2014 100 JAHRE ERSTER WELTKRIEG 2018 GEGEN DAS VERGESSEN - 2014 April Zeitschrift des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
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Zeitschrift des Volksbundes April Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. 2014 2014 100 JAHRE ERSTER WELTKRIEG 2018 GEGEN DAS VERGESSEN
Schwerpunkt Brite bekommt Urlaub vom Kaiser 4 Wahre und zugleich überraschende Geschichte der Menschlichkeit zu Zeiten des Ersten Weltkrieges 10 Grenzenlos Leben und Tod in Nazareth Arzt betreut bemerkenswerte deutsche Kriegsgräberstätte im israelischen Nazareth. Workcamps Heiß auf den Sommer! 16 In Lommel/Belgien bereiten sich ehrenamtlichen Workcamp-Leiter auf die kommende Saison vor. 50 Jahre Musikschau 21 Musik macht Freu(n)de Landesverband Bremen bietet buntes Blasmusik-Spektakel anlässlich der 50. Musikschau der Nationen. Reisen 24 Reisen mit uns Die Reisen des Volksbundes führen zu sehenswerten touristischen Zielen – aber auch auf Kriegsgräberstätten.
Inhalt/Vorwort Schwerpunkt 4 Brite bekommt Urlaub vom Kaiser Wahre Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg 8 Für ein vertieftes Verständnis Aufruf: Gemeinsame Erinnerung Grenzenlos 10 Leben und Tod in Nazareth Arzt betreut deutsche Kriegsgräberstätte in Israel 14 Die Erinnerung lebt Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages Maurice Bonkat Workcamps Redakteur 16 Heiß auf den Sommer! Treffen der Workcamp-Leiter/innen in Lommel Arbeitsbilanz 2013 Liebe Leserinnen, AB Zahlen und Fakten Danke für Ihre Hilfe! liebe Leser, Lichter der Ewigkeit die erste Ausgabe der Volksbund- 19 Lang, lang ist’s her Erna Marwede spendet virtuellen Stern Zeitschrift frieden im Jahr 2014 befas- st sich im Schwerpunkt mit verschiede- Internet nen Aspekten des Ersten Weltkrieges. 20 100-Jahre-Erster-Weltkrieg.de Volksbund startet neue Internet-Seite 100 Jahre nach dessen Beginn soll es aber nicht darum gehen, die Chronolo- 50 Jahre Musikschau gie der Schlachten nachzuvollziehen. 21 Musik macht Freu(n)de 50. Musikschau der Nationen in Bremen Vielmehr geht es uns in dieser Ausgabe darum, welche Folgen dieser so genann- Reisen ten Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts 24 Reisen mit uns Programm 2014 bis heute spürbar sind: Gibt es noch Angehörige, die trauern? Gab es selbst Leserbriefe im Umfeld dieses ersten industriell ge- 28 Leserbriefe unserer Mitglieder Ein hervorragender Reiseleiter führten Krieges noch Hoffnungsschim- mer echter Menschlichkeit? Wer küm- Erzählen ist Erinnern mert sich heute eigentlich um die Grä- 30 Buchreihe Erzählen ist Erinnern Band 114 – 116 ber des Ersten Weltkrieges – und um die Vermittlung der Lehren, die aus die- Nachrufe sem Weltkrieg zu ziehen sind? 31 Unersetzbare Förderer verloren Gottfried Memmel und Hubertus Rogge Neben diesem wichtigen Thema für die Volksbundarbeit insgesamt erhal- Namen & Nachrichten ten Sie in der ersten Ausgabe des Jah- 32 Termine & Meldungen Namen, Nachrichten, Meldungen und Fotos res wie gewohnt auch die aktuelle Arbeitsbilanz des Volksbundes. Hier 34 Impressum gibt es ebenso Bemerkenswertes zu be- richten, beispielsweise die Zahl der Um- 35 Coupon bettungen, die auch 2013 wieder über 36 000 lag. Den ehren- und hauptamtlichen Mit- arbeitern des Volksbundes ist dabei be- wusst, dass all seine Leistungen nur aufgrund der Unterstützung seiner För- derer möglich sind. Vielen Dank für Ihr Spendenkonto: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. ¸ großzügiges Engagement! IBAN: DE23 5204 0021 0322 2999 00 • BIC: COBADEFFXXX • Commerzbank Kassel Beitrag und Spende per Telefon: 0561 – 7009 – 0 ( Bitte halten Sie Ihre Mitgliedsnummer bereit! Danke für Ihre Hilfe! 1/2014 3
Schwerpunkt Brite bekommt Urlaub vom Kaiser Wahre Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg G roßes Herz für einen kleinen Sol- chen. Einzige Bedingung – er müsse frei- die Hochphase des Ersten Weltkriegs, der daten: Ein britischer Historiker willig zurückkehren. britische Offizier Campbell war zu diesem hat eine berührende Geschichte Zeitpunkt bereits zwei Jahre als Kriegsge- aus dem Ersten Weltkrieg aufgedeckt. Of- Der Brief, den Robert Campbell im Som- fangener in Magdeburg interniert. Die fenbar erlaubte Kaiser Wilhelm II. einem mer 1916 von seiner Schwester Gladys Deutschen hatten ihn in das Offiziersla- britischen Kriegsgefangenen, seine ster- bekam, dürfte ihm in seiner Lage wohl so ger gesteckt, nachdem Campbell im wallo- benskranke Mutter in England zu besu- ziemlich den Rest gegeben haben: Es war nischen Mons gekämpft hatte und schließ- 4 1/2014
Schwerpunkt lich schwer verletzt in ein Krankenhaus schrieb dem Deutschen Kaiser einen Brief. Am Bett der kranken Mutter nach Köln gebracht worden war. Nach Er wolle das Lager kurz verlassen, um sei- mehreren schmerzhaften Operationen ne Mutter in England noch ein letztes Mal Kurz darauf machte sich der Soldat war Campbell – trotz Kriegsgefangen- sehen zu können, so die Bitte. Robert Campbell auf den Weg gen Eng- schaft – in diesem Sommer nunmehr auf land – über den Westen des Deutschen dem Weg der Besserung. Bis dieser Brief Antwort vom Kaiser Kaiserreichs und die Niederlande, per aus der Heimat kam. Bahn und Schiff, vorbei an Grenzposten, Obwohl Campbell selbst kaum daran denen er Bericht über seine Aufenthalts- Das Schreiben der Schwester war ei- glaubte, erhielt er binnen weniger Tage orte und Route erstattete. Am 7. Dezem- nigermaßen deutlich: Robert Campbells Antwort von höchster Stelle. Ja, er könne ber 1916 schließlich soll Campbell in sei- Mutter Louisa lag zu Hause im Sterben, gehen, ließ der Kaiser überraschender- nem Heimathaus in Gravesend in der Krebs, ein paar Wochen, vielleicht ein weise ausrichten. Vierzehn Tage lang ge- Grafschaft Kent angekommen sein, wo er paar Monate hatte sie noch zu leben. Nie- währte ihm Wilhelm II. Sonderurlaub – eine Woche am Bett seiner kranken Mut- dergeschmettert von den Wirren des Krie- danach müsse er jedoch zurückkommen. ter verbrachte – nur um anschließend ges und der Nachricht, wagte Campbell Als Sicherheit reichte dem Deutschen Kai- wieder brav nach Magdeburg in seine in seiner Not eine Verzweiflungstat: Er ser Campbells Ehrenwort. Zelle zurückzukehren. Gefangen und glücklich? Die britischen Welt- kriegssoldaten, die auf diesem Foto von Deut- schen bewacht werden und bei Villers Ou- treux auf ihren Abtransport warten, sind ge- wiseermaßen der Hölle entronnen. Nach der schweren Frühjahrsoffensive 1918 an der Som- me sind sie froh, das schreckliche Trommelfeu- er der deutschen Attilerie noch überlebt zu haben. Fotos: Volksbund-Archiv 1/2014 5
