20 Jahre ener|gate e|m|w Special - Interview mit Kerstin Andreae und Ingbert Liebing - emw.trends

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20 Jahre ener|gate e|m|w Special - Interview mit Kerstin Andreae und Ingbert Liebing - emw.trends
20 Jahre energate
                                                                                     Sonderausgabe
                                                                                           Mai 2021

                    e|m|w Special

                    20 Jahre
                    ener|gate
                  Interview             Rückblick           Interview
ISSN: 1611-2997

                  mit Kerstin Andreae   auf 20 Jahre        mit Matthias Kurth
                  und Ingbert Liebing   Energiewirtschaft
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 Themenschwerpunkt der
 aktuellen Ausgabe:
 Lösungen für das digitale Stadtwerk

 2   e|m|w 20 Jahre ener|gate
20 Jahre ener|gate e|m|w Special - Interview mit Kerstin Andreae und Ingbert Liebing - emw.trends
Liebe Leserin, lieber Leser,
mit dieser Ausgabe halten Sie eine besondere Edition der e|m|w in den Händen
– oder lesen sie digital auf dem Tablet: unsere Sonderausgabe zum 20-jährigen
Jubiläum von energate.

Auf der E-world im Jahr 2001 haben wir den energate Messenger der Öffentlichkeit
vorgestellt. Damals war ein reiner Online-Informationsdienst noch etwas Exoti-
sches, heute findet das gesamte aktuelle Mediengeschehen online statt. Auch
politisch, wirtschaftlich und energiewirtschaftlich war es noch eine andere Ära:
Im Jahr 2001 hieß der Bundeskanzler Gerhard Schröder, bezahlt wurde in D-Mark,
die Liberalisierung des Energiemarktes steckte noch in den Kinderschuhen – und
der FC Schalke war für wenige Minuten deutscher Meister. Vieles hat sich seitdem         Marc Hüther,
geändert und wir freuen uns, dass wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, auf einem         Geschäftsführer
ereignisreichen Weg von den Anfängen der Energiemarktliberalisierung bis heute
begleiten durften.

In dieser e|m|w-Sonderpublikation nehmen wir Sie mit auf eine Reise durch zwei
Jahrzehnte Energiemarktentwicklung. Unsere Redakteurinnen und Redakteure blicken
zurück auf die wesentlichen Meilensteine, die der Energiemarkt in diesem Jahrtau-
send durchlaufen hat. Wir starten bei den Anfängen der Energiemarktliberalisierung,
blicken zurück auf die Eon-Ruhrgas-Fusion, den Beginn der Regulierung und beleuch-
ten mit dem Atomausstieg und dem EEG zwei Themen, die die Energiewirtschaft
lange Zeit tief gespalten haben.

Wir sprachen außerdem in einem sehr lesenswerten Interview mit Matthias Kurth,
dem ersten Präsidenten der Bundesnetzagentur, sowie in einem Doppelinterview
mit BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae und VKU-Hauptgeschäftsführer             Christian Seelos,
Ingbert Liebing darüber, wie sie die Anfänge der Energiemarktliberalisierung erlebt      Chefredakteur
haben. Zugleich gewähren wir Ihnen Einblicke in die Entwicklung von energate in den
zurückliegenden 20 Jahren – dabei helfen uns die beiden Vorstände der energate-
Mutter conenergy, Roman Dudenhausen und Niels Ellwanger, sowie unser langjähri-
ger Kollege und energate-Geschäftsführer Dirk Lindgens.

Wir freuen uns, dass wir Sie auf diese Reise mitnehmen dürfen und hoffen, dass
Ihnen unsere Rückblicke auch spannende Erkenntnisse für die Zukunft bieten.

Wir bedanken uns bei allen Leserinnen und Lesern, Kundinnen und Kunden, die uns
in vielfältiger Art unterstützt, geholfen und gefördert haben, sodass energate heute
mit mehr als 40 Mitarbeitenden in Deutschland, Österreich und der Schweiz, davon
mehr als 20 Journalistinnen und Journalisten, den deutschsprachigen Energiemarkt als
etabliertes Medienhaus begleiten kann. Wir und das gesamte energate-Team freuen
                                                                                         Martin Schraa,
uns – zusammen mit Ihnen – auf weitere spannende Jahre.
                                                                                         Leiter Strategie & Produktentwicklung
Viel Freude und interessante Erinnerungen bei der Lektüre wünschen

Marc Hüther,                               Christian Seelos,                           Martin Schraa,
Geschäftsführer                            Chefredakteur                               Leiter Strategie & Produktentwicklung

                                                                                                             e|m|w 20 Jahre ener|gate   3
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4   e|m|w 20 Jahre ener|gate
20 Jahre ener|gate e|m|w Special - Interview mit Kerstin Andreae und Ingbert Liebing - emw.trends
Inhalt
                                                                                                  Kommentar

                                                                                                  6	energate – der innovative, digitale Informationsdienst
                                                                                                     für die Energiebranche
                                                                                              	von Dr. Niels Ellwanger und Dr. Roman Dudenhausen,
                                                                                                Vorstand, conenergy ag

                                                                                                  Interviews

                                                                                                  8    »Niemand trauert der alten Welt nach.«
                                                                                              	Interview mit Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-
   12 Energiemarkt­liberalisierung                                                              Hauptgeschäftsführung, und Ingbert Liebing,
                                                                                                Hauptgeschäftsführer des VKU

                                                                                                  20	»Die Regulierung ist ein atmendes System.«
                                                                                              	Interview mit Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur
                                                                                                von 2005 bis 2012

                                                                                                  29	»Einen ersten Tag gab es eigentlich nie so richtig.«
                                                                                              	Interview mit Dirk Lindgens, langjähriger energate-Geschäftsführer

                                                                                                  Rückblick

                                                                                                  12   Die zähen Anfänge der Energiemarkt­liberalisierung
                                                                                                       von Michaela Tix, energate-Redaktion
                               20 Interview mit Matthias Kurth
                                                                                                  16   Die Eon-Ruhrgas-Fusion
                                                                                                       von Stefanie Dierks, energate-Redaktion

                                                                                                  18   Vom verhandelten zum regulierten Netzzugang
                                                                                                       von Thorsten Czechanowsky, energate-Redaktion

                                                                                                  24   Die Volten des Atomausstiegs
                                                                                                       von Christian Seelos, Chefredakteur, energate-Redaktion

                                                                                                  26 Das EEG als Gamechanger
                                                                                                       von Carsten Kloth, energate-Redaktion

                                                                                                  Das ener|gate Energie-Quiz
   24 Die Volten des Atomausstiegs                                                                15   Testen Sie Ihr Wissen rund um 20 Jahre Energiewirtschaft

Impressum
Redaktion                                                               Design                                                  Geschäftsführung
                                                                        Vetter Identity                                         Marc Hüther
Christian Seelos (verantwortlich)                                       www.vetter-identity.com
                                                                                                                                Copyright
Redaktionelle Mitarbeit                                                 Satz                                                    Alle Inhalte dieser Zeitschrift, insbesondere Beiträge, Fotos und
Jörg Siefke-Bremkens, Thorsten Czechanowsky, Stefanie Dierks,           con|energy agentur gmbh                                 Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
Carsten Kloth, Beatrice Oster, Mareike Teuffer, Michaela Tix, Karsten   www.conenergy-agentur.com                               außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Wiedemann                                                                                                                       Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Von namentlich
redaktion@energate.de                                                   Druck                                                   gekennzeichneten Fremdautoren veröffentlichte Beiträge stellen
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Sebastian Engels                                                        www.woeste.de
Sales Manager
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                                                                        ener|gate gmbh
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                                                                                                                                                            e|m|w 20 Jahre ener|gate                5
20 Jahre ener|gate e|m|w Special - Interview mit Kerstin Andreae und Ingbert Liebing - emw.trends
Kommentar

energate – der
innovative, digitale
Informationsdienst für
die Energiebranche
    Von Dr. Niels Ellwanger und Dr. Roman Dudenhausen, Vorstand, conenergy ag

