Bulletin 4 - Nuklearforum Schweiz
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Bulletin 4 April 2011 Schweiz: Sistierung der Rahmenbewilligungsgesuche Seite 7 Die USA setzen weiterhin auf Kernenergie Seite 12 Dreimonatiges Moratorium in Deutschland Seite 13 Jahresversammlung des Nuklearforums am 5. Mai 2011 Seite 29 Tsunami löst Reaktorunfall im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi aus Seite 4
Inhaltsverzeichnis 2 Editorial 3 Reaktoren / Kernkraftwerke 21–22 Südkorea: Shin-Kori-1 in Betrieb 21 Forum 4–6 USA: ODEC zieht sich aus North- Medien-Tsunami 4 Anna-3-Projekt zurück 21 Nachrichten 7–27 Sicherheit und Strahlenschutz 22–24 Anforderungskatalog für Sicherheits- Politik 7–16 überprüfung deutscher Kernkraftwerke Frühjahrssession 2011: neu eingereichte vorgestellt 22 parlamentarische Vorstösse 7 Stellungnahme von Strahlenschutz- Schweiz: Verfahren um Rahmen- Fachleuten zu Japan 23 bewilligungsgesuche sistiert 7 Uvek überarbeitet Energieperspektiven 8 Fusion 24–25 Grüne lancieren Volksinitiative Iter: Aufruf an die Schweizer Industrie 24 zum Kernenergieausstieg 9 Energie-Positionspapier der BDP 9 Atomwirtschaft 25–26 Fessenheim-Abschaltung fordern SNPTC arbeitet mit der Provinz Basel-Stadt, Basel-Landschaft … 11 Shandong zusammen 25 … sowie auch der Jura 11 Industrielle Zusammenarbeit zwischen Obama bekennt sich weiterhin Areva und Rolls Royce 25 zur Kernenergie 12 Westinghouse teilt proprietäre USA: amerikanische Kernkraftwerke Informationen zum AP1000 26 sind sicher 13 Energiewirtschaft 26–27 Laufzeitverlängerung deutscher Bis 2017 erstes Kernkraftwerk Kernkraftwerke ausgesetzt 13 Weissrusslands am Netz 26 «Stresstest» für Kernkraftwerke in der EU beschlossen 14 Recht und Versicherung 27 EU-Kommission nimmt Vorschlag zur RWE klagt gegen Moratorium 27 Euratom-Budgetverlängerung an 15 Italien hat Neubaupläne aufgeschoben 16 Kolumne 28 Stellungnahmen / Meinungsumfragen 16–20 Arnolds Wirtschaftsblick 28 BKW offen für «weiterentwickelte» Elektrizitätsunternehmen sind Kernenergie 16 attraktiv bewertet 28 Deutschland: Moratorium führt zu Stromimport und höheren Preisen 17 Vereinsmitteilungen 29 US-Bürger halten ihre Kernkraftwerke Mitteilungen des Nuklearforums 29 für sicher 18 Solider Rahmen für Kernenergie- Kernenergiechronik 30–31 einführung in Polen 18 IAEO: Sicherheit der Kernenergie im Fokus 20 nuklearforum.ch/mehr 32 Wiederaufarbeitung / Entsorgung 20–21 Geologische Tiefenlager: keine Sondierbohrungen in Etappe 2 20 Schweden: Baueingaben für Tiefenlager 21 Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011
Editorial 3 Corina Eichenberger Nationalrätin, Präsidentin des Nuklearforums Schweiz Nun ist Besonnenheit gefragt Während ich diese Zeilen schreibe, ist Japan Grundlast. Wie diese durch neue erneuer- immer noch in unseren Schlagzeilen. Das bare Energien in solch kurzer Zeit ersetzt Erdbeben und der Tsunami haben weit über werden soll, bleibt mehr als vage. Ob unsere 11’000 Todesopfer gefordert, noch mehr Ver- Volkswirtschaft diesen «machbaren» Ausstieg misste sind zu beklagen, das Leben Hundert- auch verkraften würde, wird in der Hitze des tausender wurde abrupt auf den Kopf ge- (Wahl-) Gefechts gar nicht erst gefragt. Und stellt. Wir sind gedanklich immer noch bei das zeugt nicht von umsichtiger Wahrneh- den wirklichen Opfern der Katastrophe und mung von Verantwortung. geben die Hoffnung nicht auf, dass durch das Unglück im Kernkraftwerk letztendlich Die Analyse des Unglücks in Fukushima keine Toten zu beklagen sein werden. wird hoffentlich bald Klarheit schaffen, in- wiefern menschliches, technisches und /oder Vor diesem Hintergrund wirkt die in unse- politisches Versagen mitverantwortlich ist. rem Land nun mit neuer Verve geführte Dis- Der Rückblick wird uns zweifellos daran kussion um die Kernenergie etwas fahrlässig, erinnern, dass eine Technologie nur so gut gar eilig und zynisch. Die Ausgangslage für ist, wie sie von den Menschen eingesetzt unsere Energiezukunft hat sich am 11. März wird. Gerade in dieser Hinsicht brauchen 2011 in keiner Weise geändert. Wir müssen wir uns in der Schweiz keine Sorgen zu Produktionskapazitäten ersetzen und aus- machen. Die Sicherheitskultur in unseren bauen. Unser Stromkonsum steigt trotz Effi- Kernanlagen ist hervorragend. Davon konn- zienzmassnahmen, wie der neue Verbrauchs- te ich mich selbst bei zahlreichen Besuchen rekord im Jahr 2010 und die jüngsten Zahlen überzeugen. Den Mitarbeiterinnen und Mit- über die künftige Zuwanderung zeigen. arbeitern dort gebührt in diesen Tagen unser Selbstverständlich müssen die Lehren aus aller Dank ganz besonders. Trotz des media- Fukushima auch hier gezogen werden. Die len Dauerbeschusses gehen sie ihrer Arbeit Vorsteherin des Uvek und das Eidgenös- nach und stellen unsere Stromversorgung sische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi Tag und Nacht sicher. Und das ist, was zählt. haben diesbezüglich rasch gehandelt. Nach Mein ganz besonderes Mitgefühl gehört den den Ereignissen in Japan gilt es genauso wie beiden Mitarbeiterinnen von swissnuclear, vorher, alle Optionen für unsere Stromver- die von einer heimtückischen Briefbombe Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 sorgung zu prüfen und dann zu entscheiden. getroffen worden sind. Wer auch immer diese bösartige Tat begangen hat – meine Nun ist also Besonnenheit gefragt, doch grosse Sorge ist die Eskalation der Unver- nicht alle Meinungsmacher scheinen dazu nunft in unserem Land. bereit. Die SP und die Grünen versuchen in aller Eile, den raschen Ausstieg aus der Kern- energie zu erzwingen. Bereits in vier Jahren würde nach diesen Plänen ein Drittel unse- rer nuklearen Stromproduktion entfallen, also über 8 Milliarden Kilowattstunden
