ZUM SCHUTZ VON DOMAINS AUS WETTBEWERBS- UND MARKEN-RECHTLICHER SICHT - JKU ePUB
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Eingereicht von Katharina Michner BA MA ZUM SCHUTZ VON Angefertigt am Institut für Unternehmensrecht DOMAINS AUS Beurteiler Assoz. Univ.-Prof. Dr. Thomas WETTBEWERBS- Wolkerstorfer, LL.B. UND MARKEN- März 2021 RECHTLICHER SICHT Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Mag. iur. im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSIT ÄT LINZ Altenberger
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Wien, den 8. März 2021 08. März 2021 Katharina Michner 2/40
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................. 5 I. Einleitung ............................................................................................................... 7 II. Grundfragen .......................................................................................................... 8 A. Die Rechtsnatur der Domain .................................................................................. 8 B. Der Prioritätsgrundsatz und seine Grenzen ........................................................... 9 C. Unterscheidungskraft und Verwechslungsgefahr ................................................. 12 III. Fallgruppen.......................................................................................................... 16 A. Kennzeichenmissbrauch gem § 9 UWG .............................................................. 16 B. Domains und MSchG ........................................................................................... 18 C. Namensschutz nach § 43 ABGB.......................................................................... 20 D. Lauterkeitsrechtliche Ansprüche .......................................................................... 23 1. Domain-Grabbing (auch Cyber-Squatting) ........................................................... 23 2. Domain-Squatting (auch Typo-Squatting) ............................................................ 25 3. Catch-all-Funktion................................................................................................ 25 4. Weitere Fallgruppen ............................................................................................ 26 a) Keyword-Advertising ............................................................................................ 27 b) Metatagging ......................................................................................................... 28 c) Wordstuffing ........................................................................................................ 28 d) Links .................................................................................................................... 29 IV. Rechtsfolgen........................................................................................................ 30 A. Anspruchsgegner................................................................................................. 30 B. Ansprüche ........................................................................................................... 31 1. Unterlassung und Löschung ................................................................................ 31 2. Übertragung......................................................................................................... 32 3. Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche .................................................... 34 4. Urteilsveröffentlichung ......................................................................................... 35 C. Verwirkung........................................................................................................... 36 08. März 2021 Katharina Michner 3/40
D. Die Anspruchsgrundlagen im Vergleich ............................................................... 37 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 38 08. März 2021 Katharina Michner 4/40
Abkürzungsverzeichnis aA andere Ansicht ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Abs Absatz Anm Anmerkung AnwBl Österreichisches Anwaltsblatt BGH Bundesgerichtshof bzw beziehungsweise ders derselbe dh das heißt dRsp deutsche Rechtsprechung E Entscheidung EuGH Europäischer Gerichtshof f folgende FS Festschrift gem gemäß GesRÄG Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz hA herrschende Ansicht Hrsg Herausgeber idR in der Regel insb insbesondere iSd im Sinne des iVm in Verbindung mit jusIT Zeitschrift für IT-Recht, Rechtsinformation und Datenschutz Kap Kapitel krit kritisch LG Landesgericht MarkenG Markengesetz (Deutschland) mE meines Erachtens MR Medien und Recht MSchG Markenschutzgesetz mwN mit weiteren Nachweisen oä oder ähnliche ÖBl Österreichische Blätter für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht o dergl oder dergleichen OGH Oberster Gerichtshof ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung OLG Oberlandesgericht PatG Patentgesetz Pkt Punkt rdb Manz-Rechtsdatenbank RdW Österreichisches Recht der Wirtschaft RFG Rechts- und Finanzierungspraxis der Gemeinden RIS Rechtsinformationssystem des Bundes Rz Randziffer 08. März 2021 Katharina Michner 5/40
s. siehe SLD Sub-Level-Domain sog sogenannt stRsp ständige Rechtsprechung TLD Top-Level-Domain u und ua und andere UGB Unternehmensgesetzbuch UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb uU unter Umständen vgl vergleiche VO (EG) Verordnung (EG) Nr. 874/2004 der Kommission vom 28. 874/2004 April 2004 zur Festlegung von allgemeinen Regeln für die Durchführung und die Funktionen der Domäne oberster Stufe ".eu" und der allgemeinen Grundregeln für die Registrierung wbl Wirtschaftsrechtliche Blätter. Zeitschrift für österreichisches und europäisches Wirtschaftsrecht Z Ziffer zB zum Beispiel zT zum Teil zust zustimmend zw zwischen 08. März 2021 Katharina Michner 6/40
