100 Jahre Novemberrevolution - linke zeitung für politik und kultur in celle gratis! - Revista

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  linke zeitung für politik und kultur in celle
       Nr. 92                                                           Nov./Dez. 2018

       100 Jahre Novemberrevolution
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     revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018                                                          1
INHALT
Nordwall gegenläufig
        Dümmer geht’s nimmer                        3
Lastenrad-Verleihstationen in Celle                 4
ADFC-Klimatest 2018                                 5
„Tricksen, täuschen, simulieren“
        CZ und Nigge hetzten gegen Flüchtlinge     6
                                                        Hallo werte Leser*innenschaft,
Nahverkehrsplan ohne Ambitionen                    10
Rückblick auf „Rheinmetall entwaffnen“                  das Titelbild ist für uns oft ein Problem. Eigentlich
                                                        wollen wir immer was mit Lokalbezug. Das ist
        Diskutieren, demonstrieren & blockieren    11   manchmal schwierig. Diesmal haben wir in unserem
Meldungen                                          14   Bestand einen Scan von der Sicherheitskompagnie
                                                        des Arbeiter- und Soldatenrates vor dem Celler
Laternen: Aufstehen oder Sitzenbleiben?            16   Schloss gefunden. Leider mit mieser Qualität. Dann
100 Jahre Novemberrevolution                            haben wir bis zum Redaktionsschluss nicht herausbe-
                                                        kommen können, wer das Original hat. Deshalb wur-
        Rote Fahnen auf dem Celler Schloss         18   de das Foto dann in der Weise bearbeitet, dass es ei-
Film-Essay „Der Heidekomplex“                      23   gentlich noch älter aussieht & anders vors Schloss
                                                        montiert ist – wenn ihr's mit dem Foto auf Seite 20
Theater 1: Aufstand                                24   vergleicht, seht ihr den Montagecharakter.
Theater 2: Benefiz                                 25
                                                        Dummerweise denken wir manchmal, dass ihr das
Ausstellung: Anna Jander - Blow Up                 26   Heft nur wegen des Titelbildes mitnehmt & fürchten
Schwarze Mamba / Stopp Paradox!                    28   dann, dass ihr's mit derart altem Kram liegen lasst.
                                                        Aber dann denken wir auch: Wenn wir ein Foto von
Rolf Gössner – Veranstaltung zu Sicherheitsstaat   29   Alarmsignal auf den Titel genommen hätten, würden's
NSU – Keine Ruhe nach dem Urteil                   30   alle liegenlassen, die mit Punk nichts anfangen kön-
                                                        nen. - Also eigentlich egal.
Neues von Alarmsignal - Attaque                    31
revista-Kneipenquiz im Morlock                     32   Bedanken möchten wir uns spendentechnisch bei Do-
                                                        ris – unsere Kontonummer ist unten im Kasten.
Veranstaltungen zur Pogromnacht                    33
Kino, Veranstaltungen & Konzerte                   34   Eure revista
                                                        PS.: Ursprünglich war für den 23./24.10. ja ein CEL-
                                                        LER TRIALOG angesetzt – er ist erneut von der
                                                        Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik aus dem
                                                        Programm genommen worden.

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Bündnis '90/Die Grünen und Die Linke/BSG dagegen

                 Nordwall gegenläufig – dümmer geht nimmer
   „Ich habe die Hoffnung, dass ich noch vor Weihnach-        onsarme Fassadengestaltung. Was aber in der öffentli-
ten mit der Spitzhacke auf ein Haus einschlagen darf -        chen Diskussion niemand erwähnt: Die Grenzwerte las-
als Symbol dafür, dass der Abriss auch wirklich be-           sen sich nur dann einhalten, wenn neben dem Bau mit
ginnt.“ So äußerte sich Oberbürgermeister Jörg Nigge,         lärmarmem Asphalt auch Tempo 30 eingeführt wird.
nachdem der Stadtrat am 27. September gegen die Stim-
                                                                 SPD und Bündnisgrüne meinen, mit der Gegenläufig-
men von Bündnis '90/Die Grünen und Die Linke/BSG
                                                              keit des Nordwalls könne die Schuhstraße wieder zur
den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan zum
                                                              Fußgängerzone werden. Stadtbaurat Kinder hat in der
Nordwall beschlossen hatte.
                                                              Ratssitzung dafür Offenheit signalisiert. Dass man damit
    Wie können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass         das Ursprungskonzept von Innerem und Äußerem Ring
es wirklich nur noch um ein SYMBOL geht. Was war              aufgibt (und wovor seinerzeit immer gewarnt wurde), ist
das Ziel der Planungen des Äußeren Rings? Die bessere         ja egal. Aber? Den Bürger*innen wird wieder etwas vor-
Erreichbarkeit der Innenstadt und die städtebauliche Ent-     gemacht. Wer sich die Planung etwas genauer anschaut,
wicklung des nördlichen Nordwalls. Die Ursprungspla-          wird feststellen, dass es keine Möglichkeit mehr geben
nung ist inzwischen ja 15 Jahre alt. Gäbe es heute noch       wird, vom Nordwall in die Hehlentorstraße abzubiegen.
ein Planungsbüro, das der seit damals herbeigesehnte          D.h.: Bei einer Sperrung der Schuhstraße müsste ein Ver-
Gegenläufigkeit den Stempel des Zeitgemäßen geben             kehr, der vom Nordwall dahin will, den Umweg über den
würde? Nein. Alles Diskussionen laufen darauf hinaus,         Kreisel machen. Egal, der soll ja allein dadurch, dass aus
den individualisierten Motorverkehr aus den Innenstäd-        dem Norden kommend direkt in den Nordwall gefahren
ten rauszuschmeißen. Was hier passiert, ist aber im Ernst     werden kann, wieder funktional werden: auch für Fuß-
doch, eine zusätzliche Möglichkeit nach Braunschweig          gänger*innen.
aufzumachen – Mitten durch die Altstadt. Autos raus aus
                                                                 Was Oliver Müller in der Ratssitzung zu Recht kri-
der Innenstadt – das gilt nicht nur für Groß- und Mega-
                                                              tisch anmerkte: Seit Jahren stehen im Haushalt die glei-
städte, es ist auch die Zukunft von Städten wie Celle (das
                                                              chen Zahlen, egal wie sich die Planungen ändern, egal
vorbildliche Beispiel ist die Stadt Hasselt in Belgien, ge-
                                                              ob Baukosten steigen. Hier könnte es noch ein ungemüt-
nauso groß wie Celle). Und das nicht nur hinsichtlich der
                                                              liches Erwachen geben. Für Kreisel und Tiefbauarbeiten
Mobilitätswende. Es gilt genauso für die Aufenthaltsqua-
                                                              sind ja schon 12 Millionen geflossen – jetzt soll's noch
lität in der Altstadt und damit – unterm Strich – auch für
                                                              5,9 Millionen kosten.
die Rettung der Altstadt als Konsumzentrum.
   Durch das Festhalten an dem falschen Verkehrskon-
zept ist am nördlichen Nordwall jetzt über ein Jahrzehnt
nichts passiert, systematisch ist also der ja vorhandene
Bestand an Wohnungen heruntergekommen. Zumindest
in der Fläche und Anzahl wird die Neubauplanung hinter
dem Bestand, in den Nigge die Spitzhacke schlagen will
zurückbleiben.
   Was wird jetzt versprochen? „... ein lebendiges städti-
sches Flair mit Handel, Gastronomie, Kultur […]
Gleichzeitig soll Wohnen in der Altstadt attraktiver wer-
den.“ All das war ja vorhanden gewesen, aber wurde
systematisch plattgemacht - bei einer anderen Perspekti-
ve hätte längst in die Abrissgebäude investiert werden
können, die MTV-Halle modernisiert und Kunst & Büh-
ne belebt werden können - und neben dem Rio's wäre bei
einer anderen Perspektive noch Platz gewesen für eine
weitere Gastro-Nutzung im Nordwall. Das alles steht
jetzt eigentlich nur in den Sternen.
   Denn erst einmal – und das zeigen die Gutachten
deutlich – wird es lauter. Es gibt ein fettes Lärmproblem,       Die Ratsfraktion von Bündnis '90/Die Grünen ist jetzt
das das ganze Stadtteilaufhübschungsgelaber ad absur-         gegen die Planung. Immer noch nicht wegen der Gegen-
dum führt (über das aber niemand spricht). Von den            läufigkeit, sondern weil die Verwaltung jetzt Abriss und
Empfehlungen der Gutachter wird praktisch nur eine ein-       Straßenbau betreibt, ohne wirklich einen Plan für die Be-
zige Maßnahme übernommen wird, und zwar: reflexi-             bauung des nördlichen Nordwalls zu haben.
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      revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018                                                          3
Clara 1 und Clara 2 – so heißen die neuen Cargo Bikes