Forum 4 Medien-Tsunami Der Reaktor-Unfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima, ausgelöst durch einen Tsunami, hat seinerseits einen Tsunami verursacht: einen weltweiten Medien- Tsunami. Die Wellen der Berichterstattung schlugen allerdings nicht überall gleich hoch wie hierzulande. Was zeitnahe Berichterstattung bedeutet, Sicherheit der Schweizer wissen wir seit 9/11. Die erste grosse Kata- Kernkraftwerke thematisiert strophe des neuen Jahrtausends führte uns die heute übliche Live-Berichterstattung im Die Wende erfolgte über das Wochenende Fernsehen und Internet ein erstes Mal vor vom 13. März. Sämtliche Sonntagsmedien Augen. Sämtliche News, ob nun relevant schrieben mit Bezugnahme auf Fukushima oder nicht, werden praktisch in Echtzeit breit und sehr kritisch über die Sicherheit weiterverbreitet, kommentiert und im glei- der Schweizer Kernkraftwerke. Unter Gene- chen Atemzug zusätzlich politisch ausge- ralverdacht geriet dabei Mühleberg. Aber schlachtet. auch die Sicherheit von Beznau und Leib- stadt wurde unter die Lupe genommen und Auch das verheerende Erdbeben in Japan so- angezweifelt. In der «SonntagsZeitung» hiess wie seine Folgen wurden auf der medialen es etwa: «Mühleberg ist weniger sicher als Weltbühne auf diese Art und Weise weiter- Fukushima». Begründet wurde dies im be- verbreitet und vom Publikum entsprechend treffenden Beitrag mit dem Zustand des verfolgt. Allerdings: Was den Fokus und Kernmantels und der mit Zugankern erfolg- die Tonalität der Berichterstattung betrifft, ten Instandstellung. Zeitgleich erfolgte am gibt es besonders bezüglich des Unfalls in Wochenende in der Schweizer Sonntags- Fukushima-Daiichi erhebliche Unterschiede. presse auch die Lancierung der politischen Nicht nur zwischen den beiden Landesteilen Anti-Atom-Debatte. Dabei verknüpfte diese in der Schweiz, sondern auch zwischen Län- Presse das Thema Fukushima geschickt mit dern und den Kontinenten. den auf Unwissenheit basierenden Ängsten der Schweizer Bevölkerung in Bezug auf die Unmittelbar nach dem Erdbeben, das im Kernenergie. Der japanische Reaktorunfall asiatischen Vorzeigeland eine unvorstellbare wurde quasi – wie es die «NZZ am Sonntag» Zerstörung hinterliess, konzentrierte sich die schrieb – eingeschweizert. Berichterstattung in den Deutschschweizer Medien auf die direkten Folgen dieser Natur- Den Steilpass der Sonntagspresse nahmen in katastrophe. Das heisst: Im Fokus standen der folgenden Woche die Tagespresse und das Erdbeben selber, der dadurch ausgelöste das Schweizer Fernsehen dankbar auf. Die Tsunami und die nachfolgenden Über- aktuellen Ereignisse in Japan traten zuneh- schwemmungsschäden. Der Fukushima- mend in den Hintergrund und die Diskussio- Unfall war in dieser allerersten Phase der nen drehten sich immer stärker um mögliche Berichterstattung nur am Rande ein Thema. Sicherheitsmängel bei den bestehenden An- Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 lagen in der Schweiz. Befeuert wurden die Bedenken in erster Linie von Exponenten aus dem linken Parteispektrum und Vertre- tern einschlägiger Umweltorganisationen. Laufend aktualisierte Informationen zu Selbstredend, dass auch verschiedene bür- den vom Erdbeben betroffenen Nuklear- gerliche Politiker auf den Zug aufsprangen – anlagen in Japan finden Sie auf www. wohl im Hinblick auf die bald anstehenden nuklearforum.ch. Wahlen. Beleuchtet wurden die hiesigen Erd- bebenrisiken, mögliche Überflutungsszena-
FORUM 5 rien, Evakuierungszonen, die Kontrollen des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspek- torats (Ensi) und die Frage nach den Kühl- systemen. Zunehmend in die Kritik gerieten auch die Pläne für Ersatzkraftwerke. Wohl auch aufgrund des medialen Druckes ent- schied sich die zuständige Bundesrätin Doris Leuthard dazu, das laufende Verfahren um Rahmenbewilligungsgesuche zu sistieren (siehe Rubrik «Politik»). Mit der Sistierung war die Substitutions- debatte lanciert, die bis heute andauert. Die Argumente der Kernkraftwerksgegner sind zurzeit in fast allen Medien noch omniprä- sent. Diese allerdings haben im Vergleich zur Das Erdbeben und der Tsunami in Japan haben ein Debatte vor Fukushima kaum an Gewicht ge- starkes Medienecho bewirkt. Die aktuellen Ereignisse wonnen. Vergebens sucht man nach realis- in Japan traten dabei zunehmend in den Hintergrund tischen Szenarien, wie die 40% Strom der und die Diskussionen drehten sich immer stärker um Kernkraftwerke zu ersetzen wären. Wer einen mögliche Sicherheitsmängel bei den bestehenden baldigen Ausstieg fordert, muss realistisch Anlagen in der Schweiz. machbare Alternativen präsentieren. Dazu Foto: Nuklearforum Schweiz gehören auch die immensen Nachteile, die ein Ausstieg mit sich brächte. Erste Medien wie die «Weltwoche» und die «Neue Zürcher Zeitung» sind bereits dazu übergegangen, die Auch in Bezug auf die Konsequenzen für die Kosten eines allfälligen Ausstiegs zu themati- Schweiz und ihre zukünftige Atompolitik ist sieren. Vermehrt wird inzwischen auch Kri- die Debatte in der Romandie bis jetzt tik dahingehend geübt, dass man auf grüner weniger «schreierisch» verlaufen als in der Seite trotz Ausstiegsplänen keine Kompro- Deutschschweiz. So wurden in «24 heures» missbereitschaft in Sachen Natur- und Land- und «La Liberté» etwa die Unterschiede zwi- schaftsschutz zeigt. Inzwischen ebenfalls schen Mühleberg und Fukushima heraus- Eingang in die Medien gefunden haben die gestrichen. Auch die Darstellung eines mög- politischen Grabenkämpfe zwischen den lichen Erdbebens oder Dammbruchs und die Grünen und den Sozialdemokraten. Beide daraus erwachsenen Gefahren für Mühle- Parteien möchten das Thema aus wahl- berg erfolgten nüchterner. kampftaktischen Gründen für sich sichern. Die französischsprachigen Medien stellten die Zwischen Mühleberg und Fukushima politischen Konsequenzen aus Fukushima für gibt es erhebliche Unterschiede die schweizerische Atompolitik ausgewoge- ner dar. Auffallend ist, dass alle Seiten zu In der französischsprachigen Schweizer Wort kommen und nicht nur exklusiv die Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 Presse nahm die Debatte nach dem Unfall in Atomgegner. Auch wird ein allfälliger Aus- Fukushima ebenfalls den vermuteten Verlauf stieg differenzierter diskutiert: Es werden – allerdings weniger aufgeregt, eher abge- auch unangenehme Fragen für die Atom- klärt. Wie auch in den deutschsprachigen gegner aufgeworfen, etwa: Was bedeutet ein Medien wurde anfänglich über die techni- Ausstieg für die selbst gesteckten schweize- schen Probleme im Kernkraftwerk Fukushi- rischen Ziele zur Bekämpfung der globalen ma geschrieben. Dabei erklärten und kom- Klimaerwärmung? Oder: Wie würde sich un- mentierten Experten die Anlagen, Systeme ser Leben mit einem Ausstieg aus der Kern- und die aufgetretenen Probleme. energie punkto Lebensqualität verändern? Es
