11 KulturGeschichtsPfad - muenchen.de
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Bereits erschienene und zukünftige Inhalt Publikationen zu den KulturGeschichtsPfaden: Stadtbezirk 01 Altstadt-Lehel Vorwort Oberbürgermeister Dieter Reiter 3 Stadtbezirk 02 Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt Grußwort Bezirksausschussvorsitzender Stadtbezirk 03 Maxvorstadt Fredy Hummel-Haslauer 5 Stadtbezirk 04 Schwabing-West Stadtbezirk 05 Au-Haidhausen Stadtbezirk 06 Sendling Geschichtliche Einführung 8 Stadtbezirk 07 Sendling-Westpark Stadtbezirk 08 Schwanthalerhöhe Rundgänge Stadtbezirk 09 Neuhausen-Nymphenburg Stadtbezirk 10 Moosach Stadtbezirk 11 Milbertshofen-Am Hart Rundgang 1: Harthof und Am Hart Stadtbezirk 12 Schwabing-Freimann Panzerwiese und Siedlung Nordhaide 34 Stadtbezirk 13 Bogenhausen Volksschule und Kindergarten am Harthof 37 Stadtbezirk 14 Berg am Laim Evangelisch-lutherische Versöhnungskirche 39 Stadtbezirk 15 Trudering-Riem Stadtbezirk 16 Ramersdorf-Perlach Katholische Kirche St. Gertrud 41 Stadtbezirk 17 Obergiesing-Fasangarten Ehemalige US-amerikanische Siedlung 42 Stadtbezirk 18 Untergiesing-Harlaching Ernst-von-Bergmann-Kaserne 45 Stadtbezirk 19 Thalkirchen-Obersendling- Siedlung Neuherberge 50 Forstenried-Fürstenried-Solln Stadtbezirk 20 Hadern Siedlung Kaltherberge 52 Stadtbezirk 21 Pasing-Obermenzing Siedlung Am Hart 54 Stadtbezirk 22 Aubing-Lochhausen-Langwied »Judensiedlung« Milbertshofen 58 Stadtbezirk 23 Allach-Untermenzing Stadtbezirk 24 Feldmoching-Hasenbergl Stadtbezirk 25 Laim Rundgang 2: Milbertshofen Alte St. Georgskirche 66 Josefine und Michael Neumark 69 Neue St. Georgskirche 71 Zwei detaillierte Lagepläne zur Orientierung im Kulturhaus Milbertshofen 73 Stadtbezirk finden Sie im Anhang. Curt-Mezger-Platz 74 Am Ort selbst sind die wesentlichen Stationen durch Evangelisch-lutherische Dankeskirche 76 Markierungsschilder kenntlich gemacht. »Milbenzentrum« 78 Volksschule in der Schleißheimer Straße 275 79 Austria-Tabak 81 Alle Texte und weitere Informationen stehen unter Vulkanisiermaschinenfabrik Zängl / www.muenchen.de/kgp zur Verfügung. Kulturpark München 82
TSV Milbertshofen 84 Lion-Feuchtwanger-Gymnasium 86 Generationengarten im Petuelpark 88 Bayerische Motoren Werke AG (BMW) 91 Rundgang 3: Olympiadorf und Olympiapark Knorr-Bremse AG 96 Ehemaliger Flughafen Oberwiesenfeld 98 Olympisches Dorf 100 Olympiapark und Olympische Sportstätten 105 Olympiaturm 112 Literaturauswahl 114 Bildnachweis 118 Vorwort Übersichtskarten 121 Die KulturGeschichtsPfade der Landeshauptstadt München sind Rundgänge entlang historisch bedeutsamer Orte und Ereignisse im städtischen Raum. Sie sind nach Stadtbezirken gegliedert und sollen zu einem flächendeckenden topogra phischen Netzwerk der Geschichte Münchens ausgebaut werden. Wir laden alle Münchnerinnen und Münchner und alle aus- wärtigen Besucherinnen und Besucher dazu ein, neben den geläufigen Glanzlichtern Münchens auch den weniger bekannten Besonderheiten der Stadtgeschichte auf die Spur zu kommen. Jeder KulturGeschichtsPfad ist als Broschüre erhältlich und im Internet abrufbar. Er führt zu den bedeu tenden Bauwerken, den geschichtsträchtigen Plätzen und den Wohnungen oder Wirkungsstätten bemerkenswerter Persönlichkeiten des jeweiligen Bezirks. An Ort und Stelle weisen Orientierungstafeln den jeweiligen Pfad und die 3
betreffende Einzelstation aus. Die KulturGeschichtsPfade sind so angelegt, dass sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können. Ich wünsche allen Reisenden, die sich zu den historischen Marksteinen vor der eigenen Haustür und jenseits der aus- getretenen Wege aufmachen, anregende, neue Erkenntnisse und dem Projekt der münchenweiten KulturGeschichtsPfade große Resonanz in der Bevölkerung. Grußwort Wenn man auf die Frage, wo man denn wohnt, mit einem der beiden Stadtteile Am Hart oder Milbertshofen antwortet, dann heimst man sich einen skeptischen, zum Teil sogar mitleidigen Blick ein. Zu tief ist das Image von der »grauen Dieter Reiter Maus«, das von Industrie, von Militärgelände und einer sozial Oberbürgermeister zu kurz gekommen Bevölkerung mit hohem Ausländeranteil geprägt ist, im Gedächtnis der Allgemeinheit noch verankert. Anders sieht es aus, wenn das Olympische Dorf als Wohnort angegeben wird, das – obwohl zu Milbertshofen gehörend – allgemein als eigener Stadtteil wahrgenommen wird und ei- nen ungleich besseren Ruf genießt. Dabei stimmt das schlechte Image längst nicht mehr mit der Realität überein. Das Aschenputtel der Vergangenheit ist gerade dabei, sich in eine strahlend verführerische Schönheit zu verwandeln. Begonnen hat es mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele 1972 in München. Das Olympiastadion und der Fernsehturm zählen längst zu den bekanntesten 4 5
Wahrzeichen Münchens. Ein weiteres ist der Hochhausturm »Vierzylinder« der Firma BMW – weltweit ein Sympathie träger für München – die seit jeher mit Milbertshofen ver bunden ist. Zusammen mit deren Auslieferungszentrum »BMW-Welt« markiert der »Vierzylinder« eindrucksvoll den Stammsitz des Unternehmens. Insgesamt ist der Ausblick für den Stadtbezirk 11 sehr positiv. Er hat außer attraktiven Arbeitsplätzen viel zu bieten. Mit dem Olympiapark ein Naherholungs- und Eventgelände von internationalem Format. Eine sehr gute Erreichbarkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine direkte Anbindung an alle Autobahnen über den Mittleren Ring. Der Bezirk hat über den Petuelpark und die Spielmeile eine grüne Schneise in den Norden mit Anschluss an das Radfernwegenetz. Ein dichtes soziales Netz ist geknüpft worden, in das sich die Pfarr- und Kirchengemeinden der Stadtteile aktiv einbringen. Und »last but not least« der hohe Anteil von Menschen mit Milbertshofen-Am Hart Migrationshintergrund, der den Stadtbezirk zum Schmelz tiegel macht. Und das ist bei der Herausbildung einer neuen gemeinsamen Identität, die bereits begonnen hat, ein nicht 11 zu unterschätzender Vorteil. Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass sich der Stadtbezirk 11 zu einem sehr interessanten, attrak tiven, lebendigen Stadtbezirk mit hoher Lebensqualität entwickeln wird. Industrie, Sport und Parks Ihr Fredy Hummel-Haslauer Bezirksausschussvorsitzender Milbertshofen-Am Hart 6