Schwerpunkt Diese kleine, bislang unbekannte Welt- Zumindest seinem Kriegsgegner scheint kriegsrandnotiz, die nun der britische His- Campbell mit der Aktion jedoch nicht un- toriker Richard van Emden erstmals in bedingt geholfen zu haben: Aus der Akte seinem Werk „Meeting the Enemy: The mit dem Zeichen FO 383/203, in der van Human Face of the Great War“ aufschrieb, Emden auch Campbells Geschichte auf- zeichnet ein überraschendes Bild der spürte, wird deutlich, dass praktisch zeit- deutsch-britischen Beziehungen zur Zeit gleich ein weiterer Militär einen ähnli- des Ersten Weltkriegs. Wie konnte es sein, chen Wunsch wie Campbell hegte – ein dass Wilhelm II. sich auf den Deal mit deutscher Soldat namens Peter Gastreich, dem Soldaten tatsächlich einließ? Und vor 25 Jahre, Kriegsgefangener in England, allem: Warum ließ Campbell die offen- dessen Mutter ebenfalls im Sterben lag. sichtliche Chance zur Flucht ungenutzt? Andere Soldaten hatten weniger Glück „Als echter britischer Offizier hat ihm sein Ehrenwort wohl ziemlich viel bedeu- Doch während Campbells Wunsch vom tet“, erklärt van Emden. Außerdem habe Kaiser höchstpersönlich abgesegnet wur- Campbell womöglich auch an andere Ge- de, zeigten sich die britischen Behörden fangene in einer ähnlichen Situation ge- bei Gastreichs Anfrage deutlich schroffer: dacht und sich deshalb an die Vereinba- „Wir sehen uns außerstande, P. Gastreichs rung gehalten, so der Autor. Mit einer Entlassung zuzustimmen. Captain Camp- Flucht hätte Campbell wohl definitiv je- bells Fall darf nicht als Präzedenzfall an- Orden verteilte Kaiser Wilhelm II. häufig – Urlaub dem seiner eingesperrten Kameraden die gesehen werden.“ Gastreichs Mutter starb für den Feind gab es hingegen nur ein einziges Mal. Chance auf Freigang verbaut. nur eine Woche, nachdem die Familie den Neben Millionen von Kriegstoten brachte der Erste Weltkrieg auch Millionen von Verwundeten hervor. Für die Feldlazarette hinter der Front stellte dies allein aufgrund der Masse sowie der Schwere der Verletzungen eine große Herausforderung dar. 6 1/2014
Schwerpunkt Antrag gestellt hatte. Aus Angst davor, „Campbell hat wirklich enormes Glück Campbells Beispiel könne weiter Schule gehabt“, sagt van Emden. „Wahrschein- machen, kanzelten die britischen Behör- lich hat er den Kaiser zufällig in guter Lau- den auch die Freiheitsgesuche eigener ne erwischt und Wilhelm II. dachte sich, Landsmänner ab. So erzählt van Emden als er den Brief las: ,Warum eigentlich in seinem Buch von einem britischen Offi- nicht?‘ Es war ein kompletter Einzelfall.“ zier, der im Oktober 1917 nach Hause wollte, um seine kranke Mutter zu sehen Den lange ersehnten Fluchtversuch un- – und dessen Familie dafür das Foreign ternahm der Soldat nach seiner Rückkehr Office in London kontaktierte. ins Magdeburger Lager schließlich aber doch noch – nachdem er sein Ehrenwort Die zuständige Behörde antwortete gehalten hatte. Genützt hat es nichts: Deut- britisch höflich, aber dennoch bestimmt: sche Soldaten spürten Campbell an der „Es gab einmal einen Fall, in dem die niederländischen Grenze auf und brach- Deutschen einem britischen Offizier Haft- ten ihn zurück ins Lager, wo er den Rest urlaub gewährt haben – allerdings ohne des Ersten Weltkriegs verbrachte. Camp- uns vorher zu konsultieren.“ Seitdem hät- bells Mutter Louisa sollte übrigens noch ten deutsche Offiziere diesen wohl einzig- zwei Monate nach dem Überraschungs- artigen Fall immer wieder zu nutzen ver- besuch ihres Sohnes weiterleben. Dann sucht, um in ihre Heimat zu gelangen, so starb sie. die Behörde. Auf ähnliche Deals wolle man sich in Großbritannien nicht einlassen, so Lazar Backovic Schlamm und triste Eintönigkeit – allein das Leben die klare Ansage. (EINESTAGES, SPIEGEL ONLINE) in den Schützengräben war schwer zu ertragen. Schwer verletzt, aber am Leben: Das Ausmaß des maschinellen Tötens der Schlachten an der Somme war bezeichnend für den Ersten Weltkrieg. Wer diesem Inferno noch halbwegs lebend entronnen war, konnte von großem Glück reden. 1/2014 7
Schwerpunkt Für ein vertieftes Verständnis Aufruf: Gemeinsame Erinnerung an den Ersten Weltkrieg V olksbund- ihrer Vorfahren nahezubringen versuchen. re alles andere so übertönen, bis sich Jude präsident Manche werden das Ende des alten Eu- gegen Jude, Katholik gegen Katholik, So- Markus Me- ropa bedenken, andere sich am Sieg der zialist gegen Sozialist aufhetzten? (Nicht ckel zählt zu den modernen Demokratien und an der Neu- zu sprechen vom physischen Zwang, un- ersten Unterzeich- beziehungsweise Auferstehung ihrer Na- ter dem unter anderen die Polen zum Bei- nern des hier ab- tion als Ergebnis des Krieges erfreuen ... spiel, gegeneinander kämpfen mussten). gedruckten Aufru- fes, der sich für ei- Wir erkennen ein paar gut lesbare Zei- Welche Kraft setzt Du heute den Mani- ne gemeinsame eu- chen der Generation von damals an uns pulationen jeder Sorte entgegen? Was tust ropäische Erinne- Markus Meckel heutige Europäer. Du für den europäischen Gemeinsinn? rung an den Ersten Weltkrieg ausspricht. Seine Verfasser Zunächst sind da alle, die ihr Leben Drittens, die leuchtenden Augen der und Unterzeichner „verbindet die Über- verloren. Aus der ganzen Welt zusammen- damals so Opferbereiten für das Vater- zeugung, dass die vor uns liegenden Jah- gezogen, um zu kämpfen, gaben sie – oft land. Über sich hinauswachsen, in „einer re Chancen für ein vertieftes Verständ- genug dem fernen „Mutterland“ – ihr Bes- Sache“ aufgehen, Kamerad sein und nis unter europäischen Bürgern bergen“, tes; Zivile, gingen sie in der Zerstörungs- Kameraden haben: Das Drängen nach heißt es in einem Begleitschreiben. Des- wut des Krieges unter. So gibt es eine ele- einem Ideal bleibt aktuell, auch wenn es halb suchen sie Wege, um ihre Überle- mentare Pflicht zur gemeinsamen Ehrer- vielfältig missbraucht wurde und wird. gungen und Vorschläge zu Beginn der bietung an die Millionen, deren Leben sich Jugend hat ein Recht auf Sinnsuche und bevorstehenden Gedenkjahre insbeson- nicht entfalten durften, und zum Geden- Vorbild. Resignation und Zynismus zer- dere der deutschen und französischen ken an die Trauer auf allen Kontinenten. stören sie. Die jungen Menschen auf Öffentlichkeit nahezubringen. dem Kontinent heute fühlen sich als Dann die Weitsichtigen von damals. Europäer – welche Herausforderungen Ein anderer Blick auf 1914 – 1918: Sie waren Künstler, Politiker, engagierte für eine bessere Zukunft stellen wir Für eine gemeinsame Erinnerungskultur Bürgerinnen: Sie verweigerten sich der ihnen vor? öffentlichen Kriegsbegeisterung. Schon Bei allen Unterschieden zeigt der Blick vorher eine Minderheit, wurden sie lä- Und wir erkennen noch ein Zeichen, auf den Ausbruch des Ersten Weltkrieges cherlich gemacht, beschimpft, ermordet. nämlich im Schlamm der Gräben und den Betrachtern in Europa ganz ähnliche Sie hatten recht, wie zum Beispiel in der zwischen den Drahtverhauen, von Bilder: einen Kontinent im Strudel, der letzten Rede von Jean Jaurès am 25. Juli dort, wo sich die geschundenen Infan- Unzählige in der Welt mitreißt. 