FORUM 6 braucht – so der Tenor in den französischspra- vorwiegend von Experten geführt. Sie chigen Medien – eine seriöse Abklärung sämt- betonen in erster Linie die Vorteile der licher Szenarien gekoppelt mit einer einge- Erzeugungsform für die USA. Als zentrale henden Debatte über die Folgen. Argumente für die Atomenergie werden die Versorgungssicherheit, die Umweltfreund- Glaube an die eigenen Fähigkeiten lichkeit, die Unabhängigkeit vom Ausland und die tiefen Kosten genannt. Wieder anders verlief die Berichterstattung in den amerikanischen Medien. Der Main- Weiter wird in den US-Medien immer wieder stream könnte etwa folgendermassen auf auch der Forschungsaspekt thematisiert. So den Punkt gebracht werden: «It is too early heisst es beim Fernsehsender CNN etwa: to judge the final outcome of the nuclear cri- «There’s a whole category of reactors in deve- sis that continues to unfold in Japan». Etwa lopment with ‹inherently safe› features that 20% des amerikanischen Stromverbrauchs use the laws of physics to prevent meltdown». stammen aus 104 Kernkraftwerkseinheiten. Hier kommt ein uramerikanisches Phäno- Die Risiken – so die Medien – sind wohl vor- men zum Tragen, nämlich der Glaube an den handen, allerdings überwiegen die Vorteile. wissenschaftlichen Fortschritt und die eige- Auf der politischen Agenda der beiden gros- nen Fähigkeiten. sen Blöcke sucht man denn auch das Thema Atomausstieg vergebens. Die Notwendigkeit Ein anderer «typisch» amerikanischer Ansatz, einer funktionierenden Energieversorgung sich mit dem Thema Fukushima zu befassen, gehört zu den Themen, bei welchen Einig- ist die Heldenverehrung. Während in der keit zwischen Demokraten und Republika- Schweiz eher die Kommunikationsdefizite nern herrscht. Es gibt folglich auch keine von Tepco auf mediales Interesse stiessen, breite politische Diskussion darüber. berichteten die amerikanischen Medien über «The Fukushima 50». In Amerika begegnet So wird die Debatte in den US-Medien über man der Kernkraftwerksbelegschaft, die ver- die aktuellen Ereignisse in Fukushima und suchte die Schäden des Unfalls zu begren- die möglichen politischen Konsequenzen zen, mit grossem Respekt. (Mirko Gentina) Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 Unvorstellbare Zerstörung: Das Erdbeben vom 11. März 2011 mit einer Stärke von 9,0 und der dadurch ausgelöste Tsunami haben in Japan bisher über 18’000 Todesopfer gefordert. Mehr als 10’000 gelten immer noch als vermisst. Foto: WorldPressAPI
Nachrichten 7 Frühjahrssession 2011: neu eingereichte parlamen- tarische Vorstösse In der Frühjahrssession 2011 der Eidge- nössischen Räte wurden wiederum zahl- reiche parlamentarische Vorstösse zur Kernenergie eingereicht, besonders sol- Politik che zu den Ereignissen in Japan. Die neu eingereichten parlamentarischen Vorstösse fordern nach dem schweren Erd- beben und Tsunami in Japan vom 11. März Die Ereignisse in Japan haben die Einreichung einer 2011 die Stilllegung der älteren Kernkraft- grossen Anzahl neuer parlamentarischer Vorstösse werke in der Schweiz oder grundsätzlich den zur Kernenergie bewirkt. Ausstieg aus der Kernenergie, befassen sich Foto: Parlamentsdienste mit Fragen zur Sicherheit der Kernanlagen und allgemein zur Erdbebensicherheit in der Schweiz, thematisieren das Sachplanverfah- ren geologische Tiefenlager und erkundigen mungen sind ein Viertel der Mitglieder jedes sich nach einem «Plan B», sollte das Verfah- Rates oder der Bundesrat berechtigt, eine ren scheitern. Zudem verlangen einige vom Einberufung zu verlangen. (M. A. nach Bundesrat eine Einschätzung der Alterna- Grüne, Medienmitteilung, 18. März 2011, tiven zur Kernenergie. Die Vorstösse sind im und Parlamentsdienste) E-Bulletin zusammengefasst und mit dem Originaltext verlinkt. Ausserordentliche Session zur Schweiz: Verfahren um Rahmen- Kernenergie im Juni 2011 bewilligungsgesuche sistiert Aufgrund der Ereignisse in Japan werden der Nationalrat wie auch der Ständerat während Aufgrund der neusten Entwicklung in der Sommersession 2011, die vom 30. Mai bis den durch das Erdbeben vom 11. März 17. Juni stattfindet, eine ausserordentliche 2011 betroffenen Kernkraftwerken in Session zur Kernenergie durchführen. Japan und nach internen Beratungen hat die Vorsteherin des Eidgenössischen Die Grüne Fraktion hatte dem Parlament mit Departements für Umwelt, Verkehr, Ener- Unterstützung der SP, der CVP/GLP/ EVP gie und Kommunikation (Uvek) Doris und der BDP eine ausserordentliche Session Leuthard entschieden, die drei Rahmen- zur Kernenergiepolitik der Schweiz bean- bewilligungsverfahren für Ersatzkern- tragt. Wie viele und welche parlamentari- kraftwerke in der Schweiz zu sistieren, Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 schen Vorstösse in der Kernenergiedebatte «bis die Sicherheitsstandards sorgfältig behandelt werden, ist noch offen. Auch der überprüft und allenfalls angepasst wur- genaue Tag für die Debatte ist noch nicht den». bekannt. Bundesrätin Doris Leuthard hat am 14. März Eine ausserordentliche Session dient nicht 2011 nach einer gemeinsamen Sitzung mit der Erledigung von Geschäften, sondern er- Vertretern des Bundesamtes für Energie laubt es den Räten, auf besondere Ereignisse (BFE) und dem Eidgenössischen Nuklear- zu reagieren. Gemäss geltenden Bestim- sicherheitsinspektorat (Ensi) beschlossen,
NACHRICHTEN 8 die laufenden Verfahren für die Rahmen- Kernkraftwerk Mühleberg sei auf die stand- bewilligungsgesuche für Ersatzkernkraft- ortspezifischen Extremereignisse ausgelegt werke zu sistieren (Bulletin 1/2011). Das und verfüge über umfangreiche Sicherheits- Ensi wurde beauftragt, eine vorzeitige systeme. Inwiefern die bestehenden Sicher- Sicherheitsüberprüfung bei den bestehenden heitsvorkehrungen aufgrund der japanischen Kernkraftwerken einzuleiten. Beim Kern- Ereignisse neu beurteilt werden müssten, kraftwerk Mühleberg laufe bereits eine werde die Analyse der nuklearen Ereignisse Sicherheitsüberprüfung. in Japan ergeben, so die BKW. Auch die Axpo unterstützt angesichts der Vorfälle in Politik Bundesrätin Leuthard hat das Ensi beauf- Japan den Entscheid des Uvek. (M. A. nach tragt, die Ursachen des Unfalls in Japan ge- Uvek, Alpiq, Axpo, und BKW, Medienmittei- nau zu analysieren und daraus allfällige neue lungen, 14. März 2011) oder schärfere Sicherheitsstandards abzulei- ten, insbesondere betreffend Erdbeben- sicherheit und Kühlung. Die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus diesen Unter- Uvek überarbeitet suchungen müssten in die Beurteilung der Energieperspektiven Lage bei den bestehenden und der neu geplanten Kernkraftwerke einfliessen. Die Rahmenbewilligungsgesuche für den Ersatz Der Bundesrat hat dem Eidgenössischen bestehender Kernkraftwerke könnten nur in Departement für Umwelt, Verkehr, Ener- Kenntnis dieser Abklärungen umfassend gie und Kommunikation (Uvek) grünes beurteilt werden. Für Leuthard haben die Licht für die Aktualisierung der Energie- «Sicherheit und das Wohlergehen der Bevöl- perspektiven gegeben. Dabei stehen drei kerung oberste Priorität». mögliche Optionen für die künftige Schweizer Stromversorgung im Zentrum. Die Fachleute des Bundes stehen in ständi- Erste Resultate werden bis zum kommen- gem Kontakt mit Experten auf internationa- den Juni erwartet. ler Ebene, namentlich mit den Fachleuten der Internationalen Atomenergie-Organisa- Parallel zur Aktualisierung der Energieper- tion (IAEO), der OECD und der EU, betont spektiven sollen die damit verbundenen öko- das Uvek in einer Medienmitteilung. Das nomischen sowie innen- und aussenpoliti- Ensi halte Bundesrätin Leuthard über die