Das Luftbild von 2008 zeigt einen Teil des Stadtbezirks Milbertsho- fen-Am Hart mit Olympiahalle, Olympiaturm, Olympiasee und Olympia-Eissportstadion; außer dem den Mittleren Ring und nördlich davon das Olympische Dorf, das BMW-Firmengelände mit Auslieferungszentrum, BMW- Hochhaus und BMW-Museum. Geschichtliche Einführung Der Stadtbezirk Milbertshofen-Am Hart setzt sich aus einem hofen mit den Industrieflächen, die sich vor allem auf dem relativ breiten südlichen und einem schlankeren nördlichen Riesenfeld und nördlich der Moosacher Straße entwickelt Teil zusammen. Im Süden gehören der größte Teil des auf haben, zum Stadtbezirk. Der nördliche Teil des Stadtbezirks dem nördlichen Oberwiesenfeld entstandenen Olympiaparks gehörte ursprünglich zu Feldmoching; er endet an der Stadt mit den wichtigsten Sportstätten und dem Olympischen grenze und wird im Westen von der Schleißheimer Straße, Dorf sowie das Gebiet der historischen Gemeinde Milberts im Osten von der Ingolstädter Straße – einschließlich der 8 9
Siedlung Kaltherberge – begrenzt. In diesem Teil des Stadt- bezirks befinden sich nördlich des Eisenbahnnordrings wei- tere Gewerbeflächen sowie ausgedehnte Wohnbebauung, darunter die Siedlungen Am Hart und Neuherberge, das Das Grabrelief der Keferloher in der Wohngebiet Harthof und der neue Stadtteil Nordhaide. Am Alten St. Georgs nördlichen Ende des Stadtbezirks sind die Naturschutz kirche zeigt einen gebiete Nordhaide, hervorgegangen aus dem stillgelegten Bauern hinter einem Truppenübungsplatz »Panzerwiese«, und das Hartelholz. von vier Pferden gezogenen Pflug, der auf einem dicht Im Stadtbezirk 11 leben 75.658 Menschen auf einer Fläche umzäunten Feld ar- von 1.341,72 Hektar (Stand 31. Dezember 2021). Der Anteil beitet. Foto von 2022 der nichtdeutschen Bevölkerung in Milbertshofen-Am Hart liegt bei 42 Prozent und ist der höchste unter allen Münch Zeugnis gilt eine auf das Jahr 1120 da- ner Stadtbezirken. Ein großer Anteil der Einwohnerschaft ist tierte Christusfigur aus Lindenholz, die in den hier angesiedelten Industrie- und Gewerbebetrieben in Milbertshofen gefunden wurde und beschäftigt. Im Stadtbezirk gibt es einen hohen Anteil an heute im Bayerischen Nationalmuseum Sozialwohnungen, wobei eine aufgelockerte, weitgehend besichtigt werden kann. niedrige Bebauung mit eingewachsenen Grünflächen vor- herrschend ist. Ab 1437 verpachtete das Kloster Schäft larn die Schwaige an einen Bauern Kon rad und seine Frau Anna. Ihnen folgten Die Ursprünge Milbertshofens 1466 Hans und Margret Keferloher, Im Jahr 1140 schenkte Graf Konrad I. von Valley seinen Besitz deren Nachkommen die Schwaige bis zu Illmungeshoven dem Kloster Schäftlarn. Dieses machte 1630 bewirtschafteten. An diese Familie daraus einen Schwaighof (= ein auf Viehzucht ausgerichteter erinnert im Stadtbezirk 11 die Keferlo- landwirtschaftlicher Betrieb). Die Schenkungsurkunde von herstraße. Erhalten blieb ein Grabrelief Das sogenannte 1140 ist die älteste erhaltene schriftliche Erwähnung des aus Rotmarmor, das André Keferloher Kruzifix aus Milberts späteren Milbertshofen; dieser Name entwickelte sich im um das Jahr 1500 für sich und seine hofen befindet sich Laufe der Jahrhunderte: An die Stelle der ursprünglichen Frau Apollonia anfertigen ließ. heute im Bayeri- Ortsbezeichnung Illmungeshoven trat 1336 Mulmantzhoven schen National museum. – abgeleitet von »Mühlmazze«, der Gebühr für das Mahlen des Getreides; daraus wurde 1468 Milberzhofen und schließ lich Milbertshofen. Als ältestes überliefertes künstlerisches 10 11
wurde – gegen die Hofmark Baierbrunn des Kurfürsten Fer- dinand Maria, der Milbertshofen umgehend verschenkte. 1679 kaufte der kurfürstliche Kammerdiener und Schatz- meister Augustin Sailer die Schwaige, die damit Rittersitz wurde; neben der Niedergerichtsbarkeit über alle Einwoh- ner hatte Sailer auch das Patronatsrecht für die St. Georgs- kirche. 1685 war Milbertshofen vorübergehend im Besitz des Kurfürsten Maximilian II. Emanuel, der beabsichtigte, einen Kanal zwischen der Residenz in der Münchner Innen- stadt zum Schloss Schleißheim zu graben, der auch über Milbertshofener Gebiet führen sollte. Das Kanalprojekt scheiterte jedoch und die Schwaige gelangte wieder in den Besitz von Sailers Erben. 1782 ersteigerte Kurfürst Karl Theo- dor die Schwaige, die sein Nachfolger Maximilian IV. Joseph, der spätere König Maximilian I. Joseph, 1799 zum Kauf anbot. Der von Michael Eine ausführliche Beschreibung der Vom Dorf Milbertshofen bis zur Wening 1701 ge Schwaige von 1616 listet den Besitz Eingemeindung nach München schaffene Kupfer stich »Die Churfürstl. von Ludwig Keferloher auf. Demnach Vier Bauern aus Waldsassen erwarben am 19. April 1800 Schwaig St. Georgen gehörten zur Schwaige damals Haus, die 9.004.701 Quadratmeter umfassende Schwaige für zu Milbertshofen« Herberg, Städl und Vorzimmer, Stallun 33.000 Gulden. André Ruprecht, Wolf-Adam Schöner und (nachträglich kolo gen für 24 bis 30 Rosse, ein Bierkeller, Lorenz und Georg Flaucher verließen mit ihren Familien riert) ist die älteste bildliche Darstellung ein Waschhaus, ein Brunnen, Kleinvieh die Oberpfalz und bezogen die Schwaige Milbertshofen, der Schwaige, deren stallungen und eine Wagenremise, zu der damals Stallungen, das Schwaighaus, zwei kleinere Zentrum die 1507 dazu Äcker, Wiesen und Krautgarten. Wohnhäuser, Bäckerei, Schmiede und Brunnen gehörten. errichtete Kirche Nach den Keferlohern pachteten Lud Auch das vorhandene Vieh und die Weiderechte hatten sie St. Georg bildete. wig und Anna Ostermayr 1630 die erworben. Den Pionieren der Anfangszeit folgten bald wei- Schwaige. 1670 tauschte das Kloster tere Siedler aus der Oberpfalz und aus den Nachbarorten Schäftlarn die Georgenschwaige – wie Milbertshofens; neue Höfe entstanden, Flurstücke aus der die Schwaige Milbertshofen wegen Gemarkung Moosach wurden gekauft – die Siedlung wuchs der St. Georgskirche auch genannt und entwickelte sich zum Dorf. 12 13
