2010 das zehnte Jahr - Globalisierung braucht Gestaltung - Attac Österreich
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Globalisierung Globalisierung braucht braucht Gestaltung Gestaltung 2010 – das zehnte Jahr JB 2010 Cover.indd 1 23.03.2011 14:24:52 Uhr
06 Krisen Themenheadline klein
Themenheadline Impressum/Inhalt klein Krisen 07 Impressum Inhalt Attac Österreich Jahresbericht 2010 Vorwort 02 Attac Österreich Brennpunkte Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte Die Attac Deklaration 2010 04 Adresse Margaretenstraße 166/3/25, A-1050 Wien Telefon 01 5440010 Von der Finanz- zur Staatsschuldenkrise 06 Fax 01 5440059 Postwachstumsökonomie 08 Internet www.attac.at Interview Isolde Charim und Konrad Paul Liessmann 10 E-Mail infos@attac.at §278a – Grundpfeiler der Demokratie sind bedroht 14 Bankverbindung Kt.Nr. 92.145.148, PSK: BLZ 60.000 Grafik Marta Gomez, Thomas Hirt, Wolfgang Homola, Anne Lange, Rückblicke Julia Löw, Ulrike Schwach, Klara Tolnai, Isabella Zieritz Commons – gemeinsam nutzen, was allen gehört 16 Druck gugler cross media, Auflage: 6000 Stück Neue Positions- und Projektpapiere 17 Für den Inhalt verantwortlich Attac Österreich Gemeinwohl-Symposium: Unternehmen neu denken 18 Fotos (wenn nicht anders angegeben) Attac Österreich Inseratenakquisition Monika Stadler, Wilhelm Zwirner Aktivismus lernen und leben – Aktionsakademie 19 Redaktion Barbara Cäcilia Supper, David Walch, Wilhelm Zwirner Attac Sommerakademie 20 Gesamtkoordination Barbara Cäcilia Supper Kampagne Steuer gegen Armut 22 (Namen in alphabetischer Reihenfolge) Big Brother Attac? 23 Nachruf Kurt Rothschild 23 Vervielfältigung erwünscht, bei Veröffentlichungen bitten wir um Attac in den Medien 24 Belegexemplare. Agrarpolitisches Sommerspektakel 26 Alternativenforen – Gemeinsam aktiv 27 Wien, März 2011 Kampagne Wege aus der Krise 28 Best of Attac-Erfolge 2000 bis 2010 30 ! Attac wurde 10 – das wurde gefeiert! 32 Wo war Attac sonst noch engagiert? 34 AN Veranstaltungsreihe Krise ohne Ende 35 T! S IS Interview Attac-Geschäftsführer Wilhelm Zwirner 36 , D LAN E N K SE ORGANISIEREN, FOTOGRAFIERE N, SCHREIBEN, GESTALTEN , WA Ausblicke K E N, P DE N N, EN E Motto für 2011 – Unsere gemeinsame Zukunft bauen! 40 REN CH E ACH H IN IE DE N Warum wir Attac mehr denn je brauchen 41 ENS FOR M IE UM TLIC G8 und G20 Gipfeltreffen in Frankreich 42 M MZ E N... D M N Wege aus der Krise – Wege in die Zukunft 43 A , DE I E LE E TE LN, IN N L IZ I E R HRE L ZU Nyéléni-Forum in Krems 44 NA IE V TAC ER E R E N; A , M US ENA – European Network Academy 45 ND E N, BAS , AT Terminvorschau 46 AN K AH R Ü B A EREN EN HÖN NGAG IE E LF AM M IE R E SC E RTI Einblicke S E S ANZ E J ITH DI E -G R U PPE N E GM , KUV Der neue Attac-Geschäftsführer stellt sich vor 49 , P RO G R SG D FTI Attac-Regionalgruppen 50 KU NZ I E R E N KRÄ E I N S ICH DA Attac-Inhalts- und Querschnittsgruppen 54 S TAT O FILM E N Attac-Gruppen berichten 57 ATTAC GR RZ: FI NA Mitgliedsorganisationen 60 Generalversammlung 2010 61 Gedruckt nach der Richtlinie „Schadstoffarme Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Attac-Büro 61 Umweltzeichens. gugler cross media, Melk; UWZ 609; www.gugler.at Attac unterstützen 62 Finanzbericht 2010 63
02 08 Krisen Vorwort Themenheadline klein Attac ist 10! und setzt neue Meilensteine er kn ric St a dr an ex Al Fritz Pichlmann für den Vorstand von Attac Österreich m November 2000 setzte sich eine kleine Gruppe engagierter Menschen ein n an ehrgeiziges Ziel: Dem Dogma von der „Naturgegebenheit“ der derzeitigen lm ch Pi Globalisierung konkrete Alternativen für eine Demokratisierung der Wirt- it z Fr schaft entgegenzustellen. Was als überschaubare Initiative begann entwickelte er ßl sich zu einer – aus der österreichischen Zivilgesellschaft nicht mehr wegzu- rie G h denkenden – breiten sozialen Bewegung. Der Erfolg von Attac wird sichtbar in et ab is einem kontinuierlichen Anstieg an gesellschaftlicher Unterstützung, öffentlicher El Glaubwürdigkeit und politischer Relevanz. Wir sind stolz darauf, was wir - unter- r be stützt von tausenden Mitgliedern und SpenderInnen, den vielen AktivistInnen, ru G ne MultiplikatorInnen und Interessierten sowie gemeinsam mit zahlreichen Koope- bi Sa rationspartnerInnen - erreicht haben! Der diesjährige Jahresbericht präsentiert wie gewohnt unsere Arbeit des ver- d sol gangenen Jahres. Im Jubiläumsjahr 2010 hat Attac Meilensteine gesetzt – in- Va el ha haltlich und organisatorisch. Mit der „Deklaration 2010“ haben wir einen neuen ic M Rahmen für unsere inhaltliche Arbeit der nächsten Jahre gesetzt. Mehr zu den darin formulierten Transformationspfaden für ein „gutes Leben für alle” findet sich ab Seite 4. er lln Mit Wilhelm Zwirner haben wir im September 2010 erstmals einen Geschäfts- Ke ra führer bestellt. Wir sind überzeugt, dass Attac durch die operative Entlastung ba ar B des ehrenamtlichen Vorstands in Zukunft noch viel bewegen wird! Ein Interview mit Wilhelm Zwirner sowie seine Vorstellung sind auf den Seiten 36 bzw. 49 zu finden. n an m ld Fe nz Zu den zahlreichen weiteren Attac-Höhepunkten 2010 zählt die – gemein- ei H sam mit anderen Organisationen gegründete – Allianz „Wege aus der Krise“. Über deren zivilgesellschaftliche Budgetrede sowie die Kampagne „Überfluss besteuern, in die Zukunft investieren!“ berichten wir ab Seite 28. Im Rahmen von „Alternativenforen“ ermutigen wir zudem die Menschen sich mit der sozial r uh M gerechten und ökologisch nachhaltigen Gestaltung ihres Lebensumfeldes aus- a in ar einanderzusetzen (Seite 27). th Ka Und wie gewohnt finden sich zahlreiche Interviews, Rückblicke, Ausblicke und Einblicke auf SommerAkademie, AktionsAkademie, Kongresse, Vorträge, neue Regionalgruppen und vieles mehr in unserem Attac-Jahresbericht 2010. r ge in ht ic Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre! Fe s ku ar M
03 03 Brennpunkte Die Attac Von der Finanzkrise Deklaration 2010 zur Wirtschaftskrise 04 Lukas Resetarits im Interview Von der Finanz- zur Staatsschuldenkrise 06 Our Climate – Not Your Business! Postwachstumsökonomie 09 08 Wer hat Interview Isolde Angstund Charim vor Konrad Vermögenssteuern? Paul Liessmann 12 10 §278a – Grundpfeiler der Demokratie sind bedroht 14 BRENN- PUNKTE
