RHEINSCHIENE - Mehr Raum für den Umweltverbund! Autogerecht war gestern - VCD NRW

 
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RHEINSCHIENE - Mehr Raum für den Umweltverbund! Autogerecht war gestern - VCD NRW
RHEINSCHIENE
Zeitschrift für Verkehrspolitik in der Region Köln   		   Nr. 66, Sommer 2021

      Autogerecht war gestern
             Mehr Raum
       für den Umweltverbund!
RHEINSCHIENE - Mehr Raum für den Umweltverbund! Autogerecht war gestern - VCD NRW
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                        neu

                                                                                                  Um Großes zu bewegen,
                                                                                              bedarf es nicht immer eines
                                                                                      Sattelschleppers. Besinnen wir uns
                                                                                  auf die einfachen wie bewährten Lösun-
                                                                        gen, die es schon gibt. Beispiel Transportfahrrad:
                                                                  Bringt uns und unsere Siebensachen komfortabel und
                                                        sicher durch die Stadt und gibt es zunehmend auch mit Elektro-
                                     unterstützung. Das schont nicht nur unseren Lebensraum, sondern hält uns auch
                   fit für noch Größeres. Warten wir nicht auf zäh fließende Verkehrskonzepte der Stadtverwaltung –
fangen wir mit der Gestaltung unserer Stadt selbst an. Ja, wir alle können Großes bewegen. Wir haben das Zeug dazu!

                                      Ihre Kölner VSF-Mobilitätsberater

 Sechzigstr. 6 · 50733 Köln                     Weyertal 18 · 50937 Köln               Bonner Str. 53-63 · 50677 Köln
        Tel. 0221-73 46 40                           Tel. 0221- 44 76 46                            Tel. 0221-32 80 75
        www.radlager.de                         www.aufdraht-koeln.de                       www.stadtrad-koeln.de
RHEINSCHIENE - Mehr Raum für den Umweltverbund! Autogerecht war gestern - VCD NRW
SOMMERAUSGABE 2021

Editorial                                                            Inhalt
Liebe Lesende,                                                       Verkehr allgemein
am 26. September ist Bundestagswahl. Die neue Bundesre-              Freilaufende Rechtsabbieger:
gierung steht vor großen Aufgaben und Mobilität ist eine der         Strategie zur sicheren Gestaltung......................................... 4
wichtigsten. Deshalb erwarten wir von einem neuen Regierungs-        VCD-Initiative:
bündnis, dass sie die Verkehrswende in den Kommunen unter-           Verkehrswende von unten.................................................... 5
stützt. „Autogerecht war gestern“, so oder ähnlich müsste das        wanderbaumallee.koeln:
entsprechende Projekt heißen. Dazu gehören die Beendigung            Immer stärker verwurzelt..................................................... 6
klimaschädlicher Subventionen sowie die massive Förderung            Wende im Siedlungsbau:
umweltfreundlicher Mobilität durch Investitionen in den ÖPNV         Die Zeit ist reif .................................................................... 8
und in die Radverkehrsinfrastruktur, Maßnahmen zur Erhöhung          Umgestaltung Neusser Straße: Trippelschritte oder
der Verkehrssicherheit und für mehr Lebensqualität – insbeson-       Quantensprung – halbherzig oder mutig?............................ 10
dere Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, maximal 80         Dürener Straße:
km/h auf Landstraßen und 120 km/h auf Autobahnen – sowie             Mehr Autospuren im äußeren Grüngürtel............................. 11
gesetzgeberische Vorgaben für mehr Freiraum der Kommunen.            Ost-West-Achse:
Mit dem Vorschlag eines Bundesmobilitätsgesetzes zeigt der           Spiegelbild der Kölner Verkehrsplanung.............................. 12
VCD, wie dies funktionieren kann. Was das für die Mobilität vor      Veranstaltungshinweis:
Ort bedeutet, beschreibt der diesem Vorschlag gewidmete Bei-         Verkehrswende in Köln....................................................... 13
trag „Verkehrswende von unten“ auf Seite 5.                          Umgestaltung Kempener Straße:
   Ein besonderes Augenmerk einer zeitgemäßen Verkehrspolitik        Mischverkehr oder geschützte Radspur?............................. 14
und der Artikel dieser RHEINSCHIENE liegt auf der Gestaltung         Leserbrief:
und Aufteilung unseres Straßenraums. Herausheben möchten             „Alles bleibt beim Alten“..................................................... 16
wir an dieser Stelle den Auftakt zu einer Artikelreihe mit konkre-
ten und vergleichsweise kurzfristig umsetzbaren Vorschlägen          Radverkehr
der ganz Köln durchziehenden Ost-West-Achse (siehe Seite 12).        Drehbrückensanierung in Köln-Deutz:
   Zur Verkehrswende gehört auch ein Ausbau des Stadtbahn­           Ein Desaster mit Ansage.................................................... 16
netzes.Vorschläge hierzu enthalten die Beiträge zur Stadtbahn-       Fahrbahnsanierung am Perlengraben:
anbindung Neubrücks (Seite 30), der Universität (Seite 32) und       Jetzt doch mit neuer Radverkehrsinfrastruktur?.................. 18
Bergisch Gladbachs (Seite 34). Der Artikel zur Stadtbahn nach        „Radschnellweg“ Further Moor – Widdauen – Feldkassel:
Neubrück macht dabei deutlich, dass der Anspruch der Bürger          Mein schönster Weg zur Arbeit .......................................... 20
und die Verwirklichung von Zielen oft eine zähe und langwierige      Runde Tische Radverkehr:
Auseinandersetzung bedeutet. Visionen und Wünsche zeigen             Nun in allen Kölner Stadtbezirken....................................... 22
die Vorschläge zur Universitätsstraße der Inititative „Students      Gastbeitrag:
for Future“.                                                         Radverkehr in Leverkusen 2021.......................................... 24
   Den Austausch unter den Engagierten möchten wir bei unse-         Bericht des Fahrradbeauftragten:
rer jährlichen Mitgliederversammlung am 13. Oktober 2021 in          Aktuelles zum Radverkehr in Köln....................................... 26
der alten Feuerwache fortsetzen. Über zahlreiches Erscheinen         Aktion zum Weltfahrradtag am 3. Juni:
freuen wir uns!                                                      Sicheres Radfahren auch auf der Luxemburger Straße......... 28
Viel Spaß beim Lesen wünscht
                                                                     Öffentlicher Nahverkehr
die Redaktion der RHEINSCHIENE		                                
                                                                     Stadtbahnanbindung Neubrück: Endlich handeln!................ 30
                                                                     ÖPNV und Universität
 VCD-Arbeitskreise und Vorstandstreffen                              Eine neue Stadtbahnlinie auf der Inneren Kanalstraße......... 32
 Teilnahme jetzt auch online möglich                                 Rheinisch-Bergischer Kreis:
                                                                     Kreis will Straßenbahn-Verlängerung von
 Die Mitarbeit beim VCD dient nicht nur einer guten Sache,           Thielenbruch nach Bergisch Gladbach voranbringen............ 34
 sondern macht auch Spaß – dies bekommen wir immer wie-
 der zu hören. Auch wer lediglich sporadisch mitarbeiten oder        VCD
 uns einfach nur kennenlernen möchte, war daher bei unseren          Arbeiten beim VCD Regionalverband Köln:
 Arbeitskreis- und Vorstandstreffen schon immer willkommen.          „Eine bereichernde Zeit“..................................................... 35
    Ein solches Hineinschnuppern ist jetzt auch online und da-       Leichlingen: VCD-Vertreter in Ausschuss gewählt................ 36
 mit noch einfacher möglich. Die Termine der Treffen erfahrt         Einladung zur Mitgliederversammlung 2021........................ 36
 ihr auf www.vcd-koeln.de oder über das VCD-Büro (siehe Sei-         Impressum........................................................................ 36
 te 38). Bei Interesse, online dabei zu sein, sendet einfach eine    Der VCD stellt sich vor....................................................... 37
 E-Mail an info@vcd-koeln.de für die Zugangsinformationen.           Beitrittsformular................................................................ 37
 Egal, ob ihr persönlich vor Ort oder online dabei seid:             Kontakte........................................................................... 38
 Wir freuen uns über eure Beteiligung!                               Spendenaufruf.................................................................. 38

RHEINSCHIENE Nr. 66                                                                                                                                        3
RHEINSCHIENE - Mehr Raum für den Umweltverbund! Autogerecht war gestern - VCD NRW
VERKEHR ALLGEMEIN