Lastenrad-Verleihstationen in Celle
   Seit Anfang September gibt’s in Celle zwei und in             test, gibst du es wieder an der Ausleihstation ab, na-
Faßberg ein Lastenrad kostenlos auszuleihen. Das Ganze           türlich innerhalb deiner Buchungszeit und in dem
ist ein kostenloses Angebot der Celler Lastenrad Initiati-       Zustand, in dem du es vorgefunden hast.
ve (Stadt Celle, ev.--luth. Kreuzkirche Celle, Mitglieder
                                                               Grundsätzlich gibt es keine Begrenzung für die An-
des ADFC Celle und ECSTATIX), das keine kommerzi-
                                                             zahl der Buchungen pro Nutzer*in. Fairerweise sollte
ellen Zwecke verfolgt., sondern – wie es auf der Websei-
                                                             das Lastenrad nicht mehr als ein- bis zweimal pro Monat
te heißt: „Wir wollen Mobilität in der Stadt ohne Auto
                                                             gebucht werden, damit auch andere Nutzer*innen zum
fördern und stellen deshalb jeder volljährigen Person
                                                             Zuge kommen.
unsere Lastenräder zur Verfügung.“ Die Anschaffung
der Lastenräder wurde mithilfe von Fördergeldern aus           In Faßberg heißt das Projekt „Schnucken-Shuttle /
dem Klimaschutzfonds der Stadt und Spenden von Pri-          Freies Lastenrad Faßberg“ und ist über die Webseite ww-
vatpersonen möglich gemacht.                                 w.schnucken-shuttle.de zu erreichen.
  Die Lastenräder werden im Rotationsprinzip an ver-
schiedenen Stationen ausgegeben. Dazu gehören:
  Brand-Fahrräder, Hannoversche Str. 34
  Unterwegs, Rabengasse 8
  Kornstube, Spörkenstr. 76
  Radhof der Kreuzkirche, Windmühlenstraße 45
  Biofachmarkt Ökokost, Altencellertorstr. 4
  Lobetal-Frischemarkt, Bergstr. 4
   Zur Verfügung stehen in Celle zwei Lastenräder. Un-
ter dem Namen Clara 1 gibt’s das „Bakfiets CargoBike
Classic Long“ unter dem Namen Clara 2 das „Bakfiets
CargoBike Classic short“. Beide Versionen sind versehen
mit: Pendix eDrive 1000, NuVinci 380 Nabenschaltung,
Gepäckträger, Nabendynamo, LED-Beleuchtung, AXA
Rahmenschloss, maximale Zuladung 180kg (für
Fahrer*in und Lasten zusammen).

Wie wird’s gemacht?
1. Registriere Dich bei deinem ersten Besuch auf der
   Webseite (https://celler-lastenrad.de/). Danach mel-
   dest du dich einfach an.
2. Auf der Webseite kannst du unter „Kalender“ sehen
   wann und wo die Räder verfügbar sind. Dann kannst
   du das Rad buchen und erhältst daraufhin ein Code-
   wort per Mail. Zu beachten ist, dass maximal drei
   Tage (z.B.Wochenende) am Stück ausgewählt wer-
   den können.
3. An deinem Buchungstag kommst du zur Station,
   hast das Codewort und zeigst deinen Personalaus-
   weis vor. Die Daten auf dem Personalausweis wer-
   den auf dem Ausleih-/Rückgabeformular bei der Sta-
   tion notiert. Darauf musst du auch die Nutzungsbe-
   dingungen per Unterschrift akzeptieren.
4. Bevor du losfährst, solltest du das Lastenrad auf
   Schäden kontrollieren.
5. Hast du alles erledigt, was du mit dem Rad tun woll-
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    4                                                                 revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018
Noch bis Ende November läuft die Umfrage zum
ADFC-Fahrradklima-Test. Der Fahrrad-Club ruft ge-
meinsam mit dem Bundesverkehrsministerium wieder                                        Schokofahrt
Radfahrer*innen dazu auf, die Fahrradfreundlichkeit von
Städten und Gemeinden zu bewerten. Der Test hilft,           Mit 50 kg Schokolade im Gepäck erreichten am Mitt-
Stärken und Schwächen der Radverkehrsförderung zu er-      woch, den 10.10., die Lastenfahrräder der „Schokofahrt“
kennen.                                                    Celle. In nur vier Tagen hatten sie die Strecke Amster-
   Bei der Online-Umfrage werden 32 Fragen zur Fahr-       dam – Celle zurückgelegt. Auf der Stechbahn begrüßten
radfreundlichkeit gestellt - beispielsweise, ob das Rad-   Mitglieder vom EineWelt Arbeitskreis Celle e.V. die
fahren Spaß oder Stress bedeutet, ob Radwege von           Fahrer.
Falschparkern freigehalten werden und ob sich das Rad-        Die „Schokofahrt“ ist eine dezentral organisierte Fahr-
fahren auch für Familien mit Kindern sicher anfühlt.       radtour für den emissionsfreien Transport von Schokola-
Mehr als 120.000 Bürgerinnen und Bürger haben 2016         de. Die von den Lastenradfahrern transportierte Schoko-
mitgemacht und die Situation in über 500 Städten beur-     lade ist unter biologischen, nachhaltigen und fairen Be-
teilt. Celle schloss beim letzten ADFC-Fahrradklima-       dingungen angebaut, geerntet und gehandelt. Den Weg
Test mit der Note 4,0 auf Platz 65 der Städte mit 50.000   aus der Karibik nach Europa hat sie emissionsfrei per
– 100.000 Einwohner*innen ab. Die Bewertungen vom          Segelschiff ausschließlich mit Windkraft zurückgelegt.
letzten Durchgang gibt es auf www.fahrradklima-
test.de/karte.                                                Die Schokolade ist jetzt im Weltladen Celle sowie bei
                                                           Huth´s Kaffee & Feinkost zu erwerben. Mehr Infos un-
   Die Umfrage läuft noch bis zum 30. November 2018        ter: http://schokofahrt.de/de/
über die Internetseite www.fahrradklima-test.de. Die Er-
gebnisse werden im Frühjahr 2019 präsentiert. Ausge-
zeichnet werden die fahrradfreundlichsten Städte und
Gemeinden nach sechs Einwohner-Größenklassen sowie
diejenigen Städte, die seit der letzten Befragung am
stärksten aufgeholt haben.
   ADFC-Bundesvorsitzender Ulrich Syberg sagt:
„Wenn die Menschen das Radfahren als komfortabel und
sicher empfinden, dann nutzen sie das Rad bei jeder Ge-
legenheit - das wissen wir aus Studien und Vorbildstäd-
ten. Wenn nicht, dann wählen sie das Auto, auch für die
allerkürzesten Wege. Das bringt Probleme, die intelli-
gente Kommunen vermeiden wollen. Als Kundenbarome-
ter des Radfahrens ist der Fahrradklima-Test deshalb
ein wichtiger Indikator: Er gibt den Städten und Ge-
meinden ganz klare Rückmeldungen darüber, wie die
Menschen die Situation auf dem Fahrrad wahrnehmen
und was sie stresst. Besonders aufschlussreich ist dabei
die Generationenfrage: Können auch Familien mit Kin-
dern oder Ältere problemlos mit dem Rad unterwegs
sein? Deshalb haben wir in diesem Jahr einige Zusatz-
fragen zum Thema Familienfreundlichkeit gestellt.“
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      revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018                                                          5
Abgelehnte Asylbewerber*innen „tricksen, täuschen, simulieren“ (CZ)

Nigge und CZ meinen „Anti-Abschiebe-Industrie“
   Der Begriff „Anti-Abschiebungsindustrie“, mit dem             4. Wie beurteilt die Stadtverwaltung die Zusammenar-
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Mai               beit mit dem Landkreis Celle und den zuständigen Lan-
hausieren ging, war so recht nach dem Geschmack der           desbehörden bei der Abschiebung der ausreisepflichti-
Rechtsextremen aller Couleur. Und dass Andreas Voß-           gen Zuwanderer?“
kuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, dem
                                                                 Unter den vielen ähnlich gelagerten AfD-Anfragen
deutlich widersprach („Wer rechtsstaatliche Garantien
                                                              zum Themenkreis Ausländer und Asyl fiel diese kaum
in Anspruch nimmt, muss sich dafür nicht beschimpfen
                                                              auf. Die Antwort allerdings schon. Sie lag in der ersten
lassen.“), hat zwar zur Ächtung des Begriffs, nicht aber
                                                              Verwaltungsausschusssitzung nach dem Sommerferien
der dahinter stehenden Gedanken beigetragen. Im Zu-
                                                              am 21. August vor – vertraulich. Der AfD-Fraktionsvor-
sammenspiel von AfD-Ratsfraktion, Verwaltungsspitze
                                                              sitzende Trenkenschu bat darum, sie im öffentlichen Teil
und Cellescher Zeitung wurde im September genau jenes
                                                              des Betriebsausschusses der Zuwanderungsagentur am
Ressentiment bedient. Zu Recht skandalisierte der Nie-
                                                              18. September zu behandeln. Der Oberbürgermeister
dersächsische Flüchtlingsrat die „Hetze gegen Geflüch-
                                                              sagte eine Prüfung zu, die das Ergebnis brachte, die An-
tete“. Da nicht so offensichtlich ist, was sich hier abge-
                                                              frage sei im nichtöffentlichen Teil zu behandeln.
spielt hat, wollen wir der Sache auf den Grund gehen.

