Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 3 - Die älter werdende Stadt

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Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 3 - Die älter werdende Stadt
Österreichischer Städtetag 2006
Arbeitskreis 3 –
Die älter werdende Stadt
Diskussionspapier für den Arbeitskreis 3

Verfasst von:

Mag. Peter Biwald
Mag. (FH) Karoline Mitterer

KDZ
Zentrum für Verwaltungsforschung
1110 Wien, Guglgasse 13
Tel.: +43 1 8923492, Fax: +43 1 8923492-20
E-Mail: institut@kdz.or.at, Internet: www.kdz.or.at

Wien, am 23. Mai 2006
Inhaltsverzeichnis                                                                                                            23.05.06

Inhaltsverzeichnis

Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt ..............................................................................................3
        1    Bevölkerungsentwicklung in Österreich – Kurzdarstellung ..................................................5
        2    Demographische und gesellschaftliche Entwicklungen im SeniorInnenbereich ............... 11
        3    Herausforderungen der Städte im Bereich der SeniorInnenpolitik.................................... 17
        4    Das aktuelle Engagement der Städte ................................................................................ 21
        5    Eine kommunale „SeniorInnenpolitik“................................................................................ 31
        6    Ausblick – Perspektiven..................................................................................................... 41
        7    Quellenverzeichnis............................................................................................................. 44
        8    Anhang............................................................................................................................... 45

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Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt                                                                    23.05.06

Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt

        Wie wird unsere Stadt in 20 Jahren aussehen? Wie viele Menschen werden hier wohnen?
                  Wie viele Krippen, Kindergärten oder Schulen werden wir benötigen?
        Wie wird das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Zugewanderten funktionieren?
            Wie wird sich ein höherer Anteil älterer Menschen auf die Kommunen auswirken?

    Das sind wichtige und mehr als berechtigte Fragen. Denn Tatsache ist, dass sich die Städte in
    den kommenden Jahrzehnten aufgrund der bereits heute absehbaren Bevölkerungsentwicklung
    teilweise erheblich verändern werden: Neben Wachstumsregionen wird es stagnierende Gebiete,
    aber auch Schrumpfungsregionen geben. In Österreich wird eine wachsende Zahl an MigrantIn-
    nen leben. Die Bewältigung dieser Veränderungen wird zu einer der großen Herausforderungen
    für die Städte in den kommenden Jahren werden.

    Die Art und Weise wiederum, wie die Städte gestaltend auf diese Entwicklungen einwirken, wird
    über ihre Zukunftsfähigkeit und die Lebensqualität ihrer BürgerInnen entscheiden. Dieser Bericht
    soll die Verantwortlichen in den Städten dabei unterstützen, sich langfristig auf neue Trends
    einzustellen und frühzeitig Maßnahmen der Gegensteuerung zu setzen. Dazu werden die we-
    sentlichen Eckpunkte der erwarteten Bevölkerungsentwicklung aufgezeigt1. Ferner will der Be-
    richt Anregungen für eine qualifizierte Diskussion über mögliche Strategien geben – eine Diskus-
    sion, die mit dieser Unterlage für den Städtetag 2006 keinesfalls abgeschlossen ist, sondern erst
    am Beginn steht.

    Die absehbare Bevölkerungsentwicklung hat in letzter Zeit große Aufmerksamkeit in Politik,
    Wirtschaft und Gesellschaft erlangt, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die aktuellen Prognosen
    gravierende Veränderungen für die nächsten 3 Jahrzehnte erwarten lassen. Ingesamt nimmt
    Österreichs Bevölkerung zu. Wie aber noch im Detail zu zeigen sein wird, ist einerseits durch den
    erfolgten Geburtenrückgang eine Abnahme des Anteils von jungen Menschen an der Gesamtbe-
    völkerung, andererseits eine starke Zunahme von älteren Personen an der Gesamtbevölkerung
    erkennbar. Weiters wird immer deutlicher, dass Zuwanderung aus dem Ausland ein wesentlicher
    Faktor der demographischen Entwicklung Österreichs ist. Für die weitere Diskussion ist von
    besonderer Bedeutung, dass die Bevölkerungsentwicklung regional sehr unterschiedlich verlau-
    fen wird. Tendenziell wachsen städtische Agglomerationen, während periphere Gebiete einwoh-
    nermäßig stagnieren oder rückläufig sind.

    Daraus ergeben sich drei Schwerpunkte, welche sich in den Arbeitskreisen des Städtetages 2006
    widerspiegeln: Stagnierende Geburtenzahlen und ein weiter sinkender Anteil von Personen unter
    20 Jahren an der Gesamtbevölkerung bei gleichzeitig steigenden Anforderungen im Bereich der
    Kinder- und Tagesbetreuung stellen eine erste Herausforderung für die Städte und Gemeinden
    dar. Die Diskussion dieses Teils des demographischen Wandels ist Gegenstand des Arbeitskrei-
    ses 1 „Die junge Stadt“. Zuwanderung aus dem Ausland ist für Österreich eine Tatsache. Um die
    Chancen der Migration aber auch nutzen zu können, sind gezielte Maßnahmen der Integration
    dieser Zuwanderer notwendig. Dies ist Gegenstand der Diskussionen des Arbeitskreises 2 „Die
    bunte Stadt“. Arbeitskreis 3 „Die älter werdende Stadt“ konzentriert sich dann noch auf eine
    weitere Teilentwicklung des demographischen Wandels, nämlich die stark wachsende Zahl an
    älteren und alten Menschen und die daraus ableitbaren Konsequenzen für das Betreuungs- und
    Pflegesystem der Städte und Gemeinden.

    1
        Alle nachfolgenden statistischen Aussagen beziehen sich auf aktuelle Prognosen der Statistik Austria bzw. des BMSGK
        sowie der ÖROK. Für eine ausführliche Darstellung der demographischen Entwicklungen in Österreich vgl. das Basismodul.

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Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt                                             23.05.06

Innerhalb des Arbeitspapiers zum 3. Arbeitskreis „Die älter werdende Stadt“ erfolgt eine
Diskussion über den Umgang mit einer stark wachsenden Zahl an älteren und alten Personen.
Dazu erfolgt in einem ersten Teil eine Kurzdarstellung der bisherigen demographischen Entwick-
lung. Danach werden im zweiten Teil zukünftige demographische und gesellschaftliche Trends im
SeniorInnenbereich aufgezeigt. Darauf aufbauend wird im dritten Kapitel die Problematik auf
österreichischer Ebene aufgearbeitet und insbesondere dargestellt, welche Konsequenzen und
Herausforderungen auf Seiten der Städte entstehen. Im vierten Kapitel werden die Ergebnisse
der Befragung im Vorfeld des Städtetages analysiert und um ausgewählte Daten der Finanzgeba-
rung der Gemeinden ergänzt. Danach werden im fünften Kapitel die Grundsätze und die Hand-
lungsfelder einer „kommunalen SeniorInnenpolitik“ näher erörtert. Der Bericht endet mit einer
zusammenfassenden Betrachtung und möglichen Ansätzen für die aus den demographischen
Entwicklungen entstehenden Handlungserfordernisse.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen ExpertInnen bedanken, die uns durch Anregungen
und Feedback bei der Erstellung dieses Arbeitskreispapiers unterstützt haben.

Grundsätzliche Bemerkung:

Zu allen Prognosen ist grundsätzlich anzumerken, dass sie in der Regel auf der Grundlage heuti-
gen Wissens und aus zurückliegenden Entwicklungen auf die Zukunft schließen und zukünftige
Ereignisse, die möglicherweise einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf von Entwicklungen
haben, nur teilweise berücksichtigen können. So sind zukünftige größere internationale Ereignis-
se oder neue gesellschaftspolitisch relevante Haltungen nur schwer vorherzusehen. Das gleiche
trifft aber auch auf mögliche „Gegensteuerungsmaßnahmen“ zu, nämlich ob und welche ergriffen
werden bzw. überhaupt möglich sind, und welche Auswirkungen sie haben. Insofern beschreiben
Prognosen eine mögliche, nicht aber zwingend die tatsächliche Zukunft.

