DISPUT - Partei DIE LINKE
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DISPUT ISSN 0948–2407 | 67485 Strategiedebatte MITGLIEDER ZEITSCHRIF T DER PARTEI DIE LINKE JANUAR 2020 2 EURO Jan Korte, Sahra Mirow, Stefan Hartmann, Katina Schubert und Amira Moha- med Ali machen Vorschläge, wie sich DIE LINKE in Zukunft aufstellen sollte. 8 Mietenkampagne Dreiklang Deckeln, Enteignen und sozialer Wohnungsbau – so läuft es mit der bundes- weiten Mietenkampagne in Wustermark, Lüneburg und Hamburg. 14 Digitalkonferenz Auf der Digitalkonferenz der LINKEN wurden die Auswir- kungen der Digitalisierung diskutiert und emanzipato- rische Gestaltungsmöglich- keiten aufgezeigt 4 Foto: Martin Heinlein
INHALT habe sie eine große Chance, insbeson- Waffen im Wert von 242,8 Millionen dere von jungen Menschen gewählt zu Euro an die Türkei geliefert. Über werden. Sein leidenschaftliches Plädo- die deutsche Komplizenschaft ei- yer lest ihr auf den Seiten 6 und 7. nes Kriegsverbrechens in Rojava Sicherlich habt ihr mitbekommen, dass berichtet unsere Bundestagsabge- am 29. Februar und 1. März 2020 die ordnete Helin Evrim Sommer auf Strategiekonferenz der LINKEN in Kas- den Seiten 24 und 25. sel stattfindet. Alle Parteimitglieder Wenn ihr diese Ausgabe des DIS- sind aufgerufen, sich zu Wort zu mel- PUT in euren Händen haltet, ist den. Auch im DISPUT führen wir die es kurz vor Weihnachten. Nutzt Debatte. Ab Seite 8 findet ihr sechs diese Tage für zur Entspannung, I ch habe keine Lust, bei der Beiträge zur Strategiedebatte, u. a. von zur Sammlung neuer Kräfte und: Bundestagswahl 2021 die unserer neuen Fraktionsvorsitzenden Kommt gut ins neue Jahrzehnt. Grünen zu wählen«, schmet- Amira Mohamed Ali. tert der Satiriker Jean-Philippe Unsere Partei bewegt eine Menge: 9,1 Thomas Lohmeier, Leiter Bereich Kindler, den ihr vielleicht mit Prozent holte Björn Thoroe als Bürger- Öffentlichkeitsarbeit seiner Poetry-Slam-Performance meisterkandidat in Kiel. Ein herausra- »Mindestlohn« vom Leipziger Par- gendes Ergebnis! Wie er das gemacht teitag oder von unserem YouTube- hat, erfahrt ihr auf den Seiten 14 und Kanal kennt, und schreibt uns ins 15. Auf den folgenden Seiten berichten DISPUT 1/2020 Stammbuch: Wenn DIE LINKE es wir über tolle Kreisverbandsaktionen schafft, »jene Mythen der Unverein- im Rahmen unserer Mietenkampagne. barkeit von radikalem Klimaschutz Trotz der Militärinvasion gegen Afrin VOR-GELESEN VON und Sozialpolitik zu überwinden«, hat die Bundesregierung 2018 noch THOMAS -GELESEN VORLOHMEIER VON ??? DIGITALKONFERENZ INTERNATIONAL Eindrücke von der ersten Die Umbrüche in Lateinamerika Digitalkonferenz der LINKEN 3 sind auch eine Herausforderung für die deutsche Linke 22 AUSBLICK Jean-Philippe Kindler wünscht sich INTERNATIONAL für 2020, wieder DIE LINKE wählen Helin Evrim Sommer über die zu können 6 deutsche Beteiligung am Krieg in Syrien 24 STR ATEGIEDEBAT TE Neue Beiträge zur GESCHICHTE Strategiedebatte 8 Die blutigste Demonstration der deutschen Geschichte fand vor OB - WAHL 100 Jahren statt 28 Björn Thoroe spricht im Interview über seinen erfolgreichen JEDEN MONAT Wahlkampf in Kiel 14 AUS DEM HAUS 5 FEUILLE TON 19 MIE TENK AMPAGNE PRES SEDIENST 26 Update aus Hamburg, Lüneburg DAS KLEINE BL ABL A 27 und Wustermark 16 NEU IM KINO 29 KULTUR 30 AFD - PAR TEITAG JANUARKOLUMNE 31 Zwischen Rechtsruck und Regierungsverantwortung 20 Foto: Julien Then IMPRESSUM DISPUT ist die Mitgliederzeitschrift der Partei DIE LINKE, herausgegeben vom Parteivorstand, und erscheint einmal monatlich über Neue Zeitungsverwaltung GmbH, Weydingerstraße 14–16, 10178 Berlin REDAKTION Nina Rink, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin, Telefon: 030 24009346, disput@die-linke.de GRAFIK UND LAYOUT Herbell, Berlin DRUCK EVERSFRANK BERLIN GmbH | Ballinstraße 15 | Postfach 470355 | 12359 Berlin ABOSERVICE Neues Deutschland, Druckerei und Verlag GmbH, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Telefon: (030) 29 78 18 00 ISSN 0948-2407 REDAKTIONSSCHLUSS HEFT 01/2020: 13. Dezember 2019. DISPUT 02/2020 erscheint am 30. Januar 2020. 2 DISPUT Januar 2020
DIGITALKONFERENZ Digital und emanzipatorisch Unter dem Titel »(K)eine automatische Revolution« hat DIE LINKE ihre erste Konferenz zu Digitalisierung und sozialer Gerechtigkeit ausgerichtet VON NINA RINK »Gibt es überhaupt einen neu- N icht nur weil es draußen grau en digitalen Kapitalismus?« und nicht nur den Reichtum und die und nasskalt ist, beginnt der Diese und andere Fragen dis- Kontrolle weniger stärkt.« Dazu soll- Tag mit einem Warm-Up. Ge- kutierten Nina Scholz, Bernd ten in Workshops, aber auch auf Po- nauer: Einem digitalen Warm-Up zur Riexinger und Evgeny Morozov dien Lösungen zusammengetragen Einstimmung und Erklärung wichti- und Standpunkte weiterentwickelt ger Begriffe, die im Laufe des Tages werden. noch fallen werden. Katalin Genn- Welt zu reproduzieren, ist Aufgabe ei- Politiker*innen, IT-Spezialist*in- burg, Sprecherin für Smart City ner sozialistischen Partei.« nen, Aktivist*innen, Gewerkschaf- der Linksfraktion Berlin hat Elisa- Diese Konferenz am 7. Dezember ter*innen und Wissenschaftler*innen beth Calderon-Luening von der For- 2019 ist die erste der Partei DIE LIN- kamen in acht Slots zusammen. Im schungsgruppe »Ungleichheit und KE, die sich intensiv mit dem The- Workshop »Welchen Sozialstaat brau- digitale Souveränität« an der Uni- ma Digitalisierung auseinandersetzt. chen wir für den digitalen Wandel« versität der Künste und Walter Pal- Im Ankündigungstext heißt es: »Der wurden in Kleingruppen konkrete metshofer, Projektleiter der Open technische Fortschritt und die Fol- Kriterien festgehalten, während bei Knowledge Foundation, eingeladen, gen der Digitalisierung stellen uns »Demokratie- und Eigentumsfrage um über einige Buzzwords im Zusam- alle vor neue Herausforderungen, stellen: sozial-ökologische Transfor- menhang mit Digitalisierung und so- manche davon können wir heute nur mation der Wirtschaft und Digitali- zialer Gerechtigkeit zu fachsimpeln. erahnen. Umso wichtiger, dass DIE sierung« im ersten Teil analysiert und Gennburg lässt schon in der ersten LINKE Antworten parat hat, wie wir im zweiten Teil nach Umsetzungs- Veranstaltung anklingen, worum es auf diese Herausforderungen reagie- möglichkeiten gesucht wurde. Auch heute gehen wird: »Scheiße aus der ren sollten, damit die Vorteile der Di- die kritische Auseinandersetzung analogen Welt nicht in der digitalen gitalisierung allen zu Gute kommen mit gefährlichen Aspekten digitaler DISPUT Januar 2020 3