1914 zu lesen. Georg Trakl „erlag im Krieg teristen der sich gegenüberliegenden von eigener Hand gefällt. So einsam war Linien manchmal näherkamen, an den Die Erinnerungen in unseren Ländern es in der Welt“, schreibt Else Lasker- Fronten in Italien, in Russland ebenso werden ganz verschieden ausfallen. Eini- Schüler über den Freund. wie in Belgien oder Frankreich. Die- ge werden der nationalen Anstrengung se hilflosen – man lieh sich manch- gedenken, andere der Zerstörung, des Warum waren die anderen so geblen- mal Werkzeug, um die gegen- Leidens und der Opfer. Hier wird man die det? Auf welche Weise konnte Patriotis- einander aufgestellten Stachel- Verantwortlichkeiten, auch die eigenen, mus sich so auf das jeweilige gemeinsame drahtverhaue zu reparieren! – prüfen, dort der Jugend die Geschichte Feindbild verengen und im Laufe der Jah- und bescheidenen Gesten des 8 1/2014
Schwerpunkt „Ur-Anstandes“, der Brüderlichkeit, durf- aus den Lagern, aus unseren eigenen Ab- und nicht erst nach den sozialen, wirt- ten später politisch „nicht gewesen“ sein. gründen, und zeigt den Weg zum Frie- schaftlichen und politischen Katastro- Aber es gab sie! den. Sie hat das Europa, das wir phen Wege bahnen. heute kennen, aufgebaut. Und so Es gilt auch heute: Menschlichkeit ist könnten die „Infanteristen des Le- unausrottbar, Menschlichkeit braucht Un- bens“, nähme man sie ernst, man- terstützung. Sie hat nicht die Macht des chen Konflikt in der Welt verhin- Stärkeren, aber sie steigt aus den Gräben, dern. Versöhnung könnte sich vor Wünsche für den August 2014: – langfristige europäische Projekte, die Menschen aus dem Westen, Osten und – ein offizielles europäisches Südosten des Kontinents zusammen- Gedenken; bringen nicht nur zwischen 2014/2018; – viele gemeinsame europäische – eine europäische Initiative zur Ver- Bürgerinitiativen. Stellen wir tiefung und Verbreiterung der Euro- uns vor: Am „Tag der Mobil- päischen Austauschprogramme und machung“ stehen auf den insbesondere des Europäischen Frei- Rheinbrücken lange gast- willigendienstes als Europäischer Zi- liche Tafeln ... auf beiden vildienst für alle jungen Menschen. Ufern sind alle, auch alle ausländischen Gäste und Zu den Erstunterzeichnern dieses Aufrufes Mitbürger zum gemein- zur gemeinsamen Erinnerung an den Ers- samen Mahl geladen ... ten Weltkrieg zählt auch Markus Meckel. Erstunterzeichner: Geneviève Ancel, Dialogues en Humanité, Lyon; Minister a.D. Louis Besson, Cham- béry; Claude Bouveresse, Vorstand Chor Vocalam, Chambéry; Anne-Marie Chapsal, Vorstand Chor Ensemble2021, St.-Alban-Leysse; Cyrille Colombier, Chorleiter, Novalaise; Etienne François, Historiker, und Beate François, Berlin; Louis Join-Lambert und Mascha Join-Lambert, Initiatorin VoCE 2014-2018; Markus Meckel, Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Berlin; Richard Pétris, Ecole de la Paix, Grenoble; Patrick Viveret, Philosoph, Paris. 1/2014 9
Grenzenlos Leben und Tod in Nazareth Arzt betreut deutsche Kriegsgräberstätte in Israel Dr. Norbert Schwake N azareth. Dieser Name besitzt ei- Völkerverständigung: Der heute 74-jäh- www.volksbund.de unter der Rubrik ne große Bedeutung weit über rige Theologe und Mediziner wurde 1939 Kriegsgräberstätten Auskunft: Bereits die Grenzen Israels hinaus. Hier in Emmerich am Rhein geboren. Seit Jahr- während des Ersten Weltkrieges waren wuchs Jesus auf. Hier begann sein Le- zehnten lebt er in Israel. Er ist mit einer neben dem Hospital „Zur Heiligen Fami- bens- und Leidensweg – Ausgangspunkt Araberin verheiratet, seinen Kindern gab lie“ (Holy Family Hospital) der österrei- einer neuen Weltreligion. Dass in Naza- er hebräische Vornamen. Als Militärarzt chischen Barmherzigen Brüder, das da- reth aber auch deutsche Kriegstote des leistete Schwake seinen Dienst in der isra- mals als „Kaiserlich Deutsches Feldlaza- Ersten Weltkrieges begraben wurden, ist elischen Armee ab. Weltoffenheit und ein rett 213“ diente, ursprünglich 51 deutsche dagegen weitgehend unbekannt. Wer wa- großes Verantwortungsbewusstsein ge- Soldaten bestattet worden. Weitere deut- ren diese Soldaten – und wer kümmert genüber den Mitmenschen zeichnen ihn sche Gefallene lagen über das ganze Land sich heute um ihre Gräber an diesem hei- aus. So ist es auch bei seinem Engagement verstreut in kleinen Friedhöfen oder Ein- ligen Ort? Antworten auf diese Fragen für die deutsche Kriegsgräberstätte von zelgräbern. Die britische Mandatsregie- gibt der pensionierte Arzt und ehemalige Nazareth. Die betreut er im Auftrag des rung einigte sich schließlich mit dem katholische Priester Dr. Norbert Schwake. Volksbundes schon seit dem Jahr 2002. deutschen Generalkonsul, in Nazareth einen zentralen deutschen Soldatenfried- Eigentlich ist Norbert Schwake an sich Über ihre Entstehungsgeschichte gibt hof zu errichten. Der Volksbund über- schon ein interessantes Beispiel für gelebte auch die Internetseite des Volksbundes nahm die Kosten – und am 30. Juni 1935 Die deutsche Kriegsgräberstätte in Nazareth/Israel ist nicht nur des Namens wegen bemerkenswert. Hier gibt es etwa 250 deutsche Gräber sowie Namentafeln mit 250 weiteren Namen. Viele Schicksale sind durch die Arbeit von Dr. Norbert Schwake bekannt. Fotos: Volksbund-Archiv (2), Dr. Norbert Schwake (4) 10 1/2014
Grenzenlos wurde der Friedhof für die insgesamt et- wa 250 deutschen Kriegstoten unweit des Holy Family Hospitals in Nazareth offi- ziell als Kriegsgräberstätte eingeweiht. Das verschlossene Tor Seither ist viel Zeit vergangen. Das Hospital der Barmherzigen Brüder und die angrenzende Kriegsgräberstätte gibt es aber noch heute. Dr. Norbert Schwake entdeckte diesen Ort bereits 1961 für sich, kam dann aber erst ein Vierteljahrhundert später wieder zurück – diesmal als Chef- arzt der geriatrischen Station. Die für die meisten Menschen unbekannte deutsche Kriegsgräberstätte von Nazareth lag di- rekt vor dem Fenster seines damaligen Ar- beitszimmers. Mit dem alltäglichen Blick auf die un- gewöhnliche Kulisse wuchs auch sein In- teresse. Daraus ist inzwischen sogar ein ganzes Buch entstanden. Unter dem Titel „Deutsche Soldatengräber in Israel“ be- schreibt Schwake auch, warum dieser Ort sogar bei den Einwohnern von Nazareth so wenig im Blickpunkt steht: „Durch ein stets verschlossenes Tor gelangt man erst auf den Friedhof der Hospital-Brüder, von dort zu einer von einem Baum ver- steckten, engen Treppe, die zur Terrasse des Soldatenfriedhofs führt. Wer von hier aus nicht weiter sucht, findet den eigent- lichen Friedhof nicht, denn man muss erst noch die Terrasse durchschreiten und dann hinter einer offenen Halle eine weitere Treppe hochsteigen, um ihn zu finden.