RÄUME - UNI:PRESS STUDIERENDENZEITUNG DER ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHÜLERINNENSCHAFT DER UNIVERSITÄT SALZBURG - NOVEMBER 2021 - ÖH SALZBURG
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UNI:PRESS STUDIERENDENZEITUNG DER ÖSTERREICHISCHEN HOCHSCHÜLERiNNENSCHAFT DER UNIVERSITÄT SALZBURG — RäUMe — #706 November 2021
editorial Mr. Noname Das könntest du sein Hannah Wahl David Mehlhart Liebe*r Leser* in wir, die Redaktion der uni:press, wollen euch auf das allerherzlichsten begrüßen zur neuen Ausgabe der uni:press. Die Uni hat ihre Pforten wieder geöffnet und im besten Fall liest der geneigte Leser, die geneigte Leserin diese Zeilen in einer physischen Ausgabe der uni:press, die sie*er justament aus einem der adretten Blechständer gezogen hat. Aber wollen wir uns nicht zu viele kuschelige Gedanken an die Präsenzlehre verschwenden: Erstens kann das alles wieder ein ganz jähes Ende nehmen und zweitens gibt es wenig Lästigeres als die elenden Vorstellrunden zu Beginn der Seminare samt ihren 12-Einheiten-Powerpoint-Syllabi. Aber jetzt zur Ausgabe: Die Autor*innen der Artikel haben in dieser Ausgabe, die mit „Räume“ betitelt ist, in vielfältiger Weise diesem Begriff nachgespürt. „Jaja, bei so einem poststrukturalis- tischen Null-Wort kann man wohl eh alles schreiben“, wird jetzt der ein oder andere Prädikaten- Impressum logiker einwerfen, und das mag zu einem gewissen Grad auch stimmen, aber die vorliegenden Texte sprechen eine andere Sprache. Viel mehr wird scharf geschossen (im metaphorischen Medieninhaberin: Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Sinnen natürlich!!!), wenn im Artikel „Das wird man ja noch sagen dürfen“ gezeigt wird, dass die Paris Lodron Universität Salzburg (ÖH Salzburg), Kaigasse 28, 5020 Salzburg, www.oeh-salzburg.at, sekretariat@oeh-salzburg.at / Uni so allerlei üblen Schabernack einen Hörsaal gibt und sich dann beim Ausbügeln ein Wenig auf Herausgeber: HochschülerInnenschaft / Pressereferentin: Carolina die Nase legt. Ähnliches gilt für die Stadt Salzburg und ihrem Umgang mit Straßennamen, die Forstner / Layout: Soja Hack, Johanna Eisl / Anzeigen und Vertrieb: Nazis ehren. Nachlesen kann man das im Text „Ehre, wem keine Ehre gebührt“. Um das ganze ein Carolina Forstner wenig theoretisch zu unterfüttern finden die Leser*innen auch eine Essay, der sich mit Richards Sennetts Idee der offenen Stadt auseinandersetzt. Scheinbar ist es auch so, dass im Rahmen der Redaktion (Kontakt: presse@oeh-salzburg.at): David Mehlhart, Hannah Wahl Lehrer*innenausbildung in erster Linie Raum geschaffen wird, zu lernen wie man als Lehrer seine Subalternen aka Schüler*innen am besten zur Selbstoptimierung anleitet. Dazu findet ihr Autor*innen: Alica Diem, Yael Gold, Bernhard Landkammer, Karl Mags, ebenfalls zwei Artikel, einer mit dem klingenden Titel „School of Halbwissen“, in der aktuellen David Mehlhart, Georg Pidner, Enby Trans, Christian Veichtlbauer, Ausgabe. Einiges dürfte also doch im Argen liegen an der Uni, was man im Hochglanz-Insta-Feed Hannah Wahl, Katharina Zeppezauer-Wachauer nicht so mitbekommt. Weiters erwarten euch spannende Interviews, ein großer Serviceteil Druckerei: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H. / www.berger.at / rundum Salzburg und die ÖH und anlässlich der Transgender-Awarenss-Week (13. – 19.11) ein Auflage: 4.500 Stück. Für Verbesserungsvorschläge und kritische Text, der die bürokratische Odyssee einer Namensänderung nachzeichnet. Hinweise sind wir sehr dankbar. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors/der Autorin Die Redaktion wünscht viel Freunde, Erkenntnis und Anregung beim Lesen! und nicht immer die Sichtweise der Redaktion wieder. Die uni:press kann auch ganz einfach über meine.oeh-salzburg.at P.S. Und wie immer: Rückmeldungen, Drohungen, abonniert werden oder per Mail an die oben angegeben Adresse. Kritik oder eigene Ideen für Artikel gerne an presse@oeh-salzburg.at 2 3