Genereller Hinweis:

Neben den Diskussionspapieren für jeden Arbeitskreis stellt der Österreichische Städtebund
seinen Mitgliedern noch weitere – vom KDZ erarbeitete – Informationen zum demographischen
Wandel zur Verfügung:

• Mit dem umfangreichen Bericht „Demographischer Wandel in Österreich – ein Überblick“
  wird eine gesamthafte und ausführliche Darstellung wichtiger demographischer Entwicklungen
  vorgelegt, die sowohl die Themenbereiche der Arbeitskreise 1-3 umfasst, aber gleichzeitig
  auch über die in den Arbeitskreispapieren dargestellten Daten hinausgeht. So werden in die-
  sem Bericht einerseits zusätzliche Daten und andererseits vertiefende Informationen zum de-
  mographischen Wandel dargestellt.

• Ein besonderer Service für die Gemeinden stellen dann noch die so genannten „Bezirks-
  prognosen“ dar. Zusammengefasst nach Bundesländern werden jeweils ausgesuchte zentra-
  le Prognosedaten der ÖROK-Prognose 2006 konzentriert für jeden Bezirk auf einer Seite dar-
  gestellt. Diese Informationen sollen der gezielten Unterstützung der Gemeinden bei der Ent-
  wicklung zukünftiger Kommunalstrategien dienen.

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1   Bevölkerungsentwicklung in Österreich – Kurzdarstellung

    Die Bevölkerungsentwicklung ist das Ergebnis des Zusammenwirkens mehrerer demogra-
    phischer Komponenten: Einerseits gibt es die natürliche Bevölkerungsentwicklung als Bilanz aus
    Geburten und Sterbefällen und andererseits räumliche Bevölkerungsbewegungen sowohl als
    Binnenwanderung innerhalb Österreichs als auch als Außenwanderung (Zu-/Abwanderung).
    Diese beiden Faktoren bestimmen Umfang, Richtung und Tempo der Bevölkerungsentwicklung
    insgesamt und beeinflussen im Ergebnis nicht nur die absolute Zahl der Bewohner in Österreich,
    sondern auch die strukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppen sowie
    sonstigen strukturellen Merkmalen, wie z.B. Geschlecht oder Herkunftsländern.

    Verschiedene Prognoseszenarien bilden die Basis

    Eine Möglichkeit zur Darstellung zukünftiger demographischer Entwicklungen sind Bevölkerungs-
    prognosen, wie sie von der Statistik Austria und der ÖROK regelmäßig erstellt und veröffentlicht
    werden. Sie basieren auf standardisierten Modellrechnungen und verschiedenen (laufend aktua-
    lisierten) Annahmen bezüglich der Lebenserwartung und Sterberaten (Mortalität), der Zahl der
    Geburten in einem Land (Fertilität), sowie der Binnen- und Außenwanderung (Zu-/Abwanderung
    vom/ins Ausland) (Migration). Durch eine Variation dieser Annahmen werden in der Regel drei
    verschiedene Szenarien ermittelt. Die mittlere Variante – auch als Hauptvariante bezeichnet –
    beschreibt die aus Sicht der StatistikexpertInnen wahrscheinlichste Entwicklung. Sie bildet die
    Grundlage der nachfolgenden Darstellungen. Die in der Regel kleinste Raumeinheit, für die
    Prognosen erstellt werden, sind die politischen Bezirke.2

    Zukünftiges moderates Bevölkerungswachstum

    Für die nächsten Jahrzehnte wird für Österreich insgesamt ein moderates Bevölkerungswachs-
    tum – keinesfalls ein Rückgang wie etwa in Deutschland3 – prognostiziert. So erwartet die Statis-
    tik Austria, dass die Bevölkerung in Österreich bis 2050 weiterhin kontinuierlich bis auf nahezu
    9 Mio. EinwohnerInnen anwachsen wird (siehe Tabelle).
    Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach breiten Altersgruppen in Österreich
                                                                                                                                              < 20      20-64    65-84
                                                                                                                               insges.                                  85+ Jahre
                                                                                                                        Jahr                 Jahre      Jahre    Jahre
                                      Bevölkerungsentwicklung nach breiten Altersgruppen                                                        Bevölkerung absolut
                                 10                                                                                     2005   8.225.609   1.806.404 5.084.691 1.200.859 133.655
                                 9                                                                                      2010   8.397.256   1.759.577 5.176.771 1.279.173 181.735
                                 8                                                                                      2015   8.536.606   1.701.464 5.269.048 1.360.612 205.482
                                                                                                                        2020   8.650.995   1.689.926 5.289.465 1.460.169 211.435
             Einwohner in Mio.

                                 7                                                                                             8.751.421   1.698.620 5.209.714 1.593.476 249.611
                                                                                                                        2025
                                 6                                                                                      2030   8.838.399   1.705.408 5.066.467 1.768.956 297.568
                                 5                                                                                      2035   8.903.772   1.702.086 4.941.629 1.928.596 331.461
                                                                                                                        2040   8.949.528   1.688.061 4.901.300 1.995.254 364.913
                                 4
                                                                                                                        2045   8.978.477   1.674.283 4.897.105 1.972.199 434.890
                                 3                                                                                             8.986.033   1.665.932 4.862.141 1.933.536 524.424
                                                                                                                        2050
                                 2                                                                                                                   in Prozent
                                 1                                                                                      2005    100,00%      21,96%     61,82%   14,60%    1,62%
                                                                                                                        2010    100,00%      20,95%     61,65%   15,23%    2,16%
                                 0
                                                                                                                        2015    100,00%      19,93%     61,72%   15,94%    2,41%
                                 2001     2006    2011    2016     2021     2026   2031     2036      2041   2046
                                                                                                                        2020    100,00%      19,53%     61,14%   16,88%    2,44%
                                                 < 20 Jahre   20-64 Jahre   65-84 Jahre   85+ Jahre                     2025    100,00%      19,41%     59,53%   18,21%    2,85%
                                                                                                                        2030    100,00%      19,30%     57,32%   20,01%    3,37%

                                                                                                                Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006

    2
        Die Darstellung der Prognosen auf Bezirksebene erfolgt ausschließlich in der ÖROK-Prognose. Im Anschluss an das
        Basismodul finden Sie die aufgearbeiteten Prognosewerte für die einzelnen Bezirke. Auch sind im Basismodul die drei Vari-
        anten der Bevölkerungsprognose der Statistik Austria näher beschrieben.
    3
        Nach der Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes in Deutschland.

                                                                                                                    5
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt                                                                 23.05.06

Starke Veränderungen in der Altersstruktur

Die altersstrukturelle Zusammensetzung der in Österreich lebenden Bevölkerung wird sich deut-
lich verändern. Der Anteil der unter 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung sinkt seit 1971 konti-
nuierlich und wird sich längerfristig auf einem niedrigen Niveau stabilisieren. Lebten im Jahr 2001
in Österreich rund 1,8 Mio. Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren (21,9% der Gesamtbevölke-
rung), wird ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2031 auf dann ca. 19,3% absinken.
Gleichzeitig steigt der Anteil vor allem der älteren und speziell der ältesten EinwohnerInnen (über
85 Jahre) weiter an. Das statistische Durchschnittsalter der Bevölkerung wird – ausgehend von
ca. 40 Jahren im Jahr 2005 – auf rund 45 Jahre im Jahr 2030 steigen.

Regional unterschiedliche Entwicklungen – es entstehen Wachstums- und Schrumpfungs-
regionen

Ein wesentliches Merkmal der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung in Österreich ist – neben
den grundsätzlichen altersstrukturellen Verschiebungen – darin zu sehen, dass die Bevölker-
ungsentwicklung innerhalb Österreichs regional sehr unterschiedlich und in ihrer Richtung zum
Teil völlig gegensätzlich verlaufen dürfte. Regionen mit einem merklichen Bevölkerungswachstum
stehen Regionen mit starken Schrumpfungsprozessen gegenüber. Bereits in der Vergangenheit
waren entsprechende Entwicklungen erkennbar – der Trend wird daher fortgesetzt.
                                                                                                            4
Abbildung 2: Regionale Bevölkerungsentwicklung 2001 – 2031 nach Prognoseregionen

                                             Erläuterung: durchgehende Linie = Regionen mit starker Bevölkerungsabnahme
                                                             gepunktete Line = Regionen mit starker Bevölkerungszunahme

Ausgehend vom Wachstumspol im Großraum Wien wächst die Bevölkerung in fast allen Regi-
onen nördlich der Alpen und entlang der Hauptverkehrsachsen der Westbahn/Westautobahn bis
ins Rheintal (gepunktete Linie der Abbildung 2). Im nördlichen Waldviertel und in den südlichen –
vor allem inneralpinen – Regionen ist – mit Ausnahme der größeren Städte – mit einem teilweise
sehr erheblichen (bis zu 20-prozentigen) Bevölkerungsrückgang zu rechnen (durchgehende Linie
der Abbildung 2).