tungen überforderten die kleine Stadt finanziell – zumal der Gemeindehaushalt bereits erheblich geschwächt war, weil sich die zwielichtigen Bürgermeister Anton Matthes und August Kurz an Gemeindemitteln bereichert hatten. Bereits 1891 und 1897 hatte Milbertshofen die Eingemeindung nach München vergeblich beantragt, doch erst der Antrag vom 28. November 1910 wurde vom Münchner Magistrat positiv beantwortet. Zum 1. April 1913 wurde aus der hoch- verschuldeten, knapp 10.000 Einwohnerinnen und Einwoh- ner zählenden Stadt Milbertshofen ein Stadtbezirk der Haupt- und Residenzstadt München. Das Dorf wächst in die Fläche und in die Höhe: das Wirtshaus Tafelmayer (mit Türmchen) über- ragte das St. Georgskirchlein. Aufnahme um 1910 Anwesen »Beim Die Einwohnerzahl Milbertshofens Flaucher« in der wuchs rasch: 1820 zählte die Siedlung Petuelstraße, Foto- grafie eines Ölbilds 138 Personen, 1830 waren es bereits von Johann Martin 174. Am 1. Mai 1910 wurde das Dorf Ernst (1896 –1974). Milbertshofen mit 4.001 Einwohnerin- Der Flaucherhof wur- nen und Einwohnern zur kleinsten de 1971 abgerissen. Ein Mitglied der ober- Stadt Bayerns erhoben. Die Bevölker pfälzischen Gründer ung war mehrheitlich katholischen familie Milbertsho- Glaubens, ein Zehntel waren Protestan fens, Georg Flaucher, ten und ein Milbertshofener gehörte übernahm 1868 die damals eröffnete, dem Judentum an. Die Gemeinde ver- heute noch unter die fügte über ein eigenes Schulhaus, eine sem Namen bekannte Feuerwehr, eine Gendarmeriestation Gaststätte »Zum und einen Friedhof. Die Errichtung und Flaucher« in den Isarauen. der Unterhalt dieser zentralen Einrich 14 15
erhöhen betrieb Petuel ab 1898 mit seiner »Motorwagen- Gesellschaft-München« eine Omnibusverbindung entlang der Schleißheimer Straße. Sein Sohn, Ludwig Petuel jr. (1870 – 1951), besaß in der Frohschammerstraße eine Tapetenfabrik und in der Schleiß heimer Straße eine Fahrradfabrik. Er finanzierte 1906 ein Radstadion für 38.000 Zuschauer, das sich jedoch als unren tabel erwies und 1914 geschlossen wurde. Petuel jr. und seine Frau Lina waren kinderlos geblieben und hatten ihr aus Bargeld, Wertpapieren und Immobilien bestehendes Vermögen 1956 der Stadt München in Form einer Stiftung vererbt. Diese gründete den »Stiftungsfonds Ludwig und Lina Petuel«, dessen Zweck die Unterstützung blinder und körperbehinderter älterer Menschen ist. An die Petuels erinnern Petuelring, Petueltunnel und Petuelpark. Schleißheimer Die Petuels Straße in Richtung Bis zur Eingemeindung hatten sich die Norden: Links Villen Stadt München und die Stadt Milberts bebauung Riesenfeld, dahinter noch unbe- hofen baulich bereits angenähert. baute Grundstücke Ludwig Petuel sen., geboren 1838 als der Petuelschen Sohn einer Freisinger Brauerfamilie, Terraingesellschaft. hatte diese Entwicklung maßgeblich Die von Bäumen gesäumten Straßen vorangetrieben. Petuel war 1868 nach führen zur noch rela Milbertshofen gekommen, kaufte tiv einsam stehenden Brennerei und Brauerei im Schwaig- neuen St. Georgs haus, erwarb zahlreiche Grundstücke kirche hin. In der Schleißheimer und entwickelte mit seiner Terrainge Straße 288 rauchen sellschaft das Projekt Villensiedlung die Schornsteine der Riesenfeld als nördliche Fortsetzung Petuelschen Fahrrad des großbürgerlichen Schwabings auf Auf der Milbertshofener Rennbahn feierte der beliebte werke. Milbertshofener Grund. Um die Attrak Münchner Radrennfahrer Thaddäus Robl (1877 – 1910) tivität der geplanten Wohngegend zu seine letzten Erfolge. Radrennbahn mit Publikum um 1909 16 17
Standortentscheidungen mit Langzeitwirkung: Industrie, militärische Anlagen und Flughafen Zum Zeitpunkt der Stadterhebung gab es in Milbertshofen 36 Bauernanwesen und 19 Gärtnereien sowie 137 Gewerbe- und Handwerksbetriebe und neun Industriebetriebe. Zur Bevölkerung zählte damals bereits ein relativ hoher Arbeiter anteil. Die Industrialisierung Milbertshofens wurde durch den 1900 bis 1909 errichteten Eisenbahnnordring beschleunigt. Wegen des Anschlusses an die Güterbahn und reichlich vor handener freier Flächen wurde Milbertshofen für die entste- hende Motorenindustrie (Gründung der Firmen Otto, Rapp und den daraus hervorgehenden Betrieben Süddeutsche Bremsen und BMW) sowie für zahlreiche Zulieferbetriebe (Reifenfabrik Zängl, Maschinen- und Zahnradfabrik Carl Hurth und viele andere) attraktiv. Dass diese Entwicklung damals begrüßt wurde, zeigt die 1913 erfolgte Benennung der Mo torstraße nördlich der Alten St. Georgskirche. Auch für das Militär wurde die Gegend interessant: Während des Ersten Weltkriegs pachtete die bayerische Armee das Gelände des aufgelassenen Radstadions, das nun direkt an der Bahnlinie lag, und richtete ein Depot ein. Zwischen 1936 und 1940 ent- stand hier das Heeresverpflegungsamt, das während des Zweiten Weltkriegs die Wehrmacht mit Nachschub belieferte. Das Militärgelände des nördlichen Oberwiesenfelds wurde bereits seit 1890 für Flugübungen und als Flugplatz genutzt. Die Entscheidung der Stadt, hier den ersten Verkehrsflugha- fen Münchens zu errichten, minderte, zusammen mit der zu- nehmenden Ansiedlung großflächiger Industriebetriebe, aus Die Ansiedlung von Industrie nördlich des Oberwiesenfelds (Süddeut der Sicht bürgerlicher Milieus, den Wohnwert der Gegend. sche Bremsen) und auf dem Riesenfeld (Bayerische Motorenwerke) Gleichzeitig ließen sich Industriearbeiter, die in den expandie- und der Ausbau des Flughafens ließen das Projekt Villenviertel Riesen renden Fabriken beschäftigt waren, in Milbertshofen nieder. feld endgültig scheitern. Lageplan des Fluggeländes vom 27. Juli 1927 mit Milbertshofen und Exerzierplatz Oberwiesenfeld Zu Beginn der 1930er Jahre wurde die BMW-Werkssiedlung Keferloherstraße / Zietenstraße /Wallensteinstraße errichtet. 18 19