Freilaufende Rechtsabbieger
Strategie zur sicheren Gestaltung
Ergebnisse des von der Stadt Köln im            besteht. Ziel ist es, sämtliche Kno-
Jahr 2018 einberufenen Facharbeitskrei­         ten zu bewerten und einen „Baukas-
ses „Freilaufende Rechtsabbieger“               ten“ zu erstellen, mit dessen Hilfe
                                                geeignete Maßnahmen für jeden
Bei freilaufenden Rechtsabbiegern han-          einzelnen Rechtsabbieger festge-
delt es sich um Straßenabschnitte an            legt werden können. Hierzu gehö-
Kreuzungen oder Einmündungen, die das           ren sowohl kurzfristig umsetzbare
Rechtsabbiegen ohne Einbindung in eine          Maßnahmen – wie das „Abpollern“
Lichtsignalanlage ermöglichen. Damit            oder zusätzliche Beschilderungen
soll dem Kfz-Verkehr ein zügigeres Vor-         – als auch mittel- und langfristige
wärtskommen ermöglicht werden. Leider           Umbaumaßnahmen – etwa die Ein-
haben sich zahlreiche derart gestalteter        bindung in die Signalisierung oder     Beispiel einer Maßnahme aus dem Baukasten zur
Verkehrsknoten als Unfallschwerpunkte           ein Vollumbau der Kreuzung.            Behandlung freilaufender Rechtsabbieger
herausgestellt. Allzu oft sind Radfahren-
de dabei die Geschädigten.                      Baukastensystem als
                                                Handlungsrahmen                               Dabei darf nicht nur das tatsächliche Un-
Über 300 Kreuzungen betroffen                                                                 fallgeschehen als zentrales Kriterium he-
                                                Ein externes Planungsbüro wurde be-           rangezogen werden. Wenn in drei Jahren
In Köln gibt es etwa 320 Verkehrskno-           auftragt, einen Baukasten mit entspre-        noch gefährliche freilaufende Rechtsab-
ten mit insgesamt rund 480 freilaufeden         chenden Maßnahmen auszuarbeiten. Die          bieger existieren, müssen sie dann un-
Rechtsabbiegern. Diese wurden im Rah-           bisherigen Ergebnisse werden zurzeit im       mittelbar gesichert werden – wenn nötig
men des Projekts von der Stadtverwaltung        Facharbeitskreis diskutert, in dem Stadt-     auch auf Kosten des Kfz-Verkehrsflusses.
erfasst und anhand mehrerer Parameter           verwaltung Unfallkommission, Polizei,
(zum Beispiel Unfallhäufigkeit, Bedeutung       ADAC, ADFC und VCD vertreten sind.            Weiterentwicklung notwendig
für den Schwerlastverkehr oder ÖPNV)              Einige unaufwändige Ad-hoc-Maßnah-
katalogisiert. Dabei wurden in einem            men wurden bereits umgesetzt. Die Wirk-       Welches Potential zugunsten einer le-
ersten Schritt 120 Knoten identifiziert,        samkeit einzelner Maßnahmen wurde             benswerteren Stadt in der Stärkung des
bei denen dringender Handlungsbedarf            überprüft. So sollte an der Kreuzung von      Radverkehrs liegt, ist inzwischen Kon-
                                                        Innerer Kanalstraße und Aache-        sens. Daher ist es zwingend erforderlich,
                                                        ner Straße eine Verengung der         zügig Maßnahmen zu ergreifen, um ihn
                                                        Fahrbahn durch Markierungen           attraktiver und sicherer zu gestalten.
                                                        die Geschwindigkeit des abbie-        Konkret bedeutet dies, dass etwa nicht
                                                        genden Kfz-Verkehrs senken.           nur die Unfallzahlen als Kriterium für
                                                        Die Videoüberwachung zeigte           Änderungen bei freilaufenden Rechtsab-
                                                        jedoch, dass mit unverminder-         biegern relevant sein dürfen, sondern vor
                                                        ter Geschwindigkeit über die          allem auch die Verbesserung und Siche-
                                                        Markierungen hinweg gefahren          rung von Radverkehrshauptachsen und
                                                        wurde. Nun sollen dort nicht so       Schulwegen angegangen werden sollte.
                                                        leicht überfahrbare Sichtzeichen         Die geradlinige Führung des Radver-
                                                        installiert werden. Auch zu dieser    kehrs in solchen Knoten erhöht die Sicher-
                                                        Maßnahme wird es eine Video-          heit für die Radfahrenden und unterstützt
                                                        auswertung geben. Die Projekt-        die Verkehrsverlagerung. Diese sollte
                                                        beteiligten hoffen auf besseren       daher zügig umgesetzt werden – auch
                                                        Erfolg!                               um sichtbare Zeichen zu setzen. Die Be-
                                                           Auch wenn die bisherigen Maß-      einträchtigung des „Verkehrsflusses“, die
                                                        nahmen nicht immer von Erfolg         ja immer nur immer nur den Autoverkehr
                                                        gekrönt sind und die vollständige     in Betracht zieht und so die gewünschte
                                                        Umsetzung der geplanten Maß-          Verlagerung des Individualverkehrs auf
                                                        nahmen sowohl zeitlich als auch       das Rad ignoriert, kann und darf nicht als
                                                        finanziell noch in den Sternen ste-   Gegenargument dienen.
                                                        hen, zeigt dieses Projekt, das un-       Der VCD-Arbeitskreis Radverkehr freut
                                                        ter breiter fachlicher Beteiligung    sich auch über kleine Fortschritte bei der
Zwei Beispiele für freilaufende Rechtsabbieger in der stattfindet, dass das Thema ernst       Erhöhung der Sicherheit für Radfahrende
Kölner Innenstadt: Venloer Straße/Ecke Kamekestra- genommen wird. Jetzt muss es               und Zufußgehende.
ße vor (oben) und Kümpchenshof/Ecke Hansaring darum gehen, die erarbeiteten                   Manfred Berger/Melani Lauven,
nach der Abpollerung (unten)                            Erkenntnisse zügig umzusetzen.        VCD-Arbeitskreis Radverkehr            

4                                                                                                     RHEINSCHIENE Nr. 66
RHEINSCHIENE - Mehr Raum für den Umweltverbund! Autogerecht war gestern - VCD NRW
VERKEHR ALLGEMEIN

VCD-Initiative
Verkehrswende von unten
Mehr Spielraum für Kommunen mit dem
Bundesmobilitätsgesetz

Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover,
Leipzig, Münster und Ulm – sie alle ha-
ben eins gemeinsam: die Forderung nach
einem neuen Rechtsrahmen für einen kli-
ma- und menschenfreundlichen Straßen-
verkehr. Der soll den Kommunen ermögli-
chen, Tempo 30 dort anzuordnen, wo sie
es für notwendig erachten. Ihr Problem?
Der Bundesgesetzgeber. Denn bisher gilt
laut Straßenverkehrsordnung (StVO) in-
nerorts als Regel die Höchstgeschwindig-
                                                                 Das Bundesmobilitätsgesetz
                                                                   Der gesetzliche Rahmen für eine
keit von 50 km/h. Oberstes Ziel des Stra-
ßenverkehrsrechts ist es nach wie vor, die                         Mobilität mit Zukunft
Flüssigkeit des Autoverkehrs zu gewähr-
leisten. Abweichende Regelungen sind
laut StVO nur erlaubt, wenn eine konkrete    sprechende Maßnahmen. Dazu kommt,                sung. Denn das Gesetz betrachtet das
Gefährdung nachgewiesen werden kann,         dass das Verkehrsrecht in seinen Grund-          Verkehrssystem als Ganzes und schafft
zum Beispiel vor Schulen, Kindergärten       zügen aus der Nazizeit stammt und jeder          einen modernen Rechtsrahmen. Gesamt-
oder Krankenhäusern. Diese Rechtslage        Verkehrsträger in Einzelgesetzen gere-           gesellschaftliche Ziele wie Klimaschutz,
setzt den Kommunen enge Grenzen und          gelt wird. Das setzt sich in der Bundes-         Vision Zero im Straßenverkehr und eine
macht die Umsetzung von Modellversu-         verkehrswegeplanung fort, die Straßen,           Grundversorgung an Mobilität werden für
chen aufwendig und schwierig. Innerorts      Schienen und Wasserstraßen getrennt              alle verpflichtend.
flächendeckend Tempo 30 einzuführen,         voneinander betrachtet und plant. Radwe-            Dabei verliert es sich nicht in kleinteili-
ist dadurch nahezu unmöglich.                ge werden darin gar nicht erst erwähnt.          gen Vorschriften und Verboten. Vielmehr
   Die „Städteinitiative Tempo 30“ ist nur   Es gibt keine verkehrsträgerübergreifende        dienen die vorgegebenen Ziele als Funda-
ein Beispiel von vielen, das die aktuellen   Gesamtstrategie, die unsere Mobilität zu-        ment für die Planung, Finanzierung und
Probleme in der Verkehrsplanung verdeut-     kunftsfähig macht.                               Organisation des Verkehrs. Dadurch wird
licht. Es fehlen übergeordnete Ziele und                                                      der notwendige Handlungsspielraum ge-
Strategien. Die Gesundheit und Sicher-       Die Kommunen machen lassen                       schaffen, um die Verkehrswende auf allen
heit von Menschen werden zweitrangig                                                          staatlichen Ebenen voranzubringen. Die
behandelt, den Kommunen fehlt letztlich      Der VCD bietet mit dem Vorschlag eines           konkrete Ausgestaltung vor Ort obliegt
die Durchsetzungsmöglichkeit für ent-        Bundesmobilitätsgesetzes nun eine Lö-            den Kommunen. Mit dem Bundesmobili-
                                                                                              tätsgesetz können sie klimafreundliche
                                                                                              Maßnahmen wie Tempo 30 oder Null­
                                                                                              emissionszonen einfacher umsetzen.
                                                                                                 Den klimafreundlichen Umbau des Ver-
                                                                                              kehrssektors schafft Deutschland nur
                                                                                              mit einem neuen, modernen gesetzlichen
                                                                                              Rahmen. Denn Mobilität braucht verbind-
                                                                                              liche Ziele. Anders als bisher, stellt das
                                                                                              Bundesmobilitätsgesetz die Bedürfnisse
                                                                                              der Menschen und Klimaschutz in den
                                                                                              Vordergrund und nimmt alle Verkehrsträ-
                                                                                              ger gleichberechtigt in den Blick. Dafür
                                                                                              setzt sich der VCD ein und entwickelt
                                                                                              einen konkreten Gesetzesentwurf, mit
                                                                                              dem die nächste Bundesregierung zum
                                                                                              Handeln bewegt werden soll. Nur so wird
                                                                                              unsere Mobilität für alle fair, sicher und
                                                                                              nachhaltig.
                                                                                              VCD-Bundesverband                         