“ Aus der Anonymität holen Etwas verwunschen sieht sie schon aus, die Eingangspforte zum ehemaligen Lazarettfriedhof. Dahinter Neben den Schwierigkeiten der örtli- finden sich eine Terrasse sowie die Kriegsgräberstätte aus dem Ersten Weltkrieg. chen Begehung ergaben sich bei der histo- rischen Beschäftigung mit dem Bauwerk und seiner historischen Bedeutung weite- München. Heute kann er wohl am besten Der Koffer auf dem Dachboden re Hindernisse. Die in Spandau gelager- über das Schicksal der Soldaten Auskunft ten Unterlagen zu den hier Bestatteten geben, von denen womöglich nicht ein- Ein Beispiel für die erfolgreiche Spu- wurden bei einem Bombenangriff im mal die noch heute lebenden Nachkom- rensuche ist die Schicksalsklärung des Frühjahr 1945 fast völlig vernichtet. „Ich men etwas Genaues wissen. Unter ihnen Gefreiten Karl Feldbrügge vom Kraftwa- musste also indirekte Unterlagen suchen fanden sich übrigens, wie auch sonst in gen-Park 505 und des Leutnants Friedrich und sammeln“, sagt Norbert Schwake. der kaiserlichen Armee üblich, viele Ka- Schütze, Führer des Kraftwagen-Parks meraden jüdischen Glaubens. „Die Neu- 504. Auch deren Unterlagen waren bei der Diese fand er im israelischen Staatsar- gier war jetzt nicht mehr aufzuhalten. Bombardierung Berlins vernichtet wor- chiv Ginzach Hamedinah in Jerusalem, in Mein Ziel war es, jeden Einzelnen der in den. In der Nacht vom 16. auf den 17. Juli seltenen Sachbüchern zum Thema, im Ar- Israel begrabenen Soldaten aus seiner um 23.30 Uhr verunglückten die beiden chiv des Auswärtigen Amtes sowie im Anonymität zu holen“, heißt es dazu in mit ihrem Auto tödlich, als sie an der Nord- Kriegsarchiv der Bayerischen Armee in seinem Buch. ostecke der Stadtmauer von Jerusalem 1/2014 11
Grenzenlos In Vergessenheit geraten Etwa 250 dieser deutschen Toten des Ersten Weltkrieges sind heute in Nazareth begraben. Dort wird zudem auf Gedenk- tafeln an weitere 250 deutsche und öster- reichische Kriegsopfer erinnert, deren Gräber sich beispielsweise auf britischen Kriegsgräberstätten befinden oder bis heute unbekannt sind. Dennoch weist die relativ geringe Sterblichkeitsrate darauf hin, dass die Palästina-Front nicht annä- hernd im gleichen Maße vom industriel- len Töten wie auf den Schlachtfeldern Eu- ropas betroffen war. Umso mehr drohten die vergleichswei- se wenigen Gräber der deutschen Kriegs- toten im heutigen Israel in der öffentli- chen Wahrnehmung in Vergessenheit zu geraten. Dagegen arbeitet Norbert Schwa- ke. Jahrelang recherchiert er, reist durchs Land, um Grablagen und genaue Todes- umstände zu ermitteln. Sein Ziel ist es, auch die deutschen Kriegstoten des Ers- ten Weltkrieges im heutigen Israel wieder ins Bewusstsein der allgemeinen Gedenk- und Erinnerungskultur zu rücken. Es ist Dr. Norbert Schwake beim Volkstrauertag auf der Kriegsgräberstätte Nazareth: Das Foto zeigt ihn zusam- ihm gelungen. Es ist ihm auch gelungen, men mit dem türkischen Militärattaché und seiner Tochter. das israelische Publikum für diesen Fried- hof zu gewinnen. Er ist eine nostalgische aus der Kurve flogen. Es gibt sogar ein graf und nahm ein komplettes Fotolabor Erinnerung an jene Zeit, in der sich die Foto von der Unglücksstelle und dem Au- mit an die Front. Seine Bilder zeigen das deutschen Juden voll und ganz mit ihrer towrack. Oberleutnant Bindernagel über- alltägliche Leben der Soldaten, Sehens- deutschen Heimat identifizierten. Heute lebte mit einem Schädelbruch. Er stammte würdigkeiten, Einheimische – und auch nimmt auch ein israelischer Feldrabbiner aus Alexandrien, wo sein Vater mit Baum- Bilder von militärischen Bestattungen. am Volkstrauertag auf dem Friedhof teil. wollhandel ein reicher Mann geworden war. Die Villa Bindernagel kann dort noch Vorstoß zum Suez-Kanal Entschuldigung bei den Kameraden heute bewundert werden. Doch wie kamen des Kaisers Soldaten Doch warum macht Norbert Schwake In den Kirchenbüchern der Franziska- überhaupt ins Gelobte Land? Und allein das? Was treibt ihn an? Vielleicht ist es ner von Jerusalem, im „Todtenregister“ die Formulierung dieser Frage klingt be- gerade die sehr persönliche Erfahrung im der evangelischen Erlöserkirche (heute im reits ungewöhnlich genug. Die Antwort Umgang mit den Besuchern und Ange- Evangelischen Zentralarchiv in Berlin) so- darauf ist dennoch relativ einfach: Deut- hörigen auf der wohl bemerkenswerten wie später in den Krankenbüchern der sche Soldaten kämpften im Ersten Welt- Kriegsgräberstätte des Ersten Weltkrie- Lazarette an der Palästinafront fand Dr. krieg nicht nur in Europa, sondern auch ges, die ihn zu diesem Engagement be- Schwake dann weitere Informationen, die auf nahezu allen anderen Kontinenten – wegt. Vielleicht spielt auch das familiäre ihn auch zu den noch lebenden Angehöri- so auch im Nahen Osten. Dort trafen sie Unfeld eine gewichtige Rolle: „Als ich die- gen des Gefreiten Feldbrügge in Havix- ab Januar 1915 an der Seite verbündeter sen Friedhof einmal zusammen mit mei- beck bei Münster führten. osmanischer Truppen auf britische Ver- nem damals 94-jährigen Vater besuchte bände. Nach dem gescheiterten Vorstoß und das Gesicht meines Vaters sah, ent- Auf dem Dachboden in Havixbeck lag auf den Suez-Kanal traten die deutsch- stand meine Sympathie für den Friedhof. ein Koffer mit interessanten Fotos aus je- türkischen Truppen in der Folge einen Vater hatte sich im Ersten Weltkrieg noch ner Zeit in Palästina. Karl Feldbrügge, kontinuierlichen Rückzug an. Bis 1918 freiwillig gemeldet, um für Kaiser und Sohn eines einfachen westfälischen Hand- gab es insgesamt 16 000 deutsche Solda- Reich zu kämpfen. Jetzt begrüßte er seine werkers, hatte seinen Führerschein in Lon- ten in Palästina, von denen weit über alten Kameraden wie einer, der sich ent- don gemacht. Er war auch Amateur-Foto- 1 000 nicht in ihre Heimat zurückkehrten. schuldigte, dass er lebte.“ 12 1/2014
Grenzenlos Solche Worte lassen einen fast verstum- men: „Entschuldigung, dass ich noch le- be.“ Dieser Gedanke ist irrational und unerträglich. Wer sich aber jemals mit den wenigen Zeitzeugen des Zweiten Welt- krieges auf einer deutschen oder anderen Kriegsgräberstätten unterhält, begegnet diesem Phänomen nicht selten. Es ist die wohl unbewusste Scham der Überleben- den gegenüber ihren verstorbenen und unvergessenen Kameraden. Ähnlich ist es mit der folgenden wahren Geschichte aus dem engsten Umfeld von Norbert Schwa- ke: „Mein Vater hatte eine Schwester, die das Gelübde abgelegt hatte, ins Kloster zu gehen, wenn ihre beiden Brüder lebendig aus dem Krieg zurückkämen. Sie hat ihr Gelübde gehalten.“ Dr. Norbert Schwake versteht Gelübde etwas anders als seine Tante. Aber als überzeugter Christ weiß er, dass sich die Achtung vor dem Leben in der Achtung vor den Toten zeigt. Maurice Bonkat Arbeit und Informationsbesuche: Neben der Betreuung von Besuchergruppen wie dem Club der israelischen Zivil-Piloten arbeitet Dr. Norbert Schwake (Foto unten, Mitte mit Wimpel) auch mit freiwilligen Helfern des deutschen Militärattaché-Stabes in Tel Aviv auf der Kriegsgräberstätte (oben). 1/2014 13