Wachsende Industrien, neue Wohnsiedlungen, Lager arbeiter, die für BMW arbeiten mussten, in Dachgeschosse Durch die zunehmende Industrialisierung, die durch die und Keller der BMW-Betriebswohnungen gepfercht. Darüber Rüstungspolitik des NS-Regimes ab 1933 weiter angeheizt hinaus unterhielt BMW weitere Lager im Stadtbezirk sowie wurde, stieg auch der Bedarf an günstigen Wohnungen. Ent das KZ-Außenlager für das Werk 2 in Allach. BMW ent lang der Milbertshofener Straße / Bad-Soden-Straße / Grieg wickelte sich in den 1940er Jahren zum wichtigsten privat- straße / Abt- und Silcherstraße errichtete die GWG (Gemein wirtschaftlichen Arbeitgeber in München mit der höchsten nützige Wohnstätten- und Siedlungsgesellschaft mbH, heute: Zahl an Zwangsarbeitern. Auch die Süddeutschen Bremsen Städtische Wohnungsgesellschaft München mbH) 1937 bis AG und weitere Zulieferbetriebe der Rüstungsindustrie be 1939 eine sogenannte Volkswohnanlage, die jedoch nur in Tei- schäftigten Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in werks- len fertiggestellt wurde. Bereits vorher waren auf den freien nahen Lagern. Flächen nördlich der Bahnlinie, die für die Landwirtschaft wenig ertragreich waren, Wohngebiete errichtet worden: Wegen der hohen Dichte an Rüstungsbetrieben war das 1935 die Reichskleinsiedlung Am Hart, anschließend die Gebiet Ziel von alliierten Luftangriffen. Zum Schutz der Kleinsiedlungen Neuherberge und Kaltherberge. Ab 1939 deutschen Arbeiter wurden Luftschutzeinrichtungen gebaut; wurde mit dem Bau der GWG-»Volkswohnanlage am Hart- Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen war der Zugang hof« begonnen, die als Teil der von den nationalsozialisti verboten. schen Stadtplanern entworfenen – jedoch nicht realisierten – »Volksstadt im Norden« geplant war. Am Harthof sollten Im Stadtbezirk sind zwischen Schleißheimer Straße, Neuherberg- und Kämpfer- vier Hochbunker von 1941 erhalten; sie straße, beidseits der Dientzenhoferstraße bis zur Rathenau befinden sich am straße 3.542 Wohnungen in 789 Häusern entstehen; kriegs- Anhalter Platz 3, in bedingt wurden jedoch nur 1.135 Wohnungen in 63 Blöcken der Schleißheimer gebaut. Die Siedlung wurde mit Reichsmitteln gefördert, Straße 281, in der Riesenfeldstraße 2 denn der NS-Staat war an der raschen Fertigstellung interes- und in der Lerchen siert, weil hier vor allem Industriearbeiter angesiedelt wer- auer Straße 53. Die den sollten. Ein großer Teil der Wohnungen war für BMW- Aufnahme von 2014 Arbeiter vorgesehen; auch Angehörige der SS-Standarte zeigt den Bunker am Anhalter Platz. »Deutschland«, für die der monumentale Kasernenbau an der Ingolstädter Straße / Neuherbergstraße errichtet worden war, sollten hier wohnen. Beim Bau wurden Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt. Ein Kriegsgefangenenlager der GWG befand sich an der Neuherbergstraße (heute Be zirkssportanlage). Nach Bezug der Häuser wurden Zwangs- 20 21
Kriegsende, Besatzung, Auf dem Alabama Wiederaufbau gelände gab es auch ein eigenes Schul Die Rüstungsbetriebe und die Bahnlinie zentrum für die Kin waren während des Zweiten Weltkriegs der der im Münchner wichtige Ziele von Bombentreffern; Norden stationierten zerstört wurden aber auch zahlreiche US-Soldaten. In den 1980er Jahren drehte Wohnungen und Häuser sowie die Alte der Bayerische Rund St. Georgskirche. Die am 30. April 1945 funk hier die beliebte von der Ingolstädter Straße nach Mün- Jugendsendung chen einmarschierende US-Armee »Live aus dem Ala bama«, die unter stürmte die SS-Kaserne, die bald zur anderem von Amelie Warner-Kaserne wurde. Die benachbar- Fried, Giovanni di te Verdun-Kaserne (Stadtbezirk 12) wur- Lorenzo, Sandra de zur Will-Kaserne, die Panzerwiese Maischberger, Gün ther Jauch und diente als Truppenübungsplatz, das Werner Schmidbauer Heeresverpflegungsamt wurde zum moderiert wurde. Alabamadepot. Als Besatzungsmacht Foto circa 1990 Die Aufnahme »Judensiedlung« Milbertshofen und später als Verbündeter waren die von 1941 zeigt zur In der Knorrstraße 148 entstand ab US-Amerikaner bis zum Abzug 1968 ein Zwangsarbeit ver- pflichtete Juden bei Frühjahr 1941 ein Lager für jüdische der Errichtung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsar- »Judensiedlung« in beiter. Im Zuge der »Wohnraumarisie der Knorrstraße. Im rung«, also der gezielten Verdrängung August 1942 über- nahm BMW das von jüdischen Münchnerinnen und Lager zur Unterbrin Münchnern aus Häusern und Wohnun gung von Zwangs- gen, wurde das Lager zum Auffang- arbeiterinnen und und Sammellager. Von Herbst 1941 bis Zwangsarbeitern. August 1942 diente es als Deporta tionslager: Juden aus München, Ober bayern und Schwaben wurden von hier über den Bahnhof Milbertshofen in Konzentrations- und Vernichtungslager ins besetzte Osteuropa abtransportiert. Nur wenige überlebten. 22 23
Unmittelbar nach Kriegsende wurden Lager für DPs (= Dis placed Persons, also für Personen, die sich kriegsbedingt außerhalb ihres Herkunftslandes befanden und Hilfe bei der Rückkehr dorthin beziehungsweise bei der Ausreise in ein anderes Land benötigten) im Stadtbezirk eingerichtet, zum Beispiel in der einstigen SS-Kaserne und in der Siedlung Kaltherberge. Vormalige Zwangsarbeiter- und Kriegsgefan genenlager und die ehemalige »Judensiedlung« dienten als Flüchtlingslager. In den 1950er Jahren wurde der soziale Wohnungsbau im Viertel wieder aufgenommen und begon nene Projekte wurden fortgeführt. Zahlreiche deutschstäm- mige Vertriebene und Flüchtlinge wurden angesiedelt. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs warben ansässige Betriebe, allen voran BMW, ab den 1960er Jahren ausländi- sche Arbeitskräfte an, die sich im Stadtbezirk niederließen. Die Aufnahme von dominierender Faktor im Viertel. Im Schichtwechsel bei 1955 zeigt die GWG- Kalten Krieg wurden die US-Kasernen BMW in Milberts Siedlung Harthof mit hofen 1968: Das der Kirche St. Ger im Münchner Norden zur Durchgangs- Unternehmen hatte trud: Blick von der station von US-Wehrpflichtigen, die Gastarbeiter aus der Dientzenhoferstraße nach Korea und später nach Vietnam Türkei, dem dama nach Westen bis zur geschickt wurden. Zwar profitierten ligen Jugoslawien Hugo-Wolf-Straße; und aus Griechenland im Süden von der Anwohnerinnen und Anwohner von angeworben. Rathenaustraße bis der US-Militärpräsenz – so boten die zum Schliemannweg. Kasernen beispielsweise Jobs, und GIs besuchten die Gasthäuser in der Nachbarschaft – doch es kam auch zu Konflikten, etwa wenn US-Soldaten in Kneipen randalierten, Schmuggel geahndet wurde oder Prostitution in Kasernennähe stattfand. 24 25