DIGITALKONFERENZ Die Teilnehmer*innen er- Technologie spielte eine Rolle, so im arbeiteten in Kleingruppen ping, Anke-Domscheit-Berg und Kata- Workshop »Digitale Macht«, der die konkrete Anforderungen an lin Gennburg. »Viel zu zahm« sei dies Entwicklungen in China und die neu den Sozialstaat im Digitalen angesichts der real bereits viel wei- entstandenen Kontrollmöglichkeiten Zeitalter ter fortgeschrittenen Klassenkämp- für autoritäre Staaten unter die Lupe Foto: Martin Heinlein fe rund um Tech-Konzerne wie Ama- nahm. Im Workshop »Digitale Gewalt zon oder Deliveroo. Bernd Riexinger gegen Frauen« wurde ebenfalls deut- rich und Benjamin. Das Match sorgte erklärte, »öffentliche Kontrolle und lich, dass zum Beispiel sexualisierte für kurzweilige Unterhaltung – und Demokratisierung stärker in den Fo- Gewalt durch technologische Innova- zeigte auch, dass noch viel Entwick- kus unserer Politik« stellen zu wol- tionen eine neue Dimension bekom- lungsarbeit nötig ist, bis ein Roboter- len und nannte es eine »LINKE Dau- men hat – und sie mit klassischen Team die menschliche Weltmeister- eraufgabe«, zu überlegen, wie neue Mitteln polizeilicher Ermittlungen Elf besiegen können wird. Entwicklungen sich zuerst am Wohle und strafrechtlicher Verfolgung noch Den offiziellen Abschluss des Ta- der Menschen ausrichten ließen. Das schwieriger als bisher zu bekämpfen ges bildete das Podium »Digitaler hätte auch als Fazit dienen können – ist. Austausch, Vernetzung und Ge- Klassenkampf – Die Zukunft des di- Einigkeit herrschte bei den meisten genstrategien waren Teil der Arbeits- gitalen Kapitalismus und Perspek- der rund 250 Teilnehmer*innen da- gruppen. Auch die Auswirkungen di- tive des neuen Sozialismus«. Sabine rin, dass die Konferenz erst der An- gitaler Technologie auf viele andere Nuss moderierte die Diskussion mit fang der dauerhaften Auseinander- Lebensbereiche wurden untersucht Bernd Riexinger, Parteivorsitzender setzung mit dem Thema war. und Gestaltungsmöglichkeiten disku- der LINKEN, Politikwissenschaftlerin tiert: Ob Bildung und Wissenschaft, und Autorin Nina Scholz und dem aus Gesundheit, Arbeit, Medien und Öf- Mailand unter abenteuerlichen tech- fentlichkeit oder ländlicher Raum. nischen Bedingungen zugeschalteten Ein Highlight war das Roboter- Publizisten Evgeny Morozov. Dieser INFO Fußballspiel des »RoboCup«-Teams erläuterte zu Beginn, warum es jen- der Humboldt-Universität in der Mit- seits der Regulierung großer Plattfor- Auf www.die-linke.de/ tagspause. Das rote »Team« konnte men und Tech-Unternehmen vor al- digitalkonferenz2019 werden drei Tore gegen Blau erzielen. Der lem um soziale Transformation gehen in den kommenden Wochen Torjubel fiel allerdings aus – die Ro- müsse. »Ich bin froh, dass die Klassen- Audio- und Video-Mitschnitte boter sind nicht intelligent genug, um kämpfe zurück sind«, konstatierte Ni- der Impulsreferate, Workshops zu merken, wann sie ein Tor geschos- na Scholz und kritisierte das kürzlich und Podien online gestellt. sen haben, erklärten die Informatik- veröffentliche Papier zu demokrati- studenten und Roboter-Trainer Hein- scher Digitalisierung von Katja Kip- 4 DISPUT Januar 2020
AUS DEM HAUS I m Januar 2020 wird das Hartz- Möglichkeit, eine vielfältige Erwerbs- IV-Gesetz 15 Jahre alt – für biografie zu haben, kann positiv sein. uns kein Grund zum Feiern. Ein Unterschiedliche Lebensphasen bie- Grund, Revue passieren zu las- ten unterschiedlich viel Raum für Er- sen, dass Hartz IV kein rot-grü- werbsarbeit – wer Kinder hat, will ner Betriebsunfall war, sondern neo- sich vielleicht mehr Zeit für sie neh- liberales Programm: »Wir werden men. Manche Menschen haben einige soziale Leistungen kürzen«, hatte intensive Berufsjahre hinter sich und Bundeskanzler Schröder die Reform möchten kürzer treten. Mancherorts begründet, um die Wirtschaft anzu- schließen Firmen und die Beschäftig- kurbeln. Zugleich sollte mit Verfol- ten brauchen eine Weile, etwas Pas- gungsbetreuung – Neusprech: »för- JÖRG SCHINDLER sendes zu finden. Die Gründe sind dern und fordern« – den Betroffenen vielfältig – keiner von Ihnen darf dazu buchstäblich jede Würde genom- führen, dass ökonomische und sozia- men werden. »Wie ein Penner« wer- Kämpfen le Teilhabe nicht mehr möglich ist. de er vom Jobcenter behandelt, be- für einen Hier müssen wir Neues schaffen. Ein schwerte sich ein älterer Betroffe- Sozialstaat, der es ermöglicht, dass ner mir gegenüber. Löhne senken, Sozialstaat der die Arbeit zum Leben passt. Solidari- Profit erhöhen, dann ginge es allen Zukunft sche Umlagesysteme, finanziert da- gut. DIE LINKE ist im Kampf gegen durch, dass alle Einkommensarten Hartz IV entstanden und gewach- beteiligt werden, müssen eine unkom- sen. Wir haben gegen die damali- plizierte Mindest- und Lebensstan- ge Allparteien-Koalition gestanden. dardsicherung sicherstellen. Und die Geschichte hat uns recht nes leistet, gehört gut bezahlt. Wir Der zweite Punkt, der debattiert wur- gegeben: Wir haben Hartz IV de- möchten Hartz IV nach vorn auflö- de, macht deutlich, dass wir auch für legitimiert und die Sanktionen be- sen: Unser Sozialstaat kennt nicht Altes kämpfen müssen. Arbeitsrech- kämpft. mehr die Angst, von gesellschaft- te und Tarifbindung sind der beste Heute ist Anlass, grundlegend über licher Teilhabe ausgeschlossen zu Schutz vor prekärer Arbeit. Hier dür- den Sozialstaat zu sprechen – einen werden. fen wir nicht zulassen, dass Unter- neuen Sozialstaat. Wie sieht der So- Wir wollen nicht einfach nur etwas nehmen die Rechte von Beschäftigten zialstaat der Zukunft aus? Kann er Vergangenes zurück. Der Sozialstaat aushöhlen. Der Kampf für diese alten in einer digitalen und automatisier- der Nachkriegszeit war auf erwart- Konzepte wird sich auch in Zukunft ten Welt bestehen? Um einen star- bare Berufsbiografien ausgelegt. Er lohnen. Denn auch zukünftige Kämpfe ken Sozialstaat zu entwickeln, müs- ging oftmals von Einkommensver- um eine gerechtere Gesellschaftsord- sen wir klar benennen, was dieser hältnissen aus, bei denen ein Ein- nung werden von solidarischen Orga- für uns als demokratische Sozialis- kommen eine ganze Familie versor- nisationsformen Erwerbstätiger stark ten leisten soll. Es geht dabei um gen könnte und musste. Unser neu- profitieren. mehr als einen löchrigen Schutz vor er Sozialstaat muss und wird diese extremer Armut. Abhängigkeiten kappen und die Frei- Jörg Schindler ist Bundesgeschäfts- Unser Leitbild ist Schutz vor Angst: heit der Lebensentwürfe ermögli- führer der LINKEN dem Schutz davor, dass gesell- chen. schaftliche Teilhabe unmöglich wird, An dieser Stelle bietet die Digitali- weil ein Mensch, in einer bestimm- sierungskonferenz vom vergangenen Fotos: Mark Mühlhaus/attenzione, ten Lebenslage, nicht den kapita- Dezember Inspiration. In den Debat- DIE LINKE listischen Leistungsansprüchen ge- ten wurde deutlich: Erwerbsbiogra- nügt. Unserem Sozialstaat liegt die fien sind nicht mehr linear und die Idee zugrunde, die Angst vor Armut Beschäftigungsverhältnisse finden und Isolation, die uns im kapitalis- über Freiberuflichkeit und Plattform- tischen System in die Lohnarbeit arbeit in der Peripherie des alten So- zwingt, zu überwinden. zialstaatskonzeptes statt. In den De- Das heißt nicht, dass Arbeit sich batten um neue Arbeitswelten zeig- nicht lohnen sollte. Wer Großes, te sich, warum wir für Neues und Kleines, Mühseliges und Schö- für Altes kämpfen wollen. Denn die DISPUT Januar 2020 5