Grenzenlos Die Erinnerung lebt Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages D ie Freude war riesig – und kam eine sehr bunte und internationale Ju- überraschend. Ohne große Vor- gendgruppe – und genau das machte den warnung teilte mir mein Chef mit, Reiz dieser Begegnung aus. Viele ver- dass ich an der 18. Internationalen Ju- schiedene Perspektiven und Blickwinkel gendbegegnung des Deutschen Bundes- auf die Geschichte der Blockade kamen so tages in Berlin und St. Petersburg teilneh- zusammen. men solle. Dort würde ich, Leo Hinz, als Vertreter des Volksbundes mit 80 Jugend- Besonders die Podiumsdiskussionen lichen aus vielen Ländern Europas zu- mit anerkannten russischen Historikern, sammentreffen. Mein Chef ist übrigens Museumsdirektoren und Überlebenden Dr. Nils Köhler von der Jugendbegeg- der Blockade waren sehr beeindruckend. nungs- und Bildungsstätte (JBS) am Golm. Durch Zeitzeugen, Dokumentationen und Dort leiste ich derzeit mein Freiwilliges Vorträge wurde das unsagbare Leid der Soziales Jahr ab. Wir organisieren deutsch- Leningrader Zivilbevölkerung im Winter polnische Jugendbegegnungen, betreiben 1941/42 deutlich. Die Menschen versuch- Erwachsenenbildung und bieten friedens- ten damals, bei Temperaturen von bis zu pädagogische Themenmodule an. Was ich Laura-Sophie Neubauer und Leo Hinz nehmen an Minus 40 Grad ohne Heizung und ausrei- aber in Berlin und St. Petersburg gemein- der Begegnung des Bundestages teil. Foto: privat chende Verpflegung zu überleben. sam mit Laura-Sophie Neubauer erlebte, war mindestens genauso spannend: Kinderschlitten mit Leichen len Stadt mit den vielen Palästen, Kathe- Anlass der internationalen Jugendbe- dralen und Brücken. St. Petersburg nann- Es war das Resultat einer geplanten gegnung vom 21. bis 27. Januar in St. Pe- ten sie das „Venedig des Nordens“. Doch Hungerpolitik, die einer Million Leningra- tersburg und Berlin war das Ende der Le- die Stadt schaut auch auf eine schwere der das Leben kostete: Zuletzt gab es nur ningrader Blockade vor 70 Jahren. Zu- Vergangenheit zurück. Die grausame Blo- noch 125 Gramm Brot als Tagesration für gleich ist der 27. Januar auch der offizielle ckade von Leningrad im Zweiten Welt- die Zivilbevölkerung im eingeschlossenen Gedenktag an alle Opfer des Nationalso- krieg war daher auch das Thema der in- Leningrad. Der Tod wurde in der Stadt zialismus. An beides erinnerte eine Ge- haltlichen Einführung durch Dr. Jochen zum Alltag. Besonders getroffen hat mich denkstunde im Deutschen Bundestag, an Guckes im Berliner Paul-Löbe-Haus. der Umstand, dass die Kinderschlitten im der auch ich teilgenommen habe. Winter statt zum Spielen zum Abtrans- Für die Jugendbegegnung 2014 hatte port der Leichen benutzt wurden, da es Am 21. Januar war es so weit: Ich fuhr der Deutsche Bundestag eine besondere sonst keine anderen Transportmittel gab. mit dem Zug von Ahlbeck nach Berlin, um Auswahl von jungen Erwachsenen getrof- Diese oftmals sehr emotionalen Vorträge, mich dort mit den anderen 80 Jugendlichen fen. Es handelte sich um Jugendliche, die Schilderungen und Bilder machten uns zu treffen. Während der Zugfahrt ging mir sich als Multiplikatoren in Organisatio- allen sehr zu schaffen. Mitleid mit den bereits einiges durch den Kopf: Was für nen, in Projekten und Gedenkstätten zur eingeschlossenen Leningradern, Unver- Jugendliche werde ich dort kennen lernen? Geschichte des Nationalsozialismus so- ständnis, Fassungslosigkeit und – ja auch Aus welchen Ländern werden sie wohl wie gegen Rassismus engagieren. Es war Wut machte sich nicht nur bei mir breit. kommen? Wie ist St. Petersburg – und wie eine harmonische, wissbegierige und vor Umso stärker wuchs der Zusammenhalt die aktuelle Situation in Russland? allem freundschaftliche Gruppe. Die ins- innerhalb der Jugendgruppe. Ich spürte, gesamt 80 jungen Teilnehmer kamen aus wie gut mir die Gespräche mit den ande- Jugendarbeit am Golm Deutschland, Polen, Russland, den USA, ren Jugendlichen taten. Weißrussland, der Ukraine, Frankreich, Doch dann war alles völlig unkompli- Israel und der Tschechischen Republik. Gemeinsam erinnern ziert und sehr herzlich. Schnell kam ich Wir flogen dann gemeinsam mit unter- ins Gespräch mit zwei netten St. Peters- schiedlichsten Erwartungen und Vorstel- Weitere Themen der Begegnung waren burgerinnen. Dabei gaben sie mir einen lungen am 22. Januar 2014 nach St. Peters- der Judenmord im Umland Leningrads, ersten Vorgeschmack von der prunkvol- burg, dem früheren Leningrad. Es war das Schicksal sowjetischer Kriegsgefange- 14 1/2014
Grenzenlos ner und Zwangsarbeiter, der Stalinismus dem gewaltigen Ausmaß der Massengrä- Polen über die Stadt Krakau, mit einer im belagerten Leningrad, die deutsch-rus- ber ergriffen. Dort sind 520 000 Opfer der Weißrussin über die Uni in Minsk und mit sischen Beziehungen sowie unterschiedli- Blockade beerdigt. Unfassbar! Die Stille einem Israeli über jüdische Traditionen che Gedenk- und Erinnerungskulturen in und Kälte an diesem Tag, begleitet von und Lebensweisen. All diese Gespräche Russland und Deutschland. In den Podi- dem knirschenden Schnee unter den waren hochinteressant und halfen dabei, umsdiskussionen wurde dabei deutlich, Schuhen, ließen die Erinnerungen an das sich einander besser kennen zu lernen und dass die russischen Gesprächspartner den Schicksal, der an durch Kälte und Hunger zu verstehen. Ich erhielt sogar eine Einla- Austausch mit Jugendlichen sehr begrüß- Ermordeten lebendig werden. Es lässt dung für einen Besuch im Sommer nach ten: Gemeinsam zurückerinnern, gemein- sich schwer beschreiben, aber an diesem St. Petersburg. sam die Erinnerung lebendig halten, da- leidvollen Ort, voller Schmerz und Trau- mit sich so etwas nie mehr wiederholt – er, bekommt das Wort „Frieden“ eine gan- Zu Gast im Bundestag so hätte man diese Veranstaltung auch ze andere Dimension. Ich spürte den überschreiben können Wunsch, dass zukünftig aus Feinden Dann nahmen wir Abschied von der Freunde werden, die sich die Hand rei- schönen Stadt mit der dunklen Geschich- Besichtigt haben wir zudem Orte der chen für ein friedlicheres und freund- te. Nach Deutschland zurückgekehrt, be- Erinnerung und