch die Vor- informieren und orientieren. Steigende Energiepreise teile der Hausbesitzer benachteiligt werden wollen. würden diesen Trend noch verstärken. Der Mieter muss jedoch mit Investitionen in die Ge- bäudehülle in dem Masse belastet werden, dass er Franz Beyeler: Vielleicht müssten wir es mit Gendo- langfristig von den tieferen Energiekosten profitiert. ping versuchen, wie es dieses Jahr die ersten Sportler in Peking wahrscheinlich getan haben! Im Ernst: In der Welche Impulse sind von der Politik und der öffentlichen Hand Schweiz herrscht ein dramatischer Sanierungsstau. zu erwarten? Während die Autofahrer alle 20'000 Kilometer das Öl wechseln, was technisch nicht einmal nötig wäre, tun Pierre Honegger: Das Bundesamt für Energie hat an- die Hausbesitzer so, als könnten ihre Gebäude 2000 gedeutet, dass das Ende der Freiwilligkeit erreicht sei. Jahre alt werden. Vielleicht wird nach 30 Jahren die Über steuerliche Vorteile oder tieferen Hypothekarzin- Küche gestrichen, beim Mieterwechsel die Küchenge- sen oder die Energieetiquette müssen die Leute zum räte ausgewechselt oder im besten Fall die Fenster er- Handeln gezwungen werden. Beim langfristig zu er- neuert. Gesamtsanierungen, wie sie für Minergie-P wartenden Anstieg der Energie- und Strompreise wird nötig wären, werden viel zu wenige gemacht. Kurz: Wir es sich niemand mehr leisten können, eine energeti- haben eine falsche Beziehung zu unserem Gebäude- sche Ruine zu besitzen. Zudem drohen der Schweiz bestand. beim Nichteinhalten der Vorgaben des Kyoto-Proto- 20 21
Wir lassen uns gerne kolls Strafzahlungen, die wir durch Modernisieren des Gebäudebestandes mit Investitionen in die einheimi- sche Baubranche abwenden könnten. Dann profitieren testen, denn wir wir alle davon: durch mehr Arbeitsplätze und mehr Geld, das ausgegeben und versteuert wird. sind überzeugt, Franz Kainz: Wir haben im Rahmen einer Absatzpro- die Besten zu sein. gnose mit einer privaten Zürcher Baugenossenschaft und zwei Versicherungen gesprochen, die über grosse Pierre Honegger Immobilienbestände verfügen. Eine Versicherung hat klipp und klar gesagt, dass sie ihren Gebäudepark nur nach Normen und Vorschriften renovieren werden: Für sie zählt allein die Rendite. Die Baugenossenschaft hingegen hat angegeben, dass sie versuchen, mehr zu Bau involvierten Parteien gesamtheitlich denken und machen als gefordert. Sie müssten zuerst mit ihren ihre Lösungen dementsprechend planen und instal- Genossenschaftern reden und ihnen das Projekt prä- lieren, kann der Hausbesitzer langfristig von günsti- sentieren, aber dann würden sie es machen. Folglich gen Lebenszyklus-Kosten profitieren. kann man den konventionellen Investor nur mit Vor- schriften abholen. Erst dann macht er mehr. Pierre Honegger: Das Produkt Minergie-P ist eine ge- niale Kombination von Ökologie und Ökonomie, die Franz Beyeler: Minergie hat seit 10 Jahren das Ziel, die sich einer riesigen Nachfrage erfreut. Wer nicht auf Industrie und die Investoren für die Bewegung des diese Schiene aufspringt, wird aufpassen müssen, besten Bauens zu gewinnen – was die Zusammenset- dass er in Zukunft nicht vom Markt verschwindet. Bau- zung dieser Diskussionsrunde bestens zeigt. Als libe- herren haben mir als Architekten bereits ihre Aufträge ral denkendem Menschen ist es mir in diesem Sinne anvertraut, weil Berufskollegen über Minergie-P her- wichtig, die Leute zu motivieren, freiwillig mehr zu ma- gezogen sind und nicht bereit waren, nach diesem chen. Ich bin überzeugt, dass auf diese Art wesentlich Standard zu bauen. mehr geschieht, als wenn man die Daumenschrauben anzieht. Ich bin optimistisch, dass wir zusammen mit Franz Beyeler: Wir wollen das Feld aufrollen für eine der Industrie und mit guten Berufsleuten mehr errei- aktive Energiepolitik. Die Energiedirektoren hätten ihre chen, als wenn wir es aufoktroyieren. Musterverordnungen nie von 9 auf 4,8 Liter reduziert, wenn es keine Minergie gäbe. Dank Minergie haben René Buholzer: Ich würde mich ebenfalls gegen wir den Mut, eine aktivere, intelligentere Energiepoli- Zwangsmassnahmen wehren, die stark in das Privat- tik zu betreiben. Minergie macht's vor. Die Bewegung eigentum eingreifen. Gemäss dem Finanzdepartement ist gut angestossen, doch wir dürfen nicht müde wer- des Bundes kann man nicht davon ausgehen, dass den, zu wirken und zu vernetzen. Fördermassnahmen allein in diesem Bereich viel be- wegen können. Der wesentliche Punkt aus meiner Franz Kainz: Ziel muss es sein, die Bauherren noch Sicht ist jedoch: Wieso wollen wir den neusten iPod besser abzuholen, noch mehr zu motivieren und zu haben – aber nicht das neuste Gebäude? inspirieren, dass er auf diesen Standard losgeht, mit dem er fast keine Energie mehr braucht. Fazit: Wo stehen wir heute auf dem Weg zum besten Bauen? René Buholzer: In der ganzen Energiedebatte und Um- Rolf Heinrich: Die technologischen Lösungen sind da, weltpolitik ist es wichtig, eine positive Sichtweise her- aber wir können nicht stehen bleiben, sondern müs- vorzuheben: Das beste Bauen führt zu einem Mehr- sen uns weiterentwickeln. Die Baufachleute müssen wert an Komfort und ist kein Komfortverzicht. Wir sich zudem überlegt und vernetzt für die Sache des be- brauchen jedoch auch den Menschen, den informier- sten Bauens einsetzen. Es genügt nicht, nur im eige- ten Bewohner, der den hohen, nachhaltigen Standard nen Gärtchen zu handwerken. Denn erst wenn alle am nachfragt.
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