Anfrage zu straffälligen Zuwanderern                          „Gekommen um zu bleiben“ (CZ)
                                                                 Das fand Michael Ende wahrscheinlich sehr lustig –
   Mitte April 2018 behauptete die WELT auf Grundlage
                                                              nämlich einen ressentimentgeladenen Artikel gegen Ge-
einer Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, dass trotz ei-
                                                              flüchtete mit einem Songtitel der flüchtlings-solidari-
ner Gesetzesänderung nur wenige straffällige Ausländer
                                                              schen Band „Wir sind Helden“ zu versehen. Breit zitierte
abgeschoben würden („Fast alle ausländischen Straftä-
                                                              er am 8. September aus der (vertraulichen) Verwaltungs-
ter bleiben im Land“). Das nahm die AfD-Fraktion im
                                                              vorlage, nicht ohne die Aussagen zuzuspitzen. Und als
Celler Stadtrat zum Anlass für eine Anfrage:
                                                              Kronzeugen bietet er Oberbürgermeister Dr. Jörg Nigge
   „1. Wie viele straffällige ausreisepflichtige Zuwande-     auf, der in der Überschrift mit dem Satz zitiert wird:
rer, die wegen einer Straftat verurteilt sind, sind zuletzt   „Der Staat darf hier nicht wegsehen.“
im Stadtgebiet gemeldet? Bitte getrennt nach Staatsan-
                                                                Eigentlich hätte die Antwort der Verwaltung knapp
gehörigkeit angeben.
                                                              ausfallen können – und zu den ersten drei Fragen ist es
   2. Wie viele gefährliche oder straffällige Zuwanderer      auch so:
wurden in dem Zeitraum seit 2014 abgeschoben bzw.
                                                                 „Zu 1.: Im Stadtgebiet halten sich derzeit lediglich
sind freiwillig ausgereist. Bitte getrennt nach Jahr,
                                                              vier ausreisepflichtige Ausländer (türkisch, ukrainisch,
Staatsangehörigkeit und Ausreiseart angeben. Haben die
                                                              vietnamesisch und ein ungeklärter Staatsangehöriger)
freiwillig Ausgereisten finanzielle Unterstützung erhal-
                                                              auf, deren Ausreisepflicht lediglich auf Grund der Aus-
ten? Wenn je ja, in welcher Höhe?
                                                              weisung aus der Bundesrepublik Deutschland besteht.
   3. Sind der Verwaltung Fälle bekannt, bei welchen die      […] Darüber hinaus halten sich weitere neun ausreise-
freiwillig Ausgereisten wieder nach Deutschland zurück-       pflichtige, ausgewiesene Straftäter in unterschiedlichen
gekommen sind? Wenn Ja, bitte nennen Sie dazu die An-         Justizvollzugsanstalten auf.
zahl der Personen und deren Staatsangehörigkeit.
                                                                 Zu 2.: Der folgenden Tabelle können die Daten zu
                                                              ausgewiesenen und/oder abgeschobenen Straftätern aus
                                                              dem Gebiet der Stadt Celle entnommen werden. [Laut
                                                              Tabelle waren es seit 2014 31 Personen, überwiegend
                                                              aus Osteuropa.] In den Jahren 2014 bis heute sind keine
                                                              verurteilten Personen freiwillig ausgereist oder haben
                                                              eine finanzielle Unterstützung erhalten. Die Abschie-
                                                              bung von Häftlingen erfolgt in der Regel direkt aus der
                                                              Haftanstalt.
                                                                  Zu 3.: Entfällt. Keiner der oben genannten Straftäter
                                                              ist wieder in das Bundesgebiet zurückgekehrt.
                                                                Zu 4.: Die Zusammenarbeit bei Abschiebungen der
                                                              Ausländerbehörde der Stadt Celle mit der Landesauf-
                                                              nahmebehörde Niedersachsen und der Polizei Celle läuft
                                                              grundsätzlich einwandfrei.“
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Damit wäre die Anfrage beantwortet gewesen. Irgend-
etwas aber treibt die Verwaltung dazu, im weiteren aus-
führlichst darauf einzugehen, warum sich 98 ausreise-
pflichtige Ausländer/-innen im Stadtgebiet Celle aufhal-
ten. Und da sind wir dann bei der „Anti-Abschiebe-
Industrie“. Denn: Obwohl sich jede einzelne der Perso-
nen legal, d.h. geduldet, im Stadtgebiet aufhält, sugge-
riert die Verwaltung für bestimmte Personengruppe an-
deres. Hier nur die gravierendsten zwei Punkte:

Reiseunfähigkeit aus medizinischen
Gründen
   „Eine weitere, nicht unerhebliche Anzahl der im
Stadtgebiet befindlichen vollziehbar ausreisepflichtigen
Ausländer/innen wird aus medizinischen Gründen gedul-
det. So auch deren Familienmitglieder gem. Art. 6 Abs. 1    die Klinik Wahrendorff, wo ihnen u.a. Posttraumatische
Grundgesetz. Hier sieht sich die Ausländerbehörde mit       Belastungsstörungen attestiert werden. Damit sieht sich
unterschiedlichsten ärztlichen Attesten, Bescheinigungen    dann die Ausländerbehörde KONFRONTIERT. Mit be-
und Gutachten durch Allgemeinärzte oder auch                dauerndem Ton wird weiter mitgeteilt, dass die Gutach-
Fachärzte konfrontiert. Hier zeigt die Erfahrung, dass      ten „nur in den wenigsten Fällen als „unzureichend“
insbesondere die dem Klinikum Wahrendorff zugehörige        beurteilt werden“ könnten. Es bedürfe der Einschaltung
und in Celle ansässige „Psychiatrisch-Psychosomati-         des Amtsarztes bzw. eines von der Stadt Celle zu bezah-
sche Klinik“ (auch „Schlepegrellklinik“ genannt) Aus-       lenden Facharztes, „um ein Gegengutachten zur Bewer-
länderinnen und Ausländern ärztliche Gutachten aus-         tung der Reisefähigkeit erstellen zu lassen.“ Warum aber
stellt, in denen u.a. „Posttraumatische Belastungsstö-      überhaupt ein Gegengutachten? Weiter heißt es: Auch
rungen“ (sog. PTMS) oder gar „akute suizidale Tenden-       die „Begutachtung durch den Amtsarzt führt in vielen
zen“ attestiert werden, sodass zunächst eine durch den      Fällen nicht zur Feststellung der Reisefähigkeit.“ Des-
Mediziner angegebene Reiseunfähigkeit besteht. Ärztli-      halb, so die weitere Argumentation, müssten Fach-
che Gutachten werden häufig erst nach dem (vollzieh-        ärzt*innen für Gegengutachten eingeschaltet werden, die
bar) abgeschlossenen Asylverfahren ausgestellt, daher       aber 2000 Euro kosten würden. Und weil man sich das
sind sie inhaltlich in der Regel den sog. „inlandsbezoge-   nicht für alle Personen leisten könne, würden Personen
nen Abschiebehindernissen“ zuzuordnen. Die Zuständig-       geduldet – der Zusammenhang wird über das kleine
keit der Be- und Auswertung dieser Gutachten liegt da-      „so“ hergestellt. Die Behauptung ist am Ende: Die be-
mit bei der Ausländerbehörde. Ein solches Gutachten         stehenden Gutachten zur Reiseunfähigkeit würden fach-
kann nur in den wenigsten Fällen als „unzureichend“         ärztlichen Gegengutachten nicht standhalten.
beurteilt werden – dies wäre der Fall, wenn das Gutach-        Michael Ende bringt es in der Celleschen Zeitung
ten nicht den gesetzlichen Anforderungen des Aufent-        dann auf den gemeinten Punkt: „Zum Beispiel soll es üb-
haltsgesetzes entspricht. Es bedarf der Einschaltung des    lich sein, sich mittels erschlichener psychologischer
Amtsarztes bzw. eines von der Stadt Celle zu bezahlen-      Gutachten für Jahre aus der Affäre zu ziehen.“ „Gefäl-
den Facharztes, um ein Gegengutachten zur Bewertung         ligkeitsgutachten“ nennt er es im Kommentar. Und er
der Reisefähigkeit erstellen zu lassen. Die Begutachtung    kann OB Nigge damit zitieren, dass sich „mittlerweile
durch den Amtsarzt führt in vielen Fällen nicht zur Fest-   ein Kreis von Ärzten herauskristallisiere, die primär von
stellung der Reisefähigkeit. Ein Facharzt ist in der Lage   Asylsuchenden gewählt würden. Hier würde bereits eine
sich mit der Komplexität des Sachverhaltes sowie den        einfach Amtsarztpflicht möglichem Missbrauch vorbeu-
diversen Vor-Gutachten auseinanderzusetzen und eine         gen.“ Nigge unterstellt hier Ärzt*innen Missbrauch –
eigene Bewertung der Sachlage vorzunehmen. Die Aus-         und geht damit über den schon zweifelhaften Ton der
länderbehörde hat bereits in einem Fall ein solches Ge-     Verwaltungsvorlage noch hinaus.
gengutachten zur Feststellung der Reisefähigkeit erstel-
len lassen, dieses schlägt mit rd. 2.000€ zu Buche. Für       Gegen die Geflüchteten wird ganz offen ein Ressenti-
ein geeignetes Gegengutachten ist somit pro Fall mit ei-    ment geschürt,wenn es heißt:
ner Bezahlung in Höhe von 2.000€ zu rechnen. Derzeit           „Ebenfalls unter den Bereich der aus medizinischen
kann die Ausländerbehörde dies allerdings nicht bei al-     Gründen geduldeten Ausländer/-innen fallen solche Per-
len betroffenen Personen leisten. So werden weitere 22      sonen, die am Tage der durchzuführenden Abschiebung
vollziehbar ausreisepflichtige Personen aus medizini-       ohne vorheriges Indiz (Attest u.ä.) einen Anfall, Herzat-
schen Gründen (deren Familienmitglieder eingeschlos-        tacke oder ähnliches vorzuspielen scheinen. Hier sind
sen) geduldet.“                                             die vollziehenden Akteure angehalten einen Notarzt hin-
   Erzählt wird hier folgende Geschichte: Nach einem        zuzuziehen und die Abschiebung (für die gesamte Fami-
abgeschlossenen Asylverfahren wenden sich Personen,         lie) abzubrechen. Wurde eine solche Abschiebung abge-
die von Abschiebung bedroht sind, an Ärzt*innen oder        brochen, erhält die Ausländerbehörde zeitnah Atteste
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      revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018                                                          7
über die scheinbare Reiseunfähigkeit bzw. Krankheit          Duldung zu erteilen. Dabei unterliegt es nicht der Be-
der/des Abzuschiebenden.“                                    wertung durch die Verwaltung, in welcher Weise Anwäl-
                                                             tinnen und Anwälte für ihre Mandantinnen und Mandan-
   Es ist einfach unglaublich, dass eine Behörde, wenn
                                                             ten tätig werden. Geradezu sprachlos macht die in den
sie denn ein Attest über Reiseunfähigkeit bekommt, die-
                                                             Raum gestellte Behauptung, bei Abschiebungen würden
se Reiseunfähigkeit mit dem Adjektiv „scheinbar“ ver-
                                                             Herzattacken vorgespielt. Insgesamt stellt die Verwal-
sieht und behauptet, Anfälle, Herzattacken oder ähnli-
                                                             tung mit in ihren kommentierenden Passagen rechts-
ches seien „vorgespielt“. Ohne jeden Beleg dafür vor-
                                                             staatliche Verfahren in Frage. [...] Leider bedient sich
weisen zu können.
                                                             auch die Lokalpresse des Sounds der Rechtsextremisten,
   Gegenüber der taz wies Rainer Brase, Geschäftsführer      wenn sie von „Tricksen, Täuschen und Simulieren“
des Klinikums Wahrendorff, die Unterstellungen zurück:       schreibt. In diesem Sinne ist auch die Kritik des Ober-
„Unsere Ärzte sind keine Dilettanten. Sie lassen sich        bürgermeisters an begutachtenden Ärztinnen und Ärzten
nicht leicht durch vorgespielte Erkrankungen täuschen.“      einfach unverschämt. Wenn er die Auffassung vertritt,
Viele Geflüchtete zeigten Zeichen einer PTBS oder            der Staat dürfe hier nicht wegsehen, um die Menschen
steckten in akuten suizidalen Krisen. „Das sind die Fol-     nicht an Randparteien zu verlieren, bedient genau deren
gen der Grausamkeiten eines Krieges“, sagt Brase. „Es        Ressentiment.“
macht mich betroffen zu sehen, wie wir mit den Flücht-
                                                               Der Flüchtlingsrat kritisierte selbstverständlich die
lingen umgehen.“ Die Bundespsychotherapeutenkammer
                                                             Ausfälle gegen Ärzt*innen und Rechtsanwält*innen, be-
(BptK) vertritt die Position, dass mindestens etwa ein
                                                             wertete dann aber auch die politische Seite des Skandals:
Viertel der Flüchtlinge in Deutschland unter einer post-
traumatischen Belastungsstörung leidet.                         „Aus der 2015 auch von der Stadt Celle proklamier-
                                                             ten „Willkommenskultur“ ist wieder die alte, aus frühe-
Anwälte mit „Beraterfunktion“                                ren Jahren sattsam bekannte Cellesche Feindbilderklä-
  Kritisiert wird auch eine weitere Personengruppe,          rung gegen Jurist*innen und Menschenrechtler*innen
nämlich Rechtsanwält*innen und Mitarbeiter*innen von         geworden, die den reibungslosen Vollzug von Abschie-
Beratungsstellen. Die Verwaltung meint:                      bung behindern. Der Celler Oberbürgermeister Jörg
                                                             Nigge (CDU) rundet die ganze Inszenierung mit einem
  „Zahlreiche Anwälte scheinen derart spezialisiert,         „Appell an die Landes- und Bundesregierung“ ab, „bei
dass sie eine Beraterfunktion einnehmen, um mit allen        der Abschiebepolitik klare Grenzen zu ziehen“.
zur Verfügung stehenden Mitteln - zum größten Teil nach
vollständiger Ausschöpfung des Rechtsweges - eine Ma-           In der Stadt Celle scheint die AfD den Diskurs in der