inhalt inhalt Inhalt Inhalt Inhalt Kultur & Menschen 28 Eine Vornamensänderung beim Standesamt Wien in 11 Telefonaten (und einem Gespräch vor Ort) 36 Filmschmankerl 38 Beisltest Das NarrenCastl in Lehen 40 Homies Kulturverein: Die neue Anlaufstelle für urbane Musik und Live-Erlebnisse in Salzburg 8 Politik & Gesellschaft 42 Mehr als ein 41 Bäuer:innenprotest 44 Unethisch und diskriminierend: Billa-Werbekampagne Räume sorgte für Empörung 47 COVID-19-Faktencheck 8 „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ Cancel Culture versus akademische Redefreiheit 14 Zeitmaschine Uni & Leben 11 „Es gibt hier zu wenig Raum, um etwas zu erschaffen aber 52 Aus dem Vorsitzbüro Vol. 1.0 auch um zu scheitern“ 55 Der „Gecoachte“ wird bald selbst „Coach“ Interview mit der Salzburg Eine kritische Reflexion vor dem Ende Club Commission der Lehramtsausbildung 19 Ehre, wem keine Ehre gebührt 58 Vorstellung der ÖH-Referate 38 23 Ein Plädoyer für die offene Stadt 64 School of Halbwissen 52 26 (Wo) haben wir 66 Wie, was, wo? Studierende „Raum“? Ein kurzer Salzburg-Guide 4 5
Räume RÄUME „Wenn sie sich die Miete nicht leisten können, sollen sie doch Immobilien kaufen!“ So oder so ähnlich die ÖVP zum Thema hohe Mieten. Und weil Eigentum ja die beste Vorsorge gegen Altersarmut sein soll, greifen wir euch unter die Arme und stellen euch hier die Basis für euer Eigenheim und alles, was dazu gehört. 6 7
Räume RÄUME „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ Cancel Culture versus akademische Redefreiheit A Das Statement uch an der Universität Salzburg sein Seminar zur Gänze einer Bewegung wird dieses Semester fleißig da- widmen, die Israel als koloniales Projekt rüber diskutiert, was man denn einordnet, als Apartheitsstaat deklariert der Universität Salz- „eigentlich noch sagen darf“. Um Antise- und zumeist ausschließlich dessen jüdi- burg damals war mitismus, Rassismus und Gender soll es sche Bevölkerung boykottieren möchte. in einer Vorlesung dieses Semester ge- enttäuschend, an hen, in der die „Grenzen der akademi- Schließlich lag es an uns jüdischen Stu- Schuldeingeständnis schen Redefreiheit“ eruiert werden sol- len, nachdem im vorigen Semester die dierenden, die antisemitische Problema- tik des Seminars offenzulegen, Recher- mangelte es wie Veranstaltung eines anderen Professors che zu betreiben, die Initiative zu immer, wenn etwas „gecancelt“ wurde. ergreifen, Gespräche zu suchen und dafür antisemitisches an zu sorgen, dass ein Seminar, in dem anti- dieser Universität Überall und immer wieder hört man davon: Cancel Culture. Die Angst, einem (medialen) Konkreter Auslöser war eine ursprüng- semitische Inhalte Platz gefunden hät- Shitstorm ausgesetzt und schließlich gänzlich von der öffentlichen Bildfläche gewischt lich geplante Lehrveranstaltung im Som- ten, verhindert wird, was schlussendlich vorfällt mersemester 2021, in der es um BDS (Boy- auch dank der Hilfe der Jüdischen Öster- zu werden, steigt. Heute dürfe man ja gar nichts mehr sagen. Die Empörungskultur der cott - Divestment - Sanctions) gehen soll. reichischen Hochschüler*innen in Wien linken „woke-Bubble“ sei totalitär und würde die Menschen in ihrem Recht auf Mei- Unterrichtet selbstverständlich von einem und der ÖH Salzburg möglich war, aber unterstützen, einen offenen Brief in Soli- Professor, der die Bewegung offenkundig eben wieder dazu führte, dass wir Betrof- darität mit dem „gecancelten“ Professor nungsfreiheit zensieren. Doch wer wird jetzt eigentlich von wem „gecancelt“? unterstützt. Der bereits zuvor – auch an fene uns um uns selbst kümmern muss- verfassten. Aber immerhin: Das Seminar der Universität Salzburg – als „kontro- ten, während andere Studierende, statt wurde abgesagt, „gecancelt“, und als Von Yael Gold vers“ aufgefallene Professor wollte also uns im Kampf gegen Antisemitismus zu Kompensation sollen dieses Semester 8 9
