Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...

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Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...
Nr. 02Z034436 P.b.b. Verlagspostamt 8010

Die Wasserzeitschrift der Steiermark   1/2011
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...
IMPRESSUM                              Weltwassertag 2011
Medieninhaber/Verleger:                                                               Dienstag, 22. März 2011
Umwelt-Bildungs-Zentrum Steiermark
8010 Graz, Brockmanngasse 53
Postanschrift:                         Aufgrund einer UN-Resolution von 1992 findet alljährlich am
Wasserland Steiermark                  22. März der Weltwassertag statt. Im Mittelpunkt des heurigen
8010 Graz, Stempfergasse 5–7
Tel. +43(0)316/877-5801                Weltwassertages unter dem Motto „Water for Cities: Respon-
(Projektleitung)                       ding to the Urban Challenge“ – „Wasser für die Stadt“ – stehen
Fax: +43(0)316/877-2480
E-Mail: post@wasserland.at             die Zunahme der Stadtbevölkerung, die Industrialisierung, der
www.wasserland.at                      Klimawandel und deren Auswirkungen auf die Wasserressour-
DVR: 0841421
                                       cen, die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung.
Erscheinungsort: Graz
Verlagspostamt: 8010 Graz
Chefredakteurin: Mag. Sonja Lackner,
Mag. Dr. Margret Zorn
                                         PROGRAMMÜBERBLICK:                          WASSER-GANG
Redaktionsteam:
Uwe Kozina, Ursula Kühn-Matthes,         10 –14 Uhr:                                 12 und 14 Uhr
Hellfried Reczek, Florian Rieckh,        Führungen zum Thema Wasser                  Treffpunkt Mariahilferplatz
Robert Schatzl, Brigitte Skorianz,       15 Uhr:                                     Begegnen Sie Graz einmal zu Fuß von
Volker Strasser, Elfriede Stranzl,
                                         Wasser- & Kanallauf 2011                    seiner Wasserseite.
Die Artikel dieser Ausgabe wurden                                                    Lassen Sie sich überzeugen wie viele Wasser-
                                         bis 17.30 Uhr:
begutachtet von: Rudolf Hornich,
                                         Zieleinlauf am Karmeliterplatz              Sehenswürdigkeiten Graz zu bieten hat.
Johann Wiedner
Die Artikel geben nicht unbedingt        ab 19 Uhr:                                  Dauer: ca. 2 Stunden
die Meinung der Redaktion wieder.        gemütlicher Ausklang                        Fachkundig begleitet werden Sie von
Druckvorbereitung und                                                                „DieGrazGuides“, Fremdenführerclub für Graz
Abonnentenverwaltung:                                                                und die Steiermark.
Elfriede Stranzl
                                                                                     … und im Anschluss ein Glas Wasser.
8010 Graz, Stempfergasse 7             WASSER-FÜHRUNGEN
Tel. +43(0)316/877-2560                                                              Holen Sie sich Ihr „Grazer Wasserglas“ bei un-
post@wasserland.at                     WASSER-FAHRT                                  serem Informationsstand am Karmeliterplatz.
Titelbild:                             10, 12 und 14 Uhr
http://www.worldwaterday2011.org       Treffpunkt Karmeliterplatz                    7. WASSER- & KANALLAUF 2011
Holding Graz
Macron Software/Entw./Market.          Steigen Sie ein in unseren „Wasser“-Bus und   ab 11 Uhr
8010 Graz, Andreas-Hofer-Platz         verfolgen Sie den Weg des Wassers …           Startnummernausgabe und Nachnennung
Gestaltung:                            Wasser für die Stadt – Wasserversorgung       am Karmeliterplatz, 8010 Graz
kerstein werbung | design |            Kompetenzzentrum Wasser in Andritz            ab 13.30 Uhr
event- u. projektmanagement
                                       Wasser für die Stadt – Hochwasserschutz       Transfer der TeilnehmerInnen zum Start
8111 Judendorf-Straßengel
Tel. +43(0)699/12053069                Rückhaltebecken Mariatrosterbach              ins Kompetenzzentrum Wasser
office@kerstein.at                     Wasser für die Stadt – Forschung              Kleidertransport Start – Ziel
www.kerstein.at                        Wasserbaulabor, Institut für Wasserbau und    (Bushaltestelle am Karmeliterplatz)
Druck:                                 Wasserwirtschaft der TU-Graz                  15 Uhr
Medienfabrik Graz                                                                    Start zum Wasser- & Kanallauf
                                       Wasser für die Stadt – Wasserentsorgung
www.mfg.at                                                                           Kompetenzzentrum Wasser,
                                       Steigen Sie ab in den Kanal
                                                                                     Wasserwerkgasse 11, 8045 Graz
Gedruckt auf chlorfrei                 Dauer: ca. 2,5 Stunden
gebleichtem Papier.                                                                  Die Strecke für die LäuferInnen und Nordic-WalkerIn-
Bezahlte Inserate sind                                                               nen führt vom Wasserwerk Andritz stadteinwärts
gekennzeichnet.                                                                      entlang der Mur bis zum Augarten. Dort erfolgt der
                                                                                     Einstieg in den Grazbachkanal. Unterirdisch geht es
ISSN 2073–1515
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...
I N H A LT

                                                     Wasser – ein steirisches Markenzeichen!                                               2
                                                     Interview mit Wasserlandesrat Seitinger
                                                     Mag. Sonja Lackner

                                                     „Panther-Brunnen“: Danke für’s Mitvoten                                               3
                                                     Mag. Sonja Lackner

                                                     Wassermanagement für Städte                                                           4
                                                     DI Johann Wiedner

                                                     Wasser in der Stadt                                                                   8
                                                     Univ.-Prof. DI DDr. Harald Kainz

                                                     Der Andritzbach                                                                       12
                                                     Dipl.-HTL-Ing. Dietmar Lautscham

                                                     Hydrologische Übersicht für das Jahr 2010                                             18
dann bis zur Raimundgasse und im Anschluss oberir-   Mag. Barbara Stromberger | DI Dr. Robert Schatzl | Mag. Daniel Greiner
disch durch den Stadtpark bis zum Ziel am Karmeli-
terplatz.                                            INARMA Central Europe Project                                                         24
                                                     DI Dr. Robert Schatzl
O Streckenlänge ca. 10 km, davon 1,5 km
  im Kanal – keine Zeitnehmung!
                                                     Verbringung von Oberflächenwässern                                                    26
O Parken in der Pfauengarten-Tiefgarage              Mag. Erhard Neubauer
  um € 5,– (12.00 bis 19.00 Uhr)
O Parkticket bei der Startnummernausgabe             Japan zeigt Interesse an steirischen Hochwasserrückhaltebecken                        34
                                                     DI Rudolf Hornich
  im Zelt eintauschen
O Musik “De Zwa“ am Karmeliterplatz                  Felduntersuchungen an Hochwasserschutzbauten in der
O Bei Schlechtwetter Ersatzstrecke durch den         Steiermark und Vergleiche mit japanischen Fallstudien                                 37
                                                     Tetsuya Sumi | Sameh A. Kantoush | Akio Shirai
  Schloßbergstollen
                                                     POOL – Nasses Vergnügen mit Verantwortung                                             43
WASSER & MUSIK                                       Ing. Daniela List | Mag. Dr. Karin Dullnig

19 Uhr
                                                     Zu- und Abfluss nun in einer Hand – Holding Graz                                      44
Gemütlicher Ausklang                                 Mag. Gerald Pichler
mit musikalischer Begleitung
Kompetenzzentrum Wasser,                             Veranstaltungen                                                                       47
Wasserwerkgasse 11, 8045 Graz
Wir laden zu Fischsuppe (bereitgestellt vom
Landesfischereiverband), „wasserhaltigen“
Getränken, unter anderem Bier (bereitgestellt
von der Brauunion) und zu musikalischer
Unterhaltung von Ed Luis.
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...
Interview mit Wasserlandesrat Seitinger:

                             Wasser – ein steirisches
                             Markenzeichen!
Mag. Sonja Lackner
                                                       Kaum ein Begriff hat in den letzten Jahren so sehr an Bedeutung für die
Amt der Steiermärkischen
Landesregierung                                        Bevölkerung gewonnen wie Sicherheit. Die Steiermark ist ein Land mit
Fachabteilung 19A -                                    hervorragenden Ressourcen, kostbaren Lebensräumen und einer charakte-
Wasserwirtschaftliche
Planung und Siedlungs-                                 ristischen Lebensfreude. Dies zu sichern und zugleich weiter zu entwickeln
wasserwirtschaft                                       sieht Wasserlandesrat Johann Seitinger als oberstes Ziel seiner politischen
8010 Graz, Stempfergasse 7
                                                       Tätigkeit. Im Interview mit „Wasserland Steiermark“ betont Landesrat
Tel. +43(0)316/877-2574
sonja.lackner@stmk.gv.at                               Seitinger, wie wichtig etwa eine sichere Wasserversorgung und ein
                                                       präventiver Hochwasserschutz in der Steiermark sind.