4
    Anmerkung: Die Tabelle in Farben finden Sie im Anhang.

                                                              6
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt                                                                             23.05.06

Städte und Zentralräume wachsen, ländliche Regionen stagnieren oder schrumpfen

Unterscheidet man ferner nach ländlichen und städtischen Bezirken5 werden weitere Entwickl-
ungen sichtbar: Neben den wachsenden Städten wird vor allem in peripheren Gebieten die Be-
völkerungszahl sinken.
• So zeigen die Prognosen, dass die Zahl der unter 15-Jährigen in den ländlichen Bezirken um
   rund 12 Prozent (2001 bis 2031) abnehmen, während sie gleichzeitig in städtischen Bezirken
   um 11 Prozent (2001 bis 2031) wachsen wird.
• Beinahe ident wie die Entwicklung der unter 15-Jährigen ist diese der 15-19-Jährigen.
• Auch der Bevölkerungsteil der 20-64-Jährigen geht in den ländlichen Bezirken leicht zurück,
   während die städtischen Bezirke bei den Personen im erwerbsfähigen Alter leichte Zuwächse
   verzeichnen werden.
• Entwickeln sich die 65-84-Jährigen in den hier unterschiedenen Raumkategorien noch annä-
   hernd gleich, kommt es wiederum bei den über 85-Jährigen zu einer überdurchschnittlichen
   Zunahme in den ländlichen Bezirken.
Tabelle 1: Entwicklung nach Altersgruppen – Stadt/Land
                                                Absolutwerte                                          Indexwerte (2001=100)
                       2001      2006        2011       2016     2021       2026       2031      2006 2011 2016 2021 2026 2031
                                                Enwicklung der unter 15-Jährigen
ländliche Bezirke     793.799   737.572      676.329 652.688 646.480 643.893          629.523      93    85    82    81    81    79
städtische Bezirke    569.195   577.122      580.989 599.193 615.775 629.226          636.401     101   102   105   108   111   112
                                                  Entwicklung der 15-19-Jährigen
ländliche Bezirke     282.437   280.950      278.440 244.009 229.090 223.250          223.402      99    99    86    81    79    79
städtische Bezirke    201.187   214.369      221.540 209.935 212.352 215.380          220.980     107   110   104   106   107   110
                                                  Entwicklung der 20-64-Jährigen
ländliche Bezirke    2.624.987 2.649.807   2.696.947 2.709.790 2.678.597 2.596.732   2.487.841    101   103   103   102    99    95
städtische Bezirke   2.337.959 2.438.179   2.514.892 2.571.506 2.599.527 2.588.256   2.550.114    104   108   110   111   111   109
                                                  Entwicklung der 65-84-Jährigen
ländliche Bezirke     606.394   681.136      692.071 736.267 796.865 873.981          993.870     112   114   121   131   144   164
städtische Bezirke    496.717   550.798      588.454 640.565 692.722 742.835          817.937     111   118   129   139   150   165
                                                Entwicklung der über 85-Jährigen
ländliche Bezirke      68.994     72.538      98.857 114.392 119.697 148.904          157.891     105   143   166   173   216   229
städtische Bezirke     72.015     71.313      89.643    94.132    91.851 119.467      139.739      99   124   131   128   166   194
                                                       Gesamtentwicklung
ländliche Bezirke    4.356.159 4.402.693   4.424.403 4.439.033 4.452.212 4.467.835   4.480.994    101   102   102   102   103   103
städtische Bezirke   3.686.887 3.860.286   4.002.915 4.122.318 4.219.349 4.302.417   4.372.447    105   109   112   114   117   119
                                                                  Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006

Ein Erklärungsansatz für diese Unterschiede ist, dass gerade die Jugend und die erwerbsfähige
Bevölkerung tendenziell in die Städte zieht, während viele ältere Menschen in den ländlichen
Gebieten verbleiben.

Kontinuierlicher Geburtenrückgang und Stabilisierung auf niedrigem Niveau

Seit vielen Jahren sinkt die Geburtenrate in Österreich. Bekam im Jahr 1964 noch jede Frau in
Österreich durchschnittlich 2,8 Kinder, liegt der Wert österreichweit gegenwärtig bei rund 1,4
Kindern je Frau. Die Geburtenrate wird jedoch längerfristig wieder leicht steigen6. Eine wesentli-

5
    Als städtische Bezirke wurden hier herangezogen: Landeshauptstädte und Umlandbezirke sowie Bezirke mit einer Bezirks-
    hauptstadt über 30.000 EW: Bregenz, Dornbirn, Eisenstadt (Stadt u. Umg.), Graz (Stadt) , Graz-Umgebung, Innsbruck-
    Land, Innsbruck-Stadt, Klagenfurt (Stadt) , Klagenfurt Land, Linz(Stadt) , Linz-Land, Salzburg (Stadt), Salzburg-Umgebung,
    Sankt Pölten (Land), Sankt Pölten (Stadt), Steyr(Stadt), Urfahr-Umgebung, Villach (Stadt), Wels(Stadt), Wien, Wien Umge-
    bung, Wiener Neustadt (Stadt)
6
    Als Grund für das leichte Ansteigen der Fertilität werden von der Statistik Austria die Migrantinnen genannt, welche die
    geringe Kinderzahl österreichischer Frauen kompensieren.

                                                                   7
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt                                                                                                                                                                   23.05.06

che Annahme der Bevölkerungsprognosen ist, dass sich die jährliche Zahl der Geburten zwi-
schen 75.000 und 80.000 stabilisiert und die Anzahl der Kinder und Jugendlichen – ausgehend
vom Stand 2005 – bis zum Jahr 2030 nur mehr leicht zurückgehen wird.
Abbildung 3: Geburten- und Sterbefälle 1951-2031

                                            Lebendgeborene und Gestorbene
                                                      1961-2004                                                                                                          Lebend-         Ge-
                                                                                                                                                                                                   Geburtenüber-
                                        140.000                                                                                                                   Jahr                               schuss, -
                                                                                                                                                                         geborene     storbene
                                                                                                                                                                                                    abgang (-)
                                                                                                                                                           1950             107.854       85.710           22.144
                                        130.000
         Geburten/Sterbefälle absolut

                                                                                                                                                           1955             108.575       84.995           23.580
                                                                                     Lebendgeborene
                                                                                                                                                           1960             125.945       89.603           36.342
                                        120.000                                                                                                            1965             129.924       94.273           35.651
                                                                                                                                                           1970             112.301       98.819           13.482
                                        110.000                                                                                                            1975              93.757       96.041           -2.284
                                                                                                                                                           1980              90.872       92.442           -1.570
                                                                                                                                                           1985              87.440       89.578           -2.138
                                        100.000                                                                                                            1990              90.454       82.952            7.502
                                                                                                                                                           1995              88.669       81.171            7.498
                                         90.000                                                                                                            2000              78.268       76.780            1.488
                                                                                                                                                           2005              76.820       74.958            1.862
                                                                Gestorbene                                                                                 2010              76.864       76.015              849
                                         80.000                                                                                                            2015              79.119       77.772            1.347
                                                                                                                                                           2020              80.141       78.929            1.212
                                         70.000                                                                                                            2025              79.480       80.534           -1.054
                                                                                                                                                           2030              78.614       83.541           -4.927
                                                  1961
                                                         1964
                                                                1967
                                                                       1970
                                                                              1973
                                                                                     1976
                                                                                            1979
                                                                                                   1982
                                                                                                          1985
                                                                                                                 1988
                                                                                                                        1991
                                                                                                                               1994
                                                                                                                                      1997
                                                                                                                                             2000
                                                                                                                                                    2003

                                                                                                                                                           2040              76.720       89.033          -12.313
                                                                                                                                                           2050              77.139       96.653          -19.514

                                                                                                                                                      Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006

Als Gründe für den zurückliegenden starken Geburtenrückgang und die insgesamt sehr niedrige
Fertilitätsrate werden in der Fachdiskussion häufig die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen,
eine schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf, veränderte Lebensinhalte und die bessere
Geburtenkontrolle genannt. 7

Starke Zunahme der über 60-Jährigen

Die Zahl der über 60-Jährigen steigt im gesamten österreichischen Bundesgebiet an. Im Jahr
2005 waren rund 1,8 Mio. Personen über 60 Jahre alt, im Jahr 2030 werden es 2,7 Mio. sein.