                                                                                              www.vcd.org/bundesmobilitaetsgesetz/

RHEINSCHIENE Nr. 66                                                                                                                       5
RHEINSCHIENE - Mehr Raum für den Umweltverbund! Autogerecht war gestern - VCD NRW
VERKEHR ALLGEMEIN

wanderbaumallee.koeln
Immer stärker verwurzelt
Die Wanderbaumallee.koeln freut sich        Klettenberg –                                bäume in der Straße gepflanzt werden
innerhalb so kurzer Zeit in nahezu allen    die wanderbaumallee.koeln                    und zum anderen die Straße gemäß ih-
Kölner Bezirken Köln Wurzeln geschla­                                                    rem Charakter gestaltet wird, also eine
gen zu haben.
                                            am Klettenplätzchen                          Wohnstraße mit Aufenthaltsqualität für
                                                                                         die Anwohner*innen. Die Wanderbäume
Inzwischen haben acht der neun Be-                                                       sind hier so etwas wie ein Anker für die
zirke einen positiven Beschluss zur                                                      verschiedenen Aktionen, die die Nach-
wanderbaum­allee.koeln und einige auch                                                   barschaft initiiert. Unter anderem gab
Fördermittel bereitgestellt, so dass die                                                 es eine Demo mit den Wanderbäumen,
Allee auf 28 Module beziehungsweise                                                      während der die Eburonenstraße für den
Bäume wachsen konnte. Diese sorgen                                                       Kraftverkehr gesperrt war. Die Module
nun in vielen Nachbarschaften für Freude                                                 mit den Wanderbäumen zeigen zeitweise,
und regen zum Umdenken in den Straßen                                                    wie die Straße mit Bäumen (wenn auch
an. Insgesamt werden sie immer sehr po-                                                  kleinen) aussieht und bieten dabei den
sitiv aufgenommen und dies nicht nur von    Am „Klettenplätzchen“ in Klettenberg         Nachbar*innen auch noch Gelegenheit
den Nachbarschaften, die sich die Wan-      hatte sich die Nachbarschaft Gedanken        für einen Plausch bei Kaffee und Tee oder
derbäume ja gewünscht haben, sondern        gemacht, wie der Platz an der Kreuzung       Bier und Apfelwein.
auch von Menschen, die nur zufällig vor-    von Petersberg-, Hardt- und Breibergstra-
beikommen und davon erfahren.               ße gestaltet werden kann. Hier wurde vor     Ehrenfeld –
   Nachfolgend ein paar Eindrücke der       Jahren die Durchfahrt für Fahrzeuge be-
letzten Monate.                             grenzt und wurden auf der „frei“ gewor-
                                                                                         die wanderbaumallee.koeln
                                            denen Fläche Parkplätze eingerichtet. Als    kann Kultur
Deutz –                                     Alternative stellte die Nachbarschaft die
die wanderbaumallee.koeln                   Gestaltung der Kreuzung als Fläche mit
                                            Aufenthaltsqualität zur Diskussion. Da
zu Gast beim Greening Month                 passte die wanderbaumallee.koeln sehr
                                            gut. Vier Module stehen für acht Wochen
                                            auf dem Klettenplätzchen und sind in der
                                            Zwischenzeit durch Klappstühle und Blu-
                                            mentöpfe ergänzt. Das Ganze gibt einen
                                            guten Eindruck, wie dieser öffentliche
                                            Raum ohne parkende Autos gestaltet
                                            werden könnte. Die Nachbarschaft hatte
                                            allen Interessierten die Möglichkeit gege-   Im Frühjahr war die wanderbaumallee.
                                            ben, ihre Ideen, Wünsche und Bedenken        koeln für acht Wochen zu Gast in der
                                            zu äußern und hat geplant, die Umge-         Glasstraße in Ehrenfeld. Nachbarschaft
Unter dem Motto „Deutz wird grüner –        staltung fortzuführen, auch nachdem die      und KREATIVKONTOR organisierten ei-
gemeinsam packen wir es an!“ hat die        Wanderbäumeweitergezogen sind.               nen coronakonformen Kulturwandertag,
wanderbaumallee.koeln während des                                                        ein buntes Programm unter anderem mit
Greening Month in Deutz drei Straßen        Neustadt Süd –                               Gedichtlesung, Straßen- und Fenster­
zeitweise begrünt und gleichzeitig auch                                                  konzerten, multimedialen Schau­fenster­
                                            die wanderbaumallee.koeln                    ausstellungen und Autokino einmal
Schatten, Sitzgelegenheiten und Aufent-     in der Eburonenstraße
haltsorte geboten. In Tempel-, Sueven-                                                   anders. Das volle Kulturprogramm beim
und Mathildenstraße zeigten die Wander-                                                  Vorbeiwandern. Und mittendrin Wander-
bäume beispielhaft, wie sich Stadtteile                                                  bäume, die zum Verweilen einluden.
und Straßenzüge durch Stadtgrün an die                                                   Bernhard Lauven                     
Folgen des Klimawandels anpassen und
(noch) lebenswerter werden können. Vor
St. Heribert, wo die Wanderbäume bei ih-
rer Wanderung aus der Südstadt zu den
Standorten in Deutz einen Zwischenstopp
einlegten, waren sich Redner von Politik,   Zwei Wanderbäume stehen seit einigen
VCD und iResilience einig, dass Bäume       Wochen in der Eburonenstraße. Hier setzt
auch und gerade einen Beitrag zu einem      sich seit geraumer Zeit die Nachbarschaft
verbesserten Stadtklima leisten.            dafür ein, das zum einen ein paar Stadt-

6                                                                                                RHEINSCHIENE Nr. 66
RHEINSCHIENE - Mehr Raum für den Umweltverbund! Autogerecht war gestern - VCD NRW
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RHEINSCHIENE - Mehr Raum für den Umweltverbund! Autogerecht war gestern - VCD NRW
VERKEHR ALLGEMEIN