I. Einleitung Domains, auch Internetadressen genannt, sind als Aushängeschilder für Unternehmen und Privatpersonen heute von ähnlicher Bedeutung wie Firmen und Logos. Daher ergibt sich genauso wie bei anderen Kennzeichen die Notwendigkeit, sich durch die Domain von Konkurrenten abzuheben und die Domain vor Missbrauch zu schützen. In seiner ersten Entscheidung über einen kennzeichenrechtlichen Streit um eine Domain gab der OGH zugleich eine ausführliche Erläuterung der Bauweise einer Domain. „Jeder Domain Name besteht aus mehreren Teilen (domain levels), die durch Punkte voneinander getrennt sind. […] Grundelement ist die auf der äußerst rechten Seite des Namens erscheinende oberste Organisationsebene (top level domain). Sie gibt zumeist das Land, in dem der Domain Name registriert wurde, an (zB .at für Österreich […]). […] Schließlich folgt der von jedem Anbieter frei wählbare Namensteil [die sub level domain]. Der äußerst linke Teil gibt zumeist die Art des Dienstes an, der angesprochen wird (zB http://www für ein Angebot im world wide web im Hypertextformat, einem wirtschaftlich besonders bedeutenden Teilbereich des Internet).“1 Damals, am 24. Februar 1998, war das Internet vergleichsweise neu.2 Mit seiner zunehmenden Verbreitung hat sich eine eigene „Domainjudikatur“ herausgebildet.3 Das Grundproblem (auch das hat der OGH bereits in seiner ersten Entscheidung angesprochen) ist immer dasselbe: Namenskonflikte verschärfen sich im virtuellen Raum, weil jede Domain einzigartig ist. In Österreich können mehrere Unternehmen namens „Tischlerei Josef Huber“ nebeneinander bestehen, die (fiktive) Domain www.tischlerei-josef-huber.at kann indessen nur einmal vergeben werden.4 Das österreichische Recht bietet für den Schutz der Domain mehrere Ansätze: aus der Sicht des Markenrechts, wenn eine Domain eine eingetragene Marke verletzt, aus der Sicht des Wettbewerbsrechts, wenn Kennzeichen eines Unternehmens missbraucht werden, aber auch unter dem Aspekt des Namens- und Werktitelschutzes. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt auf den Schutzmöglichkeiten nach dem MSchG, § 9 UWG und § 43 ABGB. Nicht behandelt werden urheberrechtliche 1 OGH 24.04.1998, 4Ob36/98t. 2 Zur Geschichte des Internet in Österreich s. den Überblick von Rastl, 30 Jahre Internet und seine Historie in Österreich (abrufbar unter https://www.voewa.org/blog-listing-2/item/50-30-internet#R1, 17.02.2021). Schon 1992 stand der erste kommerzielle Internet-Provider Österreichs, die EUnet GmbH, zur Verfügung; sie verwendete 1992 und 1993 aber noch die Leitungen des österreichischen Wissenschaftsnetzes ACOnet. 3 Thiele, Domainjudikatur 2017: die Top-Level-Domain „.eu“ im Blick, MR 2018, 82, 87. 4 Zum Problem der Gleichnamigkeit s. eingehend Kap II B. – Riede/Fritz, Internet Domains im unternehmerischen Umfeld, ecolex 2014, 114 (115) empfehlen daher, sich bei einer Unternehmensgründung die infrage kommende, zB der Firma entsprechende Domain rechtzeitig zu sichern. 08. März 2021 Katharina Michner 7/40
Gesichtspunkte.5 Im Zusammenhang mit dem MSchG und dem UWG ist es unvermeidlich, auch auf § 43 ABGB einzugehen, denn in der Praxis stützen sich viele Klagen auf mehrere dieser Anspruchsgrundlagen, die von der Rsp dann auch gemeinsam behandelt werden.6 Viele generelle Überlegungen (etwa zum Prioritätsgrundsatz) gelten daher für alle drei Schutzmöglichkeiten. Im Übrigen ist eine strenge Trennung schon deshalb nicht möglich, weil zB eine Firma zugleich als Marke eingetragen sein kann und der Namensschutz nach § 43 ABGB auch Firmen zugutekommt. II. Grundfragen A. Die Rechtsnatur der Domain Jede Domain ist einer natürlichen oder juristischen Person, dem Domaininhaber, zugeordnet. Dieser hat eine ähnliche Position wie ein Namensträger oder Markeninhaber.7 Domains können – das ist ihre Besonderheit – aus verschiedenen Gründen gesetzlichen Schutz genießen. Das Interesse, zB unter einem Firmenschlagwort iVm der TLD .at im Internet auffindbar zu sein, ist nämlich an sich nicht geschützt. Nur wer (zB) in seinem Namensrecht oder Firmenrecht verletzt ist, hat Anspruch darauf, dass ein diese Rechte verletzender Gebrauch unterbleibt.8 Zum einen kann sich ein bereits vor der Registrierung der Domain bestehendes Kennzeichenrecht (zB einer Firma oder Marke) auf sie erstrecken, zum anderen kann jemand eine Domain auch neu erfinden. In diesem Fall stellt sich die Frage, inwieweit die Verwendung der Domain rechtsbegründend ist, also aus der Verwendung ein eigenes Kennzeichenrecht entstehen kann.9 Die Voraussetzungen dafür sind bei jedem Schutztatbestand verschieden und werden in Kap III A–C besprochen. An dieser Stelle sei vorläufig nur festgehalten, dass unter der Verwendung der Domain nach der Rsp noch nicht die bloße Registrierung zu verstehen ist, sondern erst ihre kennzeichenmäßige Benützung für Waren oder Dienstleistungen.10 Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Frage der Priorität. 5 Zur urheberrechtlichen Beurteilung von Domains s. zB OGH 26.02.2019, 4Ob14/19s u Thiele, Von verfassungswidrigen Domains, klassischen Domainprozessen und Domainmarken. Überblick über die österreichische Domainjudikatur des Jahres 2019, MR 2020, 96 (98f) mwN. 6 Vgl etwa OGH 21.12.1999, 4Ob320/99h; OGH 11.08.2005, 4Ob59/05p. 7 Ausführlich zur rechtlichen Einordnung von Domains Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 42–62. 8 RIS-Justiz RS0115330. 9 S. dazu auch die Überlegungen von Schmid in Wiebe/Kodek (Hrsg), Kommentar zum UWG – Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb2 (2020) § 9 Rz 31 (Stand 1.8.2017, rdb.at). 10 RIS-Justiz RS0114773; vgl zB OGH 23.03.2011, 4Ob197/10i. 08. März 2021 Katharina Michner 8/40
B. Der Prioritätsgrundsatz und seine Grenzen Im Kennzeichenrecht gilt der sog Prioritätsgrundsatz: Kollidieren zwei Kennzeichen, so ist der Zeitvorrang ausschlaggebend. Für Marken untereinander bedeutet dies: Wer die Marke zuerst angemeldet hat, genießt das bessere Recht. Dieses Prinzip in § 23 MSchG geregelt, es gilt aber ganz allgemein auch für Unternehmenskennzeichen, Namen und eben auch Domains. Die Grundsätze des Kennzeichenrechts gelten bei Kollisionstatbeständen nach stRsp genauso, wenn eine Domain beteiligt ist (hier wird noch zu überlegen sein, auf welchen Zeitpunkt es bei Domains ankommt).11 Allerdings gibt es eine wichtige Ausnahme, nämlich bei Gleichnamigkeit, dh wenn zwei Kennzeicheninhaber offline befugt dasselbe Kennzeichen verwenden und nun online kollidieren. Hier stellt sich die Frage, ob die Priorität dem älteren Kennzeichen oder der älteren Domain zukommt oder ob noch andere Gesichtspunkte zu beachten sind. Thiele schlägt vor, ausschließlich auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Domain abzustellen.12 Diesem Grundsatz folgt idR der BGH.13 Nach aA sollte hier unterschieden werden, ob es sich um Zwangs- oder Wahlnamen handelt.14 Der OGH hat einzelne Fälle unterschiedlich entschieden. Im Falle onlaw.co.at spricht er die Priorität der zuerst registrierten Domain zu, obwohl unter dieser Domain noch gar kein Geschäft betrieben wurde.15 Im Falle inet.at hält der OGH zunächst fest, dass das mit einer Domain verbundene Kennzeichenrecht nicht zwangsläufig mit der Registrierung entstehe. Es komme vielmehr darauf an, wann das Zeichen „in Gebrauch genommen“ werde. Auch die Verwendung einer Domain (nur) als Emailadresse ist daher prioritätsbegründend, wenn sie im geschäftlichen Verkehr erfolgt.16 2005 stellte der OGH fest, dass die Verwendung der Domain nur eine Art der Kennzeichenbenutzung sei; ausschlaggebend sei daher, welche zugrundeliegende Firma („Omega“) die ältere sei, 11 Dies ist stRsp des OGH, vgl zB jetzt OGH 28.04.2020, 33R5/20b; speziell zu Domains zB OGH 03.04.2001, 4Ob73/01s u OGH 20.08.2002, 4Ob101/02k. S. dazu auch Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 64. 