Die durchschnittliche Lebenserwartung lag im Jahr 2004 bei 76,4 Jahren bei den Männern und
82,1 Jahren bei den Frauen. Im Jahr 2030 hingegen wird sich die Lebenserwartung bei den
Männern auf 81,3 und bei den Frauen auf 86,4 Jahre erhöhen. Langfristig werden sich – so die
Erwartungen der Statistik Austria – die geschlechtsspezifischen und die regionalen Unterschiede
bei der Lebenserwartung verringern.

7
    vgl. dazu Bayerischer Städtetag (2005); BMSGK (2001); BMSGK (2004); Textor (2000); Schipfer (2005).

                                                                                                                                                       8
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt                                                                                                         23.05.06

Abbildung 4: Lebenserwartung 2004 – 2040

                                                 Lebenserwartung bei der Geburt

                                          90,0
                                                                 Frauen                                                             Lebenserwartung
                                                                                                                            Jahr     bei der Geburt
                                          85,0
                            Lebensjahre

                                                                                                                                    Männer Frauen
                                          80,0                                                                              2005       76,7   82,5
                                                                              Männer                                        2010       77,7   83,3
                                          75,0                                                                              2015       78,6   84,2
                                                                                                                            2020       79,6   84,9
                                          70,0                                                                              2025       80,4   85,7
                                                                                                                            2030       81,3   86,4
                                                 2005

                                                         2010

                                                                     2015

                                                                                   2020

                                                                                                 2025

                                                                                                               2030
                                                                                                                            2040       82,8   87,7
                                                                                                                            2050       84,3   89,0
                                                                 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.01)

Gründe für das Ansteigen der durchschnittlichen Lebenserwartung für Menschen in Österreich
liegen vor allem in der besseren medizinischen Versorgung und in einem „gesünderen“, zumin-
dest weniger belastendem Leben.

Zuwanderungsgewinne kompensieren den Geburtenrückgang

Ein ganz wesentliches Element der zurückliegenden und zukünftigen Bevölkerungsentwicklung in
Österreich sind Wanderungsbewegungen, wobei hier vor allem Zuwanderungen aus dem Aus-
land entscheidend werden. So wird der in der Vergangenheit beobachtbare Zuwanderungsge-
winn (Saldo aus Zu- und Wegzügen; Wert 2004 = 50.600 Personen) aus dem Ausland auch für
die zukünftige Bevölkerungsentwicklung in Österreich maßgeblich sein.
Abbildung 5: Geburten- und Wanderungsbilanzen nach Bundesländern – 2007-2011

                                 Bevölkerungsentwicklung 2007-2011
                       4

                       3
 Ausgangsbevölkerung

                       2
    in Prozent der

                                                                                                                                 Bevölkerungsveränderung
                       1                                                                                                                  absolut
                       0                                                                                                        Bevöl-               Wan-
                                                                                                                                         Geburten-
                                                                                                                               kerungs-            derungs-
                       -1                                                                                                                  bilanz
                                                                                                                                bilanz              bilanz
                       -2                                                                                       2002-2006          216.148   10.161    191.674
                                                                                                                2007-2011          160.784    5.395    155.389
                       -3
                                                                                                                2012-2016          131.418    6.241    125.177
                            Ö             Bgld    Knt   NÖ      OÖ   Slb    Stmk     Tirol   Vbg        Wien
                                                                                                                2017-2021          108.310    6.359    101.951

                Bevölkerungsveränderung insgesamt                Geburtenbilanz    Wanderungsbilanz             2022-2026           97.668    -2.432   100.100
                                                                                                                2027-2031           81.222   -20.992   102.214
                                                                 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006, Tabelle Bevänd.)

Ausgehend von einem Zuwanderungshöchststand im Jahr 2004 (rund 127.000 Zuwanderer aus
dem Ausland) gehen die neuen Berechnungen zwar von einer leicht sinkenden, aber gegenüber
früheren Prognosen deutlich höheren Zuwanderung aus, die dann bis zum Jahr 2020 auf jährlich
etwa 100.000 Personen zurückgeht. Die bereits beschriebene wachsende Gesamtbevölkerung in

                                                                                             9
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt                                                       23.05.06

Österreich basiert somit in erster Linie auf einer kontinuierlich hohen Zuwanderung aus dem
Ausland.

Als Gründe für die hohen Zuwanderungsraten werden von der Statistik Austria folgende genannt:
• die wachsende Verflechtung mit den bisherigen und neuen EU-Ländern,
• bestehende Ansprüche auf Familiennachzüge infolge von Einbürgerungen sowie
• auch in Zukunft hohe Flüchtlingszahlen.
Tabelle 2: Internationale Zuwanderung nach Bundesländern – absolut pro Jahr
                             Internationale Zuwanderung, absolut
        Ö         Bgld     Knt      NÖ       OÖ     Slb     Stmk       Tirol    Vbg      Wien
 2005   115.000    1.840   4.370 13.915 14.145       7.820 10.925       9.775    5.635   46.575
 2010   110.000    1.760   4.180 13.310 13.530       7.480 10.450       9.350    5.390   44.550
 2015   105.000    1.680   3.990 12.705 12.915       7.140   9.975      8.925    5.145   42.525
 2020   100.000    1.600   3.800 12.100 12.300       6.800   9.500      8.500    4.900   40.500
                                               Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006)

Innerhalb Österreichs wird erwartet, dass sich sowohl die Binnenwanderungsströme als auch die
Zuwanderung aus dem Ausland vor allem auf die städtischen Regionen konzentrieren und dort
zu Bevölkerungswachstum führen. Insbesondere für den Großraum Wien ist mit einer hohen
Zuwanderung aus dem Ausland zu rechnen.

Unterschiedliche regionale Entwicklungen bedingen unterschiedliche kommunale Heraus-
forderungen

Die oben gezeigten demographischen Entwicklungen werden regional sehr unterschiedliche
Konsequenzen haben und die Gemeinden jeweils vor unterschiedliche Herausforderungen stel-
len: So ist zu erwarten, dass sich in Folge der demographischen Veränderungen die Nachfrage
nach altersspezifischen Leistungen der Städte und Gemeinden verändert und jeweils individuelle
Anpassungsmaßnahmen erforderlich werden.

Im Falle des Bevölkerungsrückgangs könnten lokale und regionale Infrastruktureinrichtungen
bereits innerhalb ihrer normalen Lebensdauer von immer weniger Menschen genutzt werden,
wodurch ihre Wirtschaftlichkeit sinkt. Dort, wo die höchsten Rückgänge zu erwarten sind, werden
u.U. auch Angebote gänzlich infrage gestellt werden müssen. Öffentliche Leistungen werden in
den Regionen mit großen Bevölkerungsverlusten teurer. Weil sich die Schrumpfungsprozesse
sehr stark auf ländliche Regionen konzentrieren, werden diese Regionen vermutlich von einem
schrittweisen Rück-/ Umbau von Infrastruktur betroffen sein.

Demgegenüber ist zu erwarten, dass insbesondere die noch weiter wachsenden städtischen
Räume gleich in zweifacher Hinsicht herausgefordert werden: Neuer Investitionsbedarf als Folge
des Bevölkerungswachstums und zusätzliche Aufgaben zur Integration einer wachsenden Zahl
an ZuwanderInnen aus dem Ausland.