04 Was uns vor zehn Jahren bewegt hat, bewegt uns heute immer noch. Wir meinen jedoch: Es braucht mehr! Eine W We „Eine andere Welt gestalten. Ein gutes Leben Eine and Ein Ein gute g für alle ermöglichen!“ für We proudly present.... für alle a e Dies sind nur einige wenige Dimen- Attac Deklaration 2010 sionen eines Wirtschaftsmodells, in dessen Zentrum das Streben nach dem größtmöglichen Profit steht und das auf dem scheinbar unbegrenzten Vorhandsein von Ressourcen aufbaut. Dieses System bringt ein noch nie da gewesenes Ausmaß an konzen- Die schier unglaubliche Größe und triertem Reichtum hervor. Gleichzeitig von Sabine Gruber und Alexandra Strickner Macht „systemrelevanter“ Banken werden immer mehr Menschen von zum Beispiel kann mit Finanztransak- der Befriedigung ihrer Grundbedürf- tionssteuern, Verboten von Derivaten nisse ausgeschlossen und die ökolo- oder Zulassungsprüfungen für Fi- gischen Lebensgrundlagen zerstört. nanzmarktakteurInnen nicht verringert Wirtschaftliche und politische Macht werden. Es ist nicht nur offensichtlich sind eng verflochten und liegen in den D ie Welt hat sich seit der Grün- dung von Attac Österreich im Jahr 2000 dramatisch verändert. geworden, dass unsere bisherigen Forderungen im Bereich der Finanz- marktregulierung keine Lösungen für Händen einer kleinen Elite. Eine Finanz- und Wirtschaftskri- tieferliegende, systemische Probleme Immer mehr Menschen se, die mit den USA und der EU die des Finanzsystems sind (siehe „Alter- werden von der Befriedigung Zentren neoliberaler Politik erreichte, natives Finanzsystem“ Seite 17). Da- ihrer Grundbedürfnisse hat unsere Forderungen zur Regu- rüber hinaus werden uns tagtäglich ausgeschlossen lierung der Finanzmärkte schlagartig die zahlreichen negativen Folgen un- ins Zentrum der politischen Debatten seres Wirtschaftsmodells vor Augen gerückt. Eigentlich Grund genug um geführt: Die Explosion der Lebensmit- Auf dem Weg sich zurückzulehnen, über den Erfolg telpreise und die damit verbundene zur Attac-Deklaration 2010 unserer Arbeit der letzten zehn Jahre Erhöhung der Zahl der hungernden zu freuen und wie bisher weiterzuma- Menschen auf über eine Milliarde. All diese brennenden Probleme ha- chen. Was uns vor zehn Jahren be- Die Zunahme von klimatischen Ex- ben uns bereits im Laufe des Jahres wegt hat – allem voran die Forderung tremereignissen als Folge des Kli- 2009 immer mehr davon überzeugt, nach einer demokratischen Kontrolle mawandels. Die unwiederbringliche dass unsere Gründungsdeklaration der Finanzmärkte – bewegt uns heu- Zerstörung von Naturressourcen. Die aus dem Jahr 2000 nicht mehr auf te immer noch. Wir meinen jedoch es steigende Armut weltweit als Folge der Höhe der Zeit war. Es erschien braucht mehr. Warum? immer größerer Ungleichheit. uns unausweichlich, unsere Visionen
Deklaration Brennpunkte 05 und Forderungen weiterzuentwi- chen. Die Deklaration ist aber auch ckeln um dieses Wirtschaftssystem ein Bekenntnis dazu, dass dieses an- grundlegend zu hinterfragen und dere Wirtschaftssystem als „Modell“ neue Antworten zu finden. Auf der nicht vorhanden ist, sondern dass wir ne We andere Welt proudly ges presen AktivistInnenversammlung im Herbst uns dieses selbst erarbeiten müssen. andere Welt gestalte 2009 wurde schließlich die Entschei- Für die neue Deklaration haben wir dung getroffen, eine aktualisierte De- unsere Kernthemen (z. B. die Kontrolle n gutes Leben klaration zu erarbeiten und das Ziel der Finanzmärkte, die Re-Regulierung utes Leben formuliert, uns diese zu unserem 10. öffentlicher Dienste) sowie jüngere Geburtstag im November 2010 zu Themen (z. B. Klimawandel und Ener- re alle ermöglichen!“ „schenken“. Unser Anspruch war da- giepolitik, Arbeitsmarktpolitik) zusam- ermöglichen!“ bei einen aktualisierten politischen mengetragen und neu geordnet. Da- Rahmen für die nächsten 10 Jahre zu raus sind 7 Transformationspfade schaffen, hinter dem alle Attacies ste- entstanden: „Pfade“, weil es für uns i o n hen können - eine kraftvolle Vision, die keine fertige Alternative gibt, sondern T r a f o r Transformation m nsformationa t Foto: Max Herlitschka f o rm a t i o n unsere vielseitigen Aktionen bündelt viele Wege in vielen alternativen Teil- loses Wachstum und Profitmaximie- und eint. Ein Redaktionsteam begann bereichen beschritten werden müs- rung sondern Mitbestimmung, soziale die vorhandenen Forderungen und sen. Die Pfade beinhalten langfristige Gerechtigkeit und ökologische Nach- Visionen zusammenzustellen. Diese Visionen, aktuelle Forderungen und haltigkeit. Zusätzlich haben wir unse- wurden auf der Sommerakademie Übergangsschritte für eine zukunfts- re politischen Strategien im Text neu 2010 breit diskutiert, umgestellt und fähige und krisenfeste Gesellschaft: formuliert. erweitert. Nach einer weiteren Re- Vor 10 Jahren haben wir uns der daktionsschleife konnten wir bei der 7 Transformationspfade Herausforderung gestellt dem poli- AktivistInnenversammlung im Herbst für ein gutes Leben für alle tischen Mainstream Forderungen zur 2010 die neue Deklaration beschlie- Regulierung der Finanzmärkte entge- ßen. Die Präsentation erfolgte pünkt- – Gemeinwohlorientierte gen zu setzen. Mit der Attac-Deklara- lich zum großen 10-Jahres-Geburts- Finanzwirtschaft tion 2010 stellen wir uns der Heraus- tagsfest am 6. November. – Glokalisierung der Wirtschaft forderung Ansätze für umfassende – Commons – Gemeinsam Alternativen zu unserem Wirtschafts- Ein Bekenntnis nutzen was allen gehört system zu entwickeln. Zum Nachlesen zur Notwendigkeit eines gänzlich – Ernährungssouveränität haben wir sie dem Jahresbericht bei- anderen Wirtschaftssystems – Energiesouveränität gelegt. Sie finden Sie auch im Internet – Menschengerechte Arbeit unter www.attac.at/deklaration2010 Das Ergebnis unserer gemeinsamen – Umfassende Demokratisierung Wir hoffen, dass die Deklaration intensiven monatelangen Arbeit kann noch mehr Menschen inspiriert und sich sehen lassen. Die Attac Deklara- motiviert, sich aktiv an der Gestaltung tion 2010 ist ein klares Bekenntnis zur Darüber hinaus beinhaltet die De- einer anderen Welt zu beteiligen. Da- Notwendigkeit eines gänzlich ande- klaration allgemeine Ziele und Prin- für gibt es zahlreiche Möglichkeiten in ren Wirtschaftssystems, um das Ziel zipien des Wirtschaftens. Basis für sozialen Bewegungen und natürlich eines guten Lebens für alle zu errei- ein gutes Leben sind nicht grenzen- bei Attac. ||
6 Als Folge der Finanzkrise treten die strukturellen Probleme der Eurozone deutlich zu Tage Europa in der Krise: Von der Finanz- zur Staatsschuldenkrise Ursprünglich schienen Griechenland, Irland, Spanien von Karin Küblböck und Portugal nicht überdurchschnittlich von der Krise betroffen. Außer in Griechenland waren die öffentlichen R ettungsschirme, Sparpakete, Umschuldungsdiskus- sionen: Die Europäische Union befindet sich in ihrer historisch schwierigsten wirtschaftlichen und politischen Verschuldungsraten vor der Krise sogar unterdurch- schnittlich: in Irland etwa 25 %, in Spanien 36 %. Diese beiden Länder wiesen 2007 und davor sogar Budgetü- Lage. Bankenrettungen, Konjunkturpakete und geringere berschüsse aus. Gemeinsam ist den vier Ländern aller- Steuereinnahmen haben die öffentliche Verschuldung stark dings, dass ihre Importe in zunehmendem Ausmaß ihre ansteigen lassen. Da die Zinsen für die Staatsanleihen am Exporte überstiegen. In Spanien und Portugal betrug das Finanzmarkt bestimmt werden und einen Indikator für die Leistungsbilanzdefizit im Jahr 2007 jeweils knapp 10 % Risikoeinschätzung der MarktteilnehmerInnen darstellen, des BIP, in Griechenland 15 %. Diese Defizite bedeuten ist die Zinsbelastung für genau jene Länder am höchsten, eine hohe Abhängigkeit von Kapitalzuflüssen aus dem die ohnehin mit den größten wirtschaftlichen Problemen zu Ausland. Während des Finanzmarktbooms – mit einem kämpfen haben – ein Teufelskreis. Überangebot