91; Schmid in Wiebe/Kodek, UWG § 9 Rz 200. Zu § 23 MSchG s. Lager-Süß in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 23 Rz 2–9 u (darauf verweisend) zB OGH 20.12.2016, 4Ob195/16d. 12 Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 115. 13 Nach stRsp des BGH gilt beim Streit um Domainnamen unter Gleichnamigen das „Gerechtigkeitsprinzip der Priorität der Registrierung“ (so explizit BGH 31.03.2010, I ZR 174/07, peekundcloppenburg.de; vgl auch BGH 08.02.2007, I ZR 59/04, grundke.de). – Anders entschieden hat der BGH im Falle 22. 11. 2001, I ZR 138/99, shell.de; s. dazu sogleich. 14 So schon Schanda, Der OGH zu sattler.at – Eine kritische Analyse, in Mayer- Schönberger/Galla/Fallenböck (Hrsg), Das Recht der Domain Namen (2001) 67 (75); vgl Faber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Großkommentar zum ABGB – Klang Kommentar³ I (2014) § 43 Rz 125. 15 OGH 16.01.2001, 4Ob226/01s ecolex 2002/83, 192 (Schanda); zust („dogmatisch richtig“) Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 92. 16 OGH 20.08.2002, 4Ob101/02k. Dieses Problem darf nicht mit der Frage verwechselt werden, was ein „kennzeichenmäßiger Gebrauch“ eines Kennzeichens ist. Nach OGH 30.01.2001, 4Ob327/00t ist die bloße Registrierung einer Domain regelmäßig keine Benützung iSd § 10a Z 2 u 4 MSchG; diese Auffassung wird in der jüngeren Entscheidung infrage gestellt. 08. März 2021 Katharina Michner 9/40
nicht der Zeitpunkt der Registrierung.17 Ähnlich spricht der OGH im Falle personalshop.de aus, die bloße Registrierung könne noch kein Kennzeichenrecht begründen.18 In manchen Fällen wurde der Prioritätsgrundsatz zugunsten anderer Überlegungen verworfen. Hiezu seien drei Beispiele zitiert, eines vom BGH und zwei vom OGH. Der BGH hatte über die Klage des Ölkonzerns Shell gegen die Domain shell.de zu entscheiden, deren Inhaber Herr Andreas Shell war. Hier wich der BGH wegen der überragenden Bekanntheit der Klägerin bewusst vom Prioritätsgrundsatz ab: Der Beklagte dürfe seinen Namen nur mit einem unterscheidenden Zusatz als Domain verwenden.19 In einem weiteren Fall wurde dem Inhaber der aus seinen Initialen gebildeten Domain rtl.at die weitere Verwendung untersagt, weil das Interesse der Klägerin, des Fernsehsenders RTL, „dass ihr Name nicht gebraucht wird, um die Aufmerksamkeit auf Aktivitäten zu lenken, mit denen sie nichts zu tun hat“ unabhängig von der Priorität wesentlich höher zu bewerten sei als das des Beklagten.20 Diese Entscheidung scheint im Widerspruch zum Fall dullinger.at zu stehen, in dem der OGH festgehalten hat: „Das Interesse, unter einem Firmenschlagwort in Verbindung mit der Top Level Domain ".at" im Internet auffindbar zu sein, ist nicht selbstständig geschützt. Nur wer (zB) in seinem Namens- oder Firmenrecht verletzt ist, hat Anspruch darauf, dass ein diese Rechte verletzender Gebrauch unterbleibt, so dass die Domain von ihm genutzt werden kann.“21 Diese Aussage bezog sich allerdings nur auf das Vorbringen der Klägerin, dass ihre schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt seien, wenn ihr der Internetzugang unter dullinger.at verweigert werde. Dieses Tatbestandsmerkmal war aber letztendlich nicht zu prüfen, sodass die Aussage des OGH nicht verallgemeinert werden kann.22 In einem anderen Fall verwendete die Beklagte Dr. Christine Gräfin Esterházy von Galantha die Domain www.esterhazy-akademie.b-net.at für ihr Unternehmen, dessen Geschäftszweig sich zT mit dem der klagenden Privatstiftungen überschnitt. Diese führen „Esterházy“ als Marke bzw. Namen.23 Der OGH bestätigte das Urteil des 17 OGH 08.02.2005, 4Ob226/04w MR 2005, 160 (161) (krit Thiele, weil es hier aufgrund der Gleichnamigkeit ohnehin nicht um die Namensführung an sich gehe und das Abstellen auf den Registrierungszeitpunkt größere Rechtssicherheit biete). 18 OGH 11.12.2007, 17Ob22/07w. Hier war zwar deutsches Recht anzuwenden, der OGH beruft sich aber auch auf OGH 20.08.2002, 4Ob101/02k. 19 BGH 22. 11. 2001, I ZR 138/99 (shell.de). Näheres zu diesem Fall s. auch bei Thiele, Shell gegen Shell – eine neue Dimension des Domainrechts, MR 2002, 198. Der Beklagte hatte überdies die Registrierung der Domain von einem Dritten übernommen, der durch grob sittenwidrige Registrierung mit der Klägerin ins Geschäft kommen wollte. In den Rechtssätzen der Entscheidung wird dieser Umstand allerdings nicht erwähnt, er dürfte keinen großen Einfluss auf das Urteil gehabt haben. 20 OGH 25.3.2003, 4Ob42/03k ÖBl 2004/11, 35 (zust Fallenböck). 21 OGH 29.05.2001, 4Ob123/01v. 22 S. dazu 4Ob123/01v ecolex 2001, 758 (Schanda). 23 Zur Kollision speziell von Namensdomains mit anderen Kennzeichenrechten s. auch Kap III C. 08. März 2021 Katharina Michner 10/40
Berufungsgerichts, wonach die Beklagte ihrem Namen bei kennzeichenmäßiger Verwendung – somit auch der Internet-Domain – einen unterscheidungskräftigen Zusatz wie ihren Vornamen hinzufügen müsse. Auf die Prioritätsfrage komme es bei beiderseits befugtem Namensgebrauch nicht an, die Beklagte sei zur Rücksichtnahme verpflichtet.24 Thiele kritisiert diese Entscheidung, weil künftig jeder, der eine Domain später anmeldet, die Gleichgewichtslage stören und auf ältere Namens- und Markenrechte durch Hinzufügung unterscheidungskräftiger Zusätze Rücksicht nehmen müssen werde. Dagegen hält Engin-Deniz die Entscheidung auch aus dem Blickwinkel der Priorität für vertretbar: Die Zweitklägerin führte „Esterházy“ seit 1994 in ihrer Firma, die Beklagte hieß ebenfalls seit 1994 so; der OGH habe den beiderseits befugten Namensgebrauch offenbar auf die dadurch gegebene gleiche Priorität bezogen.25 Dies ist aus dem Urteil freilich nicht herauszulesen; der OGH erwähnt dieses Detail nämlich gar nicht. Der beiderseits befugte Namensgebrauch bezieht sich wohl nur darauf, dass die Beklagte unstrittig Esterházy heißt und diesen Namen daher an sich zu Recht verwendet. Überdies lässt der OGH offen, ob vielleicht umgekehrt auch die Zweitklägerin zur namensrechtlichen Rücksichtnahme, zB durch Hinzufügung eines Zusatzes wie „Privatstiftung“ in ihre Domain, gegenüber der Beklagten