AUSBLICK D ie Wahrheit ist: Ich ha- arbeit beider Parteien an meinen al- be bei der Bundestags- ten Schulfreund Louis, der bei Face- wahl 2021 keine Lust, book regelmäßig so etwas postete wie die Grünen wählen zu »Manchmal läuft auch wirklich AL- müssen, weil sich die LES gegen einen« und dann auf nach- Partei, bei der ich eigentlich über- fragende Anteilnahme in den Kom- zeugtes Mitglied bin, ignorant wei- mentarspalten mit den Worten »Ach, gert, ihre klimapolitische Konzept- ist egal« reagierte. Was muss inner- losigkeit zu überwinden. Ich weiß, halb der LINKEN passieren, damit ich weiß, die Antwort liegt euch al- man möglichst wenig wie Louis ist? len schon auf der Zunge: »Aber wir machen doch eigentlich grünere Po- litik als die Grünen, es weiß nur nie- Konservative Mythen mand!« Leute, beim besten Willen. Es ist wirklich höchste Zeit, diese Selbst- beweihräucherung zu beenden. Vor Ich will radikal entzaubern Das radikaler Klimaschutz sozia- allem, weil das einfach nicht stimmt. le Strukturen aufspaltet, sich gegen Klar, wir können jetzt alle noch hun- Gewerkschaftsarbeit richtet und am dertmal auf das Parteiprogramm ehesten die Armen unserer Gesell- der LINKEN verweisen, um zu un- terstreichen, dass wir wirklich wirk- lich wirklich mehr Windkraftanla- DIE schaft belastet, ist ein konservatives Märchen, welches einige Linke der- artig akkurat nachplappern, als wä- gen aufstellen wollen als die Grü- re die komplette klimapolitische Ei- nen, aber es ist nun mal so, dass sich geninitiative in der oralen Phase ste- niemand für Parteiprogramme inte- ressiert. Wofür sich vor allem junge Leute eher interessieren, sind Reak- LINKE ckengeblieben. Wie Naomi Klein in der Dezemberausgabe der »Blätter für deutsche und internationale Poli- tionen auf ein Klimapaket der Bun- tik« richtigerweise betont, zwingt das desregierung, welches wirklich lä- Konzept des Green New Deal die Men- wählen cherlicher kaum sein könnte. Und da schen eben nicht, »sich zwischen der hat es DIE LINKE wieder einmal ver- Sorge um das Ende der Welt und der passt, sich klar zu positionieren. Der um das Monatsende zu entscheiden«. Aufschrei kam wieder einmal in ers- Nehmen wir das viel zitierte Beispiel ter Linie von den Grünen. Das Ziel für der Arbeiter*innen in der Kohlein- 2020 ist aus meiner Sicht aber ganz dustrie: Längst hat die Union den ste- klar die Konstituierung eines rot-rot- grünen Lagers, welches sich scharf vom konservativen Parteienspekt- können reotypen Kohlearbeiter aus der Lau- sitz zu einer politischen Figur hochge- jazzt, die DRAUF UND DRAN ist, sich rum unterscheidet. Die SPD hat sich, in seine gelbe Weste zu werfen, um so scheint es zumindest zum gegen- in Cottbus mal schön ein paar Klein- wärtigen Zeitpunkt, bereits auf den VON JEAN-PHILIPPE KINDLER wagen anzuzünden. Und diese Chi- richtigen Kurs gebracht, so bestätig- märe hat man geglaubt, obwohl die te der neue SPD-Vorsitzende Norbert Entstehung der Gelbwestenproteste Walter-Borjans doch genau dieses in Frankreich unter völlig anderen Vorhaben im »Aufwachen«-Podcast sozialen Bedingungen stattfand, die mit der Aussage, alles für einen La- in Deutschland keinesfalls gegeben gerwahlkampf tun zu wollen. Damit sind. Und der Feind ist auch schnell dies gelingt, müssen DIE LINKE und ausgemacht: Die »Fridays for Future«- die SPD allerdings ihre Klimakonzep- Aktivistin, die mit ihrer Radikalität te überarbeiten, vor allem in puncto das soziale Wohl eben jenes Kohlear- Wähler*innenbindung. Denn zum ge- beiters gefährdet. Zwei Anmerkun- genwärtigen Zeitpunkt erinnert mich gen: Erstens: Die Union interessiert die klimapolitische Öffentlichkeits- sich natürlich nicht wirklich für das 6 DISPUT Januar 2020
Wohl der Kohlearbeiter*innen. Zwei- Linke*r natürlich die Aufgabe, (un-) Niemand verlangt, tens: Umweltaktivist*innen dafür freundlich darauf hinzuweisen, dass verantwortlich zu machen, dass Leu- bei 40 Prozent der Deutschen am En- sozialpolitische te durch klimapolitische Umstruk- de des Monats kein Geld für Konsum- Schwerpunktthemen turierungsprozesse ihren Job verlie- sucht übrig bleibt, weil die Miete zu ren, ist ungefähr so, wie wenn ich hoch ist. Wer außer die LINKE könn- aufzugeben den Mann verprügele, mit dem mei- te effektiver darauf hinweisen, dass ne Freundin geschlafen hat, obwohl eine ethisch und moralisch korrekte Es ist nämlich so: Wenn man sich klug der nicht mal wusste, dass meine Ernährung immer noch ein Luxusgut anstellt, kann man die klimapolitische Freundin vergeben ist, was sie auch ist und nicht etwa einer demokrati- Sensibilisierung der Gesellschaft auch nicht war, weil ich sie vorher bereits sierten Geisteshaltung entspricht, dafür nutzen, um die ein oder ande- betrogen habe. Klimaschutz und So- für die sich jede*r, unabhängig vom re soziale Transformation anzustoßen, zialpolitik stehen sich nur innerhalb Einkommen, einfach so entscheiden die bisher tabuisiert scheint. Neolibe- solcher Gesellschaftsformen diamet- kann, nur weil Fans irgendwelcher rale Denkangebote geraten durch die ral gegenüber, in denen strukturpo- Instagram-Blogger*innen der virtuel- anhaltenden Umweltproteste zuneh- litische Versäumnisse im großen Sti- le Unterleib flattert, wenn man ihnen mend unter Druck – wenn man es als le auf die Schultern der arbeitenden vorführt, dass »diese neue Fairtrade- LINKE schafft, sich mit diesen Protes- Bevölkerung übertragen wird, um Unterwäsche wirklich von Tag zu Tag ten zu solidarisieren, so verbessert Argumente gegen eine Klimapolitik glücklicher macht«. man automatisch auch seine sozialpo- herbeizuzaubern, die wir JETZT brau- litische Verhandlungsposition. Denn chen, damit wir den Karren nicht wenn die Klimabewegung erst einmal völlig an die Wand fahren. Deutsch- entlarvt hat, dass der Markt eben nicht land hat nämlich genug Geld, um alles zum Wohle aller regelt, so kann Arbeiter*innen, die von klimapoliti- man aus einer umweltpolitischen Per- schen Maßnahmen betroffen wären, spektive heraus beispielsweise viel ef- würdig