Die Würfel sind gefallen - Kommunalwahl 2009 - KOMMUNALPOLITIK 3/2009 - GAR NRW
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Grüne/Alternative in den Räten NRW e.V. · Jahrgang 13 · Heft 3 · Juli–September · ISSN 1616-4806 KOMMUNALPOLITIK 3/2009 Kommunalwahl 2009 gefallen Die Würfel sind
Liebe Leserinnen und Leser, inhalt GAR aktuell Europawahl, Kommunalwahl, Bundestagswahl und die Landtagswahl im Anflug, da ist es ist nicht Über den Wolken…............................................................... 3 immer leicht den Bodenkontakt zu halten. personalia Aber – auch weil Höhenflüge nun mal so schön sind – bleibt unser Fokus bei den Kommunalwahlen in Vertrauen geschaffen, Mensch geblieben!................................ 5 NRW, wo am 30. August 2009 die Würfel für die nächsten fünf Jahre gefallen sind. Zwölfkommanull- service/info prozent im Landesdurchschnitt lautet das bislang beste Ergebnis für grüne KommunalpolitikerInnen Den kreisangehörigen Raum vertreten .................................... 6 aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland der Republik. In dieser Ausgabe genießen wir einmal Forum das grüne Spektrum meist positiver Nachrichten aus dem Lande. Denn die grünen Kommunalos Kommunalwahl 2009. Die Würfel sind gefallen ....................... 7 haben einiges eingefahren: Grün wächst – in Stadt und Land............................................. 8 Grüne sind dritte Kraft im Lande. Repräsentanz von Frauen in den Kommunalparlamenten ...... 12 Der Chef im Rat als Diplomat ............................................... 14 Es gibt Hochprozentiges aus den Metropolen und dem ländlichen Raum. OB-Wahl ohne Stichwahl ....................................................... 16 Direktmandate voilà, für Grüne eigentlich schwer zu holen, ist bei dieser Wahl so mancher Coup Jetzt bloß nicht jeck werden.................................................. 17 geglückt. Lohmar 2015 – Sie haben die Wahl!..................................... 18 Gelsenkirchen kann es besser................................................ 19 Im Detail birgt der Blick nach Telgte besonderen Charme, der zeigt, wie nah Glück und Pech beieinander Beerenstark für Paderborn ................................................... 20 liegen können. Machen wir also Stippvisite in einer beschaulichen Stadt mit 20.000 Einwohnern, im Wie hast du das gemacht Irmingard?..................................... 21 ländlichen Raum unweit von Münster. Neunundzwanzigkommazweiprozent lautet das fulminante Das gallische Dorf im Kreis Borken........................................ 22 Ergebnis, das die grüne Fraktion unter dem Wahlkampfmotto „Das Beste für Telgte“ erringen konnte. Das Beste für Telgte.............................................................. 23 Das ist das zweitgrünste Ergebnis in NRW – ein Stimmenplus von Dreizehnkommaacht-Prozent für politik qualifiziert zweifellos überzeugende Arbeit vor Ort. Ein Grund zum Jubeln also, wenn nicht, ja wenn da nicht Rat für den Auftakt im Rat.................................................... 24 der Inhalt einer Briefwahlurne verschwunden wäre. Versehentlich wurde eine Urne der Europawahl Aktiv im Aufsichtsrat............................................................. 26 zugeordnet und vor der Neubenutzung geschreddert. Nun gibt es eine zweite Chance im Dezember, service/info dann stehen Wiederwahlen an. „Factory-Outlet-Center“ erfolgreich ....................................... 29 Bürger gegen Nationalpark Siebengebirge ........................... 29 Noch viel mehr über grünes Engagement, glückliche Stunden und gelegentliches Pech aus vielen anderen Kommunen im Lande wird diese Ausgabe bieten. rezension Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen (LG) ......................... 30 Wir wünschen anregende Lektüre und einen starken Auftakt im Rat! Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen 30 Dunja Briese GARnet -Redaktion- Umweltportale für Neueinsteiger .......................................... 31 impressum Forum Kommunalpolitik erscheint viermal im Jahr und wird an die Mitglieder der GAR NRW kostenlos Layout: Birgit Beckmann-Engelmann, abgegeben. Der Abonnentenpreis für Nicht-Mitglieder beträgt 18,40 € inklusive Versandkosten. Der Roland Lang Einzelpreis beträgt 5 €. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung Titelfoto: Susann Städter(PhotoSuse) / photocase der GAR NRW wieder. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge in gekürzter Form abzudrucken. Fotos: complize | m.martins / photocase (S.7) Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung der Redaktion und unter Quellenangabe Roland Lang gestattet. Druck: TIAMATdruck GmbH, Düsseldorf Herausgeber: GAR NRW, Grüne/Alternative in den Räten NRW ISSN: 1616-4806 Jahnstr. 52 · 40215 Düsseldorf · Fon: 0211–38476–0 E-mail: info@gar-nrw.de · Web: www.gar-nrw.de Nächsten Ausgabe: „Perspektiven Grüner Ratsarbeit“ Redaktion, V.i.S.d.P: Dunja Briese, Fon: 0211–38476–16, briese@gar-nrw.de Redaktionelle Mitarbeit: Volker Wilke, Gönül Eglence Redaktionsschluss: 07. Dezember 2009 Anzeigen: Dunja Briese 2 2/08
GAR aktuell Hochprozentiges zur Kommunalwahl Über den Wolken ... Der grüne Höhenflug, der 2008 in Bayern startete in diesen NRW-Kommunen erstmals die Kölner und im Juli 2009 über Baden-Württemberg seine überschritten. Mit 21,7% sind sie die kommunale bislang höchste Flughöhe erreicht hatte, hielt auch Hochburg der Grünen – und liegen nur 6,3 Prozent- in NRW an. Am 30. August wurde mit 12,0% das punkte hinter der SPD. Statt drei haben die Kölner bislang beste Ergebnis bei Kommunalwahlen im jetzt stolze elf Direktmandate geholt. Vor allem in bevölkerungsreichsten Bundesland erreicht – und der Innenstadt liegen die grünen Hochburgen, alle die 2004er-Messlatte lag mit 10,4% schon hoch. sechs Wahlkreise sind grün. Das gleiche Bild in In NRW hatten gut 14 Mio. BürgerInnen die den Bezirksvertretungen: stärkste Fraktion in der Wahl, in 23 kreisfreien Städten, 31 Kreisen und BV Köln-Innenstadt (37,7%), Gleichstand mit der 373 kreisangehörige Gemeinden. 