verpflichtet sein könnte („ist hier nicht zu entscheiden“). Sollte dieser Ansatz in künftigen Judikaten des OGH weiterverfolgt werden, sind weitreichende Auswirkungen auf uU bereits seit Jahren etablierte Domains zu erwarten, die durch neue Mitbewerber plötzlich zu Änderungen gezwungen sein könnten.26 Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit erscheint diese Möglichkeit bedenklich. Anders als im Fall rtl.at hat der OGH hier keine Interessenabwägung vorgenommen. Ein Mittelweg könnte die von Thiele vorgeschlagene Variante des Rücksichtnahmegebots sein, wonach Gleichnamige dazu zu verpflichten wären, auf der Startseite ihrer Homepage einen erklärenden Hinweis anzubringen. Dies wäre sicherlich ein gegenüber der Löschung der Domain „milderes Mittel“. Dies hat auch der BGH im Falle peekundcloppenburg.de festgestellt.27 Gerade der Fall Peek & Cloppenburg zeigt aber, dass es eine überzeugende Lösung kaum zu finden ist, wenn die Gleichnamigkeit nicht auf Zufall beruht. Es gibt nämlich zwei juristisch voneinander unabhängige (aber 24 OGH 16.12.2014, 4Ob154/14x, s. dazu auch Csáky, Gleichnamigkeit; Priorität nach Marken- und Namensrecht; anständige Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel, ecolex 2015/242, 584. 25 Thiele, Marken – Domains – Domainmarken. Überblick über die österreichische Domainjudikatur des Jahres 2014, MR 2015, 95, 105; Engin-Deniz, MSchG. Markenschutzgesetz und weitere kennzeichenrechtliche Bestimmungen³ (2017) § 12 437f. 26 Diese Überlegung (in anderem Zusammenhang) schon bei Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 118. Dagegen sieht Faber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ I § 43 Rz 121 ausschließlich den später im geschäftlichen Verkehr auftretenden Namensträger in der Pflicht, „alles Notwendige und ihm Zumutbare“ zu unternehmen, um Verwechslungen zu vermeiden. 27 Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 119; BGH 31.03.2010, I ZR 174/07. 08. März 2021 Katharina Michner 11/40
von Mitgliedern derselben Familie gegründete) Unternehmen dieses Namens, die regional abgegrenzt Modehäuser betreiben. Auch ein Hinweis auf der Homepage wird die Verwechslungsgefahr kaum beseitigen, denn – wie der BGH ebenfalls ausführt – ist dem Publikum gar nicht allgemein bekannt, dass es zwei Unternehmen Peek & Cloppenburg gibt. Auch die Esterházy-Stiftung und die Esterházy-Akademie werden wohl in weiten Bevölkerungskreisen dieselbe Assoziation auslösen, nämlich die Familie, von der beide Institutionen ihren Namen haben. In beiden Fällen ist die Grundfrage wohl eher, warum der eine Namensträger nicht mit dem anderen assoziiert werden möchte, obwohl dies auf der Hand liegt. Das ist aber kein juristisches Problem und daher sollten diese Spezialfälle mE nicht als Maßstab für die Lösung des Problems der Gleichnamigkeit herangezogen werden. Zufällig ist die Gleichnamigkeit in den beiden anderen zitierten Fällen, shell.de und rtl.at. Beiden Fällen ist ferner gemeinsam, dass jeweils ein unbekannter Kennzeicheninhaber einem bekannten gegenüberstand, dessen Interessen im Rahmen des Rücksichtnahmegebots höher bewertet wurden.28 Diese Betrachtungsweise ist jedoch, wie Thiele zu Recht betont, § 43 ABGB nicht zu entnehmen (und auch § 9 UWG nicht).29 Der abstrakte Prioritätsgrundsatz verdient demgegenüber auch mE den Vorzug, nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit.30 Nach Faber wäre im Falle rtl.at überdies schon deshalb nach dem Prioritätsgrundsatz zu entscheiden gewesen, weil hier zwei Wahlnamen kollidiert sind.31 Die Möglichkeit, den eigenen Namen zu verwenden, sollte aber nicht davon abhängen, ob ein anderer Namensträger berühmter ist.32 Dies hat allerdings zur Folge, dass ein gewisses Maß an Verwechslungsgefahr in Kauf genommen werden muss.33 C. Unterscheidungskraft und Verwechslungsgefahr Wie alle anderen Kennzeichen müssen auch Domains unterscheidungskräftig sein, um kennzeichenrechtlichen Schutz zu genießen.34 Die Unterscheidungskraft wird nach allgemeinen Grundsätzen des Kennzeichenrechts beurteilt. Unterscheidungskräftig ist 28 Eberwein, Wettbewerbsrechtliche Aspekte von Domains und Suchmaschinen: Die Rechtslage in Deutschland und Österreich (2012) 45 Anm 248 führt ebenfalls aus, dass der weniger bekannte Namensträger einen Zusatz verwenden müsse. 29 Thiele, MR 2002, 198, 200f. 30 So auch Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 117. 31 Faber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ I § 43 Rz 125. 32 Ähnlich Wagner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 43 Rz 109 (Stand 1.8.2019, rdb.at) zum Fall shell.de: „Normativ nicht nachvollziehbare Wertungen in einer fragwürdigen Interessenabwägung“ seien hier „ausschlaggebend für die Befugnis zum Gebrauch des eigenen Namens“ gewesen. 33 Dass ein „unvermeidlicher Rest“ von Verwechslungsgefahr „in der Natur der Sache“ liegt und daher hinzunehmen ist, hat der OGH schon 1997 festgestellt; vgl OGH 11.2.1997, 4Ob31/97f; Faber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ I § 43 Rz 121. 34 Schmid in Wiebe/Kodek, UWG § 9 Rz 32. 08. März 2021 Katharina Michner 12/40
eine Domain also, wenn sie etwas Besonders, Individuelles an sich hat, das schon seiner Art nach geeignet ist, den Domaininhaber bzw. sein Unternehmen von anderen zu unterscheiden.35 Von dieser originären Unterscheidungskraft ist die durch Verkehrsgeltung erworbene Unterscheidungskraft zu unterscheiden. Verkehrsgeltung besteht, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise im Zeichen einen Hinweis auf eine bestimmte Person, ein Unternehmen oder dessen Waren und Dienstleistungen erblickt.36 Ob zwei Zeichen verwechselbar sind, richtet sich also nach der Verkehrsauffassung, für die ein demoskopisches Gutachten herangezogen werden kann.37 Den technischen Gegebenheiten entsprechend sind Domains immer einzigartig. Verwechslungsgefahr ist daher nicht nur bei vollständiger Zeichenidentität (die es ja gar nicht gibt) anzunehmen, sondern auch, wenn „die Domain vom Kennzeichen einen so geringfügigen Abstand hält, dass Verwechslungsgefahr besteht“. Andernfalls könnte der Kennzeicheninhaber jedem Dritten die Verwendung eines ähnlichen Zeichens verbieten, nur nicht dem Inhaber einer Domain.38 Die gegenteilige Argumentation, wegen des begrenzten Vorrates an Domainnamen würden Internetnutzer ohnehin auf geringe Unterschiede bei Domains achten, wird vom OGH abgelehnt.39 Allerdings besteht die Verwechslungsgefahr nicht schon durch die bloße Konkurrenz ähnlicher Zeichen: Internetnutzer werden idR nicht von einer wirtschaftlichen oder organisatorischen Verknüpfung