abzusichern. Genau aus die- fektiver die gegenwärtige Wohnungs- sem Grund ist es leider peinlich, dass politik kritisieren. Das ist übrigens ne- linke Politiker*innen nicht ebenso ben Klimaschutz der zweitwichtigste lautstark auf die Barrikaden gingen, Fokus des Jahres 2020 – denn seit 2011 wie ihre Kolleg*innen aus der grü- Die viel zu leise Kritik haben die Preissteigerungen deutsche nen Mitte. Denn mit einer vernünfti- aus der LINKEN beweist Immobilienbesitzer um drei Billionen gen CO2-Steuer, die eine tatsächliche Euro reicher gemacht. Die AfD beginnt Lenkungswirkung entfaltet, hätte die klimapolitische jetzt schon, dieses Thema für sich zu man ein klimapolitisches Instrument Verdrossenheit einer beanspruchen, die LINKE sollte also schaffen können, welches durch- Partei, dessen wichtige schleunigst an die jüngsten Erfolge in aus sozialverträglich hätte sein kön- Berlin anknüpfen, ohne dabei auf den nen. Dafür hätte sie aber bei 40 Euro Skepsis gegenüber grüner Schulterschluss mit grüner Politik zu pro Kilogramm CO2 einsteigen müs- Politik zu einer lethargi- verzichten. sen. Die viel zu leise Kritik aus der Wenn die LINKE es schafft, partei- LINKEN beweist die klimapolitische schen Verweigerungs- intern jene Mythen der Unvereinbar- Verdrossenheit einer Partei, dessen haltung mutierte. keit von radikalem Klimaschutz und wichtige Skepsis gegenüber grüner Sozialpolitik zu überwinden, so hat Politik zu einer lethargischen Ver- man die große Chance, vor allem von weigerungshaltung mutierte. Denn jüngeren Wähler*innen wieder ernst natürlich ist es wichtig, grüne Politik genommen zu werden. Und vor allem ideologiekritisch auf elitaristische ermöglicht man dadurch eventuell Fehlbildungen abzutasten, oder an- 2021 einen rot-rot-grünen Wahlaus- ders gesagt: Wenn auf der »Fridays gang, den man maßgeblich mit klu- for Future«-Demonstration die Stu- gen, linken Ideen herbeigeführt hat. dentin verkündet, dass man all die Konsumsüchtigen zu verurteilen hat, Jean-Philippe Kindler ist Satiriker die am »Black Friday« auf Schnäpp- und derzeit mit seinem Programm chenjagd gehen, dann hat man als »Mensch ärgere dich nicht« auf Tour DISPUT Januar 2020 7
STR ATEGIEDEBAT TE Die Diskussion um künftige Herausforderungen und die Strategie der LINKEN ist eröffnet. Auf den folgenden Seiten: neue Beiträge von Sahra Mirow, Amira Mohamed Ali, Jan Korte, Stefan Hartmann, Bettina Gutperl und Katina Schubert. onen zwischen Partei- und Fraktions- tik und Wohlfühlparolen zelebrieren Zusammenbringen, spitze ist eine ehrliche Evaluation nö- will, geht zu den Grünen. Darum ist es was zusammen tig, wie wir miteinander arbeiten und reden wollen. Schließlich gilt es, ein wichtig zu erkennen, was uns verbin- det, statt nach innen und außen aus- gehört Projekt zu verteidigen. zugrenzen. Wer in DIE LINKE kommt, hat ei- Mich erschreckt, wie vermeintli- VON SAHRA MIROW nige Überlegungen angestellt. Schließ- che Grenzen zwischen Gruppen gezo- lich geht es um die Entwicklung von gen werden. Ich bin in Heidelberg ak- Diese Strategiedebatte kommt zur Alternativen zu einem Wirtschafts- tiv, in einer Stadt mit 36.000 Studie- richtigen Zeit, denn wir brauchen sie. und Gesellschaftssystem, das Men- renden. Unser Ortsvorstand besteht Nach unbefriedigenden Wahler- schen ihrer elementaren Menschen- mehrheitlich aus jungen Leuten, die gebnissen (ausgenommen Thüringen rechte beraubt. Wir gehen an die Wur- sich in der Pflegekampagne, bei un- und Bremen) und diversen Diskussi- zel. Wer tatsächlich »Life-Style«-Poli- serer landesweiten Weihnachtsaktion für Beschäftigte im Einzelhandel, in Foto: Martin Heinlein der Seebrücke und vielem mehr en- gagieren. Viele von ihnen studieren, trinken auch mal gerne einen Latte Macchiato und engagieren sich in so- zialen Projekten, zum Beispiel bei un- seren Aktionen vor dem Jobcenter. Wir haben Langzeiterwerbslose, die Jahren in der Geflüchtetenhilfe arbei- ten. Sie alle sind DIE LINKE. Wer be- hauptet, wir wären zu wenig sozial, verkennt diese Realität vor Ort. Wenn wir unser soziales Engage- ment um die Ökologie erweitern, ist das auch keine Reduktion des Sozia- len, sondern eine überfällige Zusam- menführung. Auch hier dürfen wir nicht trennen, was zusammengehört. Vielmehr müssen wir Brücken schlagen. Brücken zwischen unse- ren Mitstreiter*innen, aber auch zwi- schen unseren Wählerinnen und Wäh- lern. DIE LINKE bringt verschiede- ne Milieus wie Erwerbslose und pre- kär beschäftigte Akademiker*innen 8 DISPUT Januar 2020
schließlich nicht nur an der Wahlur- KEN wird in der Post-Merkel-Ära die ne zusammen, sondern auch in der dringend notwendige soziale und Partei selbst. ökologische Wende eine Chance ha- Eine verbindende Partei braucht ben. Wir müssen schnell klären, wa- neue, verbindende Strukturen. Seit rum das steigende gesellschaftli- 2017 verbuchen wir in Baden-Würt- che Bedürfnis nach einer sozialeren »Wir müssen denjenigen, temberg viele Neuzugänge und oh- Politik bisher bundesweit bei uns die von allen anderen im Stich ne diesen Zulauf hätten wir bei der nicht zu steigenden Stimmenantei- gelassen werden, zeigen, dass es letzten Bundestagwahl keine 6,4 Pro- len führt, obwohl von unseren For- in unserer Politik um sie geht.« zent geholt. Wie also stellen wir uns derungen Arbeitnehmer*innen und künftig auf und welche Angebote Rentner*innen mit niedrigen und wollen wir entwickeln? Feministische mittleren Einkommen sowie Arbeits- Kasse gebeten werden. Wir stehen für Stammtische, kleinteiligere Arbeits- lose am meisten profitieren würden. massive öffentliche Investitionen und strukturen in Projekten, gemeinsame Dafür ist entscheidend, dass wir so- sozialen Klimaschutz. Das muss eben- kulturelle Projekte – das alles kön- wohl in unseren internen Debatten so unser Markenzeichen sein wie die nen Beiträge für eine moderne Partei- als auch in der Kommunikation nach Friedenspolitik. Hier muss sich DIE arbeit sein. außen die Solidarität leben und aus- LINKE weiter konsequent gegen Aus- Das und vieles andere müssen wir strahlen, die wir uns für unsere Gesell- landseinsätze der Bundeswehr, Rüs- diskutieren – gemeinsam, inklusiv schaft wünschen. Es ist unsere Verant- tungsexporte und den neuen Kalten und auf Augenhöhe. wortung, unsere klassischen Zielgrup- Krieg mit Russland einsetzen. Auch pen wieder zu erreichen und in noch müssen wir die sozialen Folgen der Sahra Mirow ist Landessprecherin breiteren Teilen der Bevölkerung als Hochrüstungspolitik benennen. Im der LINKEN Baden-Württemberg glaubwürdige und unterstützenswer- Haushalt ist die Rüstungsquote inzwi- sowie Stadträtin und Fraktions- te politische Kraft wahrgenommen schen höher als die