Wende im Siedlungsbau
Die Zeit ist reif
VCD fordert ein radikales Umdenken
beim Bau neuer Wohnsiedlungen
                                                                                       Tiefgaragen
                                                                                       sind nicht zukunftsfest
Beim zukünftigen Siedlungsneubau
schlägt der VCD die Anwendung des Kon-                                                 Keine Flexibilität und hohes Risiko
zepts „Siedlung als Fußgängerzone mit
Pkw-Parken am Rande“ vor. Dieses Kon-                                                  Tiefgaragen haben nach Auffassung
zept zeigt, dass Aufenthaltsqualität, Mo-                                              des VCDs mehrere gravierende Nach-
bilität, Landschaftsverbrauch, Kosten und                                              teile:
Klimaschutz keine Gegensätze mehr sein                                                     Ihre Größe wird frühzeitig im Rah-
müssen – allerdings eine Bereitschaft                                                      men der Planung festgesetzt – und
zum Umdenken voraussetzen. Nach Über-                                                      dann in Beton gegossen. In der Pra-
zeugung des VCD ist diese Siedlungsform                                                    xis sind Tiefgaragen deshalb häufig
für alle Bewohner*innen von Vorteil, egal                                                  entweder zu groß oder zu klein.
ob mit oder ohne eigenes Auto. Das Kon-                                                    Der zweite Nachteil dürfte sich in
zept stellt eine Brücke von der Gegenwart                                                  der Zukunft als noch schwerwie-
in die Zukunft dar, ist sofort einsetzbar                                                  gender herausstellen: Bei der Fest-
und minimiert die Risiken einer Fehlpla-                                                   legung der Größen wird unterstellt,
nung beträchtlich.                                                                         dass der Besitz eines oder mehrerer
   In Europa und auch in Deutschland wer-   meisten Spielstraßen sind zum Spielen          Autos die übliche Form der Mobili-
den immer häufiger Siedlungen entwickelt    viel zu gefährlich. Die Fußgängerzone          tät darstellt. Bei einer in den kom-
und gebaut, die sich durch eine sehr hohe   stellt für den VCD die konsequenteste          menden Jahren und Jahrzehnten er-
Aufenthaltsqualität auszeichnen. Diese      Umsetzung einer Verkehrsberuhigung dar         warteten Änderung des Mobilitäts-
Qualität wird zumeist dadurch erreicht,     und gibt die Straße den Anwohner*innen         verhaltens, wie der zunehmenden
dass die sensiblen Siedlungsinnenberei-     und Fußgänger*innen zurück. Sie fördert        Nutzung von Carsharing oder gar
che autofrei ausgestaltet werden.           Begegnungen, soziale Kontakte, eine            autonomer Roboter-Taxis, droht der
   Leider ist von diesem Trend in Köln      aktive Nachbarschaft sowie alternative         Tiefgarage eine geringe Auslastung
wenig zu spüren: Von acht aufgeführten      Mobilität.                                     bei gleichbleibenden Kosten. Und
Neubauprojekten wurde im Rahmen eines                                                      für alternative Nutzungen sind Tief-
Immobilien-Checks einer großen Kölner       Kein Parken mehr                               garagen nur sehr bedingt geeignet.
Tageszeitung im April dieses Jahres nur                                                    Auch Zusatzangebote wie Con­
                                            im öffentlichen Raum
bei einem Projekt der Siedlungsinnen-                                                      cierge-Dienste oder das Vorhalten
raum als „autofrei“ beschrieben.            Auch die Pkw-Stellplätze gehören nach          von alternativen Transportmitteln
   Dieses Resultat ist enttäuschend. Von    Meinung des VCD nicht mehr in den              sind in Tiefgaragen deutlich schwie-
einem notwendigen Umsteuern beim            sensiblen Siedlungsinnenraum, zu sehr          riger unterzubringen als in Quar-
Siedlungsbau ist vor dem Hintergrund        beeinträchtigen sie die Aufenthaltsqua-        tiersgaragen. Des Weiteren fehlt bei
einer dringend einzuleitenden Klima- und    lität, zu stark dominieren die parkenden       den meisten Tiefgaragen die kriti-
Verkehrswende noch nichts zu spüren.        Autos den Straßenraum, stellen Sichtbe-        sche Masse zum ökonomischen Be-
Nach wie vor werden sehr autoorientierte    hinderungen vor allem für Kinder dar und       trieb solcher Zusatzdienste. Nicht
Siedlungen gebaut, mit vielen Pkw-Stell-    erzeugen zwangsläufig Autoverkehr mit          zuletzt erlaubt eine Tiefgarage nur
plätzen im öffentlichen Raum und mit        entsprechenden Nachteilen.                     eingeschränkte Bepflanzungsmög-
einem Verkehrskonzept aus dem letzten                                                      lichkeiten an der Oberfläche.
Jahrhundert.                                                                           Der VCD bezweifelt, dass die heuti-
                                            Hochwertiger Siedlungsraum
                                                                                       gen Tiefgaragen noch über mehre-
                                            durch Quartiersgaragen                     re Jahrzehnte hinweg ausreichend
Nur die Fußgängerzone bietet
                                            Für den VCD sind Quartiersgaragen für      genutzt werden und sich die hohen
höchste Aufenthaltsqualität                                                            Erstellungskosten amortisieren kön-
                                            die Bewohner*innen und Besucher*innen
Für den VCD ist die Zeit reif für einen     bei Neubausiedlungen das Mittel der        nen. Außerdem moniert der VCD die
Siedlungsbau mit einer hohen Aufent-        Wahl. Die Zufahrt soll dabei nicht durch   heute übliche Quersubventionierung
haltsqualität. Diese Qualität lässt sich    den empfindlichen Siedlungsinnenraum       der Tiefgaragenplätze über die Woh-
am besten mit einer Fußgängerzone           geführt werden, sondern außerhalb der      nungen – zum Nachteil von autolosen
erreichen: Lösungen wie Spielstraßen        Siedlung erfolgen – siehe den auf der      Haushalten. Eine finanzielle Entkoppe-
oder lediglich verkehrsberuhigte Berei-     gegenüberliegenden Seite oben abgebil-     lung von Wohnungen und Stellplätzen
che führen häufig zu Konflikten zwischen    deten Siedlungsplan.                       würde hier zu gerechteren Mieten oder
Anwohner*innen und Autofahrenden, die         Die Quartiersgaragen können ska-         Kaufpreisen führen.

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RHEINSCHIENE - Mehr Raum für den Umweltverbund! Autogerecht war gestern - VCD NRW
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lierbar errichtet werden: je mehr Autos,                                                         egal ob mit oder ohne Auto,
desto mehr Etagen. Sie können sogar bei                                                          von Vorteil sein kann. Es zeigt,
ausbleibender Nachfrage vollständig zu-                                                          dass sogar ein geringerer Res-
rückgebaut werden – Eigenschaften, die                                                           sourceneinsatz zu sehr guten
übliche Tiefgaragenlösungen nicht bieten                                                         Lösungen führen kann, wenn
können.                                                                                          alte Denkmuster infrage gestellt
                                                                                                 werden. Selbst mobilitätseinge-
Entkoppelung des Innenbereichs                                                                   schränkte Personen können hier
                                                                                                 durch Nutzung von Fahrzeugen
vom Autoverkehr                                                                                  der Mikromobilität mobil blei-
Dank der Quartiersgaragenlösung ist die                                                          ben.
                                             Stellwerk60-Siedlung in Köln-Nippes (Ausschnitt
Siedlung unabhängig davon, wie sich die      aus dem Siedlungsplan)
individuelle Mobilität in Zukunft entwi-                                                         Brücke von der
ckeln wird, ob mit drei Pkw pro Haushalt                                                         Gegenwart in die Zukunft
oder ganz ohne eigenes Auto und nur mit      Die Quartiersgarage stellt eine klare
Carsharing-Fahrzeugen. Als Fußgänger-      Schnittstelle zwischen der Siedlung und      Dieses Konzept stellt nach Meinung des
zone ist sie immer passend. Das zeigen     der Umgebung dar, die einerseits den au-     VCD eine Brücke von der Gegenwart in
auch Orte wie Zermatt, Baltrum, Venedig    tofreien Innenraum erst ermöglicht und       die Zukunft dar, ist sofort einsetzbar und
oder auch die Stellwerk60-Siedlung in      andererseits eine überörtliche Nutzung       minimiert die Risiken einer Fehlplanung
Köln-Nippes.                               des Autos zulässt, und zwar in Konkur-       deutlich.
                                           renz zum ÖPNV.                                  Vor dem Hintergrund des Klimawandels
                                             Wichtig bei diesem Konzept ist, dass       betrachtet der VCD ein solches Konzept
                                           eine konsequente Parkraumbewirtschaf-        als wichtigen und unverzichtbaren Beitrag
 Mikromobilität                            tung in der Umgebung die Nutzung der         zur Verkehrswende. Dieses Konzept exis-
 Stark im Kommen                           Quartiersgarage unterstützt und das          tiert nicht nur auf dem Papier, sondern
                                           Abstellen der Pkw im öffentlichen Raum       kann auch schon in Köln besichtigt wer-
 Bei der Mikromobilität, dem Kurzstre-     verhindert.                                  den: In der Neubausiedlung Stellwerk60 in
 ckenverkehr mit kleinen Elektrofahr-                                                   Köln-Nippes leben 1.500 Bewohner*innen
 zeugen, hat sich in den letzten Jahren    Reduktion des Flächen­                       in 450 Wohnungen in einer vier Hektar
 enorm viel getan, so dass es mittler-                                                  großen Fußgängerzone. In einem drei-
                                           verbrauchs um 15 Prozent                     stöckigen Parkhaus am Rande der Sied-
 weile eine Reihe von Alternativen zu
 der klassischen Auto-Befahrung einer      Innerhalb der Siedlung sind die Wege-        lung sind die Autos für Bewohner*innen,
 Fußgängerzone gibt.                       breiten so dimensioniert, dass Blau-,        Besucher*innen und Carsharing unterge-
   So haben mobilitätseingeschränkte       Rotlicht-, Müll- und Umzugsfahrzeuge         bracht.
 Menschen die Möglichkeit, ein sol-        die Siedlung befahren können, jedoch
 ches Fahrzeug direkt vor ihrem Haus       kein Begegnungsverkehr ermöglicht wird       Ganz aktuell: Auszeichnung als
 abzustellen und damit entweder direkt     sowie keine Pkw-Stellplätze vorgehalten      „Projekt Nachhaltigkeit 2021“
 ihre Ziele im Nahbereich zu erreichen,    werden. Dadurch kann der Landschafts-
 welcher mit diesen Fahrzeugen durch-      und Flächenverbrauch um 15 Prozent re-       Im Juli 2021 hat die Regionale Netzstelle
 aus mehrere Kilometer umfassen darf,      duziert werden.                              Nachhaltigkeitsstrategien West (RENN.
 oder aber zur Quartiersgarage zu fah-                                                  west), die von der Landesarbeitsgemein-
 ren und in ein herkömmliches Auto         Sozialer Mehrwert                            schaft Agenda 21 NRW getragen wird, das
 umzusteigen. Ergänzend können auch                                                     Projekt „Autofreie Siedlung Köln“ als „Pro-
 Rikscha-Taxen zum Einsatz kommen.         Kosten- und flächensparendes Bauen           jekt Nachhaltigkeit 2021“ ausgezeichnet.
   Mittlerweile nutzen Lieferdienste zu-   ermöglicht preiswerteres Wohnen und            Die Jury ist der Überzeugung, dass das
 nehmend Fahrzeuge, die für eine Fuß-      kann der Abwanderung und Verdrängung         Projekt einen besonders großen Beitrag
 gängerzone geeignet und zugelassen        von einkommensschwächeren Gruppen            zu einer nachhaltigen Entwicklung in der
 sind.                                     entgegenwirken. Ferner fördert diese         Region und darüber hinaus leistet: „Die
                                           Bauweise überdurchschnittliches nach-        Siedlung ist mit 440 Wohneinheiten und
                                           barschaftliches Engagement und soziale       1550 Bewohner*innen eine der größten
                                           Stabilität. Wichtige Ziele der Stadtent-     autofreien Siedlungen in Deutschland.
                                           wicklung werden adressiert.                  Durch ihre Gestaltung als Fußgängerzo-
                                                                                        ne mit reduziertem Pkw-Parken am Rande
                                           Hohe Sicherheit für die Zukunft              zeigt sie den Weg in eine neue Zukunft.“

