Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 3 - Die älter werdende Stadt
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Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt Diskussionspapier für den Arbeitskreis 3 Verfasst von: Mag. Peter Biwald Mag. (FH) Karoline Mitterer KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung 1110 Wien, Guglgasse 13 Tel.: +43 1 8923492, Fax: +43 1 8923492-20 E-Mail: institut@kdz.or.at, Internet: www.kdz.or.at Wien, am 23. Mai 2006
Inhaltsverzeichnis 23.05.06 Inhaltsverzeichnis Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt ..............................................................................................3 1 Bevölkerungsentwicklung in Österreich – Kurzdarstellung ..................................................5 2 Demographische und gesellschaftliche Entwicklungen im SeniorInnenbereich ............... 11 3 Herausforderungen der Städte im Bereich der SeniorInnenpolitik.................................... 17 4 Das aktuelle Engagement der Städte ................................................................................ 21 5 Eine kommunale „SeniorInnenpolitik“................................................................................ 31 6 Ausblick – Perspektiven..................................................................................................... 41 7 Quellenverzeichnis............................................................................................................. 44 8 Anhang............................................................................................................................... 45 2
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt Wie wird unsere Stadt in 20 Jahren aussehen? Wie viele Menschen werden hier wohnen? Wie viele Krippen, Kindergärten oder Schulen werden wir benötigen? Wie wird das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Zugewanderten funktionieren? Wie wird sich ein höherer Anteil älterer Menschen auf die Kommunen auswirken? Das sind wichtige und mehr als berechtigte Fragen. Denn Tatsache ist, dass sich die Städte in den kommenden Jahrzehnten aufgrund der bereits heute absehbaren Bevölkerungsentwicklung teilweise erheblich verändern werden: Neben Wachstumsregionen wird es stagnierende Gebiete, aber auch Schrumpfungsregionen geben. In Österreich wird eine wachsende Zahl an MigrantIn- nen leben. Die Bewältigung dieser Veränderungen wird zu einer der großen Herausforderungen für die Städte in den kommenden Jahren werden. Die Art und Weise wiederum, wie die Städte gestaltend auf diese Entwicklungen einwirken, wird über ihre Zukunftsfähigkeit und die Lebensqualität ihrer BürgerInnen entscheiden. Dieser Bericht soll die Verantwortlichen in den Städten dabei unterstützen, sich langfristig auf neue Trends einzustellen und frühzeitig Maßnahmen der Gegensteuerung zu setzen. Dazu werden die we- sentlichen Eckpunkte der erwarteten Bevölkerungsentwicklung aufgezeigt1. Ferner will der Be- richt Anregungen für eine qualifizierte Diskussion über mögliche Strategien geben – eine Diskus- sion, die mit dieser Unterlage für den Städtetag 2006 keinesfalls abgeschlossen ist, sondern erst am Beginn steht. Die absehbare Bevölkerungsentwicklung hat in letzter Zeit große Aufmerksamkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erlangt, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die aktuellen Prognosen gravierende Veränderungen für die nächsten 3 Jahrzehnte erwarten lassen. Ingesamt nimmt Österreichs Bevölkerung zu. Wie aber noch im Detail zu zeigen sein wird, ist einerseits durch den erfolgten Geburtenrückgang eine Abnahme des Anteils von jungen Menschen an der Gesamtbe- völkerung, andererseits eine starke Zunahme von älteren Personen an der Gesamtbevölkerung erkennbar. Weiters wird immer deutlicher, dass Zuwanderung aus dem Ausland ein wesentlicher Faktor der demographischen Entwicklung Österreichs ist. Für die weitere Diskussion ist von besonderer Bedeutung, dass die Bevölkerungsentwicklung regional sehr unterschiedlich verlau- fen wird. Tendenziell wachsen städtische Agglomerationen, während periphere Gebiete einwoh- nermäßig stagnieren oder rückläufig sind. Daraus ergeben sich drei Schwerpunkte, welche sich in den Arbeitskreisen des Städtetages 2006 widerspiegeln: Stagnierende Geburtenzahlen und ein weiter sinkender Anteil von Personen unter 20 Jahren an der Gesamtbevölkerung bei gleichzeitig steigenden Anforderungen im Bereich der Kinder- und Tagesbetreuung stellen eine erste Herausforderung für die Städte und Gemeinden dar. Die Diskussion dieses Teils des demographischen Wandels ist Gegenstand des Arbeitskrei- ses 1 „Die junge Stadt“. Zuwanderung aus dem Ausland ist für Österreich eine Tatsache. Um die Chancen der Migration aber auch nutzen zu können, sind gezielte Maßnahmen der Integration dieser Zuwanderer notwendig. Dies ist Gegenstand der Diskussionen des Arbeitskreises 2 „Die bunte Stadt“. Arbeitskreis 3 „Die älter werdende Stadt“ konzentriert sich dann noch auf eine weitere Teilentwicklung des demographischen Wandels, nämlich die stark wachsende Zahl an älteren und alten Menschen und die daraus ableitbaren Konsequenzen für das Betreuungs- und Pflegesystem der Städte und Gemeinden. 1 Alle nachfolgenden statistischen Aussagen beziehen sich auf aktuelle Prognosen der Statistik Austria bzw. des BMSGK sowie der ÖROK. Für eine ausführliche Darstellung der demographischen Entwicklungen in Österreich vgl. das Basismodul. 3
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Innerhalb des Arbeitspapiers zum 3. Arbeitskreis „Die älter werdende Stadt“ erfolgt eine Diskussion über den Umgang mit einer stark wachsenden Zahl an älteren und alten Personen. Dazu erfolgt in einem ersten Teil eine Kurzdarstellung der bisherigen demographischen Entwick- lung. Danach werden im zweiten Teil zukünftige demographische und gesellschaftliche Trends im SeniorInnenbereich aufgezeigt. Darauf aufbauend wird im dritten Kapitel die Problematik auf österreichischer Ebene aufgearbeitet und insbesondere dargestellt, welche Konsequenzen und Herausforderungen auf Seiten der Städte entstehen. Im vierten Kapitel werden die Ergebnisse der Befragung im Vorfeld des Städtetages analysiert und um ausgewählte Daten der Finanzgeba- rung der Gemeinden ergänzt. Danach werden im fünften Kapitel die Grundsätze und die Hand- lungsfelder einer „kommunalen SeniorInnenpolitik“ näher erörtert. Der Bericht endet mit einer zusammenfassenden Betrachtung und möglichen Ansätzen für die aus den demographischen Entwicklungen entstehenden Handlungserfordernisse. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen ExpertInnen bedanken, die uns durch Anregungen und Feedback bei der Erstellung dieses Arbeitskreispapiers unterstützt haben. Grundsätzliche Bemerkung: Zu allen Prognosen ist grundsätzlich anzumerken, dass sie in der Regel auf der Grundlage heuti- gen Wissens und aus zurückliegenden Entwicklungen auf die Zukunft schließen und zukünftige Ereignisse, die möglicherweise einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf von Entwicklungen haben, nur teilweise berücksichtigen können. So sind zukünftige größere internationale Ereignis- se oder neue gesellschaftspolitisch relevante Haltungen nur schwer vorherzusehen. Das gleiche trifft aber auch auf mögliche „Gegensteuerungsmaßnahmen“ zu, nämlich ob und welche ergriffen werden bzw. überhaupt möglich sind, und welche Auswirkungen sie haben. Insofern beschreiben Prognosen eine mögliche, nicht aber zwingend die tatsächliche Zukunft. Genereller Hinweis: Neben den Diskussionspapieren für jeden Arbeitskreis stellt der Österreichische Städtebund seinen Mitgliedern noch weitere – vom KDZ erarbeitete – Informationen zum demographischen Wandel zur Verfügung: • Mit dem umfangreichen Bericht „Demographischer Wandel in Österreich – ein Überblick“ wird eine gesamthafte und ausführliche Darstellung wichtiger demographischer Entwicklungen vorgelegt, die sowohl die Themenbereiche der Arbeitskreise 1-3 umfasst, aber gleichzeitig auch über die in den Arbeitskreispapieren dargestellten Daten hinausgeht. So werden in die- sem Bericht einerseits zusätzliche Daten und andererseits vertiefende Informationen zum de- mographischen Wandel dargestellt. • Ein besonderer Service für die Gemeinden stellen dann noch die so genannten „Bezirks- prognosen“ dar. Zusammengefasst nach Bundesländern werden jeweils ausgesuchte zentra- le Prognosedaten der ÖROK-Prognose 2006 konzentriert für jeden Bezirk auf einer Seite dar- gestellt. Diese Informationen sollen der gezielten Unterstützung der Gemeinden bei der Ent- wicklung zukünftiger Kommunalstrategien dienen. 4
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 1 Bevölkerungsentwicklung in Österreich – Kurzdarstellung Die Bevölkerungsentwicklung ist das Ergebnis des Zusammenwirkens mehrerer demogra- phischer Komponenten: Einerseits gibt es die natürliche Bevölkerungsentwicklung als Bilanz aus Geburten und Sterbefällen und andererseits räumliche Bevölkerungsbewegungen sowohl als Binnenwanderung innerhalb Österreichs als auch als Außenwanderung (Zu-/Abwanderung). Diese beiden Faktoren bestimmen Umfang, Richtung und Tempo der Bevölkerungsentwicklung insgesamt und beeinflussen im Ergebnis nicht nur die absolute Zahl der Bewohner in Österreich, sondern auch die strukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppen sowie sonstigen strukturellen Merkmalen, wie z.B. Geschlecht oder Herkunftsländern. Verschiedene Prognoseszenarien bilden die Basis Eine Möglichkeit zur Darstellung zukünftiger demographischer Entwicklungen sind Bevölkerungs- prognosen, wie sie von der Statistik Austria und der ÖROK regelmäßig erstellt und veröffentlicht werden. Sie basieren auf standardisierten Modellrechnungen und verschiedenen (laufend aktua- lisierten) Annahmen bezüglich der Lebenserwartung und Sterberaten (Mortalität), der Zahl der Geburten in einem Land (Fertilität), sowie der Binnen- und Außenwanderung (Zu-/Abwanderung vom/ins Ausland) (Migration). Durch eine Variation dieser Annahmen werden in der Regel drei verschiedene Szenarien ermittelt. Die mittlere Variante – auch als Hauptvariante bezeichnet – beschreibt die aus Sicht der StatistikexpertInnen wahrscheinlichste Entwicklung. Sie bildet die Grundlage der nachfolgenden Darstellungen. Die in der Regel kleinste Raumeinheit, für die Prognosen erstellt werden, sind die politischen Bezirke.2 Zukünftiges moderates Bevölkerungswachstum Für die nächsten Jahrzehnte wird für Österreich insgesamt ein moderates Bevölkerungswachs- tum – keinesfalls ein Rückgang wie etwa in Deutschland3 – prognostiziert. So erwartet die Statis- tik Austria, dass die Bevölkerung in Österreich bis 2050 weiterhin kontinuierlich bis auf nahezu 9 Mio. EinwohnerInnen anwachsen wird (siehe Tabelle). Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach breiten Altersgruppen in Österreich < 20 20-64 65-84 insges. 85+ Jahre Jahr Jahre Jahre Jahre Bevölkerungsentwicklung nach breiten Altersgruppen Bevölkerung absolut 10 2005 8.225.609 1.806.404 5.084.691 1.200.859 133.655 9 2010 8.397.256 1.759.577 5.176.771 1.279.173 181.735 8 2015 8.536.606 1.701.464 5.269.048 1.360.612 205.482 2020 8.650.995 1.689.926 5.289.465 1.460.169 211.435 Einwohner in Mio. 7 8.751.421 1.698.620 5.209.714 1.593.476 249.611 2025 6 2030 8.838.399 1.705.408 5.066.467 1.768.956 297.568 5 2035 8.903.772 1.702.086 4.941.629 1.928.596 331.461 2040 8.949.528 1.688.061 4.901.300 1.995.254 364.913 4 2045 8.978.477 1.674.283 4.897.105 1.972.199 434.890 3 8.986.033 1.665.932 4.862.141 1.933.536 524.424 2050 2 in Prozent 1 2005 100,00% 21,96% 61,82% 14,60% 1,62% 2010 100,00% 20,95% 61,65% 15,23% 2,16% 0 2015 100,00% 19,93% 61,72% 15,94% 2,41% 2001 2006 2011 2016 2021 2026 2031 2036 2041 2046 2020 100,00% 19,53% 61,14% 16,88% 2,44% < 20 Jahre 20-64 Jahre 65-84 Jahre 85+ Jahre 2025 100,00% 19,41% 59,53% 18,21% 2,85% 2030 100,00% 19,30% 57,32% 20,01% 3,37% Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006 2 Die Darstellung der Prognosen auf Bezirksebene erfolgt ausschließlich in der ÖROK-Prognose. Im Anschluss an das Basismodul finden Sie die aufgearbeiteten Prognosewerte für die einzelnen Bezirke. Auch sind im Basismodul die drei Vari- anten der Bevölkerungsprognose der Statistik Austria näher beschrieben. 3 Nach der Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes in Deutschland. 5