Die genannten Veränderungsprozesse werden somit die Anpassungsfähigkeit des öster-
reichischen Städtesystems durch die gegensätzlichen Verläufe dieser Entwicklungen erheblich
herausfordern.

                                                    10
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt                                                                                                 23.05.06

2   Demographische und gesellschaftliche Entwicklungen im SeniorInnenbereich

    2.1                         Demographische Entwicklungen bei SeniorInnen

    Starkes Wachstum bei den Alten und Ältesten

    Die Zahl und der Anteil der über 60-Jährigen ist – wie in Abbildung 7 erkennbar – in den letzten
    Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Auch in Zukunft wird die Zahl der über 60-Jährigen weiter
    zunehmen. Im Jahr 2005 waren rund 1,8 Mio. ÖsterreicherInnen über 60 Jahre alt, im Jahr 2030
    werden es 2,7 Mio. Personen sein. Allein bis zum Jahr 2010 beträgt der Zuwachs 6,6 Prozent, bis
    2020 bereits 22,5 Prozent. Dabei sind vor allem die Altersgruppen von 85 Jahren und darüber
    von starken Zuwächsen geprägt – bis 2030 wird sich deren Zahl verdoppeln.
    Abbildung 6: Entwicklung der über 60-Jährigen bis 2050

                                      Bevölkerungsentwicklung der über 60-Jährigen
                              3.500

                              3.000

                                                                                                             95+
     Bevölkerung in Tausend

                              2.500
                                                                                                             90-94
                              2.000                                                                          85-89
                                                                                                             80-84
                              1.500
                                                                                                             75-79
                                                                                                             70-74
                              1.000
                                                                                                             65-69
                               500                                                                           60-64

                                 0
                                 2005     2010      2015     2020    2025       2030   2035    2040   2050

                                                                    Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.05)

    Abbildung 7: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen 1990-2030
    Alter                                 1990         1995           2000         2005         2010        2015        2020        2025         2030
    60-64                                 399.030      365.580        415.559      468.852      461.671     475.315     556.150     632.099      629.118
    65-69                                 391.861      368.305        339.695      392.995      441.775     437.352     451.756     529.504      603.127
    70-74                                 224.318      345.783        328.442      308.447      358.663     404.600     403.946     419.736      494.358
    75-79                                 256.039      182.544        288.938      279.809      264.494     312.463     354.409     358.668      376.160
    80-84                                 170.983      179.042        134.139      219.608      214.241     206.197     250.058     285.568      295.311
    85-89                                  78.169       93.531        102.097       82.443      135.895     135.679     133.966     169.551      194.687
    90-94                                  21.553       27.583         35.690       42.081       35.831      60.194      61.841      63.053       84.914
    95+                                     3.689        5.660          6.839        9.131       10.009       9.609      15.628      17.007       17.967
    Insgesamt                           1.545.642    1.568.028      1.651.399    1.803.366    1.922.579   2.041.409   2.227.754   2.475.186    2.695.642
                                                           Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.05 und 8.03)

                                                                                              11
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt                                                                               23.05.06

Regional unterschiedliche Entwicklungen

Innerhalb der Bundesländer ist die Entwicklung unterschiedlich, wenngleich in sämtlichen Bun-
desländern ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen ist. Insbesondere in Gebieten, in welchen in der
Vergangenheit – aber auch der näheren Zukunft – starke Bevölkerungszunahmen bestehen,
kommt es in kurzer Zeit zu starken Zuwächsen der älteren Bevölkerung. In den Regionen, welche
schon bisher von Abwanderung und Bevölkerungsrückgang geprägt waren, wird die Zahl der
älteren Menschen nur mehr vergleichsweise schwach ansteigen.

Dies bedeutet besonders hohe Zunahmen für Salzburg sowie Tirol mit dem Index 166 im Jahr
2031 und Vorarlberg mit Index 170. Eine gemäßigtere Zunahme hingegen findet sich in Kärnten
(Index 149), der Steiermark (Index 144), im Burgenland (Index 146) und in Wien (Index 134). Im
Mittelfeld bewegen sich Oberösterreich mit Index 157 und Niederösterreich mit Index 149.
Abbildung 8: Entwicklung der über 60-Jährigen nach Bundesländern – Indexwerte

                                        Indexentwicklung der über 60-Jährigen
                180

                170                                                                                        Vorarl-
                                                                                                           berg
                                                                                                           Tiro l
                160
                                                                                                           Salz-
                                                                                                           burg
                150                                                                                        Ober-
                                                                                                           österreich
                                                                                                           Nieder-
                140                                                                                        österreich
                                                                                                           Öster-
                                                                                                           reich
                130
                                                                                                           B urgen-
                                                                                                           land
                120                                                                                        Kärnten

                                                                                                           Steier-
                110                                                                                        mark
                                                                                                           Wien

                100
                         2005         2010          2015         2020        2025         2030

                                             Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.06)

Nachfolgende Grafik zeigt, dass insbesondere die Stadt-Umlandregionen stark zunehmen wer-
den. Relativ hohe Zunahmen wird es bereits in relativ kurzer Zeit (bis 2015) in den Regionen mit
derzeit starker Binnen- und Außenzuwanderung geben – dies sind: Pinzgau-Pongau, Bludenz-
Bregenzer-Wald, Rheintal-Bodensee, sowie Tiroler Oberland und Tiroler Unterland mit zwischen
22 und 24 Prozent Zunahme. Weniger stark betroffen sind Regionen, welche derzeit oder in den
letzten Jahrzehnten von starker Abwanderung betroffen waren. Dies sind beispielsweise die
östliche Obersteiermark (plus 2 Prozent), das Waldviertel, das Mittelburgenland (5 Prozent) und
die westliche Obersteiermark (plus 7 Prozent).8

8
    „NUTS" ist die Abkürzung für „Nomenclature des unites territoriales statistiques", zu deutsch „Systematik der Gebietseinheiten
      für die Statistik". Es handelt sich um eine allgemeine, hierarchisch aufgebaute, dreistufige territoriale Gliederung der EU-
      Staaten (NUTS 1,2,3), wobei die NUTS-Einheiten in der Regel aus einer Verwaltungseinheit oder einer Gruppierung mehre-
      rer Einheiten bestehen. Die NUTS-Gliederung dient sowohl statistischen Zwecken als auch – auf den Ebenen 2 und 3 – zur
      Beurteilung möglicher Regionalförderungen. In Österreich existieren 35 NUTS 3-Regionen; davon bestehen 26 aus einem
      oder mehreren Politischen Bezirken, 8 sind zusätzlich auch mittels Gerichtsbezirken abgegrenzt (2 davon mittels Teilen von
      GB).; nähere Infos: http://www.statistik.at/verzeichnis/nuts.shtml.

                                                                    12
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Abbildung 9: Regionale Entwicklung der Altersgruppe der über 60-Jährigen 2004 – 2031

                                                                 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006)