E
       nergate ist längst ein etabliertes Un-   um Fahrt aufzunehmen und sich zu              Nur langsam kamen wir voran, mussten
       ternehmen und der Marktführer für        etablieren. Die Idee kam aus der conener-     schmerzliche Einschnitte und Neuausrich-
       Fachinformationen in der Deutschen       gy Unternehmensberatung: Ein innova-          tungen vornehmen. Es fehlte die Markt-
       Energiewirtschaft. Heute ist energate    tiver digitaler Informationsdienst für die    nachfrage, die Marktposition war noch
aus der conenergy Gruppe nicht mehr             Branche sollte es werden. Wir wollten die     nicht gefestigt. Die Perspektive war zudem
wegzudenken und eine wichtige Säule in          Faxdienste dieser Zeit ersetzen und eine      nicht rosig. Am Ende war es nicht zuletzt
unserem Geschäftsmodell. Wir sind sehr          Informationsplattform für die Energie-        unserem Aufsichtsratschef Energiepro-
stolz auf dieses erfolgreiche Unternehmen,      wirtschaft aufbauen. energate sollte sich     fessor Dieter Schmitt zu verdanken, der
und danken den Verantwortlichen und             genauso entwickeln, wie die an der Börse      sich immer wieder positiv für energate
Mitarbeitern für ihren leidenschaftlichen       boomenden Internetfirmen. Der Start           ausgesprochen hat, dass die Idee fortge-
Einsatz und ihr erfolgreiches Agieren in                                                      führt wurde.
den letzten zwei Jahrzehnten. Unser Dank

                                                » 
gilt insbesondere dem Geschäftsführer                                                         Wir haben das Geschäft dann erst einmal
Marc Hüther und seinem ehemaligen                    Die Vision war gut, aber wir             ganz klassisch analog aufgebaut. Der
Kollegen in der Geschäftsführung Dirk                                                         digitale energate Messenger kam erst ein-
                                                     waren viel zu früh.
Lindgens, die das Unternehmen über ein                                                        mal als Faxdienst, dazu gab es eine Reihe
Jahrzehnt zusammen geleitet haben. Aber                                                       analoger Branchenreports und später die
ohne das gesamte Team rund um unseren                                                         Zeitschrift emw energie markt wettbewerb.
Chefredakteur Chris Seelos und Martin           pünktlich zur E-world 2001 sah dann           Letztere existiert noch heute wie auch der
Schraa, Mitglieder der Geschäftsleitung,        etwas anders aus: Die potenziellen Partner    energate Gasmarkt, den wir gemeinsam
wäre diese erfolgreiche und nachhaltige         und Weggefährten aus der Gründungs-           mit dem anerkannten Gasexperten Heiko
Entwicklung nicht möglich gewesen.              phase hatten das Projekt schon vor dem        Lohmann aufgebaut haben. Die Digitali-
                                                Auftakt verlassen und die Dotcom-Blase        sierung von energate hing stark von der
Zum Zeitpunkt des Jubiläums blicken wir         war mittlerweile geplatzt. Die Vision war     Digitalisierung der Energiewirtschaft ab.
gerne auf unsere Erinnerungen zurück.           gut, aber wir waren viel zu früh und in ei-   Das Tempo war bekanntlich nicht so hoch.
Das erste Start-Up in der damals noch           nem schwierigen Marktumfeld unterwegs.        Wir haben also über Faxdienste und den
jungen conenergy brauchte einige Zeit,          Daher mussten wir komplett umdenken.          Versand von PDF-Dokumenten als E-Mail

              Februar                                      März                                            Dezember

              energate: energate                           news: RWE und Eon bestim-                      news: Skandalträchtige Bilanz­
2001

              präsentiert sich auf der                     men den deutschen Strom-                       fälschung: Der US-amerikanische
              E-world 2001 erstmals der                    markt zu mehr als 60 Prozent.                  Energiegigant Enron verkündet
              Fachöffentlichkeit.                                                                         seine Pleite.

6      e|m|w 20 Jahre ener|gate
20 Jahre ener|gate e|m|w Special - Interview mit Kerstin Andreae und Ingbert Liebing - emw.trends
Kommentar
 Foto: © Conenergy

nach und nach eine digitale Plattform und          zu machen. Wir hatten schon seit vielen       schen Energiewirtschaft nicht mehr
eine passende App etabliert. Somit wurde           Jahren Kunden aus unserem Nachbarland         wegzudenken ist. Nach zwanzig Jahren
energate erst viele Jahre nach der Grün-           und bieten ihnen seit letztem Jahr speziell   sind wir aber keinesfalls am Ende. Das
dung ein digitales Unternehmen und hatte           auf den dortigen Markt zugeschnittene         energate Team macht genauso energiege-
bis dahin eine lange Durststrecke hinter           Inhalte. Somit ist energate als führender     laden weiter. Es sieht die neuen Trends
sich gebracht. Kontinuierlich ließ sich die        deutschsprachiger Informationsanbieter        und hört, was die Kunden sich wünschen.
Kundenbasis ausbauen, die Qualität der             im gesamten DACH Markt unterwegs.             Daraus resultieren immer wieder neue
Informationen erhöhen und damit auch das           Mit 15 Redakteuren und Büros in Berlin,       Produkte. Zudem treiben wir die Internati-
Renommee verbessern. Auf diesem Fun-               Essen, Olten (CH) sowie Korresponden-         onalisierung von energate voran und sind
dament haben wir immer wieder digitale             ten in Brüssel und Wien sind wir mit der      daher bald zweisprachig. Unsere Leser
Produkte gestartet und die großen neuen            größten Energieredaktion in diesem Markt      und Kunden sind u.a. von Studierenden
Themen wie Elektromobilität oder Wasser-           auch eindrucksvoll aufgestellt.               über Fachkräfte bis hin zu den Geschäfts-
stoff begleitet. Unsere Kunden und Partner                                                       führern zu finden. Die Erfordernisse dieser

                                                   » 
schätzen unseren Content mit weit über                                                           Lesergruppen sind sehr unterschiedlich
100.000 Nachrichten und nutzen das nicht                                                         und verändern sich auch kontinuierlich.
nur für die tägliche Information. energate              Energate ist mit der                     Daher wollen wir mit energate auch ein
hat sich darüber hinaus als ein wichtiger               größten Energieredaktion                 Karrierebegleiter in der Energiewirtschaft
Partner für die interne und externe Kom-                im gesamten DACH-Markt                   sein. Es gibt also noch genug spannende
munikation positioniert. Auf dieser Basis                                                        Herausforderungen, auf die wir uns sehr
haben wir vor einigen Jahren den Schritt
                                                        eindrucksvoll aufgestellt.               freuen.
ins Ausland, in die Schweiz, gewagt.
                                                                                                 Wir bedanken uns noch einmal bei allen
Dort haben wir schnell Fuß gefasst und             Rückblickend sind wir nun sehr froh,          energate Machern, Unterstützern und vor
sind dort mittlerweile ein anerkannter             langen Atem bewiesen zu haben, und            allem unseren Kunden und wünschen
Player. Natürlich lag es da auf der Hand,          erfreuen uns heute an diesem wirklich         dem Unternehmen auch für die nächsten
auch ein separates Angebot für Österreich          tollen Unternehmen, das aus der Deut-         zwanzig Jahre alles Gute!

                      Januar                  Februar                                                 September

                      energate: Der erste     energate: Das              news: Die rot-grüne          news: Die aus HEW und Veag
2002

                     „energate messenger“     energate-Nachrichten-      Bundesregierung              fusionierte Vattenfall Europe AG
                      wird als E-Mail-        archiv bietet mehr als     beschließt den ersten        nimmt ihren Betrieb auf.
                      Newsletter versendet.   10.000 Meldungen.          Atomausstieg.

                                                                                                                    e|m|w 20 Jahre ener|gate   7
20 Jahre ener|gate e|m|w Special - Interview mit Kerstin Andreae und Ingbert Liebing - emw.trends
Interview
Foto: © BDEW

                                                                                                                                                   Foto: © VKU
                Interview mit Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, und Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU

               »Niemand trauert der
                alten Welt nach.«
                Am 13. Februar 2001 ging energate als Informationsdienstleister für die Energiewirtschaft
                an den Start. Seitdem hat sich der Energiemarkt drastisch verändert – von der Liberalisie-
                rung über die Energiewende bis zur Digitalisierung. Über diese Entwicklungen, Heraus-
                forderungen für die Unternehmen und welche Lehren Politik und Energiewirtschaft aus
                der Vergangenheit ziehen können, sprachen die energate-Redakteure Christian Seelos
                und Karsten Wiedemann mit Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsfüh-
                rung, und Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des VKU.

                             Januar                             Februar                                        August

                             news: Minister­erlaubnis:          energate: Die erste Ausgabe des                energate: Der erste „energate
               2003

                             Eon übernimmt Ruhrgas              Printmagazins e|m|w – Energie. Markt.          Gasmarkt“ erscheint. In dem
                                                                Wettbewerb. erscheint. Mit dem                 Titel analysiert Marktexperte Dr.
                                                                Magazin spricht energate Entscheider           Heiko Lohmann jeden Monat die
                                                                aus der Energiewirtschaft an.                  Entwicklungen am Gasmarkt.