sämtlicher Anbieter von Internet-Informationen ausgehen, die ihre Informationen unter ähnlichen Domain-Namen ins Netz stellen. Verwechslungsgefahr besteht also nur, wenn die Verwendung eines Zeichens geeignet ist, einen Irrtum über die Verknüpfung des Zeichens mit einem bestimmten Kennzeicheninhaber hervorzurufen, etwa wenn unter beiden Zeichen derselbe Unternehmensgegenstand betrieben wird.40 Dies ist besonders bedeutsam für sog „Tippfehlerdomains“, die sich nur geringfügig von den Domains bekannter Unternehmen oder Marken unterscheiden. Registriert jemand eine solche Domain, um Kunden anzulocken, ist das ein Fall des Domain-Squatting gem § 1 UWG (s. dazu Kap III D 2).41 Nach Ansicht Gallas sollte hingegen auch im Internet der Bekanntheitsgrad des jeweiligen Kennzeichens berücksichtigt werden: Wird ein Unternehmenskennzeichen nur 35 RIS-Justiz RS0117763, z.B. OGH 22.03.2018, 4Ob244/17m; Görg, Kommentar zum UWG (2020) § 9 Rz 151f; Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 174. 36 Ausführlich OGH 21.11.2018, 133R99/18h; Görg, UWG § 9 Rz 269; Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 188 (mwN zu § 43 ABGB). 37 OGH 19.09.2011, 17Ob15/11x; Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 79f. 38 OGH 03.04.2001, 4Ob73/01s. 39 Vgl zB OGH 16.10.2001, 4Ob226/01s. 40 OGH 17.08.2000, 4Ob158/00i ÖBl 2001, 26 (Schramböck). Gegen allzu strenge Maßstäbe bei der Verwechslungsgefahr schon Mayer-Schönberger/Hauer, Kennzeichenrecht & Internet Domain Namen, ecolex 1997, 947. 41 Zu Tippfehlerdomains s. auch Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 78. 08. März 2021 Katharina Michner 13/40
auf einem örtlich stark eingeschränkten Teilmarkt verwendet, bestehe auch bei einem identen Domainnamen derselben Branche nicht zwangsläufig Verwechslungsgefahr.42 Interessant ist auch die Frage, welche Rolle die Top-Level-Domain (TLD) bei der Feststellung der Verwechslungsgefahr spielt, etwa bei Namensdomains, da viele Domainnamen auf Grundlage eines bürgerlichen oder sonstigen Namens gebildet werden. Nach der Rsp bleibt die TLD bei der Beurteilung der Zeichenidentität regelmäßig außer Betracht.43 Gegen diese Auffassung argumentiert Thiele, dass uU erst die Verbindung von TLD und Second-Level-Domain Verwechslungsgefahr hervorruft und weil branchenspezifische TLDs wie .museum und .coop gerade eine weitere Differenzierung ermöglichen sollen.44 Mit solcher Kritik hat sich der OGH im Fall schladming.com auseinandergesetzt.45 Hier ging es um die Frage der Zuordnungsverwirrung zwischen den Domains schladming.at (Internetauftritt der klagenden Gemeinde) und schladming.com (beklagte Tourismusplattform). Es geht mE zu weit, wenn Thiele dem OGH die Ansicht zuschreibt, dass der TLD „eine mitprägende Wirkung des Gesamteindrucks zukommen kann“.46 Der OGH hat hier in der Sache nämlich keine Ansicht ausgesprochen, sondern nur entschieden, dass über die mögliche Zuordnungsverwirrung ein Sachverständigengutachten einzuholen sein wird. Maßgeblich sei die Verkehrsauffassung. Immerhin zeigt sich der OGH hier ergebnisoffen. Fallenböck stellt schon früher fest, dass gerade Internetunternehmen gern die TLD als Teil der Unternehmensbezeichnung führen. Hier spiele die TLD daher für den Verkehr bei der Zuordnung zu einem Unternehmen eine Rolle; ihr könne also Unterscheidungskraft zukommen, gerade bei Allgemeinbegriffen wie im Falle 47 handy.de. Angesichts dieser Problematik schlägt Thiele vor, nach der Art der TLD zu differenzieren. Länderspezifische oder regionale TLDs seien idR beachtenswert, ebenso übernationale TLDs wie .eu und gruppen- und branchenspezifische TLDs wie .org und .coop. Dagegen hätten „allgemeine TLDs“ wie .info und .net und funktionelle TLDs wie .tel idR keine Unterscheidungskraft. Zudem bildet Thiele die Gruppe der 42 Galla, Markenschutz und Domain Namen, in Mayer-Schönberger/Galla/Fallenböck (Hrsg), Das Recht der Domain Namen (2001) 47 (55–57). 43 So etwa OGH 08.02.2005, 4Ob226/04w; weitere Beispiele s. bei Thiele, Namensdomains im österreichischen Kennzeichenrecht, FS Griss (2011) 659 (671 Anm. 58). 44 Vgl zusammenfassend Thiele, Die Bedeutung der Top-Level-Domain im Kennzeichenrecht. Überblick über die österreichische Domainjudikatur des Jahres 2011, MR 2012, 85 (85f); davor schon ders, kennzeichen.egal – Zur Unterscheidungskraft von Top-Level-Domains, 9–12 (abrufbar unter https://rechtsprobleme.at/doks/kennzeichen_egal-thiele.pdf, 20.10.2020); ders in FS Griss 671–674. 45 OGH 18.01.2011, 17Ob16/10t. 46 Thiele in FS Griss 671. Den Ausdruck dürfte Thiele aus der von ihm behandelten Studie von Schubert, Das empirische Verbraucherverständnis über Top-Level-Domains, JurPC Web-Dok. 62/2007 Abs. 27 übernommen haben, im Urteil kommt er nicht vor. 47 OGH 25.3.2003, 4 Ob 42/03k ÖBl 2004/11, 35 (Fallenböck). 08. März 2021 Katharina Michner 14/40
zweckentfremdeten TLDs wie .tv und .ag, deren Bedeutung wegen der liberalen Registrierungspolitik der jeweiligen Vergabestellen im Einzelfall nachzuweisen sei.48 Dagegen hält Eberwein TLDs nur für unterscheidungskräftig, wenn sie nicht üblicherweise für österreichische Webangebote verwendet werden, so etwa die „exotische“ TLD .museum.49 Die TLD .ag zeigt die Problematik der an sich sinnvollen und gut handhabbaren Einteilung Thieles: .ag ist nämlich ein Länderkürzel und steht für den karibischen Staat Antigua und Barbuda. In der Sache tipp.AG/tipp.ag nahm das LG Hamburg Irreführung an, weil die angesprochenen Verkehrskreise die Buchstaben „AG“ bzw. „ag“ nicht mit Antigua und Barbuda und erst recht nicht mit dem (von der Beklagten behaupteten) Wort „Abgabegemeinschaft“ verbänden, sondern als „Aktiengesellschaft“ interpretierten; die Beklagte ist aber eine GmbH.50 Für die Praxis bedeutet dies, dass auch bei Übernahme von Thieles Kategorisierung jede einzelne Domain (einschließlich der TLD) gesondert zu betrachten wäre, da schließlich jede Domain zweckentfremdet werden kann. Dies gilt umso mehr, als die TLD vielfach (auch) ihres Wortlauts wegen verwendet wird, um so eine Aussage über das dahinterstehende Unternehmen zu treffen. Ein Beispiel dafür ist t-unik.at. Unter dieser Domain werden T-Shirts mit lateinischen Aufschriften vertrieben. Die Assoziation mit Österreich ist hier zwar nicht irreführend, weil das Unternehmen seinen Sitz in Wien hat, aber für den Geschäftszweig kennzeichnend ist das Wortspiel mit „Tunika“ und „Unikat“, das ohne die TLD nicht zustande käme: t- unik.de oder t-unik.ch wären dagegen für den Leser zunächst unverständlich. Das Beispiel zeigt, dass die TLD nicht losgelöst von der restlichen Domain zu untersuchen ist. Um die Kennzeichnungskraft einer TLD zu beurteilen, wäre mE daher auf folgende Kriterien abzustellen: 1. Enthält die TLD (insb Länderkürzel) als solche eine wichtige Aussage über den Inhalt der Website? So ist es zB für schladming.at vermutlich wichtig, dass dieser (Wintersport- )Ort in Österreich liegt, für den Unternehmensgegenstand von t-unik.at wohl nicht. Auch bei tipp.ag lag das Interesse des Inhabers an dem Kürzel nicht in der Verbindung zu den Antillen. 2. Schwindet die Aussagekraft der gesamten Domain, wenn man die TLD durch eine andere ersetzt? Im Extremfall kann der Domainname dann sogar sinnlos oder widersprüchlich werden. 48 Thiele in FS Griss 673f. Schon Schubert, Verbraucherverständnis Abs. 29 unterscheidet zwischen „sprechenden“ und „nicht sprechenden“ TLDs. 49 Eberwein, Wettbewerbsrechtliche Aspekte von Domains und Suchmaschinen 117f. 50 LG Hamburg 02.09.2003, 312 O 271/03. 08. März 2021 Katharina Michner 15/40