Tabelle 3: Entwicklung der Bevölkerung über 60 Jahren nach NUTS 3-Regionen
                                    Bevölkerung über 60 Jahren, absolut             Veränderung gegenüber 2005
NUTS III
                           2005      2010     2015     2020      2025       2030   2010 2015 2020 2025 2030
Östliche Obersteiermark    48.003    48.423   49.119 51.105      54.127     56.319   1%    2%    6% 13% 17%
Mittelburgenland            9.748     9.872   10.194   10.823     11.599    12.251   1%    5%    11%   19%   26%
Waldviertel                55.541    56.613   58.435   62.060     67.596    72.264   2%    5%    12%   22%   30%
Westliche Obersteiermark   26.235    26.920   28.023   30.349     32.992    34.954   3%    7%    16%   26%   33%
Liezen                     19.563    20.231   21.082   22.472     24.343    25.853   3%    8%    15%   24%   32%
Weinviertel                30.342    31.429   33.054   35.593     39.153    42.171   4%    9%    17%   29%   39%
Steyr-Kirchdorf            33.568    35.005   36.897   40.385     44.968    48.611   4%    10%   20%   34%   45%
Mostviertel-Eisenwurzen    50.908    53.149   56.682   62.818     71.075    78.363   4%    11%   23%   40%   54%
Osttirol                   10.522    10.991   11.514   12.596     14.247    15.765   4%    9%    20%   35%   50%
Südburgenland              24.123    25.227   26.694   28.900     31.554    33.873   5%    11%   20%   31%   40%
Wien                       361.417 379.416 391.041 414.724 451.027 485.076           5%    8%    15%   25%   34%
Oststeiermark              57.665    60.571   64.729   71.913     80.980    88.861   5%    12%   25%   40%   54%
Innviertel                 56.497    59.472   63.660   70.593     79.979    88.145   5%    13%   25%   42%   56%
Oberkärnten                30.221    31.825   33.780   36.817     40.604    43.663   5%    12%   22%   34%   44%
Unterkärnten               36.068    38.057   40.461   44.448     49.019    52.569   6%    12%   23%   36%   46%
Mühlviertel                38.649    40.911   44.552   50.331     57.884    64.251   6%    15%   30%   50%   66%
Sankt Pölten               32.906    34.850   37.043   40.489     45.358    49.764   6%    13%   23%   38%   51%
Graz                       83.374    88.314   93.640 103.077 115.453 126.980         6%    12%   24%   38%   52%
Niederösterreich-Süd       59.114    62.841   66.297   71.434     78.855    86.077   6%    12%   21%   33%   46%
Traunviertel               48.934    52.099   55.664   61.329     68.832    75.306   6%    14%   25%   41%   54%
Nordburgenland             33.976    36.199   39.274   43.580     48.690    53.143   7%    16%   28%   43%   56%
Lungau                      4.411     4.717    5.096     5.696     6.325     6.820   7%    16%   29%   43%   55%
West- und Südsteiermark    42.032    45.003   48.021   53.058     59.174    64.521   7%    14%   26%   41%   54%
Klagenfurt-Villach         63.379    68.199   73.255   80.794     89.687    97.136   8%    16%   27%   42%   53%
Linz-Wels                  115.342 124.310 133.979 148.458 166.697 182.727           8%    16%   29%   45%   58%
Wiener Umland-Nord         64.900    70.935   76.360   84.382     94.962 104.577     9%    18%   30%   46%   61%
Wiener Umland-Süd          70.262    77.410   82.539   89.651     99.987 110.068     10%   17%   28%   42%   57%
Innsbruck                  57.433    63.692   68.817   75.842     84.977    93.563   11%   20%   32%   48%   63%
Außerfern                   6.506     7.229    7.855     8.600     9.448    10.168   11%   21%   32%   45%   56%
Pinzgau-Pongau             31.283    34.777   38.468   43.202     48.836    54.127   11%   23%   38%   56%   73%
Salzburg und Umgebung      70.240    78.101   85.182   94.072 105.190 115.020        11%   21%   34%   50%   64%
Tiroler Oberland           17.514    19.475   21.463   24.060     27.327    30.199   11%   23%   37%   56%   72%
Tiroler Unterland          45.466    50.713   55.504   62.055     70.746    78.412   12%   22%   36%   56%   72%
Bludenz-Bregenzer Wald     33.588    37.527   41.193   45.749     51.429    56.672   12%   23%   36%   53%   69%
Rheintal-Bodensee          33.636    38.076   41.842   46.299     52.066    57.373   13%   24%   38%   55%   71%
                                                                 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006)

In den gesonderten Bezirksprognose-Papieren befinden sich genauere Auskünfte über die
Entwicklung der SeniorInnen für die einzelnen Bezirke.

                                                                       13
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2.2       Gesellschaftliche Entwicklungen

Entstehung eines „dritten“ und „vierten“ Lebensabschnittes – Trennung in „Alte und
Ältere“

Zwischen dem Ende der Berufstätigkeit und etwa dem 75. Lebensjahr entsteht ein „dritter“ Le-
bensabschnitt. Daran anschließend hat sich aufgrund der Verbesserung der Lebensverhältnisse
und des medizinischen Fortschritts der so genannte „vierte“ Lebensabschnitt herausgebildet. Die
Bevölkerung über 75 Jahre ist jene Altersgruppe, welche vorrangig Hilfs- und insbesondere
Pflegeleistungen in Anspruch nimmt.

Nach der Pensionierung besteht daher noch eine Lebenszeit, die etwa einem Drittel bis zur Hälfte
des Arbeitslebens entspricht. Es entstehen neue Aktivitätsspielräume, Handlungschancen und
Entwicklungsmöglichkeiten, was auch tiefgreifende sozialpolitische und ökonomische Konse-
quenzen zur Folge hat.9

Zunahme von Ein- und Zwei-Personenhaushalten – Verringerung des familiären Pflegepo-
tenzials und neue Anforderungen an die Infrastruktur

Derzeit ist eine zunehmende Singularisierung erkennbar – die Zahl der Ein- und Zweipersonen-
haushalte nimmt auf Kosten der Mehrpersonenhaushalte zu. Durch veränderte Familien- und
Haushaltsstrukturen wird jedoch nicht nur die Kinderbetreuung und -erziehung erschwert, son-
dern es wird auch eine wachsende Zahl alter Menschen im Falle der Hilfs- und Pflegebedürftig-
keit immer stärker von institutionalisierter Hilfe durch soziale Dienste abhängig. Menschen in
Kleinfamilien oder Menschen, die alleine leben, sind allein auf außerfamiliäre Unterstützung,
soziale Dienste und Einrichtungen angewiesen (aufgrund des reduzierten familiären Pflegepoten-
tials). Die Abnahme der Haushaltsgröße reduziert die Wahrscheinlichkeit, im Falle der Pflegebe-
dürftigkeit zu Hause verbleiben zu können.

Doch die Zahl und Größe der Haushalte hat auch Auswirkungen auf den Bedarf an Wohnungen
und bestimmten Wohnungsgrößen, auf den Energieverbrauch, auf die Wasserversorgung, Ab-
wasser- und Müllbeseitigung, auf die Höhe der Konsumnachfrage, auf die Ausprägung und die
Standorte haushaltsbezogener Dienstleistungen, auf die Naherholungsmöglichkeiten und die Art
und den Umfang der Verkehrspartizipation. Dies sind alles Bereiche, welche derzeit den demo-
graphischen Entwicklungen gemäß angepasst werden müssen – insbesondere der stark steigen-
de Anteil der SeniorInnen stellt hierbei eine Herausforderung dar.

Besondere Bedeutung kommt der Entwicklung der Haushalte hinsichtlich der Abschätzung des
privaten Hilfs- und Pflegepotentials und der Organisation des Pflegewesens zu. Bei der Planung
ambulanter Dienste (Hauskrankenpflege, Alten- und Pflegehilfe sowie Heimhilfe) darf daher nicht
nur die Anzahl der alten Menschen betrachtet werden, sondern es ist auch die Entwicklung der
Zahl der Einpersonen-Haushalte und Familienstrukturen entscheidend. 10

9
    Dies sind etwa: Größe und Altersstruktur der erwerbsfähigen Bevölkerung, die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen, das
      Niveau und die Struktur der privaten Konsum- und Investitionsnachfrage, Auswirkungen auf das Pensionssystem oder auf
      die Gesundheits- und Sozialpolitik. vgl. Schreyer, Jörg (1999), S. 1 f.
10
     vgl. Schreyer, Jörg (1999), S. 10.

                                                                  14
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Mobilität der Personen und andere Faktoren führen zur Abnahme des familiären Pflegepo-
tenzials

Eng mit den Haushaltsstrukturen verbunden sind die Familienstrukturen. Österreichweit bestehen
Wanderungsströme von der Peripherie in die größeren Städte bzw. von den Zentren in das Um-
land – Verwandte leben daher in zunehmendem Maße räumlich getrennt und weit voneinander
entfernt. Bei starker Abwanderung bleiben daher die Alten über, die Jungen ziehen in die Städte.
Hinzu kommt, dass die zunehmende Mobilität, die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen, die
Generationentrennung und die steigenden Scheidungsraten grundsätzlich zum Absinken der
familiären Pflegeressourcen führen.