schen Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung in Japan ständig auf dem Lau- künftigen Stromversorgung der Schweiz be- fenden. Das Ensi sei beauftragt, die Bevölke- antwortet werden. Als Diskussionsgrundlage rung regelmässig zu informieren. stehen drei Stromszenarien im Mittelpunkt: In der ersten Variante wird der heutige Strommix beibehalten und die Kapazität der Alpiq, Axpo und BKW zeigen drei ältesten Kernkraftwerke durch neue er- Verständnis für Uvek-Entscheid setzt. Die zweite Variante sieht keinen Ersatz bestehender Kernkraftwerke am Ende ihrer In einer Stellungnahme zeigte die Alpiq Ver- Betriebszeit vor. Und schliesslich beschreibt Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 ständnis dafür, dass die Schweizer Behörden die dritte Variante den vorzeitigen Ausstieg die Ereignisse in Japan ohne Zeitdruck aus- aus der Kernenergie, das heisst bestehende werten und ihre Erkenntnisse in die sicher- Kernkraftwerke werden noch vor ihrer heitstechnischen Vorgaben einfliessen las- sicherheitstechnischen Betriebszeit ausser sen wollen. Die BKW FMB Energie AG gab Betrieb gesetzt. In diesem Zusammenhang bekannt, sie unterstütze die Sistierung der sind für den Bundesrat die Potenziale, die Rahmenbewilligungsgesuche für die Reali- zusätzlichen Fördermassnahmen und der sierung der Ersatzkernkraftwerke und eine Zeitbedarf von Interesse. Insbesondere will zusätzliche Sicherheitsüberprüfung der be- er «Massnahmen in den Bereichen Smart- stehenden Kernkraftwerke. Sie teilte mit, das energy, Smartgrids, Netze, Energieeffizienz,
NACHRICHTEN 9 Erneuerbare Energien, Forschung und Ent- Photovoltaik, 4% Biomasse und Biogas, 3% wicklung sowie Pilot- und Demonstrations- Wind sowie 2% Kehrichtverbrennungsan- anlagen vertieft analysieren». (M.B. nach lagen und Abwasserreinigungsanlagen. BFE, Medienmitteilung, 23. März 2011) Reichen erneuerbare Energien und Energie- effizienz nicht aus, wollen die Grünen auf dezentrale Erzeugungsmethoden mit Erdgas Grüne lancieren Volksinitiative setzen (Blockheizkraftwerke und WKK). Nur zum Kernenergieausstieg im äussersten Fall kämen grosstechnische Politik Gaskraftwerke mit vollständiger CO2-Kom- pensation in Frage. Die Grüne Partei der Schweiz will, dass die Schweiz bis 2024 «geordnet aus der Als Hauptmassnahme für die Förderung der Atomenergie» aussteigt. Dieses Ziel ver- Energieeffizienz setzen die Grünen auf folgen die Grünen mit einer Volksinitia- Bonus-Malus-Systeme, Effizienznormen und tive, deren Entwurf seit Ende März 2011 Verbote für ineffiziente Geräte, Elektrohei- bei der Bundeskanzlei hinterlegt ist. Die zungen und Elektroboiler. Für den Ausbau Delegierten haben die Lancierung der der erneuerbaren Energien setzen die Grü- Initiative an ihrer Versammlung vom nen in erster Linie auf die Aufhebung des 9. April beschlossen. Deckels der kostendeckenden Einspeisever- gütung. Angesetzt werden soll zuallererst Die Volksinitiative «Für den geordneten Aus- bei denjenigen Projekten, bei denen keine stieg aus der Atomenergie» (Atomausstiegsin- Konflikte zwischen Schutz und Nutzung be- itiative) fordert die Änderung des Artikels 90 stehen. (M.A. nach Die Grünen, Textentwurf der Bundesverfassung (BV) zur Kernenergie, zur Volksinitiative «Für den geordneten Aus- der künftig Bau und Betrieb von Kernkraft- stieg aus der Atomenergie» [Atomausstiegs- werken verbieten soll. Die Ausführungsge- initiative], Medienkonferenz und Medienmit- setzgebung soll sich an Art. 89 BV Abs. 1 teilungen, 29. März und 9. April, sowie Ener- und 2 orientieren und den Schwerpunkt auf gieforum Schweiz, Energie-Report, 29. März Energiesparmassnahmen, die effiziente Nut- 2011) zung von Energie und die Erzeugung erneu- erbarer Energien legen. In den Übergangsbe- stimmungen soll festgehalten werden, dass die Kernkraftwerke Mühleberg, Beznau-1 Energie-Positionspapier der BDP sowie Beznau-2 spätestens ein Jahr nach Annahme eines revidierten Artikels ausser Betrieb zu nehmen sind und die Kernkraft- Der Vorstand der Bürgerlich-Demokra- werke Gösgen sowie Leibstadt spätestens 40 tischen Partei der Schweiz (BDP) hat am Jahre nach Inbetriebnahme (das heisst 2019 Vorabend der Delegiertenversammlung und 2024) oder früher, sofern es die Sicher- vom 26. März 2011 das von der Bundes- heit erfordert. hausfraktion der BDP Schweiz ausgear- beitete Positionspapier Energie geneh- Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 Den Ersatz der wegfallenden Stromproduk- migt. Darin nimmt die Partei Abstand tion soll eine «Agenda 24» sicherstellen, die von der bisherigen Haltung, erst mittel- auf Energieeffizienz und erneuerbare Ener- bis langfristig aus der Kernenergie auszu- gien setzt. Demnach sollen bis 2024 rund steigen. Sie fordert jedoch weiterhin eine 17 TWh Strom jährlich eingespart werden, autonome und CO2-arme Energieproduk- wodurch der Jahresverbrauch bei etwas über tion. 60 TWh stabilisiert werden könnte. Dieser Strombedarf soll wie folgt abgedeckt wer- Bisher habe sich die BDP in ihrem Parteipro- den: 69% Wasserkraft, 5% fossil betriebene gramm für einen mittel- bis langfristigen Wärmekraftkopplungsanlagen (WKK), 13% Ausstieg aus der Kernenergie ausgespro-
NACHRICHTEN 10 Politik Die BDP Schweiz setzt eine Arbeitsgruppe ein, die bis zur ausserordentlichen Debatte zur Energiepolitik während der Sommersession 2011 Lösungsvorschläge ausarbeiten wird. Dies hat die Delegiertenversammlung vom 26. März 2011 beschlossen. Foto: BDP chen. Sie habe die bundesrätliche Energie- Der Ausstieg aus der Kernenergie solle nicht strategie, welche die erneuerbaren Energien auf Kosten des Klimas gehen und die Schweiz und die Energieeffizienz fördern wolle, un- dürfe langfristig nicht von Gas oder von «dre- terstützt. Weil die Versorgung auf diese Wei- ckigem ausländischem Strom» abhängig sein. se aber noch nicht vollständig sichergestellt werden könne, habe die BDP bisher die Auf- Wasserkraft besser nutzen fassung vertreten, dass die Kernenergie vor- läufig eine notwendige Form der Energie- Die BDP sei sich bewusst, dass die neuen er- gewinnung sei, um die Versorgungslücke zu neuerbaren Energiequellen nicht innert nütz- überbrücken und den CO2-Ausstoss mög- licher Frist die Stromlücke, die der Ausstieg lichst schnell zu reduzieren. aus der Kernenergie mit sich bringen werde, deckten. Um diese Lücke «zu tragfähigen Ausstieg aus der Kernenergie wirtschaftlichen Bedingungen» schliessen zu wahrscheinlich können, setzt die BDP deshalb einerseits auf Massnahmen im Bereich der Energieeffi- Die BDP ist nun der Ansicht, dass seit den zienz und andererseits auf eine bessere Nut- Ereignissen in Japan die Kernenergie welt- zung der Wasserkraft. Die BDP fordert dazu weit und auch in der Schweiz als Option zur einen Generationenvertrag mit Umweltver- Energiegewinnung