                             Herr Landesrat, wie schützenswert       LR S: „Unser ‚weißes Gold‘, das         Ihres Ressorts geworden. Wird hier
                             und schützensnotwendig ist das          steirische Wasser ist das wichtigs-     das Land Steiermark künftig weiter
                             steirische Wasser?                      te Lebensmittel für uns Menschen.       in die Sicherheit der Bürger inves-
                             LR S: „Wir haben in der Steiermark      Es ist unsere Pflicht dieses wichti-    tieren?
                             Verantwortung übernommen und            ge Gut auch in Zukunft zu schützen      LR S: „Die Hochwasserkatastro-
                             im Bereich der Trinkwasserversor-       – auch um es sinnvoll nützen zu         phen der letzten Jahre haben die
                             gung bei der Verteilung zwischen        können. Mit diesem Hintergrund          Notwendigkeit und Bedeutung ei-
                             dem Norden und dem Süden unse-          haben wir den Wasserwirtschafts-        nes umfassenden Hochwasser-
                             res Landes einen Ausgleich ge-          plan erarbeitet. Dabei handelt es       schutzes aufgezeigt. Es muss bei
                             schaffen, der mit dem Wassernetz-       sich um ein Ziel- und Strategiepa-      der Raumplanung beginnen; es
                             werk Steiermark hochprofessionell       pier bis 2015 mit folgenden inhaltli-   braucht Hochwasserschutzbauten,
                             begründet wurde.                        chen Schwerpunkten:                     aber auch zeitgerechte Hochwas-
                             Das heißt: ‚Schützen und sparsam        1. Erhaltung eines ausgeglichenen       serprognosen. Wir bieten in der
                             nützen!‘, was im Detail bedeutet,          Wasserhaushaltes                     Steiermark ein international aner-
                             dass es in der Steiermark mit Si-       2. Steirische Gewässer in gutem         kanntes Hochwassermanagement,
                             cherheit keinen Ausverkauf des             Zustand erhalten                     denn der Schutz unserer Bürger hat
                             Wassers geben wird und ein flä-         3. Die steirischen Fließgewässer        für mich oberste Priorität. Das Land
                             chendeckender Ausbau öffentli-             als wertvollen Natur- und Erho-      Steiermark wird daher auch weiter-
                             cher, qualitätsgesicherter Trink-          lungsraum erhalten                   hin Geld investieren - denn, die
                             wasserversorgungsanlagen sicher-        4. Eine gute Abwasserentsorgung         Kosten bei einer Schadenswieder-
                             gestellt ist. Außerdem müssen wir          zum Schutz der Gewässer ge-          gutmachung werden immer höher
                             wieder mehr Bewusstsein dafür              währleisten                          sein als sinnvolle Präventionsmaß-
                             schaffen, dass jede und jeder Ein-      5. Eine sichere Trinkwasserversor-      nahmen. Konkret wurden in den
                             zelne von uns sorgsam mit dem Le-          gung gewährleisten                   vergangenen Jahren für das Aus-
                             bensmittel Wasser umgehen soll.“        6. Ausbau des Hochwasserschut-          bauprogramm für Hochwasserrück-
                                                                        zes forcieren                        haltebecken jährlich insgesamt 20
                             Der Wasserreichtum des Landes ist
                                                                     7. Wasserbewusstsein in der Be-         Millionen Euro investiert. Auch
                             eine unverzichtbare Grundlage
                                                                        völkerung verankern                  künftig werde ich versuchen mit
                             auch für viele Bereiche der Wirt-
                                                                     Die Steirische Wassercharta, die        dem Bund ein vergleichbares In-
                             schaft und bildet die Basis für wert-
                                                                     wir im Mai 2009 auf der Murinsel in     vestitionsvolumen zu realisieren,
                             vollen Natur- und Erholungsraum.
                                                                     Graz für mehr Bewusstsein in der        wobei noch stärker Prioritäten zu
                             Kurz, wir leben vom und mit dem
                                                                     Bevölkerung veröffentlicht haben,       setzten sein werden.“
                             Wasser. Welche Herausforderun-
                             gen sehen Sie in den kommenden          entspricht diesen Punkten voll und      Das diesjährige Motto des jährli-
                             Jahrzehnten auf uns zukommen?           ganz.“                                  chen Weltwassertages am 22. März
                                                                     Auch der Hochwasserschutz ist an-       lautet „Water for Cities: Respon-
                                                                     gesichts der Klimaveränderung zu        ding to the Urban Challenge“. Die
                                                                     einer der wichtigsten Aufgaben

                      2      Wasserland Steiermark 1/2011
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...
Herausforderungen des urbanen
Wassermanagements in den Berei-

                                         Danke für’s Mitvoten
chen der Erhaltung und Verbesse-
rung der Wasserqualität sowie der
Abwasserreinigung sind angesichts
der steigenden Bevölkerungsdichte
in den Städten sicherlich groß?          Tausende Steirerinnen und Steirer haben
LR S: „Das 21. Jahrhundert ist das       ihren „Panther-Brunnen“ gewählt!
Jahrhundert der natürlichen Res-
sourcen, insbesondere des Was-           Wasserlandesrat Johann Seitinger hat es sich zur
sers. Das heißt konkret: Wir müs-
                                         Aufgabe gemacht, das Thema Wasser in den Köpfen
sen mit unseren Ressourcen ers-
                                         der Menschen wieder mehr ins Bewusstsein zu rü-
tens sparsamer und effizienter um-
gehen, zweitens müssen wir die           cken. Aus diesem Grund wurde im Sommer vergan-
Regionalwirtschaft stärken und           genen Jahres gemeinsam mit dem Medienpartner
drittens müssen wir unseren Le-          Kronen Zeitung, einer Fachjury und einer Publikums-
bensstil ändern. Zweifelsohne sind       jury der „Steiermark-Brunnen“ gekürt.
global die Herausforderungen der
wachsenden Städte, auch im Lichte
des Klimawandels unverhältnismä-
ßig größer als für die Steiermark.
Die Steiermark hat in den letzten
Jahrzehnten die Aufgabe der Erhal-
tung und Verbesserung der Was-
serqualität erfüllt. Rund 4 Milliarden
Euro an Investitionen in die Abwas-
serreinigung in den letzten 4 Jahr-
zehnten haben die Wassergüte des
Grundwassers und der Fließgewäs-
ser erheblich verbessert. Die künf-
tige Herausforderung der Städte,
aber auch der Gemeinden, wird in
der dauerhaften Erhaltung der was-       Die Herausforderung, einen universell auf öffentlichen Plätzen
serwirtschaftlichen Infrastruktur        der Steiermark einsetzbaren Trinkwasserbrunnen zu entwerfen,
liegen. Die steirischen Ballungsräu-     war für alle beteiligten eine Herausforderung. Nach den ge-
me sind für die Zukunft in puncto        strengen Blicken der Fachjury, bestehend aus Architekten,
Wasserversorgung und Abwasse-            Designern sowie honorigen Personen aus dem öffentlichen
rentsorgung gut gerüstet.“               Leben, schafften es 3 Brunnen ins letzte Stechen – dem Publi-
Und im Bereich des städtischen           kumsvoting. Mehrere tausend Steirerinnen und Steirer haben
Hochwasserschutzes?                      mit abgestimmt. In beiden Aus wahlverfahren ging das Desig-
LR S: „Für den städtischen Hoch-         nerteam motion code: blue mit ihrem „Panther-Brunnen“ als
wasserschutz, wie zum Beispiel           Sieger hervor. Als kleines Dankeschön für’s Mitvoten via Inter-
beim Einzugsgebiet der Stadt Graz,       net wurden 20 mal 200 Euro Gewinngutscheine für den eigenen
gibt es noch Handlungsbedarf. Hier       Wasserhaushalt verlost.
setzen wir etwa mit dem internatio-      Zwei der „Panther Brunnen“ wurden als neuer Steiermark-
nalen Forschungsprojekt SUFRI (=         Brunnen bereits gebaut. Die beiden Pilotbrunnen stehen in den
Nachhaltige Strategien für das           Gemeinden Ludersdorf-Wilfersdorf und St. Johann-Köppling.
Hochwasserschutzmanagement in            Der Steiermark-Brunnen soll künftig als Fixpunkt in vielen steiri-
Städten zur Beherrschung des             schen Gemeinden das Ortsbild prägen, als Kommunikationszen-
Restrisikos mit nicht-technischen        trum dienen und als Anziehungspunkt für Einheimische und
Maßnahmen, Anm. Red.) gezielte           Gäste positive Emotion und Faszination wecken. Er sollte aber
Maßnahmen und erwarten entspre-          vor allem Bewusstsein für unser qualitativ hochwertiges
chende Informationen über die An-        Wasser bilden und stärken.
wendbarkeit derartiger Prognose-
modelle sowie eine Verbesserung
des städtischen Hochwasserrisiko-
managements.“