                8     e|m|w 20 Jahre ener|gate
20 Jahre ener|gate e|m|w Special - Interview mit Kerstin Andreae und Ingbert Liebing - emw.trends
Kerstin Andreae und Ingbert Liebing                        Interview

e|m|w:                                          ausdrücklich befürwortet, nun werden diese      absehbar und mittelfristig neue gesicherte
Frau Andreae, Herr Liebing, energate fei-       Anlagen wieder abgeschaltet. Für uns folgt      Leistung – etwa aus Gaskraftwerken. Wenn
ert in diesen Tagen 20-jähriges Bestehen.       daraus, dass wir in Zukunft mehr Planungs-      die Energiewirtschaft in deren Aufbau
Was haben Sie vor 20 Jahren gemacht?            sicherheit und Verlässlichkeit brauchen.        investieren soll, brauchen wir verlässliche
                                                                                                Rahmenbedingungen und ein funktio-
Andreae:                                        e|m|w:                                          nierendes Marktdesign, das notwendige
Da war mein erster Sohn gerade ein Jahr         Frau Andreae, was war Ihr energiepoliti-        Investitionen anreizt. Das ist eine Baustelle,
alt und hielt mich ordentlich auf Trab. Ne-     sches Highlight der vergangenen Jahre?          die die Politik zügig lösen muss.
benbei saß ich im Gemeinderat der Stadt
Freiburg und habe für einen Windprojek-         Andreae:                                        e|m|w:
tierer gearbeitet. Es war auch die Zeit, in     Südbaden, wo ich herkomme, sieht sich           Das Ziel der Klimaneutralität ist gesetzt.
der ich darüber nachgedacht habe, bei der       als Wiege der Anti-AKW-Bewegung, inso-          Braucht es dafür einen Etappenplan,
Bundestagswahl 2002 zu kandidieren.             fern war für mich der Atomausstieg schon        damit die Unternehmen wissen, woran
                                                fundamental. Wenn wir auf die Energie-          sie sind?
e|m|w:                                          wirtschaft insgesamt blicken, stelle ich
Wie sah bei Ihnen das Jahr 2001 aus,            fest, dass aus dem Getriebenen ein Treiber      Liebing:
Herr Liebing?                                   geworden ist. Lange war die Branche             Eine ganze starre Festlegung ist wohl nicht
                                                reaktiv, stand auf fossilem Fundament.          der richtige Weg. Die Erfahrungen der ver-
Liebing:                                        Die Politik und die Gesellschaft forderten      gangenen Jahre widersprechen diesem An-
Ich war auch junger Vater, meine Töchter        einen Wandel. Diese Transformation hat          satz, weil die technische Entwicklung oft
waren drei und ein halbes Jahr alt, und         die Branche komplett verinnerlicht. Der         schneller ist als die politische. Vielmehr
ich war damals Bürgermeister von Sylt.          alten Welt wird nicht nachgetrauert.            brauchen wir klare Ziele in Verbindung
                                                                                                mit flexiblen, aber auch zuverlässigen
Andreae:                                        e|m|w:                                          Rahmenbedingungen. Entwicklungen wie
Es gibt schlimmere Arbeitsplätze (lacht)….      Herr Liebing hat auf die Prognosen beim         beim KWK-Gesetz, das erst beschlossen
                                                Erneuerbarenausbau verwiesen, die               und dann mit Verweis auf die EU wenige
Liebing:                                        allesamt daneben lagen. Welche Konse-           Monate später wieder zurückgezogen
(lacht ebenfalls) ... das höre ich oft und      quenzen ziehen Sie daraus für künftige          wird, darf es nicht mehr geben.
ja – es ist schön dort auf der Insel. Und es    Zielsetzungen?
war eine gute Lehrzeit für mich. Mit Ener-                                                      Andreae:
giepolitik hatte ich dort schon intensiv zu     Andreae:                                        Was wir in jedem Fall brauchen, ist ein re-
tun. Ich hatte damals den Plan, ein neues       Der Blick in die Vergangenheit hilft, um        alistischer Blick auf die Nachfrageentwick-
Gewerbegebiet über ein Biomasseheizwerk         aus Fehlern zu lernen. Die Entwicklung          lung beim Strom. Aus der Sektorkopplung
zu versorgen. Damals gab es dafür leider        von disruptiven Technologien lässt sich         und den Klimazielen der EU leitet sich fol-
keine politische Mehrheit. Heute würde          nicht abschätzen. Deswegen sollten wir          gerichtig eine höhere Stromnachfrage und
man das bestimmt machen.                        uns jetzt beispielsweise beim Thema             daraus wiederum ein erhöhter Ausbaube-
                                                Wasserstoff im Denken nicht wieder so be-       darf bei den Erneuerbaren ab. Außerdem
e|m|w:                                          grenzen, wie wir das bei den Erneuerba-         müssen wir dringend über die Bedeutung
Im Gegensatz zu energate, haben Sie             ren getan haben. Die Champagner-Diskus-         unserer Netzinfrastruktur im Rahmen der
sich beide in den vergangenen 20 Jahren         sion ist aus meiner Sicht ein Fehler. Wir       dezentral verlaufenden Energiewende
nicht ausschließlich dem Energiemarkt           sollten den Mut haben, die Unternehmen          reden. Deren Rückgrat sind die Netze.
gewidmet. Dennoch die Frage: Welche             arbeiten zu lassen. Beschränkungen wer-
Entwicklung im Energiemarkt hat Sie             den uns nicht den nötigen Weg eröffnen.         Liebing:
zurückblickend am meisten überrascht?                                                           Da stimmen wir voll überein. Das gilt für die
                                                e|m|w:                                          Stromnetze und genauso für die Gasnetze,
Liebing:                                        Herr Liebing, Sie haben auf die Kohle-          gerade wenn wir hierzulande eine Wasser-
Mir fällt mein erster Bundestagswahlkampf       kraftwerke verwiesen, die einst politisch       stoffwirtschaft etablieren wollen. Die Infra-
2005 ein. Damals diskutierten wir, ob erneu-    gewollt und nun wieder abgeschaltet             struktur ist das A und O der Energiewende.
erbare Energien irgendwann Anteile beim         werden. Hinterlässt das Spuren bei den          In der Vergangenheit standen bei der Politik
Strom von mehr als zehn oder zwölf Prozent      Unternehmen, die weiter in die Energie-         vor allem die großen Stromautobahnen im
erreichen können. Niemand hätte geglaubt,       wende investieren sollen und wollen?            Fokus. 95 Prozent der Erneuerbare-Energien-
dass wir 2021 fast 50 Prozent haben. Es gab                                                     Anlagen werden aber in die Stromverteil-
aber auch Kurskorrekturen. Vor 20 Jahren        Liebing:                                        netze angebunden. Deshalb wünschen wir
wurde im Zuge des Atomausstieges der            Diese Sorge treibt mich schon um. Durch         uns für diese deutlich mehr Aufmerksamkeit
Bau von modernen Steinkohlekraftwerken          den Kohle- und Atomausstieg brauchen wir        und stabile Investitionsbedingungen.

            März                                             Juni                                              Juli

            news: Die Politik schafft mit dem                news: Die Regulierungsbehörde                     news: Die EEG-Novelle
2004

            Nationalen Allokationsplan die                   für Telekommunikation und                         2004 gibt zum ersten Mal
            Basis für den Emissionshandel.                   Post (RegTP) nimmt ihre Arbeit                    feste Zielwerte für den
                                                             als Energieregulierer auf.                        Erneuerbareausbau vor.