München ’72: die Welt zu Gast auf dem Oberwiesenfeld Das ehemalige Militär- und Flughafengelände Oberwiesen feld diente nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst als Schutt abladeplatz für die Trümmer kriegszerstörter Gebäude. Zu Beginn der 1960er Jahre entschied die Stadt, dass auf dem 280 Hektar großen Gelände ein städtisches Erholungsgebiet mit Sportstätten entstehen sollte. Den Wettbewerb gewan nen die Architekten Henschker und Deiß. Mit diesem Ent wurf bewarb sich München um die Olympischen Sommer spiele und erhielt am 26. April 1966 den Zuschlag. Im Februar 1967 wurde ein nationaler »Ideen- und Bauwett bewerb für die Bauten und Anlagen der XX. Olympischen Spiele 1972« in München ausgeschrieben. Dabei war man sich der Verantwortung bewusst, dass Deutschland erst- mals nach dem Zweiten Weltkrieg ein internationales Sport großereignis ausrichten durfte. Politiker, Sportfunktionäre und Architekten waren sich darin einig, dass sich »Mün chen ’72« grundlegend von der nationalsozialistischen Pro- pagandaschau der Olympischen Spiele von Berlin im Jahr 1936 abgrenzen musste. Monumentalität in der Architektur war ebenso zu vermeiden wie das Zurschaustellen natio naler Symbole. Diese Vorgaben erfüllte der Siegerentwurf von Fritz Auer, Büro Behnisch & Partner, der die Stadien in die nach Plänen von Landschaftsarchitekt Günther Grzimek modellierte Landschaft einbettete und die Gebäude mit Bei der Sondersitzung des Stadtrats vom 20. Dezember 1965 erläuterte der Münchner Oberbürgermeister Dr. Hans- einer spektakulären Zeltdachkonstruktion von Frei Otto Jochen Vogel dem Präsidenten des Nationalen Olympi versah. schen Komitees (NOK) Willi Daume das erste Modell für die Olympiabauten auf dem Oberwiesenfeld. Von links nach In Abgrenzung zu nationalsozialistischen Massenveranstal rechts: Willi Daume, Albert Bayerle (3. Bürgermeister), Georg Brauchle (2. Bürgermeister) und Dr. Hans-Jochen Vogel tungen entwickelte der Designer Otl Aicher (1922 – 1991) als federführender Gestaltungsbeauftragter der Olympischen Spiele ein Farbkonzept, das die Nationalfarben schwarz-rot- 26 27
gold konsequent vermied und diese durch blau, grün, orange, gelb, weiß und silbern ersetzte. München ’72 sollte Der Zuschlag für die Olympischen der Welt ein freund Spiele und die damit verbundenen In liches Deutschland zeigen: Hostessen vestitionen brachten einen enormen internationaler Her Schub für München: Das über Jahre kunft warben für verwaiste zentrumsnahe Brachland auf diese Idee – hier dem Oberwiesenfeld wurde bebaut, vor der Kulisse des Olympiaparks mit die lange geplante Stadtautobahn – der Olympiastadion, Mittlere Ring – und das U- und S-Bahn Fernsehturm und den netz wurden termingerecht verwirklicht, Terrassenbauten des die Stadt für Touristen herausgeputzt. Olympischen Dorfes. Stoffdackel Waldi (in den »München ’72«- Farben Otl Aichers) Die Geiselnahme und Tötung von elf Im Rahmen einer war das erste Mas- Teilnehmern des israelischen Olympia- Gedenkfeier zum kottchen für Olympi- 40. Jahrestag des sche Spiele über- teams am 5. September 1972 durch Olympiaattentats haupt. palästinensische Terroristen erschüt- wurden am 5. Sep terten die Menschen in München, in tember 2012 am der Bundesrepublik Deutschland und Mahnmal beim Tatort der Geisel weltweit. Vor dem Hintergrund der an nahme in der Jüdinnen und Juden in der NS-Zeit Connollystraße 31 verübten Verbrechen wurde es als be- Kränze für die ermor- sonders schlimm empfunden, dass die deten Sportler nie dergelegt. Shay Opfer Juden waren. Shapira, Sohn des getöteten Leichtath letiktrainers Amizur Shapira, sprach das Kaddisch für die Opfer des Attentats. 28 29
eine große Zahl von schlecht gebauten Sozialwohnungen minderten die Wohnqualität. Eine Kehrtwende zum Bes seren wurde durch ein 1985 entwickeltes Sanierungspro gramm und von 2000 bis 2009 durch das Programm »Soziale Stadt« herbeigeführt. In diesem Rahmen entstan- den unter anderem das Kultur- und Bürgerhaus Milberts hofen mit dem neugestalteten Curt-Mezger-Platz. Die Wohnqualität der Sozialbauten wird durch anhaltende Modernisierungsmaßnahmen verbessert, so zum Beispiel durch Neubauprojekte der GWG in der Dientzenhofer- und in der Kämpferstraße 2021/2022. Das mit einem eigenen U-Bahnanschluss, Infrastruktureinrichtungen und Einkaufs möglichkeiten ausgestattete Stadtteilzentrum Nordhaide ist vor allem für Familien attraktiv. Neben der renaturierten Panzerwiese und dem Olympiapark sorgen der Petuelpark Petuelpark über dem Veränderungen und Ausblick und der Grünzug mit Spielmeile, der auf der ehemaligen Petueltunnel, 2004 Vom ursprünglichen Milbertshofen ist Trambahntrasse entstand, für bessere Luft und für mehr wenig erhalten. Was der Krieg nicht zer Grün im Stadtbezirk. Eine weitere positive Neuerung ist das stört hatte, musste Modernisierungs- zum Schuljahr 2016/2017 eröffnete Staatliche Gymnasium und Infrastrukturmaßnahmen weichen. München-Nord in der Knorrstraße 171. Dieses umfasst ein In den 1960er Jahren wurde der Frank- furter Ring zur Stadtautobahn ausge- Das aus poliertem Edelstahl baut, das alte Schwaighaus, mehrere gefertigte Kunstwerk »Feuer und Flamme« vor dem Gymnasium Höfe und Gasthäuser wurden abgeris- München-Nord schuf der Bild sen und der verbliebene Rest des hauer Bruno Wank im Rahmen historischen Dorfes wurde endgültig von QUIVID, dem Kunst-am-Bau- vom jüngeren Ortskern abgetrennt. Am Programm des Baureferats. Es symbolisiert das olympische südlichen Ende Milbertshofens erfolgte Feuer und steht gleichermaßen wenig später der Ausbau der Petuel- für sportlichen Wettkampf und straße zum Petuelring. Das steigende internationalen Frieden – also für Verkehrsaufkommen, emissionsstarke Werte, die die Schule auch über ihren Sportschwerpunkt vermit- Industriebetriebe, ein hoher Arbeits telt. Foto von 2022 losenanteil, geringe Grünflächen und 30 31
sprachliches und ein naturwissenschaftlich-technologisches Gymnasium und bietet pro Jahrgangsstufe je eine Sport- beziehungsweise Leistungssportklasse an. Der KulturGeschichtsPfad lädt dazu ein, den Stadtbezirk Milbertshofen-Am Hart anhand von drei Rundgängen in all seinen prägenden Facetten zu entdecken. Milbertshofen-Am Hart 11 Rundgang 1: Harthof und Am Hart 32