an Anlage suchendem Kapital – wurde dies jedoch nicht als Problem wahrgenommen. Durch diese Krise offenbaren sich jedoch auch struktu- relle Probleme der europäischen Integration, die von der Die Kehrseite der steigenden Leistungsbilanzdefizite bil- Politik lange Zeit ignoriert wurden: Bei der Einführung der den die Exportüberschüsse, allen voran jene des diesbe- europäischen Einheitswährung wurden im Maastricht- züglich so stolzen „Weltmeisters“ Deutschland. Während Vertrag Kriterien für die Teilnahme an der Währungsu- Deutschland aber auch Österreich durch Lohnzurückhal- nion festgeschrieben – diese bezogen sich jedoch aus- tung die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produktion immer schließlich auf die Verschuldungs- und Inflationsraten. mehr steigerten, fielen die produktiven Strukturen in Grie- Wichtige Politikbereiche, insbesondere die Steuer-, So- chenland, Portugal und Spanien immer mehr importierten zial- und Lohnpolitik, blieben national: Statt verstärkter Gütern zum Opfer. Die durch die stagnierenden Löhne und Koordination in diesen Bereichen kam es zunehmend zu restriktiven Sozialausgaben sinkende Kaufkraft der deut- mehr Wettbewerb und dadurch zu einem Wettlauf nach schen ArbeitnehmerInnen wurde also durch Nachfrage unten – bei Unternehmenssteuern, Sozialstandards und aus dem Ausland – Exporte – ersetzt. Gleichzeitig sind Finanzmarktregeln. deutsche Banken wichtige Gläubiger: Auf sie entfielen im
Europa Brennpunkte 7 März 2010 etwa ein Fünftel aller Verbindlichkeiten Grie- chenlands, Irlands, Portugals und Spaniens gegenüber Auslandsbanken. Der „Rettungsschirm“ von 750 Mrd. Euro, der von der EU über diese Staaten gespannt wurde, ist auch vor diesem Hintergrund zu sehen. Die strukturellen Probleme der Eurozone treten nun deutlich zu Tage: Die Einführung einer gemeinsamen Wäh- rung ohne substantielle Koordination der Wirtschafts- und Lohnpolitik bei gleichzeitiger Umverteilung von Vermögen und Einkommen von unten nach oben. Durch die gemein- Kongress „Europa in der Krise“: Silvia Angelo und Trevor Evans same Währung kann der mangelnden Wettbewerbsfä- higkeit nicht mehr durch Abwertung begegnet werden. Um dem Entstehen von Ungleichgewichten entgegen zu wirken, wäre eine starke wirtschafts,- fiskal- und lohnpoli- tische Koordination sowie eine stärkere Unterstützung der Peripherieländer notwendig. Darauf konnten sich die Mit- gliedsstaaten allerdings nicht einigen. Der Anpassungs- alle Foto: Max Herlitschka druck liegt somit vor allem bei den Löhnen. Derzeit wird versucht über Austeritätsprogramme (Kürzung von staat- lichen Ausgaben) und öffentlichen Löhnen diese „interne Abwertung“ herbeizuführen – mit noch nicht abschätz- baren sozialen Kosten. II Kongress „Europa in der Krise“ – in memoriam Jörg Huffschmid Der im Dezember 2009 verstorbene Ökonom Jörg Dafür wären zuallererst Deutschland aber auch Österreich Huffschmid warnte stets vor der Fehlkonstruktion des gefordert die Nachfrage durch öffentliche Investitionen zu europäischen Binnenmarktes. Viele seiner zahlreichen stimulieren und Löhne systematisch zu erhöhen. Um die- WeggefährtInnen sehen es als Aufgabe, seine Analy- se Politik zu finanzieren, müssten die jahrelangen Forde- sen weiterzuentwickeln. Einen Beitrag dazu leistete der rungen von Attac nach Steuerharmonisierung, Einführung internationale Kongress „Europa in der Krise“ am 9. von Vermögens- und Finanztransaktionssteuern sowie der und 10. Dezember 2010, veranstaltet von Attac, BEIGE- Abschaffung von Steuerschlupflöchern für Kapitaleinkom- WUM, der Euromemorandum-Gruppe, Forba, der GPA men endlich umgesetzt werden. Umverteilung ist nicht und dem Institut für Politikwissenschaft der Universität nur ein Gebot der Gerechtigkeit sondern auch der öko- Wien. Eineinhalb Tage lang wurde aktuelle Situation der nomischen Vernunft. Diese Einsicht setzt sich mittlerwei- Europäischen Union in Vorträgen und Workshops ana- le auch in Mainstream-Medien und Vorstandsetagen von lysiert. Die Vortragenden teilten die Analyse, dass die Banken durch. Für eine Umsetzung wird noch viel sozialer aktuellen Sparprogramme die ökonomischen und sozi- Druck nötig sein. alen Probleme weiter vertiefen werden. Das ist auch der Grundtenor des auf der Konferenz vorgestellten Euro- Eine DVD mit den Vorträgen der Konferenz ist im Attac memorandum 2010/2011. Büro erhältlich. Eine Alternative zur Lohnsenkung in den Defizitländern Präsentationen und Artikel zum Nachlesen finden sich auf wären eine expansive Politik in den Überschussländern www.europa-in-der-krise.at sowie substantielle verteilungspolitische Maßnahmen. Euromemorandum: www.euromemo.eu
8 Die Idee einer Ökonomie jenseits des Wachstums ist eine Perspektive für einen neuen systemischen Horizont nach dem neoliberalen Finanzmarktkapitalismus Über die Kritik am Wachstum hinaus zur solidarischen Postwachstumsökonomie von Alexis J. Passadakis Foto: Thomas-Max-Müller_pixelio.de A ls die globalisierungskritischen Bewegungen Ende der 90er Jahre die politische Bühne betraten, stand klugerweise die Pluralität der Kritik am Neoliberalismus Postwachstumsökonomie. Ihr strategisches Ziel ist es, zu beginnen die Vielzahl einzelner Alternativen und Transfor- mationsprojekte unmittelbarer aufeinander zu beziehen, im Vordergrund und nicht der Versuch all die heterogenen makro-ökonomisch zu unterfüttern und zu verknüpfen. Die AkteurInnen auf ein Alternativmodell festzulegen. Das glei- Idee einer Ökonomie jenseits des Wachstums ist eine Per- che galt und gilt auch für das Attac-Netzwerk. In diesem spektive – neben anderen – für einen neuen systemischen kakophonischen Forderungskonzert von keynesianischen Horizont nach dem neoliberalen Finanzmarktkapitalismus. und postkapitalistischen Alternativen gab es von Anfang Dessen Krise seit 2007 hat international zu einer Bele- an auch wachstumskritische Töne. bung neo-keynesianischer Debatten geführt. Zahlreiche Denkfabriken entwickelten öko-keynesianische Projekte Die Krise des Finanzmarktkapitalismus und die Zuspit- eines grünen Kapitalismus mit „nachhaltigem Wachstum“. zung der Klimakrise erhöhen nun die Dringlichkeit, über Trotz wichtiger Impulse für mehr Regulierung, soziale Si- den anti-neoliberalen Konsens des Bewegungszyklus seit cherheit und ökologische Investitionen bleibt das Wachs- den Protesten gegen die WTO 1999 in Seattle hinaus tumsparadigma prägend. Auch die in vielen Aspekten rich- die Suche nach umfassenderen Alternativen zu intensi- tige „nachholende Entwicklung“, u. a. die Konzepte des vieren. Eine konzeptionelle Fluchtlinie ist die solidarische Sozialismus des 21. Jahrhunderts in vielen lateinamerika-