ximierung der Aufenthaltsdauer, ggf. auch einen dauer-       Flüchtlingspolitik zu bestimmen. Durchsichtig und frag-
haften Aufenthalt, erreichen zu können.                      würdig der Versuch des Oberbürgermeisters, sich selbst
                                                             als Mahner und Exekutor der von der AfD definierten
   Zudem werden weitere Einzelpersonen oder auch Or-         und von der Stadt Celle publizistisch inszenierten „Pro-
ganisationen beratend und unterstützend tätig und treten     bleme“ darzustellen, selbstverständlich um zu verhin-
für die Interessen der Ausreisepflichtigen ein. Auch diese   dern, dass „die Menschen sich den Randparteien … zu-
„Beratungsstellen“ spielen im Zusammenhang der Ver-          wenden“. Der Schuss wird absehbar nach hinten losge-
längerung der Aufenthaltsdauer eine zentrale Rolle, da       hen und der AfD zu weiterem Auftrieb verhelfen.
sie bei unterschiedlichen Personen mitwirken und ent-
sprechende Ratschläge erteilen.“                                Traurig ist aber auch, dass die Cellesche Zeitung die
                                                             von der Stadt Celle vorgenommene Inszenierung nicht
   Rechtsanwaltsbüros und Beratungsstellen machen ih-        hinterfragt, sondern befeuert. Von einer kritischen Be-
ren Job. Das Verwerfliche aus Sicht der Verwaltung ist       richterstattung ist zu erwarten, dass sie Fakten prüft und
offensichtlich, dass sie ihren Job gut machen, dass sie      Fragen stellt.“
„für die Interessen der Ausreisepflichtigen eintreten“ -
wofür sie im übrigen auch bezahlt werden. Und Bera-          „Nur Fakten geschildert“
tungsstellen sind Beratungsstellen, wer sie in Anfüh-
                                                            Nigge behauptete daraufhin über die CZ, er habe „nur
rungszeichen setzt, macht dies mit herabsetzender Ab-
                                                         Fakten geschildert“. Mit keinem Wort ging er auf die
sicht.
                                                         Vorwürfe ein, sondern kennzeichnete sie als „Polemik“.
„Hetze gegen Geflüchtete“                                Für ihn gelte seit eh und je eine „Nulltoleranz bei Frem-
                                                         denfeindlichkeit und Antisemitismus“: „Da helfen aber
   Auf den Artikel und die Kommentierung durch den       keine politischen Worthülsen, sondern klare Handlungs-
Oberbürgermeister reagierten zunächst das Ratsmitglied   leitlinien und Ziele.“ Die Cellesche Zeitung hatte ihn im
Behiye Uca (Die Linke) und Kai Weber vom Nieder-         ersten Artikel mit dem Satz zitiert: „Wir sind an einem
sächsischen Flüchtlingsrat. Und erfreulicherweise gab es Punkt angelangt, wo wir zwingend auf die Sorgen unse-
auch schnell einige Leser*innen-Briefe. Behiye Uca       rer Bürger hören und sie gleichzeitig ernst nehmen müs-
nannte es „skandalös, wie die Verwaltung mit ihrer Ant-  sen, wenn wir nicht weitere Verwerfungen wie jüngst in
wort Wasser auf die Mühlen der AfD leitet.“ Und weiter:  Chemnitz riskieren wollen.“ Wer ihn wie seine
   „Wenn Abschiebehindernisse gegeben sind, ist eine     Kritiker*innen an rechtsstaatliche Prinzipien erinnert,
                                                         polemisiert. Ernst zu nehmen ist dagegen das Abschiebe-
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geschrei sogenannter besorgter Bürger. Und da sind die      te/n hat eine Mitwirkungspflicht. Viele Botschaften sind
rechtsextremistischen Straftaten in Chemnitz dann eben      aber nicht bereit, Pässe auszustellen.
auch nur „Verwerfungen“.
                                                              7. Andere Gründe (9)
„Tricksen, täuschen, simulieren“                               Hier wird zum Beispiel die Minderjährigkeit der be-
  Statt Journalismus zu betreiben, täuscht die CZ ihre      troffenen Person genannt.
Leser*innen, indem sie u.a. mit einer Tortengrafik sug-        Ganz offensichtlich nehmen alle Personen rechtsstaat-
geriert 98 Personen würden ihren Aufenthalt in Celle mit    lich gegebene Möglichkeiten in Anspruch, um eine Dul-
„Abschiebungs-Verhinderungsstrategien“ bewerkstelli-        dung zu bekommen, um nicht abgeschoben zu werden.
gen. Hier lohnt sich ein Blick auf die Gründe, die zu ei-
ner Duldung, also der „vorübergehenden Aussetzung der       „Unhaltbarer Zustand“ (Henning Otte)
Abschiebung“, geführt haben:
                                                               Die Stimmen aus den übrigen Parteien sind teilweise
  1. Härtefalleingabe (25 Personen)                         unhaltbar. Der Bundestagsabgeordnete Otte (CDU) etwa
                                                            äußerte: „Wenn ein rechtskräftig abgelehntes Asylgesuch
   Das Aufenthaltsgesetz ermöglicht Bundesländern, so-
                                                            keine Folgen hat, ist dies den Menschen nicht zu vermit-
genannte Härtefallkommissionen einzurichten. Die
                                                            teln.“ Was hat dieser Mensch im Bundestag zu suchen?
Kommission soll Ausländer*innen eine letzte Chance auf
                                                            Erstens: Es hat immer Folgen – z.B. die Erteilung einer
einen legalen Aufenthalt in Deutschland ermöglichen
                                                            Duldung. Zweitens: Er selbst hat das Integrationsgesetz
und prüft die vorgebrachten humanitären oder persönli-
                                                            mit der Möglichkeit der Ausbildungsduldung beschlos-
chen Gründe. Im Kern geht es dabei darum, wie weit die
                                                            sen. Und das ist jetzt nicht vermittelbar?
Personen integriert sind (Sprache, Arbeit, Schule etc.).
                                                               Ähnlich der Landtagsabgeordnete Thomas Adsch
  2. Ausbildungsduldung (8)
                                                            (CDU): „Wer kein Recht auf Asyl […] hat, muss unser
   Im August 2016 trat mit dem Integrationsgesetz die       Land wieder verlassen.“ Nein, Herr Adasch – in dem
sogenannte 3+2-Regelung in Kraft, nach der Geduldete        Bundesland, in dem Sie Abgeordneter sind, gibt es z.B.
während einer qualifizierten Berufsausbildung eine spe-     eine Härtefallkommission. Und die kann beschließen,
zielle Ausbildungsduldung bekommen können. Die Er-          Menschen ein Aufenthaltsrecht zuzubilligen, die kein
teilung der Duldung und der anschließenden Aufenthalts-     Recht auf Asyl haben.
erlaubnis ist als Rechtsanspruch formuliert.
                                                               Die Celler SPD-Bundestagsabgeordnete Kirsten Lüh-
  3. Medizinische Gründe (22)                               mann wirft Nigge vor, er gieße „nur Öl ins Feuer und
                                                            bediene Vorurteile“, wenn er die Härtefallkommission
    Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht reisefähig
                                                            „völlig diskreditiere“ oder pauschal jedes ärztliche At-
ist, darf (noch) nicht abgeschoben werden. Die Bedin-
                                                            test in Frage stelle. Überflüssigerweise aber fordert sie
gungen sind im Aufenthaltsgesetz geregelt. Es muss eine
                                                            Veränderungen für Konstellationen, die alle gesetzlich
qualifizierte ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden.
                                                            geregelt und zum Teil auch gerade erst mit ihrer Stimme
Bei Zweifeln kann die Ausländerbehörde eine ärztliche
                                                            verschärft wurden.
Untersuchung anordnen. Für all das gibt es Gesetze, Ver-
waltungsvorschriften, Verwaltungsgerichtsurteile usw.          Und nebenbei: Bis auf Behiye Uca kritisierte niemand
                                                            Michael Ende und die CZ. Den ersten Platz als Brand-
  4. Deutsche Bezugspersonen (15)
                                                            stifter kann aber fraglos die Heimatzeitung und ihr Re-
   Das Grundgesetz schützt Ehe und Familie. Und so          dakteur beanspruchen.
muss eine Person bei beabsichtigter Heirat oder bei Kind
mit einem/einer deutschen Staatsangehörigen bis zur Er-
teilung eines Aufenthaltstitels geduldet werden. Im
Kommentar fällt Michael Ende dazu der Begriff „Schei-
nehe“ ein. Er hätte wissen können, dass Scheinehen kei-
nen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel begründen und
im übrigen auch strafbar sind.
  5. Familienangehörige nicht ausreisepflichtig (11)
   Die Europäische Menschenrechtskonvention sichert
ein Recht auf Achtung des Familienlebens. In der Konse-
quenz heißt das dann z.B., dass ein/eine abgelehnte/r
Ehepartner*in geduldet werden muss, bis auch über
die/den Partner*in eine Entscheidung getroffen ist.
  6. Identität ungeklärt, kein Pass (8)
  Wenn kein Pass vorhanden ist, kann nicht abgescho-
ben werden – also gibt’s eine Duldung. Die/der Gedulde-