                                                                                                         3
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...
Wassermanagement
                             für Städte
DI Johann Wiedner            Das Motto des Weltwassertages 2011 lautet „Wasser für Städte: Antwort auf urbane Heraus-
Amt der Steiermärkischen
Landesregierung
                             forderungen“, verkürzt kann es mit „Wassermanagement für Städte“ umschrieben werden.
Abteilung 19 –               Neben den aktuellen Herausforderungen soll der Blick in die Zukunft vor allem auf die stark
Wasserwirtschaft und
                             wachsenden Städte im Zeichen des Klimawandels gerichtet werden.
Abfallwirtschaft
8010 Graz, Stempfergasse 7
Tel. +43(0)316/877-2025      Die Städte und Ballungsräume der        Was bedeutet das Motto                   Es gilt im weltweiten Vergleich als
johann.wiedner@stmk.gv.at    Steiermark sind nicht vergleichbar      des Weltwassertages aber für             positiv zu bewerten, dass Trinkwas-
                                                                     Österreich und im Konkreten
                             mit den globalen Zentren. Der Welt-                                              ser aus besonders geschützten
                                                                     für die Steiermark?
                             wassertag erfordert sicherlich einen                                             Grundwasservorkommen bzw. aus
                             Blick über die regionalen Grenzen,      Stand der Städtischen Wasser-            den alpinen Regionen zugeleitet,
                             dennoch ist auch die Beschäftigung      wirtschaft in der Steiermark:            ohne Aufbereitung den Haushalten
                             mit den steirischen Städten bzw. Bal-  Die Steiermark hat insgesamt 35           zur Verfügung gestellt werden
                             lungsräumen zulässig und ange-         Städte mit Einwohnerzahlen von            kann. Diese Bereitstellung erfolgt
                             bracht.                                rund 1.000 bis 250.000 Einwohnern.        mit einem Preis von durchschnitt-
                             Der Weltwassertag geht auf eine Re- Insgesamt leben in der Steiermark            lich 1,20 - 1,80 Euro pro Kubikmeter
                             solution der Vereinten Nationen aus mehr als eine halbe Million Men-             zu Konditionen, die eine Wasser-
                             dem Jahre 1992 zurück, in der die      schen in Städten und angrenzen-           nutzung entsprechend den Erfor-
                             Staaten aufgefordert wurden, Aktivi- den Gemeinden. International wür-           dernissen und dem gewünschten
                             täten zu setzen und der Öffentlichkeit de man wohl nur dem Ballungs-             Komfort ermöglicht. Die Wasser-
                             den Wert des Wassers bewusst zu        raum Graz und Regionen ähnlich            versorgungs- und Abwasserentsor-
                             machen. Für 2011 haben die maß-        Leoben bzw. Bruck/Kapfenberg ur-          gungsinfrastruktur erfüllt in bedeu-
                             geblichen UN-Organisationen das        banen Charakter zugestehen.               tendem Ausmaß die Anforderungen
                             Motto „Water for Cities: Responding Diesen Zentralräumen aber auch               der Gesundheitsvorsorge mit einem
                             to the Urban Challenge“ festgelegt, den anderen Bezirksstädten ist ei-           hohen technischen Standard und
                                                                                                              mit zumutbaren Gebühren für die
                                                                   nes gleich, sie verfügen über eine
                                                                                                              Dienstleistung. Einer Dienstleis-
Weltweit gesehen erfolgt in zahlreichen                            umfassende hochwertige wasser-
                                                                                                              tung, die unter kommunaler Verant-
Städten ein rasanter Anstieg der Bevölke-                          wirtschaftliche Infrastruktur. Im
                                                                                                              wortung von qualitätsgesicherten
rungszahlen und wird mit Sorge auf den                             Durchschnitt werden 95 - 100 % der
                                                                                                              Organisationen effizient erbracht
Klimawandel und seine Folgen geblickt.                             Bevölkerung von öffentlichen Trink-
                                                                                                              wird.
                                                                   wasserversorgungs- und Abwas-
                             und dabei der zunehmenden Urbani- serentsorgungsanlagen erreicht.
                             sierung und den damit verbundenen
                             Herausforderungen der Wasserver-
                             sorgung und Abwasserentsorgung
                             Rechnung getragen. Bei weltweiter
                                                                                      Abb.1: Trinkwasserversorgung – eine wichtige
                             Sicht der Thematik ist zu unterschei-                    Dienstleistung für Städte
                             den zwischen dem städtischen Raum
                             entwickelter Staaten und jenem der
                             Entwicklungs- und Schwellenländer.
                             So stehen vor allem in den Entwick-
                             lungs- und Schwellenländern die hy-
                             gienisch einwandfreie Trinkwasser-
                             versorgung und der Umgang mit Ab-
                             wässern als wesentliches Element
                             der Gesundheitsvorsorge im Vorder-
                             grund. In zahlreichen Städten erfolgt
                             ein rasanter Anstieg der Bevölke-
                             rungszahlen und wird mit Sorge auf
                             den Klimawandel und seine Folgen
                             geblickt.

                      4      Wasserland Steiermark 1/2011
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...
Abb. 2: Bevölkerungsentwicklung in der Steiermark – Absolute Bevölkerungsveränderung in den Gemeinden 2009 - 2030

Neben der Ver- und Entsorgungsin-         Während in all den anderen Bezir-                       Für die Städte wird in Zukunft neben
frastruktur wurde in den letzten          ken im Allgemeinen ein Bevölke-                         dem teilweisen Neubau von Anlagen,
Jahrzehnten der Hochwasser-               rungsrückgang zu erwarten ist,                          insbesondere die Erhaltung der Systeme
schutz ausgebaut und dem Wasser           werden die Ballungsräume sowie                          in Funktion und Wert von vorrangiger
als Natur- und Erholungsraum ver-         mehrere Bezirksstädte mit den an-                       Bedeutung sein.
stärkt Bedeutung zugemessen.              grenzenden Regionen ebenfalls Zu-
Daraus lässt sich auch ableiten,          nahmen aufweisen. Es ist davon             Eine 2007 veröffentlichte Studie des
dass sich die Wohnqualität eines          auszugehen, dass mit der Bevölke-          Joanneum Research, Institut für
städtischen Raumes in der Steier-         rungszunahme die Entwicklung von           Technologie und Regionalpolitik mit
mark, aber auch in Österreich und         Siedlungs- und Wirtschaftsgebie-           dem Titel „Wasser & Wirtschaft im
weiten Teilen Europas wesentlich          ten sowie der weitere Ausbau der           Klimawandel – konkrete Ergebnisse
über eine hochwertige wasserwirt-         Verkehrsinfrastruktur eng verbun-          am Beispiel der sensiblen Region
schaftliche Infrastruktur, die zwi-       den bleiben.                               Oststeiermark“, hat aufgezeigt, wie
schenzeitlich eine Inanspruchnah-         Die Bindung der Entwicklung von            wichtig die Verfügbarkeit von Was-
me von Wasser als Natur- und Er-          Städten an die unmittelbare Verfüg-        ser für die wirtschaftliche, insbe-
holungsraum miteinschließt, defi-         barkeit von Wasser und der Bewäl-          sondere auch für die touristische
niert.                                    tigung von Wassergefahren war in           Entwicklung einer Region ist.
                                          zurückliegenden Jahrhunderten ei-          Sind die steirischen Städte
Wie entwickeln sich die
steirischen Ballungsräume?                ne wesentlich größere als sie aktu-        auf die zukünftigen Herausforde-
                                          ell ist. Obwohl mit den Mitteln der        rungen vorbereitet?
Wie im Heft 13/2010 der Landessta-        Technik die unmittelbare Abhängig-         Die zentralen Siedlungs- und Wirt-
tistik Steiermark ausgeführt, wird        keit reduziert werden konnte, ist die      schaftsräume sind grundsätzlich
die Bevölkerung in der Stadt Graz         Sicherstellung der wasserwirt-             mit einer ausreichenden Wasser-
um rund 20 % und der Raum Graz-           schaftlichen Infrastruktur für die         versorgung ausgestattet. Durch die
Umgebung um rund 30 % bis 2050            Entwicklung von Siedlungs- und             Sicherung der notwendigen Trink-
zunehmen. Das heißt, die Stadt            Wirtschaftsräumen von großer Be-           wasserresourcen teilweise auch
Graz wird dieser Prognose zufolge         deutung. Dies gilt für die Wasser-         durch Zukauf sowie durch das im
im Jahr 2050 mehr als 300.000 Ein-        versorgung, die Abwasserentsor-            letzten Jahrzehnt realisierte Was-
wohner haben, die Region Graz und         gung aber zunehmend auch für den           sernetzwerk Steiermark ist die pro-
Graz-Umgebung zusammen rund               Schutz vor wasserbedingten Gefah-          gnostizierte Entwicklung zu bewäl-
500.000 Einwohner.                        ren wie dem Hochwasser.                    tigen. Dies gilt unter der Annahme,