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Starke Veränderungen in der Altersstruktur Die altersstrukturelle Zusammensetzung der in Österreich lebenden Bevölkerung wird sich deut- lich verändern. Der Anteil der unter 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung sinkt seit 1971 konti- nuierlich und wird sich längerfristig auf einem niedrigen Niveau stabilisieren. Lebten im Jahr 2001 in Österreich rund 1,8 Mio. Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren (21,9% der Gesamtbevölke- rung), wird ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2031 auf dann ca. 19,3% absinken. Gleichzeitig steigt der Anteil vor allem der älteren und speziell der ältesten EinwohnerInnen (über 85 Jahre) weiter an. Das statistische Durchschnittsalter der Bevölkerung wird – ausgehend von ca. 40 Jahren im Jahr 2005 – auf rund 45 Jahre im Jahr 2030 steigen. Regional unterschiedliche Entwicklungen – es entstehen Wachstums- und Schrumpfungs- regionen Ein wesentliches Merkmal der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung in Österreich ist – neben den grundsätzlichen altersstrukturellen Verschiebungen – darin zu sehen, dass die Bevölker- ungsentwicklung innerhalb Österreichs regional sehr unterschiedlich und in ihrer Richtung zum Teil völlig gegensätzlich verlaufen dürfte. Regionen mit einem merklichen Bevölkerungswachstum stehen Regionen mit starken Schrumpfungsprozessen gegenüber. Bereits in der Vergangenheit waren entsprechende Entwicklungen erkennbar – der Trend wird daher fortgesetzt. 4 Abbildung 2: Regionale Bevölkerungsentwicklung 2001 – 2031 nach Prognoseregionen Erläuterung: durchgehende Linie = Regionen mit starker Bevölkerungsabnahme gepunktete Line = Regionen mit starker Bevölkerungszunahme Ausgehend vom Wachstumspol im Großraum Wien wächst die Bevölkerung in fast allen Regi- onen nördlich der Alpen und entlang der Hauptverkehrsachsen der Westbahn/Westautobahn bis ins Rheintal (gepunktete Linie der Abbildung 2). Im nördlichen Waldviertel und in den südlichen – vor allem inneralpinen – Regionen ist – mit Ausnahme der größeren Städte – mit einem teilweise sehr erheblichen (bis zu 20-prozentigen) Bevölkerungsrückgang zu rechnen (durchgehende Linie der Abbildung 2). 4 Anmerkung: Die Tabelle in Farben finden Sie im Anhang. 6
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Städte und Zentralräume wachsen, ländliche Regionen stagnieren oder schrumpfen Unterscheidet man ferner nach ländlichen und städtischen Bezirken5 werden weitere Entwickl- ungen sichtbar: Neben den wachsenden Städten wird vor allem in peripheren Gebieten die Be- völkerungszahl sinken. • So zeigen die Prognosen, dass die Zahl der unter 15-Jährigen in den ländlichen Bezirken um rund 12 Prozent (2001 bis 2031) abnehmen, während sie gleichzeitig in städtischen Bezirken um 11 Prozent (2001 bis 2031) wachsen wird. • Beinahe ident wie die Entwicklung der unter 15-Jährigen ist diese der 15-19-Jährigen. • Auch der Bevölkerungsteil der 20-64-Jährigen geht in den ländlichen Bezirken leicht zurück, während die städtischen Bezirke bei den Personen im erwerbsfähigen Alter leichte Zuwächse verzeichnen werden. • Entwickeln sich die 65-84-Jährigen in den hier unterschiedenen Raumkategorien noch annä- hernd gleich, kommt es wiederum bei den über 85-Jährigen zu einer überdurchschnittlichen Zunahme in den ländlichen Bezirken. Tabelle 1: Entwicklung nach Altersgruppen – Stadt/Land Absolutwerte Indexwerte (2001=100) 2001 2006 2011 2016 2021 2026 2031 2006 2011 2016 2021 2026 2031 Enwicklung der unter 15-Jährigen ländliche Bezirke 793.799 737.572 676.329 652.688 646.480 643.893 629.523 93 85 82 81 81 79 städtische Bezirke 569.195 577.122 580.989 599.193 615.775 629.226 636.401 101 102 105 108 111 112 Entwicklung der 15-19-Jährigen ländliche Bezirke 282.437 280.950 278.440 244.009 229.090 223.250 223.402 99 99 86 81 79 79 städtische Bezirke 201.187 214.369 221.540 209.935 212.352 215.380 220.980 107 110 104 106 107 110 Entwicklung der 20-64-Jährigen ländliche Bezirke 2.624.987 2.649.807 2.696.947 2.709.790 2.678.597 2.596.732 2.487.841 101 103 103 102 99 95 städtische Bezirke 2.337.959 2.438.179 2.514.892 2.571.506 2.599.527 2.588.256 2.550.114 104 108 110 111 111 109 Entwicklung der 65-84-Jährigen ländliche Bezirke 606.394 681.136 692.071 736.267 796.865 873.981 993.870 112 114 121 131 144 164 städtische Bezirke 496.717 550.798 588.454 640.565 692.722 742.835 817.937 111 118 129 139 150 165 Entwicklung der über 85-Jährigen ländliche Bezirke 68.994 72.538 98.857 114.392 119.697 148.904 157.891 105 143 166 173 216 229 städtische Bezirke 72.015 71.313 89.643 94.132 91.851 119.467 139.739 99 124 131 128 166 194 Gesamtentwicklung ländliche Bezirke 4.356.159 4.402.693 4.424.403 4.439.033 4.452.212 4.467.835 4.480.994 101 102 102 102 103 103 städtische Bezirke 3.686.887 3.860.286 4.002.915 4.122.318 4.219.349 4.302.417 4.372.447 105 109 112 114 117 119 Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006 Ein Erklärungsansatz für diese Unterschiede ist, dass gerade die Jugend und die erwerbsfähige Bevölkerung tendenziell in die Städte zieht, während viele ältere Menschen in den ländlichen Gebieten verbleiben. Kontinuierlicher Geburtenrückgang und Stabilisierung auf niedrigem Niveau Seit vielen Jahren sinkt die Geburtenrate in Österreich. Bekam im Jahr 1964 noch jede Frau in Österreich durchschnittlich 2,8 Kinder, liegt der Wert österreichweit gegenwärtig bei rund 1,4 Kindern je Frau. Die Geburtenrate wird jedoch längerfristig wieder leicht steigen6. Eine wesentli- 5 Als städtische Bezirke wurden hier herangezogen: Landeshauptstädte und Umlandbezirke sowie Bezirke mit einer Bezirks- hauptstadt über 30.000 EW: Bregenz, Dornbirn, Eisenstadt (Stadt u. Umg.), Graz (Stadt) , Graz-Umgebung, Innsbruck- Land, Innsbruck-Stadt, Klagenfurt (Stadt) , Klagenfurt Land, Linz(Stadt) , Linz-Land, Salzburg (Stadt), Salzburg-Umgebung, Sankt Pölten (Land), Sankt Pölten (Stadt), Steyr(Stadt), Urfahr-Umgebung, Villach (Stadt), Wels(Stadt), Wien, Wien Umge- bung, Wiener Neustadt (Stadt) 6 Als Grund für das leichte Ansteigen der Fertilität werden von der Statistik Austria die Migrantinnen genannt, welche die geringe Kinderzahl österreichischer Frauen kompensieren. 7
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 che Annahme der Bevölkerungsprognosen ist, dass sich die jährliche Zahl der Geburten zwi- schen 75.000 und 80.000 stabilisiert und die Anzahl der Kinder und Jugendlichen – ausgehend vom Stand 2005 – bis zum Jahr 2030 nur mehr leicht zurückgehen wird. Abbildung 3: Geburten- und Sterbefälle 1951-2031 Lebendgeborene und Gestorbene 1961-2004 Lebend- Ge- Geburtenüber- 140.000 Jahr schuss, - geborene storbene abgang (-) 1950 107.854 85.710 22.144 130.000 Geburten/Sterbefälle absolut 1955 108.575 84.995 23.580 Lebendgeborene 1960 125.945 89.603 36.342 120.000 1965 129.924 94.273 35.651 1970 112.301 98.819 13.482 110.000 1975 93.757 96.041 -2.284 1980 90.872 92.442 -1.570 1985 87.440 89.578 -2.138 100.000 1990 90.454 82.952 7.502 1995 88.669 81.171 7.498 90.000 2000 78.268 76.780 1.488 2005 76.820 74.958 1.862 Gestorbene 2010 76.864 76.015 849 80.000 2015 79.119 77.772 1.347 2020 80.141 78.929 1.212 70.000 2025 79.480 80.534 -1.054 2030 78.614 83.541 -4.927 1961 1964 1967 1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2040 76.720 89.033 -12.313 2050 77.139 96.653 -19.514 Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006 Als Gründe für den zurückliegenden starken Geburtenrückgang und die insgesamt sehr niedrige Fertilitätsrate werden in der Fachdiskussion häufig die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen, eine schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf, veränderte Lebensinhalte und die bessere Geburtenkontrolle genannt. 