                                           Nach Überzeugung des VCD zeigt das           Vorschlag für Köln-Kreuzfeld
                                           Konzept „Siedlung als Fußgängerzone
                                           mit Pkw-Parken am Rande“ eindrucksvoll,      Die Stadt Köln plant einen neuen Stadtteil
                                           dass Ökologie und Ökonomie keine Ge-         „Köln-Kreuzfeld“ im Stadtbezirk Chorwei-
  Fahrzeug in einer Fußgängerzone in       gensätze mehr darstellen und dass diese      ler. Dort sollen auf einer Fläche von circa
         der Kölner Altstadt               Siedlungsform für alle Bewohner*innen,       80 Hektar mindestens 3.000 Wohneinhei-

RHEINSCHIENE Nr. 66                                                                                                              9
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ten sowie zahlreiche neue Arbeitsplätze       „Köln Kreuzfeld – Planung für Menschen“       klar ist. Jetzt wird es so langsam von der
entstehen.                                    abrufbar.                                     Zukunft eingeholt, hat aber immer noch
   Das Team Kreuzfeld vom Stadtpla-             Natürlich ist ungewiss, ob und wieviel      einen erheblichen Vorsprung.
nungsamt hatte dazu eingeladen, unsere        von den VCD-Vorschlägen in Kreuzfeld             Die in dem Video gemachten Vorschlä-
Expertise durch einen zehnminütigen Vor-      umgesetzt werden. Aber: Die Zeit scheint      ge („Siedlung als Fußgängerzone/(große)
trag in das laufende Planungsverfahren        reif zu sein für neue Konzepte. Das zei-      Quartiersgarage am Siedlungsrand“) sind
einzubringen. Die online gehaltene Prä-       gen auch Projekte in anderen Ländern,         für so gut wie alle neuen Quartiere ab ei-
sentation zeigt, wie die Erfahrungen aus      vor allem in der Schweiz. Wobei das           ner gewissen Größenordnung anwendbar,
der Stellwerk60-Siedlung für den neuen        Stellwerk60-Konzept gar nicht so neu ist,     sowohl im urbanen als auch im eher länd-
Stadteil genutzt werden können. Der Vi-       sondern vom Anfang der 2000er Jahre           lichen Raum.
deobeitrag ist auf YouTube unter dem Titel    stammt, aber trotzdem visionär und sehr       Hans-Georg Kleinmann                   

Umgestaltung Neusser Straße
Trippelschritte oder Quantensprung –
halbherzig oder mutig?
Geplante Umgestaltung der Neusser             dürfen diesen Abschnitt
Straße: warum nicht eine Fußgängerzo­         der Neusser Straße aber
ne mit Rad- und Linienverkehr frei? Ein       nur in Schrittgeschwindig-
VCD-Vorschlag.                                keit befahren, so dass sie
                                              jederzeit zum Stehen kom-
Kurz vor der letzten Kommunalwahl stell-      men können.
te die Verwaltung eine Planung für die          Die möglichen Fahrzeit-
Neusser Straße vor, die bei einer Bürger­     verluste sind gering. Für
informationsveranstaltung auf heftige         die Busse der Linie 147
Kritik stieß: Sie verkörpere noch den Geist   dürften sie aufgrund ihres
der vergangenen Jahrzehnte und stelle         20-Minuten-Takts kein Pro-
das Primat des Autoverkehrs nicht infra-      blem darstellen, ebenso für
ge. Kurzum: Das Konzept sei ungeeignet        die Taxibuslinien 184 und
für Gegenwart und Zukunft. Es wurde           186. In Freiburg oder auch Das obige Foto der Ingolstädter Fußgängerzone soll einen
daraufhin eingezogen und in dieser Form       im benachbarten Frechen Eindruck von einer möglichen Aufenthaltsqualität geben.
nicht weiter verfolgt.                        fahren sogar mehrzügige                                                © Johannes Hauser
   Nun ist ein „verkehrsberuhigter Ge-        Stadtbahnen im 10-Minu-
schäftsbereich“ mit einer Höchstge-           ten-Takt in reduzierter Geschwindigkeit    teils gibt es in vielen Fällen gute Alterna-
schwindigkeit von 20 km/h und Radfah-         durch die Fußgängerzone.                   tiven durch den ÖPNV, das Fahrrad oder
ren im Mischbetrieb oder eine Tempo-            Auch beim Radverkehr gibt es kein        andere Verkehrsmittel der Nah­mobilität.
30-Lösung mit separater Radspur in der        grundsätzliches Problem: Die kurze Stre-
Diskussion. Beide Lösungen bringen            cke kann in Schrittgeschwindigkeit in      Lösung für die Zukunft,
zwar Verbesserungen für die schwachen         rund zwei Minuten zurückgelegt werden      nicht für die Vergangenheit
Verkehrsteilnehmer*innen, stellen aber        und die Breite des Straßenraums sollte
das Primat des Autoverkehrs nicht infra-      ein konfliktfreies Ausweichen gegenüber    Dieser Vorschlag bedeutet eine Lösung,
ge. Selbst Tempo 20 ist kein fußgänger-       den Fußgänger*innen erlauben.              die nicht in wenigen Jahren bereits über-
freundliches Tempo und macht eine Stra-         Für den südlichen Abschnitt der Neus-    plant werden muss; eine Lösung, welche
ße für Fußgänger*innen ungemütlich und        ser Straße ist der verkehrsberuhigte Ge-   die Verkehrswende und die Klimawende
auch gefährlich und erfordert ein stetes      schäftsbereich gegenüber der Tempo-        unterstützt und sie nicht behindert; eine
Hab-Acht beim Überqueren der Fahrbahn.        30-Lösung zu bevorzugen. Außerdem          Lösung, die davon ausgeht, dass sich die
                                              sollten möglichst wenige der geplanten     Menschen in den nächsten Jahrzehnten
Fußgängerzone –                               Multi­funktionsflächen als PKW-Stellplät-  noch zu Fuß fortbewegen werden und
                                              ze genutzt werden.                         nicht auf Verkehrsmittel setzt, die zumin-
zurück zum menschlichen Maß
                                                Der motorisierte Individualverkehr mit   dest in den Städten zunehmend infrage
Aus diesem Grunde bietet es sich an,          Quelle und Ziel außerhalb von Nippes soll- gestellt werden; eine Lösung, die das
den 250 Meter langen zentralen Bereich        te über leistungsfähige Straßen geführt    menschliche Maß in den Vordergrund
zwischen Flora- und Wilhelmstraße als         werden, zum Beispiel die Amsterdamer       stellt – „small is beautiful“.
Fußgängerzone zu gestalten. Bus-, Rad-        Straße. Für den Nippeser Binnenverkehr     Hans-Georg Kleinmann                      
und Lieferverkehr sowie Taxen sind frei,      oder den Quell- und Zielverkehr des Stadt-