52,3% und da- SPD (30%) in Ehrenfeld (28,4%). mit 7,3 Mio. Menschen kamen ihrem Wahlrecht Knapp unter 20% blieben Münster (19,4%) und nach; das ist im Vergleich zu 2004 ein leichter Aachen (19,0%), gefolgt von Bonn (18,6%) und Rückgang von 2,1 Prozentpunkten. Erhebliche Bielefeld 17,2%. Die Münsteraner und Aachener Verluste mussten die etablierten „Volksparteien“ holten je ein Direktmandat, die Bonner und Bie- hinnehmen. Die CDU rutschte mit 38,6% unter die lefelder sogar jeweils vier. Deutliche Zugewinne 40%-Marge und verlor ca. 400.000 WählerInnen. gab es in Dortmund – der ehemaligen Herzkammer Auch die SPD sank mit 29,4% unter 30% und büßte der SPD. Das Plus von vier Punkten auf 15,4% 180.000 WählerInnen ein. Die Linke blieb mit 4,4% zeigt, dass sie sich in der fünfjährigen rot-grünen hinter den eigenen Erwartungen zurück. In nur elf Koalition profilieren konnten. Eine zweistellige von 23 Großstädten und drei von 31 Kreisen er- Überraschung gibt es auch am Fernuniversitäts- reichte sie mehr als 5%. Landesweit abgeschlagen standort Hagen mit einem Zugewinn von 4,5 verblieben die klassischen rechten Gruppierungen Prozentpunkten. Gleiches gilt für die im tiefen REP mit 16.900, NPD mit 24,700 und DVU mit Ruhrpott werkelnden Oberhausener Grünen, sie 3.100 Stimmen. haben 2,8 Punkte mehr eingefahren. Außerdem kippte dort die 45-jährige absolute SPD-Mehrheit. Deutliche Zuwächse gibt es auch in Wuppertal (+3 Grüne sind dritte Kraft und ein Direktmandat) sowie in der Messer- und Bündnis 90/Die Grünen wollten dritte Kraft in Klingenstadt Solingen (+3,8). NRW bleiben. Dieses zentrale Wahlziel wurde Während die Essener aus einer schwarz-grünen klar und deutlich erreicht: Verglichen mit 2004 Koalition ein leichtes Plus von 0,6 Punkten ver- votierten 100.000 Menschen mehr für die Partei. zeichnen, mussten die gleichfarbigen KollegInnen Damit liegen die Grünen 550.000 Stimmen vor den aus der Montanstadt Duisburg mit einem Minus Linken und 200.000 Stimmen vor der FDP. Dass von 1,5 den höchsten Landesverlust hinnehmen. jede einzelne zählt, verdeutlicht der Kohlekraft- Darüber hinaus verloren nur noch Remscheid (-0,8) werksstandort Lünen – nur drei Stimmen fehlten und Gelsenkirchen (-0,4). dort für ein grünes Direktmandat. In Oberhausen verloren die Grünen nach amtlicher Schlussaus- Kreisangehörige holen auf zählung ihr siebtes Listenmandat – mangels fünf Stimmen. Nach dieser Wahl gibt es deutlich mehr Die Top Ten im Ranking der grünen Hochburgen grüne Kommunalis. In den Räten der Großstädte sind kreisfreie Städte. Aber die Speckgürtel und erhöhte sich die Zahl der Mandate von 176 auf Agglomerationsräume folgen dicht: auf Platz 11 der 217, in den Kreistagen von 169 auf 197 und in den Rhein-Sieg-Kreis (13,6%) im Kölner Großraum, kreisangehörigen Gemeinden von 921 auf 1.127: gefolgt vom Kreis Mettmann im Raum Düsseldorf, Insgesamt also stolze 1.539 Sitze. danach Solingen. Der Rheinisch-Bergische-Kreis und der Ennepe-Ruhr-Kreis landeten noch vor der Hochprozentiges aus Universitätsstadt Bochum. Hohe Gewinne gab es im Kreis Gütersloh (+2,8). In den Großstädten sind den kreisfreien Städten die Zuwächse zwar höher, doch der ländliche Raum In 17 kreisfreien Städten wurden zweistellige hält Anschluss. In keiner Großstadt und keinem Ergebnisse erzielt. Die magischen 20% haben Kreis blieben die Grünen unter 6%. 2/08 3
GAR aktuell Überraschungen und Glück durch Los (20), FDP (9), Linke (4) – noch die rechtslastige pro Köln (5), das Kölner Bürgerbündnis sowie die Es gibt sie, die grünen Hochburgen auf dem Land. alternativen „Deine Freunde“ mit jeweils einem Unweit von Münster im beschaulich tiefschwar- Mandat. Den letzteren genügten 0,78%, um ins zen Telgte (20.000 Einwohner) holten die Grünen Rathaus zu kommen. Dennoch gibt es in Köln mit 29,2% und vier Direktmandate, eines mit 48,8%. der Stimme von OB Roters eine knappe Mehrheit Mit neun Mandaten sind sie zweitstärkste Kraft von Rot-Grün. vor der SPD (5) und nach der CDU (13) – wenn, Oder Duisburg: Hier setzt sich der Rat aus ja wenn da nicht der Inhalt einer Briefwahlurne SPD (29), CDU (20), Grüne (6), Linke (6), FDP verschwunden wäre. Versehentlich wurde eine (3) sowie fünf Einzelpersonen zusammen. Das Urne der Europawahl zugeordnet und vor der sind zumeist geschasste Ex-SPDler oder -CDU- Neubenutzung geschreddert. Ende vom Lied: ler, die auf illustere Listen wie Bürgerlich-Liberale, Mitte Dezember gibt es Wiederwahlen. Bürgerunion/FW, Junges Duisburg, Duisburger Al- In Lohmar (32.000 Ew.), der Heimat des kom- ternative Liste oder „Sozial-Gerecht-Unabhängig“ munalpolitischen Sprechers der Landtagsfraktion, erfolgreich antraten. Neun Gruppierungen gibt es Horst Becker, steht das amtliche Endergebnis fest: auch in Dortmund, Essen, Wuppertal, Leverkusen 29,7% und vier grüne Direktmandate. Das heißt: und Remscheid sowie im Rheinisch-Bergischen mit 13 Mandaten zweitstärkste Kraft nach der Kreis. Acht Gruppierungen gibt es in den Stadträ- CDU (17 Mandate) und vor der SPD (6 Manda- ten von Münster, Krefeld, Aachen, Bonn, Bochum, te)! Zweitgrößte Fraktion wurden die Grünen auch Mönchengladbach, Hagen, und Bottrop sowie in in Erkelenz mit acht Mandaten, die SPD hat dort den Kreistagen Viersen, Rhein-Sieg, Minden-Lüb- sieben. Auch in Rhede gibt es für die grüne Rats- becke, Ennepe-Ruhr und Neuss. fraktion zwei Direktmandate. Die erzielten 21,4% sind mehr als doppelt so viel wie bei der Wahl 2004! Bunte Räte In der Region Aachen gab es ein Direktmandat und in Herdecke (im Ennepe-Ruhr-Kreis) holte, die ge- Entsprechend vielfältig sind die Möglichkeiten der rade aus dem Bundestag ausgeschiedene Irmingard Mehrheitsbildungen. So ist es kaum verwunderlich, Schewe-Gerigk ein Direktmandat mit 31,1%. das es verschiedenste Koalitions-Konstellationen Eine Besonderheit ist aus dem beschaulichen gibt. Das sind neben dem Klassiker Rot-Grün zu- Wickede (Ruhr) im Kreis Soest zu vermelden. nehmend auch Ampelkoalitionen und schwarz-grü- Dort wurde wegen Stimmengleichheit das Di- ne Bündnisse, zumeist im ländlichen Raum. Auch rektmandat zwischen CDU und Grünen gelost. manche Einzelperson könnte da als Zünglein an Glückliche Grüne, der Wahlleiter zog den Zettel der Waage zum politischen Schwergewicht werden. mit dem Namen ihres Kandidaten. In Recke an der Noch laufen die Verhandlungen. niedersächsischen Grenze holte ein Bürgerbündnis mit grüner Beteiligung vier Direkt- und insgesamt Volker Wilke zehn Mandate, es liegt damit knapp hinter der CDU Geschäftsführer der GAR NRW (13) und deutlich vor der SPD (5). und als Fraktionssprecher in Oberhausen derzeit in Koalitionsverhandlungen mit der SPD Grüne Oberhäupter In NRW gibt es bei den Wahlen zum (Ober-)Bür- germeister und Landrat keine Stichwahl mehr. Umso beachtlicher ist, dass der einzig direkt gewählte grüne Bürgermeister Lothar Mittag mit 65,6% bereits die dritte Amtsperiode antritt. Einen gemeinsamen Kandidaten gab es z.B. in Köln, wo der von den Grünen unterstützte SPD-Bewerber Jürgen Roters sich durchsetzte. Knappe Mehrheiten Durch den Wegfall der Sperrklausel droht in ei- nigen Räten die Zersplitterung und damit ein er- schwerter Prozess der Mehrheitsbildung. Im Kölner Rat tummeln sich nun acht Gruppierungen. Neben den klassischen Fünf – SPD (25), CDU (25), Grüne 4 2/08