Räume RÄUME Betroffene hingegen erfahren Entsolidarisierung und Schikane. akademische Redefreiheit und „Cancel Culture“ können, die Universität hat sich ihre Finger nicht kritisch diskutiert werden, was auch immer das schmutzig gemacht und die Obsession Nichtbe- heißen mag. troffener mit Jüdinnen*Juden und ganz besonders Israel, kann weiter gefüttert werden. Man könnte nun denken: „Gut, immerhin hat die Universität eingesehen, dass das Seminar abge- Eine Frage der Perspektive – sagt werden soll. Kompensation ist ja wohl noch und der Privilegien drin, denn die Themen müssen ja auch kritisch Das alles heißt jetzt nicht, dass man über diese diskutiert werden.“ Jein. Das Statement der Uni- Themen nicht diskutieren sollte. Im Gegenteil: versität Salzburg damals war enttäuschend, an Antisemitismus, Rassismus – und eben auch ganz Schuldeingeständnis mangelte es wie immer, besonders antipalästinensischer Rassismus – und wenn etwas antisemitisches an dieser Universität viele weitere Themen müssen viel mehr Raum be- vorfällt, aber darüber wurde bereits in der diesjäh- kommen, intersektionale Bündnisse müssen ge- rigen Aprilausgabe der Uni:Press berichtet. Jetzt schlossen werden und es ist notwendiger denn je, soll es vor allem darum gehen, was die Universität auf Probleme verschiedener marginalisierter seither aus dem Vorfall gelernt zu haben scheint: Gruppen auch im öffentlichen Diskurs aufmerk- nichts. sam zu machen. Aber genau da liegt ein sehr grundlegendes Problem: Während wir als Betrof- Denn was ist nun die korrekte Antwort darauf, fene permanent damit konfrontiert sind, unsere wenn jüdische Studierende sich über ein Seminar Lebenszeit mal mehr, mal weniger freiwillig darin beklagen, das antisemitische Inhalte reprodu- zu investieren, Nichtbetroffenen unsere Diskrimi- ziert? Natürlich: Es widerwillig und auf viel Nach- nierungserfahrungen, strukturelle Probleme und druck absagen – also das absolute Minimum tun deren Verantwortung als privilegierte Menschen – und es dann im Gegenzug den jüdischen Studie- zu vermitteln, erleben wir als Reaktion darauf renden noch schwerer machen, indem man noch statt Solidarität vor allem Unverständnis und Ab- eine Vorlesung plant, in der nun „Cancel Culture“ wendung. Man „will“ also über Diskriminierung und „akademische Redefreiheit“ das Zentrum des reden, oder zumindest so tun, als wollte man das, Diskurses bilden, basierend auf den Themen – aber bitte keinen direkt Betroffenen eine Bühne surprise – Antisemitismus, vor allem „Israelkri- geben, denn die sind zu unangenehm. tik“, Rassismus und Gender. Gecancelt wurde also nichts und niemand. Der „gecancelte“ Professor Statt sich also auf die Perspektive und die Lebens- wird anderswo seine Thesen weiterverbreiten realitäten Betroffener einzulassen und die eigenen 10 11
Räume RÄUME Der Kampf gegen troffen. Alle sind sie Täter*innen und schließlich stilisieren sie sich aber alle als die Opfer der ver- gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit lieber ins Endlose abstrahiert, um dann zu der alles ent- druck finden soll. Zweifelsohne ist es also eine fragwürdige Entscheidung, mit einem derartigen den Antisemitismus- meintlichen „Cancel Culture“, weil Betroffene sie scheidenden Frage zu kommen, ob der Hass auf Begriff in einer Lehrveranstaltung um sich zu für ihre Aussagen kritisierten und das sei ja unfair, marginalisierte Gruppen am Ende nicht doch ir- werfen, in der es unter anderem um Antisemitis- vorwurf ist viel denn schließlich habe es ja niemand so gemeint gendwie legitim war, weil das war halt