7 Starke Zunahme der über 60-Jährigen Die Zahl der über 60-Jährigen steigt im gesamten österreichischen Bundesgebiet an. Im Jahr 2005 waren rund 1,8 Mio. Personen über 60 Jahre alt, im Jahr 2030 werden es 2,7 Mio. sein. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag im Jahr 2004 bei 76,4 Jahren bei den Männern und 82,1 Jahren bei den Frauen. Im Jahr 2030 hingegen wird sich die Lebenserwartung bei den Männern auf 81,3 und bei den Frauen auf 86,4 Jahre erhöhen. Langfristig werden sich – so die Erwartungen der Statistik Austria – die geschlechtsspezifischen und die regionalen Unterschiede bei der Lebenserwartung verringern. 7 vgl. dazu Bayerischer Städtetag (2005); BMSGK (2001); BMSGK (2004); Textor (2000); Schipfer (2005). 8
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Abbildung 4: Lebenserwartung 2004 – 2040 Lebenserwartung bei der Geburt 90,0 Frauen Lebenserwartung Jahr bei der Geburt 85,0 Lebensjahre Männer Frauen 80,0 2005 76,7 82,5 Männer 2010 77,7 83,3 75,0 2015 78,6 84,2 2020 79,6 84,9 70,0 2025 80,4 85,7 2030 81,3 86,4 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2040 82,8 87,7 2050 84,3 89,0 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.01) Gründe für das Ansteigen der durchschnittlichen Lebenserwartung für Menschen in Österreich liegen vor allem in der besseren medizinischen Versorgung und in einem „gesünderen“, zumin- dest weniger belastendem Leben. Zuwanderungsgewinne kompensieren den Geburtenrückgang Ein ganz wesentliches Element der zurückliegenden und zukünftigen Bevölkerungsentwicklung in Österreich sind Wanderungsbewegungen, wobei hier vor allem Zuwanderungen aus dem Aus- land entscheidend werden. So wird der in der Vergangenheit beobachtbare Zuwanderungsge- winn (Saldo aus Zu- und Wegzügen; Wert 2004 = 50.600 Personen) aus dem Ausland auch für die zukünftige Bevölkerungsentwicklung in Österreich maßgeblich sein. Abbildung 5: Geburten- und Wanderungsbilanzen nach Bundesländern – 2007-2011 Bevölkerungsentwicklung 2007-2011 4 3 Ausgangsbevölkerung 2 in Prozent der Bevölkerungsveränderung 1 absolut 0 Bevöl- Wan- Geburten- kerungs- derungs- -1 bilanz bilanz bilanz -2 2002-2006 216.148 10.161 191.674 2007-2011 160.784 5.395 155.389 -3 2012-2016 131.418 6.241 125.177 Ö Bgld Knt NÖ OÖ Slb Stmk Tirol Vbg Wien 2017-2021 108.310 6.359 101.951 Bevölkerungsveränderung insgesamt Geburtenbilanz Wanderungsbilanz 2022-2026 97.668 -2.432 100.100 2027-2031 81.222 -20.992 102.214 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006, Tabelle Bevänd.) Ausgehend von einem Zuwanderungshöchststand im Jahr 2004 (rund 127.000 Zuwanderer aus dem Ausland) gehen die neuen Berechnungen zwar von einer leicht sinkenden, aber gegenüber früheren Prognosen deutlich höheren Zuwanderung aus, die dann bis zum Jahr 2020 auf jährlich etwa 100.000 Personen zurückgeht. Die bereits beschriebene wachsende Gesamtbevölkerung in 9
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Österreich basiert somit in erster Linie auf einer kontinuierlich hohen Zuwanderung aus dem Ausland. Als Gründe für die hohen Zuwanderungsraten werden von der Statistik Austria folgende genannt: • die wachsende Verflechtung mit den bisherigen und neuen EU-Ländern, • bestehende Ansprüche auf Familiennachzüge infolge von Einbürgerungen sowie • auch in Zukunft hohe Flüchtlingszahlen. Tabelle 2: Internationale Zuwanderung nach Bundesländern – absolut pro Jahr Internationale Zuwanderung, absolut Ö Bgld Knt NÖ OÖ Slb Stmk Tirol Vbg Wien 2005 115.000 1.840 4.370 13.915 14.145 7.820 10.925 9.775 5.635 46.575 2010 110.000 1.760 4.180 13.310 13.530 7.480 10.450 9.350 5.390 44.550 2015 105.000 1.680 3.990 12.705 12.915 7.140 9.975 8.925 5.145 42.525 2020 100.000 1.600 3.800 12.100 12.300 6.800 9.500 8.500 4.900 40.500 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006) Innerhalb Österreichs wird erwartet, dass sich sowohl die Binnenwanderungsströme als auch die Zuwanderung aus dem Ausland vor allem auf die städtischen Regionen konzentrieren und dort zu Bevölkerungswachstum führen. Insbesondere für den Großraum Wien ist mit einer hohen Zuwanderung aus dem Ausland zu rechnen. Unterschiedliche regionale Entwicklungen bedingen unterschiedliche kommunale Heraus- forderungen Die oben gezeigten demographischen Entwicklungen werden regional sehr unterschiedliche Konsequenzen haben und die Gemeinden jeweils vor unterschiedliche Herausforderungen stel- len: So ist zu erwarten, dass sich in Folge der demographischen Veränderungen die Nachfrage nach altersspezifischen Leistungen der Städte und Gemeinden verändert und jeweils individuelle Anpassungsmaßnahmen erforderlich werden. Im Falle des Bevölkerungsrückgangs könnten lokale und regionale Infrastruktureinrichtungen bereits innerhalb ihrer normalen Lebensdauer von immer weniger Menschen genutzt werden, wodurch ihre Wirtschaftlichkeit sinkt. Dort, wo die höchsten Rückgänge zu erwarten sind, werden u.U. auch Angebote gänzlich infrage gestellt werden müssen. Öffentliche Leistungen werden in den Regionen mit großen Bevölkerungsverlusten teurer. Weil sich die Schrumpfungsprozesse sehr stark auf ländliche Regionen konzentrieren, werden diese Regionen vermutlich von einem schrittweisen Rück-/ Umbau von Infrastruktur betroffen sein. Demgegenüber ist zu erwarten, dass insbesondere die noch weiter wachsenden städtischen Räume gleich in zweifacher Hinsicht herausgefordert werden: Neuer Investitionsbedarf als Folge des Bevölkerungswachstums und zusätzliche Aufgaben zur Integration einer wachsenden Zahl an ZuwanderInnen aus dem Ausland. Die genannten Veränderungsprozesse werden somit die Anpassungsfähigkeit des öster- reichischen Städtesystems durch die gegensätzlichen Verläufe dieser Entwicklungen erheblich herausfordern. 10