Postwachstumsökonomie Brennpunkte 9 nischen Staaten, hat keine mittelfristige Perspektive jenseits lektivem Konsum (z. B. öffentlicher Nahverkehr statt pri- der extraktivistischen wachstumsbasierten Wirtschaft. vaten Konsums von Automobilität). Generell geht es um ei- nen strukturellen Übergang von hochproduktiven Sektoren hin zu sozialen und ökologischen Dienstleistungen, die nur Weil es nicht den einen umzulegenden sehr niedrige Profitraten abwerfen (und dies nur auf lange Hebel gibt, um zu einer Postwachstums- Frist) oder gar keine Profite erzeugen. Ein Schlüssel für ökonomie umzuschalten. eine solche ökonomische Struktur ist die demokratische gesellschaftliche Kontrolle von Investitionen. Hinzu kommt Auf dem Weg zu einer solidarischen Ökonomie jenseits eine massive Reduktion der insgesamt geleisteten Lohnar- des Wachstums bieten sich für das Attac-Netzwerk zahl- beitsstunden in einer Volkswirtschaft – „20 Stunden sind reiche Anknüpfungspunkte bei Bewegungsstrukturen, wie genug“ titelte jüngst eine Studie eines Thinktanks über ein sie in den vergangenen Jahren in Südeuropa entstanden Großbritannien ohne Wachstum. sind: Mit décroissance, decresiamento oder decrescita benennen sie ihre Alternativen, die sich stark auf Konzepte Ist eine solidarische von solidarischer Ökonomie und lokalen Wirtschaftskreis- Postwachstumsgesellschaft läufen (Glokalisierung) beziehen. Außerdem lassen sich viele bisherige Attac-Aktivitäten als soziale Kämpfe ver- eine Machtfrage? stehen, die die grundlegende soziale Infrastruktur für eine Transformation zu einer regionalisierteren demokratischen In diesem Zusammenhang ist es kein Zufall, dass zu einem Ökonomie verteidigen oder eine solche schaffen. Diese Zeitpunkt europäisch orchestrierter Sparpolitik neuerdings wiederum kann der Ausgangspunkt für einen solidarischen eine Strömung konservativer Wachstumskritik auf den Plan Übergang zu einem Wirtschaften ohne Wachstum sein. tritt, die geschickt die ökologische Krise mit einer Politik Weil es nicht den einen umzulegenden Hebel gibt, um zu radikalen Sozialabbaus verwebt. Statt einen Bruch mit der einer Postwachstumsökonomie umzuschalten, sind viele neoliberalen Doktrin zu vollziehen, wird im Gegenteil der So- Projekte der globalisierungskritischen Bewegungen in den zialstaat als konsumtreibender Wachstumsmotor angeklagt vergangenen Jahren notwendige Schritte, um die erforder- und angesichts der ökologischen Grenzen seine Abschaf- lichen Handlungsspielräume – insbesondere demokra- fung propagiert. Nach beinahe neo-feudalistischer Manier tische Kontrollmöglichkeiten – zu erlangen: Dazu gehören wird eine Postwachstumsgesellschaft in Aussicht gestellt, die Entmachtung der Finanzmärkte und ein demokra- in der die Familie alle Fürsorgeleistungen trägt. Für soziale tisches Bankensystem, ein umverteilendes Steuersystem, Sicherungssysteme und Umverteilung von Reich zu Arm ist Ernährungssouveränität, ein Stopp der Privatisierung von bei diesen rückwärtsgewandten Vorstellungen kein Platz. öffentlichen Dienstleistungen und Energiedemokratie. Die Idee einer Postwachstumsökonomie ist daher nicht not- wendig emanzipatorisch. Das ist sie nur dann, wenn es eine In Verbindung mit einer neuen Lebensweise, die vom Ide- Orientierung auf soziale Rechte gibt, und zwar für alle welt- al des homo oeconomicus Abschied nimmt, einerseits und weit. Schließlich zielt eine internationalistische Perspektive einer neuen Makroökonomie einer post-keynesianischen einer Postwachstumsökonomie darauf, dass es Spielräume Postwachstumsökonomik und Konzepten solidarischer zu Verwirklichung des guten Lebens (Buen vivir) im Süden Ökonomie andererseits, sind diese Projekte wichtige Ele- gibt. Ohne dass von Nord nach Süd umverteilt wird, ohne mente für eine geschrumpfte und sich dann stabilisieren- dass der Norden seine imperiale Lebensweise aufgibt, ist de Wirtschaft. Eine solche ökonomische Struktur, welche dies nicht zu erreichen. In diesem Sinne ist eine solidarische auf ein Schrumpfen von Stoffdurchsatz und BIP und eine Postwachstumsgesellschaft keine Frage einiger techno- folgende Stabilisierung zielt, setzt eine neue Konfiguration kratischer Instrumente, sondern eine Machtfrage. Diese zu von Investitionen, Konsum, Arbeit und Produktivität voraus: stellen kommt nicht an einer Verschiebung der gesellschaft- Dies bedeutet einen Shift von privaten Investitionen und lichen Kräfteverhältnisse vorbei, verbunden mit einer umfas- privatem Konsum hin zu öffentlichen Investitionen und kol- senden Demokratisierung, insbesondere der Wirtschaft. II
10 Attac lud Isolde Charim und Konrad Paul Liessmann zu einem philosophischen – und durchaus kontroversiellen – Gespräch über die Krise, Demokratie und Wandel „Es steht außer Streit, dass das System dysfunktional ist“ Das Interview führte David Walch im Jänner 2011. Attac: Finanzkrise, ökologische Krise, angeeignet, wenn virtuelle Finanz- Liessmann: Ich bestreite nicht, dass soziale Krise, Demokratiekrise. Se- werte platzen, gibt es eine Krise. Was es eine Krise gab. Aber es ist nicht hen Sie da eine gemeinsame Klam- sind die realen Krisensymptome? Wir mittelbar so leicht einsichtig – auch mer oder Einzelphänomene? haben leicht erhöhte Arbeitslosen- was den Faktor Zeit betrifft. Es gibt Charim: Ich denke nicht, dass man zahlen und ein paar Konkurse. Am nicht das Moment dramatischer Plötz- das alles zu schnell über einen Kamm Höhepunkt der Krise hatte man in lichkeit. Die Arbeitslosigkeit ist ein scheren sollte. Als die Wirtschaftskri- europäischen Städten nur Normalität Dauerphänomen, zum Teil auch auf- se ausgebrochen ist, hat man ange- gesehen: Konsum, volle Geschäft, grund der Produktivitätsfortschritte nommen, das sei ein grundlegendes volle Bars. Die Finanzmärkte haben oder auch konjunktureller Schwan- Beben und nun wird sich alles verän- sich erstaunlich schnell erholt, die kungen. In der Kontinuität der Ereig- dern. Das ist nicht eingetreten. Boni für Bankmanager haben sich nisse existieren keine Krisen. Die gibt Liessmann: Ich sehe das ähnlich. Wir vervielfacht, die geplatzten Blasen es nur, wenn Unterscheidung möglich haben außer ideologischen Konzepten haben sich offensichtlich nicht nach- und erfahrbar wird: Ein Vorher, ein keine theoretische Klammer um das haltig auf die Realwirtschaft ausge- Jetzt, ein Nachher. zu begreifen. Schon der Zusammen- wirkt. Wenn wir uns Filmmaterial der hang, wie die Spekulationskrise dann Weltwirtschaftskrise 1929 ansehen, auf die Realwirtschaft umgeschlagen wissen wir sofort, wie eine Krise aus- Wir können Kontinuitäten psychisch nicht als Krisen hat, war nicht so leicht nachzuvollzie- sieht. wahrnehmen – das halten wir hen. Jetzt erscheint die Krise – wenn nicht aus. überhaupt – als Staats- und Verschul- Attac: Die Staaten haben mit Steu- dungskrise. All das sind Phänomene, ergeld das System und die Banken die man in der Regel nicht in einem stabilisiert. Dafür gibt es jetzt bei Attac: Demnach haben wir auch kei- Atemzug nennt. Bildung und Sozialem Einschnitte. ne ökologische Krise? Heute haben wir natürlich andere Liessmann: Ökologische Entwick- Attac: Obwohl die Finanzkrise kausal Sicherungssysteme, aber wir haben lungen können eines Tages umkippen mit der Staatskrise verknüpft ist… 20 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in und als Krise wahrgenommen wer- Liessmann: Wir haben uns die Logik der EU... den: Wenn sich 500 Millionen Men-