                                                                                                                      e|m|w 20 Jahre ener|gate   9
20 Jahre ener|gate e|m|w Special - Interview mit Kerstin Andreae und Ingbert Liebing - emw.trends
Interview                    Kerstin Andreae und Ingbert Liebing

e|m|w:                                          Andreae:                                     dringendes Thema ist die Reform der
Die Bundesnetzagentur legt in diesem            Im Binnenmarkt haben wir schon eine          Strompreisbestandteile. Wenn grüner
Jahr die Höhe der Eigenkapitalsätze für         beeindruckende Entwicklung, am Anfang        Strom nicht günstiger wird, kommt auch
die nächste Regulierungsperiode fest.           ging es vor allem um Markt und Wett-         die Sektorkopplung nicht voran. Und
Welche Forderung haben Sie?                     bewerb, jetzt um die Dekarbonisierung.       es muss allen klar sein: Der Umbau des
                                                Dafür brauchen wir die europäische           Energiesystems geht nicht ohne Gas. Wir
Liebing:                                        Kooperation. Das sehen wir beispielsweise    brauchen zum Beispiel neue gasbasierte
Wir erwarten keinen Anstieg, aber der           bei den Themen Wasserstoff und Offshore-     Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, dafür
Eigenkapitalzins darf nicht noch weiter         Windkraft. Das sind Strategien, bei denen    müssen die Rahmenbedingungen verbes-
absinken. Denn das würde die Finanzie-          wir auf nationaler Ebene schnell an unsere   sert werden.
rungskraft für die Investitionen in den         Grenzen stoßen.
Ausbau und digitalen Umbau der Verteil-                                                      e|m|w:
netze nachhaltig gefährden.                     e|m|w:                                       Herr Liebing, was erwarten Sie von der
                                                Die Herausforderungen im Energiemarkt        nächsten Regierung?
Andreae:                                        werden immer komplexer. In der Folge
BDEW, VKU, die kommunalen Spit-                 war immer mal wieder von der Gefahr          Liebing:
zenverbände und ver.di treten hier mit          des Stadtwerkesterbens die Rede. Ist         Ich sehe es genauso, dass viele wichtige
einer Stimme auf. Wenn wir die Netze            das ein Kapitel der Vergangenheit?           Weichen gestellt sind: der Kohleausstieg,
für den weiteren Fortgang der Energie-                                                       die CO2-Bepreisung, die Entwicklung einer
wende ertüchtigen wollen, brauchen wir          Liebing:                                     Wasserstoffstrategie. Vieles ist aber auch
vernünftige Investitionsbedingungen. An         Heute ist klar: Dieses sogenannte Stadt-     offengeblieben. Etwa eine realistische Prog­
dieser Stelle sorgt mich die Äußerung           werkesterben hat es nie gegeben. Im          nose des Strombedarfs für die kommenden
des Generalanwalts am Europäischen Ge-          Gegenteil: Wir sehen eine Renaissance der    Jahre. Den absehbaren Mehrbedarf durch
richtshof zur Bundesnetzagentur. Es wäre        Stadtwerke und das ist auch folgerichtig.    Sektorkopplung, E-Mobilität und Digitali-
ein schlechtes Signal, wenn Regierung           Denn die Dezentralität der Energiewende      sierung sehe ich in den Regierungsprog-
und Parlamente bei wichtigen energiepo-         bietet große Chancen für die kommunalen      nosen nicht richtig abgebildet. Und daraus
litischen Weichenstellungen künftig kaum        Unternehmen. Sie haben die Orts- und         leitet sich dann auch ein Mehrbedarf für
noch Mitsprachemöglichkeit hätten.              Kundennähe. Sie haben eine lokale Ver-       den Erneuerbarenausbau ab.
                                                bindung und halten die Wertschöpfung
e|m|w:                                          vor Ort. Davon profitiert die gesamte        e|m|w:
Der Einfluss der EU auf die Energiepolitik      Bevölkerung, unsere Daseinsvorsorge          Was auffällt: Sie sind sich in vielen
hat in den vergangenen Jahren stetig zuge-      dient dem Gemeinwohl. Deshalb bin ich        Punkten sehr einig. In der Vergangen-
nommen. Der Startschuss erfolgte vor mehr       sehr zuversichtlich, was die Zukunft der     heit gab es schonmal Gespräche über
als 20 Jahren mit der Liberalisierung der       Stadtwerke angeht.                           eine mögliche Fusion von BDEW und
Energiemärkte. Wo stehen wir da heute?                                                       VKU. Hören wir davon wieder?
                                                e|m|w:
Liebing:                                        Viele spannende Energiejahre liegen          Andreae:
Für die gesamte Energiewirtschaft war die       hinter uns. Das Jahr 2021 hat auch           In den vielen Gesprächen, die ich mit un-
Liberalisierung eine große Herausforderung,     einiges zu bieten, so etwa die Bun-          seren Mitgliedsunternehmen führe, ist das
die sie aber verinnerlicht hat. Wir wollen      destagswahl im Herbst. Frau Andreae,         nie Thema. Ich sehe die Aufgabenfelder
Wettbewerb, zu fairen Bedingungen. Aktuell      wie beurteilen sie die Arbeit der noch       der Mitglieder von BDEW und VKU auch
sehen wir aber die Gefahr, dass einzelne        amtierenden Großen Koalition aus ener-       nicht deckungsgleich.
Konzerne eine marktbeherrschende Stellung       giepolitischer Sicht?
einnehmen, wie bei Eon und RWE. Wir                                                          Liebing:
müssen aufpassen, dass das Erreichte bei        Andreae:                                     Diese Diskussion wurde vor einigen
der Liberalisierung erhalten bleibt. Im         Die aktuelle Regierung hat einige Meilen-    Jahren geführt und es wurde entschieden,
europäischen Vergleich sehen wir außerdem       steine gesetzt, allem voran der Beschluss    dass eine Fusion nicht der richtige Ansatz
die Entwicklung der Endkundenpreise in          zum Kohleausstieg. Dazu kommt die            ist. Daran hat sich aus meiner Sicht nichts
Deutschland mit Sorge. Sie sind wegen der       CO2-Bepreisung, der Rückgang der CO2-        geändert. Denn: diese Frage ist mir seit
vielen Abgaben und Umlagen zu hoch, das         Emissionen und der an Fahrt gewinnende       dem Start beim VKU noch nie begegnet.
ist auch ein Hemmnis für den Binnenmarkt.       Hochlauf der Elektromobilität, wofür die     Sie sind die ersten, die sie überhaupt
Wir müssen daher das System reformieren.        Regierung viel Geld in die Hand nimmt.       aufwerfen.
                                                Aber es ist auch einiges liegen geblieben.
e|m|w:                                          Wir müssen den Ausbau der erneuerba-         e|m|w:
Das ferne Ziel ist ja eine Energieunion,        ren Energien deutlich beschleunigen und      Frau Andrae, Herr Liebing, wir danken
wie weit sind wir hier?                         die Ausbaupfade anheben. Ein weiteres        Ihnen für das Gespräch.

            Januar                     Juli                                 August                        Dezember

            energate: energate        news: Die 2. Novelle des              news: Die Energiebörse        news: Baubeginn für Nord
2005

            beschäftigt nun 10        EnWG führt den regulierten            EEX kommt erstmals            Stream 1 – den Vorsitz im
            Mitarbeitende.            Netzzugang, das Unbundling            aus den roten Zahlen.         Aufsichtsrat übernimmt Ex-
                                      und ein Entry-/Exit-System für                                      Kanzler Gerhard Schröder.
                                      den Gasnetzzugang ein.

10     e|m|w 20 Jahre ener|gate
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                               e|m|w 20 Jahre ener|gate   11
Rückblick

Die zähen

                                                                                                                                         Foto: © envato elements/Pressmaster
Anfänge
der Energiemarkt­
liberalisierung
Noch vor 20 Jahren hatte jeder Haushaltskunde glücklich zu sein mit der „Wahl“ seines
örtlichen Stadtwerks. Wobei „Kunde“ in diesem Fall eigentlich nicht der richtige Begriff
war, „Abnehmer“ traf es besser – trotz der offiziell im Jahr 1998 gestarteten Liberalisie-
rung. Wirft man den Blick zurück auf die Anfänge der Energiemarktliberalisierung, sieht
man, dass diese sich vor allem im Gasbereich als äußerst zäh darstellte.
     Von Michaela Tix, energate-Redaktion

            Januar                         Juni                                                         Oktober

            news: Das Bundeskartell-       energate: Mit dem „energate      news: Stromnetzentgelt-     news: Die hessische Mainova
2006

            amt bricht die langfristigen   Strommarkt“ startet energate     genehmigungen: Vattenfall   geht in Bonn erstmals in einem
            Gaslieferverträge von Eon      einen monatlichen Branchen­      muss um 18 % kürzen, Eon    fremden Gasnetzgebiet auf
            Ruhrgas mit einer Untersa-     report zu den Themen             um 16 %, RWE um 9 % und     Kundenfang – der erste Schritt
            gungsverfügung auf.            Strom­marktregulierung, Netze,   EnBW um 8 %.                in Richtung Wettbewerb im
                                           Beschaffung & Co.                                            Haushaltskundenbereich Gas.