In beiden Fällen wäre jeweils die Verkehrsauffassung ausschlaggebend.51 Jedenfalls sollte die Domain aber immer als vollständiges Ganzes betrachtet werden. Dies zeigt sich auch bei den sog. Domainmarken, also Marken, die nach einer Domain benannt sind. Die Problematik der TLD in diesem Fall wird unter Kap III B besprochen. Hier sollte mE die TLD immer zur Beurteilung der Unterscheidungskraft herangezogen werden, auch wenn sie mit dem Unternehmen bzw. dem Inhalt der Website inhaltlich nicht so eng verbunden ist wie in den oben angeführten Beispielen. III. Fallgruppen A. Kennzeichenmissbrauch gem § 9 UWG § 9 (1) UWG schützt im geschäftlichen Verkehr die besondere Bezeichnung eines Unternehmens, zB die Firma, Namen oder Etablissementbezeichnungen. Voraussetzung dafür ist Unterscheidungskraft des jeweiligen Kennzeichens.52 Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung des Unternehmens bestimmte Einrichtungen (etwa Logos, Warenverpackungen und Uniformen des Personals) werden von § 9 (3) UWG geschützt, sofern sie Verkehrsgeltung erlangt haben.53 Originär unterscheidungskräftige Domains fallen in den Schutzbereich des § 9 (1) UWG. Das ist stRsp und entspricht auch der hA.54 Beschreibende Domains (d.h. solche, die die Art der Tätigkeit des betreffenden Unternehmens beschreiben) schützt bei Verkehrsgeltung § 9 (3) UWG. Das betrifft auch Domains, die sich von der sonst verwendeten Firma oder Marke unterscheiden.55 Seit dem GesRÄG 2011 kann ein Rechtsträger gem § 3 (3) FBG auch die „Adresse seiner Internetseite“ ins Firmenbuch eintragen lassen. Thiele sieht darin eine zusätzliche Möglichkeit, Verkehrsgeltung für die Domain zu erlangen.56 Ungeklärt bleibt, ob die Eintragung einer Domain im Firmenbuch dieser auch Vorrang gegenüber bestehenden, nicht eingetragenen Domains verleiht, was auf eine Abwandlung des Prioritätsgrundsatzes hinausliefe. Umstritten ist die Zuordnung zu Abs 1 oder 3, wenn die Domain (nur) als Emailadresse verwendet wird und das dahinterstehende Unternehmen sonst nicht bezeichnet. In der Leitentscheidung winsued@kompetenz.at hat der OGH dazu festgehalten, dass 51 Zu den Erwartungen des Internetnutzers s. auch die Überlegungen von Thiele in FS Griss 672f. 52 Schmid in Wiebe/Kodek, UWG § 9 Rz 20; Engin-Deniz, MSchG³ 1185. 53 Schmid in Wiebe/Kodek, UWG § 9 Rz 36–43. 54 Eingehend dargelegt in OGH 13.11.2007, 17Ob27/07f mit Verweis auf OGH 24.02.1998, 4Ob36/98t. Vgl Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 121. 172; Engin-Deniz, MSchG³ 1185; Schmid in Wiebe/Kodek, UWG § 9 Rz 33. 55 RIS-Justiz RS0109431; Schmid in Wiebe/Kodek, UWG § 9 Rz 32; Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 175f. 56 Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 190. 08. März 2021 Katharina Michner 16/40
Internet-Domains auch als E-Mail-Adresse eine kennzeichnende Funktion besitzen und somit den Schutz des § 9 (1) UWG genießen.57 Dagegen merkt Schmid kritisch an, dass eine reine E-Mail-Adresse, die anders lautet als die sonstige Unternehmensbezeichnung, für Dritte ebensowenig wie die Adresse ohne weiteres als Unternehmensbezeichnung erkennbar ist.58 Sie schlägt daher folgende Differenzierung vor: Weist die als E-Mail-Adresse verwendete SLD auf das Unternehmen hin, soll sie wegen ihrer Namensfunktion unter § 9 (1) UWG fallen. Bezeichnet sie nur ein Produkt bzw. eine Dienstleistung oder ist sie sonst nicht originär unterscheidungskräftig, soll sie bei Verkehrsgeltung von § 9 (3) UWG geschützt werden. Mit diesem Vorschlag lehnt sich Schmid an die Rsp des BGH an, der dazu folgenden Leitsatz aufgestellt hat: „Durch die Benutzung eines Domainnamens kann ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen entstehen, wenn durch die Art der Benutzung deutlich wird, dass der Domainname nicht lediglich als Adressbezeichnung verwendet wird, und der Verkehr daher in der als Domainname gewählten Bezeichnung einen Herkunftshinweis erkennt.“59 Horak stimmt Schmid grundsätzlich zu, verweist aber auf praktische Schwierigkeiten, da dasselbe Zeichen oftmals als Firma und Marke verwendet werde und der Verkehr überdies zwischen Produkt, Hersteller und Unternehmen nicht trennscharf unterscheide. Er plädiert auch daher dafür, das Erfordernis der Verkehrsgeltung für Produktkennzeichen gem § 9 (3) UWG fallen zu lassen.60 Für Domains führt dieser Ansatz dazu, ihnen mit der Rsp (und entgegen Schmid) stets den Schutz des § 9 (1) UWG zu gewähren, auch wenn sie nur als E-Mail- Adresse verwendet werden. Allerdings spricht noch ein weiterer Aspekt dafür, lediglich als E-Mail-Adressen verwendete Domains unter § 9 (3) UWG zu subsumieren und Verkehrsgeltung zu verlangen, nämlich der Schutz der anderen Marktteilnehmer vor unvorhersehbaren Prioritätskonflikten. Verwendet nämlich jemand eine von seiner sonstigen Unternehmensbezeichnung (Firma, Name usw.) abweichende Domain nur als E-Mail- Adresse, muss das ein anderer Unternehmer nicht unbedingt wissen. Dieser läuft somit Gefahr, eine ähnliche Domain für sich in Gebrauch zu nehmen und dann uU nach 57 OGH 11.08.2005, 4 Ob 59/05p. Schon 2002 („inet.at“) hat der OGH in der Verwendung einer Domain als Email-Adresse einen kennzeichenmäßigen Gebrauch iSd § 10a Z 2 MSchG gesehen, s. dazu Kap III B. 58 Schmid in Wiebe/Kodek, UWG § 9 Rz 33. Dies wirft nebenbei die – in diesem Rahmen zu weit führende – interessante Frage auf, ob nicht auch die Postanschrift ein Unternehmenskennzeichen sein kann. So ist etwa eine IKEA-Filiale in Wien in der Sverigestraße zu finden (Sverige = schwedisch für Schweden) und die Porsche Bank hat in Salzburg das Postfach 911 (entsprechend der Bezeichnung eines Sportwagens dieses Unternehmens). In beiden Fällen ist die Adresswahl wohl kein Zufall. 59 Schmid in Wiebe/Kodek, UWG § 9 Rz 34; BGH 22.07.2004, I ZR 135/01. 60 Horak, Imitationsmarketing und Schutz nicht registrierter Kennzeichen. Zum Verhältnis von UWG und Markenrecht, ÖBl 2012, 151 (153). 08. März 2021 Katharina Michner 17/40