des Gedenkens, wie schaftlicheres Miteinander der Menschen grüßte Bundestagspräsident Norbert Lam- Friedhöfe und Gedenkstätten, so zum Bei- und Nationen, wo Hass und Rassismus mert den Gedenkredner und Blockade- spiel den „Moskauer Siegespark“ und das keinen Platz mehr haben, damit solch eine Überlebenden Daniil Granin sowie uns „Denkmal der heldenhaften Verteidiger Tragödie nicht mehr stattfindet. Den Pis- Jugendliche zur Gedenkstunde des Deut- Leningrads“ in St. Petersburg. Es war da- karjowskoje-Gedenkfriedhof zu begehen schen Bundestages am 27. Januar anläss- bei besonders interessant, dass in Russ- und eine Rose niederzulegen – das war lich des 70. Jahrestags der Befreiung Le- land eine vollkommen andere Gedenk- mit Abstand mein emotionalstes Erlebnis ningrads. Zugleich dient dieser Tag dem und Erinnerungskultur vorherrscht. Denn der ganzen Reise. Gedenken an die Opfer des Nationalsozia- in Russland wird überwiegend der Hel- lismus insgesamt. Dabei saßen wir Ju- den der Verteidigung des Vaterlandes und Ohnehin war die Begegnung geprägt gendlichen direkt neben den Abgeordne- weniger der Opfer gedacht, was sich un- durch ihre herzliche und offene Atmos- ten im Plenarsaal. Im Anschluss an die ter anderem an den russischen Denkmä- phäre. Nichts war zu spüren von Abnei- Diskussion mit dem Gedenkredner wurde lern festmachen ließ. gungen und Vorurteilen, im Gegenteil: ich vom ZDF interviewt. Zu meiner gro- die Internationalität dieser Jugendbegeg- ßen Überraschung wurde mein kurzes Stille und Kälte nung ließ die Neugier sogar noch wach- Statement dann auch tatsächlich in den sen. So unterhielt ich mich mit einer Ukra- Nachrichten gesendet! Beim Besuch des Piskarjowskoje-Ge- inerin und einer Russin frei über deren denkfriedhofes war ich besonders von aktuelle politische Situation, mit einem Schuld und Verantwortung Besonders gut in Erinnerung sind mir Berlin und der Deutsche Bundestag (hier die Kuppel des Reichstagsgebäudes) sowie St. Petersburg waren die Gedenkstätten, die imposante Stadt, Schauplätze der internationalen Jugendbegegnung anlässlich des 27. Januars. Foto: Maurice Bonkat die interessanten Menschen und Gesprä- che sowie die Worte des Bundestagsprä- sidenten geblieben: „Aus Schuld ist heute Verantwortung geworden. Deutschland kann aus seiner Geschichte nicht ausstei- gen. Dennoch müssen die Erinnerungen an die Blockade und den Krieg lebendig gehalten werden“. Natürlich hatte ich mich vorbereitet auf dieses besondere Erlebnis. Dennoch bin ich noch immer tief bewegt von den Eindrücken des Besuches in St. Peters- burg und Berlin. So möchte ich mich bei allen Beteiligten ganz herzlich für dieses einmalige Erlebnis bedanken! Inzwischen habe ich mich auch entschlossen, meine Freiwilligenzeit beim Volksbund um wei- tere zwei weitere Monate zu verlängern. Leo Hinz 1/2014 15
Workcamps Heiß auf den Sommer! Treffen der Workcamp-Leiter/innen in Lommel D er Volksbund hat großes Glück – Sommer und in Lommel bereiten sich ihre gemütlicher Runde werden Erinnerungen besonders mit den Menschen, die Workcampleiter darauf vor, mit ihnen in an vergangene und Erwartungen an kom- sich ehrenamtlich in seiner Frie- die Welt hinauszuziehen. mende Workcamps ausgetauscht. densarbeit engagieren. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Workcamp-Leiter. Sie tref- Ein echter Schatz Auf zu neuen Freunden fen sich Anfang März in der volksbund- eigenen Jugendbegegnungs- und Bil- Das Engagement der Workcamp-Leiter „Was ich beim Volksbund erlebt habe, dungsstätte im belgischen Lommel. Es ist im Alter zwischen 20 und 60 Jahren ist ist wirklich etwas ganz Besonderes – ganz Frühling und sie planen den Sommer. ehrenamtlich – und zugleich unbezahlbar. klar“, sagt etwa Thies Mielke aus Schles- Denn Jahr für Jahr sorgen sie gemeinsam Sie sind ein echter Schatz für die interna- wig. Auf den ersten Blick ist der 23-Jähri- mit den Jugendreferenten aus ihren Lan- tionale Friedensarbeit des Volksbundes. ge eher ein ruhiger und zurückhaltender desverbänden dafür, dass etwa 60 Work- Wer sich abends nach zahlreichen Ge- Typ. Doch angesprochen auf seine per- camps in vielen Ländern Europas stattfin- sprächsrunden, Vorträgen und Seminaren sönlichen Workcamp-Erfahrungen wird den können. Viele Jugendliche sind schon zu ihnen setzt, merkt schnell, wie wichtig sein großer Enthusiasmus sofort spürbar. jetzt „ganz heiß“ auf diesen Workcamp- ihnen dieses Ehrenamt tatsächlich ist. In So erzählt er voller Begeisterung, was so Sie sind Herz und Seele der Volksbund-Workcamps: Wie jeden Sommer reisen die Workcamp-Leiter mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ferne Länder, pflegen Kriegsgräber, lernen Land und Leute kennen und beschäftigen sich zudem mit politisch-historischen Themen. Fotos: Maurice Bonkat 16 1/2014
Workcamps mäßig bundesweit stattfindende – Treffen zu weit mehr als dem bloßen Erfahrungs- austausch. Das Programm, das Jugend- und Bildungsreferent Jörg Schgalin vom Landesverband Niedersachen und sein Kollege Gunnar Zamzow vom Referat Ju- gendarbeit in der Bundesgeschäftsstelle zusammengestellt haben, ist immens: Ne- ben dem Austausch über allgemeine Or- ganisation und konkrete Probleme beim Ablauf der Workcamps, werden gleich drei verschiedene Arbeitsgruppen zu den Themen Pressearbeit, Team-Buildung so- Wichtige Eindrücke sammeln Workcamp-Leiter ebenso wie ihre Teilnehmer häufig in stillen Momenten wie zur Erstellung und pädagogischen auf der Kriegsgräberstätte. Wer sich Zeit nimmt, wird hier vieles zum Nachdenken entdecken. Einbindung von Einzelbiografien angebo- ten. Im Zentrum des Seminars steht damit viele Jugendliche berichten, wenn sie aus des Volksbundes schon seit ihrer Grün- also auch eine kritische Reflexion der pä- den Workcamps des Volksbundes wieder dung. Bis heute wären viele Workcamps dagogischen Möglichkeiten für historisch- in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren: in der Praxis kaum möglich, wenn nicht politische Bildungsarbeit auf Kriegsgrä- „Es war wirklich toll, sich mit Jugendli- Personal der Bundeswehr in der Küche berstätten insgesamt. chen aus anderen Ländern zu treffen. Ich stünde oder den Bus mit den Jugendli- hätte nie gedacht, wie viel wir in unserem chen durch eines der 45 Länder mit deut- Zusätzlich werden auch aktuelle und alltäglichen Leben gemeinsam haben und schen Kriegsgräberstätten führen. ganz konkrete Probleme diskutiert. So wie schnell sich in so einem Workcamp musste Henrik Hug vom Landesverband echte Freundschaften entwickeln kön- Da steckt viel Arbeit drin Thüringen aufgrund der aktuellen politi- nen.