Panzerwiese und Siedlung Nordhaide Wo von 1998 bis 2011 der familienfreundliche Stadtteil Nordhaide entstand, befand sich bis 1990 ein militärisches Sperrgebiet. 1994 kaufte die Landeshauptstadt München die ehemalige »Panzerwiese« (Gesamtfläche 200 Hektar) und lobte einen Wettbewerb zu deren Teilbebauung aus, den die Architekten Hans Engel, Herbert Jötten und die Landschaftsarchitektin Bü Prechter gewannen. Auf dem südwestlichen Teil des vormaligen Truppenübungsplatzes konzipierten sie die Siedlung Nordhaide. Der weitaus grö ßere Teil der ehemaligen Panzerwiese blieb unbebaut. Diese in Europa einzigartige, aus Kalkmagerrasen mit Gräsern und Kräutern bestehende, über die Stadtgrenze hinausreichende Heidelandschaft steht seit dem Jahr 2002 unter Natur- schutz. Einige Wege in der neuen Siedlung, wie der Frauen mantel- oder der Golddistelanger, sind nach Pflanzen be- Das Luftbild von 2013 zeigt die Siedlung Nordhaide mit »Diagonale«, nannt, die auch auf der Panzerwiese wachsen. Zusammen die die zentralen Einrichtungen und die Anger miteinander verbindet mit dem nördlich anschließenden, ebenfalls geschützten (Konzept der kurzen Wege). Die Diagonale verläuft zwischen Domini- kuszentrum im Süden und dem Einkaufszentrum MIRA. Nördlich von Waldgebiet Hartelholz bietet die ehemalige Panzerwiese diesem eröffnete zum Schuljahr 2015/2016 das neue Berufliche Schul- Lebensraum für verschiedene Tierarten, darunter Rebhüh- zentrum (BSZ) in der Schleißheimer Straße 510. Zum BSZ gehören die ner, Wildkaninchen und verschiedene Bienenarten. Das städtische Robert-Bosch-Fachoberschule für Wirtschaft (FOS), die städ- Heidegebiet wird auch als Schafweide genutzt. tische Nelson-Mandela-Berufsoberschule für Wirtschaft (BOS) und die städtische Fachakademie für Heilpädagogik (FAH). Rechts: Der von der Siedlung Nordhaide in Richtung Naturschutzgebiet weisende Steg gehört zu dem mehrteiligen Kunstwerk »ALITTLEMORE LOVE« der Künstlergruppe »das änderungsatelier«. Die Installation entstand 2008 im Rahmen von QUIVID, dem Kunst-am-Bau-Programm des Baureferats der Landeshauptstadt München. Auch der beliebte Brunnen »Ab durch die Mitte« am Nordhaide-Platz von Alexander Laner wurde von QUIVID gefördert. 34 35
In der Siedlung Nordhaide gibt es etwa 2.500 Wohnungen, davon 545 Studentenwohnungen, für rund 6.500 Men schen. Zahlreiche Grün- und Spielflächen, Bewohnergärten, reduzierter Autoverkehr und soziale Einrichtungen, Kinder tagesstätten und Schulen tragen zur hohen Wohnqualität und zum guten Zusammenleben im Stadtteil bei. Von her- ausragender Bedeutung ist das Dominikuszentrum, das die Katholische Kirchenstiftung St. Gertrud, das Caritaszentrum München-Nord und das Erzbischöfliche Jugendamt-Mün- chen errichten ließen. In dem von Andreas Meck, Träger des Architekturpreises der Landeshauptstadt München 2015, geplanten Komplex in Backstein-Architektur sind verschie- dene Beratungsstellen, eine Kindertagesstätte und ein Andachtsraum untergebracht. Beim Dominikuszentrum befindet sich die erste Station des »Weges der Hoffnung im Münchener Norden«, der aus insgesamt sieben Stationen besteht und die sieben biblischen Werke der Barmherzigkeit aufgreift. Volksschule und Kindergarten Der Weg wurde anlässlich des Ökumenischen Kirchentags 2010 eröffnet und von namhaften am Harthof Künstlern gestaltet. Der von Alix Stadtbäumer geschaffene Bildstock »Gitter aus Efeu« sym- Das Gebiet zwischen Schleißheimer Die Luftaufnahme Straße und Ingolstädter Straße gehörte von 1956 zeigt den bolisiert das Thema »Gefangene befreien – Kindergarten und die Überleben können«. ursprünglich zu Feldmoching und war Schule in der Hugo- dessen Weidewald (= Hart). Als erstes Wolf-Straße sowie Der von der Künstlerin Anna Leonie blau Gebäude entstand um 1890 das Gut die Kirche St. Gertrud. gestaltete Andachtsraum im Dominikuszent Harthof; 1927 erwarb die Landeshaupt- Der Straßenname rum ist ein Ort der Ruhe und Kontemplation. erinnert an den Kom- Hier feiert auch die serbisch-orthodoxe stadt München das Gut und die zughö- ponisten Hugo Wolf Gemeinde Gottesdienste. Foto 2014 rigen Ländereien als Baulandreserve. In (1860 – 1903). der Umgebung des Gutshofs entstand ab 1900 die »Kolonie Harthof«, mit zahl- reichen Gärtnereien. 36 37
Der Name Harthof wurde Namensbestandteil der ab 1939 errichteten Volkswohnanlage; nördlich von dieser entstand in den 1950er Jahren zwischen Neuherberg- und Rathen- austraße die Siedlung Harthof. Für das neue Viertel planten die Architekten Helga und Adolf Schnierle und Fritz Florin den Kindergarten in der Hugo-Wolf-Straße 68 und den be- nachbarten Schulkomplex, Hugo-Wolf-Straße 70, der in zwei Bauabschnitten von 1953 bis 1955 und von 1958 bis 1959 gebaut wurde. Das Schulhaus verfügt über eine große Aula, um die herum sich auf drei Geschossebenen die Klassenzimmer gruppie- ren. Die Ostwand der Aula besteht aus einer durchgehen- den Glaswand, die den Blick in den Schulpark mit altem Baumbestand freigibt. Neben der Hugo-Wolf-Grundschule bezog 1968 die Baltha- sar-Neumann-Realschule einen Teil des Schulkomplexes. Sie Evangelisch-lutherische ist benannt nach dem aus Eger/Cheb im heutigen Tschechi- Versöhnungskirche en stammenden Barock- und Rokoko-Baumeister Johann Balthasar Neumann (1687 – 1753). Die Realschule bietet ab 1953 erwarb die evangelische Kirche Die Versöhnungskir- der 7. Klasse die Auswahl zwischen drei Wahlpflichtfächer- das Grundstück in der Hugo-Wolf- che in der Hugo-Wolf- Straße 16 wurde 1956 gruppen an, wobei der Schwerpunkt entweder im mathe- Straße. Am 18. September 1956 er nach dem Motto des matisch-naturwissenschaftlichen, betriebswirtschaftlichem folgte die Grundsteinlegung für den evangelischen Kir- oder sozialem Bereich liegt. von Franz Gürtner geplanten Neubau. chenjahrs benannt. Dieser wurde bereits zehn Monate Die entsprechende Bibelstelle, »Lasset Als wegweisende Gebäude der 1950er Jahre stehen Schule später, am 30. Juli 1957, von Kreis euch versöhnen mit und Kindergarten unter Denkmalschutz. dekan Oberkirchenrat Arnold Schabert Gott« (2 Korinther 5, geweiht. Ab 1959 betreute die Ver 20), steht über dem söhnungskirche die Siedlungen Neu- Hauptportal. Aufnahme von 1962 herberge, Am Hart und Harthof sowie das Barackenlager Frauenholz (zu letzterem siehe KGP 24). Damals 38 39