personalia Abschied von Bürgermeister Hans-Jürgen Schimke Vertrauen geschaffen, Mensch geblieben! Hans-Jürgen Schimke verabschiedet sich nicht von der politischen Bühne, Bürgermeister der Gemeinde Laer, so seine Entscheidung weit im Vorfeld der Kommunalwahl 2009, wird er allerdings nicht mehr sein. So endet auch die traute Zweisamkeit der beiden grünen Bürgermeister in NRW, er überlässt mir in NRW das Feld allein und damit auch die Kür ihn gebührend zu verabschieden. Lieber Hans-Jürgen, das waren zehn ereignisreiche, spannende, durch- dies nie wahrhaben wollten, bis auf einige wenige weg erfolgreiche, manchmal sicherlich anstren- Erkenntnisresistente und dauerhaft Unbelehrbare, gende, aber in erster Linie wohl erfüllte Jahre. Ich hat die überwiegende Mehrheit erkannt: Grün geht danke dir persönlich für viele gute Gespräche, für gut, ein grüner Chef im Rathaus bedeutet nicht den den kleinen Dienstweg, den wir oft nutzten, für ein Untergang des Abendlandes, sondern ist eine re- ereignisreiches Bundespräsidentenwahlwochenen- spektable, zukunftsweisende Entscheidung! de anlässlich der 12. Bundesversammlung 2004 Deine Meinung ist gefragt und sie wurde ge- und vor allem für deine sachliche, diplomatische schätzt. Ich durfte dies in vielen außerkommunalen und unaufgeregte Art. Letzteres war sicherlich dein Gremien, wie im Präsidium des Städte- und Ge- Erfolgsrezept in Laer. meindebundes oder bei gemeinsamen repräsenta- Diplomat und Moderator, so beschreibst du tiven Anlässen beobachten. Deine Menschlichkeit selbst deine Bürgermeister-Rolle und damit ein und persönliche Authentizität ließen keinen Platz Modell, dass Vorbild sein darf für Bürgermeis- für Ideologieverdacht. So hast du Berührungsängs- terinnen und Bürgermeister unabhängig von te und Vorbehalte abgebaut und der grünen Idee Parteizugehörigkeit. Unsere Erfahrungen machen von Ganzheitlichkeit, Nachhaltigkeit, Gerech- deutlich, dass das Bürgermeisteramt als Parteiamt tigkeit und Menschlichkeit ein sehr persönliches eher untauglich ist zumindest für die jeweilige Gesicht gegeben! Stadt oder Gemeinde. Deine Arbeit hat aber vor al- Danke Hans-Jürgen!! lem einen Weg aufgezeigt. Auch für diejenigen, die Lothar Mittag Bürgermeister der Stadt Rhede +++ Veranstaltungshinweis +++ Biomassennutzung in den Kreisen Nordrhein-Westfalens Der Landkreistag Nordrhein-Westfalen sowie der Kreis Wesel laden am 25.11.2009 zu einer „Kon- ferenz zu einem zentralen Element des Klimaschutzes“ in der Stadthalle Rheinberg ein. Die zunehmende Bedeutung der energetischen Nutzung von Biomasse als wichtigem erneuer- baren Energieträger bringt die Landesregierung dazu den nationalen Biomasseaktionsplan im Juni 2009 in einem eigenen Biomasseaktionsplan NRW umzusetzen. Darüber hinaus werden Ergebnisse einer Erhebung zum Stand des Klimaschutzes und der energetischen Nutzung von Biomasse in den Kreisen Nordrhein-Westfalens (2008/2009) vorgestellt. Auf dieser Basis sollen im Anschluss die Strategien der Kreise – im Wesentlichen Aufgaben des Bioenergie-Managements (BEM) – zur Erreichung des gesetzten Ziels der Vervierfachung der en- ergetischen Nutzung von Biomasse in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahre 2020 erörtert werden. Weiterhin finden drei parallele Workshops zu den Themen „Holzartige Biomasse“, „Vergärungs- fähige Biomasse“, „Biogene Kraftstoffe und klimaschonende Mobilität“ statt. Im Anschluss ist ein Besuch des Biomassekraftwerks Moers der Stadtwerke Dinslaken vorgesehen. Der Transfer zum Kraftwerk ist, neben Imbiss und Getränken, im Teilnahmebetrag von 50 € pro Person bereits enthalten. Informationen zu Kontakt- und Anmeldemodalitäten unter www.lkt-nrw.de (GE) 2/08 5
service/info Grüne Gruppe im Städte- und Gemeindebund NRW Den kreisangehörigen Raum vertreten Kommunalpolitik in Nordrhein-Westfalen findet vergangenen Wahl Ergebnisse bejubelt werden, die nicht nur in den Räten statt. Sie wird auch von es so in unserer Geschichte noch nicht gab. Eine der Arbeit der kommunalen Spitzenverbände große Zahl von Direktmandaten gerade hier zeugt stark beeinflusst. Neben Städtetag und Land- davon. Insgesamt hat sich die Zahl der Mandate kreistag vertritt der Städte- und Gemeindebund in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden Nordrhein-Westfalen (STGB NRW) die Interessen von 921 (2004) auf 1129 erhöht. Entsprechend des kreisangehörigen Raumes und damit die Inter- stark werden wir in den Gremien des Verbandes essen von über 9,3 Millionen Menschen. Über 360 vertreten sein und können dort unsere Sicht der Städte und Gemeinden sind Mitglied im Städte- und Dinge einbringen. Neben Präsidium und Hauptaus- Gemeindebund NRW www.kommunen-in-nrw.de. schuss sind dies insbesondere die Fachausschüsse. Die Gremien des Verbandes werden auf dem Folgende Fachausschüsse gibt es derzeit: Gemeindekongress in Essen am 23.03.2010 für Rechts-, Verfassungs-, Personal- und Organi- die nächsten fünf Jahre neu bestimmt. Mitarbeiten sationsausschuss können Ratsmitglieder und Wahlbeamte, die ihr Ausschuss für Schule, Kultur und Sport Amt in einer der Mitgliedskommunen ausüben. Jugend-, Sozial- und Gesundheitsausschuss Die Verbandsarbeit ist ähnlich der Ratsarbeit in Gleichstellungsausschuss politischen Gruppen organisiert. Für die Arbeit Ausschuss für Städtebau, Bauwesen und Lan- des Verbandes spielt aber oft auch die gemeinsame desplanung (öffentliche) Vertretung der kommunalen Interes- Ausschuss für Strukturpolitik und Verkehr sen gegenüber Landes- und Bundesregierung eine Ausschuss für Finanzen und Kommunalwirt- wichtige Rolle. schaft Umweltausschuss In allen Fachausschüssen werden wir mit zwei or- Die Gremien dentlichen und zwei stellvertretenden Mitgliedern Für die Repräsentanz der politischen Gruppen in vertreten sein. Im Präsidium stellen wir künftig drei den Verbandsgremien ist das Wahlergebnis bei der Mitglieder. Für den Hauptausschuss rechnen wir Kommunalwahl ausschlaggebend. Das hervorra- mit etwa 13 Mitgliedern. Auch im Hauptausschuss gende Abschneiden bei der Kommunalwahl hat des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sind uns erneut eine Steigerung unseres Stimmenanteils wir künftig mit mindestens einem Mitglied vertre- innerhalb des Verbandes beschert. Nicht nur in ten. Die genaue Berechnung der Stimmenanteile den kreisfreien Städten haben BÜNDNIS 90/DIE liegt derzeit noch nicht vor. GRÜNEN zweistellige Ergebnisse vorzuweisen. Oliver Held Auch im kreisangehörigen Bereich konnten bei der Gruppensprecher +++ Einladung zum Treffen der Grünen Gruppe +++ Wir laden alle Ratsmitglieder und Wahlbeamte aus den STGB-Mitgliedskommunen herzlich zu einer Gruppenbesprechung ein, bei der wir über die Besetzung dieser Gremien entscheiden wollen. Diese Versammlung findet statt am 12.12.2009 um 11.00 Uhr im Landtag in Düsseldorf. Gemäß unserer Satzung haben die kommunalen Vertreter aus einer Stadt bei dieser Sitzung eine Stimme. Grüne Kommunalas und Kommunalos, die bei uns mitarbeiten möchten, bitten wir um eine kurze schriftliche Bewerbung, aus der auch hervorgeht, für welche Position die Bewerbung erfolgt, an folgende Adresse: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Städte- und Gemeindebund NRW Oliver Held, Freiherr-vom-Stein-Str. 15, 58762 Altena, held.oliver@t-online.de Für Fragen zur Arbeit des Verbandes oder unserer Gruppe stehe ich natürlich auch telefonisch zur Verfügung: 02352-1300. 6 2/08