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 2 Demographische und gesellschaftliche Entwicklungen im SeniorInnenbereich 2.1 Demographische Entwicklungen bei SeniorInnen Starkes Wachstum bei den Alten und Ältesten Die Zahl und der Anteil der über 60-Jährigen ist – wie in Abbildung 7 erkennbar – in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Auch in Zukunft wird die Zahl der über 60-Jährigen weiter zunehmen. Im Jahr 2005 waren rund 1,8 Mio. ÖsterreicherInnen über 60 Jahre alt, im Jahr 2030 werden es 2,7 Mio. Personen sein. Allein bis zum Jahr 2010 beträgt der Zuwachs 6,6 Prozent, bis 2020 bereits 22,5 Prozent. Dabei sind vor allem die Altersgruppen von 85 Jahren und darüber von starken Zuwächsen geprägt – bis 2030 wird sich deren Zahl verdoppeln. Abbildung 6: Entwicklung der über 60-Jährigen bis 2050 Bevölkerungsentwicklung der über 60-Jährigen 3.500 3.000 95+ Bevölkerung in Tausend 2.500 90-94 2.000 85-89 80-84 1.500 75-79 70-74 1.000 65-69 500 60-64 0 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2050 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.05) Abbildung 7: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen 1990-2030 Alter 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 60-64 399.030 365.580 415.559 468.852 461.671 475.315 556.150 632.099 629.118 65-69 391.861 368.305 339.695 392.995 441.775 437.352 451.756 529.504 603.127 70-74 224.318 345.783 328.442 308.447 358.663 404.600 403.946 419.736 494.358 75-79 256.039 182.544 288.938 279.809 264.494 312.463 354.409 358.668 376.160 80-84 170.983 179.042 134.139 219.608 214.241 206.197 250.058 285.568 295.311 85-89 78.169 93.531 102.097 82.443 135.895 135.679 133.966 169.551 194.687 90-94 21.553 27.583 35.690 42.081 35.831 60.194 61.841 63.053 84.914 95+ 3.689 5.660 6.839 9.131 10.009 9.609 15.628 17.007 17.967 Insgesamt 1.545.642 1.568.028 1.651.399 1.803.366 1.922.579 2.041.409 2.227.754 2.475.186 2.695.642 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.05 und 8.03) 11
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Regional unterschiedliche Entwicklungen Innerhalb der Bundesländer ist die Entwicklung unterschiedlich, wenngleich in sämtlichen Bun- desländern ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen ist. Insbesondere in Gebieten, in welchen in der Vergangenheit – aber auch der näheren Zukunft – starke Bevölkerungszunahmen bestehen, kommt es in kurzer Zeit zu starken Zuwächsen der älteren Bevölkerung. In den Regionen, welche schon bisher von Abwanderung und Bevölkerungsrückgang geprägt waren, wird die Zahl der älteren Menschen nur mehr vergleichsweise schwach ansteigen. Dies bedeutet besonders hohe Zunahmen für Salzburg sowie Tirol mit dem Index 166 im Jahr 2031 und Vorarlberg mit Index 170. Eine gemäßigtere Zunahme hingegen findet sich in Kärnten (Index 149), der Steiermark (Index 144), im Burgenland (Index 146) und in Wien (Index 134). Im Mittelfeld bewegen sich Oberösterreich mit Index 157 und Niederösterreich mit Index 149. Abbildung 8: Entwicklung der über 60-Jährigen nach Bundesländern – Indexwerte Indexentwicklung der über 60-Jährigen 180 170 Vorarl- berg Tiro l 160 Salz- burg 150 Ober- österreich Nieder- 140 österreich Öster- reich 130 B urgen- land 120 Kärnten Steier- 110 mark Wien 100 2005 2010 2015 2020 2025 2030 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.06) Nachfolgende Grafik zeigt, dass insbesondere die Stadt-Umlandregionen stark zunehmen wer- den. Relativ hohe Zunahmen wird es bereits in relativ kurzer Zeit (bis 2015) in den Regionen mit derzeit starker Binnen- und Außenzuwanderung geben – dies sind: Pinzgau-Pongau, Bludenz- Bregenzer-Wald, Rheintal-Bodensee, sowie Tiroler Oberland und Tiroler Unterland mit zwischen 22 und 24 Prozent Zunahme. Weniger stark betroffen sind Regionen, welche derzeit oder in den letzten Jahrzehnten von starker Abwanderung betroffen waren. Dies sind beispielsweise die östliche Obersteiermark (plus 2 Prozent), das Waldviertel, das Mittelburgenland (5 Prozent) und die westliche Obersteiermark (plus 7 Prozent).8 8 „NUTS" ist die Abkürzung für „Nomenclature des unites territoriales statistiques", zu deutsch „Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik". Es handelt sich um eine allgemeine, hierarchisch aufgebaute, dreistufige territoriale Gliederung der EU- Staaten (NUTS 1,2,3), wobei die NUTS-Einheiten in der Regel aus einer Verwaltungseinheit oder einer Gruppierung mehre- rer Einheiten bestehen. Die NUTS-Gliederung dient sowohl statistischen Zwecken als auch – auf den Ebenen 2 und 3 – zur Beurteilung möglicher Regionalförderungen. In Österreich existieren 35 NUTS 3-Regionen; davon bestehen 26 aus einem oder mehreren Politischen Bezirken, 8 sind zusätzlich auch mittels Gerichtsbezirken abgegrenzt (2 davon mittels Teilen von GB).; nähere Infos: http://www.statistik.at/verzeichnis/nuts.shtml. 12
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Abbildung 9: Regionale Entwicklung der Altersgruppe der über 60-Jährigen 2004 – 2031 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006) Tabelle 3: Entwicklung der Bevölkerung über 60 Jahren nach NUTS 3-Regionen Bevölkerung über 60 Jahren, absolut Veränderung gegenüber 2005 NUTS III 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2010 2015 2020 2025 2030 Östliche Obersteiermark 48.003 48.423 49.119 51.105 54.127 56.319 1% 2% 6% 13% 17% Mittelburgenland 9.748 9.872 10.194 10.823 11.599 12.251 1% 5% 11% 19% 26% Waldviertel 55.541 56.613 58.435 62.060 67.596 72.264 2% 5% 12% 22% 30% Westliche Obersteiermark 26.235 26.920 28.023 30.349 32.992 34.954 3% 7% 16% 26% 33% Liezen 19.563 20.231 21.082 22.472 24.343 25.853 3% 8% 15% 24% 32% Weinviertel 30.342 31.429 33.054 35.593 39.153 42.171 4% 9% 17% 29% 39% Steyr-Kirchdorf 33.568 35.005 36.897 40.385 44.968 48.611 4% 10% 20% 34% 45% Mostviertel-Eisenwurzen 50.908 53.149 56.682 62.818 71.075 78.363 4% 11% 23% 40% 54% Osttirol 10.522 10.991 11.514 12.596 14.247 15.765 4% 9% 20% 35% 50% Südburgenland 24.123 25.227 26.694 28.900 31.554 33.873 5% 11% 20% 31% 40% Wien 361.417 379.416 391.041 414.724 451.027 485.076 5% 8% 15% 25% 34% Oststeiermark 57.665 60.571 64.729 71.913 80.980 88.861 5% 12% 25% 40% 54% Innviertel 56.497 59.472 63.660 70.593 79.979 88.145 5% 13% 25% 42% 56% Oberkärnten 30.221 31.825 33.780 36.817 40.604 43.663 5% 12% 22% 34% 44% Unterkärnten 36.068 38.057 40.461 44.448 49.019 52.569 6% 12% 23% 36% 46% Mühlviertel 38.649 40.911 44.552 50.331 57.884 64.251 6% 15% 30% 50% 66% Sankt Pölten 32.906 34.850 37.043 40.489 45.358 49.764 6% 13% 23% 38% 51% Graz 83.374 88.314 93.640 103.077 115.453 126.980 6% 12% 24% 38% 52% Niederösterreich-Süd 59.114 62.841 66.297 71.434 78.855 86.077 6% 12% 21% 33% 46% Traunviertel 48.934 52.099 55.664 61.329 68.832 75.306 6% 14% 25% 