übernahm der engagierte Prodekan Otto Steiner die Pfarr stelle und die damit verbundene Seelsorge für die in den Anfangsjahren von ehemaligen Displaced Persons, Flücht 1956 gedachte die lingen, Geringverdienern und Arbeitslosen geprägte Ge Katholische Kirche meinde. Diese wurde am 8. März 1960 zur selbstständigen der Heiligen Gertrud Gemeinde erhoben. Seit ihrem Bestehen engagiert sich die (1256 – 1302). Aus diesem Grund war Kirchengemeinde mit Sach- und Lebensmittelspenden für es naheliegend, dass sozial Benachteiligte; anfangs wurde sie dabei auch von den der damals errichtete in den benachbarten Kasernen stationierten US-Streitkräften Kirchenbau in der unterstützt. So verteilt die »Kirchenküche« Lebensmittel an Weyprechtstraße 75 nach der Ordensfrau Bedürftige. des Zisterzienserin nen-Klosters Helfta Seit 1962 unterhält die Versöhnungskirche einen Kindergar- benannt wurde. ten und Kinderhort, heute: Kindertagesstätte Arche Noah in der Hugo-Wolf-Straße 12. 1974 kamen eine heilpädagogi- Katholische Kirche St. Gertrud sche Tagesstätte und eine Altenpflegestation, die sich spä- ter zur Diakoniestation Harthof-Freimann entwickelte, dazu. Die rasche Bebauung des Wohngebiets Harthof in den 1950er Jahren führte 1956 zur Errichtung eines weiteren Seit 1960 besteht der Posaunenchor von Versöhnungs- und Kirchenbaus für die zugezogenen Katholiken. Nach nur Evangeliumskirche und verschönert die Gottesdienste am sechs Monaten Bauzeit wurde die Kirche am 11. November Harthof und in der Nachbargemeinde Hasenbergl. 1956 von Kardinal Josef Wendel geweiht. Die charakteris tischen Fresken der Außenfassade schuf der Künstler Karl Manninger. Im Kircheninneren hängt das Metallkreuz des Künstlers Johannes Dumanski. 1963 wurde St. Gertrud selbständige Pfarrei; bereits ein Jahr später konnten Pfarr zentrum und Pfarrkindergarten eröffnet werden. Die in der Siedlung Nordhaide lebenden Katholiken gehören zur Pfarrei St. Gertrud; für diese wurde das dortige Dominikuszentrum errichtet. Seit 2009 werden die Gottesdienste der Eritreisch- Orthodoxen Tewahdo Ureal Kirche in München in Räumen der katholischen Pfarrei St. Gertrud gefeiert. 40 41
Ehemalige US-amerikanische Siedlung Für die Unterbringung von Offizieren und Soldaten der US-Streitkräfte und ihren Familien ließ die Bundesrepublik Deutschland eine aus 654 Wohnungen bestehende Siedlung errichten. Entlang von Rockefellerstraße und Morsering ent- standen ab 1954 dreigeschossige Wohnblöcke, wie sie für US-Militärsiedlungen dieser Zeit typisch sind; für höhere Offiziere wurden in der Mortonstraße Doppelhäuser mit Carports errichtet. Zur Versorgung und Unterhaltung der in der Warner Kaserne (heute Ernst-von-Bergmann-Kaserne) stationierten US-Mili- tärangehörigen gab es ein Kino, ein amerikanisches Waren- haus (Post Exchange, PX), Clubs und mehrere Sportstätten. Nach der Räumung der Warner Kaserne durch die US-Streit- kräfte im Jahr 1968 wurde die Siedlung an die Bundesver- mögensverwaltung (heute Bundesanstalt für Immobilienauf- gaben, BImA) zurückgegeben, die die Wohnungen seither Das Luftbild von 1965 zeigt die gebogenen Straßen der US-Siedlung Idylle vor dem Ab- und die ostwärts gelegene Warner Kaserne. Deutlich zu erkennen sind bruch: Die Aufnahme zahlreiche Baseballfelder (baseball diamonds), die die Präsenz der vom Juli 2015 zeigt Amerikaner in dieser Gegend unterstreichen. Der nördliche Teil der eines der ursprüng- US-Siedlung grenzte direkt an den Truppenübungsplatz (Panzerwiese); lich für Offiziere der nördlich der Kaserne erkennt man die in den 1950er Jahren errichtete US-Streitkräfte er- Obdachlosensiedlung, die aufgrund erheblicher Baumängel in den richteten Doppelhäu- 1980er Jahren abgerissen und durch die heutige Bebauung ersetzt ser in der Morton- wurde. Das zwischen Obdachlosensiedlung und Morsering errichtete straße. Mehrere weiße Gebäude mit dem großen Parkplatz war der US-Einkaufsmarkt PX. Häuser wurden seit- her bereits abgeris- sen, weil hier ein neues Stadtviertel entsteht. 42 43
vermietet. Die Wohnblöcke im Bereich Rockefellerstraße Ernst-von-Bergmann-Kaserne und Morsering wurden und werden saniert; langfristig wird das Areal nachverdichtet. 2010 beschloss die BImA, die ehe- Das monumentale Hauptgebäude der heutigen Ernst-von- maligen Offiziersbungalows in der Mortonstraße abzureißen Bergmann-Kaserne, Neuherbergstraße 11, entstand 1934 und durch Geschosswohnungsbau zu ersetzen. Dieser Pro- bis 1938 nach Plänen von Oswald Bieber, Theo Lechner zess hat bereits begonnen. Der vollständige Abbruch und und weiteren Architekten als »SS-Kaserne Freimann« für die Neubau wird sich aber – in Abhängigkeit vom Auslaufen der SS-Standarte »Deutschland«, einem bewaffneten Verband langjährigen Mietverträge – über mehrere Jahre erstrecken. der sogenannten SS-Verfügungstruppe, die später in der Unter Wahrung des alten Grün- und Baumbestands entsteht, »Waffen-SS« aufging. Die Verfügungstruppe sollte als Partei- teils durch private Bauträger, teils durch die Wohnungsbau- armee den Machterhalt der NSDAP gewährleisten und gesellschaft für Staatsbedienstete, Stadibau, ein neues wurde vor dem Krieg vor allem als Repräsentations- und Quartier. Wachtruppe des Regimes eingesetzt. Die bisherige Grund- und Mittelschule an Während die SS-Mannschaften in der Kaserne unterge- der Bernaysstraße bezog zum Schuljahr bracht waren, sollten SS-Führer und -Unterführer mit ihren 2021/2022 einen modernen Neubau in der Rockefellerstraße 11 und heißt entsprechend Familien in einer Siedlung wohnen, die südlich an die Kaser- ihrer neuen Adresse. Nach dem Umzug er ne angrenzte. Die fünf Straßen der Wohnsiedlung wurden folgte der Abbruch des alten Schulhauses. auf Wunsch des Büros des Reichsführers-SS 1937 nach An dessen Stelle entsteht eine Dreifachsport SS-Männern benannt, die 1931 und 1932 vorgeblich im halle, die zum Schuljahresbeginn 2023/2024 in Betrieb geht. »Kampf« gegen Kommunisten und gegen das demokrati- sche Wehr- und Verteidigungsbündnis Reichsbannerbund Schwarz-Rot-Gold ums Leben gekommen waren und im NS-Staat als »Helden« galten. Die nationalsozialistischen Straßennamen wurden schon bald nach Kriegsende, am 1. Juli 1945, nach Vogelarten umbenannt; sie heißen seither Regenpfeifer-, Kreuzschnabel-, Haubenlerchen- und Buch finkenweg. Die SS-Standarte »Deutschland« beteiligte sich nach dem Münchner Abkommen vom 30. September 1938 an der Be- setzung der sogenannten Sudetengebiete – dem westlichen Grenzgebiet der damaligen Tschechoslowakei. Die Einheit befand sich ab Oktober 1938 permanent außerhalb der 44 45