Kommunalwahl 2009. Die Würfel sind gefallen Hurra, NRW ist Grüner geworden! Zwölf Prozent lautet das durchschnittliche Ergebnis für grüne Kommunalpolitik im Lande, nachdem die Würfel gefal- len sind. Daher haben wir zahlreiche Protagonisten um ihre Stellungsnahme gebeten, wie die Ergebnisse vor Ort aussehen und wie es zu ihrem Erfolg gekommen ist. Grün wächst – in Stadt und Land, lautet der Auftakt von Daniela Schneckenburger. Sie stellt die Ergebnisse der Kommunalwahl vor und weist den weiteren Weg mit starken Grünen. Die Hälfte der Macht, das gilt für Grüne wie sonst in keiner Partei. Doch im Vergleich mit anderen Bundesländern bilden die Grünen in NRW das Schlusslicht. Dr. Lars Holtkamp und Dr. Elke Wiechmann stellen daher zentrale Ergebnisse ihrer bundesweiten Studie zur Repräsentation von Frauen in den Räten vor. Zum Abschluss seiner erfolgreichen Tätigkeit als hauptamtlicher Bürgermeister in Laer beschreibt Prof. Dr. Hans-Jürgen Schimke sein Rollenverständnis vom Chef im Rat als Diplomat. Sylvia Löhrmann geht der Frage nach, wie sich die Abschaffung der Stichwahl auf die Chancen von hauptamtlichen grünen BürgermeisterInnen auswirkt und wie Absprachen und gemeinsame Kandidaturen umgesetzt wurden. Jetzt bloß nicht jeck werden, meint Barbara Moritz, die Hintergründe des aktuellen Höhenfluges in Köln beleuchtet. Lohmar 2015 – Sie haben die Wahl! Unter diesem Slogan wurde ein Spitzenergebnis erzielt. Horst Becker umreißt die grüne Handschrift, die dahinter steht. Gelsenkirchen kann es besser, meint Dr. Manfred Beck, der grüne Dissonanzen und Fehlentscheidungen aus seiner Sicht darlegt. Die Bürgermeisterkandidatin Sigrid Beer wirft ein Schlaglicht auf ihren beerenstarken Wahlkampf in Paderborn. Irmingard Schewe-Gerigk verrät uns, wie sie das erste grüne Direktmandat im Enne- pe-Ruhr-Kreis geholt hat. Lothar Mittag, der einzig verbliebene hauptamtliche grüne Bürgermeister in NRW, wirft ein Blitzlicht auf die grünen Gallier von Rhede. Das Beste für Telgte, gibt es zum guten Schluss. Nikolaus Niet und Gerd Klünder erläutern die Strategie, die zu dem vorläufig zweitgrünsten Ergebnis im Lande geführt hat. 2/08 7
Politische Auswertung der Kommunalwahl 2009 Grün wächst – in Stadt und Land Daniela Schneckenburger 12% für GRÜNE Kommunalpolitik im Landes- Direktmandate sind möglich Landesvorsitzende von durchschnitt, Spitzenergebnisse von fast 30% in Bündnis90/die Grünen Orten wie Lohmar und Telgte. Erstmalig gewannen wir Grünen zahlreiche Zuwächse von etwa 5% in den großen Städten Direktmandate. In Köln sind es nun elf, vier in wie Köln, Hagen, Dortmund oder Paderborn und Bielefeld und zwei in Bonn. In Aachen, Münster, auch in den ländlichen Flächenkreisen viele kom- Wuppertal und sogar in Flächenkreisen wie munale Direktmandate und gute Bürgermeister- dem Ennepe-Ruhr-Kreis (Herdecke), dem Kreis Ergebnisse sowie ein in seinem Amt bestätigter Heinzberg (Erkelenz), oder dem Kreis Soest Bürgermeister Lothar Mittag. (Wickede) konnten wir je ein Direktmandat ge- Das Ergebnis der Kommunalwahl löste Jubel winnen. In Halver im Märkischen Kreis gab es aus – auf fast allen Wahlpartys der GRÜNEN in zwei Direktmandate für Grüne. NRW gab es reichlich Grund zu feiern: Dies zeigt, dass wir uns als drittstärkste Kraft Herzlichen Dank an alle engagierten Wahlkämpfer- behauptet haben. In einigen unserer Hochburgen innen und Wahlkämpfer im ganzen Land! sind wir sogar die stärkste politische Kraft, an der keine kommunalpolitische Entscheidung mehr Grüner Jubel im Land vorbeikommt. Die Direktmandate sowie die au- ßerordentlich guten Ergebnisse in einigen kleineren Das war auch eine zweite wichtige Etappe vor Orten belegen auch, dass wir mit vertrauenswürdi- der Bundestagswahl und für die 2010 folgende gen und kompetenten KandidatInnen traditionelle Landtagswahl. Es war aber vor allem ein Moti- Mehrheiten verändern und die Kommunen grüner vationsschub für alle, die fachlich fundierte Kom- machen können. munalpolitik und einen engagierte Wahlkampf gemacht haben. Es war eine Bestätigung guter Ergebnisse grüner Bürgermeister Ratsarbeit vor Ort und ist eine Herausforderung, mit der gewachsenen Stärke die Entscheidungen Besonders freut uns auch, dass Lothar Mittag vor Ort als gestaltende Kraft mitzubestimmen. als Bürgermeister in Rhede (Kreis Borken) er- neut im Amt bestätigt wurde. Jahrelange uner- Konsequenz inhaltlicher Arbeit vor Ort müdliche Arbeit haben ihn zu einem anerkannten grünen Bürgermeister „seiner“ Stadt gemacht, Der Blick auf die Einzelergebnisse zeigt: der weit über grüne Kernmilieus hinaus für vie- Zugewinne ließen sich in ganz unterschiedlichen le Menschen wählbar ist. Und auch Hans-Jürgen Konstellationen realisieren. Wir haben flächen- Schimke, unserem scheidenden hauptamtlichen deckend im Land dazu gewonnen – sowohl in grünen Bürgermeister in Laer wäre es sicher ebenso rot-grünen, in schwarz-grünen oder sonstigen ergangen, wenn er erneut angetreten wäre. Koalitionen, aber auch in der Opposition. In Köln und Remscheid konnten mit Grüner Wir sind damit für unsere gute und glaubwürdige Unterstützung zwei SPD-KandidatInnen (Jürgen inhaltliche Arbeit, für persönliche Kompetenz und Roters und Beate Wilding) die Oberbürgermeiste- Netzwerkbildung vor Ort belohnt worden. Und, das rInnenwahl gewinnen. Außerdem wurden 13 wei- zeigt auch die Resonanz auf den Straßen bei allen tere BürgermeisterInnen mit grüner Unterstützung bisherigen Wahlkämpfen: ins Amt gewählt. Der gordische Knoten „Umwelt – gegen – Viele grüne KandidatInnen für (Ober-)Bür- Arbeit“ wurde durchgeschlagen. Bei den Menschen germeisterämter konnten sehr gute Ergebnisse in Nordrhein-Westfalen kommt an: Mit Umwelt- erzielen. Lünen (19,8%) und Alfter (34,2%) sind und Klimaschutz lassen sich neue, zukunftsorien- nur zwei Beispiele dafür, dass wir darauf hoffen tierte Arbeitsplätze schaffen. können, dass trotz der Abschaffung der Stichwahl Die Grünen haben Antworten auf die Heraus- in Zukunft weitere grüne BürgermeisterInnen in forderungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. den NRW Rathäusern regieren werden. 8 2/08