Investitionsquote! vorsitzende im Gemeinderat und angenommen zu werden. Denn Es gilt, gesellschaftliche Bündnis- Heidelberg DIE LINKE macht Politik für die gro- se zu organisieren, um gemeinsam ße Mehrheit der Bevölkerung. mit der Friedensbewegung, Gewerk- Wir müssen konsequent unseren schaften und sozialen Initiativen ge- In den Zeiten der Kern nach vorne stellen. Wir stellen als einzige Partei die Machtverhältnis- gen diese verantwortungslose Politik vorzugehen, die auch von einer Mehr- Krise se infrage und legen uns mit den Su- heit der Bevölkerung abgelehnt wird. perreichen an – zum Wohle der Allge- Ob es gelingt, dieser Mehrheit eine VON AMIRA MOHAMED ALI meinheit. DIE LINKE will eine Umver- Stimme zu geben, liegt nicht zuletzt teilung von oben nach unten. Nur wir an uns. Es wäre ein Fortschritt, soll- Die Ära Merkel und der Großen Koa- fordern eine angemessene Vermögen- te sich die SPD mit ihrer neuen Füh- lition als schwarz-rotes Bündnis geht steuer, die Multimillionäre zur Kasse rung endlich wieder auf ihre sozialde- zu Ende. Der damit verbundene Um- bittet. Nur wir fordern konsequent, mokratischen Wurzeln besinnen und bruch wird in einem verunsicherten dass Kernaufgaben der öffentlichen in diesen Kampf einreihen. Es wäre Land stattfinden, das von den neoli- Daseinsvorsorge wie Infrastruktur, aber bekanntlich nicht das erste Mal, beralen Regierungen in eine katast- Stromversorgung, Gesundheitsvorsor- dass die SPD links blinkt und dann ei- rophale Lage geführt wurde, geprägt ge, Rentenversicherung vollständig in nen anderen Kurs einschlägt. Ein gro- durch eine tiefe soziale Spaltung, stei- öffentlicher Hand bleiben beziehungs- ßes Ziel für uns bleibt, die Politik in gende Altersarmut, eine sich entfal- weise in diese wieder überführt wer- Deutschland und Europa insgesamt tende Strukturkrise in der deutschen den. DIE LINKE will einen bundes- nach links zu verschieben. In jedem Automobil- und Zulieferindustrie, un- weiten Mietendeckel, die Enteignung Fall muss klar bleiben: Für uns LINKE bewältigte Herausforderungen durch privater Immobilienkonzerne sowie darf es nicht darum gehen, bloß mitre- den Klimawandel, eklatante Investiti- ein ambitioniertes Wohnungsbaupro- gieren zu wollen. Unsere Rolle ist es, onsdefizite bei Bildung, Pflege und In- gramm in öffentlicher Hand. Auch der Garant für einen wirklichen Poli- frastruktur – um nur einige Probleme bei der Frage der Klimagerechtigkeit tikwechsel zu sein. grob zu nennen. muss unsere Botschaft sein, dass nicht Was bedeutet das für DIE LINKE? – wie im Falle der Bankenkrise – vor Amira Mohamed Ali ist Vorsitzende Natürlich müssen wir an Stärke ge- allem wieder die Menschen mit klei- der Fraktion DIE LINKE im winnen. Nur mit einer starken LIN- nen und mittleren Einkommen zur Bundestag DISPUT Januar 2020 9
STR ATEGIEDEBAT TE Niemanden im ihrer Situation möchte ich auf zwei Publikationen hinweisen. Der Publi- Herausforderungen Stich lassen zist Robert Misik bringt die Lage auf der LINKEN aus den Punkt, wenn er schreibt: »Die tra- VON JAN KORTE ditionellen Milieus haben das Gefühl, sächsischer Sicht die Angehörigen der urbanen kosmo- Nach etlichen herben Wahlnieder- politischen Gruppen blickten auf sie VON STEFAN HARTMANN lagen der LINKEN und einem Sink- und ihren Lebensstil herab. Zur öko- flug in den Umfragen stagniert un- nomischen Verunsicherung kommt Der Parteitag der sächsischen LIN- sere Partei nach dem Wahlsieg von eine soziale Verunsicherung, der KEN im November stand ganz im Bodo Ramelow und unseren Thürin- Status ist in doppelter Hinsicht be- Zeichen der drei Wahlniederlagen ger Genoss*innen in der Sonntagsfra- droht.« Der Soziologe Andreas Reck- des Jahres 2019 bei den Europa-, den ge bei acht Prozent. Im Gegensatz zu witz stellt eine »Kulturalisierung der Kommunal- und den Landtagswah- den französischen und italienischen Ungleichheit« fest, wonach der Le- len. Unser Landesverband steht nicht Linksparteien, die in der Bedeutungs- bensstil der neuen Mittelklasse ge- nur mit diesen Ergebnissen, sondern losigkeit verschwunden sind, sind wir sellschaftlich als »wertvolle Lebens- einer damit eng verbundenen Reihe (noch) in der Situation, unsere Partei form« wahrgenommen würde, die organisationspolitischer Probleme für die Zukunft aufstellen zu können. Lebensform der neuen Unterklasse vor einigen strategischen Fragen. Wir sollten diese Chance dringend hingegen als »wertlos und defizitär« Unsere Verwurzelung auf der nutzen, wenn wir nicht denselben – und zwar auch in ihrer Selbstwahr- kommunal(politisch)en Ebene schwin- Weg nehmen wollen. nehmung. det, es zeigen sich weiße Flecken, die Unsere Gesellschaft befindet sich Für die Arbeit der LINKEN, für die Altersstruktur unserer Räte in Krei- in einer gefährlichen Lage. Der Hass Definition unserer Handlungsfelder sen, Städten und Gemeinden ist durch wächst im Netz und auf der Straße, und unsere Kommunikation halte ich einen signifikanten Mangel an jün- die in weiten Teilen faschistische AfD diese Analysen für grundlegend. Sie geren Menschen geprägt. Zwei Drit- trägt ihn bis ins Parlament. Wir müs- beschreiben die Lücke, die wir zu lan- tel unserer schrumpfenden Mitglied- sen analysieren, was in unserer Ge- ge nicht erkannt haben und unsere schaft ist im Rentenalter, besonders sellschaft passiert und wirksam auf Aufgabe in der Zukunft: Uns wieder im Raum außerhalb der drei Großstäd- diese negativen Entwicklungen re- um sie zu kümmern. Und sie zeigen, te verlieren wir zunehmend unsere agieren. Vor welchen Aufgaben wir dass wir diese Aufgabe nicht auf an- Stärke, die in der engen Partnerschaft stehen, kann in diesem Format nur dere abschieben können, auch nicht mit zivilgesellschaftlichen Organisati- skizziert werden. Im Zentrum sollten auf Bewegungen wie »Fridays for Fu- onen und Bewegungen bestand. diejenigen stehen, für die DIE LINKE ture«, die wichtig und unterstützens- Diese Probleme haben erhebli- und ihre Vorgängerinnen gegründet wert sind, aber keine Lösung für un- che Auswirkungen. In den 1990er wurden: Die dort unten, die Erwerbs- sere Klientel. Wir müssen denjenigen, Jahren hatte die PDS etwas für eine losen, die Arbeiter*innen, nach der die von allen anderen im Stich gelas- linke Partei in Deutschland eher Un- Agenda 2010 ergänzt durch Schein- sen werden, zeigen, dass es in unserer gewöhnliches geschafft: Sie wandel- selbstständige, Leiharbeiter*innen, Politik um sie geht. te sich von einer Organisation, die Ein-Euro-Jobber*innen. in ihren Beschlüssen (vermeintlich) Die linken Erfolge und der gesell- Jan Korte ist erster Parlamentari- Wahres und Notwendiges feststellte schaftliche Fortschritt in den vergan- scher Geschäftsführer der Fraktion und verkündete, zu einem anderen genen Jahren haben für viele von ih- DIE LINKEN. Ende Januar erscheint Typ von Partei. Die gesellschaftliche nen keine Verbesserung gebracht, zum Thema sein Buch »Die Verant- Wirklichkeit in ihrer konkreten Wi- sondern das Gefühl verstärkt, ausge- wortung der Linken« im Verbrecher dersprüchlichkeit wurde zur Grund- grenzt zu werden. Zum Verständnis Verlag. lage ihrer Politik. Ein Beispiel: Es war So geht 10. Januar 2020 18. Januar 19. Januar Ende Januar es weiter Einsendeschluss Regionalkonferenz Regionalkonferenz Veröffentlichung Debattenbeiträge Mecklenburg- Baden-Württem- des Kongress Vorpommern berg (Ulm) readers mit (Güstrow) Positionspapieren 10 DISPUT Januar 2020