mit grösster Wahrschein- bänden, Landschaftsschützern und gewissen lichkeit wegfallen werde. Die abschliessende Teilen der Politik, damit die Potenziale der Analyse der Ergebnisse in Fukushima stehe erneuerbaren Energien und insbesondere Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 zwar noch aus, «doch der Zeitpunkt für ei- der Wasserkraft besser genutzt werden kön- nen koordinierten und kontrollierten Aus- nen. Gleichzeitig fordert sie eine Anpassung stieg aus der Kernenergie ist klar in die Nähe der Gesetze, insbesondere zur Beschleuni- gerückt», schreibt die BDP in ihrem Posi- gung der Bewilligungsverfahren und zur tionspapier. Einschränkung der «Verhinderungsmecha- nismen». Gleiches gelte für andere erneuer- Die BDP akzeptiere die neue Ausgangslage. bare Energien wie zum Beispiel Solarenergie Sie sei aber nicht bereit, deswegen ihre ener- oder Windkraft. (M. A. nach BDP, Medien- giepolitischen Anliegen – autonome und mitteilung, 26. März, und Positionspapier CO2-arme Energieproduktion – aufzugeben. Energie, 20. März 2011)
NACHRICHTEN 11 Fessenheim-Abschaltung fordern und dass die bei einem starken Erdbeben Basel-Stadt, Basel-Landschaft … auftretenden Kräfte signifikant unterschätzt würden. «Die Anlage ist veraltet und dürfte gemäss Experten einem starken Erdbeben Die Regierungen der Halbkantone Basel- nicht standhalten», machen sie geltend. Stadt und Basel-Landschaft verlangen von den französischen Behörden und der Be- Das Verwaltungsgericht in Strassburg hatte treiberin Electricité de France (EDF) eine die Klage des Trinationalen Atomschutzver- sofortige vorübergehende Abschaltung bands (Tras) auf sofortige Stilllegung von Politik des französischen Kernkraftwerks Fes- Fessenheim am 9. März 2011 abgewiesen senheim, «bis eine intensive Kontrolle (E-Bulletin vom 21. März 2011). (M. A. nach unter Einbezug der Ergebnisse aus den Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft, Ereignissen in Japan durchgeführt wor- Medienmitteilung, 22. März 2011) den ist». Eine entsprechende Forderung zur Abschal- tung und sofortigen vorübergehenden Still- … sowie auch der Jura legung des 35 Kilometer nördlich von Basel entfernten Kernkraftwerks Fessenheim de- ponierte Guy Morin, Regierungspräsident Die Regierung des Kantons Jura verlangt von Basel-Stadt, am 1. April 2011 anlässlich – wie bereits die Regierungen der beiden eines Geschäftstreffens mit Philippe Richert, Halbkantone Basel-Landschaft und Basel- dem Präsidenten des Conseil régional Stadt – die sofortige Abschaltung des d’Alsace. französischen Kernkraftwerks Fessen- heim. Sie hat sich am 30. März 2011 der Mit einem gemeinsamen Brief an den Bun- Forderung der beiden Basel angeschlos- desrat möchten die beiden Kantonsregierun- sen. gen zudem sicherstellen, dass beim geplan- ten Treffen von Bundesrätin Doris Leuthard, Die gemeinsame Forderung der drei Regie- Leiterin des Departements für Umwelt, Ver- rungen wurde dem Präsidenten des Conseil kehr, Energie und Kommunikation (Uvek), régional d’Alsace, Philippe Richert, am mit der französischen Ministre de l’écologie, 1. April 2011 übergeben. Der Antrag verlangt du développement durable, des transports et von den französischen Behörden und der Be- du logement, Nathalie Kosciusko-Morizet, treiberin Electricité de France (EDF) die vor- auch die Risiken von Fessenheim bespro- läufige Abschaltung von Fessenheim, damit chen werden und die Forderungen der das Kernkraftwerk einer gründlichen Über- Regierungsräte nach einer Abschaltung des prüfung unterzogen werden könne, welche Kernkraftwerks den französischen Behörden die aus den Ereignissen in Japan zu ziehen- überbracht werden. den Lehren mit einbezieht. Damit solle die Sicherheit und die Gesundheit der Bevölke- Bedenken wegen Erdbebensicherheit rung gewährleistet werden, die durch Un- sicherheiten hinsichtlich der Widerstands- Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 Nach Meinung der beiden Basel stellt Fessen- fähigkeit gegen Erdbeben und durch das Al- heim eine ernsthafte Bedrohung für die regi- ter der Anlage in Frage gestellt sei, teilte die onale Bevölkerung dar. Eine Expertise der Regierung mit. Fessenheim liege in einem Kantone Basel-Stadt und Jura aus dem Jahre erdbebengefährdeten Gebiet, das etwa 60 2007 sei zum Schluss gekommen, dass die in km in Luftlinie vom Kanton Jura entfernt ist. Frankreich angewandte Richtlinie zur Er- mittlung der Erdbebengefährdung für Kern- Die Regierung werde ausserdem Bundes- anlagen nicht dem Stand der gegenwärtigen rätin Doris Leuthard, Leiterin des Departe- Kenntnisse und Praxis entsprechen würde ments für Umwelt, Verkehr, Energie und
NACHRICHTEN 12 Kommunikation (Uvek), bitten, das Begeh- Obama kündigte an, die Ölimporte bis 2020 ren zusammen mit demjenigen der beiden um einen Drittel reduzieren zu wollen. «Heu- Basel beim nächsten Ministertreffen zwi- te gebe ich ein neues Ziel bekannt – eines, schen Frankreich und der Schweiz weiterzu- das vernünftig, erreichbar und notwendig leiten. ist», sagte Obama. «Als ich in dieses Amt ge- wählt wurde, importierten die USA 11 Mio. Das Verwaltungsgericht in Strassburg hatte Barrel Öl pro Tag. In etwas mehr als einem die Klage des Trinationalen Atomschutzver- Jahrzehnt werden wir dies um einen Drittel bands (Tras) auf sofortige Stilllegung von Fes- verringert haben», so Obama. Politik senheim am 9. März 2011 abgewiesen (E-Bul- letin vom 21. März 2011). (M. A. nach Kanton Verringerung der Abhängigkeit Jura, Medienmitteilung, 30. März 2011) Um dieses Ziel zu erreichen, müsse einer- seits mehr Öl und Erdgas im Inland gefördert werden und andererseits die Öl-Abhängig- Obama bekennt sich weiterhin keit durch Biokraftstoffe und mehr Effizienz zur Kernenergie ersetzt werden. Die USA könnten es sich nicht leisten, ihren langfristigen Wohlstand und ihre langjährige Sicherheit auf eine Res- Am 30. März 2011 hat der amerikanische source beruhen zu lassen, die letztendlich Präsident Barack Obama in einer Rede an ausgehen werde. der Georgetown University in Washing- ton DC seine Vision zur Energieversor- Kernenergie nötig gungssicherheit in den USA dargelegt. Schwerpunkt ist die Verringerung der Obama erinnerte daran, dass der Atom- Abhängigkeit von Ölimporten. Obama stromanteil des Landes etwa 20% betrage. Es sprach sich für Investitionen in erneuer- sei wichtig anzuerkennen, dass Kernkraft- bare Ressourcen und alternative Kraft- werke kein CO2 in die Atmosphäre ausstos- stoffe aus. Trotz der Tragödie in Japan sen. Sie könnten, sofern sie sicher betrieben könne auf die Kernenergie nicht verzich- würden, erheblich zum Klimaschutz beitra- tet werden, erklärte er vor über 1000 Stu- gen. «Ich bin fest entschlossen, zu gewähr- dierenden, Dozenten und Mitarbeitern leisten, dass sie sicher sind», erklärte Obama. der Universität sowie Energieexperten. In Anbetracht dessen, was in Japan gesche- he, habe er die Nuclear Regulatory Commis- sion (NRC) beauftragt, eine umfassende Sicherheitsüberprüfung aller in Betrieb stehender Kernkraftwerke der USA durch- zuführen. Die Schlussfolgerungen der NRC und die Lehren aus Japan würden bei der Auslegung und dem Bau neuer Kernkraft- werke übernommen. «Wir können die Kern- energie nicht einfach vom Tisch wischen», Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 stellte Obama klar. (M. A. nach Barack Obama, Redetext, sowie Georgetown Univer- sity, Medienmitteilung und Videoübertra- gung, 30. März 2011) Barack Obama: «Wir können die Kernenergie nicht einfach vom Tisch wischen.» Foto: Georgetown University