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Dürener Straße
Mehr Autospuren im äußeren Grüngürtel
Eine vor zehn Jahren beschlossene           verhindern, wurde von der Politik
Maßnahme wurde umgesetzt, obwohl            beschlossen, innerhalb der vor-
sie aktuellen verkehrspolitischen Zielen    handenen Bordsteine stadtein-
entgegenwirkt.                              wärts „unechte“ Fahrspuren zu
                                            markieren, auch um der verlän-
Darüber dass der Autoverkehr und die        gerten Linie 136 eine bessere
ihm gewidmete Infrastruktur auf ein kli-    Durchfahrt zu ermöglichen.
ma-, umwelt-, menschengerechtes Maß
zu begrenzen ist, besteht mittlerweile      Jetzt nur noch
weitgehend Konsens. Dies bewirkt leider
meist aber nicht, dass einmal getroffene
                                            rückwärtsgerichtet
Beschlüsse noch einmal überdacht und        Es mag ja sein, dass solche
geändert werden.                            schönen Auto-Einfallschneisen Mit einfachen Markierungen wurde dafür gesorgt,
                                            vor zehn Jahren beschlossen dass Kraftfahrzeuge jetzt auf zwei Spuren über die
Verkehrswende                               wurden und damals Schlimmeres Dürener Straße in die Stadt gelangen. Im Zuge dieser
neu interpretiert                           verhindert haben. Dies ändert Maßnahme wurden auch die bisherigen Querungen
                                            aber nichts daran, dass mittler- mit Fußgängerampeln ausgestattet.
Dies zeigte sich beispielsweise Anfang      weile diese Maßnahme völlig un-
Juni auf der Dürener Straße im Bereich      zeitgemäß geworden ist. Und im
des äußeren Grüngürtels. Unbedarfte         Grunde ist es erschreckend, dass es der-  an die Gestaltung unserer Verkehrswege
Spaziergänger konnten dort zwei neue        art schwer zu fallen scheint, Planungen   völlig entgegenlaufen.
Pfeile erkennen, die deutlich machten,      zu ändern, die aktuellen Anforderungen    Reinhard Zietz                       
dass hier fortan zweispurig gefahren wer-
den kann. So geht Verkehrswende mal an-
dersrum – während wir seit 2013 auf den
Radschnellweg warten, geht eine Verdop-
pelung der Kapazität für den Pkw-Verkehr
von Frechen nach Köln mit einfachsten                                         FRIEDENSBILDUNGSWERK
Mitteln. Mit ein paar Pinselstrichen hat
Straßen NRW den Lindenthalern und Köln                                                    Bildungsurlaub  Mediation
insgesamt ungefragt massiv mehr Auto-                                                             Sprachen
verkehr ermöglicht.
  Die dafür verantwortliche Behörde,
Straßen NRW, handelte hier offensichtlich                                            Mediation – Sechsstufige Fortbildung zur/zum
                                                 Info: www.friedensbildungswerk.de

so, als wären wir noch im vorigen Auto-                                                            MediatorIn (150 Std.)
jahrhundert, und dies mit Folgen:
   Die Attraktivität, mit dem Auto nach                                              Sprachen – Hocharabisch – Russisch – Hebräisch
   Köln zu fahren, wird erheblich erhöht.                                                          Griechisch – Ungarisch –Chinesisch
   Die Linie 7 stand schon vorher auf dem
   straßenbündigen Abschnitt oft im Stau                                             Politische Bildung – Vorträge zu Fragen von
   – das wird deutlich zunehmen.                                                                   Frieden und Politik & Gesellschaft
   Die Dürener Straße innerhalb des Gür-
   tels erstickte bisher schon am Durch-                                             Paarseminar gewaltfreie Kommunikation
   gangsverkehr – auch dort wird der                                                 Wochenendseminar Sa 27./So 28.11.2021
   zusätzlich angelockte Verkehr seine
   Spuren hinterlassen.                                                              20 Jahre nach 9/11 – Terrorismusbekämpfung als
                                                                                     ethische Herausforderung mit Prof. Dr. Hajo Schmidt
Ursprünglich ein Kompromiss                                                          Di, 07.09.2021, 19:30 Domforum
                                                                                     Anmeldung erforderlich unter:
Die Maßnahme basiert auf einem vor
zehn Jahren beschlossenen Kompro-                                                    Friedensbildungswerk Köln
miss. Ursprünglich plante Straßen NRW                                                Obenmarspforten 7-11, 50667 Köln
einen vollständigen vierspurigen Ausbau                                              E- Mail: fbkkoeln@t-online.de
der Dürener Straße. Um die damit ver-                                                Telefon: 0221 9521945
bundenen zahlreichen Baumfällungen zu

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VERKEHR ALLGEMEIN

Die Ost-West-Achse – Spiegelbild der Kölner Verkehrsplanung
Umverteilung der Verkehrsflächen ist an der Zeit
Mit diesem einleitenden Überblick                                                                ... außerhalb des Zentrums
beginnen wir eine Artikelfolge über
Möglichkeiten der Umgestaltung der                                                           Die beiden Zuläufe im Westen und Os-
Kölner Ost-West-Achse.                                                                       ten, die Aachener und die Olpener Stra-
                                                                                             ße, weisen tiefere geschichtliche Ent-
Die Ost-West-Achse verläuft von Brück                                                        wicklungen auf. Die Aachener Straße
und Merheim durch Kalk über die Deut-                                                        war eine alte römische Handelsstraße
zer Brücke vorbei an Neumarkt und                                                            (Via Belgica), die Köln mit der Atlantik-
Rudolfplatz, bevor sie sich entlang                                                          küste verband. Die heutige Aachener
der Aachener Straße durch Lindenthal,                                                        Straße folgt recht genau dieser alten
Braunsfeld und Müngersdorf bis nach                                                          Trasse. Das Römergrab in Weiden ist
Frechen-Königsdorf zieht.                                                                    eins der Zeugnisse der damaligen Zeit.
   Sie setzt sich aus drei unterschied-                                                         Die Olpener Straße, damals Brücker
lichen Teilen zusammen: Beginnend in                                                         Straße,  war ein Feldweg, der Köln und
Deutz sind es im innerstädtischen Teil                                                       das    Herzogtum       Berg miteinander
Cäcilien-, Pipin- und Hahnenstraße, im                                                       verband.   Er  wurde    als Handelsstraße
östlichen Bereich Kalker Hauptstraße                                                         genutzt   und   führte  größtenteils durch
und Olpener Straße sowie im Westen Ost-West-Achse in Köln: Die Farben kennzeichnen die       unbebautes     Gebiet.   Heutige Stadtteile
die Aachener Straße. Sie unterteilt drei Teilabschnitte, die in den weiteren Folgen dieser   wie  Höhenberg      und   auch Kalk waren
Kölns Zentrum in einen Nord- und Süd- Artikelreihe näher betrachtet werden.                  Jahrhunderte      lang  kleine Weiler oder
teil und verbindet den Osten mit dem                                                         bloße   Flurbezeichnungen.
Westen. Somit werden auch viele Verbin-     tige innerstädtische Ost-West-Achse ist             Ähnlich war dies im Bereich der Aa-
dungen mit dem Umland mitten durch          eine junge Straße. Erst mit der Errichtung    chener   Straße: Braunsfeld und Müngers-
Kölns Stadtzentrum geführt.                 der Deutzer Brücke (1913 – 1915) wurde        dorf  weisen   zwar eine lange Siedlungs-
                                            eine „leistungsfähige“ direkte innerstädti-   geschichte    auf,  waren aber lange Jahre
                                            sche Verbindung gefordert. Zuvor verlief      kleine Ortschaften      vor den Toren Kölns.
Noch dominiert der Autoverkehr
                                            die Ost-West-Beziehung unter anderem          Im  Zuge   der  Industrialisierung    und der
Über die gesamte Länge ist die Ost-         über Gürzenichstraße und Schildergasse.       zunehmenden       Verstädterung    wurden   sie
West-Achse vor allem dem Autoverkehr        Auch die Breite Straße erlaubte diese Ver-    nach  Köln  eingemeindet.     Die Ortszentren
gewidmet, oftmals hat sie vier oder mehr    bindung.                                      wurden zu Teilzentren und verloren mit
Autospuren und mutet daher eher wie            Der Heumarkt war ein eingefasster          der zunehmenden Entwicklung der auto-
eine innerstädtische Auto­bahn denn eine    und umbauter Platz. Nach dem Bau der          gerechten Stadt ihre Aufenthaltsqualität,
verbindende Straße an. Steht man am         Deutzer Brücke endeten viele Straßen-         die Straße wurde auf ihre Durchgangs-
Neumarkt, so ist keine Spur vom Flair der   bahnen auf dem Rondell des Heumarkts.         funktion reduziert.
ehemals größten Altstadt Europas zu ver-    Die Diskussion über einen Durchbruch             Wichtig ist auch die ÖPNV-Erschlie-
spüren. Man fühlt sich vielmehr wie am      zum Rudolfplatz wurde intensiv geführt,       ßung.  Zwischen Brück und Weiden fährt
Autobahnkreuz Innenstadt. Der Autover-      schließlich war dies ein großer Eingriff      die  Linie  1 auf oder entlang der Ost-
kehr hat die Straße und mit ihr die Stadt   in die Struktur der Stadt, eine Vielzahl      West-Achse.     Im Rechtsrheinischen wird
im Griff.                                   an Häusern musste abgerissen werden,          sie seit  den  80er   Jahren bis hinter Kalk
   Gleichzeitig haben sich die Zeiten ge-   entsprechend hitzig war die Diskussion.       unterirdisch   geführt,    danach auf einer
ändert. Aufenthaltsqualität und attrakti-   So sagte Konrad Adenauer, der damalige        Trasse   abseits    der  Olpener  Straße. Auf
ve Stadtzentren werden zunehmend ohne       Oberbürgermeister von Köln, dass die          der Aachener     Straße   fährt die Stadtbahn
Auto gedacht, Klimaziele und die Erhö-      Stadt nicht nur für Autos da sei. Diese       auf einem   eigenen    Bahnkörper   in der Mit-
hung der Luftreinheit werden wichtig und    Position setzte sich nicht durch.             te der Straße.   Dies  hat  jeweils erhebliche
der Verkehrssektor muss seinen Beitrag         Mit der Machtergreifung der Nazis wur-     Auswirkungen auf die Anmutung und die
leisten. Die Ost-West-Achse stellt somit    de eine große Aufmarschstraße zum vor-        möglichen Umgestaltungen des Straßen-
einen Brennpunkt der immer wieder ange-     gesehenen Deutzer Gauzentrum geplant          raums.
kündigten Verkehrswende dar. Durch ihre     und 1939 wurde mit dem Durchbruch
Vielfalt lassen sich an ihr exemplarische   begonnen. Nach den Zerstörungen des           Blick nach vorn
Lösungen für die Gesamtstadt auslesen.      Krieges wurden die Vorkriegsplanungen
                                            in den Wiederaufbahnplan des Stadtpla-        Ziel in den nächsten Jahren muss es
                                            ners Schwarz aufgenommen und in den           sein, den Stadtraum mit Leben zu fül-
Blick zurück: Innerhalb und ...
                                            folgenden Jahren wurde die Straße, ge-        len, die Teilung der Stadt zu verringern
Zum Verständnis der Straße ist ein Rück-    mäß dem Zeitgeist, immer weiter für den       und die Verkehrsflächen zugunsten des
blick in die Geschichte hilfreich. Die heu- Autoverkehr optimiert.                        Umweltverbunds umzuverteilen. Neben