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      revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018                                                          9
Mit Vollgas in die Katastrophe

Nahverkehrsplan ohne Ambitionen
   Im Dezember will der Kreistag über die Fortschrei-           freundlicheren Dispositionszeiten für Rufbusse bei.
bung des Nahverkehrsplans (NVP) entscheiden. Große              [...]
Diskussionen wird es nicht geben, denn der ÖPNV ist
                                                            •   In der Folge ist die Fahrgastnachfrage im ÖPNV
bis ins Jahr 2025 an CeBus vergeben und die Fortschrei-
                                                                weitgehend stabil und nicht – wie nach dem ab 2011
bung, die die Berliner PROZIV Verkehrs- und Regional-
                                                                geltenden Nahverkehrsplan zu befürchten – deutlich
planer GmbH & Co. KG vorlegt hat, sieht eine positive
                                                                rückläufig.“
Entwicklung und nur wenig neue Aufgaben.
                                                               Die Nachfrageentwicklung sehen die Gutachter*innen
   So sei in den letzten drei Jahren „ein quantitativ und
                                                            aufgrund günstiger Schülerverkehrsdaten, aber auch bei
qualitativ wesentlich verbessertes Bedienungsniveau er-
                                                            der sogenannten Jedermannnachfrage noch bis 2023 sta-
reicht und der ab 2011 geltende Nahverkehrsplan in al-
                                                            bil bzw. sogar um 2,0 – 3,0 % leicht ansteigend. Diese
len wesentlichen Bestandteilen umgesetzt worden.“ Im
                                                            Entwicklung verlaufe im südlichen Teil des Kreises und
einzelnen:
                                                            in der Stadt Celle deutlich günstiger als im nördlichen
•   „Die angebotene Leistung ist von einem zwischen-        Teil des Kreises. Nach 2023 sei es damit aber vorbei.
    zeitlichen Tiefstand um 30 % erhöht worden, in der
                                                              So weit die Analyse. Und spätestens hiermit wird’s
    Stadt Celle sogar um 39 %. [...]
                                                            dann finster. Weil: Welche Ziele setzt sich der NVP? In
•   Die Anzahl der Haltestellenabfahrten hat sich er-       Celle bestehen diese in einigen qualitativen Verbesserun-
    höht. [...]                                             gen (z.B. Barrierefreiheit), aber quantitativ: Fehlanzeige.
                                                            Im NVP gibt es weder den Klimawandel noch das Erfor-
•   Der Anteil der Taktverkehre hat sich von 40 % auf
                                                            dernis einer Mobilitätswende.
    60 % erhöht.
                                                               Vielleicht sind die Entwicklungszahlen zum Motori-
•   Reisezeitüberschreitungen im Schülerverkehr sind
                                                            sierungsgrad auch einfach zu ernüchternd:
    weitestgehend beseitigt und Elemente einer Schüler-
    verkehrsoptimierung umgesetzt.                             „Am 01.01.2010 waren im Landkreis Celle 94.630
                                                            Pkw zugelassen Motorisierungsgrad 533 Pkw/1000
•   Der eingesetzte Fuhrpark wurde grundsätzlich mo-
                                                            Einw.), darunter in der Stadt Celle 34.507 Pkw (Motori-
    dernisiert und auf ein gutes Komfortniveau ge-
                                                            sierungsgrad 495 Pkw/1000 Einw.). Zum letzten verfüg-
    bracht. [...]
                                                            baren Stichtag 01.01.2016 waren 103.461 Pkw zugelas-
•   Die Nutzerzufriedenheit ist auf einem völlig neuen      sen, darunter 37.547 Pkw in der Stadt Celle, was einem
    Niveau angekommen. Dazu tragen auch die kunden-         Motorisierungsgrad im Kreisgebiet von 581 und in der
                                                            Stadt Celle von 538 Pkw/1000 Einwohner entspricht und
                                                            damit fast unvermindert stark (durchschnittlich um +1,8
                                                            %/a im Kreis und +1,7 %/a in der Stadt Celle) angestie-
                                                            gen ist.
                                                              Dieser Motorisierungsgrad liegt geringfügig über den
                                                            Werten für das Land Niedersachsen mit 571 Pkw/1.000
                                                            Einw. und deutlicher über dem Bundesdurchschnitt von
                                                            548 Pkw/1.000 Einwohner. [...]
                                                               Der Prognose zugrunde gelegt wurde eine weitere Zu-
                                                            nahme des Motorisierungsgrades bis 2023 um durch-
                                                            schnittlich +1,4 %/a im Kreisgebiet insgesamt (in Sum-
                                                            me +11,2 %) und +1,0 %/a in der Stadt Celle (in Summe
                                                            +8,0 %). Nach der Prognose wird bis 2023 ein Motori-
                                                            sierungsgrad im Kreisgebiet von 646 Pkw/1.000 Ein-
                                                            wohner und in der Stadt Celle von 581 Pkw/1.000 Ein-
                                                            wohner erreicht sein.“
                                                               Ein Nahverkehrsplan in Zeiten des Klimawandels
                                                            sollte sich doch das Ziel setzen, hier eine Wende zu
                                                            schaffen und den Motorisierungsgrad deutlich zurückzu-
                                                            schrauben. Alles andere – also das, was im Landkreis
                                                            Celle betrieben wird, ist Business as usual. Und das
                                                            heißt: Mit Vollgas in die Katastrophe.

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Rückblick auf „Rheinmetall entwaffnen – Krieg beginnt hier“

                           Diskutieren, demonstrieren & blockieren
   Eine Woche lang stand Unterlüß rund um den Anti-         kleinere Aktionen gestartet, zum einen um mit der Be-
kriegstag am 1. September im Fokus norddeutscher Frie-      völkerung vor Ort ins Gespräch zu kommen, zum andern
densinitiativen. Das Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“       aber auch um symbolisch etwas Sand ins Getriebe der
hatte ein Camp juristisch durchgesetzt und durchgeführt,    Rüstungsproduktion zu streuen, Letzteres zum Beispiel
die Demonstration war laut und bunt und gut besucht,        durch eine „Critical-Mass“-Fahrradtour, die den mor-
die Blockade am Montag ein schöner Abschluss. Unterm        gendlichen Pendelverkehr ins Werk etwas entschleunig-
Strich ein Erfolg auf ganzer Linie, weil: Alles, was sich   te.
das Bündnis vorgenommen hatte, konnte umgesetzt wer-
                                                               Da die Demonstration nicht in Konkurrenz treten soll-
den. Ein Rückblick im Detail:
                                                            te zu einigen traditionellen Antikriegstags-Veranstaltun-
   Im Mai hatten sich erstmals Initiativen aus ganz Nord-   gen, wurde sie auf Sonntag, den 2. September, gelegt.
deutschland getroffen, um gemeinsam eine Demonstrati-
                                                               Die Frage, mit welcher öffentlichkeitswirksamen Ak-
on zum Antikriegstag am 1. September in Unterlüß vor-
                                                            tion der eigentliche Antikriegstag begangen werden soll-
zubereiten. Schnell wurde der Ansatz erweitert um die
                                                            te, wurde vom Bündnis an das Camp delegiert. Im Zen-
Idee eines Protestcamps, was auch „passte“, weil das
                                                            trum stand dann eine Gedenkveranstaltung am Ort des
„War-starts-here“-Camp in der Altmark in diesem Jahr
                                                            ehemaligen KZ Außenlagers Tannenberg. Etwa vier Ki-
ausgesetzt wurde. Die Zusammenarbeit lief fast unpro-
                                                            lometer nordöstlich von Unterlüß war im Herbst 1944 in
blematisch, auch um den „gewaltfreien“ Aktionskonsens
                                                            der Ortschaft Altensothrieth ein Außenlager des KZ Ber-
gab's keine strittige Diskussion.
                                                            gen-Belsen eingerichtet. Bei den weiblichen Personen
   Aufbauen konnte das Bündnis auf den Aktionstagen         handelte es sich hauptsächlich um Polinnen, aber auch
von JunepA im Mai vergangenen Jahres, über Camp und         Frauen ungarischer, jugoslawischer, tschechischer und
Blockade hatten wir in Heft #85 berichtet. Und ein Pro-     rumänischer Staatsangehörigkeit befanden sich unter ih-
blem wiederholte sich: Der Landkreis wollte das Über-       nen. Im Oktober / November 1944 waren hier rund 900
nachten im Camp nicht zulassen. Diesmal blieb ausrei-       weibliche KZ-Häftlinge, vor allem aus Polen, Ungarn,
chend Zeit und auch finanziell war es möglich, darum ju-    Jugoslawien, Tschechien und Rumänien untergebracht.
ristisch zu streiten – und zu gewinnen. (Die interessante   Ein großer Teil der Frauen musste in der Munitionsfabrik
Begründung des Verwaltungsgerichts erläutern wir auf        von Rheinmetall arbeiten. „Der Kontakt mit den giftigen
Seite 13.)                                                  Stoffen und das Einatmen der ungesunden Dämpfe zer-
                                                            störten die Gesundheit,“ schrieb der Historiker Bernd
   Zirkuszelt, Veranstaltungs- Info- und Infrastruktur-
                                                            Horstmann in einem Aufsatz für die „Encyclopedia of
Zelte wurden ab Mittwoch, den 19. August, auf dem
                                                            Camps and Ghettos“.
Dorfplatz in Unterlüß aufgebaut. In den Folgetagen wur-
de dann in dem selbstorganisierten Camp versucht, der         Eine öffentliche Auseinandersetzung oder Erinne-
Vision einer anderen solidarischen und gewaltfreien Ge-     rungspolitik seitens der Gemeinde Unterlüß hat in der
sellschaft Ausdruck zu verleihen. Neben einigen Info-       Vergangenheit nicht stattgefunden. So ist es vor allem
und Diskussionsveranstaltungen wurden immer wieder          der Initiative von Hendrik Altmann und seinem Blog