Interview Brennpunkte 11 Foto: Karin EIise Sturm schen aufgrund des Anstiegs des strophe, bei der jeder Einzelne etwas Wir müssen aber sehen, wie wir diese Meeresspiegels in kurzer Zeit auf den tun kann und in der Nachhaltigkeit Bedürfnisse – etwa nach Mobilität – Weg machen. Wir können aber Kon- mit ökonomischer Effizienz verbun- anders befriedigen können als mit Au- tinuitäten psychisch nicht als Krisen den wird. tos und Flugzeugen. Zu sagen: „Fahrt wahrnehmen – das halten wir nicht Liessmann: Wenn es wahr ist... nicht!“ ist zu wenig. aus. Charim: Ja – auch das „ökologisch Charim: Ja, es gibt keinen objektiven reine“ Gewissen muss zu einem Be- Tatbestand für Krisen. Denn diese Es steht für mich außer dürfnis werden. Begrenzungen dürfen Streit, dass das System müssen als solche wahrgenommen nicht durch moralische Imperative er- dysfunktional ist. werden. Zur Krise wird eine Situati- folgen. Eine positivistische Bedarfs- on erst durch eine subjektive Wahr- definition – wie etwa in der Attac De- nehmung. Deshalb braucht es Bil- Attac: Von der Krise zum Wirt- klaration - ist naiv und illusorisch. der. Die naive Hoffnung, dass das, schaftssystem. Ist ein System nicht was linke oder revolutionäre Politik völlig dysfunktional, in dem einerseits Attac: In vielen Debatten um unser nicht geschafft hat – den Kapitalis- Millionen Menschen hungern und Wirtschaftssystem wird mit einem be- mus zähmen – jetzt die Wirtschafts- das andererseits dazu gezwungen stimmten Menschenbild argumentiert. krise erledigen soll, hat sich nicht ist ständig neue „Bedürfnisse“ zu er- Was ist der Mensch? Egoistisch oder bewahrheitet. Die Chance ist, dass schaffen – mit allen den ökologischen kooperativ? sich nun zumindest gewisse Erzäh- Problemen? Charim: In der politischen Philoso- lungen verändert haben: „Der alles Liessmann: Es steht für mich außer phie wurde das negative Menschen- seligmachende Markt“ zum Beispiel. Streit, dass das System dysfunktional bild den Rechten, das positive der Hoffnungserzählungen funktionie- ist, wenn weite Teile der Menschen Linken zugeordnet und damit letztlich ren heute nicht mehr. Aber positive nicht in den Genuss der Produktivität zu einem Bekenntnis gemacht. Katastrophenerzählungen wie der kommen. Die Kritik an Bedürfnispro- Liessmann: Falsch ist es zu glauben, „Green New Deal“ können greifen. duktion teile ich so nicht. Der Mensch man könnte die Frage in die eine oder Das eröffnet eine Perspektive auf die als Kulturwesen ist dadurch definiert, andere Richtung entscheiden und ökonomische und ökologische Kata- dass er seine Bedürfnisse produziert. daraus ein Wirtschaftssystem >>
12 > ableiten. Ich halte den Menschen für schen Akteure verändert sich schon sehr an die Institutionen oder an die ein in höchstem Maße formbares We- – wenn ich an NGOs auch wie Attac Machbarkeit von Politik glauben. Um sen. Menschen können im streng kol- denke. Und der Diskurs einer radi- in komplexen demokratischen Gesell- lektiven System genauso irgendwie kalen Totalveränderung ist nicht nur schaften zusammenleben zu können, überleben wie im freien Markt – wenn utopistisch, sondern auch gefährlich. brauchen wir eine spezifisch demo- sie es überleben. Wir sind ja trotz Wett- Er argumentiert mit der Abschaffung kratische Identität. Diese besteht pa- bewerb, Konkurrenz und Zeitdruck der Demokratie. radoxerweise in einer Verringerung nicht alle völlig am Ende. Der Kapita- unserer partikularen Gemeinschaftsi- lismus ist da höchst widersprüchlich. Attac: Aber ist der Glaube daran mit dentitäten. Wir können das politische Noch nie war so viel von Kooperati- seiner Stimmabgabe etwas verän- System nicht darauf reduzieren, Din- on, Teamfähigkeit und Vernetzung die dern zu können nicht sehr erodiert ge zu verwalten oder sachliche Pro- Rede wie in unserer konkurrenzori- - angesichts der Verschränkung von bleme zu lösen. Es dient auch der entierten Wettbewerbsgesellschaft. politschen und wirtschafltichen Eli- Herstellung von Identitäten. Und auch Kooperationen können viel ten? Liessmann: Kern der Demokratie ist Stress erzeugen. Ich halte aber das Liessmann: Das Grundproblem war, das Abstimmen. Wo nicht abgestimmt europäische Konzept von individueller dass wir generell geglaubt haben, der wird – keine Demokratie. Dabei hat Freiheit für einen Fortschritt gegenü- Einfluss vor allem nationaler Politik man hat ja vor nichts so viel Angst ber Systemen, in denen der einzel- auf Wirtschaftsprozesse sei verloren wie vor der Herrschaft des Volkes. ne einer Sozietät untergeordnet ist. gegangen. Eine Abstimmung über Ich bin mir selbst nicht ganz im Kla- eine Wirtschaftsform in Österreich al- ren darüber, was jetzt tatsächlich der lein würde ja tatsächlich null Auswir- legitime Gegenstand demokratischer Es waren nicht die Leute kungen haben. Dennoch – es waren Entscheidungen ist. Worüber dürfen auf der Forbes-Liste der nicht die Konzernchefs, sondern die wir nicht abstimmen? Die Todesstra- Reichsten, die die Banken gerettet haben. Staatschefs, die die Rettungsschirme fe? Kunst im öffentlichen Raum? Die aufgespannt haben. Es waren nicht Rettungsschirme sind eben nicht die Leute auf der Forbes-Liste der demokratisch legitimiert worden und Attac: Laut einer Umfrage vom Au- Reichsten, die die Banken gerettet es ist anzunehmen, dass viele auch gust 2010 wünschen sich 90 Prozent haben, sondern die Steuerzahler. Hät- dagegen gestimmt hätten. Etwas An- der ÖsterreicherInnen eine „neue ten Erstere zehn Prozent ihrer Vermö- deres wäre zu sagen, Wirtschaft solle Wirtschaftsordnung“. Haben wir gen gespendet, wäre sich das wahr- generell demokratischen Prinzipien, nicht doch auch eine Demokratie- scheinlich auch ausgegangen. Die also auch Abstimmungen unterliegen. krise, wenn die Frage nach unserer Krise hat gezeigt, dass die Politik die Unter Kreisky etwa beinhaltete die Wirtschaftsform nicht als Gegen- Wirtschaft doch beeinflussen kann. propagierte „Demokratisierung“ weite stand der politisch-demokratischen Bereiche der Gesellschaft wie Fami- Debatte sondern als natürlicher Pro- lie, Universität usw. In diesen Fragen zess oder Raum für UtopistInnen er- Natürlich gibt es einen gebe ich Ihnen Recht: Da spüren wir Verlust an politischer scheint? einen Rückzug der Demokratie, weil Glaubwürdigkeit. Charim: Der Wunsch nach einem an- Felder der Gesellschaft aus diesem deren System drückt ein diffuses Un- Konzept rausgenommen werden. behagen aus. Dafür gibt es tatsäch- Charim: Umso größer war die Ent- Charim: In der Demokratie sind wir lich keine politische Repräsentation. täuschung, wie wenig die Politker nur im Moment der Abstimmung – in Daraus aber zu schließen, dass es letztendlich daraus gemacht haben. dem wir alle nur eine abstrakte Zahl eine Krise des demokratischen Sy- Natürlich gibt es einen Verlust an po- sind – gleich. Gefährlich ist es, die- stems gibt, ist vorschnell. Man darf litischer Glaubwürdigkeit. Als demo- se Gleichheit durch positive Eigen- das Kind nicht mit dem Bade aus- kratische Subjekte sind wir aber nicht schaften zu bestimmen wie es die schütten. Das Spektrum der polit- nur dadurch definiert, dass wir so Rechten tun.