                                                                                                                        5
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...
Abb. 3: Die Erhaltung der abwassertechnischen Infrastruktur am Stand der Technik, eine ständige Herausforderung - Kläranlage Leibnitz

                    dass der Haushaltswasserver-                 Die vorhandene Sicherheit bedeu-            Nutzung aufgezeigt. So werden Be-
                    brauch auf dem Niveau der letzten            tet aber nicht, dass vereinzelt keine       trieben mit größeren Abwassere-
                    Jahre verbleibt und Verbrauchspro-           Engpässe für neue Betriebe mit ho-          missionen bei Einhaltung des vor-
                    gnosen für den Wasserbedarf von              hem Wasserbedarf entstehen kön-             gegebenen Gewässerzustandszie-
                    Wirtschaft und Tourismus sich                nen. Eine aktuelle Studie über „An-         les an vergleichsweise kleinen bzw.
                    nicht wesentlich verändern.                  passungsstrategien an den Klima-            belasteten Gewässern Grenzen ge-
                                                                 wandel für Österreichs Wasser-              setzt sein.
Eine besondere Herausforderung stellt
                                                                 wirtschaft“, erstellt von der Zentral-      Die technische Ausstattung der Ab-
derzeit der Schutz der Ballungsräume vor
                                                                 anstalt für Meteorologie und Geo-           wasserentsorgungssysteme ist in
wasserbedingten Gefahren dar.
                                                                 dynamik und der Technischen Uni-            den Städten über Jahrzehnte ge-
                                                                 versität Wien, im Auftrag des Bun-          wachsen und war nicht immer auf
                    Weiters ist die Sicherheit der Was-          desministeriums für Land- und               die tatsächlichen Entwicklungen
                    serversorgung auch an den ausrei-            Forstwirtschaft, Umwelt und Was-            von Siedlungs- und Wirtschaftsräu-
                    chenden Grundwasserschutz ge-                serwirtschaft – Sektion Wasser so-          men ausgerichtet. Es treten weni-
                    bunden. Der Wasserversorgungs-               wie den 9 Bundesländern, weist vor          ger Probleme beim Anschluss von
                    plan Steiermark hat für den Zeit-            allem den Südosten der Steiermark           häuslichen Abwässern an öffentli-
                    raum 2001 bis 2031 eine Steigerung           als ein Gebiet aus, in dem wasser-          che Kanalisationsanlagen auf, viel-
                    des Gesamtwasserbedarfes der öf-             wirtschaftliche Maßnahmen zu                mehr zeigen sich Grenzen, vor al-
                    fentlichen Wasserversorger von 70            überlegen sein werden. Neben dem            lem bei Mischwasserkanälen städ-
                    Mio. m³ auf 87 Mio. m³ ermittelt.            weitestgehend umgesetzten Netz-             tischer Kerngebiete und in unzurei-
                    Dieser Anstieg wird im Wesentli-             werk wird es auch darum gehen,              chenden Regenwasserkanälen
                    chen auf die wirtschaftliche Ent-            einer Übernutzung der vorhande-             bzw. Regenwasserbewirtschaf-
                    wicklung und den daraus abgeleite-           nen Ressourcen zu begegnen.                 tungsanlagen in den städtischen
                    ten zusätzlichen Bedarf zurückge-            Das „Referenzjahr“ 2003 hat ange-           Randlagen. Eine gesamthafte Be-
                    führt.                                       deutet, dass der Südosten und Os-           trachtung zur Optimierung der aktu-
                                                                 ten der Steiermark begrenzte                ellen und zukünftigen Abwasser-
                                                                 Grundwasserneubildungsraten und             und Regenwasserbewirtschaftung
                                                                 Trinkwasserressourcen haben. Das            wird für die wachsenden Ballungs-
                                                                 hat auch Auswirkungen auf die               räume erforderlich sein.
                                                                 Wasserführung der Bäche und
                                                                 Flüsse und der damit verbundenen

              6     Wasserland Steiermark 1/2011
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...
Trend Graz 1938                             Trend Graz 2000                        Trend Graz Prognose 2050

Abb. 4: Aus der Studie Lebensraum Mur – Die Entwicklung des Ballungsraums Graz – Grazerfeld von 1938 bis 2050 (freiland Umweltconsulting)

Für die Städte wird in Zukunft ne-         baut. Am Beispiel der Stadt Graz            für unsere Regionen ausweist, wird
ben dem teilweisen Neubau von              sieht man, wie schwer ein „nach-            der Hochwasserschutz eine beson-
Anlagen, insbesondere die Erhal-           träglicher“ Hochwasserschutz rea-           dere Herausforderung, vor allem
tung der Systeme in Funktion und           lisiert werden kann.                        auch der städtischen Siedlungsge-
Wert von vorrangiger Bedeutung             Mit dem Sachprogramm des Lan-               biete, noch für längere Zeit darstel-
sein. Vielfach wird das städtische         des Steiermark zur hochwassersi-            len.
bzw. kommunale Vermögen der                cheren Entwicklung von Siedlungs-
wasserwirtschaftlichen Infrastruk-                                                                 Ein gutes Wassermanagement wird in
                                           räumen wurden wichtige Vorsorge-
tur und damit die Verpflichtung zur                                                                Zukunft noch mehr als bisher die Lebens-
                                           maßnahmen für die Flächenwid-
Erhaltung zu wenig wahrgenom-                                                                      qualität urbaner Räume mitbestimmen.
                                           mung bzw. Baulandausweisung ge-
men. Die Rahmenbedingungen der             setzt. Für den städtischen Bereich
Städte bzw. der wachsenden Ge-             jedoch vielfach zu spät und für die         Das Beispiel des Ballungsraumes
meinden der Ballungsräume sollten          wachsenden Regionen ein ständi-             Graz und Graz-Umgebung zeigt,
mit den Gebührenaufkommen eine             ges Ringen um Flächen und Abwä-             dass durch das Zusammenwach-
den zukünftigen Anforderungen              gen von öffentlichen Interessen.            sen von Siedlungsräumen in Zu-
entsprechende Bereitstellung der                                                       kunft noch verstärkt die Gewässer-
                                           Mit technischem Hochwasser-
Wasserversorgungs- und Abwas-                                                          läufe wichtige Funktionen als Na-
                                           schutz lässt sich vieles an Schutz
serentsorgungsinfrastruktur ermög-                                                     tur- und Erholungsraum überneh-
                                           herstellen, es wird aber in Zukunft
lichen.                                                                                men werden. Eine 2005 präsentierte
                                           auch verstärkt darum gehen, mit
                                           Hochwassergefahren zu leben und             Studie zum Lebensraum Mur
Sicherheit in der Steiermark
                                           richtig umzugehen. Die EU-Hoch-             (spaceunit network und freiland
Eine besondere Herausforderung                                                         Umweltconsulting im Auftrag der
                                           wasserrichtlinie weist hierzu den
stellt derzeit der Schutz der Bal-                                                     Abteilung 16 des Amtes der Steier-
                                           Weg mit der Erstellung von Hoch-
lungsräume vor wasserbedingten                                                         märkischen Landesregierung –
                                           wasserrisikomanagementplänen
Gefahren dar. In den letzten Jahr-                                                     Landes- und Gemeindeentwick-
                                           bis 2015.
zehnten wurden große Flächen ver-                                                      lung) hat hier bereits umfassende
siegelt und Retentions- und Ab-            Auch wenn die bereits erwähnte
                                                                                       Überlegungen zur Entwicklung die-
flussräume von Gewässern ver-              Klimastudie über Anpassungsstra-
                                                                                       ses Raumes unter Einbindung der
                                           tegien der Wasserwirtschaft keine
                                                                                       Mur bzw. der angrenzenden Flä-
                                           Verstärkung der Hochwasserge-
                                                                                       chen dargestellt.
                                           fährdung durch den Klimawandel

                                                                                                                             7
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2011 - Wasserwirtschaft ...
Wasser in der Stadt
Univ.-Prof. DI DDr.             Die Entwicklungen auf unserer Erde in den letzten Jahren haben an Dynamik deutlich
Harald Kainz
TU Graz
                                zugenommen. Das Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern ist nach wie vor
Institut für Siedlungs-         ungebrochen. Heuer im Sommer werden mehr als 7 Milliarden Menschen unseren Planeten
wasserwirtschaft und
                                bevölkern. Durch die Konzentration der Bevölkerung in den großen städtischen Zentren
Landschaftswasserbau
8010 Graz, Stremayrgasse 10/I   explodieren diese Megacities regelrecht. Die Politik und Verwaltung ist aus wirtschaftlichen,
Tel. +43(0)316/873-6030         organisatorischen und gesellschaftlichen Gründen oft nicht in der Lage die erforderliche
kainz@sww.tugraz.at
                                Infrastruktur zu errichten und zu betreiben.