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VERKEHR ALLGEMEIN

den kontroversen und vor allem langwie-      auch in Richtung Heumarkt wurden klei-        den Radverkehr begrenzt sind, solange
rigen Diskussionen über den Ausbau der       nere Verbesserungen umgesetzt. Kürz-          keine durchgängig befahrbare Trasse ge-
Stadtbahn kommt der sicheren Führung         lich wurde die Radspur von der Deutzer        schaffen wird.
des Radverkehrs eine mindestens eben-        Brücke zum Heumarkt verbreitert. Auch           Der Raum auf der Ost-West-Achse
so große Bedeutung zu. Hier sind deut-       hinter dem Rudolfplatz wird eine Spur         muss zeitgemäß den Klimaschutz und die
lich schneller sichtbare Verbesserungen      dem Radverkehr zugeschlagen. Auf der          Verkehrswende unterstützend neu verteilt
möglich.                                     Gegenseite wird von der Universitätsstra-     werden. In künftigen Ausgabe der RHEIN-
   In den letzten Jahren hat es eine Viel-   ße bis zum Eisenbahnring eine Spur um-        SCHIENE werden dazu Vorschläge un-
zahl an kleinen Veränderungen gegeben.       gewidmet. Weitere Veränderungen sind          terbreitet, die schnell umgesetzt werden
Die Umwidmung einer Autospur zuguns-         geplant.                                      können und sowohl die Verkehrsführung
ten des Radverkehrs von der Nord-Süd-           Dies sind allerdings zunächst punktuel-    als auch die Lebensqualität auf der Achse
Fahrt bis zum Neumarkt gehört dazu,          le Korrekturen, deren positive Effekte auf    erheblich verbessern.
                                                                                           VCD-Arbeitskreis Radverkehr            

Veranstaltungshinweis
Verkehrswende in Köln?
Eine Veranstaltung am 30. Oktober gibt
                                              Es diskutieren:
die Möglichkeit, eine verkehrspolitische
                                                 Christiane Martin, Fraktionsvorsit-
Zwischenbilanz der neuen Mehrheit im
                                                 zende Bündnis 90/Die Grünen im
Rat nach einem Jahr zu diskutieren.
                                                 Rat der Stadt Köln (angefragt)
                                                 Bernd Petelkau, MdL, Fraktionsvor-
Im Kommunalwahlkampf 2020 war die
                                                 sitzender CDU im Rat der Stadt Köln
Verkehrswende ein dominantes Thema.
                                                 Jennifer Glashagen, Fraktionsvor-
Die Befürworter*innen der Verkehrs-
                                                 sitzende Volt im Rat der Stadt Köln
wende wurden durch das Wahlergebnis
                                                 Annetraut Grose, Fuß e.V.
erheblich gestärkt und das neue Mehr-
                                                 Ralph Herbertz, KölnAgenda e.V. &
heitsbündnis im Rat zwischen Grünen,
                                                 VCD Regionalverband Köln e.V.
CDU und Volt beschloss, Zuständigkeiten
                                              Moderation: Frank Deja („Köln Kann
in den Bereichen Klima, Umwelt und Ver-
                                              Auch Anders“)
kehr neu zu ordnen.
                                              Zeit: Samstag, 30.10. 2021, 15:00 –
   Wo steht Köln bei der Verkehrswende,
                                              17:00 Uhr
ein Jahr nach der Kommunalwahl? Wel-
                                              Ort: FORUM Volkshochschule im Mu-
che Pläne gibt es, um die Verkehrswende
                                              seum am Neumarkt, Cäcilienstr. 29-33,
in den restlichen vier Jahren des Stadt-
                                              50667 Köln
rates entscheidend voran zu bringen?
Wird Verkehrsgestaltung mit Klima- und
                                              Der Besuch der Veranstaltung ist kos­
Gesundheitspolitik zusammen gedacht?
                                              tenlos. Eine vorherige Anmeldung bei
Plant Köln zeitgemäß, um einen sozi-
                                              der VHS Köln wird empfohlen.
al gerechten und umweltfreundlichen
Wandel von Mobilität hervorzubringen?
Vertreter*innen der Zivilgesellschaft hin-
terfragen im Gespräch den verkehrspoliti-                                 R.E.I.N.E.N.
schen Kurs des Mehrheitsbündnisses im
Rathaus.                                                                     Stephan Reinen
   Diese Veranstaltung der Volkshoch-
schule Köln findet gemeinsam mit der                                                   F A H R R Ä D E R
2020 gegründeten „Aktionsgemeinschaft                                                            Zubehör
Kölner Verkehrswende“ statt. Ihre Petiti-
on „Kölner Verkehrswende Jetzt!“ wurde                                                          Ersatzteile
von 9.000 Kölner*innen unterschrieben.
Darin wird eine neue Verkehrs- und Stadt-                                                  Tel.: 0221-388533
entwicklungspolitik gefordert, die allen                                                  FAX: 0221-3762375
Bürger*innen umweltfreundlichere Mobi-
litätsformen und der Stadtplanung eine                         Bonner Str. 244 * 50968 Köln-Bayenthal
entsprechende Umgestaltung der öffent-
                                                  Mo.: 15.00-18.30 ** Di.-Fr.:10.00-13.00 und 15.00-18.30 ** Sa.:10.00-14.00 Uhr
lichen Räume in der Stadt ermöglicht.

RHEINSCHIENE Nr. 66                                                                                                                13
VERKEHR ALLGEMEIN