NACHRICHTEN 13 USA: amerikanische Kernkraft- werke sind sicher Im Rahmen einer mündlichen Ausspra- che vor dem Subcommittee on Energy and Water Development hat der amerikani- sche Energy Secretary Steven Chu zu den Ereignissen in Japan Stellung genommen. Politik Die USA würden daraus ihre Lehren zie- hen, versicherte er. Die amerikanische Bevölkerung solle volles Vertrauen in die strengen Sicherheitsvor- schriften für Kernkraftwerke haben, die in Bundeskanzlerin Angela Merkel während einer Presse- den USA angewendet werden, sagte Chu. Die konferenz nach dem Gespräch mit Ministerpräsidenten Vorschriften stellten sicher, dass der Nukle- der Länder, die Kernkraftwerke in Betrieb haben. arstrom in den USA sicher und verantwor- Foto: Guido Bergmann tungsvoll erzeugt werde. Laut Chu werden die USA aus den Ereignissen in Japan ihre Lehren ziehen. «Die Sicherheit steht weiterhin an oberster Die Sicherheit aller deutschen Kernkraft- Stelle unserer Bemühungen, die Energie- werke soll einer vorbehaltlosen Analyse un- ressourcen in den USA verantwortungsvoll zu terzogen werden (siehe Rubrik «Sicherheit, entwickeln», erklärte Chu. Um den Energie- Strahlenschutz»). Für drei Monate will die bedarf des Landes zu decken, sei weiterhin deutsche Regierung dafür die kürzlich be- ein ausgewogener Energiemix aus erneuer- schlossene Laufzeitverlängerung aussetzen. baren Energien, Erdgas, sauberer Kohle und «Wir wollen diese drei Monate nutzen, um Kernenergie nötig. (M.A. nach Department of mit einer unabhängigen Expertenkommis- Energy, Medienmitteilung, 15. März 2011) sion, die zusammen mit der Bundesregie- rung arbeitet, noch einmal eine neue Risiko- analyse aller deutschen Kernkraftwerke auf Grundlage der neuen Erkenntnisse vorzu- Laufzeitverlängerung deutscher nehmen, die wir aus Japan erhalten haben», Kernkraftwerke ausgesetzt erklärte Westerwelle. Er versicherte weiter, dass weder die Energieversorgung noch die Staatsfinanzen durch das dreimonatige Aufgrund der Ereignisse in Japan wird Moratorium «tangiert, geschweige denn ge- die erst kürzlich beschlossene Verlänge- fährdet» würden (siehe Rubrik «Stellung- rung der Laufzeiten deutscher Kernkraft- nahmen, Meinungsumfragen»). werke für drei Monate ausgesetzt. Dies Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 hat Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sieben Kernkraftwerkseinheiten Beisein von Vizekanzler Guido Westerwel- vorübergehend abstellen le am 14. März 2011 bekannt gegeben. Mit den Ministerpräsidenten der Länder, in Angesichts der Sicherheitsüberprüfung aller denen Kernkraftwerke am Netz sind, hat Kernkraftwerke werden die Kernkraftwerks- die Regierung einen Tag darauf verein- einheiten, die vor Ende 1980 in Betrieb ge- bart, diejenigen Einheiten während des gangen sind, während des Moratoriums vom Moratoriums abzustellen, die vor Ende Netz genommen, während die Blöcke, die 1980 den Betrieb aufgenommen haben. nach Ende 1980 in Betrieb gegangen sind,
NACHRICHTEN 14 während der Sicherheitsüberprüfung weiter- laufen dürfen, erläuterte Merkel. Von der Ab- schaltung betroffen sind demnach Biblis-A und -B, Brunsbüttel, Isar-1, Neckarwest- heim-1, Philippsburg-1 und Unterweser. «Energiewende» beschleunigen Merkel kündigte zudem an, den kürzlich mit Politik dem Energiekonzept 2050 eingeschlagenen Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien weiter zu forcieren. Die Konzeption der Kernenergie als Brückentechnologie habe von vornherein erkennen lassen, dass der Ausstieg komme. Ein überstürztes Abschal- ten der deutschen Kraftwerke bei gleichzeiti- EU-Energiekommissar Günther gem Einkauf ausländischen Atomstroms Oettinger mahnt zur Geduld, da noch könne aber auch jetzt nicht die Antwort auf nicht alle Fakten zu den Ereignissen in die Katastrophe sein, so Merkel. (M. A. nach Japan vorliegen: «Es wäre falsch, vor- deutscher Bundesregierung, Medienmittei- eilige Schlüsse über die Sicherheit von lungen und Pressestatements, 14. und Kernkraftwerken in Europa zu ziehen.» 15. März 2011) Foto: Europäische Union «Stresstest» für Kernkraftwerke Oettinger: Keine Bewegung bei in der EU beschlossen EU-Atomkurs In einer ausserordentlichen Sitzung mit dem Als Reaktion zum Erdbeben und Tsunami Ausschuss für Industrie, Forschung und in Japan müssen sich alle europäischen Energie des EU-Parlaments sagte Oettinger, Kernkraftwerke einer Sicherheitsprü- er sehe keine Ausstiegsdebatte in der EU. Es fung unterziehen. Darauf haben sich die habe bei den Energieministern in dieser Fra- EU-Energieminister bei einem Treffen mit ge «keine Bewegung» gegeben. Frankreich, EU-Energiekommissar Günther Oettinger Italien und Grossbritannien machten bei- am 15. März 2011 in Brüssel geeinigt. spielsweise keine Anzeichen, den Atomkurs zu ändern. «Die Ausstiegsdebatte beschränkt Oettinger kündigte eine Neubewertung aller sich auf den deutschsprachigen Bereich», Risiken der Anlagen bei Naturkatastrophen so Oettinger im EU-Parlament. Die EU- wie Erdbeben, Hochwasser oder auch einem Parlamentarier Alejo Vidal (Spanien), Terrorangriff an. Überprüft werden unter an- Giles Chichester (Grossbritannien) und Edit derem die Kühl- und Notstromsysteme. Der Herczog (Ungarn) warnten vor einer Über- Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 Kernkraftwerksstandort und das Alter der reaktion. Europa solle nicht in Panik geraten Anlage würden in Betracht gezogen. Bis Juni und zuerst alle Einzelheiten der Ereignisse 2011 sollen die Kriterien der Stresstests fest- in Japan korrekt einbeziehen, bevor langfris- stehen. In der zweiten Jahreshälfte sollen die tige Entscheide zur Energiezukunft getrof- Prüfungen abgeschlossen sein. fen würden. (M. A. nach Europäisches Par- lament und Euractiv, Medienmitteilungen, 15. März 2011)