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      revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018                                                         11
found-places.blogspot.com zu verdanken, dass es eine        schätzen, wie viele Menschen zu einem solchen Aktions-
spurensuchende Erinnerungsarbeit gibt.                      Paket zu mobilisieren wären. Insgesamt lässt sich im
                                                            Nachhinein feststellen, dass die Erwartungen sich erfüllt
   Die Teilnehmer*innen der Aktion legten Blumen nie-
                                                            haben. Ein kleiner Wermutstropfen dabei: Aus dem
der und errichteten eine kleine Gedenktafel – mit diesem
                                                            Landkreis Celle direkt war die Beteiligung an den Aktio-
Moment bekamen die Aktionstage eine historische Ver-
                                                            nen doch eher dünn. Woran liegt es, dass sich
bindung, ganz im Geiste und im Sinne des Ausrufs für
                                                            Schüler*innen kaum in den Kampf gegen Krieg und
Frieden: „Nie wieder Faschismus, Nie wieder Krieg“.
                                                            Rüstungsexporte eingebracht haben? Den Organi-
   Auf dem Rückweg zum Camp wurde der Zaun des              sator*innen ist hier nichts vorzuwerfen. Die Werbung
Waffenherstellers über Kilometer hinweg mit pinken          war auch in Celle breit und offensiv. Das Aktionskonzept
Kreuzen und verschiedenen Sprüchen sowie Transparen-        war klar formuliert.
ten versehen, um zu verdeutlichen: Krieg beginnt hier.
                                                               Medial war die Kampagne regional erfolgreich, Zei-
   Am Sonntag fand schließlich die sehr bunte und sehr      tungen, Radio und TV berichteten. Überregional gab es
laute Demonstration mit über 500 Teilnehmer*innen           leider nur Berichte in taz, junge Welt und Neues
statt, zu der das breite Bündnis von über 70 Organisatio-   Deutschland.
nen aufgerufen hatte. Redebeiträge kamen von Zaklin
                                                               Aber machen wir uns nichts vor: Für Rheinmetall sind
Nastic (Die Linke), Brunhild Müller-Reiß (Friedensbüro
                                                            die Proteste zwar lästig, aber mehr aktuell auch nicht. Es
Hannover), Michael Schulze von Glaßer (DFG-VK),
                                                            gibt in Politik und Medien einfach (noch) zu viele Für-
Paul Stern und Charly Braun (DGB-Kreisvorsitzende in
                                                            sprecher*innen für eine expansive deutsche Rüstungsex-
Celle bzw. Heidekreis), Alfred Hartung (VVN-BdA), Vi-
                                                            portpolitik. Mit den Aktionen vor Ort ist die Kampagne
vien Hellwig (Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.) sowie
                                                            gegen Rüstungsexporte und Rheinmetall aber in eine
von Block War, Kassel, und "Gemeinsam kämpfen".
                                                            neue Phase getreten.
Nachhören lassen sich die Beiträge in einem Podcast von
Hossein Naghipour auf Radio Flora.                             Viele Einzelheiten zu den Aktionen, Fotos, Interviews
                                                            und auch das sehr sehr gute „Mobilisierungsvideo“ fin-
   Am Montagmorgen kam es schließlich zu einer Blo-
                                                            den sich nach wie vor auf dem Blog https://rheinmetall-
ckade der Zufahrtsstraße zum Neulüßer Rheinmetall-
                                                            entwaffnen.noblogs.org/ und wer „auf dem Laufenden“
Werk, durch die der Betriebsablauf und vor allem Anlie-
                                                            bleiben will: rheinmetallentwaffnen
ferungen verzögert werden konnten.
   Alles in allem war die Aktionswoche gegen Rheinme-
tall sehr erfolgreich. Es war im Vorfeld schwer einzu-
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      12                                                               revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018
Landkreis Celle muss Versammlungsauflagen ändern

                         Verwaltungsgericht hebt Schlafverbot auf
   Der Landkreis Celle als Versammlungsbehörde hatte         zelte so zu gestalten, dass sie optisch den Protest zum
in seinem Bescheid das Übernachten im Protestcamp un-        Ausdruck bringen, indem sie mit Beschriftungen, Plaka-
tersagt. Dagegen hatten die Anmelder*innen geklagt –         tierungen, Transparenten usw. versehen werden. Zudem
und sie bekamen durch das Verwaltungsgericht Lüne-           sei das gemeinsame Leben in dem selbstorganisierten
burg - Beschluss 5 B 39/18 vom 28.08.2018 - Recht. Der       Camp Ausdruck der Vision einer anderen solidarischen
Landkreis wurde verpflichtet, „den Aufbau und die Nut-       und gewaltfreien Gesellschaft. Das führte die Kammer
zung von drei Mannschaftszelten und bis zu 30 Schlafzel-     zu folgender Ansicht:
ten für ein bis drei Personen als Bestandteil des Protest-
                                                                „Danach stehen die der Übernachtung dienenden
und Diskussionscamps "Krieg beginnt hier! Rheinmetall
                                                             Zelte in einem engen funktionalen, organisatorischen
entwaffnen" versammlungsrechtlich zu bestätigen.“ Die
                                                             bzw. symbolischen Kontext zu der kollektiven Meinungs-
Kosten des Verfahrens hatte der Landkreis zu tragen.
                                                             kundgabe. Davon wird insbesondere bei der Durchfüh-
   Grundsätzlich vertrat die Kammer die Ansicht, dass        rung mehrtägiger Protestcamps als neuerer Versamm-
Anmelder*innen einer Versammlung, „selbst über Art           lungsform ausgegangen, wenn diese (auch) das Ziel ver-
und Umstände der Ausübung ihres Grundrechts zu be-           folgen, bereits durch tagelange Präsenz eine Stellung-
stimmen, also zu entscheiden, welche Maßnahmen sie           nahme der Kritik zu verbreiten und wenn die körperliche
zur Erregung der öffentlichen Aufmerksamkeit für ihr         Anwesenheit der einzelnen Versammlungsteilnehmer nur
Anliegen einsetzen wollen [...]. Die Versammlungsfrei-       sichergestellt werden kann, wenn gerade die "Nebenein-
heit umfasst als spezifisches Kommunikationsgrundrecht       richtungen" - hier die Zelte - dem Einzelnen die Teilnah-
die Befugnis zum Einsatz besonderer und ungewöhnli-          me an dieser Form der Meinungsbildung und Meinungs-
cher Ausdrucksmittel, die Teilnehmer können schon            kundgabe ermöglichen [...].“
durch ihre bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und
                                                                Weiter ging es in dem Beschluss noch um den soge-
den Umgang miteinander oder die Wahl des Ortes Stel-
                                                             nannten „Vorfeldschutz“. Das Grundrecht der Versamm-
lung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen“.
                                                             lungsfreiheit entfaltet seine Wirkung bereits im Vorfeld.
   Zwar gelte grundsätzlich, dass in dem bloßen Aufent-      „Der Aufenthalt in einem Camp mangels anderweitiger
halt von Personen in einem Camp zum Zweck der Unter-         Unterbringungsmöglichkeiten wird dem durch Art. 8
kunft und deren Absicht, an Versammlungen teilzuneh-         Abs. 1 GG geschützten Vorgang des Sichversammelns -
men, für sich genommen in der Regel noch keine ge-           vergleichbar mit der Anreise zu einer bevorstehenden
meinsame Meinungsbildung und Meinungsäußerung                Versammlung - gerechnet [...].“ Hierzu hatten die An-
(kollektive Aussage) mit dem Ziel der Einwirkung auf         tragsteller*innen dem Gericht vortragen können, dass
die öffentliche Meinungsbildung gesehen werden könne.        z.B. der vor Ort befindliche Campingplatz die Aufnahme
Aber: Der Antragsteller habe vorgetragen, es sei geplant,    von Leuten, die am Protestcamp teilnehmen wollten,
nicht nur die Kundgebungszelte, sondern auch die Ruhe-       verweigerte.