Interview Brennpunkte 13 Attac: Abschließende Frage: Wie nehmenden Versagen der Integrati- kommt gesellschaftlicher Wandel onsmaschine Sozialstaat zu tun. Wir zustande – sofern Einigung besteht, können uns als politische Subjekte dass wir ihn brauchen? neu definieren. Das ist im Moment Liessmann: Ich bin ja bekanntlich das Möglichste. ein Fan von einer Politik, in der nichts Liessmann: Trotzdem glaube ich passiert. Der Wandel passiert ohne- nicht, dass es möglich ist, Gesell- hin, da unsere Gesellschaft extrem schaft als aufgelöst in Initiativen auf dynamisch ist. Die umgekehrte Frage unterer Ebene zu verstehen. Das ist: Wieviel Veränderung kann man Interessante ist das Wechselspiel. den Menschen überhaupt zumuten? Sonst ist das eine Bewegung, die Es ist ja bezeichnend, dass jene Konjunktur hat – entdeckt und wie- Staaten am besten durch die Krise der vergessen. Entscheidend ist, ob kommen, denen man zuvor vorge- es gelingt, Elemente in das Funkti- worfen hat, sie seien veränderungs- onieren der Gesellschaft einzuspei- Foto: Karin EIise Sturm resistent. Eine bestimmte Form von sen. Gefährlich wäre zu glauben, Karin EIise Sturm komplizierten und lang andauernden dass unter globalen Bedingungen Verfahren ist in Zeiten der Krise ein die Rettung vor Ort initiiert werden Vorteil. Viele Institutionen funktio- kann. nieren ja gerade deshalb nicht, weil Charim: Ja, das funktioniert nur, Isolde Charim ist Philosophin, wissenschaftliche sie zu schnell und zu oft verändert wenn es in eine große Erzählung ein- Leiterin zahlreicher Symposien und arbeitet als freie Publizistin in Österreich und Deutschland. wurden. Das trifft womöglich sogar gespeist wird. auf den „Sozialstaat“ zu, der ja stän- Liessmann: Und für bestimmte Din- dig umgebaut, erweitert oder einge- ge muss einfach die Zeit reif werden. schränkt werden muss. Marx hat einmal sinngemäß gesagt: „Die Menschheit stellt sich nur den Problemen, die sie auch lösen kann.“ Wir alle können die Zehn Jahre hat Attac die Finanz- Katastrophe aufhalten. transaktionssteuer gefordert, und so plausibel sie für mich war – unter der Attac: Braucht es nicht eine ganz herrschenden Mentalität und florie- andere Form des Wandels „von un- renden Finanzmärkten hatte sie kei- ten“? Attac hat das in der „Deklarati- nerlei Chance auf Realisierung. Aber on 2010“ ja auch als ein Element der die Zeiten ändern sich, und ganz we- poltischen Strategie formuliert. sentlich zu einer Initiative wie Attac Charim: Ja. Darin sehe ich ja auch gehört die alte philosophische Tu- die Chance eines „Green New Deal“ gend der Geduld. wie er in Deutschland von den Grü- Foto: Karin EIise Sturm nen formuliert wurde. Dieser ap- Attac: Es bleibt sicher wesentlich pelliert nicht nur an die Politik. Er für Attac, neben den konkreten poli- Karin EIise Sturm entwirft vielmehr die Figur des „Auf- tischen Vorschlägen das Denken im halters“, der nicht ein Einzelner ist, Reich der Freiheit zu belassen und sondern demokratisch jeden von uns nicht nur an politischen Notwendig- meint. Wir alle können die Katastro- keiten zu orientieren. Konrad Paul Liessmann ist außerordentlicher Professor phe aufhalten. Diese Pluralisierung Charim + Liessmann: am Institut für Philosophie der Universität Wien. Er ist des Eingreifens hat viel mit dem zu- Darauf hoffen wir. II als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist tätig.
14 Brennpunkte §278a In der jetzigen Auslegung des §278a kommt es zur Verfolgung und Kriminalisierung Foto: Michael Vasold von NGO-Arbeit. §278a - Die Grundpfeiler der Demokratie sind bedroht interessierten AktivistInnen eine interessante Diskussion von Michael Vasold über den §278a führen. N ach 9/11 wurden in Österreich die „Antiterrorgesetze“ ins Leben gerufen um im „weltweiten Kampf gegen den Terrorismus“ mitmischen zu können. Die vom Gesetz- Nach den leidvollen Erfahrungen auf den Anti-G8 Blo- ckaden nahe Heiligendamm 2008 (rechtswidrige Frei- heitsentziehungen) und einer rechtlich nicht legitimier- geber schwammig und auch bedrohlich formulierten Texte baren Anlassgesetzgebung beim Klimagipfel 2009 in rückten schon 2002 die Arbeit vieler NGOs in den Nah- Kopenhagen (Präventivverhaftungen) waren auch 2010 bereich des Strafrechts, was von diesen heftig kritisiert Befürchtungen anlässlich der bevorstehenden Erweite- wurde. Die Vertröstung von ParlamentarierInnen, dass mit rung der so genannten „Terrorismuspräventionsgesetze“ diesen Gesetzen unsere Arbeit natürlich nicht behindert angebracht: VertreterInnen von Greenpeace, Global werden solle, eine Reparatur und Schärfung des §278a 2000, der ÖH und Attac kontaktierten im Frühjahr daher noch nachträglich Thema werden könne oder müsse, be- Justizsprecher von Parlamentsparteien. Sie baten um Aus- ruhigte kurzfristig. Es folgte eine lange Zeit des Schwei- kunft darüber, wie die neuen Gesetze formuliert werden gens - eine Änderung des Paragraphen schien der Politik würden, wie sichergestellt werden würde, dass NGOs in nicht weiter dringlich. ihrer Arbeit dadurch nicht eingeschränkt werden und wie eine Abänderung des §278a vonstatten gehen könnte. Von der Politik kam wenig Erbauliches retour: Die Grü- Der erste §278a-Prozess entwickelte nen sind mit ihren Informationen und Standpunkten an die sich zur Farce. NGOs herangetreten, die SPÖ argumentierte (teilweise öffentlich) für eine Änderung des §278a, die ÖVP hüllte sich in Schweigen. Es sieht so aus, als wäre die Politik mit Erst nach der Verhaftung von 13 TierschützerInnen im wichtigeren Dingen beschäftigt. Jahr 2008 und der Anklage nach §278a kam sprung- haft wieder Energie in die Thematik: Die ersten österrei- Attac fordert die sofortige Überarbeitung des §278a. chischen „TerroristInnen“ schienen ins Netz gegangen zu Dieser darf nicht als Gummiparagraph für die Verfolgung sein – ihnen wird seit 2009 der Prozess gemacht. Dieser und Kriminalisierung von politischen AktivistInnen dienen! erste §278a-Prozess entwickelte sich zur Farce und trägt nicht dazu bei das Vertrauen zu steigern – weder in die PS: Hinsichtlich der AktionsAkademie 2011 können Politik als Gestalterin noch in die Justiz als Wahrerin der wir ziemlich sicher sein, dass sie NICHT unter den neuen verfassungsmäßig garantierten Grundrechte. §278e („Ausbildung für terroristische Zwecke“) fällt. Zi- Auf der AktionsAkademie 2010 konnten wir mit Martin vilpolizistInnen und verdeckte ErmittlerInnen sind wieder Balluch, dem im Prozess Hauptbeschuldigten, und vielen herzlich willkommen ;o ) II