41% 54% Nordburgenland 33.976 36.199 39.274 43.580 48.690 53.143 7% 16% 28% 43% 56% Lungau 4.411 4.717 5.096 5.696 6.325 6.820 7% 16% 29% 43% 55% West- und Südsteiermark 42.032 45.003 48.021 53.058 59.174 64.521 7% 14% 26% 41% 54% Klagenfurt-Villach 63.379 68.199 73.255 80.794 89.687 97.136 8% 16% 27% 42% 53% Linz-Wels 115.342 124.310 133.979 148.458 166.697 182.727 8% 16% 29% 45% 58% Wiener Umland-Nord 64.900 70.935 76.360 84.382 94.962 104.577 9% 18% 30% 46% 61% Wiener Umland-Süd 70.262 77.410 82.539 89.651 99.987 110.068 10% 17% 28% 42% 57% Innsbruck 57.433 63.692 68.817 75.842 84.977 93.563 11% 20% 32% 48% 63% Außerfern 6.506 7.229 7.855 8.600 9.448 10.168 11% 21% 32% 45% 56% Pinzgau-Pongau 31.283 34.777 38.468 43.202 48.836 54.127 11% 23% 38% 56% 73% Salzburg und Umgebung 70.240 78.101 85.182 94.072 105.190 115.020 11% 21% 34% 50% 64% Tiroler Oberland 17.514 19.475 21.463 24.060 27.327 30.199 11% 23% 37% 56% 72% Tiroler Unterland 45.466 50.713 55.504 62.055 70.746 78.412 12% 22% 36% 56% 72% Bludenz-Bregenzer Wald 33.588 37.527 41.193 45.749 51.429 56.672 12% 23% 36% 53% 69% Rheintal-Bodensee 33.636 38.076 41.842 46.299 52.066 57.373 13% 24% 38% 55% 71% Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006) In den gesonderten Bezirksprognose-Papieren befinden sich genauere Auskünfte über die Entwicklung der SeniorInnen für die einzelnen Bezirke. 13
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 2.2 Gesellschaftliche Entwicklungen Entstehung eines „dritten“ und „vierten“ Lebensabschnittes – Trennung in „Alte und Ältere“ Zwischen dem Ende der Berufstätigkeit und etwa dem 75. Lebensjahr entsteht ein „dritter“ Le- bensabschnitt. Daran anschließend hat sich aufgrund der Verbesserung der Lebensverhältnisse und des medizinischen Fortschritts der so genannte „vierte“ Lebensabschnitt herausgebildet. Die Bevölkerung über 75 Jahre ist jene Altersgruppe, welche vorrangig Hilfs- und insbesondere Pflegeleistungen in Anspruch nimmt. Nach der Pensionierung besteht daher noch eine Lebenszeit, die etwa einem Drittel bis zur Hälfte des Arbeitslebens entspricht. Es entstehen neue Aktivitätsspielräume, Handlungschancen und Entwicklungsmöglichkeiten, was auch tiefgreifende sozialpolitische und ökonomische Konse- quenzen zur Folge hat.9 Zunahme von Ein- und Zwei-Personenhaushalten – Verringerung des familiären Pflegepo- tenzials und neue Anforderungen an die Infrastruktur Derzeit ist eine zunehmende Singularisierung erkennbar – die Zahl der Ein- und Zweipersonen- haushalte nimmt auf Kosten der Mehrpersonenhaushalte zu. Durch veränderte Familien- und Haushaltsstrukturen wird jedoch nicht nur die Kinderbetreuung und -erziehung erschwert, son- dern es wird auch eine wachsende Zahl alter Menschen im Falle der Hilfs- und Pflegebedürftig- keit immer stärker von institutionalisierter Hilfe durch soziale Dienste abhängig. Menschen in Kleinfamilien oder Menschen, die alleine leben, sind allein auf außerfamiliäre Unterstützung, soziale Dienste und Einrichtungen angewiesen (aufgrund des reduzierten familiären Pflegepoten- tials). Die Abnahme der Haushaltsgröße reduziert die Wahrscheinlichkeit, im Falle der Pflegebe- dürftigkeit zu Hause verbleiben zu können. Doch die Zahl und Größe der Haushalte hat auch Auswirkungen auf den Bedarf an Wohnungen und bestimmten Wohnungsgrößen, auf den Energieverbrauch, auf die Wasserversorgung, Ab- wasser- und Müllbeseitigung, auf die Höhe der Konsumnachfrage, auf die Ausprägung und die Standorte haushaltsbezogener Dienstleistungen, auf die Naherholungsmöglichkeiten und die Art und den Umfang der Verkehrspartizipation. Dies sind alles Bereiche, welche derzeit den demo- graphischen Entwicklungen gemäß angepasst werden müssen – insbesondere der stark steigen- de Anteil der SeniorInnen stellt hierbei eine Herausforderung dar. Besondere Bedeutung kommt der Entwicklung der Haushalte hinsichtlich der Abschätzung des privaten Hilfs- und Pflegepotentials und der Organisation des Pflegewesens zu. Bei der Planung ambulanter Dienste (Hauskrankenpflege, Alten- und Pflegehilfe sowie Heimhilfe) darf daher nicht nur die Anzahl der alten Menschen betrachtet werden, sondern es ist auch die Entwicklung der Zahl der Einpersonen-Haushalte und Familienstrukturen entscheidend. 10 9 Dies sind etwa: Größe und Altersstruktur der erwerbsfähigen Bevölkerung, die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen, das Niveau und die Struktur der privaten Konsum- und Investitionsnachfrage, Auswirkungen auf das Pensionssystem oder auf die Gesundheits- und Sozialpolitik. vgl. Schreyer, Jörg (1999), S. 1 f. 10 vgl. Schreyer, Jörg (1999), S. 10. 14
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Mobilität der Personen und andere Faktoren führen zur Abnahme des familiären Pflegepo- tenzials Eng mit den Haushaltsstrukturen verbunden sind die Familienstrukturen. Österreichweit bestehen Wanderungsströme von der Peripherie in die größeren Städte bzw. von den Zentren in das Um- land – Verwandte leben daher in zunehmendem Maße räumlich getrennt und weit voneinander entfernt. Bei starker Abwanderung bleiben daher die Alten über, die Jungen ziehen in die Städte. Hinzu kommt, dass die zunehmende Mobilität, die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen, die Generationentrennung und die steigenden Scheidungsraten grundsätzlich zum Absinken der familiären Pflegeressourcen führen. Steigende Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen Im Alter steigt das Krankheitsrisiko, weshalb zukünftig mit einer zunehmenden Häufigkeit von Arztbesuchen, mit steigendem Medikamentenkonsum und mit einer Zunahme von Spitalsaufent- halten zu rechnen ist. Um zu verhindern, dass die Gesundheitskosten explodieren bedarf es verstärkt Aktionen, welche die Vorsorge und Prävention fördern sollen. Ein gesundes und aktives Altern steht im Mittelpunkt zur Sicherung der Lebensqualität wie auch der Finanzierung des Gesundheitssystems. Forcieren von mobilen, ambulanten und teilstationären Diensten Je nach Art der medizinischen Versorgung ergeben sich Kostenunterschiede. Während ambulan- te Behandlungen durch Hausärzte und durch mobile Pflegedienste erfolgen können, liegen die Kosten im stationären Bereich wesentlich höher. Deshalb wird in Zukunft eine Bevorzugung der Finanzierung von mobiler, ambulanter und teilstationärer Pflege gegenüber der stationären Pfle- ge eingefordert werden. Dadurch können und sollen ältere Menschen so lange wie möglich in der eigenen Wohnung verbleiben. Altern ist weiblich – und Frauen sind ärmer Da das Altern aufgrund der höheren Lebenserwartung der Frauen weiblich ist, entwickelt sich eine Altersgesellschaft mit zwei Dritteln Frauen. Bei den über 75jährigen entwickelt sich sogar eine Drei-Viertel-Frauengesellschaft. Das Risiko, den Lebenspartner zu verlieren, ist für Frauen ungleich größer als für Männer. Über alle Berufsgruppen hinweg liegen die Eigen-Pensionen der Frauen unter jenen der Männer – ihre Pensionen betragen nur etwa die Hälfte der Männerpensi- onen. Die Inanspruchnahme von ergänzenden Diensten (von einer hauswirtschaftlichen Unterstützung bis zum betreuten Wohnen) erfordert ein ausreichendes Einkommen bzw. Vermögen. 