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      revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018                                                         13
------------- 01.09.2018 -------------   Für die Ausgestaltung der Räume
                                                                                      sorgten Dirk Senftleben sowie Daniel
                                                         Schüsse                      Wunn. Wer Interesse hat, ehrenamt-
                                                                                      lich im Weltladen mitzuarbeiten, kann
                                           Waren es drei Schüsse auf das LIN-
                                                                                      sich im Weltladen melden.
                                           KEN - Büro in Celle? Es sehe ganz
                                           danach aus, „dass alle drei Einschläge     Die Öffnungszeiten sind: Montag bis
                                           auf die Panzerglasscheibe durch            Freitag: 10 – 17 Uhr und Samstag 10
                                           Schüsse verursacht wurden. Sie äh-         – 14 Uhr . Der Arbeitskreis trifft sich
                                           neln sich untereinander und sehen          immer mittwochs um 17.15 Uhr.
                                           auch aus wie die Schusseinschläge in
                                           anderen Städten, wo nachweislich auf
                                           Einrichtungen von LINKEN geschos-
                                           sen wurde.“ Hans-Peter Binder von
                                           DIE LINKE. KV Celle grenzt den
                                           Vorfall zeitlich um den Antikriegstag
                                           herum ein. Die Polizei ging zunächst
                                           von einer Sachbeschädigung aus. In-
                                           zwischen ermittelt die Abteilung für
                                           Staatsschutzangelegenheiten der Poli-
                                           zei Celle aber auch wegen möglichem
                                           Verstoß gegen das Waffengesetz – und
                                           - ein politisch motivierter Hintergrund
  ------------- 22.08.2018 -------------   wird nicht ausgeschlossen.
Demo gegen türkischen                        ------------- 14.09.2018 -------------
                                                                                        ------------- 27.09.2018 -------------
  Angriff auf Şengal /                           Weltladen Umzug
Trauer um Ismail Özden                                                                            McDowell
                                           Der Weltladen ist umgezogen, der
Rund 700 Menschen protestierten ge-        neue Laden ist in der Bergstraße 27 /      Die 60-jährige Hannoveranerin Susan-
gen die Luftangriffe der türkischen        Ecke Südwall. Jetzt besteht die Mög-       ne McDowell wird vom Rat der Stadt
Armee auf Şengal. Dort wurde am            lichkeit, in vier Schaufenstern die        Celle für die Dauer von acht Jahren
vergangenen 17. August der ezidische       Fair-Trade-Produkte zu präsentieren.       zur Stadträtin gewählt. Sie führt künf-
Politiker Zekî Şengalî (İsmail Özden)      Auch neue Artikel (aus Filz, Leder)        tig das Dezernat II „Soziales und Kul-
durch einen gezielten Angriff der tür-     sind im Sortiment. Lebensmittel, wie       tur“. Im Juni hatte der Rat die Zahl
kischen Luftwaffe ermordet.                Kaffee, Tee, Kakao, Schokolade,            der Dezernate von vier auf drei redu-
                                           Wein, Gewürze etc. sind für die Kun-       ziert. McDowell ist seit 27 Jahren bei
Şengalî hatte als Teil des KCK-Exeku-                                                 der Stadt Celle beschäftigt, seit Ende
tivrates besonders nach dem Genozid        den weiterhin im Angebot.
2014 beim Wiederaufbau der ezidi-
schen Gesellschaft im Nordirak eine
bedeutende Rolle eingenommen.
Seit den frühen 1970er Jahren hatte
der 1952 in der Türkei geborene Is-
mail Özden in Celle gelebt. Seit 1979
war er Mitglied der PKK und zugleich
deren erstes ezidisches Mitglied. Mitte
der 1980er Jahre war er Chefredakteur
der Zeitschrift Serxwebûn. Aufgrund
seiner Aktivitäten war er 1992–1994
sowie 1996–1998 in Deutschland in-
haftiert.
Seit 1999 hielt er sich in den nordira-
kischen Kandilbergen und später in
Şengal auf. Dort legte er sich in An-
lehnung an seine ezidischen Herkunft
den Decknamen „Zekî Şengalî“ zu.
Zu einer Trauerfeier kamen in Celle
am Samstag, dem 25. August, mehrere
hundert Menschen in der CD Kaserne
zusammen.

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    14                                                                revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018
Oktober kamen über 50.000 Men-
                                                                                      schen zusammen, um gemeinsam ge-
                                                                                      gen die Naturzerstörung und für den
                                                                                      Stop des Braunkohleabbaus zu de-
                                                                                      monstrieren.
                                                                                      Auch Menschen aus Celle solidarisie-
                                                                                      ren sich mit dem dortigen Protest. So
                                                                                      kam es im September zu mehreren
                                                                                      Transparentaktionen      (Foto     vom
                                                                                      19.09., siehe links) und es fuhren eini-
                                                                                      ge Celler*innen gemeinsam zu der
                                                                                      Demonstration am 6. Oktober und
                                                                                      weiteren Aktionen.
                                                                                      Der gerichtlich angeordnete Rodungs-
2014 als Kulturdezernentin. Ihr Auf-         ------------- 30.09.2018 -------------   stopp ist zwar ein Teilerfolg für alle
gabenfeld wurde nach dem Ausschei-                                                    Widerständigen, jedoch bleibt im An-
den des Sozialdezernenten Stefan                        Erdogan                       betracht des Klimawandels, Artenster-
Kassel im vergangenen Sommer mit                                                      ben, Dürren, Fluten und vieler weite-
                                           „Wer ist Terrorist?“, „Mörder & Fa-
dessen Aufgabenbereich zusammen-                                                      rer massiver Symptome einer vom
                                           schist … Erdogan“ - das war anläss-
gelegt. Nachdem sie sich nicht gegen                                                  Menschen total überlasteten Umwelt
                                           lich des Deutschland-Besuchs des tür-
die Abgabe der Jugendhilfe an den                                                     noch viel zu tun. Es ist zu hoffen, dass
                                           kischen Staatspräsidenten von innen
Landkreis gesperrt hat, war es nicht                                                  alle Menschen die sich jetzt gegen
                                           an das Fallschutznetz an der Baustelle
erstaunlich, dass sie in der geheimen                                                 RWE erhoben haben, auch in ihrem
                                           des Oberlandesgerichts gesprüht.
Abstimmung neun Gegenstimmen be-                                                      Bestreben weiter gehen und immer
kam und drei Ratsmitglieder sich der         ------------- 02.10.2018 -------------   mehr werden. Denn nur so ist es mög-
Stimme enthielten.                                                                    lich in einer bereits existierenden öko-
                                                         Alpha E                      logischen Katastrophe noch richtige
  ------------- 28.09.2018 -------------
                                           Die Bahn halte sich nicht an die Ab-       Schritte in Richtung einer radikalen
         Critical Mass                     sprachen aus dem Dialogforum Schie-        Veränderung gehen zu können.
                                           ne Nord, kritisiert der Alpha-E-Beirat.      ------------- 20.10.2018 -------------
Einmal hat's im Jahr 2018 dann doch
                                           Vor drei Jahren war in Zusammenar-
geklappt und die für Celle bisher im-                                                      Nigge privatisieren
                                           beit von Bund, Land, Kommunen und
mer schwer zu nehmende Hürde wur-
                                           Bürgerinitiativen ein nur dreispuriger
de geschafft und der § 27 der StVO                                                    Auf einmal fehlen Millionen bei der
                                           Ausbau für die Strecke zwischen As-
genutzt: „Mehr als 15 Rad Fahrende                                                    AKH-Gruppe , zu der das AKH Celle
                                           hausen (Landkreis Harburg) und Celle
dürfen einen geschlossenen Verband                                                    und das Klinikum Peine gehören. Das
                                           erarbeitet worden, um den zunehmen-
bilden. Dann dürfen sie zu zweit ne-                                                  Minus für das zurückliegende Ge-
                                           den Güterverkehr nicht auf eine Bahn-
beneinander auf der Fahrbahn fah-                                                     schäftsjahr betrage mehr als 16 Mil-
                                           strecke zu bringen, sondern auf meh-
ren.“ Und weil das so ist, reagierte die                                              lionen Euro. Nun sollen bis zum Jahr
                                           rere im Norden zu verteilen. Dieser
Polizei so überhaupt nicht auf den em-                                                2020 Kosten gesenkt werden – selbst-
                                           Vorschlag wurde dann in den Bundes-
pörten Anruf eines Autofahrers, denn                                                  verständlich auf Kosten der Mitarbei-
                                           verkehrswegeplan         aufgenommen.
– so das Motto am letzten Freitag im                                                  ter*innen, z.B. durch Outsourcing be-
                                           Jetzt sei in den Planungsunterlagen
Monat, 18 Uhr, am Neumarkt: „Wir                                                      stimmter Bereiche. Der forsche Mann
                                           auf einmal ein viertes Gleis aufgetaut,
blockieren nicht den Verkehr, wir sind                                                mit der Spitzhacke, Celles OB Nigge,
                                           kritisierte der Beirat. Es würde die
der Verkehr!“                                                                         schloss als stellvertretender Aufsichts-
                                           Menschen entlang der Strecke zusätz-
                                                                                      ratsvorsitzender gegenüber der Presse
  ------------- 29.09.2018 -------------   lich belasten. Die Bahn widersprach
                                                                                      eine Privatisierung nicht aus. - Viel-
                                           dem Beirat. Laut einem Sprecher sei
              Eschede                                                                 leicht sollte man/frau besser diesen
                                           keine weitere Trasse geplant, sondern
                                                                                      OB ins Privatleben (zurück) schicken.
                                           es gehe darum, mögliche Trassenvari-
Rund 50 Menschen sind dem Aufruf
                                           anten zu prüfen.
des Netzwerks Südheide gegen
Rechtsextremismus gefolgt und haben          ------------- 06.10.2018 -------------
auf der Kreuzung vor dem Hof Nahtz
in Eschede demonstriert. Anlass wa-                  Hambi bleibt
ren sogenannten „Brauchstumsfeiern“,
                                           Das Waldstück namens „Hambacher
zu denen sich in vergangenen Jahren
                                           Forst“ in der Nähe von Köln ist zum
immer wieder am Wochenende des
                                           Symbol geworden. Tag für Tag solida-
Erntedankfestes Neonazis in Eschede
                                           risieren sich mehr Menschen mit den
versammelten. Dieses Jahr blieb es ru-
                                           Besetzer*innen des Waldes, die die
hig auf dem Hof des NPD-Mitglieds
                                           anstehende Rodung für den Braun-
Nahtz.
                                           kohleabbau verhindern wollen. Am 6.
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      revista Nr. 92, Nov./Dez. 2018                                                         15
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