                                Die Vereinten Nationen haben für            die sich als breiter Gürtel um die        Dr. Munala hat ein Modell erstellt,
                                den Weltwassertag 2011 das Motto            Ballungsräume schließen, in denen         in dem viele kleine, demokratisch
                                „Water for Cities: Responding to            eine unzureichende und für die Be-        organisierte Einheiten, vergleichbar
                                the Urban Challenge“ ausgerufen.            völkerung oft nicht bezahlbare Ver-       mit unseren Genossenschaften, ge-
                                Damit wird auf die weltweit rasche          sorgung mit Trinkwasser und nur           bildet werden, die die technische
                                Zunahme der Stadtbevölkerung und            punktuell eine Entsorgung der Ab-         und wirtschaftliche Verantwortung
                                die sich daraus ergebenden Prob-            wässer vorhanden ist.                     für kleine Netze übernehmen. Die
                                leme für die Wasserver- und Ab-                                                       Kommune errichtet und betreibt ein
                                wasserentsorgung hingewiesen.               Modelle zur Versorgung                    übergeordnetes Verteilnetz und
                                                                            und Entsorgung von Informal
                                                                            Settlements in Kenia                      verkauft kostendeckend an diese
                                                                                                                      lokalen Organisationen. Die Investi-
                                                                            Dr. Gerryshom Munala, ein Assis-          tionen in die Verteilnetze sind durch
                                                                            tent der Jomo Kenyatta University         die Regierung, die Kommune und
                                                                            of Agriculture and Technology Nai-        internationale Organisationen vor-
                                                                            robi, hat bei uns seine Dissertation      zufinanzieren. Der Betrieb, die lau-
                                                                            über Modelle zur Versorgung und           fende Rehabilitation und auch die
                                                                            Entsorgung von Informal Settle-           Rückzahlung von Krediten kann
                                                                            ments in Kenia am Beispiel der            über die Wassergebühren in den
                                Abb. 1: Frauen transportieren Trinkwasser   Stadt Kisumu am Viktoriasee er-           lokalen Organisationen sicherge-
                                in 20 l Kanistern von den Abgabestellen     stellt. Die eingesetzte Technik, die      stellt werden.
                                über große Entfernungen (täglicher          organisatorische Umsetzung und
                                Bedarf einer Familie 50 l bis 100 l)
                                                                                                                      Die Umsetzung dieses Praxisversu-
                                                                            die Finanzierung der Wasserinfra-         ches für die ersten Bereiche läuft
                                                                            struktur in diesen Vorstädten muss        an. Es ist eine gewaltige Herausfor-
                                Gleichzeitig kommt es durch Bau-            auf die kulturellen, sozialen, finanzi-   derung solche Modelle organisato-
                                maßnahmen in den Städten zu ei-             ellen und technischen Möglichkei-         risch, rechtlich und wirtschaftlich
                                ner zunehmenden Versiegelung der            ten dieser Länder und Bereiche ab-        auf die Beine zu stellen. Der Aus-
                                Flächen. Der Anteil des abfließen-          gestimmt werden (Abb. 1).                 bau der Infrastruktur ist auch ein
                                den Niederschlagswassers nimmt                                                        Wettlauf mit der Zeit, da die Infor-
                                                                            Die Ergebnisse der soziologischen
                                zu und Starkniederschläge führen                                                      mal Settlements in Kisumu jährlich
                                                                            Erhebungen von Dr. Munala zeigen,
                                häufiger zu Überflutungen. Ver-                                                       um 20.000 bis 30.000 Einwohner
                                                                            dass die Kosten für einen Liter
                                stärkt wird dieser Effekt durch die                                                   wachsen.
                                                                            Wasser in den Informal Settlements
                                Klimaerwärmung, die langfristig hö-
                                                                            von Kisumu stark von der jahres-
                                here Extremniederschlagsereignis-
                                                                            zeitlichen Verfügbarkeit von Was-
                                se ermöglicht.
                                                                            ser abhängen und ein Mehrfaches
                                Diese vielfältigen Fragestellungen          der Kosten in Mitteleuropa betra-
                                habe ich bei meiner Berufung vor            gen. Etwa 20 % des Familienein-
                                10 Jahren in den Mittelpunkt der            kommens von 1 bis 2 Euro pro Tag
                                wissenschaftlichen Arbeit meines            sind für Trinkwasser aufzubringen.
                                Institutes gestellt und bei meiner          Viele Familien können sich diese
                                Antrittsvorlesung unter dem Titel           Beträge nicht leisten und konsu-
                                „Wasser in der Stadt“ präsentiert.          mieren verunreinigtes Wasser
                                                                            (Abb. 2). Die Folge sind jährlich al-
                                                                                                                      Abb. 2: Jugendliche entnehmen Wasser
                                Die Konsequenzen sind rasch                 lein in Kisumu tausende Tote durch        aus verseuchten Brunnen in den Informal
                                wachsende „Informal Settlements“,           Krankheiten.                              Settlements und verkaufen es

                       8        Wasserland Steiermark 1/2011
Herausforderungen in Österreich
In Österreich besitzen wir hervorra-
gende wasserwirtschaftliche Rah-
menbedingungen und eine sehr gu-
te Wasserinfrastruktur. Trotzdem
kommen auf uns vielfältige Heraus-
                                        Abb. 3: Rohrschaden und Reparatur mit einer Rohrschelle
forderungen zu.                         (Fotos: Wiener Wasserwerke)
Unsere Wasserversorgungsnetze
und Kanäle wurden in den letzten
150 Jahren, der Großteil nach dem
2. Weltkrieg, erstellt und damit gute
hygienische Bedingungen für die
Bevölkerung geschaffen. In Öster-
reich wurden über 30 Milliarden
Euro, das sind etwa 4.000 Euro pro
Einwohner, in diese Wasserinfra-
struktur investiert.
Bei Nutzungsdauern von 50 bis 100
Jahren erreichen diese Netze nun
die Grenze ihrer technischen Le-
bensdauer (Abb. 3). Die Sicherstel-
lung des Wertes und der Funktion
der Wasserversorgungsnetze und
Entwässerungssysteme ist daher
neben dem Schutz der Wasserres-
sourcen und der Reinhaltung der
Gewässer die wesentliche Heraus-
forderung der Siedlungswasser-
wirtschaft für die kommenden Jahr-                      Abb. 4: Auswertung der Schäden von Graugussleitungen mit Durchmesser < 250 mm
zehnte.                                                 (Verlegejahr 1910 bis 1945) zur Ermittlung der Ausfallsraten
Seit über 10 Jahren arbeitet am In-
stitut für Siedlungswasserwirt-         auf die Rohrleitungen bewerten zu            (Abb. 6) können in Verbindung mit
schaft und Landschaftswasserbau         können.                                      akustischen Verfahren Schäden
der Technischen Universität Graz                                                     und Schadensentwicklungen sehr
                                        Diese Methodik ist in das Software-
eine Forschungsgruppe unter der                                                      gut dokumentiert, verfolgt und re-
                                        paket „Pipe Rehabilitation Manage-
Leitung von Univ.-Prof. Dr. Peter                                                    pariert werden.
                                        ment“ (PIREM) eingeflossen, das
Kauch und Dr. Daniela Fuchs-Ha-
                                        laufend erweitert und verfeinert             Alle Erhebungen sind in einem An-
nusch an Methoden zur Analyse
                                        wird. Wir sind stolz, dass unser             lagenbewertungsmodell zusam-
der Restlebensdauer von Rohrlei-
                                        Verfahren inzwischen von mehre-              menzuführen. Nur anhand gesi-
tungen. Aufbauend auf vergleich-
                                        ren großen Städten wie Wien, Ber-            cherter Daten über den Netzzu-
baren Gruppen von Rohrleitungen
                                        lin, Linz, Salzburg und Graz einge-          stand können der Betrieb und die
(Durchmesser, Material und Verle-
                                        setzt wird.                                  Rehabilitation eines Versorgungs-
gejahr (Abb. 4)) und Schadensana-
                                                                                     netzes wirtschaftlich optimiert er-
lysen über mehrere Jahrzehnte           Ergänzt wird die Bewertung des Zu-
                                                                                     folgen.
können Prognosen über die Scha-         standes und der Restlebensdauer
densentwicklung (Abb. 5) von Lei-       von Wasserversorgungsnetzen                  In der österreichischen Wasserver-
tungsabschnitten und den tech-          durch ein gezieltes Wasserverlust-           sorgungswirtschaft werden daher
nisch und wirtschaftlich optimalen      management, mit dem Schäden und              seit 8 Jahren Kennzahlenvergleiche
Rehabilitationszeitpunkt getroffen      Systemmängel rasch und gezielt er-           durchgeführt, um den Zustand und
werden. Zusätzlich laufen wissen-       hoben werden können. Durch die               Betrieb der Netze anhand objekti-
schaftliche Projekte, um zukünftig      Abgrenzung und Bilanzierung von              vierter Werte beurteilen zu können.
auch die Auswirkungen des Bo-           Messzonen und die Beobachtung                Die Qualität der Prozessabläufe bei
dens und der Verkehrsbelastungen        der nächtlichen Verbrauchsminima             den Versorgern wird verglichen