Mehr Stimmen, mehr Mandate schlechten Ergebnis keinen Anteil. Er kritisierte sogar seine eigene Partei: „Hier und da“ sei der Fast überall haben wir Zuwächse zu verzeichnen, Kommunalwahlkampf „zu unpolitisch“ geführt Köln stieg von einer sehr guten Basis noch mal worden, monierte er – ein deutlich nervöser um fast 5 % auf 21,7%. Sensationelle 29,7% gab Parteivorsitzender, der weiß, dass seine Partei in es in Lohmar (Rhein-Sieg-Kreis) und 29,2% in NRW keine strukturelle Mehrheit und keine sichere Telgte (Kreis Warendorf) – wo die Wahl wegen Ausgangsbasis für die Landtagswahl hat. einer Panne leider wiederholt werden muss. In der neuen Städteregion Aachen stieg der Grünen-Anteil Ergebnisse schön gerechnet um 6,6% auf 14,8%. Leichte Verluste gab es nur in Duisburg, Remscheid und Gelsenkirchen. Auch die SPD (29,4 Prozent, minus 2,3) übt sich Damit steigen die Mandatszahlen von 168 auf im Schönrechnen und verweist auf die Erfolge im 216 in den kreisfreien Städten und von 169 auf 196 Ruhrgebiet. Aber eine politische Trendwende sieht in den Kreisen. In kreisangehörigen Gemeinden angesichts des historisch schlechtesten Kommu- stieg die Zahl von 921 auf 1.127 Sitze: Insgesamt nalwahl-Ergebnisses in NRW anders aus. In der also stolze 1539 Sitze nach dem vorläufigen amt- Landeshauptstadt Düsseldorf ist die SPD auf nur lichen Endergebnis! 23,3 Prozent abgestürzt. Verluste an OberbürgermeisterInnen muss sich Das war kein schwarzer Wahlsieg! eine SPD zurechnen lassen, die nicht in der Lage war, die Abschaffung der Stichwahl zu einer win- Direkt nach der Wahl setzte die Legendenbildung win-Situation mit GRÜNEN vor Ort zu machen, durch die Landesregierung ein – schwarz-gelb indem sie faire Verhandlungen auf Augenhöhe sollte die Wahl in NRW gewonnen haben. Das ist führte. In Aachen, Krefeld und Münster und in erkennbar falsch. verschiedenen kleineren Städten hätten gemeinsa- Das landesweite CDU-Wahlziel von „40 plus me KandidatInnen, die in einem klaren Verfahren X“ (CDU 38,6 %, minus 4,8 %), wurde verfehlt. ausgehandelt worden wären, wohl eine realistische In Köln, Essen und Bielefeld mussten die Christ- Chance gehabt. demokraten den Oberbürgermeister-Sessel für die Auf eine besondere Kommunikationsstrategie SPD räumen. Das Ruhrgebiet, das Rüttgers für verlegt sich die FDP in ihrer Wahlanalyse: Zwar seine Partei erobern wollte, blieb weitgehend in hat sie mit 2,4 Prozentpunkten auf landesweit 9,2 SPD-Hand. 13 der 23 Oberbürgermeister in NRW Prozent zugelegt, blieb jedoch deutlich hinter den sind Sozialdemokraten, während die CDU nur noch GRÜNEN viertstärkste kommunalpolitische Kraft. im ländlichen Raum dominiert und künftig 25 der Nichtsdestotrotz präsentierte ihr Generalsekretär 30 Landräte in NRW stellt. Lindner am Tag nach der Wahl eine Bilanz, wonach CDU-Landeschef Rüttgers lastet die deutli- die FDP mehr Mandate errungen haben sollte als chen Verluste bei der Kommunalwahl alleine „der die GRÜNEN. Allerdings unterschlug er dabei die schlechten Stimmung über die Große Koalition“ in Mandate der grün-alternativen Wählervereinigun- Berlin an und tat so, als habe die NRW-CDU am gen. Eine Masche, mit der die FDP vermutlich Strahlende Gesichter am Wahlabend. Arndt Klocke, Daniela Schneckenburger, Sylvia Löhrmann, Bärbel Höhn und Oliver Keymis haben reichlich Grund zum Feiern. 2/08 9
auch in den neuen Räten versuchen wird, ihr Image Möglichkeiten in Kontakten vor Ort mit BürgerIn- aufzupolieren, die man ihr aber nicht durchgehen nen, in Gesprächen mit Verbänden, Gewerkschaf- lassen darf. ten, Vereinen und Bürgerinitiativen, kurz: mit der Das landesweite Abschneiden der Partei „Die Zivilgesellschaft für die nächsten fünf Jahre stra- Linke“ zeigt, dass das Land verhalten auf die neue tegisch anzulegen und zu planen, ist eine Chance, politische Kraft reagiert und DIE LINKE kaum in der der Stimmenzuwachs der Kommunalwahl neue Wählermilieus in NRW für sich erschließen 2014 liegt. konnte. Sogar im Ruhrgebiet hat sie sich nicht als klare Kraft positionieren können und mit 5,9% ihr Herausforderungen meistern Wahlziel von 10% klar verfehlt (zum Vergleich: GRÜNE 10,8% im Ruhrgebiet). Auch in den Es ist zugleich eine Herausforderung für uns, Unistädten wie Münster, wo DIE LINKE ihren weil eine wachsende Anzahl von Mandaten auch einzigen Landtagsabgeordneten hat und mit 3,5% bedeuten muss, der Personalentwicklung und der unterdurchschnittlich abgeschnitten hat, konnte Personalgewinnung erhöhte Aufmerksamkeit zu sie nicht Fuß fassen. Dieses Ergebnis ist Ausdruck schenken. Jetzt ist die Phase, in der neue Rats- einer sehr heterogenen Parteistruktur vor Ort, die mitglieder in die Ratsarbeit hineinwachsen, in der sich in Flügelkämpfen und zum Teil handfesten sie Erfahrungs– und Wissenstransfer brauchen. Auseinandersetzungen vor der Kommunalwahl Das ist eine Aufgabe, die die Fraktionsvorstände ausgedrückt hat. vor Ort zusammen mit der GAR NRW und der Heinrich-Böll-Stiftung NRW angehen sollten. Beim Verhandeln: Inhalte zuerst Seminarangebote und Bausteine für Fortbildun- gen sind vorhanden. Und es ist die Phase, in Als GRÜNE wurden wir bei der Kommunalwahl der Landespartei, Kreisverbände und Kommu- zu allererst für solide, fachlich fundierte Arbeit nalfraktionen gemeinsam die Grundlage für die vor Ort belohnt. Wir konnten glaubhaft darstellen, Listen der kommenden Jahre legen müssen – vor dass wir die richtigen Konzepte haben, die in den allem durch Mitgliedergewinnung und durch eine nächsten Jahren vor Ort eine Rolle spielen werden: gezielte Einbindung sachkundiger BürgerInnen in Einsatz für die kommunale Energiewende, Ant- die Ratsarbeit. worten auf steigende Energiepreise, nachhaltige Wirtschafts- und Gewerbepolitik, Verbesserung Die politische Manipulation des Öffentlichen Nahverkehrs, Konzepte gegen an der Gemeindeordnung auswerten die Aufteilung der Stadtgesellschaft in arme und reiche Viertel, Chancengleichheit durch Bildung, Diese Kommunalwahl war die erste Wahl der bessere Zusammenarbeit von Bildung, Erziehung (Ober-)BürgermeisterInnen, die ohne Stichwahl und Betreuung, Strategien gegen die Finanznot durchgeführt wurde. Die Debatte über Nominie- und zum Älterwerden der Gesellschaft, mehr Ge- rungskoalitionen und die Rolle grüner KandidatIn- schlechtergerechtigkeit. nen ist im Vorfeld intensiv geführt worden. Es gilt Dies sind auch die Themen, um die es in ihren nun, die lokalen Erfahrungen gemeinsam mit den jeweiligen lokalen Ausprägungen bei Verhandlun- GRÜNEN vor Ort sorgfältig auszuwerten und noch gen gehen wird. einmal auf die GRÜNE Kritik an der Abschaffung Für uns gilt darum: Inhalte zuerst. Deshalb müs- der Stichwahl zu beziehen. Das muss eine Aufgabe sen und werden kommunale Koalitionsverhandlun- der kommenden Monate sein, denn die Verände- gen sich danach ausrichten, wie und mit wem das rung der Gemeindeordnung und die Beschädigung grüne Programm am besten durchgesetzt werden der kommunalen Demokratie durch die Verände- kann. Entsprechend unterschiedlich werden auch rungen von schwarz-gelb werden Debattenthema die Verhandlungsergebnisse und die Koalitionen im Landtagswahlkampf sein. vor Ort am Ende ausfallen. Eines lässt die größte Affäre in NRW nach der Kommunalwahl aber schon heute erkennen: Die Heute schon an morgen denken… Kontrollrechte der Räte und Ratsmitglieder, die schwarz-gelb geschwächt hat, müssen gegenüber Gestärkte GRÜNE vor Ort, gewachsene Frakti- den Oberbürgermeistern gestärkt werden – damit onen – das ist Chance und Herausforderung zu- kein OB in NRW im Schulterschluss mit seiner gleich. Es ist die Chance, durch eine verstärkte Kämmerin den BürgerInnen vor der Wahl in Sachen Netzwerkarbeit in Städten und Gemeinden, dafür kommunaler Finanzen ein X für ein U mehr vorma- zu sorgen, dass grüne KommunalpolitikerInnen, chen kann, wie das in Dortmund geschehen ist… grüne Kompetenz in Vereinen und Verbänden stär- ker präsent sind. Unsere gewachsenen personellen 10 2/08