Kaserne und war ab Kriegsbeginn mehrfach an Kriegsver- brechen beteiligt. Die »SS-Kaserne Freimann« diente wäh- rend des Krieges als Unterkunft und Ausbildungsstandort der SS; ferner waren hier SS-Flak-Einheiten stationiert. Ab November 1941 mussten circa 27 Häftlinge des KZ Dachau für die SS-Standortverwaltung arbeiten. Sie wurden beispielsweise im Kesselhaus der Kaserne eingesetzt oder hatten Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten zu verrich- ten. Während ihres Arbeitseinsatzes waren die KZ-Häftlinge durchgehend von SS-Posten bewacht; nach der Arbeit wurden sie in einem Haus auf dem Kasernengelände ein gesperrt. Kleinste Vergehen bestrafte die SS mit Misshand- lungen. Im Sommer 1943 ließ sie einen russischen Häftling vor den Augen seiner Mitgefangenen erhängen, weil er Lebensmittel gestohlen hatte. In der dritten Aprilwoche 1945 wurden die verbliebenen Häftlinge zu einem Evakuie- rungsmarsch in das KZ Dachau gezwungen. Ein weiteres Arbeitskommando des KZ Dachau, das aus circa 35 Häft Blick über den Exerzierplatz mit dem acht lingen bestand, war von September bis Dezember 1942 in stöckigen Turm neben der ehemaligen Haupt wache an der Ingolstädter Straße im Jahr der Kaserne untergebracht. Sie waren von der Baufirma 1939. Der äußerlich schlichte und weitläufige Dyckerhoff und Widmann angefordert worden, die im Auf- Kasernenbau wurde in Stahlbeton errichtet. trag der SS Baracken zur Kasernenerweiterung errichtete. Die Funktionsarchitektur der SS-Kaserne un- terscheidet sich hinsichtlich des verwendeten kostspieligen Baumaterials, der aufwändigen Nach erbitterten Kämpfen nahm ein gepanzerter Verband Bautechnik und durch den Verzicht auf Fassa- der von Norden nach München einrückenden US-Armee denschmuck deutlich von den Wehrmachtska- die SS-Kaserne am 30. April 1945 ein. Die große Anlage sernen dieser Zeit, die meist als Ziegelbauten wurde nach dem Zweiten Weltkrieg für die Unterbringung errichtet wurden und Zierelemente aufwiesen. und Versorgung von Displaced Persons (DPs) genutzt. Die International Refugee Organization (IRO) betreute im Okto- ber 1950 rund 3.800 DPs verschiedener Nationalitäten und unterstützte sie bei der angestrebten Ausreise. 46 47
Ab 1948 hieß die von den Amerikanern bis 1968 genutzte Kaserne »Warner Kaserne«, benannt nach dem am 21. De- zember 1944 in den Ardennen gefallenen Unteroffizier Henry F. Warner (geboren 1923), dem der US-Kongress posthum die »Medal of Honor«, die höchste US-Tapferkeitsauszeich- nung, verliehen hatte. Während der Olympischen Sommerspiele von 1972 waren in der Kaserne neben Bundeswehreinheiten auch Einheiten der Bayerischen Bereitschaftspolizei, des Bundesgrenz- schutzes und des Technischen Hilfswerks untergebracht. Die Bundeswehr wählte den ehemaligen bayerischen Generalarzt Ernst von Bergmann (1836 – 1907), der als Begründer der Asepsis und führender Vertreter der Kriegs- chirurgie seiner Zeit gilt, als Namensgeber der Kaserne, in der seit 1980 die Sanitätsakademie der Bundeswehr unter- gebracht ist. 2012 wurde das Auditorium Maximum der Sanitätsakademie nach dem Medizinstudenten Hans Scholl Zur Sanitätsakademie gehören auch Eines der bemer- (1918 – 1943), einem führenden Mitglied der studentischen eine wehrpathologische und eine mili- kenswertesten Objekte der militär Widerstandsgruppe »Weiße Rose«, benannt. tärgeschichtliche Lehrsammlung. An geschichtlichen den über 3.000 pathologischen und Lehrsammlung ist 2013 erfolgte die Umstrukturierung der Sanitätsakademie anatomischen Exponaten aus der Zeit ein preußischer zum alleinigen Zentrum für Ausbildung, Forschung und des Ersten Weltkriegs bis heute lassen Verbandmittelwagen von 1867. Fähigkeitsentwicklung des Sanitätsdienstes der Bundes- sich Kriegsverwundungen studieren, Aufnahme von 2014 wehr. 2020/2021 entstanden auf dem Kasernengelände die durch Geschosse, Minen und che- neue Unterkunftsgebäude für Soldatinnen und Soldaten. mische Kampfmittel herbeigeführt wurden. Die militärgeschichtliche Lehr- sammlung der Sanitätsakademie be wahrt Exponate, Literatur und Quellen zur Geschichte der Sanitätsdienste deutscher Streitkräfte seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie steht der interessierten Öffentlichkeit nach Vor- anmeldung zur Verfügung. 48 49
Siedlung Neuherberge Die Siedlung Neu- Auf städtischem Grund wurde im Der zentrale Platz der Siedlung, der Spengelplatz, war herberge entstand August 1936 westlich der Ingolstädter ursprünglich nach einem jung gestorbenen Hitlerjungen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Straße die aus 169 Kleinhäusern be benannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er dem SS-Kaserne (heute stehende Siedlung Neuherberge fertig- Landschaftsmaler Johann Ferdinand Spengel (1819 – 1903) Ernst-von-Bergmann- gestellt. Die Auswahl der Siedler er gewidmet. Kaserne). Aufnahme folgte nach Kriterien der NS-Ideologie. vom Dezember 1938 Die Siedlerstellen mit großem Garten Westlich der Siedlung erinnert der 1965 anteil zur Selbstversorgung waren vor benannte Schollerweg an Otto Scholler (1877 – 1952), den früheren Werkleiter der allem für arme, kinderreiche »arische« städtischen Verkehrsbetriebe, der 1934 von Familien vorgesehen. Viele der hier den Nationalsozialisten entlassen wurde ansässig werdenden Siedlerinnen und und in der NS-Zeit mehrmals inhaftiert war. Siedler waren als Zivilarbeiterinnen Scholler erwarb sich große Verdienste um den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. und Zivilarbeiter in den benachbarten Kasernen oder in der Rüstungsindus trie beschäftigt. 50 51
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