12     e|m|w 20 Jahre ener|gate
Rückblick

G
         anz anders stellt sich die Lage      Bundesnetzagentur die Aufsicht über die         dem Grundversorgungstarif der jeweils
         heute dar: Ein Blick in die Ver-     Gasnetze übertragen und der Markt kam           örtlichen Stadtwerke liegen. Geschäfts-
         gleichsportale Verivox, Check        allmählich in Schwung.                          führerin Marie-Luise Wollf (heute Entega-
         24 und Co. zeigt, man hat die                                                        Vorstandschefin) lud nach Köln zur
Qual der Wahl: Wechselwillige können          Kein Aprilscherz: Die komplizierte              Pressekonferenz ein und stellte schlanke
sich durch hunderte Angebote für ihren        „Beistellung“                                   Strukturen und „experimentelle Ver-
Strom- und Gasverbrauch klicken. Vo­          Im Februar 2006 kam es dann zur überra-         triebsansätze in Aussicht“. E-wie-einfach
rausgesetzt sie verlieren nicht nach der      schenden Wende: Das Bundeskartellamt            ist heute neben der neuen Schwester
dritten Internetseite die Geduld. Neben       kündigte an, dass private Gaskunden             Eprimo, die Eon vom Exrivalen RWE
Energieversorgern tummeln sich dort auch      ab dem 1. April ihren Gasversorger frei         übernahm, immer noch eine der größten
viele branchenfremde Player: Autobauer,       wählen dürfen. Vorausgegangen war eine          Discountermarken in Deutschland. Das
Solaranlagen- und Heizungshersteller oder     Einigung mit sieben Gasnetzbetreibern,          Unterbieten der Grundversorgungstarife
Telekommunikationsunternehmen, von            darunter Eon, RWE, Entega und ein Eigen-        gab das Kölner Unternehmen aber schon
denen einige wie beispielsweise Teldafax      betrieb der Thüga, die einen Lieferanten-       bald auf und wechselte in eine normale
oder Flexstrom spektakulär in die Insol-      wechsel über den komplizierten Weg einer        Tarifstruktur.
venz gingen.                                  Beistellung zusagten. Allerdings: Eine
                                              damalige energate-Recherche zeigte kaum         2020: Noch immer wechselmüde
Gefangen im Monopol                           Vertragsabschlüsse, sodass Verbände der         Trotz oftmals deutlicher Preisvorteile blei-
Die beiden Pioniere im frisch liberali-       Netznutzer und Energieverbraucher über          ben die Deutschen auch mehr als 20 Jahre
sierten Strommarkt hießen Yello und           einen schlechten „Aprilscherz“ wetterten.       nach dem Start der Liberalisierung wech-
Lichtblick. Unter dem Slogan „Strom ist                                                       selmüde. Laut dem kürzlich veröffentli-
gelb“ finanzierte der EnBW-Konzern für        Sechs Monate später kam mit dem                 chen Monitoringbericht der Bundesnetz-
seine Tochter Yello teure Werbekampag-        offiziellen Start des Entry-Exit-Systems        agentur sind noch immer 26 Prozent aller
nen. Eine der ersten energate-Meldungen       am 1. Oktober 2006 endlich Bewegung             Stromhaushaltskunden in der klassischen
notierte das Ergebnis: „600.000 Haushalte     in den Markt. Der hessische Versorger           Grundversorgung. Weitere 40 Prozent
und damit Platz Nummer eins unter den         Mainova kündigte medienwirksam an, im           sind ebenfalls beim Grundversorger, wenn
Newcomern im Strommarkt“. Sowohl Yello        nordrhein-westfälischen Bonn mit seinem         auch in einem Sondertarif. Somit bleibt
als auch das Hamburger Unternehmen            Produkt „Novagas“ auf Kundenfang zu             nur ein Drittel des Kuchens für fremde
Lichtblick mussten sich ihren Stromnetz-      gehen. Sogar der damalige Vizepräsident         Lieferanten übrig. In den vergangenen
zugang hart erkämpfen und waren Dau-          der Bundesnetzagentur, Martin Cronen-           Jahren wechselten pro Jahr zwischen
ergast bei Kanzleien und Landgerichten.       berg, lobte das Angebot, auch wenn er           4 und 4,5 Mio. Haushalte ihren Stromver-
Im Mai 2001 konnte sich Yello beispiels-      die mögliche Ersparnis von 45 Euro im           sorger. Beim Erdgas sind die Zahlen ver-
weise über ein richtungsweisendes Urteil      Vergleich zu den Stadtwerken Bonn als           gleichbar. Zwar haben sich mehr Kunden
des Landgerichts Düsseldorf freuen. Die       „nicht gerade umwerfend“ bezeichnete.           aus der Grundversorgung verabschiedet,
Düsseldorfer Stadtwerke wurden dazu           Zur Einordnung: Heutzutage unterbieten          sind aber dennoch dem örtlichen Stadt-
verurteilt, Yello Strom die zu Unrecht        sich Wettbewerber mit Sofort- und Neu-          werk in einem Sondertarif treu geblieben
erhobenen Wechselgebühren in Höhe von         kundenboni von über 200 Euro für das            (49 %). Ebenfalls nur ein Drittel lässt sich
49.300 Mark zu erstatten.                     erste Lieferjahr. Bleibt der Kunde, Glück       durch einen Fremdanbieter beliefern.
                                              gehabt, falls nicht: teures Pech, das bereits
Ebenfalls im Mai 2001 kündigte der            einige Versorger den Wechselportalen den        Die Energiepreise liegen trotz Liberalisie-
damalige Bundeswirtschaftsminister            Rücken kehren ließ.                             rung übrigens deutlich höher als noch vor
Werner Müller (parteilos) die Öffnung                                                         20 Jahren – vor allem getrieben von EEG-
des Gasmarktes an. „Der private Ver-          Erst 2007 nimmt der Gaswett­                    Umlage, Netzentgelten sowie Steuern und
braucher kann sich nach meinem Plan           bewerb Fahrt auf                                Abgaben. Beim Gas bezifferte die Bundes-
vom 1. Januar 2002 an seinen Anbieter         Ein denkwürdiger Einschnitt ereignete           netzagentur den mengengewichteten Preis
selber suchen“, betonte Müller in einem       sich im Februar 2007. Unter der Marke           für Haushaltskunden über alle Kategorien
Interview. Der Plan sollte allerdings nicht   „E wie Einfach“ kündigte Eon einen „An-         zuletzt auf 6,31 Cent/kWh (Grundversor-
aufgehen. Im Gegensatz zum Strommarkt         griff“ auf die Stadtwerke an, so wurde es       gung: 6,99 Cent/kWh). Beim Strom sind
zeigten sich im Gasmarkt noch lange Jah-      zumindest bei vielen Kommunalversor-            es 32,05 Cent/kWh, wobei nur 7,97 Cent/
re keine neuen Wettbewerber – zu kompli-      gern mehr als pikiert wahrgenommen.             kWh auf die Beschaffung und den Vertrieb
ziert war die Gemengelage von langfris-       Der sogenannte „MeinCentTarif“ sollte           inklusive Marge entfallen. Zum Vergleich:
tigen Lieferverträgen und abgeschotteten      beim Strom immer ein Cent pro kWh,              1998 zum Start der Liberalisierung waren
Gasmarktgebieten. Erst ab 2005 wurde der      bei Gas zwei Cent pro Kubikmeter unter          es nur 17 Cent/kWh.

          Januar                        Februar                     September                      Oktober

          energate: Marc Hüther         energate: energate          news: Der Bundesrat            news: VDEW und BGW fusionieren
2007

          und Dirk P. Lindgens          eröffnet ein Büro           bringt nach einer              zum neuen Bundesverband der
          sind neue Geschäfts-          in Berlin.                  turbulenten Sitzung die        Energie- und Wasserwirtschaft
          führer bei energate.                                      Anreizregulierung auf          (BDEW).
                                                                    den Weg.