                                                                                                                         9
Während der Ausbau der Wasser-          vor Ableitung einer Vorreinigung
                                                                                  versorgungsnetze praktisch abge-        (z. B. Sedimentationsbecken oder
                                                                                  schlossen ist und durch den eher        Abscheider) zu unterziehen.
                                                                                  rückläufigen Wasserverbrauch kein       Kläranlagen sind heute für städti-
                                                                                  großer Ausbaubedarf mehr gege-          sche Kanalnetze flächendeckend
                                                                                  ben ist, besteht im Bereich der Ka-     vorhanden. Sie eliminieren die bio-
                                                                                  nalisationsnetze noch Erweite-          logisch abbaubaren Verunreinigun-
                                                                                  rungs- und Anpassungsbedarf. Zum        gen mit einem Wirkungsgrad von
                                                                                  einen sind einige ländliche Berei-      über 95 % und weitgehend auch die
                                                                                  che noch nicht flächendeckend mit       Nährstoffe Phosphor und Stickstoff.
                                                                                  Kanälen und Kläranlagen erschlos-       Die größte Belastung für unsere
                                                                                  sen und zum anderen sind die städ-      Gewässer aus dem städtischen
                                                                                  tischen Entwässerungssysteme in         Entwässerungssystem kommt nun
                                                                                  Bezug auf die Niederschlagswas-         aus den Mischwasserentlastungs-
Abb. 5: Überflutung durch Bruch einer großen Versorgungsleitung                   ser- und die Mischwasserbewirt-
(Foto: Wiener Wasserwerke)
                                                                                                                          bauwerken der Kanäle bei Regen-
                                                                                  schaftung noch an den Stand der         ereignissen. Aus hydraulischen
                                                                                  Technik anzupassen.                     Gründen kann nicht das gesamte
                                     und positive Erfahrungen innerhalb           Stand der Technik sind sogenannte       bei Starkregen über die Kanäle ge-
                                     der Branche werden weitergege-               modifizierte Entwässerungssyste-        sammelte Abwasser der Kläranlage
                                     ben („Lernen vom Besten“).                   me. Ziel dieser Systeme ist es, nicht   zugeführt werden. Ein Teil des
                                     In ähnlicher Weise gilt es die Ent-          oder nur gering verunreinigtes Nie-     durch Niederschlagswasser ver-
                                     wässerungssysteme instand zu hal-            derschlagswasser (Abb. 7) von den       dünnten Abwassers wird als
                                     ten und an die aktuellen techni-             Kanälen möglichst fernzuhalten und      Mischwasser in unsere Bäche und
                                     schen und rechtlichen Anforderun-            auf kurzem Wege in den natürli-         Flüsse abgeworfen.
                                     gen anzupassen. Entwässerungs-               chen Wasserkreislauf zurückzufüh-
                                                                                                                          Durch die Errichtung großer Spei-
                                                                                                                          chervolumina im Kanalnetz und von
                                                                                                                          Mischwasserbecken vor der Klär-
                                                                                                                          anlage werden in Zukunft die Men-
                                                                                       Anstieg der Einspeisemen-
                                                                                       ge durch Zunahme nicht             ge dieses in die Gewässer abge-
                                                                                       gemeldeter, detektierbarer         worfenen Mischwassers und die
                                                  gemeldete Leckage                    Leckagen (Rate of Rise)            Belastung der Gewässer deutlich
                                                                                                                          reduziert. Bei durchschnittlichen
                                                                                                                          Regenereignissen kann dann das
                                                                                                                          gesamte Abwasser zurückgehalten
                                                                                                                          und nach dem Regen der Kläranla-
                                                                                                                          ge zugeführt werden. Zukünftig darf
                                                                                                                          nur bei wenigen Regenereignissen
                                                                                                                          im Jahr Mischwasser in die Ge-
                             geringste Einspeisemenge nach erfolgter Leckortung                                           wässer ausgeleitet werden.
                             und Reparatur aller gefundenen Leckagen
                                                                                                                          Durch den in den neuen techni-
                             Abb. 6: Messung der Nachteinspeisemenge zur Erkennung von Leckagen
                                                                                                                          schen Richtlinien (ÖWAV Regelblatt
                                                                                                                          19, 2007) festgelegten Mindestwir-
                                   systeme besitzen den Vorteil, dass             ren. Niederschlagswasser von            kungsgrad der Weiterleitung von im
                                   das Kanalnetz im Regelfall nicht un-           Dachflächen und gering verunrei-        Wasser gelösten Verunreinigungen
                                   ter Druck steht und auf Grund der              nigte Wässer von Vorplätzen sollen      und von Feststoffen, wird die Rest-
                                   großen Durchmesser begangen                    möglichst versickert werden. Bei        belastung soweit gesenkt, dass un-
                                   oder zumindest mit Kamerarobotern              undurchlässigem Untergrund sind         sere Gewässer durch ihre Selbst-
                                   befahren werden kann.                          diese Wässer in Zisternen zwi-          reinigungskraft diese Verunreini-
                                                                                  schen zu speichern und nach den         gungen problemlos abbauen kön-
                                   Nach der Reinigung des Kanals ist              Regenereignissen langsam in die         nen.
                                   eine detaillierte Schadenserhebung             Oberflächengewässer einzuleiten
                                                                                                                          Die Forschungsgruppe Nieder-
                                   mit Videokamera und Zustandsbe-                bzw. zur Gartenbewässerung zu
                                                                                                                          schlags- und Mischwasserbewirt-
                                   wertung möglich. Daraus abgeleitet             nutzen.
                                                                                                                          schaftung an meinem Institut unter
                                   werden Prioritätenlisten mit den er-           Bei Bedarf sind diese Nieder-           Leitung von Dr. Günter Gruber stellt
                                   forderlichen Reparatur-, Instand-              schlagswässer vor der Versicke-         sich seit 10 Jahren der Herausfor-
                                   setzungs- bzw. Erneuerungsmaß-                 rung einer Reinigung (z. B. durch       derung, ökologisch und wirtschaft-
                                   nahmen.                                        Passage eines Bodenfilters) und         lich optimale Ansätze und Systeme

                       10            Wasserland Steiermark 1/2011
Abb. 7: Parkplatzentwässerung über Rasenmulden (Foto: G. Gruber)                 Abb. 8: Überflutung der B 73 im Bereich
                                                                                 der A2-Unterquerung (Foto: Nussbaum)

zur Planung und Gestaltung der er-         versiegelten Flächen. Trotz Bemü-     den in Wohnhäusern und Betrieben
forderlichen Bauwerke zu finden.           hungen um die Versickerung und        zu überlagern. Die Stadt Graz be-
Dafür werden mit hydrologischen            den Rückhalt der Niederschlags-       sitzt mehrere Bereiche in denen
und hydrodynamischen Simulati-             wässer nimmt der Abfluss in unse-     Überflutungsereignisse regelmäßig
onsprogrammen die gesamten Ka-             ren Entwässerungssystemen zu.         auftreten.
nalnetze nachgebildet und die un-          Immer häufiger werden die Ka-         Die wasserwirtschaftlichen Syste-
terschiedlichsten Ausbauvarianten          nalsysteme daher hydraulisch          me in unseren Städten haben ge-
untersucht. Besondere Kompetenz            überlastet. Der Kanal staut zurück    waltige Investitionen zur Errichtung
besitzen wir in der Online–Messung         und das Niederschlagswasser kann      erfordert und verursachen sehr ho-
der Abwasserverunreinigungen, bei          nicht mehr vollständig über den Ka-   he Kosten für den Betrieb, den Er-
der über bestimmte Sonden in Mi-           nal abgeleitet werden. Im ungüns-     halt der Funktion und den Ausbau
nutenabständen Parameter zur Ab-           tigsten Fall tritt Abwasser aus den   dieser Wasserinfrastrukturanlagen.
schätzung der Verunreinigung di-           Kanalnetzen aus und überflutet Kel-   Über 100 Jahre haben wir an der
rekt im Abwasserstrom gemessen             ler, Industriehallen und Straßen.     Errichtung der heute genutzten An-
werden.                                                                          lagen sowie deren Anpassung an
                                           Überlagert wird dieses Problem        den Stand der Technik gebaut. An-
Diese hochauflösende Messung
                                           durch vermehrte Überflutungen von     passungen des Systems, wie z. B.
der Abwasserverunreinigungen er-
                                           Bächen mit städtischem Einzugsge-     eine weitgehende Niederschlags-
laubt es, die Steuerung des Ka-
                                           biet. Die zunehmende Bebauung in      wasser- und Mischwasserbewirt-
nalsystems nicht nur nach den
                                           den Randzonen der Städte ohne         schaftung, und auch die Rehabilita-
Wassermengen sondern auch nach
                                           ausreichende Niederschlagswas-        tion der Anlagen benötigen auf
den tatsächlichen Schmutzfrachten
                                           serbewirtschaftung erhöht den         Dauer große Anstrengungen.
zu optimieren. Bei gleichem Investi-
                                           Hochwasserabfluss in diesen Bä-
tionsaufwand werden dadurch die                                                  Der Weltwassertag mit dem Motto
                                           chen signifikant. Meist fehlen aus-
Gewässer besser geschützt und                                                    „Water for Cities: Responding to
                                           reichende Flächen zur Retention
mehr Schmutzfracht den Abwas-                                                    the Urban Challenge“ ist daher ein
                                           dieser Hochwasserspitzen. Dazu
serreinigungsanlagen zugeführt.                                                  gegebener Anlass die politischen
                                           kommt, dass kleine Gräben und Bä-
                                                                                 Entscheidungsträger aufzufordern,
Aqua Urbanica                              che teilweise über die Kanalisati-
                                                                                 die strategischen Vorgaben für den
                                           onssysteme abgeleitet werden. Die
Gemeinsam mit der ETH (Eidgenös-                                                 Erhalt der Wasserinfrastruktur so-
                                           Abflussereignisse in den Bächen
sische Technische Hochschule) Zü-                                                wie die Anpassung der Funktion
                                           und Kanalnetzen überlagern und
rich, der Technischen Universität                                                durch langfristig ausreichende
                                           verstärken sich so gegenseitig und
Kaiserslautern und der Universität                                               Budgets sicherzustellen.
                                           führen zu großflächigen Überflu-
Innsbruck veranstalten wir mit der
                                           tungsereignissen und Schäden.
„Aqua Urbanica“ von 1. bis 3. Mai
2011 in Graz erstmalig eine große          Die Abflussverhältnisse in städti-     Versäumnisse in wasser-
internationale Tagung zum Thema            schen Bächen und Entwässerungs-        wirtschaftlichen Planungen und
Niederschlagswasser- und Misch-            systemen sind daher gemeinsam zu       Investitionen von heute muss
wasserbewirtschaftung.                     betrachten. Zur Abschätzung des        die Gesellschaft in der Zukunft
Die ständige Zunahme der Bebau-            Hochwasser- und Überflutungsrisi-      doppelt bezahlen.
ung in unseren Städten führt zu ei-        kos (Abb. 8) sind die möglichen
ner laufenden Vergrößerung der             Szenarien mit den möglichen Schä-