Jahren wegen des Prioritätsgrundsatzes seine mittlerweile eingeführte und entsprechend wertvolle Domain aufgeben zu müssen. Ein Zeichen iSd § 9 UWG wird verletzend benützt, wenn Verwechslungsgefahr besteht. Ebenso wie nach § 10 (1) MSchG und anders als nach § 43 ABGB kommt es bei der Verwechslungsgefahr auch auf den Inhalt der Website an,61 nicht nur auf die Ähnlichkeit der Domainnamen. Wenn zwei ähnliche Domains also in verschiedenen Branchen für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, ist 62 Verwechslungsgefahr nicht gegeben. Es handelt sich hier um ein bewegliches System, bei dem die Verwechslungsgefahr der Gesamteindruck des Durchschnittsabnehmers, die Kennzeichnungskraft des Zeichens, die Zeichenähnlichkeit und die Branchenverschiedenheit der Verwender zu berücksichtigen sind.63 Die bloße Registrierung einer Domain ist daher noch kein kennzeichenmäßiger Gebrauch.64 Dieser entsteht erst durch die Ingebrauchnahme im geschäftlichen Verkehr, idR durch das Bewerben oder Anbieten von Waren oder Dienstleistungen unter der Domain.65 Der Verwechslungsgefahr kann aber auch durch einen aufklärenden Hinweis auf der Website begegnet werden.66 Steht auf der Website ein solcher aufklärender Hinweis, darf auch eine von der Domain abgeleitete Emailadresse verwendet werden.67 Das ist zwar konsequent, verwässert allerdings die Schutzwirkung der Norm, weil man im Emailverkehr den aufklärenden Hinweis ja nicht sieht. B. Domains und MSchG § 12 MSchG ist, wie Kucsko festhält, in der Systematik des MSchG eigentlich ein Fremdkörper, weil die Bestimmung verschiedene geschützte Kennzeichen (Name, Firma, besondere Bezeichnung des Unternehmens) aufzählt, andere (etwa den Werktitel) verschweigt und inhaltlich nicht über die speziellen Regelungen für einzelne Kennzeichen hinausgeht.68 Fällt eine Domain in den Schutzbereich eines der genannten Kennzeichen, ist sie also auch von § 12 MSchG umfasst. Zudem kann eine Domain mit einer eingetragenen Marke kollidieren. Benützungshandlungen, die dem Markeninhaber vorbehalten sind, werden in § 10a MSchG geregelt. Wie § 9 UWG setzt auch der 61 S. dazu OGH 08.02.2005, 4Ob226/04w; Görg, UWG § 9 Rz 547. 62 Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 124 mit Übersicht über die Rsp. 63 Eberwein, Wettbewerbsrechtliche Aspekte von Domains und Suchmaschinen 116. 64 RIS-Justiz RS0114773; zB OGH 23.03.2011, 4Ob197/10i. Anders natürlich beim Domain-Grabbing, s. dazu Kap III D 1. 65 Görg, UWG § 9 Rz 112. 66 RIS-Justiz RS0115866. Mit einem solchen aufklärenden Hinweis wird auch die Gefahr einer Irreführung gem § 2 UWG gebannt. 67 OGH 13.11.2001, 4Ob260/01s. 68 Kucsko in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 2f. 08. März 2021 Katharina Michner 18/40
markenrechtliche Schutz Handeln im geschäftlichen Verkehr voraus.69 Das Verhältnis zwischen Markenrecht und UWG ist umstritten.70 Die markenrechtliche Rsp hat, worauf Görg zu Recht hinweist, allerdings auch die Entscheidungspraxis zu § 9 UWG beeinflusst, sodass sich in der Praxis Klagen aufgrund der einen Anspruchsgrundlage oftmals auf Judikatur zur anderen Anspruchsgrundlage berufen.71 Durch die Benützung muss Verwechslungsgefahr entstehen, daher ist die Registrierung einer Domain an sich noch keine Benützung iSd § 10a MSchG.72 Wie bei § 9 UWG ist auch hier für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr der Inhalt der Website von Bedeutung. Der durch die Ähnlichkeit der Kennzeichen entstehende „Anlockeffekt“ ist nämlich nur dann rechtswidrig, wenn er sich „im markenrechtlich geschützten Bereich auswirkt“.73 Zu prüfen sind die Ähnlichkeit der Kennzeichen, die Branchennähe und die Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Dabei genügt bei Branchenidentität schon eine geringe Ähnlichkeit, um Verwechslungsgefahr zu begründen, bei sehr unterschiedlichen Branchen muss die Zeichenähnlichkeit entsprechend größer sein.74 Jedenfalls kennzeichenmäßig ist die Verwendung, wenn auf der Website Waren oder Dienstleistungen angeboten werden.75 Wie der OGH in der Entscheidung inet.at festgehalten hat, ist die Verwendung einer Domain (nur) als Emailadresse ebenfalls ein kennzeichenmäßiger Gebrauch, sofern die Emailadresse im geschäftlichen Verkehr verwendet wird.76 Ebenfalls ein kennzeichenmäßiger Gebrauch ist idR die Verwendung eines Kennzeichens in einem Link auf der eigenen Website. Der Link mit dem Kennzeichen erweckt nämlich den Eindruck, dass die verlinkten Inhalte mit dem Kennzeicheninhaber in Zusammenhang stehen. Insofern hat (auch) der Link kennzeichnende Funktion.77 Ein Sonderfall sind die sog. „Domainmarken“, also Marken, die nach einer Domain benannt sind.78 Wie unter Kap II C ausgeführt, wird die TLD von der Rechtsprechung 69 Engin-Deniz, MSchG³ 455f; Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 88. 70 Vgl dazu Eberwein, Wettbewerbsrechtliche Aspekte von Domains und Suchmaschinen 48f; Schuhmacher, Keyword advertising und eine vorsichtige Neubestimmung der Markenfunktionen, wbl 2010, 273 (282) mwN; für die Spezialität des Markenrechts Görg, UWG § 9 Rz 6. 71 Görg, UWG § 9 Rz 6. 72 RIS-Justiz RS0114773; zB OGH 23.03.2011, 4Ob197/10i. Anders natürlich beim Domain-Grabbing, s. dazu Kap III D 1. – Für die Registrierung als kennzeichenmäßigen Gebrauch Graschitz, Kennzeichenmäßiger Gebrauch durch Domainregistrierung, ecolex 2003, 38. 73 OGH 24.03.2009, 17Ob44/08g. 74 Nach deutschem Recht hingegen kann der Inhaber gem § 14 (2) Z 3 u § 15 (3) MarkenG einer im Inland bekannten Marke bzw. geschäftlichen Bezeichnung Dritten untersagen, im geschäftlichen Verkehr ein identes oder ähnliches Zeichen zu verwenden, unabhängig von der Branchennähe. Für berühmte Kennzeichen gilt also ein erweiterter Kennzeichenschutz. S. dazu Bettinger, Kennzeichenkollisionen im Internet, in Mayer-Schönberger/Galla/Fallenböck (Hrsg), Das Recht der Domain Namen (2001) 139 (148f). 75 Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 94–96; OGH 16.2.2011, 17Ob19/10h. 76 OGH 20.08.2002, 4Ob101/02k; s. auch Koppensteiner, Markenrecht. Österreichisches und Europäisches Wettbewerbsrecht (2012) 156 Rz 15. 77 OGH 16.2.2011, 17Ob19/10h. 78 Zu Domainmarken s. im Detail Thiele, Domainmarken – Domain-Namen als Marken, jusIT 2013/1, 1. 08. März 2021 Katharina Michner 19/40