15 03 Rückblicke Commons Wir – gemeinsam zahlen nicht nutzen, was allen gehört für eure Krise! 16 16 Neue NGO Positions-soziale s forderten und Projektpapiere und ökologische Investitionen 17 18 Gemeinwohl-Symposium: Attac in den Medien Unternehmen neu denken 18 20 Aktivismus Erste lernen undAktionsAkademie österreichische leben – Aktionsakademie 19 22 Attac Sommerakademie Attac-Steueroasenausstellung 20 24 Kampagne Irland II: „NoSteuer meansgegen No!” Armut 22 26 Big Brother Attac? Erste Agrar-Aktionskonferenz 23 27 Nachruf Attac Kurt Rothschild2009 Sommerakademie 23 28 Attac infür Vorfahrt den dieMedien Wirtschaftsinteressen in der EU? 24 31 Agrarpolitisches Sommerspektakel Filmtage: Hunger.Macht.Profite.III 26 32 European Activists–Meeting Alternativenforen Gemeinsam aktiv in Paris 27 33 Kampagne Attac trauertWege um JörgausHuffschmid der Krise 28 33 Best of Attac-Erfolge 2000 bis 2010 30 Attac wurde 10 – das wurde gefeiert! 32 ÜCK- Wo war Attac sonst noch engagiert? 34 Veranstaltungsreihe Krise ohne Ende 35 Interview Attac-Geschäftsführer Wilhelm Zwirner 36 BLICKE
16 Rückblicke Commons-Kongress Europasaal des Lateinamerika-In- Commons? Ja, irgendwo hab ich das schon gehört ... stituts. Eine große Plattform hat die Hat das was mit Creative Commons zu tun, das sind Veranstaltung unterstützt und viele doch diese Computerfreaks, oder? Menschen waren gekommen, um den Vortrag von Silke Helfrich zu hören, Commons – gemeinsam im Weltcafé Meinungen auszutau- schen und mit Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität und dem Me- nutzen, was allen gehört dienkünstler Armin Medosch über Zukunftsperspektiven der Commons zu diskutieren. Beim anschließenden von Brigitte Kratzwald auseinanderzusetzen und Menschen Buffet ging die Unterhaltung noch aus den verschiedenen Bereichen fast bis Mitternacht weiter - und doch zusammenzubringen um zu erkennen: blieben noch viele Fragen offen. Über I n den letzten Jahren haben Bü- cher über Commons den Markt überschwemmt, bei Sozialforen und in Wo sind unsere Gemeinsamkeiten, was sind die Unterschiede? Was bringt uns das in der politischen Ar- eines jedoch waren sich alle einig: Die Idee der Commons hat das Potential zur Selbstermächtigung - sie motiviert Universitätsseminaren wurde darüber beit und finden wir Möglichkeiten für dazu, etwas Neues zu schaffen statt diskutiert. Aber - noch ist nicht so ganz gemeinsame Aktivitäten? sich nur gegen unerwünschte Ent- klar, ob alle, die darüber reden, auch Genau darum ging es beim Com- wicklungen zu wehren. das Gleiche meinen. Da ist es wich- mons-Symposium am 15. Oktober Mehr Infos: www.commons.at/ter- tig, sich einmal mit den Grundlagen im bis auf den letzten Platz gefüllten mine/das-symposium || n st ste ht – wo so rie Per ip he die nk t? t elp u im Mit Probeabo für 3 Ausgaben um nur 3 3,- (statt regulär 3 12,-) Dieses Kurzabo endet automatisch! Bestellungen bitte an: suedwind.verwaltung@suedwind.at oder Tel: 01/405 55 15-322
neue Positionspapiere Rückblicke 17 Drei neue Attac-Positions- und Projektpapiere erblickten 2010 das Licht der Welt Geld ist ein öffentliches Gut – Projektpapier Bedingungsloses Für ein alternatives Finanzsystem! „Demokratische Bank“ Grundeinkommen Das neoliberale Finanzsystem hat Das profitorientierte Bankensystem Ein Bedingungsloses Grundein- rundum versagt und schadet der Re- ist maßgeblich für die Finanzkrise kommen ist ein Baustein im Trans- alwirtschaft und der gesamten Gesell- verantwortlich. Ein zu großer und zu formationsprozess mit dem Ziel, ein schaft. Die alleinige „Re-Regulierung“ mächtiger Bankensektor stemmt sich „Gutes Leben für Alle“ zu schaffen. Es der Finanzmärkte ist zu wenig. Im Zen- gegen jegliche demokratische Regu- muss von gesellschafts-, wirtschafts- trum eines alternativen Finanzsystems lierung und verhindert selbst kosme- und bildungspolitischen Maßnahmen müssen das öffentliche Interesse und tische Reformen. begleitet werden und ist selbst nur das Gemeinwohl stehen. Banken und So wie es eine flächendeckende eine Übergangslösung in eine Gesell- Geld müssen zu einem öffentlichen öffentliche Bildungs-, Gesundheits- schaft, in der für alle von allem genug Gut werden. Unser „alternatives Fi- oder Bahninfrastruktur gibt, sollte da ist. Es ist ein Schritt in Richtung ei- nanzsystem“ umfasst mehrere Ele- es in Zukunft auch eine öffentliche, ner Gesellschaft, in der die Menschen mente: jedoch demokratische Bankeninfra- frei und selbstbestimmt leben und 1. Ein demokratisches und gemein- struktur geben. Grundsätzlich sollten tätig sein können. Daher muss eine wohlorientiertes Bankensystem. Ban- alle Banken dem Gemeinwohl die- emanzipatorische Form des Grund- ken werden in nicht gewinnorientierte nen. einkommens in einer Höhe über der Unternehmensrechtsformen transfor- Attac begrüßt die Pläne für die Armutsgrenze ausbezahlt werden und miert. Selbstgründung einer konkreten De- darf an keine Bedingungen gekoppelt 2. Die Abschaffung nichtgemein- mokratischen Bank durch die Zivilge- sein. wohlorientierter Finanzinstrumente sellschaft, wird sich als Organisation Seine Kerneigenschaften: wie Derivate, Fonds, die Verbriefung aber nicht an der Gründung beteili- bedingungslos – allgemein – perso- und der Handel mit Krediten sowie gen. Wir freuen uns, dass unser Input nenbezogen – existenz- und teilhabe- Rating-Agenturen: Das Casino wird so rasch Früchte trägt. sichernd geschlossen. Website der Demokratischen Bank: 3. Die Schaffung eines Weltwäh- www.demokratische-bank.at rungssystems mit stabilen, an reale Indikatoren gekoppelten Wechsel- kursen als Alternative zur aktuellen Alle Projekt- und Positionspapiere finden Sie zum Download unter: Dollarhegemonie. www.attac.at/positionspapiere. Gerne schicken wir Ihnen die Papiere 4. Globale Steuerkooperation und eine auch zu – Bestellung unter: verwaltung@attac.at gerechtere Verteilung der Steuerlast.