Steigende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen

Im Alter steigt das Krankheitsrisiko, weshalb zukünftig mit einer zunehmenden Häufigkeit von
Arztbesuchen, mit steigendem Medikamentenkonsum und mit einer Zunahme von Spitalsaufent-
halten zu rechnen ist.

Um zu verhindern, dass die Gesundheitskosten explodieren bedarf es verstärkt Aktionen, welche
die Vorsorge und Prävention fördern sollen. Ein gesundes und aktives Altern steht im Mittelpunkt
zur Sicherung der Lebensqualität wie auch der Finanzierung des Gesundheitssystems.

Forcieren von mobilen, ambulanten und teilstationären Diensten

Je nach Art der medizinischen Versorgung ergeben sich Kostenunterschiede. Während ambulan-
te Behandlungen durch Hausärzte und durch mobile Pflegedienste erfolgen können, liegen die
Kosten im stationären Bereich wesentlich höher. Deshalb wird in Zukunft eine Bevorzugung der
Finanzierung von mobiler, ambulanter und teilstationärer Pflege gegenüber der stationären Pfle-
ge eingefordert werden. Dadurch können und sollen ältere Menschen so lange wie möglich in der
eigenen Wohnung verbleiben.

Altern ist weiblich – und Frauen sind ärmer

Da das Altern aufgrund der höheren Lebenserwartung der Frauen weiblich ist, entwickelt sich
eine Altersgesellschaft mit zwei Dritteln Frauen. Bei den über 75jährigen entwickelt sich sogar
eine Drei-Viertel-Frauengesellschaft. Das Risiko, den Lebenspartner zu verlieren, ist für Frauen
ungleich größer als für Männer. Über alle Berufsgruppen hinweg liegen die Eigen-Pensionen der
Frauen unter jenen der Männer – ihre Pensionen betragen nur etwa die Hälfte der Männerpensi-
onen.

Die Inanspruchnahme von ergänzenden Diensten (von einer hauswirtschaftlichen Unterstützung
bis zum betreuten Wohnen) erfordert ein ausreichendes Einkommen bzw. Vermögen. 40 Prozent
der Frauen haben jedoch keine eigene Pension, 15 Prozent der Frauen über 60 haben überhaupt
keine Pension. Sie sind entweder zur Gänze vom Partner oder vom Sozialstaat abhängig.11 Vor
allem Mütter haben eine niedrigere Pension, da sie einerseits zum Teil nur auf ein niedrigeres
Aktiveinkommen im Berufsleben zurückgreifen können, und andererseits Lücken im Versiche-
rungsverlauf (Kinderbetreuungszeiten) haben. Daher gilt, dass die Pension umso niedriger aus-
fällt, je mehr Kinder eine Frau hat.

11
     vgl. BMSG (2000), S. 91.

                                                  15
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Auch die Wohnsituation von Frauen ist schlechter. Ebenso die Ausstattung mit moderner Tech-
nik. Fast die Hälfte der Pension wird von Frauen für Ernährung, Wohnen und Heizen sowie Be-
leuchtung ausgegeben – da bleibt kaum Geld für Urlaub und Fernreisen.12

Dennoch sind nur 10 Prozent der älteren Menschen armutsgefährdet, nur 2 Prozent gelten wirk-
lich als arm. Generell gilt, dass junge Leute stärker armutsgefährdet sind als ältere Menschen.

Eigenfinanzierungskraft der älteren Bevölkerung wird tendenziell sinken

Die steigende Lebenserwartung und das sich verschiebende Verhältnis von Erwerbstätigen zu
den Pensionsbeziehern lassen erwarten, dass die Pensionseinkommen in den nächsten Jahren
relativ geringer werden. Damit verbunden sind sinkende Eigenmittel zur Finanzierung von
Betreuungsleistungen. Für die öffentlichen Haushalte kann dies zusätzliche Belastungen bedeu-
ten, wenn nicht Gegenmaßnahmen wie ein flächendeckend umgesetzter Beitrag der Angehörigen
oder eine solidarische Pflegeversicherung ergriffen werden.

Differenzierung in der Anbieterstruktur

Nachdem sich die Betreuungskosten mit den steigenden Qualitätsanforderungen erhöhen und
die verfügbaren Mittel der Klienten damit nicht Schritt halten, gibt es seit einigen Jahren eine
Differenzierung in der Anbieterstruktur zu beobachten. Einerseits drängen im ambulanten
Betreuungsbereich verstärkt Anbieter aus den umliegenden Nachbarländern (insbesondere in
Oberösterreich, Niederösterreich, Wien und Burgenland) mit Angeboten von Rund-um-die-Uhr-
Betreuungen in den Markt, andererseits lässt sich in einigen Bundesländern ein Ausbau von
Public-Private-Partnerships beobachten. Mit dem erstgenannten Trend kann auch eine Qualitäts-
reduzierung in Form geringer qualifiziertem Personal sowie qualitativ anders gestalteter Betreu-
ungsprozesse verbunden sein. Bei dem zweiten Trend zeigt sich die Bereitschaft privater Anbie-
ter, dass diese verstärkt im Betreuungsbereich tätig werden. Waren im ambulanten Bereich
schon bisher die Leistungserbringer in der Regel private Anbieter (primär aus dem Non-Profit-
Bereich), so sind auch im stationären Bereich verstärkt Kooperationen der öffentlichen Hand mit
privaten Trägern beobachtbar.

Diese Differenzierung in der Anbieterstruktur bietet Chancen, wie beispielsweise die Nutzung von
Kompetenzen und Kapazitäten und bringt damit auch weitere Effizienzsteigerungen, birgt jedoch
auch Risiken in sich. Dazu zählen z.B. Qualitätsverluste. Die öffentliche Hand ist dabei verstärkt
gefordert, einheitliche Qualitätsstandards zu definieren, die sowohl für die Klienten und deren
Angehörigen als auch für die öffentlichen Haushalte finanzierbar sind.

Zusammenfassend…

…kann festgehalten werden, dass mit der Zunahme der Alten trotz längerer Gesundheit auch der
Pflegebedarf steigen wird. Durch den weiteren Rückgang des familiären Pflegepotenzials wird
dies noch zusätzlich verstärkt. Das Forcieren von mobilen, ambulanten und teilstationären Diens-
ten kann eine Antwort sein. Die Ausdifferenzierung des Marktes kann dabei als Chance gesehen
werden, den steigenden Bedarf in qualitativ ausreichendem Maße erfüllen und auch finanzieren
zu können.

12
     Frauen haben weniger PKWs (10 Prozent der Frauen, aber 42 Prozent der Männer besitzen einen PKW) und moderne
       technische Geräte; lediglich bei Herden und Telefonen sind Frauen besser ausgestattet. vgl. Schreyer, Jörg (1999), S. 1.;
       BMSG (2000), S. 42 und 91.

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3   Herausforderungen der Städte im Bereich der SeniorInnenpolitik

    3.1   Die Herausforderung annehmen: Handeln statt Abwarten!

    Städte befinden sich in einer zweifach schwierigen Situation:

    • Die verschiedenen Folgen der demographischen Entwicklung werden zwar in den Städten
      unmittelbar spürbar,

    • gleichzeitig sind aber die Möglichkeiten der Städte, die hier beschriebenen demographischen
      Entwicklungen direkt zu beeinflussen, sehr eingeschränkt: Die absehbaren Trends als Folge
      einer sehr geringen Geburtenrate und einer starken Alterung der Gesellschaft sind in ihrer
      Richtung durch die Städte kaum umkehrbar, wesentliche Richtungsentscheidungen – etwa
      über das Ausmaß der Zuwanderung werden demgegenüber in erster Linie durch den Bund,
      zukünftig vielleicht auch die EU – getroffen.

    Für Städte bedeutet dies, dass die Herausforderungen angenommen, die derzeitige Situation
    analysiert, die Chancen ergriffen und die Weichen für morgen bereits heute gestellt werden
    müssen.

    Die prognostizierten Entwicklungen stellen die Städte in Österreich vor sehr unterschiedliche
    Herausforderungen, sind doch die Folgen des demographischen Wandels sowohl im Umfang als
    auch in der Art regional sehr unterschiedlich. Vor allem zwischen den eher ländlichen und den
    städtischen Regionen sind die Unterschiede oft beträchtlich.