Umgestaltung der Kempener Straße in Köln-Nippes
Mischverkehr oder geschützte Radspur?
Am 15. April 2021 diskutierte eine            Weißenburgstraße oder der Teu-
Projektgruppe der Grünen zum Thema            teburger Straße umgesetzt ist.
„Sofortmaßnahmen Kempener Straße“                Der Radverkehr wiederum
Ideen zur Umgestaltung dieser Nippeser        kann bei der „Protected Bike
Achse.                                        Lane“-Lösung auf eine exklusive
                                              und geschützte Breite von zwei
Zwei der vorgeschlagenen Lösungsva-           Metern zurückgreifen, was mit
rianten sollen hier an einer der engsten      Blick auf das Sicherheitsemp-
Stellen der Kempener Straße (stadtein-        finden der weniger furchtlosen
wärts zwischen Wilhelmstraße und Stein-       Radfahrenden als vorteilhaft
berger Straße) betrachtet werden.             angesehen werden kann. Dieser
   Die Straßenbreite von der Hauswand         Nachteil des „Verkehrswende“-
bis zum Mittelstreifen beträgt 8,50 Me-       Vorschlags könnte allerdings
ter. Dabei ist der Bürgersteig 1,70 Meter,    durch die Gestaltung der Fahr- Kempener Straße: Ist-Zustand
der Radweg 1,20 Meter und die beiden          spur sowie durch eine weitere
Fahrspuren insgesamt 5,60 Meter breit.        Reduktion der Höchstgeschwindigkeit auf     besser ab. Beim Fußverkehr, bei der Auf-
Die Mittelallee wird derzeit für Pkw-Stell-   20 km/h reduziert werden. Nicht zuletzt     enthalts- und Freizeitqualität sowie bei
plätze genutzt.                               sei darauf hingewiesen, dass es sich bei    der „Reduktion des MIV“ und der „Unter-
                                              dem gesamten umliegenden Straßennetz        stützung der Verkehrs- und Klimawende“
Die Vorschläge                                um eine durchgängige Tempo-30-Zone          kann die Verkehrswende-Lösung zum Teil
                                              handelt, in der sich Auto- und Radverkehr   deutlich punkten.
Der Vorschlag des Bündnisses „Verkehrs-       immer eine Fahrspur teilen, es sich hier       Bei der Abwägung aller genannten
wende Köln“ teilt diese Straßenbreite         also um die dort übliche und gewohnte       Punkte sind also erhebliche Vorteile
wie folgt auf: Der Bürgersteig wird auf       Radverkehrsführung handelt.                 bei der „Verkehrswende“-Lösung zu er-
3,25 Meter verbreitert und die bisherige         Bei Betrachtung der übergeordneten       kennen. Sollte die Umgestaltung der
Autospur wird in eine 3,42 Meter breite       Kriterien wie „Verkehrswende“ und „Kli-     Kempener Straße tatsächlich angegan-
Mischspur für Kfz- und Radverkehr so-         maschutz“ ergeben sich deutliche Vortei-    gen werden, empfiehlt es sich, diesen
wie einen 2,00 Meter breiten Parkstreifen     le bei der „Verkehrswende“-Lösung. Der      Vorschlag weiter zu verfolgen und so zu
aufgeteilt. Der ADFC-Vorschlag „Protec-       motorisierte Individualverkehr verliert auf optimieren, dass sich weitere Vorteile für
ted Bike Lane“ geht von einer mindestens      der Fahrspur, die er mit dem Radverkehr     alle Verkehrsmittel des Umweltverbundes
zwei Meter breiten Radspur neben einer        teilen muss, deutlich an Attraktivität, so  ergeben. Möglichkeiten hierzu sind eine
rund 3,5 Meter breiten Kfz-Spur aus. Bei-     dass mit dessen Rückgang sowie stärke-      geschwindigkeitsdämpfende Gestaltung,
de Vorschläge fordern ein Tempolimit von      ren Umstiegseffekten auf umweltfreundli-    eine Reduktion auf 20 km/h Höchstge-
30 km/h, was zurzeit auch der Höchstge-       chere Alternativen zu rechnen ist.          schwindigkeit oder die Widmung als
schwindigkeit auf allen umliegenden Stra-                                                 Fahrradstraße, bei der auch das Neben-
ßen entspricht.                               Fazit                                       einanderfahren mit Fahrrädern explizit
                                                                                          erlaubt ist, .
Vergleich                                     Lediglich beim Punkt „Sicherheitsemp-       Hans-Georg Kleinmann                   
                                              finden der Radfahrenden“ schneidet die
Die „Verkehrswende“-Variante benötigt         Lösung mit einer getrennten Radspur
aufgrund der vorge-
schlagenen Mischspur
weniger befahrbaren
Straßenraum. Der vor-
gesehene Parkstreifen
ermöglicht es, den bis-
lang ausschließlich als
Parkplatz genutzten
Mittelstreifen zu einer
rund 7.000 qm großen
Aufenthalts- und Frei-
zeitfläche umzugestal-
ten, also ähnlich wie
es bereits jetzt schon
auf der Roland- und der Umgestaltung der Kempener Straße: Vorschläge des Bündnisses Verkehrswende (links) und des ADFC (rechts)

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cambio CarSharing

Im Rheinland
unterwegs.
                 Düsseldorf

                     Dormagen

Düsseldor
           f
                                               Köln
                                      Köln
                    Frechen
                         Hürth

                              Brühl
                                                      Siegburg
                                                  St. Augustin
      Bonn                              Bonn

 Auch ohne eigenes Auto in 9 Städten an 175 Stationen
 mit 750 Fahrzeugen.

                                 www.cambio-CarSharing.de
VERKEHR ALLGEMEIN | RADVERKEHR

Leserbrief eines Bürgers aus dem Rhein-Erft-Kreis
„Alles bleibt beim Alten“
Während in Österreich bereits heftig                                                         ohne hohe Abschreibungen auf bereits
über ein Moratorium beim Bau höher­                                                          getätigte Ausgaben und personelle Res-
rangiger Straßen diskutiert wird, werden                                                     sourcen auf ein Vorhaben zu verzichten
hierzulande alle Autobahn-Planungen ri­                                                      oder Anpassungen vorzunehmen. So wer-
goros weiter verfolgt, unbeeindruckt und                                                     den, wie kürzlich an der Mosel, Brücken
unbeeinflusst vom Klimawandel und der                                                        von nirgendwo nach nirgendwo in Betrieb
gebotenen Verkehrswende. Dieses Fest­                                                        genommen, unnötige Autobahnanschlüs-
halten kritisiert der folgende Leserbrief.                                                   se fertig gestellt, unsinnige Rheinspangen
                                               in Deutschland ausschließlich der Ver-        geplant. Die erfolgreichen Unternehmen
Die zu Recht angestoßene Diskussion,           kehrssektor nicht zur Reduzierung des         dieser Welt und in einigen Ländern auch
oder sagen wir besser die voraussehba-         Ausstoßes von Treibhausgasen beiträgt.        fortschrittliche Verwaltungen planen und
ren heftigen Reaktionen mancher politi-        Die „Mehrheitsverhältnisse“ in der aktu-      agieren agil, in kleinen, umkehrbaren
scher Parteien und von Leserbriefschrei-       ellen Diskussion und die Lautstärke der       Schritten. Davon sind wir offensichtlich
bern, die für sich in Anspruch nehmen,         „Dagegen“-Diskutanten lässt nur einen         in Deutschland noch meilenweit entfernt.
im Namen aller zu schreiben, zeigen vor        Schluss zu: Wir sind der notwendigen Ver-        Und so wird der Verkehrssektor zum
allem Eines: dass Verkehr immer noch           kehrswende noch kein Schrittchen näher        gesellschaftlichen Hemmschuh: Wir ste-
ausschließlich vom Auto her gedacht,           gekommen. Alles bleibt beim Alten, alter-     cken unendliche Planungsressourcen und
mit Autoverkehr gleichgesetzt wird. Dem        native Gestaltungen von Mobilität werden      Finanzmittel in etwas, was bald der Ver-
Auto und seinen vermeintlichen Gesetz-         erst gar nicht in Erwägung gezogen.           gangenheit angehören wird. Der Ausstieg
mäßigkeiten haben sich alle anderen               Aber noch etwas wird offensichtlich:       aus dem motorisierten Individualverkehr
Verkehrsträger in der Planung und Finan-       Die Planungsvorhaben, die dem Autover-        ist unvermeidlich. Wir brauchen die Inge-
zierung unterzuordnen. Und das in Zeiten       kehr gerecht werden sollen, entziehen         nieure, das Geld und auch die politischen
des offensichtlichen Klimawandels und          sich jeglicher Kontrolle und Korrektur. Sie   Visionen, um die Mobilität der Zukunft zu
seiner lebensbedrohlichen Auswirkun-           sind in der Regel so gigantisch und lang-     entwerfen und umzusetzen.
gen. Und angesichts der Tatsache, dass         fristig, dass es nicht möglich erscheint,     Axel Fell                               

Drehbrückensanierung in Köln-Deutz
Ein Desaster mit Ansage
Die immer noch andauernde Diskussion           und verbindet den rechtsrheinischen           chende Menschen. Vor allem in der Wo-
über die Umleitung während der Sanie­          Süden mit der Innenstadt. Der Verkehr,        che gibt es viele Berufspendler*innen auf
rung der Deutzer Drehbrücke sind ein           der gewöhnlich die Brücke passiert, ist       dem Fahrrad und dies in stetig ansteigen-
Lehrstück, wie man eine Umleitung nicht        äußerst vielfältig. An schönen Tagen und      der Zahl. Die Strecke am Rhein ist eine
einrichten sollte.                             Wochenenden ist es viel Ausflugsver-          der Hauptrouten des Radverkehrs in die
                                               kehr: Spaziergänger*innen, Radfahrende,       Innenstadt. 7.500 Radfahrende pro Tag
Die chaotische Situation, die an der Deut-     Jogger*innen und andere erholungssu-          wurden von der Zählstelle gemessen,
zer Drehbrücke entstanden ist, hat sich                                                       kölnweit war dies der höchste Wert. Die
ein halbes Jahr nach Beginn der Sanie-                                                        Route hat überörtliche Bedeutung.
rungsarbeiten noch nicht beruhigt. Der                                                          Hinzu kommt dias Problem, dass sich
Grund dafür ist, dass verschiedene situ-                                                      die Alfred-Schütte-Allee seit ein paar Jah-
ative Besonderheiten, die berücksichtigt                                                      ren zu einem Tummelfeld der Raser- und
werden müssten, bei der Umleitungspla-                                                        Poserszene entwickelt hat.
nung schmählich vernachlässigt wurden.
Daher hier eine kurze Zusammenfassung                                                        Hochwassersperrung
des bisherigen Geschehens.                                                                   gab Vorgeschmack
Ausgangslage                                                                                 Im Dezember 2020 wurde die Drehbrücke
                                                                                             für ein paar Tage wegen Hochwassers ge-
Die Poller Wiesen sind ein herausragen-      Anfang März wurde wegen Sanierungsarbeiten      sperrt. Eine Umleitung gab es nicht. Der
des Naherholungsgebiet Kölns. Zudem          die Deutzer Drehbrücke gesperrt. Diese Maß-     Hafen wurde geflutet von Menschen, die
ist die Alfred-Schütte-Allee eine essen-     nahme soll bis Ende dieses Jahres aufrecht      mehr oder minder ungeordnet ihren Weg
tielle Hauptverbindung im Radwegenetz        erhalten bleiben.                               durch das Areal am Hafen suchten. Dies

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