NACHRICHTEN 15 EU-Kommission nimmt nuklearen Experimentalreaktors (Iter) in Vorschlag zur Euratom-Budget- Frankreich liegt. Für die Forschungsprojekte verlängerung an in den Bereichen Kernspaltung und Strah- lenschutz werden EUR 118 Mio. (CHF 153 Mio.) bereitgestellt. Die Nuklearforschung Die EU-Kommission hat am 7. März 2011 und die Arbeiten zur Gewährleistung der einen Vorschlag zur Verlängerung der kerntechnischen Sicherheit in der Gemein- Finanzierung des Euratom-Rahmenpro- samen Forschungsstelle der Kommission gramms 2007–2011 bis 2013 angenom- (JRC) werden mit EUR 233 Mio. (CHF 290 Politik men, mit dem die Nuklearforschung Mio.) unterstützt. unterstützt wird. Iter-Zusatzbudget vorbehalten Die Budgetverlängerung ist ein formal not- wendiger Schritt, um die Laufzeit des Eura- In den für die Kernfusion vorgesehenen tom-Rahmenprogramms der siebenjährigen EUR 2,2 Mrd. (CHF 2,9 Mrd.) sind EUR 1,3 Laufzeit des übergreifenden Siebten EU-For- Mrd. (CHF 1,7 Mrd.) enthalten, die voraus- schungsrahmenprogramms (RP7) anzupas- sichtlich in den Jahren 2012 /13 zusätzlich sen, das bis 2013 läuft. Der Vorschlag bein- zur ursprünglich geplanten Zuweisung an halte keine Änderung der Politik, hält die den Iter erforderlich sein werden. Der heu- EU-Kommission in ihrer Medienmitteilung tige Vorschlag berührt jedoch nicht die fest. Die EU-Organe hätten bei der Lancie- finanziellen Grundlagen des Iter, denn für rung beider Programme im Jahr 2007 diesen die Bereitstellung dieser zusätzlichen Mittel Verlängerungsvorschlag bereits eingeplant. ist eine eigene Übereinkunft zwischen dem Der Vorschlag wurde am 8. März 2011 dem Rat und dem Europäischen Parlament erfor- EU-Rat vorgelegt, der vor Jahresende darü- derlich. Die Kommission schlug im Juli 2010 ber beschliessen dürfte. Mit der Verabschie- vor, nur einen Drittel der für den Iter zusätz- dung durch den EU-Rat könnten die laufen- lich notwendigen Mittel durch die Umvertei- den Euratom-Forschungsarbeiten weiterge- lung von Mitteln des RP7 zu finanzieren und hen. Sie dienen unter anderem der Erhöhung der nuklearen Sicherheit und dem Strahlen- schutz, so die EU-Kommission. Máire Geoghegan-Quinn, EU-Kommissarin für Forschung, Innovation und Wissenschaft, erklärte: «Die Euratom-Forschung leistet seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag zu Sicherheit, Effizienz und Wettbewerbsfähig- keit im Nuklearbereich. Dank dem heute vorgelegten Vorschlag kann dies weiterge- hen. Einige Mitgliedstaaten setzen die Kern- energie als Energietechnologie ein, andere nicht. Diese Entscheidung ist nach wie vor Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 ihre Sache.» Budget von insgesamt 2,5 Mrd. Euro EU-Kommissarin Máire Geoghegan-Quinn: «Die Eura- Das vorgesehene Budget von EUR 2,5 Mrd. tom-Forschung leistet seit vielen Jahren einen wichtigen (CHF 3,2 Mrd.) für die Jahre 2012 und 2013 Beitrag zu Sicherheit, Effizienz und Wettbewerbsfähig- umfasst etwas mehr als EUR 2,2 Mrd. (CHF keit im Nuklearbereich. Dank dem heute vorgelegten 2,9 Mrd.) für die Kernfusionsforschung, bei Vorschlag kann dies weitergehen». welcher der Schwerpunkt im Wesentlichen Foto: Europäische Union auf dem Bau des Internationalen Thermo-
NACHRICHTEN 16 die anderen beiden Drittel aus nicht ver- offenen Prozess eingeleitet. Die BKW ist wendeten Haushaltsmitteln aufzubringen für alle sicheren, umweltfreundlichen (E-Bulletin vom 23. Juli 2010). Der Rat und und wirtschaftlichen Technologien zur das Europäische Parlament müssen über Stromproduktion zugänglich. Ein poli- diesen Vorschlag noch beschliessen. (M. A. tisch motiviertes vorzeitiges Abschalten nach Europäische Kommission, Medienmit- des KKM jedoch würde der Umwelt scha- teilung, 7. März 2011) den und hätte schwer abschätzbare Aus- wirkungen auf den Strompreis. Politik Am 31. März 2011 traten BKW-Verwaltungs- Italien hat Neubaupläne ratspräsident Urs Gasche und Kurt Rohr- aufgeschoben bach, Vorsitzender der Unternehmenslei- tung, vor die Medien, um die Bevölkerung Stellungnahmen / Meinungsumfragen angesichts der Ereignisse in Japan über die Die italienische Regierung hat die Umset- aktuelle Standortbestimmung der BKW in zung ihrer Pläne für den Bau neuer Kern- Bezug auf die Sicherheit des KKM und über kraftwerke für ein Jahr auf Eis gelegt. künftige Herausforderungen bei der Strom- Mitte 2009 hatte das italienische Parla- versorgung zu informieren. Urs Gasche wies ment den vor über 20 Jahren beschlosse- auf die Grundhaltung der BKW hin, wonach nen Ausstieg aus der Kernenergie rück- die Sicherheit im KKM absolute Priorität hat. gängig gemacht. Seither arbeitete die Der Grundsatz «safety first» gelte in allen Regierung am Wiedereinstieg. Belangen, «und zwar mit Null Toleranz», so Gasche. Die BKW unterstütze die entspre- Das italienische Kabinett hat am 23. März chenden Anstrengungen der Sicherheits- 2011 bestätigt, dass die Regierung ein einjäh- behörden und habe aus den bisher gewonne- riges Moratorium für ihr Kernkraftwerks- nen Erkenntnissen über die Ereignisse im ja- Neubauprogramm beschlossen hat. Italien panischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi reagiert damit auf die aktuellen Gescheh- erste Massnahmen eingeleitet, um die schon nisse im japanischen Kernkraftwerk Fuku- heute hohe Sicherheit des KKM weiter zu shima-Daiichi, das aufgrund der Auswirkun- verbessern. Kurt Rohrbach nahm für die gen des schweren Erdbebens mit Tsunami BKW in Anspruch, dass sie sich den Fragen am 11. März stark beschädigt wurde. Vom der Sicherheit «nicht erst seit Fukushima sehr Moratorium nicht betroffen sind laufende intensiv widmet». Er wies darauf hin, «dass Verfahren für den Bau eines Lagers für das Reaktorgebäude des KKM und das soge- radioaktive Abfälle, teilt der Ministerrat mit. nannte SUSAN-Gebäude – also jene Gebäu- (M.B. nach italienischem Ministerrat, Mittei- de, die für die Beherrschung eines Störfalles lung, 23. März 2011) notwendig sind – einem Beben der Stärke 7 standhalten». Den Nachweis dafür habe die BKW Ende 2010 beim Eidgenössischen Nuk- learsicherheitsinspektorat (Ensi) eingereicht, BKW offen für «weiter- das diesen Bericht zurzeit begutachte. Weiter entwickelte» Kernenergie habe die BKW laut Rohrbach am 31. März Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 dem Ensi ihre Stellungnahme zum Beschluss vom 18. März eingereicht. Diese Verfügung Die BKW FMB Energie AG (BKW) hat vor verlangt die Überprüfung und nachfolgend dem Hintergrund der aktuellen Ereignis- die allfällige Behebung von Defiziten bei der se in Japan eine erste Standortbestim- Erdbebensicherheit, die Dezentralisierung mung zur Sicherheit des Kernkraftwerks der Einsatzmittel sowie eine separate Küh- Mühleberg (KKM) vorgenommen. Sie will lung der Brennelementbecken. Nach der ihre Unternehmensstrategie überprüfen Stellungnahme der BKW sei nun laut Rohr- und hat dazu einen breiten und sachlich bach das Ensi am Zug. ➜