                                                                                                                      11
Der Andritzbach –
                              eine große Chance für eine nachhaltige
                              Gewässerentwicklung im städtischen Bereich
Dipl.-HTL-Ing. Dietmar        Der Andritzbach ist aktuell Gegenstand umfassender Hochwasserschutzprojekte.
Lautscham                     Daneben wird jedoch auch versucht, eine ökologisch orientierte Entwicklung des
Amt der Steiermärkischen
Landesregierung               Bachlaufes zu verfolgen.
FA19B - Schutzwasser-
wirtschaft und
Bodenwasserhaushalt           Wortgeschichtlich leitet sich der      An der Grenze zwischen der Ge-         Für die Mittelwasserführung ent-
8010 Graz, Stempfergasse 7
                              Name Andritz vom altslawischen         meinde Stattegg und der Stadt Graz     scheidend ist die Karstquelle des
Tel. +43(0)316/877-3177
dietmar.lauscham@stmk.gv.at   „jendru“, das bedeutet stark,          (Bach-km 3,86) hat sich bereits eine   Andritz-Ursprungs, deren Wasser
                              schnell („jenritza“ = rasch fließen-   deutliche Talsohle ausgebildet. Im     wenige 100 m nördlich der Stadt-
                              der Bach), ab.                         engeren Stadtgebiet führt das Bett     grenze in den Andritzbach gelangt.
                              Der Andritzbach entspringt im nörd-    des Andritzbaches entlang der          Sie ist dafür ausschlaggebend,
                              lichen Grazer Bergland zwischen        Stattegger Straße, durch das Ge-       dass der Andritzbach – in starkem
                              der Rannach und dem Schöckel. Im       lände der Maschinenfabrik Andritz,     Gegensatz zum Schöckelbach – ein
                              Oberlauf in der Gemeinde Stattegg      entlang der Max-Kraft-Gasse und        gesichertes Wasserkontinuum be-
                              wird er auch Statteggerbach ge-        mündet „offen“ beim Wasserwerk         sitzt.
                              nannt.                                 Graz-Andritz linksufrig in den Mur-    Bachabwärts der Maschinenfabrik
                                                                     fluss.                                 Andritz wird nahe der Max-Kraft-
                                 Daten:                                                                     Gasse über eine Wehranlage, Was-
                                 Hauptfließrichtung:                    Hydrologische Kenndaten             ser des Andritzbaches für die
                                 von Nord nach Süd                      (Profil: Mündung in die Mur):       Grundwasseranreicherung im Was-
                                 Wasserscheide (höchster                AE = 18,51 km2                      serwerk Nord entnommen.
                                 Punkt): 1.049 m (Erhardhöhe)           HQ30 = 26 m3/s
                                 Mündung in die Mur: 350 m              HQ100 = 41 m3/s
                                 Gesamtlänge: 8,8 km

Abb. 1: Übersicht - Bäche
im Grazer Stadtbezirk
Andritz (Einzugsgebiete)

                                                                                                                    1. Falkenbach

                                                                                                                    2. Gabriachbach

                                                                                                                    3. Andritzbach

                                                                                                                    4. Schöckelbach

                                                                                                                    5. Stufenbach

                   12         Wasserland Steiermark 1/2011
Hochwasser-
Abflussuntersuchung 1997
Eine im Jahr 1997 von DI Dr. Bern-
hard Sackl durchgeführte Abfluss-
untersuchung über eine Ab-
schnittslänge innerhalb der Stadt
Graz von 3,9 km, hat für den HQ100-
Abfluss etwas mehr als 300 gefähr-
dete Objekte ausgewiesen.
Aufbauend auf diese Abflussunter-
suchung wurde 2001 von DI Dieter
Kremmel ein Maßnahmenvorschlag         Abb. 2: Andritzer Reichsstraße (Maschinenfabrik Andritz), Hochwasser 1975 (Foto: Dr. Ludwig Koban)
mit Prioritätenreihung erarbeitet.

Sachprogramm
„Grazer Bäche“ 2006
Das 2006 fertig gestellte Programm,
erstellt von DI Reinhard Burkelz
hatte zum Ziel, einen Schutz der ge-
fährdeten Siedlungsräume und Inf-
rastruktureinrichtungen bis HQ100 zu
erreichen.

Das Hochwasserschutzkonzept
sieht folgende Maßnahmen vor:
O Ober- und Mittellauf: Errichtung
  von zwei Hochwasserrückhalte-
  becken in der Gemeinde Stat-
  tegg (Andritz- und Höllbach, bei-
  de Standorte befinden sich im
  Kompetenzbereich des Forst-
  technischen Dienstes für Wild-
  bach- und Lawinenverbauung).
  Mit diesen beiden Hochwasser-        Abb. 3: Stattegger Straße, Hochwasser am 21. August 2005 (Foto: FF Andritz AG)
  rückhaltemaßnahmen kann im
  Bereich der Mündung in die Mur
  das HQ100 von 41 m3/s auf 27 m3/s
  reduziert werden.                    Hier bietet sich einzigartig inner-            rung des Andritzbaches von seiner
                                       halb des Grazer Stadtgebietes die              damaligen Einmündung in den
O Mittel- und Unterlauf (Kompe-
                                       große Möglichkeit an, einen vor                Mühlgang bis zur geplanten Mün-
  tenzbereich der Bundeswasser-
                                       Jahrzehnten hart regulierten Bach              dung in die Mur südlich des Was-
  bauverwaltung): Anpassung des
                                       nach den aktuellen Anforderungen               serwerkes Nord.
  Bachbettes (Aufweitungen bzw.
                                       des Wasserbaus umzugestalten.
  Erhöhung der Uferborde in Form                                                      Um die Leistungsfähigkeit des And-
  von Schüttungen und Mauern)          Bereits in den Siebzigerjahren gab             ritzer Wasserwerkes zu erhalten,
  an die reduzierten Hochwasser-       es im Bereich der Mündungsstre-                wurde 1977 die Wasserentnahme
  Abflussspitzen.                      cke des Andritzbaches eine Viel-               aus dem Andritzbach von 250 l/s auf
                                       zahl von gewässerrelevanten Akti-              480 l/s erhöht. Gegen diese erhöhte
Entwicklung und Projekte               vitäten. So verfolgte 1972 das Regu-           Wasserentnahme aus dem Andritz-
am Andritzbach
                                       lierungsprojekt „Neue Mündungs-                bach hat das Stadtplanungsamt
Das Hochwasserschutzprojekt An-        strecke“ die Absicht, den durch das            Graz Einspruch erhoben, weil man
dritzbach reicht von der Mündung       Stadtgebiet fließenden linken Mühl-            befürchtete, dass damit die Durch-
in die Mur (km 0,0) bis zur Querung    gang, aus Raumordnungsgründen                  führung der Reaktivierung des
der B67a Grazer Ring-Straße/Wein-      aufzulassen. Dieser Regulierungs-              Mühlgangverlaufes (Grünzone mit
zöttlstraße (km 0,8).                  entwurf behandelte die Verlänge-               Wasserführung) in Frage gestellt