Foto: Martin Heinlein INFO nicht das Ergebnis großdenkerischer Analyse, die Frage von Kleingärten, Debattenbeiträge zur Den sozialistischen Garagen oder Kleinkläranlagen zu ei- nem typischen Profilierungsfeld von Anmeldung zur Konferenz: strategiedebatte.die-linke.de Kurs halten! PDS-Politik zu machen, sondern es VON BETTINA GUTPERL resultierte aus unserer gesellschaft- lichen Verankerung. Unsere Kompe- Wir leben in stürmischen Zeiten. Da- tenz als Vertreterin ostdeutscher In- her brauchen wir eine Partei, die Wel- teressen entsprang nicht einem »Gro- kutierten Feld der Migrationspolitik len reiten kann. Die sich von einem ßen Plan Ost«, sondern konkreter In- konnten wir mit einer klaren Hal- autoritärer werdenden Kapitalismus teressenvertretung. tung glänzen. Von den Wähler*innen und von einer (wieder)erstarkenden Schon bei der Europawahl war wurde sehr deutlich wahrgenommen, Rechten weder herunterziehen noch das etwas anders. Mit der aus vor dass die politischen Auseinanderset- treiben lässt. Die sich vor der drohen- allem innerparteilichen taktischen zungen in der LINKEN eindeutig ent- den Kulisse nicht selbst zerreißt, son- Erwägungen erarbeiteten Strategie schieden wurden. Das hat uns gehol- dern mit Luxemburg allem zum Trotz des »Dritten Pols« (die dann im Übri- fen, Menschen mit einer ebenso kla- ruft: »Ich lebe am fröhlichsten im gen auch nur halbgar realisiert wur- ren Haltung von uns zu überzeugen. Sturm!« de) standen wir außerhalb der ent- Interessenpolitik war dies jedoch lei- Es kommt darauf an, nicht »nur« scheidenden Debattenlinie. Mögli- der noch nicht – der Weg zurück da- Fragen zu beantworten, sondern auch cherweise haben wir ja damit auch hin ist unsere wichtigste strategische Kräfteverhältnisse und uns selbst zu in irgendeinem theoretischen Paral- Aufgabe. verändern. Um einen sozialistischen leluniversum recht – es interessiert Kurs zu halten, brauchen wir Koordi- allerdings auch nur dort. Auf dem Stefan Hartmann ist Landes- naten. gesellschaftlich extrem intensiv dis- vorsitzender der LINKEN in Sachsen Die LINKE muss organisierend wir- 8. Februar 29. Februar/1. März März 15. April 12. bis 14. Juni Regionalkonferenz Strategiekonferenz Verarbeitung der Veröffentlichung 1. Tagung des Hessen (Frankfurt in Kassel Ergebnisse der des Leitantrages 7. Parteitages a. M.) Strategiekonferenz für den Parteitag in den Leitantrag zum Parteitag DISPUT Januar 2020 11
STR ATEGIEDEBAT TE ken: Mit einer starken Basis, die neue und Praxen muss aufgehoben werden, eignen«, in denen wir als Partei Teil Mitglieder einbindet, ihre Ideen ernst denn wir geben uns nicht mit Brotkru- sind, haben die institutionelle Poli- nimmt und mit ihnen umsetzt. Partei men zufrieden, wir bestehen auf Brot tik massiv unter Druck gesetzt. In vor Ort zu verankern und Strukturen UND Rosen – dem guten Leben für die diesem Zusammenspiel ergeben sich auf allen Ebenen zu schaffen, ist zen- Vielen. solche Räume gesellschaftlicher Ver- tral. DIE LINKE soll ein Ort sein, an änderung. Berlin wird ein Vergabe- dem Politik von allen gemacht wird, Bettina Gutperl ist Geschäfts- gesetz bekommen, das die Tariftreue nicht nur von »Spezialist*innen« oder führerin des Studierendenverban- der Unternehmen für öffentliche Auf- Stellvertreter*innen, die keine Ah- des DIE LINKE.SDS und Mitglied träge vorschreibt und den Vergabe- nung von unseren Lebensverhältnis- des Parteivorstandes und Landesmindestlohn auf 12,50 Eu- sen haben. Unser Mitmach-Angebot ro anhebt. Auch das ist ein Beispiel darf sich nicht im »Sitzungssozialis- vom Wechselspiel institutioneller Po- mus« erschöpfen. Räume gesell- litik und in diesem Fall gewerkschaft- Die LINKE muss sich und ande- re bilden: (Hoch)Schule besteht nur schaftlicher lichem Druck. Die Frage heißt also nicht Bewe- noch aus Auswendiglernen und Wie- Veränderung gung oder Regierung. Die strategi- derkäuen. Lernen für eine bessere sche Herausforderung heißt für uns: Welt steht nicht auf dem Stunden- VON KATINA SCHUBERT Aus der Bewegung heraus linke Mehr- plan. Statt für Frieden und ökologi- heiten organisieren und dabei immer sche Alternativen wird für Rüstung In unserer Gesellschaft zeichnen sich weiter auf die Wechselwirkungen von und SUVs geforscht. Mit der Weiter- gegenläufige Entwicklungen ab. Die Bewegung und Institutionen setzen gabe und Erneuerung marxistischer Auseinandersetzung um den Zuzug und mit ihnen arbeiten. Wir dürfen Analyse können wir die Welt erklä- geflüchteter Menschen hat dazu ge- als Partei Politik nicht an Parlamente ren, um sie zu verändern. Die Par- führt, dass der Takt von rechts vor- und Regierungen delegieren. Das ist tei muss organische Intellektuelle gegeben wird und die Union und Tei- ein anstrengendes Unterfangen, weil ausbilden, angefangen bei solid und le der SPD versuchen, den Rechtspo- Veränderungsprozesse immer auch SDS. Diese sollen organisieren und pulisten durch vorauseilenden Gehor- Gegenstand politischer Aushandlung Erfahrungen von Menschen mit po- sam und migrationsfeindliche Politik und Kompromissbildung zwischen litischen Ideen verbinden. zuvor zu kommen. Eine Strategie, die verschiedenen Akteur*innen und ih- DIE LINKE muss das strategische nachweislich dazu führt, dass die AfD ren Interessen sind. Zentrum von Veränderung sein: sie als Partei und die hinter ihr stehenden Anderes Beispiel: Wir werden die muss auf Revolutionäre Realpolitik gesellschaftlichen Kräfte gestärkt wer- Klimakrise nicht durch individuel- orientieren. Greifbar sein, Verbesse- den. Auf der anderen Seite steht gesell- le Verzichtsversprechen in den Griff rungen im Hier und Jetzt durchset- schaftlicher Aufbruch von progressi- bekommen, sondern durch tiefe Ein- zen, mit denen wir Terrain gewinnen, ven, von linken Leuten, jungen Men- griffe in kapitalistische Produktions- um Siege zu erringen auf dem Weg schen, Mieter*innen, Beschäftigten, weisen, die Stärkung öffentlicher In- zum Sozialismus. Es reicht