                                                                                                                 e|m|w 20 Jahre ener|gate   13
Das sagt die Branche

                            DR. SUSANNA ZAPREVA,                                                     STEFAN KAPFERER,
                            VORSTANDSVORSITZENDE,                                                    VORSITZENDER DER GESCHÄFTSFÜHRUNG,
                            ENERCITY AG                                                              50HERTZ TRANSMISSION GMBH

» enalistisch
     nergate begleitet den Energiemarkt seit zwei Jahrzehnten jour-
               kritisch und konstruktiv. Die umfassende Medien- und
                                                                             » Wenergate.
                                                                                   enn es einen Chronisten der Energiewende gibt, dann ist das
                                                                                           Ihr Informationsangebot begleitet seit 20 Jahren die De-
     Vernetzungsarbeit made in Essen, Berlin und Brüssel bringt die Digi-       karbonisierung, Liberalisierung und Fortentwicklung der Energie-
     talisierung und zukunftsorientierte Ausrichtung der dynamischen            wirtschaft in Deutschland. Mit hohen journalistischen Standards
     Energiebranche mit voran. Die schnellen und fachlich fundierten            der Unabhängigkeit, der Fachtreue und der Verständlichkeit macht
     Informationen zur Marktentwicklung sind eine wichtige Unterstüt-           energate die komplexen Themen des Energiemarktes für breite
     zung. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!«                                Kreise der Gesellschaft zugänglich. Für all das möchten wir Ihnen
                                                                                von Herzen gratulieren und viel Erfolg für die kommenden 20
                                                                                Jahre wünschen.«

                            MICHAEL PRINZ,                                                           DR. THOMAS GÖSSMANN,
                            GESCHÄFTSFÜHRER,                                                         SPRECHER DER GESCHÄFTSFÜHRUNG,
                            HAMBURG ENERGIE GMBH                                                     THYSSENGAS GMBH

» Onicht
     hne die Lektüre des täglichen Newsletters wäre mein Arbeitstag
          komplett, denn damit behalte ich den Überblick über die aktu-
                                                                        » LBegleiter
                                                                             iebes Energate-Team, Ihre Kommunikationskanäle sind tägliche
                                                                                      vieler Kolleginnen und Kollegen bei der Thyssengas. Im
     ellsten Entwicklungen im Energiemarkt. In den letzten 20 Jahren hat        Namen unseres Unternehmens beglückwünsche ich Sie herzlich
     sich energate zu einem guten Branchenbarometer entwickelt, das             zu Ihrem 20-jährigen Bestehen und hoffe, dass sie uns noch lange
     die Energiebranche kompetent begleitet. Die Redaktion ist immer            als unverzichtbare Informationsquelle in einem dynamischen Bran-
     am oft schnelllebigen Puls der Energiewende – weiter so!«                  chenumfeld begleiten werden.«

                            PROF. DR. GERALD LINKE,                                                  DR. JÖRG BERGMANN,
                            VORSTANDSVORSITZENDER,                                                   SPRECHER DER GESCHÄFTSFÜHRUNG,
                            DVGW                                                                     OPEN GRID (OGE)

» Dauch
     ie Berichterstattung der energate-Redaktion ist unverzichtbar und
         in unserem Hause regelmäßige Lektüre. Die Kombination
                                                                       » EInformationen
                                                                            nergate ist die anerkannte Quelle für aktuelle und kompetente
                                                                                           zur Energiebranche und Entwicklungen für eine
     aus fundierter Sachkenntnis, verbunden mit fairem Journalismus             erfolgreiche Energiewende. Mit der Einführung des energate
     zeichnet die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten in besonde-       Wasserstoff-Briefing hat energate frühzeitig die wichtige Rolle
     rem Maße aus. Wir gratulieren dem energate-Team zum 20jährigen             von Wasserstoff zur Erreichung der Klimaschutzziele erkannt Zum
     Redaktionsbestehen und freuen uns auf weitere informative Artikel          20-jährigen Jubiläum wünsche ich im Namen der OGE alles Gute.
     und Interviews in den kommenden Jahren.«                                   Wir freuen uns auf eine weiterhin kompetente Berichterstattung.«

               März                                                   Juli                                         Dezember

               energate: Stefan Sagmeister                            energate: energate                           news: 20-20-20 bis 2020: EU
2008

               wird Chefredakteur bei                                 beschäftigt nun 20                           verlangt mehr Erneuerbare,
               energate.                                              Mitarbeitende.                               mehr Effizienz und weniger CO2.

14      e|m|w 20 Jahre ener|gate
Das ener|gate Energie-Quiz

                      Testen Sie Ihr Wissen
                      rund um 20 Jahre Energiewirtschaft
Wann trat nochmal das EEG in Kraft? Was verursachte den großen Stromausfall 2005 im
Münsterland? Und warum sollen Kraftwerke kein „Hartz IV“ bekommen? Testen Sie Ihr
Wissen zum Energiemarkt in unserem kleinen Quiz zum 20-jährigen energate-Jubiläum.

1 |	Wann trat das erste Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft?       8|V
                                                                        on welchem Energiemanager stammt der Satz, dass
     2001                         2000                                 die Fotovoltaikförderung in Deutschland so sinnvoll sei
                                                                       wie „Ananas züchten in Alaska“?
     1999                         2002
                                                                           Utz Classen                         Rolf Martin Schmitz
                                                                           Johannes Teyssen                    Jürgen Großmann
2 | Wie hoch lag der Anteil der Erneuerbaren
    am Strom­verbrauch im Jahr 1999?                                 9 | 2005 kam es im Münsterland zu einem Stromausfall,
     5,2 Prozent                  0,8 Prozent                             weil Strommasten nach heftigen Schneefällen abknickten.
     3,1 Prozent                  4,5 Prozent                             Als ein Problem stellte sich das Material heraus, aus dem
                                                                          die Masten gefertigt waren. Wie hieß dieses?
                                                                           Alexanderstahl                      Peterstahl
3 | Wie viele Gasmarktgebiete gab es Anfang 2007?                         Thomasstahl                         Heinrichstahl
     19                           21
     15                           18                                 10 | Die Bundesregierung will die Wasserstoffnutzung aus-
                                                                           bauen. Dieser kann über verschiedene Wege hergestellt
                                                                           werden. Was ist unter rotem Wasserstoff zu verstehen?
4 | Mit wie vielen Ausstellern ist die E-world gestartet?                 Wasserstoff aus Kernenergie
     230                          330                                      Wasserstoff aus Solarenergie
     30                           130                                      Wasserstoff aus Erdgas
                                                                           Wasserstoff aus kommunistischen Ländern

5 | Wie hieß der Vorstandsvorsitzende von RWE im Jahr 2001?         11 | Zu wann wollte die Bundesregierung ursprünglich
     Dieter Thomas Kuhn           Ewald Woste                             1 Mio. E-Autos auf die Straße bringen?
     Dietmar Kuhnt                Stefan Kuntz                             2016                                2020
                                                                           2012                                2010

6 | Von wem stammt die Aussage, „Es wird kein Hartz IV              12 | Welches inzwischen insolvente Unternehmen wollte
     für Kraftwerke geben“?                                               im Jahr 2008 den Autobauer Opel übernehmen?
     Peter Altmaier               Angela Merkel                            Solarworld                          Q-Cells
     Gerhard Schröder             Sigmar Gabriel                           Care Energy                         Teldafax

7 | Wie viele Verteilnetzbetreiber Strom gab es im Jahr 2019?       Lösungen   12 | Solarworld                       8 | Jürgen Großmann     4 | 230
     1001                         796
                                                                                11 | 2020                             7 | 883                 3 | 19
                                                                                10 | Wasserstoff aus Kernenergie      6 | Siegmar Gabriel     2 | 5,2
     950                          883                                           9 | Thomasstahl                       5 | Dietmar Kuhnt       1 | 2000

            Februar                                 Mai                                                    September

            news: Das BGH bestätigt                 news: Bundestag beschließt „Gesetz                     energate: Die erste Ausgabe
2009

            das Verbot langfristiger                zur Beschleunigung des Ausbaus                         des energate-Printmagazins
            Gaslieferverträge.                      der Höchstspannungsnetze“.                            „e21 – Energie für morgen“
                                                                                                           erscheint.

                                                                                                                         e|m|w 20 Jahre ener|gate   15
Rückblick

                                                                                                                                       Foto: © Eon SE
Die Eon-Ruhrgas-
Fusion
     Von Stefanie Dierks, energate Redaktion

            Januar                          April                      Mai                            November

            energate: Handelsblatt und      news: Der erste deutsche   news: Die Bundesregierung      energate: Der „Vertriebsfokus
2010

            energate bieten den Energie-    Offshore-Windpark „Alpha   gründet die Nationale Platt-   Energie“ löst den „energate
            Newsletter „Business Briefing   Ventus“ nimmt den          form Elektromobilität.         Wettbewerbsmonitor“ als Report
            Energie“ an.                    Betrieb auf.                                              zur Preisanalyse am Endkunden-
                                                                                                      markt für Strom und Gas ab.