nicht zur Beurteilung der Unterscheidungskraft herangezogen. Beschreibende Domains können daher oft gar nicht als Marke eingetragen werden. Sofern keine Domainmarke vorliegt, sind Domain und Marke nämlich getrennt zu betrachten. Die Eintragung einer Marke kann aber auch dann verwehrt werden, wenn der Antragsteller die gleichlautende Second-Level-Domain bereits verwendet.79 So hat das OLG Wien beispielsweise der beantragten Wortbildmarke kaufein.at keine Unterscheidungskraft zugestanden: „Kauf ein“ sei ein bloßer Imperativ ohne Hinweis auf die betriebliche Herkunft der damit gekennzeichneten Dienstleistungen. Die Verknüpfung mit der TLD .at verleihe keine Originalität, weil dies lediglich auf eine Internetadresse hinweise.80 Im Gegensatz dazu hat das OLG Dresden im Falle deejay.de festgehalten, dass besagtes Unternehmenskennzeichen gerade dadurch an Unterscheidungskraft gewinnt, dass es sich scheinbar um einen Domainnamen handelt.81 Diese Auffassung ist mE vorzuziehen. Historisch gesehen war natürlich die Marke oder Firma das grundlegende Kennzeichen eines womöglich dadurch bereits angesehenen und weltweit bekannten Unternehmens, von dem die erst viel später erfundene Domain nur abgeleitet sein konnte; in dieser Konstellation war die TLD tatsächlich Beiwerk. Bei neugegründeten Unternehmen, insbesondere bei solchen, die ausschließlich im Internet tätig sind, kann die Domain aber von vornherein das Hauptkennzeichen des Unternehmens sein. Hier ist die TLD mit der Unternehmensbezeichnung so fest „verwachsen“, dass man sie auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft berücksichtigen sollte. In diese Richtung geht die Feststellung des OLG Wien, dass mithilfe der Domain allenfalls die Verkehrsgeltung einer Bezeichnung nachgewiesen werden kann.82 C. Namensschutz nach § 43 ABGB Der Namensschutz des § 43 ABGB gilt zunächst dem bürgerlichen Namen, doch fällt auch der Name, den ein Unternehmer im geschäftlichen Verkehr verwendet, in den Schutzbereich. Dazu zählen auch Firmen, Firmenschlagwörter und Geschäftsbezeichnungen, sofern sie originär unterscheidungskräftig sind oder Verkehrsgeltung haben. Domains, die solche Namen oder Namensbestandteile enthalten, sind ebenfalls von § 43 ABGB geschützt.83 Fraglich ist, ob der Schutz auch umgekehrt entstehen kann, also zuerst eine Domain registriert wird, die keiner Firma o dergl entspricht, sondern nur durch Gebrauch – ähnlich einem Pseudonym oder 79 OLG Wien 12.04.2016, 34R21/16g, PRECISION.HUNTING. 80 OLG Wien 07.02.2019, 133R136/18z; ähnlich schon OLG Wien 26.07.2016, 34R67/16x. 81 OLG Dresden 09.01.2007, 14 U 1958/06. 82 OLG Wien 12.04.2016, 34R21/16g, PRECISION.HUNTING. 83 Engin-Deniz, MSchG³ 1165 u Schmid in Wiebe/Kodek, UWG § 9 Rz 190 mit Verweisen auf die Rsp. Kritisch zu Domains als Namen Höhne, Namensfunktion von Internet Domain Names?, ecolex 1998, 924. 08. März 2021 Katharina Michner 20/40
Künstlernamen – schutzfähig wird.84 Dafür spricht mE zumindest bei Unternehmen die zunehmende Verwendung kompletter Domains in der Werbung, außerhalb des geschäftlichen Verkehrs wird sich seltener die Gelegenheit dazu ergeben. Faber hält die Begründung des Namensschutzes zB dann für möglich, wenn die Domain eine sonst nicht verwendete Abkürzung einer Unternehmensbezeichnung enthält.85 Nach Ansicht Thieles kommt § 43 ABGB als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, wenn § 9 UWG erfüllt ist. Der Namensschutz solle keine „Generalklausel des Kennzeichenrechts“ sein, sondern das Recht zum Namensgebrauch schützen, während für den Wirtschaftsverkehr hauptsächlich § 9 UWG und das Markenrecht relevant seien, um Verwechslungsgefahr oder unlautere Ähnlichkeit zu verhindern.86 In der Praxis wird hier allerdings nicht so scharf unterschieden und zB auch bei behaupteter Verwechslungsgefahr § 43 ABGB gemeinsam mit § 9 UWG geltend gemacht.87 Auch nach hA ist § 9 UWG keine lex specialis zu § 43 ABGB.88 Außerhalb des Geschäftslebens schützt § 43 ABGB (anders als § 9 UWG) auch Namensdomains im privaten, wissenschaftlichen und politischen Bereich sowie dann, wenn die Nutzung gerade nicht kennzeichenmäßig ist, etwa für Kritik an der genannten Institution oder für satirische Zwecke.89 § 43 ABGB unterscheidet zwei Fallgruppen: • Namensbestreitung: Dabei wird jemandem das Recht abgesprochen, seinen Namen zu führen. Dies ist stets unzulässig. Eine Domainregistrierung ist noch keine Namensbestreitung.90 • Namensanmaßung bedeutet den Gebrauch eines fremden Namens zu eigenen Zwecken und ist nur rechtswidrig, wenn schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt werden, etwa wenn dadurch eine Zuordnungsverwirrung entsteht. IdR ist die Nutzung eines fremden Namens als Domain bereits eine 84 S. dazu die Überlegungen von Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 187–190. 85 Faber in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ I § 43 Rz 52. 86 Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 112. 87 Vgl dazu OGH 11.08.2005, 4Ob59/05p u die Einleitung mit weiteren Beispielen in Anm 5. Das ist wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen auch sinnvoll, s. dazu Kap IV. In der Entscheidung faschingprinz.at hat der OGH allerdings den Anspruch nach § 9 UWG bejaht und den nach § 43 ABGB wegen mangelnder Verkehrsgeltung des Zeichens abgelehnt; OGH 4Ob197/10i jusIT 2011/32, 91 (zust Thiele). 88 Görg, UWG § 9 Rz 29 mit weiteren Verweisen. 89 S. dazu Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 113 mit Beispielen. Bei sogenannten „Meinungsäußerungsdomains“, die den Namen einer Institution aufgreifen, um Kritik an ihr zu üben oder sie zu parodieren, wird allerdings das Recht des Namensträgers nicht verletzt sein, solange (etwa durch einen distanzierenden Zusatz) erkennbar ist, dass die Domain nicht vom Namensträger betrieben wird und sich die Kritik in den Grenzen der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit bewegt. Dem Namensträger muss auch die Möglichkeit erhalten bleiben, seinen Namen als Second-Level-Domain registrieren zu lassen; vgl OGH 20.01.2014, 4Ob213/13x jusIT 2014/48, 94 (Thiele mit ausführlicher Ergänzung des Sachverhalts aus den unterinstanzlichen Entscheidungen); OGH 24.02.2009, 17Ob2/09g ecolex 2009, 689 (Pichler); Thiele in FS Griss 662f; ders in Kucsko/Schumacher (Hrsg), marken.schutz. Systematischer Kommentar zum Markenschutzgesetz³ (2020) § 12 Rz 149–151. 90 Vgl OGH 24.03.2009, 17Ob44/08g mit Besprechung älterer Entscheidungen; Thiele in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 12 Rz 104. 08. März 2021 Katharina Michner 21/40
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