nicht aus, Migrant*innen und vielen mehr. Sie frastruktur und sozialen Ausgleich. in Regierungen zu sitzen. Es braucht eröffnen Räume, in denen in den letz- Klimagerechte Mobilität, Energieer- die Mehrheit der Bevölkerung hinter ten Jahrzehnten kaum Denkbares jetzt zeugungen oder Gebäudesanierungen einem linken Projekt und Druck der politisch umsetzbar wird. dürfen nicht zu sozialem Ausschluss Bewegung und Gewerkschaft. Beispiel Mietendeckel: Er stellt führen, im Gegenteil. Auch hier wird DIE LINKE muss Klasse verbinden einen tiefen Eingriff in die Verwer- Politik zu wenig bewerkstelligen, und Bündnisse schmieden: Eine ge- tungslogik der Immobilienunter- wenn die Bewegung den Druck nicht spaltene Arbeiter*innenklasse ist Nor- nehmen dar, beschränkt ihr Eigen- aufrechterhält und konkret umsetzba- malzustand im Kapitalismus. Aufgabe tumsrecht im Interesse der Berliner re Konzepte einfordert. der LINKEN ist es, diese Spaltung(en), Mieter*innen. Möglich wurde er, weil Das auf Bundesebene hinzubekom- die nur den Herrschenden nutzen, zu sich Bewegung und institutionelle Po- men, wird ein langer Weg von Wider- benennen, um sie zu überwinden. Wir litik in Gestalt unserer Partei und der sprüchen, Erfolgen und Rückschrit- stehen auf den Schultern von histori- rot-rot-grünen Landesregierung in ei- ten. Darunter wird gesellschaftlicher schen Bewegungen, die wir in der LIN- nen dynamischen Prozess der Gesell- Fortschritt nicht zu haben sein. KEN versuchen zu einigen. schaftsveränderung begeben haben. Die Trennung von materiellen und Die großen Demos, das Volksbegeh- Katina Schubert ist Landes- identitätspolitischen Forderungen ren »Deutsche Wohnen und Co. ent- vorsitzende der LINKEN Berlin 12 DISPUT Januar 2020
LINKSAK TIV Haustürwahlkampf Hamburg A m 23. Februar 2020 fin- den in Hamburg die Bür- gerschaftswahlen statt. Die Genoss*innen stehen in den Start- löchern, um das solidarische Ham- burg von morgen zu erkämpfen: sozial gerecht, echt demokratisch und ökologisch. Wer Lust und In- teresse hat, den hohen Norden zu besuchen, an Hamburger Haustü- ren zu klopfen und damit DIE LIN- KE. Hamburg im Wahlkampf zu un- terstützen, ist herzlich eingeladen! Unter https://www.die-linke.de/wahlkampfhamburg/ könnt ihr euch anmelden, um über Wahlkämpfe, Aktions- schwerpunkte und konkrete Aktivitäten informiert zu werden oder euch direkt für Wahlkampfaktionen einzutragen. Newsletter abonnieren und nichts mehr verpassen! Du möchtest immer auf dem neuesten Stand der LINKEN sein? Du möchtest keine Kampagne mehr verpassen, immer wissen über welche Themen wir gerade auf Bundes- und Landesebene diskutieren oder welche Aktionen bald anstehen? Dann abonniere unseren wöchentlichen Newsletter! Er ist der elektronische Mitgliederrundbrief der LINKEN und wird von einer mehrköpfigen Redaktionsgruppe jede Woche für Euch erstellt. https://www.die-linke.de/start/newsletter/ Telegram Du möchtest aktuelle Infos von uns direkt auf Dein Smartphone erhalten? Nichts leichter als das, melde Dich einfach für unseren Messenger-Dienst bei Telegram an: t.me/die_linke Du hast den Telegram-Messenger nicht auf Deinem Smartphone? Dann schau mal hier: telegram.org DISPUT Januar 2020 13
OB - WAHL Wahlerfolg im Norden BJÖRN THOROE hat in Kiel für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert und 9,1 Prozent geholt. Im Interview erzählt er, wie er das gemacht hat Erstmal herzlichen Glück- ben wir ein echtes Ein-Euro-Tagesti- wunsch zum guten Ergebnis. cket gefordert, weil der Nahverkehr Nicht alle kennen sich im Nor- sehr teuer ist. Langfristig wollen den aus – erzähl mal, wie ist wir einen kostenfreien ÖPNV. die Situation in Kiel? Dazu kommt: In den vergangenen Kiel ist, zumindest in Westdeutsch- Jahren wurden Schwerpunkte auf land, die am stärksten sozial pola- Großprojekte gelegt. Der nun wie- risierte Stadt. Das heißt, wir haben dergewählte Oberbürgermeister Stadtteile, wo sehr viele Menschen ist gleichzeitig noch Wirtschafts- mit wenig Geld wohnen und Stadt- dezernent, das merkt man an sei- eile, in denen Menschen mit sehr nem Agieren. Er hat zum Beispiel Grafiken: DIE LINKE. Kiel viel Geld wohnen. Was in Kiel auf in der Innenstadt einen riesengro- jeden Fall eine Rolle spielt, ist Woh- ßen Kanal graben lassen, aber kei- hatten uns verschiedene Zielgrup- nungspolitik. Hier, wie in vielen an- ne Mitarbeiterinnen und Mitarbei- pen eingerichtet: Menschen in den deren Städten auch, sind die Mie- ter, um Schulen zu sanieren. ärmeren Stadtteilen haben wir mit ten stark gestiegen in der letzten Also unsere drei großen Themen- dem Thema Wohnungspolitik be- Zeit, Vonovia hat sehr viele Woh- schwerpunkte waren: Bezahlbarer spielt. In den studentischen Stadt- nungen gekauft. Das war auch ein Wohnraum, Klimanotstand und Ver- teilen haben wir Klimanotstand Schwerpunkt unseres Wahlkampf- kehrspolitik plus unsinnige Pres- und Verkehrswende gespielt. Auch es, wir haben zum Beispiel gefor- tige-Projekte, die nur den oberen mit durchaus radikalen Themen. dert, dass Vonovia in ärmeren zehn Prozent etwas bringen. Wir haben gesagt, wir wollen die Stadtteilen nicht einfach moderni- Wie habt ihr die Leute ange- Parkplätze verringern, wir wollen sieren darf, sondern eine Genehmi- sprochen? alle vierspurigen Straßen zweispu- gung braucht und wir wollten eine Wir haben viel mehr als sonst über rig machen und Radfahrer*innen Kieler Wohnungsbaugesellschaft Social Media gearbeitet. Ein Drittel und Fußgänger*innen den Raum auf den Weg bringen. Und dass bei unseres Etats ist in Werbung auf zurückgeben. Neubauten mindestens 50 Prozent Facebook und Instagram geflossen. Und im Offline-Wahlkampf? Sozialwohnungen sind. Wir hatten am Ende eine Reichwei- Wir haben über 4.000 Aufkleber ge- Was in Kiel noch eine große Rol- te von über 40.000, so viele Flyer druckt, die sind dann in der Stadt le spielt, ist Verkehrspolitik. Es kann man gar nicht verteilen. Und verklebt worden. Und wir hatten geht zum einen um den Neubau ei- es hat natürlich den großen Vor- noch Plakate, 200 Standorte, was ner Straßenbahn. Zum anderen ha- teil, dass es zielgerichtet ist. Wir nicht so richtig viel ist in Kiel, aber gereicht hat, um flächendeckend sichtbar zu sein in der Stadt. Und dann haben wir noch ungefähr 15.000 Flyer verteilt. Haustürwahl- kampf haben wir nur in Gaarden gemacht, wo wir auch unser bes- tes Ergebnis hatten, ansonsten ha- ben wir eher Infostände gemacht. Zum Beispiel direkt an der Uni, aber auch zu verschiedenen Zeiten in der Innenstadt, in Gaarden und Mettenhof. Damit haben wir viele Leute angesprochen. Was war wichtiger, Social Me- dia oder direkte Ansprache? Beides war wichtig. Nur so konnten wir die verschiedenen Zielgruppen erreichen. Also einmal die Men- schen in prekären Lagen über das Wohnungsthema, aber auch das studentisch-grüne Milieu. 14 DISPUT Januar 2020