“ Thies weiß, wovon er spricht. Seit schen Entwicklung das lange geplante er als Jugendlicher zum ersten Mal mit Allerdings ist dies nicht die einzige und von den internationalen Teilnehmern dem Volksbund ins Workcamp nach Toila Voraussetzung für ein funktionierendes heiß ersehnte Workcamp auf der Krim ab- in Estland fuhr, lassen ihn Land und Leu- Workcamp. Da steckt neben all der Freu- sagen. In diesem Zusammenhang stellte te gedanklich nicht mehr los. So hat er de auch viel Arbeit drin. Die Jugendrefe- sich auch die schwierige Frage, wie genau seither kein Workcamp des Volksbundes renten, die ehrenamtlichen Workcamp- dieses Thema in den mit Jugendlichen aus in Toila versäumt. Und als das Camp in Leiter und ihre jungen Teamer wissen diesen Ländern besetzten Workcamps be- einem Jahr ausfallen musste, machte er das. Und so dient das – seit 2003 regel- sprochen werden kann. sich kurzerhand mit dem eigenem Auto auf, um die neuen Freunde im fernen Est- Volles Programm: Organisatorisches, Pressearbeit, Team-Buildung, Einzelbiografien ... in den verschiede- land zu besuchen. Inzwischen ist er selbst nen Arbeitsgruppen und Seminaren gibt es viel zu besprechen. der Leiter dieses Workcamps. Die guten, die herzlichen Erfahrungen, die er dort gesammelt hat, gibt er nun an andere Ju- gendliche und junge Erwachsene weiter. Eine ähnliche Vita haben auch die mei- sten anderen Mitstreiter des Workcamp- Leiter-Treffens in Lommel: Vom Teilneh- mer zum Teamer zum Leiter – diesen Weg gingen viele der heutigen Verantwortli- chen. Doch es gibt auch Ausnahmen. So ist Bodo Henze aus Tangermünde mit sei- nen 60 Lenzen der Erfahrenste und ganz nebenbei auch noch fast so alt wie die Ju- gendarbeit des Volksbundes selbst, die 1953 hier in Lommel ihren Anfang nahm. Doch Bodo Henze kam auf anderem We- ge zur Jugendarbeit des Volksbundes – nämlich über die Bundeswehr, für die er jahrzehntelang gearbeitet hatte. Die Bun- deswehr unterstützt die Friedensarbeit 1/2014 17
Workcamps Doch zunächst beginnt das Seminar- nen gesellschaftlichen Entwicklungen, wochenende für die Workcamp-Leiter mit wie etwa der Verkürzung der Schulzeit einem geführten Rundgang über die be- und gleichzeitiger Einführung von zeit- nachbarte Kriegsgräberstätte. „Dies ist lich gestrafften Bachelor/Master-Studi- das Konzept der Jugendbegegnungs- und engängen. Dies verknappe die verfügba- Bildungsstätten des Volksbundes“, sagt re Zeit junger Menschen zusehends. Häu- JBS-Leiterin Myriam Koonings: „Die Aus- fig würde dann notgedrungen auf Freizeit- einandersetzung mit dem Thema Krieg aktivitäten oder eben das Ehrenamt ver- soll direkt am authentischen Ort der Ge- zichtet. Zudem habe die Attraktivität ost- schichte, also auf der Kriegsgräberstätte europäischer Reiseziele nach dem Boom stattfinden. Dort werden die Besucher mit in den 1990er-Jahren wieder stark abge- konkreten Einzelbiografien der dort be- nommen. Gerade hier habe der Volks- statteten Kriegstoten konfrontiert.“ bund aber einen inhaltlich begründeten regionalen Schwerpunkt seiner Work- Herausforderungen camps und Jugendbegegnungen. Neben der Finanzierung ist die Gewin- Es gibt aber auch noch ganz andere nung von Teilnehmenden eine der an- Gründe für diese Entwicklung. So nimmt mend wichtiger. So sieht es auch der neue spruchsvollsten Aufgaben in der Jugend- die Zahl der Teilnehmenden an Work- Volksbundpräsident Markus Meckel. arbeit. Dies gilt nicht nur für den Volks- camps und Jugendbegegnungen auch Einige der jungen Workcamp-Leiter hatte bund, sondern ganz allgemein. „Es gibt deswegen ab, weil sich die Erwartungen er zuvor schon beim Jahrestreffen der eine Tendenz, dass die Teilnehmenden- an die Programme der einzelnen Jugend- hauptamtlichen Jugend-, Bildungs- und zahlen in der Jugendarbeit insgesamt et- begegnungen deutlich verändert haben. Schulreferent/innen im niederländischen was rückläufig sind – und dies hat viele Die Vorbereitung der Camps im Sinne Ysselsteyn und während eines Arbeitsge- Ursachen“, sagt Gunnar Zamzow. Grün- einer modernen historisch-politischen Bil- spräches mit dem Bundesjugendarbeits- de hierfür lägen zum Beispiel in allgemei- dungsarbeit wird immer anspruchsvoller kreis getroffen und ihnen seine volle Un- und zeitintensiver. Außerdem machen die terstützung zugesagt. Schließlich komme verbindlichen Vorgaben öffentlicher Mit- der Jugendarbeit im Konzept des gemein- Die Arbeit mit Einzelbiografien ist ein wichtiger telgeber eine regelmäßige Überarbeitung samen europäischen Gedenkens eine tra- pädagogischer Ansatz der JBS Lommel. der Programmprofile nötig und geben gende Rolle zu. verbindliche Teilnehmendenzahlen und Betreuungsschlüssel vor. All diese Um- Große Neugierde geweckt stände sorgen für eine nachhaltige Ver- besserung der Workcamps und machen Diese Unterstützung ist wichtig und die Angebote der Jugendarbeit attrakti- tut gut. Zu der abendlichen und vom La- ver, erhöhen aber auch die Kosten und gerfeuerschein erhellten Runde im Hof führen – als Konsequenz aus den pädago- der JBS Lommel gesellt sich nun auch Ro- gischen Vorgaben – letztlich zu weniger bin Schlesselmann. Er ist der Freund des Teilnehmenden. eingangs erwähnten jungen Workcamp- Leiters Thies Mielke. Die Begeisterung für Kritische Fragen die Jugendarbeit des Volksbundes, die spürbare Freude über das Zusammenle- Dies sind allgemeine gesellschaftliche ben im Camp und die Geschichten über Trends. Zugleich versucht der Volksbund die neuen internationalen Freundschaften aber auch, sich mit den eigenen Proble- haben auch bei ihm für große Neugier men der Jugendarbeit zu beschäftigen: gesorgt. So kam er zum Volksbund. Und Wie hoch ist unser Bekanntheitsgrad? Wie nachdem er in der Vergangenheit zu- kommt unser pädagogisches Programm nächst nur als Teilnehmer bei einem die- bei den Jugendlichen an – und ist unsere ser Workcamps teilgenommen hatte, wird Friedensarbeit in dieser Form überhaupt er in diesem Sommer als Teamer in die noch zeitgemäß? Es sind kritische, aber Ferne reisen. Die Verantwortung wächst eben auch entscheidende Fragen für die also – und mit ihr vielleicht auch ein künf- Zukunft der Jugendarbeit im Volksbund, tiger Workcamp-Leiter? Wer weiß – Feuer die in Lommel gestellt werden. Denn das und Flamme für die Jugendarbeit ist er Thema Jugendarbeit wird für den Volks- jedenfalls schon heute. bund mit dem immer größer werdenden Zeitabstand zu den Weltkriegen zuneh- Maurice Bonkat 18 1/2014
Arbeitsbilanz Arbeitsbilanz 2013 Bundeswehr pflegt Gräber in Ungarn Einweihung Kriegsgräberstätte Duchowschtschina Volksbund wählt neuen Präsidenten Danke für Ihre Hilfe! Inhalt Bau und Pflege 2-3 Einweihungen und Gedenkveranstaltungen 4 Umbettungen 4 Gräbernachweis und Angehörigenbetreuung 5-6 Presse- und Öffentlichkeitsarbeit 6-7 Volksbund, Bundeswehr und Reservisten 7 Reisen „mit uns“ 8 Jugendarbeit 8-9 Mitglieder und Spender 10 Erbschaftsinformation, Stiftung Gedenken und Frieden 11 Zahlen und Leistungen 2013 11 Volksbund im Überblick 12 Verantwortlich für den Inhalt: Rainer Ruff, Generalsekretär • Redaktion: Maurice Bonkat • Gestaltung: René Strack Fotos oben: Maurice Bonkat (2), Uwe Zucchi (Mitte) Arbeitsbilanz 2013 & Ausblick 2014