    Hier wie dort ist es zwingend notwendig, sich möglichst rasch auf die absehbaren Entwicklungen
    einzustellen, Handlungsfähigkeit zu bewahren und längerfristig ausgelegte – örtliche oder regio-
    nale – Strategien zu entwickeln. Beispielsweise wird verstärkt auf die Notwendigkeit hingewiesen,
    gemeindeübergreifende Konzepte zur langfristigen Sicherung der Pflegeinfrastrukturen zu erar-
    beiten – etwa im Bereich der Pflegeheime und beim Aus- und Aufbau von mobilen Angeboten.

    Hierzu bedarf es einer Situations-Analyse, welche gekoppelt mit den Prognosewerten eine mittel-
    bis langfristige Planung ermöglicht. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang sind die Auslas-
    tung der Einrichtung, der zukünftige Bedarf an Betreuungs- und Pflegeleistungen und das Aus-
    maß der Investitionen. Weiters ist zu prüfen, welche Möglichkeit alternative Betreuungs- und
    Pflegekonzepte bieten.

    3.2   Verantwortung auf Bundes- und Länderebene

    1993 wurde mit dem Bundespflegegeldgesetz ein abgestuftes, bedarfsorientiertes Pflegegeld
    eingeführt, auf das unabhängig von Einkommen und Vermögen sowie der Ursache der Pflegebe-
    dürftigkeit ein Rechtsanspruch besteht. Der Zweck des Pflegegeldes liegt darin, in Form eines
    Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert – abgestuft in sieben Pflegestufen –
    abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und
    Hilfe zu sichern.

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Voraussetzungen für den Erhalt des Pflegegeldes sind:13
• ein ständiger Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) aufgrund einer körperlichen, geisti-
  gen oder psychischen Behinderung bzw. einer Sinnesbehinderung, der voraussichtlich min-
  destens 6 Monate andauern wird;
• der ständige Pflegebedarf muss monatlich mehr als 50 Stunden betragen;
• gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich (Ausnahme im EWR-Raum).

Ergänzend zum Bundespflegegeld sichert das Landespflegegeld der einzelnen Länder das Pfle-
gegeld für Personen, welche keinen Anspruch auf Bundespflegegeld haben.

Die Länder verpflichteten sich im Rahmen der Pflegevorsorgevereinbarung mit dem Bund, für
einen dezentralen und flächendeckenden Auf- und Ausbau der ambulanten, teilstationären und
stationären sozialen Dienste unter Beachtung von Mindeststandards zu sorgen. Um das Pflege-
angebot entsprechend langfristig planen zu können, werden von den Ländern Bedarfs- und
Entwicklungspläne erstellt. Zusätzlich sind die Länder dafür verantwortlich, die angebotenen
Dienste organisatorisch miteinander zu vernetzen sowie Information und Beratung sicherzustel-
len.

Der Bund verpflichtete sich weiters, eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Pflege-
personen herbeizuführen.

Derzeit gibt es in Österreich etwa 53.000 Pflegeplätze – deren Zahl wird in den nächsten Jahren
weiter steigen. Die Errichtung, die Erhaltung und der Betrieb der Pflegeheime sind in den einzel-
nen Bundesländern unterschiedlich organisiert. Teilweise fällt dies in die Kompetenz des Landes,
der Sozialhilfeverbände oder in die Zuständigkeit der Gemeinden.

Weiters haben sich die Länder verpflichtet, Mindeststandards für Pflegeheime zu gewährleisten.

Ambulante und teilstationäre Dienste als Alternativen zum Pflegeheim werden zu etwa 90 Pro-
zent von freien Wohlfahrtsverbänden erbracht. Von 1999 bis 2003 ist die Inanspruchnahme der
ambulanten Dienste um ca. 13 Prozent gestiegen. Das Angebot an ambulanten und teilstationä-
ren Diensten weist allerdings regional starke Unterschiede auf.

Neben dem wichtigen Aufgabenfeld der Pflegevorsorge gibt es jedoch noch weitere Aufgabenfel-
der für eine SeniorInnenpolitik. Vom BMSG wurde im Jahr 2000 ein Bericht zur Lebenssituation
älterer Menschen verfasst, welcher sich beispielsweise mit den Themen „Kultur des Alters und
Altersbilder“, „Lebensformen, Kommunikation, Generationenverhältnis“, „Ältere Menschen in
Politik und Gesellschaft“, „die materielle Lage der SeniorInnen“, „Die Wohnsituation älterer Men-
schen“, „Gesundheit“ und vielem mehr befasst.14

13
     vgl. BMSGK (2006), S. 8.
14
     vgl. BMSG (2000).

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3.3       Bundesweite Handlungsmöglichkeiten

Viele Kommunen haben in den letzten Jahren auf die absehbaren demographischen Entwicklun-
gen mit einem Bauboom bei Pflegeheimen reagiert. Darüber hinaus ist eine Reihe weiterer Maß-
nahmen für das erfolgreiche Meistern der Situation notwendig. Insbesondere das Erstellen über-
örtlicher und -regionaler Konzepte sowie die Finanzierung von Betreuungs- und Pflegeleistungen
bedingen eine Zusammenarbeit der Gemeinden mit den Ländern und dem Bund. Es bedarf einer
guten Verzahnung der auf den verschiedenen Ebenen angesiedelten seniorInnenpolitischen
Programme und Maßnahmen.

Was kann generell von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam getan werden?

Hinsichtlich des Umgangs mit dieser Situation gibt es einige Ansatzpunkte:15

• Familiäre und private Pflegeressourcen absichern
  Insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist derzeit kaum möglich, würde jedoch
  wertvolle Pflegeressourcen freilegen. Ein anderes Thema ist die Frage nach dem Umgang mit
  dem so genannten „grauen“ Arbeitsmarkt – daher billigen, meist ausländischen Arbeitskräften,
  welche die Betreuung und Pflege alter Personen übernehmen.

• Sicherung des Verbleibs in der eigenen Wohnung
  Durch alten- und pflegegerecht ausgestattete Wohnungen in Kombination mit ambulanten und
  mobilen Diensten wird es alten Menschen ermöglicht, so lange wie möglich in ihren Wohnun-
  gen zu verbleiben. Die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur (z.B. Nahversorgung,
  öffentliche Verkehrsmittel,…) ist für den Verbleib in der Wohnung ausschlaggebend, weshalb
  solche wohnungsnahen Angebote und Strukturen zu stärken sind.

• Aktiv altern
  Der SeniorInnenbereich sollte nicht auf pflegebedürftige Menschen reduziert werden, sondern
  sämtliche SeniorInnen bedürfen einer entsprechenden Betreuung durch attraktive Freizeit-
  und Kulturangebote sowie durch entsprechende Gesundheitsleistungen. Besonders der Prä-
  vention und Vorsorge wird hier in Zukunft große Bedeutung zukommen. Ein weiteres Thema
  ist auch die Aktivierung älterer Personen für die Gesellschaft (z.B. Mitarbeit in gemeinnützigen
  Organisationen, etwa im Rahmen von Besuchsdiensten). Auch entsprechende Kommunikati-
  ons- und Kontaktmöglichkeiten erleichtern das Altern.

• Durchgängige Pflegekette
  Eine durchgängige, transparente Betreuungs- und Pflegekette erhöht die Chancen, dass
  Klienten eine ihrem Bedarf entsprechende Leistung erhalten. Die einzelnen Stufen einer sol-
  chen Kette umfassen beispielsweise Prävention, informelle Hilfen, mobile, ambulante, teilsta-
  tionäre und stationäre Pflegeleistungen sowie eine entsprechende Wohnraumgestaltung. Der-
  zeit unterschiedliche bundesländerspezifische Gesetze, Verordnungen und Richtlinien er-
  schweren es jedoch, die Ressourcen zu bündeln und Abläufe zu standardisieren.

15
     vgl. Bertelsmannstiftung (2006), S. 16 ff..; Schober u. Schober (2006), S. 11.

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