                                                                                                                            13
Abb. 4: Übersichtslageplan Mündungsbereich Andritzbach-Mur - „Bestand“

     wird. Wegen Geringfügigkeit wurde         Mühlkanal und Mur befindlichen       chen noch heute. Diese Anlage soll
     dieser Einspruch abgewiesen.              Überflutungsanlage bewilligt. Die    im Rahmen des Hochwasserschutz-
                                               Beschickung dieser Überflutungs-     projektes neu errichtet und mit inte-
     Zuvor wurde im Jahr 1942 „zum
                                               becken soll statt aus dem Mühl-      grierter Fischwanderhilfe ausge-
     Zwecke der zeitweilig außerordent-
                                               gang vom Andritzbach her erfolgen    stattet werden.
     lich schwer fühlbar machenden
     Wasserknappheit“ den Stadtwer-            und wird zu diesem Behufe 150 m
     ken Graz die Errichtung einer künst-      bachabwärts, der im Zuge der And-
                                                                                    Linksseitiger Mühlgang
     lichen Grundwasseranreicherungs-          ritzer Reichsstraße gelegenen Brü-
     anlage unter Ausnützung der be-           cke, ein Stauwehr mit automatisch    Der linksseitige Mühlgang zweigte
     reits bestehenden Überflutungsbe-         wirkender Klappe eingebaut. Diese    beim Weinzödl-Wehr von der Mur
     cken sowie der alten, zwischen            Wehranlage besteht im Wesentli-      ab und floss bei der Keplerbrücke

     Abb. 5: Bauform („Transportstrecke“)
     im Projekt 1972

14   Wasserland Steiermark 1/2011
Abb. 6: Verlauf des linksseitigen Mühlganges zwischen dem Weinzödl-Wehr und der Einmündung des Andritzbaches (Jüngeres Mühlen-Konsortium, Übersichtskarte 1901)

wieder in diese zurück. Die histori-
sche Bedeutung lag in seiner Funk-
tion als Energiespender für viele
Gewerbe- und Industriebetriebe.
Die Einstellung zahlreicher Betrie-
be ließen in den Siebzigerjahren
beim Eigentümer, dem Jüngeren
linksseitigen Mühlenkonsortium,
die Auflassungsabsicht mit Zu-
schüttung reifen. 1977 hat das Pla-
nungsamt der Stadt Graz eine Stu-
die erstellen lassen (DI Hubert
Rieß), die ermitteln sollte, welche
Chance eine Revitalisierung dieses
jahrhundertealten Gerinnes für den
                                               Abb. 7: Mühlgang-Studie 1977, Titelseite
Stadtbewohner darstellt – (vorran-
gig Freiraum für den Menschen zu-
rückgewinnen). Wegen der
schlechten Wasserqualität sollte
nicht mehr die Mur, sondern der
Andritz- und der Schöckelbach als
Wasserspender dienen. Im Nahbe-
reich der beiden Mündungsstellen
sollten Hochwasserüberleitungen
in die Mur errichtet werden.
Die vorgelegte Mühlgang-Studie
konnte leider nicht überzeugen.
Das Bett des linksseitigen Mühl-
ganges wurde in den Folgejahren
zugeschüttet und über weite Stre-
cken ein, von Baumbewuchs be-
gleiteter Geh- und Radweg aufge-
setzt. Zur gleichen Zeit wurde die
weitere Mündungsstrecke des An-                Abb. 8: Mühlgang-Studie 1977, Lageplanausschnitt „Andritzbach“

                                                                                                                                      15
Abb. 9: Andritzbach-Ausbau im Jahr 1979: Geometrisches, monotones                   Abb. 10: Mündungsbereich des Andritzbaches im Jahre 2008 – sollte
Regulierungsprofil mit Maisanbau ab der Uferoberkante                               eigentlich „Müllbach“ heißen!

                          dritzbaches entsprechend dem Pro-           Stein-Beton-Bauweise hergestellt.           Ziele des Projektes
                          jekt 1972 ausgebaut.                        Die Sohlbreite und die Böschungs-
                                                                                                                  O Schaffung eines ausreichenden
                                                                      neigungen sind vereinheitlicht. Infol-
                          Aktuelles Projekt                                                                         Hochwasserabflussprofiles
                          „Andritzbach 2010“                          ge der bruchsteingesicherten Sohle
                                                                      sind die Untergrundkontaktmöglich-          O Bestandserhaltung der Brücke
                          Auf dem rund 800 m langen Ab-               keiten stark eingeschränkt. An den            Wasserwerkgasse, der Haupt-
                          schnitt muss der Bach einen Hö-             bestehenden Steinsicherungen zei-             wasserleitungsquerung, der
                          henunterschied von rund 8 m über-           gen sich nur vereinzelt Schäden. Die          Steuerungsleitung KW Weinzöttl
                          winden. Aufbauend auf einem ein-            gewässerökologische Beurteilung               sowie der Hochspannungslei-
                          heitlichen Sohlgefälle von 0,5 % hat        bewertet den Bach als stark beein-            tungen (Gittermasten)
                          man unmittelbar bachabwärts der             trächtigt bis naturfern, vor allem we-      O Orientierung am ursprünglichen
                          Brücke Wasserwerk-Gasse (ur-                gen unpassierbarer Querbauwerke.              Flusstyp (gewunden), Herstel-
                          sprünglich Weinzöttlstraße) eine                                                          lung des Fließgewässerkontinu-
                          1:5 geneigte Sohlrampe (h = 3 m =                                                         ums, Schaffung von flusstypi-
                          glatte Schussrinne) und an der                                                            schen Gewässerbettstrukturen
                          Mündung einen 1,5 m hohen Sohl-                                                           und Initiierung natürlicher Struk-
                          absturz eingefügt. Beide sind in                                                          turelemente (Dynamisierung)

                            Abb. 11: „Projekt Andritzbach 2010“ – Lageplan (freiland ZT-GmbH)

                16        Wasserland Steiermark 1/2011
Abb. 12: „Projekt Andritzbach 2010“, Beispiel - Bachprofil (freiland ZT-GmbH)

O Linienführung: pendelnd bis ge-
  wunden (Laufverlängerung um                „Die beschriebene Zielsetzung des        „Mit der geplanten Baumaßnahme
  ca. 140 m = ca. 20 %)                      Projektes, die sich in einer Differen-   wird eine wertvolle Ressource im Sinne
O Bachbett: Nach Möglichkeit                 zierung der Strukturen im Land-          der Förderung der wassergebundenen
  Sohlüberbreiten (bis 10 m,                 und Wasserbereich widerspiegelt          Fauna und der Sicherung verschiedener
  Selbstgestaltung, Tiefenrinnen,            und die weitgehend der Sukzession        Wasserlebewesen geschaffen.
  Nebengerinne, Schotterbänke),              überlassenen terrestrischen              Infolge der gesicherten Wasserführung ist
  keine massive Sohlsicherung,               Bereiche entsprechen den aktuel-         davon auszugehen, dass das Gewässer
  Ufer variabel geneigt (bis 1:10),          len Erfordernissen zu Herstellung        als Laichhabitat für verschiedene in der
  Ufersicherung mittels Bruchstei-           eines stabilen autochthonen              Mur vorkommende Fischarten angenom-
  nen (Verwendung von vorhande-              Ökosystems.“                             men wird.“
  nem Material), Holzpiloten, Wur-           (Stadt Graz, Naturschutzbeauftragter)    (Landesfischereiverband)
  zelstöcken, Steckhölzern und
  standortgerechtem Bewuchs
  (teilweise Rohböden ohne Hu-                   tungsbett bzw. direkt in die Mur
  musierung und auch gehölzfreie                 abgeleitet werden. Bachauf-
  Zonen)                                         wärts der Brücke Wasserwerk-
                                                 gasse deckt sich das bestehen-
O Längenprofil: Anstelle der bei-
                                                 de mit dem neuen Sohlgefälle
  den Migrationshindernisse wer-
                                                 (Höhenfixpunkt = Hauptwasser-
  den naturnah gestaltete Bäche
                                                 leitungsquerung).
  mit sparsamer Sicherung und ei-
  nem Sohlgefälle von 1:35 ange-             O Grundbeanspruchung: Wasser-
  legt. In beiden Fällen sorgen Do-            werk Graz-Andritz – ca. 9.800 m2,
  sierbauwerke dafür, dass größe-              Republik Österreich – ca.
  re Hochwässer in ein Entlas-                 9.000 m2

                                                                                                                     17
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