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Repräsentanz von Frauen in den Kommunalparlamenten Die Hälfte der Macht in NRW? PD Dr. Lars Holtkamp Die gängigen Erklärungsfaktoren für die poli- die Quotierungsregelung (Holtkamp/ Schnittke Professurvertretung „Politik tische Unterrepräsentanz von Frauen in den Parla- 2008: 53 ff.; Holtkamp/ Wiechmann/ Schnittke und Verwaltung“ am Institut menten führen das allgemeine Rollenverständnis 2009: 7 ff.) . für Politikwissenschaft der und die geschlechtsspezifische Sozialisation und Bei unserer Untersuchung richten wir den Blick vor FernUniversität Hagen Arbeitsteilung zur Begründung an (etwa Kinzig allem auf die Quotenparteien SPD (40%), Bündnis 2007). Der Abbau der Unterrepräsentanz ist danach 90/ Die Grünen (50%), Die Linke (50%), sowie die ein langfristiges Projekt, das auf gesellschaftliche CDU mit ihrem empfohlenen Quorum von 33,3% Dr. Elke Wiechmann Lern- und Wandlungsprozesse setzt. Erklärungs- und konzentrieren uns auf die Großstädte. Wissenschaftliche Angestellte bedürftig bleibt dabei allerdings die Frage, wie am Institut für Politikwissen- es Bündnis 90/Die Grünen bundesweit bei „nur“ Frauenrepräsentanz schaft der FernUniversität Hagen etwa 16.000 weiblichen Mitgliedern gelingt, ihre Mandate und Ämter weitgehend paritätisch zu in Großstadtparlamenten besetzen, was weder der SPD (170.000 weibliche Ein Vergleich der Repräsentanz von Frauen in Parteimitglieder) noch der CDU (140.000 weibli- Großstädten zeigt, dass in Nordrhein-Westfalen che Parteimitglieder) gelingt. Wenig hilfreich sind ein großer Modernisierungsrückstand besteht: da die Erklärungsansätze der Parteien selbst, die Hier liegt der Frauenanteil bei 30,7 %, in Baden- zur Begründung häufig auf unzureichend politisch Württemberg bei 34,4 % in Bayern bei 40 %. Dabei interessierte und motivierte Frauen für die Räte und ist der Ballungsraum „Ruhrgebiet“ mit den meisten für politische Führungsfunktionen in den Kommu- Großstädten Deutschlands besonders auffällig. In nen verweisen. allen Disziplinen unseres Rankings, das wir für die Unsere Ausgangshypothese ist hingegen, dass 79 deutschen Großstädte insgesamt durchgeführt die Parteien zentrale Weichensteller für politische haben (Holtkamp/ Wiechmann/ Schnittke 2009: 38 Karrieren sind. Weiterhin gehen wir davon aus, dass ff.), liegen die Ruhrgebietsgroßstädte im Durch- bei entsprechender Weichenstellung – vor allem in schnitt hinter den übrigen Großstädten von NRW Großstädten – Frauen in ausreichendem Maße für und hinter den Großstädten in Westdeutschland die Räte gewonnen werden können. insgesamt, wie die Abbildungen zeigen. Für die gelingende oder scheiternde Repräsen- Einen weiteren Beleg für eine nachzuholende tation von Frauen sind aus unserer Sicht folgenden Modernisierung der Parteien finden wir mit Blick Erklärungsfaktoren relevant: auf ihre Quotentreue. Lediglich Bündnis 90/ Die das Wahlrecht, vor allem im Hinblick auf die Grünen erreichen ihre 50%-Quote, während sowohl Frauenanteil in politischen Führungs- Parteien selbst die PDS ihre 50%-Quote als auch die SPD ihre positionen (Stand: 2008) der Nominierungsprozess und 40%-Quote deutlich unterbieten. Offenbar spie- len aber die Mehrheitsverhältnisse in den Städten eine wichtige Rolle. Dort wo FDP und CDU in den Kommunalparlamenten besonders stark vertreten sind, ist auch die Frauenunterrepräsentanz deutlich ausgeprägter. Das Wahlrecht Das Wahlrecht gilt in der internationalen Reform- diskussion – neben den Quoten – als zentraler Hebel zur Erhöhung der Frauenrepräsentanz. In NRW gilt das personalisierte Verhältniswahl- recht mit festen Listen. In den meisten anderen Bundesländern ein stärker personenorientiertes Verhältniswahlrecht mit freien Listen, mit der 12 2/08
Möglichkeit zum Kumulieren und Panaschieren. eine deutlich stärkere, aber auch unauffälligere Hiernach wird der Wählerschaft ein größeres Mit- politische Eigenständigkeit genießen als in Bun- spracherecht bei den Kommunalwahlen einge- desländern mit einem transparenteren kommunalen räumt. In NRW werden die Hälfte der Ratsmandate Wahlrecht wie etwa in Baden-Württemberg. über Direktmandate vergeben, die im Wesentlichen auf die beiden großen Volksparteien entfallen. Die Wege aus der Unterrepräsentanz restlichen Mandate werden über die zu wählen- den geschlossenen Parteilisten bestimmt, womit Die Quotenparteien stellen deutlich mehr Kandida- die Wählerschaft keinen Einfluss auf einzelnen tinnen als die Parteien ohne Quote und auch als die Kandidaturen hat. CDU mit einer Quorumsempfehlung. Gleichwohl Bei dem personalisierten Verhältniswahlrecht sind Quoten weder Selbstläufer noch Garantie für in NRW werden die Kandidat(innen) in kleinen eine angemessene politische Frauenrepräsentanz, Wahlkreisen oder Ortsvereinen in ebenso kleinen sondern können nur bei entsprechender innerpar- politischen Elitekreisen aufgestellt. Und das hat teilicher Akzeptanz, bei zu erwartenden Sanktionen unserer These folgend Einfluss auf die Unterreprä- oder höheren informellen Gleichstellungsnormen, sentanz von Frauen in den kommunalen Räten. Ei- auch tatsächlich durchgesetzt werden. nerseits können die Quoten nur eingeschränkt oder Das Wahlrecht ist im Allgemeinen politisch gar nicht umgesetzt werden, weil vergleichsweise kurzfristiger gestaltbar als die politische Kultur wenige Kandidaturen zu vergeben sind, während eines Landes. Das transparentere Wahlgesetz auf der gesamtstädtischen Ebene kaum zusätzliche mit mehr Wahlentscheidungsmöglichkeiten für Kandidatinnen nominiert werden (können). Auf die Wählerschaft – bei offenen Listen durch den aussichtsreichen Plätzen der Reserveliste fin- Kumulieren und Panaschieren – fällt für Frauen den sich dann in der Regel die Direktkandidaturen. günstiger aus als das deutlich intransparentere Andererseits gelten insbesondere die Ortsvereine Wahlgesetz Nordrhein-Westfalens mit personali- als traditionelle Männerdomänen. Insofern hat das siertem Verhältniswahlrecht, Direktkandidaturen kommunale Wahlrecht in NRW einen entscheiden- und Nominierungsprozessen vorrangig in kleinen den Einfluss auf die Unterrepräsentanz von Frauen Ortsvereinen. Letzteres begünstigt die lokalen in den Räten. männlichen Parteieliten, auf die auch die Partei- vorsitzenden nur begrenzten Einfluss haben. Parteien und Ortsvereine Literatur: Als Keimzellen der lokalen Politik genießen die Ortsvereine einen Ruf als „closed shop“. Sie zeich- Holtkamp/Schnittke (2008): „Erklärungsmodelle für die Unter- nen sich häufig durch ihre homogene und zugleich repräsentation von Frauen“, in: Femina Politica 2/08: 53-64. überalterte Struktur aus. In Nordrhein-Westfalen Holtkamp/Schnittke (2009): Unterrepräsentanz von Frauen in sind knapp 91% der Kreisvorsitze der CDU mit der Kommunalpolitik. Parteien machen den „feinen“ Unterschied. Männern besetzt. Die für die Ratsmandate entschei- Vorläufiger Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Unter- denden Ortsvorsitze sind in der nordrhein-westfä- repräsentanz von Frauen in der Kommunalpolitik“. Berlin lischen CDU knapp 88% Männer. Bei der SPD ist Kinzig (2007): Auf dem Weg zur Macht? Zur Unterrepräsentation Frauenanteil in den Großstadt- diese Verteilung ähnlich: 85 % der Kreisvorsitze von Frauen im deutschen und U.S.