Arbeitsbilanz Bau und P f lege Der Volksbund pflegt 832 Kriegsgräber- stätten des Ersten und Zweiten Weltkrieges in 45 Staaten sowie mehr als 800 Grabstät- ten und Denkmale des Deutsch-Französi- schen Krieges 1870/71. Die Flächen der deutschen Friedhofsanlagen im Ausland betragen etwa 770 Hektar. Das entspricht der Größe von über 1 000 Fußballfeldern. Für ihre Pflege und Unterhaltung werden jährlich mehr als zehn Millionen Euro auf- gewendet. Die Mitarbeiter des Gräberdienstes in Kassel sorgen für den guten Zustand der Friedhofsanlagen. Neben der Steuerung der gärtnerischen Pflegearbeiten gehört der Neubau, die Reparatur und Ergänzung der vorhandenen Friedhofsgebäude, Wege und Plätze zu ihren Aufgaben. Die mittlerweile (Foto: Maurice Bonkat) veraltete Gebäudetechnik muss erneuert So wie bei der internationalen Jugendbegegnung in Kassel erhält der Volksbund bei seinen und den neuen gesetzlichen Standards umfangreichen Pflegearbeiten auch Unterstützung durch freiwillige Helfer. angepasst werden. Hierzu wurden im vergangenen Jahr cir- gen werden überwiegend für den Volks- Fotowünsche der Angehörigen. Auch der ca 400 neue Aufträge nach Ausschreibun- bund kostenpflichtig durch Firmen, kom- Internet-Ausbau unter www.volksbund.de/ gen an Firmen vergeben und 2 000 Rech- munale Betriebe, Kirchengemeinden, Ver- kriegsgräberstätten wurde weiter ausgebaut nungen geprüft und bezahlt. Die techni- eine und Privatpersonen erbracht. Unsere und bietet unseren Förderern zahlreiche schen Zeichner fertigten etwa 200 Zeich- Mitarbeiter vor Ort bieten zudem Führun- und vor allem aktuelle Informationen zu nungen für die Planung und Durchführung gen an und erfüllen Grabschmuck- sowie den Kriegsgräberstätten in 45 Ländern. der Bauprojekte an. Der Neubau der Kriegsgräberstätten in In 2013 machten sich die Teilnehmer des 9. Förderer-Workcamps vor allem um die Berieselungs- Osteuropa konnte letztes Jahr mit der Ein- anlage im italienischen Monte Cassino verdient. weihung von Duchowschtschina abge- schlossen werden. Seit 1996 hat der Volks- bund mehr als 52 Millionen Euro für die In- standsetzung und den Neubau von Kriegs- gräberstätten in den ehemaligen Ostblock- staaten aufgewandt. In den nächsten Jahren werden wir noch einige neue Friedhöfe in den neuen Staaten des Balkans errichten. 140 Volksbundmitarbeiter pflegen vor Ort 232 Friedhofsanlagen in Eigenpflege unter ökologischen Gesichtspunkten. Bei der Pflege der Friedhofsanlagen wird der Volksbund durch freiwillige Helfer der Bundeswehr, Reservisten, dem THW und die jugendlichen Teilnehmer der Work- camps unterstützt. Der Gräberdienst steuert zudem die Arbeiten auf den 600 durch Firmen ge- pflegten Kriegsgräberstätten. Die Leistun- (Foto: privat) Arbeitsbilanz 2013 & Ausblick 2014 AB 2
Arbeitsbilanz BAUPROJEKTE 2013 Mazedonien Mlawka: Nachbeschriftung auf zwei Prilep: Sanierungsarbeiten an Mauern Namenstelen mit 510 Namen Belarus durch die Bundeswehr Joachimow: Ersatz von 19 gestohlenen Schatkowo: Beschriftung von Namen- Namentafeln stelen mit 2 330 Namen Polen Bartossen (Bartosze): Neu- und Nach- Rumänien Deutschland beschriftung von 3 640 Namen Braila, Brasov, Iasi, Soveja: Bauin- Möltenort (bei Kiel): Sanierung und Neumark (Stare Czarnowo): Neube- standsetzung, vor allem Richten von Wiederaufstellung der Adler-Skulptur schriftung auf Stelen in Stare Czarno- Grabzeichen sowie Gehölzpflege durch wo mit 845 Namen die freiwilligen Helfer der Bundeswehr Frankreich Laurahütte (Siemianowice): Neube- Berru: Herstellen eines Pultsteines mit schriftung auf Stelen in Laurahütte mit Russische Föderation Namenbuch für das Gemeinschaftsgrab 815 Namen Duchowschtschina: Abschluss der Champigny-sur-Marne: Beginn der Danzig (Gdansk): Namenkennzeich- Bauarbeiten, Beschriftung von 68 Na- Instandsetzungsarbeiten nung auf Pultsteinen mit 300 Namen menstelen mit 16 300 Namen Niederbronn: Ersatz von insgesamt Königsberg (Kaliningrad): Nachbe- 1 040 Grabzeichen schriftung mit 2 900 Namen Mont-de-Huisnes: Neue Grabzeichen Smolensk Nishnaja-Dubrowenka: der „Unter den Unbekannten Ruhenden“ Nachbeschriftung mit 110 Namen Romagne-sous-Montfaucon: Beginn Kursk-Besedino: Nachbeschriftung der Sanierung nach Sturmschäden mit 2 700 Namen Wicres Route: Neuverlegen Grabplat- Rossoschka: Ergänzung von 19 Na- ten und Erneuerung Gräberfelder mentafeln mit 1 200 Namen Italien Slowakische Republik Pordoi: Sanierungsarbeiten Dach, ers- Čabiny, Huncovce, Prešov, Važec: Bau- ter Bauabschnitt erfolgt instandsetzung, vor allem Streichen von Bauteilen und Setzen von Wegeinfas- Lettland sungen durch die Bundeswehr Riga-Beberbeki: Beschriftung von 154 Kreuzen Tschechische Republik Saldus: Beschriftung von Pultsteinen Cheb (Eger): Beschriftungen mit 450 mit insgesamt 1 270 Namen sowie von Namen sowie Bauinstandsetzung 63 Kreuzen Brno (Brünn): 1 600 neue Namen AUSBLICK 2014 gräberstätte in Warschau-Nord soll umgestaltet werden. Frankreich Die Arbeiten auf dem Gemeinschafts- Russische Föderation grab der Kriegsgräberstätte Berru sol- Zentrale Gedenklösungen für Kriegs- len mit Hilfe von Bundeswehrangehö- gefangene sind in Ljublino (Moskau) rigen fertig gestellt werden. Auf der sowie Sebesh vorgesehen. Der Fried- (Foto: Maurice Bonkat) Kriegsgräberstätte in Romagne-sous- hof Rudnitschny wird instand gesetzt. Montfaucon wird die grundhafte In- Im ungarischen Budaörs bohren deutsche und standsetzung abgeschlossen. Der Grab- ungarische Soldaten gemeinsam die Löcher Namenskennzeichnung zeichenersatz auf der Kriegsgräberstät- für den neuen Wildschutzzaun in den Boden. Auf folgenden Friedhöfen gibt es Er- te in Niederbronn wird ebenfalls fort- gänzungen der Grabzeichen/Stelen: gesetzt. In der zweiten Bauphase sollen Italien Apscheronsk, Kursk, Rshew, Sebesh, hier weitere 1 000 Grabzeichen eben- Das Dach des Gedenkraumes auf der Sologubowka, Klaipeda (Memel), falls mit Unterstützung der Bundes- Kriegsgräberstätte Cassino ist stark re- Duchowschtschina, Neumark (Stare wehr ausgetauscht werden. Zudem wer- novierungsbedürftig und wird saniert. Czarnowo), Siemianowice, Poznan, den im Jahr 2014 zahlreiche Denkmä- Jelgava, Daugavpils, Valašské Me- ler des Deutsch-Französischen Krieges Polen ziříčí, Marienbad, Karlsbad, Narva, 1870/71 instand gesetzt. Der Gedenkplatz der deutschen Kriegs- Potelitsch, Iasi und Chisinau AB 3 Arbeitsbilanz 2013 & Ausblick 2014
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