40 Prozent der Frauen haben jedoch keine eigene Pension, 15 Prozent der Frauen über 60 haben überhaupt keine Pension. Sie sind entweder zur Gänze vom Partner oder vom Sozialstaat abhängig.11 Vor allem Mütter haben eine niedrigere Pension, da sie einerseits zum Teil nur auf ein niedrigeres Aktiveinkommen im Berufsleben zurückgreifen können, und andererseits Lücken im Versiche- rungsverlauf (Kinderbetreuungszeiten) haben. Daher gilt, dass die Pension umso niedriger aus- fällt, je mehr Kinder eine Frau hat. 11 vgl. BMSG (2000), S. 91. 15
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Auch die Wohnsituation von Frauen ist schlechter. Ebenso die Ausstattung mit moderner Tech- nik. Fast die Hälfte der Pension wird von Frauen für Ernährung, Wohnen und Heizen sowie Be- leuchtung ausgegeben – da bleibt kaum Geld für Urlaub und Fernreisen.12 Dennoch sind nur 10 Prozent der älteren Menschen armutsgefährdet, nur 2 Prozent gelten wirk- lich als arm. Generell gilt, dass junge Leute stärker armutsgefährdet sind als ältere Menschen. Eigenfinanzierungskraft der älteren Bevölkerung wird tendenziell sinken Die steigende Lebenserwartung und das sich verschiebende Verhältnis von Erwerbstätigen zu den Pensionsbeziehern lassen erwarten, dass die Pensionseinkommen in den nächsten Jahren relativ geringer werden. Damit verbunden sind sinkende Eigenmittel zur Finanzierung von Betreuungsleistungen. Für die öffentlichen Haushalte kann dies zusätzliche Belastungen bedeu- ten, wenn nicht Gegenmaßnahmen wie ein flächendeckend umgesetzter Beitrag der Angehörigen oder eine solidarische Pflegeversicherung ergriffen werden. Differenzierung in der Anbieterstruktur Nachdem sich die Betreuungskosten mit den steigenden Qualitätsanforderungen erhöhen und die verfügbaren Mittel der Klienten damit nicht Schritt halten, gibt es seit einigen Jahren eine Differenzierung in der Anbieterstruktur zu beobachten. Einerseits drängen im ambulanten Betreuungsbereich verstärkt Anbieter aus den umliegenden Nachbarländern (insbesondere in Oberösterreich, Niederösterreich, Wien und Burgenland) mit Angeboten von Rund-um-die-Uhr- Betreuungen in den Markt, andererseits lässt sich in einigen Bundesländern ein Ausbau von Public-Private-Partnerships beobachten. Mit dem erstgenannten Trend kann auch eine Qualitäts- reduzierung in Form geringer qualifiziertem Personal sowie qualitativ anders gestalteter Betreu- ungsprozesse verbunden sein. Bei dem zweiten Trend zeigt sich die Bereitschaft privater Anbie- ter, dass diese verstärkt im Betreuungsbereich tätig werden. Waren im ambulanten Bereich schon bisher die Leistungserbringer in der Regel private Anbieter (primär aus dem Non-Profit- Bereich), so sind auch im stationären Bereich verstärkt Kooperationen der öffentlichen Hand mit privaten Trägern beobachtbar. Diese Differenzierung in der Anbieterstruktur bietet Chancen, wie beispielsweise die Nutzung von Kompetenzen und Kapazitäten und bringt damit auch weitere Effizienzsteigerungen, birgt jedoch auch Risiken in sich. Dazu zählen z.B. Qualitätsverluste. Die öffentliche Hand ist dabei verstärkt gefordert, einheitliche Qualitätsstandards zu definieren, die sowohl für die Klienten und deren Angehörigen als auch für die öffentlichen Haushalte finanzierbar sind. Zusammenfassend… …kann festgehalten werden, dass mit der Zunahme der Alten trotz längerer Gesundheit auch der Pflegebedarf steigen wird. Durch den weiteren Rückgang des familiären Pflegepotenzials wird dies noch zusätzlich verstärkt. Das Forcieren von mobilen, ambulanten und teilstationären Diens- ten kann eine Antwort sein. Die Ausdifferenzierung des Marktes kann dabei als Chance gesehen werden, den steigenden Bedarf in qualitativ ausreichendem Maße erfüllen und auch finanzieren zu können. 12 Frauen haben weniger PKWs (10 Prozent der Frauen, aber 42 Prozent der Männer besitzen einen PKW) und moderne technische Geräte; lediglich bei Herden und Telefonen sind Frauen besser ausgestattet. vgl. Schreyer, Jörg (1999), S. 1.; BMSG (2000), S. 42 und 91. 16
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 3 Herausforderungen der Städte im Bereich der SeniorInnenpolitik 3.1 Die Herausforderung annehmen: Handeln statt Abwarten! Städte befinden sich in einer zweifach schwierigen Situation: • Die verschiedenen Folgen der demographischen Entwicklung werden zwar in den Städten unmittelbar spürbar, • gleichzeitig sind aber die Möglichkeiten der Städte, die hier beschriebenen demographischen Entwicklungen direkt zu beeinflussen, sehr eingeschränkt: Die absehbaren Trends als Folge einer sehr geringen Geburtenrate und einer starken Alterung der Gesellschaft sind in ihrer Richtung durch die Städte kaum umkehrbar, wesentliche Richtungsentscheidungen – etwa über das Ausmaß der Zuwanderung werden demgegenüber in erster Linie durch den Bund, zukünftig vielleicht auch die EU – getroffen. Für Städte bedeutet dies, dass die Herausforderungen angenommen, die derzeitige Situation analysiert, die Chancen ergriffen und die Weichen für morgen bereits heute gestellt werden müssen. Die prognostizierten Entwicklungen stellen die Städte in Österreich vor sehr unterschiedliche Herausforderungen, sind doch die Folgen des demographischen Wandels sowohl im Umfang als auch in der Art regional sehr unterschiedlich. Vor allem zwischen den eher ländlichen und den städtischen Regionen sind die Unterschiede oft beträchtlich. Hier wie dort ist es zwingend notwendig, sich möglichst rasch auf die absehbaren Entwicklungen einzustellen, Handlungsfähigkeit zu bewahren und längerfristig ausgelegte – örtliche oder regio- nale – Strategien zu entwickeln. Beispielsweise wird verstärkt auf die Notwendigkeit hingewiesen, gemeindeübergreifende Konzepte zur langfristigen Sicherung der Pflegeinfrastrukturen zu erar- beiten – etwa im Bereich der Pflegeheime und beim Aus- und Aufbau von mobilen Angeboten. Hierzu bedarf es einer Situations-Analyse, welche gekoppelt mit den Prognosewerten eine mittel- bis langfristige Planung ermöglicht. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang sind die Auslas- tung der Einrichtung, der zukünftige Bedarf an Betreuungs- und Pflegeleistungen und das Aus- maß der Investitionen. Weiters ist zu prüfen, welche Möglichkeit alternative Betreuungs- und Pflegekonzepte bieten. 3.2 Verantwortung auf Bundes- und Länderebene 1993 wurde mit dem Bundespflegegeldgesetz ein abgestuftes, bedarfsorientiertes Pflegegeld eingeführt, auf das unabhängig von Einkommen und Vermögen sowie der Ursache der Pflegebe- dürftigkeit ein Rechtsanspruch besteht. Der Zweck des Pflegegeldes liegt darin, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert – abgestuft in sieben Pflegestufen – abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern. 17