Und wenn man ein gutes Ergeb- nis bekommen will, muss man die auch beide ansprechen. Das funk- tioniert auch. Ich würde aber auch sagen, dass Social Media ausschlag- gebend war. Wie seid ihr mit euren Themen durchgedrungen? Wohnen geht eigentlich alle an. Für alle ist es ein Problem, wenn die Mieten steigen. Bei anderen The- men ist es kritischer – nicht jedem Rat, beim Bündnis für bezahlbaren Ich war überrascht. Der CDU-Kan- gefällt, dass Parkplätze wegfallen, Wohnraum. Das war natürlich gut. didat hat versucht, die Autolobby Aufmerksamkeit bringt es trotz- Dazu muss man sagen, wir machen hinter sich zu versammeln. Und dem. Wir hatten 14 Podiumsdis- in dem Bündnis schon sehr lan- selbst auf Stadtteil-Podien außer- kussionen in der Stadt, mit allen ge mit, das heißt, wir waren auch halb, wo viele Leute garantiert ein vier Kandidat*innen. Und da merk- glaubwürdig bei dem Thema. Auto besitzen, ist er damit nicht te man schon, dass unsere The- Das heißt, die Verankerung sonderlich gut angekommen. Das men die Themen waren, über die spielt da auch eine Rolle? fand ich wirklich interessant. Weil die Leute geredet haben. Besonders Ja, das glaube ich schon. Ich mache das ja zeigt, selbst wenn die Leu- Wohnen und Verkehr, die Schwer- seit 20 Jahren linke Politik, auch te ein Auto haben, wissen sie, dass punkte haben wir gut gewählt. Das außerhalb der Partei, da lernt man das keine Lösung für die Zukunft größte Podium war von den Kieler mit der Zeit viele Leute kennen. ist. Also ja, da kann man wirklich Nachrichten mit 600 Leuten im Au- Und, das haben wir im Vorwahl- ein bisschen mutiger sein. dimax, aber auch kleinere, mit 20 kampf gemacht: Wir waren bei ver- Wovon könnten andere LINKE Leuten. Wir waren bei der IHK, bei schiedenen Verbänden, Vereinen Kandidat*innen lernen? der »Digitalen Woche«, beim jungen und Initiativen, das hat mir auch Es gibt da so einen konstruierten nochmal neue Infos für meine Ar- Konflikt in der Partei: Man müs- beit im Rat gebracht. Ich war bei se sich zwischen den Zielgruppen der GEW, Umweltverbänden, im Be- »Hipster-Großstadtmilieu« und »är- triebsrat vom städtischen Kranken- meren Menschen« entscheiden. haus, im Frauenhaus und bei der Man kann beide ansprechen! Auf Björn Thoroe türkischen Gemeinde, beim AStA, jeden Fall Social Media nutzen, Ver- bei HAKI, das ist eine schwul-lesbi- ankerung in Bündnissen und ir- sche Interessenvertretung, bei der gendein Element, was auffällt und Björn Thoroe ist Landesge- Deutsch-Kurdischen Gesellschaft, aneckt, so wie die Aufkleber. Prä- schäftsführer der Partei DIE bei ver.di, bei der alevitischen Ge- senz vor Ort zeigen. Das kommt LINKE in Schleswig-Holstein meinde und hab mich da vorge- dann alles zusammen. und Mitglied im Kieler Bündnis stellt. Damit erreicht man zwar kei- Wie geht es für euch weiter? für bezahlbaren Wohnraum. ne Massen, aber man bekommt gu- Wir nehmen die Anregungen aus Bei der Oberbürgermeister- te Ideen für den Wahlkampf und da den Gesprächen mit für Anträge wahl in Kiel erreichte er im kommt man nochmal ganz anders für unsere Ratsarbeit. Wir haben Stadtteil Gaarden, wo vorwie- ins Gespräch. gezeigt, dass wir eine eigenständige gend Menschen mit geringem Und du bist da offensiv aufge- politische Kraft sind, mit der man Einkommen leben, 23,9 Pro- treten? rechnen kann. Jedes halbe Jahr zent und im Stadtteil Mitte, wo In meinem Flyer habe ich ganz klar machen wir eine kommunalpoliti- studentisch-grünes Milieu zu geschrieben, dass ich Sozialist und sche Konferenz auf Landesebene, Hause ist, 13,1 Prozent. Insge- Antifaschist aus ganzem Herzen das heißt, wir versuchen schon, uns samt wurde DIE LINKE mit 9,1 bin. Wir haben uns da nicht ver- von unten zu verankern, damit wir Prozent drittstärkste Kraft in steckt, die Leute wussten schon, 2022 wieder in den Landtag kom- der Landeshauptstadt. worauf sie sich einlassen. men. Das heißt, es lohnt sich, ein bisschen mutiger zu sein… Interview: Nina Rink DISPUT Januar 2020 15
MIE TENK AMPAGNE Foto: T. Marotzke Hamburg Lüneburg Wustermark Foto: Janis Wisliceny ■ W U ST E R M A R K lungsteile auf. Schleichend sind in gels Mehrheiten scheiterten, wurden den vergangenen vier Jahren 90 Pro- plötzlich Anträge der LINKEN zu Er- Sozialer Wohnraum zent der Sozialwohnungen aus der Be- legungsbindung gefallen. Bei Neuver- haltungssatzungen und der Kappungs- grenze angenommen. Aktuell unter- fehlt nicht nur in mietung liegen die Preise auf Berliner Niveau. Laut einem Gutachten, wel- stützen die Genoss*innen die Mie- terinitiative bei einer Petition für so- den Städten ches auf Antrag der Fraktion DIE LIN- zialen Wohnraum. Die Petition kann KE in der Gemeindevertretung 2019 noch bis zum 28. Dezember 2019 unter VON TOBIAS BANK erstellt wurde, hätten 25 Prozent der gleft.de/3e0 im Internet unterschrie- Menschen vor Ort einen Anspruch ben werden. Die Bundeshauptstadt vor der Tür und auf sozial geförderten Wohnraum. überall Grün. So könnte die branden- Am Rande einer Veranstaltung im Mai Tobias Bank ist Mitglied der burgische Gemeinde Wustermark be- 2019, auf der DIE LINKE über den Ver- Gemeindevertretung Wustermark schrieben werden. Entsprechend groß kauf eines Siedlungsteils an die DW ist der Zuzugsdruck aus Berlin und die die ahnungslosen Mieter*innen infor- Investoren stehen Schlange. Einfami- mierte, gründete sich eine Mieterini- ■ LÜ N E B U RG lienhäuser schießen auf immer klei- tiative. Auf Anhieb kamen über 100 neren Grundstücken wie Pilze aus dem Boden. Die Verdichtung nimmt Unterstützer*innen zusammen, die in mehreren Flugblattaktionen und Zei- Vernetzung und extremere Auswüchse an. In der tungsberichten auf den fehlenden so- Kooperation Wohnraumpolitik der Gemeindever- zialen Wohnraum und den Ausver- waltung haben Wörter wie »sozialer kauf an die DW aufmerksam mach- VOM KREISVERBAND LÜNEBURG Wohnungsbau«, »kommunaler Wohn- ten, das Fernsehen nach Wustermark raum« oder »Mietgeschosswohnungs- holten und Unterschriften sammelten. Welche Probleme sehen wir in der bau« kein Gewicht. Unternehmen wie Der öffentliche Druck zeigt Wirkung: Wohnungsfrage und was kann dage- Vonovia und Deutsche Wohnen (DW) Während in den vergangenen Jahren gen wie getan werden? Diese Frage sicherten sich schon vor Jahren Filet- alle Initiativen der LINKEN für sozia- war der Ausgangspunkt der Überle- grundstücke oder kauften ganze Sied- len und bezahlbaren Wohnraum man- gungen des Kreisverbandes. So hat- 16 DISPUT Januar 2020
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