NACHRICHTEN 17 Stellungnahmen / Meinungsumfragen Überprüfung der Unternehmensstrategie sorgung im Kanton Bern», so Rohrbach. Für einen kurzfristigen Ersatz des Stroms aus Eine zweite Konsequenz des Unglücks in dem KKM käme nur der Import in Frage. Da Japan ist laut Gasche die Überprüfung der der Strom aus der EU zur grossen Mehrheit Unternehmensstrategie. Dabei ginge es «nicht aus fossil produziertem Strom bestehe, hätte um überhasteten Aktivismus, wie er verbal dies negative Auswirkungen auf die CO2- mitunter die aktuelle Diskussion prägt». Die Bilanz der Schweiz. Eine neue Prioritäten- BKW will sich bei einer Anpassung der Stra- setzung muss laut Rohrbach bewusst gesche- tegie weiter an das in der Bundesverfassung hen. Der Verzicht auf Kernenergie würde verankerte Ziel der sicheren, umweltfreundli- ausserdem einen nicht abschätzbaren Ein- chen und wirtschaftlichen Stromversorgung fluss auf den Strompreis haben. Solle das halten und möglichst auf inländische Pro- KKM mittelfristig mit inländischen, nicht- duktion setzen. Bisher habe sich die BKW im nuklearen Kraftwerken ersetzt werden, Rahmen einer möglichst CO2-freien Strom- müssten laut Rohrbach die Rahmenbedin- produktion für den Ersatz des in absehbarer gungen wie beispielsweise das Gewässer- Zeit vom Netz gehenden KKM eingesetzt. schutz- oder das CO2-Gesetz angepasst wer- Gasche begrüsste die Sistierung der Rahmen- den, da sonst kein Zubau möglich sei. Gas- bewilligungsgesuche durch Bundesrätin che zeigte sich in Anbetracht der aktuellen Doris Leuthard. Nun sei eine umfassende ge- Herausforderungen «offen für den Einbezug sellschaftspolitische Diskussion angesagt, neuer, dereinst bereitstehender, weiterent- und die BKW werde die Behörden nach Kräf- wickelter oder neuer Technologien». Dazu ten in ihrer Arbeit unterstützen. zähle er auch die Kernenergie mit aufgrund der Erkenntnisse aus Japan weiterentwickel- Bei der Überprüfung der Unternehmensstra- ter Sicherheit. (M. Re. nach BKW, Medien- tegie wolle die BKW abschätzen, «inwiefern orientierung, 31. März 2011) die bisher wegen Widerständen aller Art ein- geschränkten Optionen im Gefolge der Ge- schehnisse in Japan mehr Potenzial bekom- men». Dabei stünden die Energieeffizienz so- Deutschland: Moratorium wie Projekte im Bereich der neuen führt zu Stromimport und erneuerbaren Energien und der Wasserkraft höheren Preisen im Vordergrund. Solche Projekte sind in der Vergangenheit auf vermehrten Widerstand von Umweltschutzverbänden gestossen, wie Die Stromeinfuhr aus Frankreich und der das Beispiel der geplanten Erhöhung der Tschechischen Republik hat sich seit dem Grimsel-Staumauer zeige. Laut Gasche sind Beschluss der deutschen Regierung von die Gegner des Ausbaus der Grimselkraft- Mitte März 2011, die sieben ältesten Kern- werke oder des Leitungsprojektes Wattenwil- kraftwerkseinheiten im Rahmen eines Mühleberg auch nach den Ereignissen in dreimonatigen Moratoriums vorüberge- Japan bisher nicht von ihrer Haltung abge- hend abzuschalten, verdoppelt. Dies zeigt wichen. Weiter gelte es herauszufinden, ob die neueste Analyse des deutschen Bun- in Anbetracht der Klimapolitik die Akzep- desverbands der Energie- und Wasserwirt- Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 tanz von Gaskraftwerken steigen würde. schaft e. V. (BDEW) vom 2. April 2011. Seit dem 17. März importierte Deutschland Kernenergie nicht vom Tisch demnach täglich rund 50 GWh mehr als es exportierte. Gasche und Rohrbach betonten, dass eine sofortige Ausserbetriebnahme des KKM im- Während in der ersten Märzhälfte noch ein mense volkswirtschaftliche und ökologische in Deutschland saisonal üblicher Export- Auswirkungen hätte. «Mühleberg ist unbe- überschuss bestand, entwickelte sich die stritten der wichtigste Pfeiler der Stromver- Situation mit dem Herunterfahren der Kern-
NACHRICHTEN 18 Stellungnahmen / Meinungsumfragen US-Bürger halten ihre Kernkraft- werke für sicher Eine Mehrheit der US-Bürger ist der Mei- nung, dass die amerikanischen Kern- kraftwerke auch nach dem Reaktorunfall in Japan sicher sind. Dies bestätigt eine Ende März 2011 durchgeführte Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinsti- tuts Gallup. Die für die Gallup-Umfrage verwendeten 527 telefonischen Interviews wurden vom 25. bis 27. März 2011 durchgeführt. 58% der Befrag- ten hielten demnach die amerikanischen Hildegard Müller, Vorsitzende des BDEW, fordert von Kernkraftwerke für sicher. Demgegenüber der Bundesregierung, die Zeit des Moratoriums zu waren 36% der Meinung, die Anlagen seien nutzen, um «einen Konsens zwischen den Parteien, nicht sicher. Die Gallup hatte bereits im Jahr zwischen Bund und Ländern, gesellschaftlichen 2009 eine ähnliche Umfrage durchgeführt, Gruppen und natürlich auch mit der Energiewirtschaft jedoch den Standort der Kernkraftwerke zu diskutieren». nicht spezifiziert. Damals hielten 56% der Foto: BDEW Befragten Kernkraftwerke im Allgemeinen für sicher – fast gleich viele wie nach dem Reaktorunfall in Japan. kraftwerke entgegengesetzt (siehe Rubrik Den Zubau von Kernkraftwerken zur Lösung «Politik»). Laut einer Analyse der BDEW er- der gegenwärtigen Energieprobleme befür- gibt sich seit dem 17. März 2011 ein Einfuhr- worteten 46% der Befragten. 48% hingegen überschuss: Die Stromflüsse aus Frankreich waren der Meinung, die Risiken der Kern- und Tschechien haben sich verdoppelt, die energie seien für einen Ausbau zu gross. 6% Stromflüsse in die Niederlande und die hatten keine Meinung. Diese Frage wurde Schweiz dagegen halbiert. In den ersten 20 erstmals im Jahr 2001 bei einer Gallup- Tagen seit dem Moratorium seien die ausge- Umfrage gestellt. Damals befürworteten 49% fallenen Strommengen überwiegend durch den Ausbau, 46% waren dagegen. Diese Re- einen Anstieg des Importsaldos ausgegli- sultate zeigen, so die Gallup in ihrer Medien- chen worden, erklärte BDEW-Vorsitzende mitteilung, dass sich die Unterstützung für Hildegard Müller zu den Änderungen beim die Kernenergie trotz den Vorkommnissen in Stromaustausch. Japan in den letzten zehn Jahren nicht gross verändert habe. (D. S. nach Gallup, Medien- Zugleich führte die Abschaltung der sieben mitteilung, 4. April 2011) Kernkraftwerkseinheiten an den Grosshan- Bulletin Nuklearforum Schweiz 4 / 2011 delsmärkten zu steigenden Preisen bei allen gehandelten Produkten. Laut BDEW stiegen die Preise an der Strombörse in Leipzig im Solider Rahmen für Kernenergie- Schnitt um rund 12%. (M. A. nach BDEW, einführung in Polen Analyse März 2011: Stromerzeugung, Strom- austausch, Preise, und Medienmitteilung, 2. April 2011) Polen verfügt über einen gut strukturier- ten Plan zur Einführung eines Kernener- gieprogramms, einschliesslich institu- tioneller und rechtlicher Rahmenbe-
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