-amerikanischen Regierungs- parlamenten im Ruhrgebiet nach und 83 % der Ortsvorsitze sind männlich besetzt. system, Wiesbaden. Parteien Wahlrechtsbedingt haben die Parteichefs in NRW auf die Nominierungsprozesse in den Orts- vereinen lediglich begrenzten Einfluss, da sie „nur“ für die Reservelisten und ihre Kandidatenreihung zuständig sind, die Direktkandidaturen jedoch Sa- che der Ortsvereine ist. Somit hat die Parteispitze – selbst wenn sie wollte – nicht die „Quotenauf- sicht“. Anders kann sich die Parteispitze in Bundes- ländern wie Baden-Württemberg mit dem stärker personenorientierten Wahlrecht (Kumulieren und Panaschieren) einbringen und über Ortsvereinsvo- ten hinaus die Listenvorschläge zur Wahl deutlich stärker beeinflussen, korrigieren oder auch eigene Prioritäten setzen. Für NRW bedeutet dies, dass es selbst Quo- tenparteien schwer haben, weil die Ortsvereine 2/08 13
Die Rolle des hauptamtlichen Bürgermeister in Laer Der Chef im Rat als Diplomat Prof. Dr. Hans-Jürgen Schimke Nun liegt er da und ballt die Rechte cherung der Gemeinde“. Es ist offensichtlich, dass war von 1999 bis 2009 haupt- Und täte gerne was er möchte kein Bürgermeister eine dieser Rollen vollständig amtlicher Bürgermeister in Laer Bis ihn in Schlummer wiegt um eins verkörpert, vielmehr wechseln die Rollen täglich, Der Genius des Brannteweins auch stündlich je nach Situation, Gesprächspartner Wilhelm Busch, Der Bürgermeister, 1873 oder -anlass. Dennoch hat fast jeder Bürgermeister ein grundsätzliches Profil in der Ausübung seiner Mit diesem Zitat beschreibt Wilhelm Busch die Tätigkeit entweder schon in das Amt mitgebracht nächtlichen Machtfantasien eines Dorfbürgermeis- oder aus den Notwendigkeiten des Amtes heraus ters im 19. Jahrhundert. Bei allen Unterschieden für sich entwickelt. zur damaligen Zeit, dürfte er damit auch vielen heutigen Bürgermeistern aus der Seele sprechen. Der Auftakt Allerdings endet diese Vorstellung tragisch, das Gemeindeoberhaupt entzündet seine Zipfelmütze Die Ausgestaltung der Bürgermeisterrolle durch an einer Kerze und muss den Brand auf sehr unkon- meine Person in der zehnjährigen Amtszeit in Laer ventionelle Art und Weise mit Hilfe des Nachtge- kann am besten als Moderator oder Diplomat be- schirrs unter dem Bett löschen „in Ängsten findet schrieben werden. Wie ist es dazu gekommen? manches statt, was sonst nicht stattgefunden hat“. Bei meinem Amtsantritt im Jahr 1999 fand ich Die Geschichte zeigt: die Rolle des Bürger- eine schwierige Situation vor. Meine Wahl als meisters ist seit jeher problematisch. Zwischen grüner hauptamtlicher Bürgermeister war eine der herausgehobenen Position als erster Bürger überregional beachtete Sensation, die bis dahin der Gemeinde und der tatsächlichen Situation herrschende CDU-Fraktion war geschockt, die des oft ohnmächtigen Betrachters von nicht be- Gemeinde politisch zerstritten, finanziell am einflussbaren Entwicklungen klafft eine Kluft, Ende. Auf meinem Schreibtisch lag am ersten Tag die jeden Amtsinhaber vor die Herausforderung ein zehnseitiger Bericht des Kämmerers mit dem stellt, in diesem Spannungsfeld seine persönliche Fazit: die Gemeinde ist finanziell handlungsunfä- Rolle zu finden. hig, eine Konzeption für die Weiterentwicklung existierte nicht. Die Rolle des Bürgermeisters Die politischen Verhältnisse waren so, dass die CDU 10 Sitze, die SPD 4, die Grünen 3, die UBG Mit der Reform der Gemeindeverfassung hat der 2 und die FDP 1 Sitz im Gemeinderat hatten. Die Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen im Jahr 1994 entscheidende 21. Stimme hatte ich als Bürger- die Konzeption des Bürgermeisteramtes reformiert. meister. Eine persönlichkeitsorientierte Ausgestaltung mit demokratischer Legitimation durch die Direktwahl Blick nach vorn löste die frühere Betonung des repräsentativen Demokratieprinzips mit der starken Stellung des Ich habe in dieser Lage im Herbst 1999 eine Son- Gemeinderates ab. dersitzung des Hauptausschusses einberufen und Es sollen hier nicht die Vor- und Nachteile folgende Alternativen dargestellt: Fortsetzung dieser Konzeption diskutiert werden. Stattdessen des Streitkurses mit Aufarbeitung aller Sünden werde ich darstellen, mit welcher persönlichen der letzten Jahre oder Verzicht auf Rückblick und Rollengestaltung ich der gesetzlich übertragenen gemeinsame Orientierung auf die Zukunft. Die Aufgabenstellung des Bürgermeisters gerecht wer- Entscheidung war weniger einfach als es scheint: den konnte. Als stereotype Rollenmuster bieten sich die Beteiligten waren noch sehr in die Konflikte eine ganze Reihe von Variationen an: Vom Sonnen- verstrickt, Schuldzuweisungen lagen angesichts könig „in meinem Reich bestimme ich“ über den der desolaten Lage nahe. Manager „ich halte den Laden am Laufen“ bis zum Dennoch entschied sich der Hauptausschuss ein- visionären Gestalter „ich wirke für die Zukunftssi- hellig für den Blick nach vorn und eröffnete den 14 2/08
Weg für gemeinsame Beschlussfassungen. Trotz der Diskussion in den Gremien eine Rolle. Wenn mancher Friktionen und Auseinandersetzungen es gelingt, widerstreitende Positionen so zu formu- führte diese Entscheidung zu einer grundsätzli- lieren, dass jede Seite ihre Interessen und Anliegen chen Veränderung des politischen Klimas und wieder erkennt, kann eine vertrauensvolle Atmos- ermöglichte den Weg zu wichtigen Projekten der phäre entstehen. Gemeindeentwicklung. Erarbeitung einer bürgerorientierten, gemein- Mit dem Widerstand arbeiten samen Dorfentwicklungsplanung, die im Jahr 2001 im Konsens verabschiedet wurde. Diese Regel aus der Arbeit mit Gruppen scheint Teilnahme an der Regionale 2004, mit einem für den politischen Alltag untauglich, da sie den Konzept zur Umgestaltung des Dorfteiches Ritualen politischer Debatten widerspricht. In den und des durch den Ort führenden Laufs des Gremien einer kleinen Gemeinde ist der Bürger- Ewaldibachs. Dieses Projekt wurde mit mehr meister jedoch gut beraten, möglichst jede Meinung als 700.000 € vom Land gefördert und setzte zur Geltung kommen zu lassen. Argumentatives neben der städtebaulichen Komponente inten- „Niedermachen“ der Opposition oder die schiere sive Bürgerbeteiligung voraus. Ausübung von Sitzungsautorität mögen kurzfristi- Gründung der „Initiative für Kinder und Ju- ge Erfolge versprechen, führen