16     e|m|w 20 Jahre ener|gate
Rückblick

E
      in Beobachter nann-                       Fusion. Dabei war
                                                der Behörde nicht
      te es seinerzeit das                      nur die markt-
      „Woodstock der Ener-                      beherrschende                                          ANDREAS KUHLMANN,
                                                Stellung auf dem                                       VORSITZENDER DER GESCHÄFTS-
      giewirtschaft“. Ganz so                   Gasmarkt ein Dorn                                      FÜHRUNG, DENA
hoch muss man den Prozess                       im Auge, sie be-
                                                fürchtete auch ne-
um die Fusion von Eon und                       gative Auswirkung
Ruhrgas sicherlich nicht hän-                   auf den Strom-
                                                sektor, da Gas ein
                                                                            » Herzlichen Glückwunsch, liebes energate-Team, zum
                                                                               20-jährigen Jubiläum! In den zwei Jahrzehnten haben
gen. Aber der Zusammen-                         wichtiger Primär-              Energiewende und Klimaschutz große Sprünge gemacht
                                                                              – da ist es gut, allabendlich top-informiert zu werden! Die
schluss der beiden Unter-                       energieträger sei.
                                                Für die regionalen             dena wünscht Ihnen weiterhin viel Erfolg und viel Spaß,
nehmen hielt zu Beginn des                      und kommunalen                 wir bleiben am Ball!«

Jahrtausends die Energie-                       Tochterunterneh-
                                                men fiele durch die
wirtschaft sehr wohl in Atem                    Eingliederung der
                                                Ruhrgas ein bedeutender Wettbewerber im gehörenden Veba tätig gewesen. Daher
und hatte erhebliche Auswir-                    Gasmarkt weg, was die Marktkonzentra-             erteilte auch nicht offiziell Müller die Mi-
kungen auf die Branche.                         tion verschärfe, begründete das Bundes-           nistererlaubnis, sondern er überließ dies
                                                kartellamt seine Entscheidung. Zwar hatte         Staatssekretär Alfred Tacke. Dieser blieb
                                                Eon Auflagen angeboten, dem Kartellamt            der Branche ebenfalls erhalten, ab 2004
Brisant war der Deal vor allem wegen            reichten diese aber nicht aus.                    zunächst als Vorstandsvorsitzender der
der marktbeherrschenden Stellung der                                                              Steag und später als Vorstand der RAG
Ruhrgas. 60 Prozent des in Deutschland          Ministererlaubnis 1 und 2                         Beteiligungs AG.
abgesetzten Gases ging auf ihr Konto. Zu-       Hilfe kam aus der Politik, in Form einer
dem war sie das einzige Ferngasunterneh-        Ministererlaubnis. Das Bundeswirt-                Außergerichtliche Einigung
men mit einem überragenden Zugang zu            schaftsministerium unter der Führung              mit den Klägern
allen für Deutschland infrage kommenden         von Werner Müller (parteilos) genehmig-           Obwohl das Gericht den Klägern wohl-
Gasförderquellen und den mit Abstand            te die Fusion unter Auflagen. Ziel war            gesonnen war, durften Eon und Ruhrgas
höchsten Speicherkapazitäten.                   ein großes nationales Energieunterneh-            schließlich doch fusionieren. Eon einigte
                                                men, das im internationalen Vergleich             sich in der Folge mit neun Klägern außer-
Vor der Übernahme durch Eon waren               mithalten kann.                                   gerichtlich. Diese zogen daraufhin ihre
mehrere Unternehmen an der Ruhrgas                                                                Klagen zum Bedauern der Wettbewerbs-
beteiligt. Die größten Anteilseigner waren      Doch kaum ausgesprochen, war die                  behörden zurück. „Geld regiert die Welt“,
die RAG und die zu BP gehörende Gel-            Ministererlaubnis schon wieder obsolet.           wie man so schön sagt.
senberg AG, letztere mit 25,5 Prozent der       Die Stadtwerkekooperation Trianel, der
Anteile. Im Juli 2001 vereinbarte Eon mit       Stromhändler Ampere sowie die Stadtwer-           Wie die Zugeständnisse an die Kläger
der Gelsenberg AG eine Übernahme der            ke Aachen und Rosenheim hatten beim               konkret aussahen, gelangte nicht an
Anteile zum Jahresbeginn 2002.                  Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde           die Öffentlichkeit. Doch die Fusion
                                                eingelegt. Die Richter stoppten den Deal          hatte langfristige Konsequenzen für
Im November 2001 meldet der Konzern dann        zunächst bis zum Hauptsacheverfahren.             die Energiebranche. Zum einen gab es
beim Bundeskartellamt die Mehrheitsüber-                                                          einen neuen nationalen „Champion“
nahme an. Vorher hatte sich Eon mit wei-        Es folgte Ministererlaubnis Nummer                im Gassektor, zum anderen trugen auch
teren Anteilseignern über eine Übernahme        zwei. Um die Fusion dennoch aufs Gleis            die damit verbundenen Auflagen dazu
der jeweiligen Beteiligungen verständigt, die   zu bringen, verschärfte das Wirtschafts-          bei – wie ein umfangreiches Gas-Release-
Gespräche mit der RAG liefen damals noch.       ministerium die Auflagen dabei leicht,            Programm, bei dem Ruhrgas Erdgasmen-
                                                ohne jedoch das Gericht von seinem                gen versteigern musste. Zudem musste
Bundeskartellamt befürchtete                    Kurs abzubringen. Im Übrigen hatte die            sich Eon von wesentlichen Beteiligungen
negative Auswirkungen                           Ministererlaubnis einen leichten Beige-           trennen, insbesondere von denen an der
Das Bundeskartellamt wollte die gerade          schmack – war doch Wirtschaftsminister            Oldenburger EWE, der Verbundnetz Gas
liberalisierten Märkte vor einem fusionier-     Müller in seinem früheren Berufsleben             AG (VNG), Bayerngas, der SWB sowie an
ten Monopolisten schützen und verbot die        als Manager bei der später zu Eon                 Gelsenwasser.

           Januar                    März                  Juli                    August                 September            November

           energate: Der energate    news: In Japan       news: Als Folge          energate: energate     news: Der            news: Eon
2011

          „Jahresreport Gas“ – der   ereignet sich das    von Fukushima            startet das neue       Stromanbieter        gerät ins
           ultimative Rück- und      Reaktorunglück       beschließt die           Nachrichtenportal      Teldafax meldet      Schlingern und
           Ausblick auf das          Fukushima.           Bundesregierung          www.e21.info mit       Insolvenz an.        baut 11.000
           Gasjahr – erscheint                            einen vorgezogenen       Meldungen zur                               Stellen ab.
           erstmalig.                                     Atomausstieg.            Energiewende.

                                                                                                                    e|m|w 20 Jahre ener|gate    17
Rückblick

Vom verhandelten
zum regulierten Netzzugang
Wasserstoff gilt als der Energieträger der erneuerbaren, postfossilen Zukunft. Befasst
man sich ein wenig tiefer mit dem Thema, spürt man einen (wenn auch nur ganz leich-
ten) Hauch von Futurismus. Dass die Bundesregierung für den Aufbau einer Wasserstoff-
infrastruktur ausgerechnet den verhandelten Netzzugang wieder aus der Klamottenkiste
hervorkramt, damit haben vermutlich die wenigsten gerechnet. Galt doch das System
der freiwilligen Selbstkontrolle in den Anfangsjahren der Liberalisierung nicht gerade als
Erfolgsmodell, sondern vielmehr als Wettbewerbsbremse. Aber blicken wir doch auf die
damalige Entwicklung zurück.
     Von Thorsten Czechanowsky, energate Redaktion