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 Voraussetzungen für den Erhalt des Pflegegeldes sind:13 • ein ständiger Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) aufgrund einer körperlichen, geisti- gen oder psychischen Behinderung bzw. einer Sinnesbehinderung, der voraussichtlich min- destens 6 Monate andauern wird; • der ständige Pflegebedarf muss monatlich mehr als 50 Stunden betragen; • gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich (Ausnahme im EWR-Raum). Ergänzend zum Bundespflegegeld sichert das Landespflegegeld der einzelnen Länder das Pfle- gegeld für Personen, welche keinen Anspruch auf Bundespflegegeld haben. Die Länder verpflichteten sich im Rahmen der Pflegevorsorgevereinbarung mit dem Bund, für einen dezentralen und flächendeckenden Auf- und Ausbau der ambulanten, teilstationären und stationären sozialen Dienste unter Beachtung von Mindeststandards zu sorgen. Um das Pflege- angebot entsprechend langfristig planen zu können, werden von den Ländern Bedarfs- und Entwicklungspläne erstellt. Zusätzlich sind die Länder dafür verantwortlich, die angebotenen Dienste organisatorisch miteinander zu vernetzen sowie Information und Beratung sicherzustel- len. Der Bund verpflichtete sich weiters, eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Pflege- personen herbeizuführen. Derzeit gibt es in Österreich etwa 53.000 Pflegeplätze – deren Zahl wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Die Errichtung, die Erhaltung und der Betrieb der Pflegeheime sind in den einzel- nen Bundesländern unterschiedlich organisiert. Teilweise fällt dies in die Kompetenz des Landes, der Sozialhilfeverbände oder in die Zuständigkeit der Gemeinden. Weiters haben sich die Länder verpflichtet, Mindeststandards für Pflegeheime zu gewährleisten. Ambulante und teilstationäre Dienste als Alternativen zum Pflegeheim werden zu etwa 90 Pro- zent von freien Wohlfahrtsverbänden erbracht. Von 1999 bis 2003 ist die Inanspruchnahme der ambulanten Dienste um ca. 13 Prozent gestiegen. Das Angebot an ambulanten und teilstationä- ren Diensten weist allerdings regional starke Unterschiede auf. Neben dem wichtigen Aufgabenfeld der Pflegevorsorge gibt es jedoch noch weitere Aufgabenfel- der für eine SeniorInnenpolitik. Vom BMSG wurde im Jahr 2000 ein Bericht zur Lebenssituation älterer Menschen verfasst, welcher sich beispielsweise mit den Themen „Kultur des Alters und Altersbilder“, „Lebensformen, Kommunikation, Generationenverhältnis“, „Ältere Menschen in Politik und Gesellschaft“, „die materielle Lage der SeniorInnen“, „Die Wohnsituation älterer Men- schen“, „Gesundheit“ und vielem mehr befasst.14 13 vgl. BMSGK (2006), S. 8. 14 vgl. BMSG (2000). 18
Arbeitskreis 3 – Die älter werdende Stadt 23.05.06 3.3 Bundesweite Handlungsmöglichkeiten Viele Kommunen haben in den letzten Jahren auf die absehbaren demographischen Entwicklun- gen mit einem Bauboom bei Pflegeheimen reagiert. Darüber hinaus ist eine Reihe weiterer Maß- nahmen für das erfolgreiche Meistern der Situation notwendig. Insbesondere das Erstellen über- örtlicher und -regionaler Konzepte sowie die Finanzierung von Betreuungs- und Pflegeleistungen bedingen eine Zusammenarbeit der Gemeinden mit den Ländern und dem Bund. Es bedarf einer guten Verzahnung der auf den verschiedenen Ebenen angesiedelten seniorInnenpolitischen Programme und Maßnahmen. Was kann generell von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam getan werden? Hinsichtlich des Umgangs mit dieser Situation gibt es einige Ansatzpunkte:15 • Familiäre und private Pflegeressourcen absichern Insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist derzeit kaum möglich, würde jedoch wertvolle Pflegeressourcen freilegen. Ein anderes Thema ist die Frage nach dem Umgang mit dem so genannten „grauen“ Arbeitsmarkt – daher billigen, meist ausländischen Arbeitskräften, welche die Betreuung und Pflege alter Personen übernehmen. • Sicherung des Verbleibs in der eigenen Wohnung Durch alten- und pflegegerecht ausgestattete Wohnungen in Kombination mit ambulanten und mobilen Diensten wird es alten Menschen ermöglicht, so lange wie möglich in ihren Wohnun- gen zu verbleiben. Die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur (z.B. Nahversorgung, öffentliche Verkehrsmittel,…) ist für den Verbleib in der Wohnung ausschlaggebend, weshalb solche wohnungsnahen Angebote und Strukturen zu stärken sind. • Aktiv altern Der SeniorInnenbereich sollte nicht auf pflegebedürftige Menschen reduziert werden, sondern sämtliche SeniorInnen bedürfen einer entsprechenden Betreuung durch attraktive Freizeit- und Kulturangebote sowie durch entsprechende Gesundheitsleistungen. Besonders der Prä- vention und Vorsorge wird hier in Zukunft große Bedeutung zukommen. Ein weiteres Thema ist auch die Aktivierung älterer Personen für die Gesellschaft (z.B. Mitarbeit in gemeinnützigen Organisationen, etwa im Rahmen von Besuchsdiensten). Auch entsprechende Kommunikati- ons- und Kontaktmöglichkeiten erleichtern das Altern. • Durchgängige Pflegekette Eine durchgängige, transparente Betreuungs- und Pflegekette erhöht die Chancen, dass Klienten eine ihrem Bedarf entsprechende Leistung erhalten. Die einzelnen Stufen einer sol- chen Kette umfassen beispielsweise Prävention, informelle Hilfen, mobile, ambulante, teilsta- tionäre und stationäre Pflegeleistungen sowie eine entsprechende Wohnraumgestaltung. Der- zeit unterschiedliche bundesländerspezifische Gesetze, Verordnungen und Richtlinien er- schweren es jedoch, die Ressourcen zu bündeln und Abläufe zu standardisieren. 15 vgl. Bertelsmannstiftung (2006), S. 16 ff..; Schober u. Schober (2006), S. 11. 19
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