aber auf Dauer zu gendliche in Laer“, einem Trägerverein für die einer Atmosphäre von Konkurrenz und Angst, was Offene Ganztagsgrundschule und die offene die Arbeit wesentlich behindern kann. Kinder- und Jugendarbeit. Die Konzeption Unter den politischen Bedingungen der Ge- dieses Vereins wurde mit einem europäischen meinde Laer scheint mir die Moderatorenrolle für Partizipationspreis ausgezeichnet. den Bürgermeister unverzichtbar zu sein. Sie hat allerdings auch ihren Preis. Durch die Vermittlung Rollengestaltung als Diplomat geht das politische Profil des Amtsinhabers ten- denziell verloren, denn wer den Konsens mit allen Diese Entwicklung wäre ohne eine moderierende Seiten sucht, bürdet dabei den ihn unterstützenden Vorgehensweise nicht möglich gewesen, denn ins- Fraktionen manchmal die Last des Kompromisses besondere die Planungsprozesse setzen den Willen auf und zügelt die Lust an der – notwendigen – zur Konsensbildung voraus. Für mich sind folgende politischen Auseinandersetzung. Elemente erforderlich, um diese Diplomatenrolle auszufüllen: Und wie ging es weiter? Frühzeitige Einbindung aller Beteiligten Bei der Kommunalwahl 2009 bin ich aus Alters- gründen nicht mehr als Bürgermeister angetreten. Diese Forderung klingt einfach, ist aber in der Dennoch hat der politische Stil der letzten Jahre in Praxis schwierig. Dem Argument, dass alles ent- der Gemeinde gewirkt. Bis auf die CDU haben alle schieden sei, bevor die Betroffenen informiert wur- anderen Parteien als oberstes Ziel des Wahlkampfes den, kann nur durch eine möglichst gleichmäßige die Verhinderung absoluter Mehrheiten genannt, Informationspolitik gegenüber den Fraktionen und um die erfolgreiche Zeit des Verhandelns und einem weitgehenden Verzicht auf vorbereitende Abstimmens fortsetzen zu können. Bei der Wahl Runden begegnet werden. Wenn Bürger oder In- wurden Bündnis 90/Die Grünen mit 18,37 % stitutionen in Entscheidungen involviert sind, muss zweitstärkste Fraktion, die CDU kam auf knapp immer das Gespräch mit ihnen gesucht werden. 40 %. Der parteilose Bürgermeister wurde von allen Fraktionen unterstützt und kam auf 80 % der Funktionierendes Fehler- und abgegebenen Stimmen. Auch dieser Bürgermeister wird ohne eigene Mehrheit die Rolle des Diploma- Konfliktmanagement ten einüben müssen. Dazu gehört das schnelle Einräumen von Fehlern und die direkte Ansprache von Konfliktpartnern, auch wenn dies sehr unangenehm sein kann. Ein rechtzeitiger Anruf mit einer Entschuldigung kann Konflikte bereits im Ansatz deeskalieren. Bevorzugung von Kompromisslösungen gegen- über Alternativ-Entscheidungen Diese Vorgehensweise spielt in meiner Praxis bei der Formulierung von Beschlussvorschlägen in den Vorlagen, aber fast noch wichtiger nach 2/08 15
Perspektiven für die GRÜNEN OB-Wahl ohne Stichwahl Sylvia Löhrmann MdL Die Befürchtungen haben sich bestätigt: In 80 von Das Beispiel Aachen sollte der SPD eine Lehre Fraktionsvorsitzende der 373 Fällen ist der Sieger oder die Siegerin in der sein. Sie wollte eine gemeinsame Kandidatur, aber Fraktion Bündnis90/Die Grünen Bürgermeisterwahl mit weniger als 50 Prozent der das Gespräch über die Person wurde gar nicht erst im Landtag NRW abgegebenen Stimmen ins Amt gewählt worden. geführt. Die SPD hat ausgesucht und dann Unter- In Wülfrath reichten 27 Prozent für den Erfolg, in stützung gefordert. Sie ist bei der Wahl gescheitert, Marl 32,4%, in Kalletal 32,7% und in Grevenbroich gerade weil sie die Grünen vor Ort so vor den Kopf 33,7%. Für die Gewählten ist das eine deutliche stieß. Die Grünen dagegen waren sehr erfolgreich; Schwächung ihrer demokratischen Legitimation. das selbstbewusste Auftreten kam offensichtlich bei Bei den diesjährigen Oberbürgermeister- und Land- den Wählerinnen und Wählern gut an. ratswahlen hätte es nach altem Recht 13 Stichwah- Andererseits ist es den Grünen nicht gelungen, len gegeben. So sind auch hier KandidatInnen ins neben Lothar Mittag einen weiteren Sieg bei OB-, Amt gekommen, die nicht von der Mehrheit der Landrats- oder Bürgermeisterwahlen davon zu WählerInnen unterstützt werden. tragen. Der Rheder Bürgermeister siegte zum Dieser Verlust an demokratischer Legitimation dritten Mal in Folge, mit überzeugendem Ergeb- ist von CDU und FDP bewusst in Kauf genommen nis: Chapeau! worden. Und das nur, um die eigenen Chancen zu erhöhen. Erfolge mit Augenhöhe 2004 hatten es insgesamt sechs Zweitplatzierte geschafft, in der Stichwahl noch aufzuholen und Die Entscheidung für eigene Kandidaturen oder zu gewinnen; fünf davon von der SPD. Ein für die Zusammenarbeit muss vor Ort getroffen wer- die CDU ausreichender Grund, am Wahlrecht zu den. Jedoch könnte ein GRÜNER gemeinsamer fummeln. OB-Kandidat möglich sein, wenn eine größere Doch was heißt die Abschaffung der Stichwahl Zusammenarbeit vereinbart wird. Ohne eine für die Chancen von GRÜNEN? Und wie sieht es gemeinsame Kandidatur wird es diese verstärkte mit Absprachen und gemeinsamen Kandidaturen Zusammenarbeit nicht geben. mit anderen Parteien aus? Bei den nächsten Kommunalwahlen ergibt sich aber nochmals eine neue Situation: Die Entkopp- Selbstbewusstsein zahlt sich aus lung der Wahlen von Rat- und Bürgermeisteramt. Dann dürfte es schwieriger werden, inhaltliches Bei den OB- und Landratswahlen gab es nur drei Entgegenkommen zu bewirken, da eben nicht zu- gemeinsame Kandidaturen. Zweimal haben sie gleich der Rat gewählt wird, für den die Parteien gewonnen, einmal ziemlich knapp verloren. Bei ihre Programme erstellen. Weiterhin gibt es aber den Bürgermeisterwahlen gab es 13 gemeinsame nicht mehr den „Zwang“ zur eigenen Kandidatur, erfolgreiche Kandidaturen – elf Mal mit der SPD, da der „Werbeeffekt“ für die Ratswahlen wegfällt. zwei Mal mit der CDU. Doch ob sich die Zusam- Oft genug haben wir auch deshalb eigene Kandi- menarbeit auszahlt, ist im Einzelfall zu entscheiden: datinnen und Kandidaten aufgestellt, damit wir zu Gab es Entgegenkommen von der anderen Partei in den wichtigen Podiumsdiskussionen und Veranstal- inhaltlichen Fragen? Werden diese Zusagen auch tungen eingeladen werden. eingehalten? Das wird die Zukunft zeigen. Und noch eine dritte Änderung wird sich er- Sicher ist aber Folgendes, und das betrifft be- geben: Wir Grüne werden unsere Stellung weiter sonders die SPD: Solange die Sozis nicht darüber verbessern und in weiteren Städten und Gemeinden nachdenken, auch GRÜNE zu unterstützen, son- prozentuale Augenhöhe mit SPD und CDU her- dern selbstverständlich von SPD-KandidatInnen stellen. Dann ergeben sich ganz neue Perspektiven ausgehen, kann es für uns als eigenständige und für Grüne Kandidaturen, vielleicht auch mal mit selbstbewusste Partei kaum einen Grund geben, Unterstützung von SPD oder CDU. uns hinten anzustellen. Freifahrtscheine für Kandi- Denn ein Lothar Mittag ist nicht genug! datInnen der SPD kann es für uns nicht geben. 16 2/08
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