A
        ls Matthias Kurth im Jahr 2008 auf   abgegrenzten Versorgungsgebieten. Diesen        Stromwirtschaft VDEW im Jahr 2002. Ein
        die ersten zehn Jahre der Energie-   Energieversorgern und Stadtwerken fiel es       Systemwechsel zum regulierten Netz-
        marktliberalisierung zurückblick-    nicht leicht, den Wettbewerb anzunehmen         zugang hätte für die Vorläuferorganisa-
        te, sprach der damalige Präsi-       und außerhalb ihres Stammgebiets auf            tion des heutigen BDEW dagegen einen
dent der Bundesnetzagentur von einem         Kundenfang zu gehen. In fremden Netzen          „Rückschritt für alle Marktteilnehmer“
„untauglichen Modell“, mit dem viel Zeit     zu wildern, konnte schnell als Einladung        bedeutet.
verschenkt worden sei. Gut, was sollte er    verstanden werden, Gleiches mit Gleichem
auch sagen? War doch seine Behörde im        zu vergelten. Zudem waren sie nun ge-           Von Wettbewerb kaum eine Spur
Jahr 2005 angetreten, die Scherben des       zwungen, ihre Netze für neue Anbieter zu        Doch die Anfangserfolge der Liberalisierung
gescheiterten Systems zusammenzufegen        öffnen, die selbst kein Netz besaßen und        waren dank steigender Endkundenpreise
und die verfestigten Monopolstrukturen       in den Markt drängten.                          schnell wieder einkassiert. Lieferanten,
endlich aufzubrechen.                                                                        vertreten durch den BNE, beklagten
                                             Von „harten Anfangsjahren“ sprach in            „überhöhte Netznutzungsentgelte“, die ihre
Selbstregulierung für schlanke               diesem Zusammenhang Thomas Ban-                 Wettbewerbsfähigkeit einschränkten. Und
Bürokratie                                   ning, seit 2002 an der Spitze der 1998          auch auf der Kundenseite regte sich Wider-
Als 1998 die Liberalisierung in Deutsch-     gegründeten Naturstrom AG, beim                 stand – man denke etwa an den Verband
land startete, entschied sich die Bundes-    20-jährigen Firmenjubiläum des Düssel-          der mittelständischen Energieabnehmer
regierung – anders als der Rest Europas      dorfer Ökoenergieanbieters. Viele neue          (VEA) und seine Kritik an den erheblichen
– gegen eine Regulierungsbehörde.            Anbieter seien in dieser Zeit an den            Differenzen im bundesweiten Vergleich der
Stattdessen wurde das „System des            hohen Eingangshürden der Monopolisten           Netzentgelte. Der Ruf nach einer staatlichen
verhandelten Netzzugangs“ gewählt. Den       gescheitert. Letztere zeigten sich dagegen      Aufsichtsbehörde wurde immer lauter.
Verbänden aus Industrie und Energiewirt-     vollkommen davon überzeugt, dass nur
schaft wurde damit überlassen, ein Regel-    der verhandelte Netzzugang für Wettbe-          Die wettbewerbsrechtliche Aufsicht kam
werk zu erstellen, wie neue Lieferanten,     werb und sinkende Preise sorgen kann:           seinerzeit dem Bundeskartellamt zu.
sprich „Dritte“, Zugang zum Netz erhalten    „Die Selbstregulierung mit der Verbän-          Aber auch wenn sich dessen langjähriger
und welche Entgelte sie den etablierten      devereinbarung Strom sichert intensiven         Präsident Ulf Böge nach Kräften bemühte,
Energieversorgern für die Nutzung ihrer      Wettbewerb zwischen den 900 Stromun-            mit dem Mittel der Kostenprüfung die
Netze zu zahlen haben. „Etabliert“ heißt,    ternehmen in Deutschland. Dieser Weg            gröbsten Missstände zu beseitigen, sah er
die Welt bestand aus vollständig vertikal    muss durch eine rechtliche Verankerung          das System des verhandelten Netzzugangs
integrierten Unternehmen mit Erzeugung,      dieses Systems konsequent fortgesetzt           nicht infrage gestellt: „In Deutschland
Handel, Netz, Vertrieb und eigenen,          werden“, forderte etwa der Verband der          können wir den diskriminierungsfreien

            Januar                     Mai                    Juni                    Juli                      Dezember

            energate: Die energate-    news: Peter            news: Bund und         news: Kanzlerin            news: EnWG-Novelle: Die
2012

            und die e21.info-Apps      Altmaier folgt auf     Länder einigen sich    Merkel säht Zweifel        Offshore-Haftungsumlage
            erscheinen im App-Store.   Norbert Röttgen        auf das Ende der       am Einsatz der             und die Kraftwerksreser-
                                       als Bundesumwelt-      Solarförderung bei     CCS-Technologie in         ve werden eingeführt.
                                       minister.              52.000 MW.             Deutschland.

18     e|m|w 20 Jahre ener|gate
Foto: © peterschreiber.media/istockphoto

                                                                                                                                                                            Rückblick

                                           Zugang zu den Strom- und Gasnetzen             deutschen Gasmarktgebiet mit Entry-Exit-        Die Akteure der Energiewirtschaft sind
                                           durch eine einzelfallbezogene Miss-            System war es noch ein weiter Weg.              heute nicht mehr dieselben wie damals.
                                           brauchsaufsicht gewährleisten. Man muss                                                        Eigentumsrechtliche Entflechtung, Kos-
                                           deshalb nicht gleich eine ganze Branche        Systemwechsel im Jahre 2005                     ten- und Anreizregulierung haben die
                                           mit hohem Aufwand regulieren“, vertei-         Mit der EnWG-Novelle 2005 wurde das             Marktstrukturen verändert. Wenn aber
                                           digte Böge noch im November 2002 den           System der Verbändevereinbarungen und           die Angst vorm verhandelten Wasserstoff-
                                           „deutschen Sonderweg“ gegenüber kriti-         des verhandelten Netzzugangs dann abge-         Netzzugang im Jahr 2021 ausgerechnet
                                           schen Vorwürfen der EU-Kommission.             löst. Voraussetzung waren neue europäi-         die Gasnetzbetreiber umtreibt, entbehrt
                                                                                          sche Beschleunigungsrichtlinien aus dem         es – mit den Worten von Achim Zerres,
                                           Eine Regulierungsbehörde war zu dieser         Jahr 2003, die mit Blick auf die mäßigen        heutiger Leiter der Energieregulierung der
                                           Zeit noch keine Option, sondern das stets      Erfolge bei der Liberalisierung die Einfüh-     Bundesnetzagentur – „nicht einer gewis-
                                           präsente Schreckgespenst, mit dem zum          rung des staatlich regulierten Netzzugangs      sen Pikanterie, wenn gerade diejenigen,
                                           Beispiel der damalige Bundeswirtschafts-       vorschrieben. Die Reg TP, ursprünglich ein-     die als integrierte Unternehmen den ver-
                                           minister Werner Müller immer dann den          gerichtet für die Regulierung der Monopole      handelten Netzzugang zur Abschottung
                                           Druck erhöhte, wenn die Verbände mit           bei Post- und Telekommunikation, wurde          genutzt hatten, jetzt dieses Instrument
                                           ihren Verhandlungen zu einer neuen             Energieregulierer und in Bundesnetzagen-        kritisieren.“
                                           Verbändevereinbarung – kurz VV – nicht         tur umbenannt. Bundeswirtschaftsminister
                                           vorankommen wollten. Denn die ersten           Wolfgang Clement
                                           Jahre waren bestimmt von immer neuen           gab ihr bei der
                                           Gesprächsrunden über den Netzzugang.           Zuständigkeit für
                                           Drei Verbändevereinbarungen wurden im          die Energiemarkt-
                                           Strombereich geschlossen, zwei für Gas.        regulierung den                                       MARKUS HILKENBACH,
                                           Und vor allem die Gaswirtschaft tat sich       Vorzug vor dem                                        VORSTANDSVORSITZENDER,
                                           bei ihren Gesprächen schwer. Schon die         Bundeskartellamt                                      WSW ENERGIE & WASSER AG
                                           Verhandlungen zur VV Gas II verliefen zäh,     und versprach der
                                           die Runde zur VV Gas III im Jahr 2003 wur-     Energiewirtschaft
                                           de dann schließlich ganz abgebrochen und
                                           für gescheitert erklärt. Irgendwie wollte es
                                                                                          eine „schlanke und
                                                                                          wirksame“ Aufsicht          » Von A wie Atomausstieg bis Z wie Zählerwesen – energate
                                                                                                                          hat sich in zwei Dekaden zu einem Informations-Flagg-
                                           nicht gelingen, einen einfacheren Netz-        der Netzmono-                  schiff der deutschsprachigen Energiewirtschaft entwickelt.
                                           zugang zu entwickeln als das mühselige         pole. Inzwischen                Nüchtern, sachlich und faktenorientiert. Wer frühzeitig
                                           Punkt-zu-Punkt-Modell, bei dem Transport-      beschäftigt die                Trends identifizieren und über die Branche up to date sein
                                           kunden über zahlreiche Einzelvereinbarun-      Behörde fast 3.000             will, kommt am messenger nicht vorbei.«
                                           gen den Transportpfad für ihr Gas selbst       Mitarbeiterinnen
                                           bestimmen mussten. Bis zum einheitlichen       und Mitarbeiter.

                                                     Januar                                 April                           Juni                          Dezember

                                                     news: Strompreisbremse:                news: Der Energie-              news: Anti-Dumping:           news: Sigmar Gabriel
                                           2013

                                                     Bundesumweltminister                   discounter Flexstrom            Die EU-Kommission             wird Wirtschaftsminister
                                                     Altmaier will die EEG-Umlage           mit 500.000 Kunden              belegt chinesische            und übernimmt das
                                                     deckeln und die EEG-Förde-             meldet Insolvenz an.            Solarmodule mit               Ressort Energie.
                                                     rung nachträglich kürzen.                                              Strafzöllen.

                                                                                                                                                              e|m|w 20 Jahre ener|gate   19
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