18 Rückblicke Gemeinwohlsymposium Über 100 TeilnehmerInnen besuchten das von den Attac-UnternehmerInnen organisierte erste Gemeinwohl-Symposium. Symposium: Unternehmen neu denken. Die Gemeinwohl-Ökonomie als Wirtschaftsmodell mit Zukunft „Wenn wir die Welt vor den kata- In dem alternativen Wirtschaftsme- die Attac-UnternehmerInnen strophalen Folgen des Raubtierkapi- dium www.wirks.at wurde die sehr talismus retten wollen, dann müssen treffende Beschreibung der Gemein- wir UnternehmerInnen mit ins Boot wohl-Ökonomie (www.gemeinwohl- holen. Nicht diejenigen, die wirklich oekonomie.org) bereits wie folgt zi- nur ans Geld denken, sondern die tiert: Avantgarde, die sehr wohl an der Zu- „Die ‚Gemeinwohl-Ökonomie‘ ist kunft ihrer Kinder und am Überleben tendenziell eine Form der Marktwirt- unserer Welt (Gaia) als Ganzes inte- schaft, in der jedoch die Motiv- und ressiert ist. Und das betrifft mehr Un- Zielkoordinaten des (privaten) unter- ternehmerInnen als wir glauben.“ nehmerischen Strebens ‚umgepolt‘ werden – von Gewinnstreben und Die Gemeinwohl-Matrix Konkurrenz auf Gemeinwohlstreben wurde erarbeitet und Kooperation. Zeitgenössische Forschungsergebnisse zeigen, dass So traf sich seither regelmäßig ein diese Alternative entgegen tief sit- kleines Grüppchen und erarbeitete in zender Vorurteile gut mit der ‚Men- vielen Diskussionen und Workshops schennatur‘ vereinbar ist. Mehr noch: die Gemeinwohl-Matrix, die wiederum Die Gemeinwohl-Ökonomie baut auf zu einem wesentlichen Element des genau den Werten auf, die unsere jüngsten Buches „Gemeinwohl-Öko- zwischenmenschlichen Beziehungen nomie“ von Christian Felber wurde. gelingen lassen: Vertrauensbildung, A m 6. Oktober 2010 veranstal- tete die Arbeitsgruppe der Attac-UnternehmerInnen in Wien ein Was durch diese Zusammenarbeit entstand ist ein ganz großer Wurf, und das Interesse (nicht nur) in der Unter- Verantwortung, Mitgefühl, gegen- seitige Hilfe und Kooperation. Diese humanen und nachhaltigen Verhal- Symposium zur „Gemeinwohl-Ökono- nehmerInnenwelt ist enorm. Das Buch tensweisen werden anhand der ‚Ge- mie“ - ein Höhepunkt der 2008 wäh- ist im August erschienen und geht meinwohl-Bilanz‘ gemessen und mit rend der Sommerakademie in Steyr bereits in die vierte Auflage. Überset- einer Fülle von Anreizen und ‚syste- gemeinsam von Christian Felber und zungen ins Französische und Kroa- mischen Aufschaukelungen‘ belohnt: Heinz Feldmann initiierten Gruppe. tische sind in Arbeit, Erscheinungs- das Marktstreben wird ‚ethisch um- Heinz ist selbst Unternehmer und seit termine schon geplant. Mehr als 160 gepolt‘.“ dem Frühjahr 2010 auch im Vorstand Unternehmen aus fünf Ländern unter- Heuer wird die „Gemeinwohl-Bilanz“ von Attac tätig. Die Idee zu der Unter- stützen das Wirtschaftsmodell be- von bis zu 100 Pionierunternehmen nehmerInnen-Gruppe hat sich Heinz reits, und seit dem Symposium haben getestet, und im Oktober 2011 – also zufolge aufgedrängt. Er wiederholt sich 50 UnternehmerInnen gemeldet, genau ein Jahr nach dem Symposium seit damals bei vielen Attac-Treffen die 2011 erstmals nach Gemeinwohl- – werden die ersten Ergebnisse im und informellen Gesprächen mit Atta- Kriterien bilanzieren wollen. Rahmen einer „Internationalen Bilanz- cies seine Botschaft wie folgt: Pressekonferenz“ veröffentlicht. ||
Aktionsakademie Rückblicke 19 Vom 12. bis zum 16. Mai fand in Steyrermühl/ Laakirchen die zweite österreichische AktionsAkademie statt. Aktivismus lernen und leben: Die AktionsAkademie 2010 Im Seminar Videoaktivismus wurde dem von den Grünen eingesetzten von Elisabeth Grießler gezeigt, wie man mit geringen Mitteln Prozessbeobachter Eberhart Theuer. ein tolles Video zaubern kann. Beide zeigten auf, welche erschre- Ü ber 200 AktivistInnen trafen sich im Papiermachermuseum um alles rund um Aktionen und poli- Auch für´s leibliche Wohl war ge- sorgt: Die TeilnehmerInnen wurden ckenden Auswirkungen der §278 StGB für zivilgesellschaftliche Orga- nisationen hat. tischen Aktivismus zu lernen, sich zu während der gesamten AktionsAka- vernetzen und auszutauschen. Auch demie von einer selbstorganisierten Der Höhepunkt der AktionsAkade- dieses Mal wurde die Akademie von Volksküche biologisch, vegan und mie war am Samstag das gemein- Attac und Greenpeace organisiert regional versorgt. Die Gerichte waren same Ausprobieren des Erlernten und von Global 2000 sowie Amnesty superlecker! Übrigens konnte jeder auf dem Demonstrationszug in Linz: International unterstützt. Tag mit Yoga oder QiGong begonnen Mit Großpuppen, einer Straßenthea- werden. tergruppe, vielen Bannern und einer lautstarken Samba-Bateria zogen die Raum für den Austausch Am zweiten Abend der AktionsA- TeilnehmerInnen der AktionsAkade- zwischen den AktivistInnen kademie wurde ein Begegnungsfest mie durch die Linzer Innenstadt und und der lokalen Bevölkerung veranstaltet, das einen Raum schuf trotzten dem Regenwetter. Die aktio- für den Austausch zwischen den Ak- nistische Demonstration stand unter tivistInnen und der lokalen Bevölke- dem Motto: „Ein gutes Leben für alle! 24 Workshops und 11 zweitägige rung. Zuerst gab es einen Vortrag von – Wege aus der Krise“. Die Bewoh- Seminare wurden angeboten. Die Christian Felber über das derzeitige nerInnen waren sehr interessiert und TeilnehmerInnen konnten z. B. ler- Geld- und Bankensystem, danach rissen uns die Flyer förmlich aus den nen, wie eine gewaltfreie Diskussion sprach Thomas Berghuber von der Händen. Am Abend feierten wir ge- geführt wird oder wie eine Aktion am Schuldnerberatung in Oberösterreich meinsam mit Mary Lamaro und Mono- besten fotografiert werden sollte; es über die Probleme von verschuldeten mania einen beschwingten Ausklang gab Workshops zum Thema Guerilla Menschen und wie diese überhaupt in der AktionsAkademie. Gardening, Recht für AktivistInnen, ihre prekäre Lage kommen. Nach die- Aktionsklettern oder StreetArt... sen inhaltlichen Inputs wurde zu den Danke fürs dabei sein und/oder bis Die Seminare deckten ebenfalls ein Klängen der Roithauma Buschbuam zum nächsten Mal! breites Spektrum an möglichen Ak- Combo und SambAttac das Tanzbein tionsformen ab: Von Kampagnenpla- geschwungen. Am Freitag Abend Die AktionsAkademie 2011 wird nung über Protestsongs Singen bis zu gab es eine äußerst spannende Podi- vom 1. - 5. Juni in Eggenburg (Nieder zivilem Ungehorsam war alles dabei. umsdiskussion mit Martin Balluch und österreich) stattfinden. ||
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