einfach die mus gehen soll. Auf Basis eines antisemitischen und alles war ganz anders. Sie sind also die wahren Meinung dieser Person und die wurde einfach nur Ereignisses. Sieger*innen im vermeintlichen Kampf gegen die falsch verstanden. wichtiger als der „linke Zensur“. Auch die besagte Vorlesung an der Universität Diese sogenannte „Cancel Culture“ hat also noch nie jene privilegierten Personen getroffen, die Kampf gegen Betroffene hingegen erfahren Entsolidarisierung und Schikane. Die angeblich „Gecancelten“ wer- Salzburg funktioniert nach diesem Prinzip. Dis- kriminierung, in diesem Fall Antisemitismus, aber ständig von sich behaupten, „gecancelt“ zu wer- den. Im Gegenteil: Während marginalisierte Grup- Antisemitismus. fen ihnen häufig vor, sie würden übertreiben oder gar ihre Diskriminierungserfahrungen als PR- auch die Themen Rassismus und Gender werden abstrahiert, es wird diskutiert, was man noch sa- pen um ihr Leben bangen und täglich mit der Angst konfrontiert sind, vielleicht eines Tages von Stunt nutzen. Sie werden noch systematischer aus gen dürfte, was eine „Meinung“ sei, was Betrof- Rechtsextremen aus dem physischen Leben Diskursen und Räumen ausgegrenzt, denn sie fene aushalten müssten, statt sich konkreten Er- gecancelt zu werden, weil die Mehrheitsgesell- würden der Mehrheitsgesellschaft schaden, seien scheinungsformen von Diskriminierung zu schaft glaubt, man müsse diskriminierende, fa- Aussagen kritisch zu reflektieren, zentrieren viele totalitär und gegen Meinungsfreiheit. Am Ende widmen oder gar Strukturen oder Mechanismen schistische und rechtsextreme Positionen aushal- Nichtbetroffene sich selbst als die „vor den Kopf aber bangen aber genau diese von struktureller zu analysieren. Und der Auslöser dafür? Jüdische ten, inszenieren sich jene, die diese gestoßenen“, die sonst nie Widerspruch für ihre Diskriminierung betroffenen Menschen schließ- Studierende erleben, wie jemand an ihrer Univer- lebensbedrohlichen Strukturen aktiv oder passiv diskriminierenden Aussagen bekommen. Sie ma- lich um ihr Leben, wenn Rechtsextreme, die durch sität antisemitische Inhalte verbreiten möchte, stützen, als die Opfer ihres eigenen Narratives, növrieren sich also selbst in eine Opferrolle, ob- öffentliche Outcalls auf sie aufmerksam werden, müssen sich selbst darum kümmern, dass die not- in dem sie von den Betroffenen zensiert und wohl sie eigentlich die Täter*innen sind, denn auf Morddrohungen an sie aussenden. Und dann blei- wendigsten und absolut mindesten Schritte sei- schließlich ausgegrenzt würden, weil man sie einmal erfahren sie legitime aber für sie unange- ben häufig nur noch ein Rückzug aus dem öffentli- tens der Universität eingeleitet werden, um das zu kritisiert und darum bittet, marginalisierte nehme Kritik, wenn sie diskriminierende Dinge chen Diskurs, ein Umzug und die Hoffnung, dass verhindern und dann von der Universität schließ- Gruppen nicht mehr zu unterdrücken. sagen, die sie bisher problemlos äußern konnten. nichts passieren wird. Wer wird hier also wirklich lich implizit jene Antwort zu bekommen, die zu- Das ist sie also angeblich, diese Cancel Culture. „gecancelt“? gleich auch das mehrheitsgesellschaftliche Cancel Culture, um die Bedeutung des Begriffes, Grundproblem versinnbildlicht: Der Kampf gegen dem sich auch an der Universität Salzburg bedient Sie reicht schließlich von bekannten TV-„Come- Tun, was man tun muss. Oder doch nicht? den Antisemitismusvorwurf ist viel wichtiger als wird, zu korrigieren und zu konkretisieren, das dians“, deren sexuelle Übergriffe ans Licht kamen Man müsse unangenehme Meinungen aushalten, der Kampf gegen Antisemitismus. sind Einschüchterungs- und Silencingversuche über „Satiriker*innen“, die antisemitische Witze heißt es dann oft. Man müsse über solche Themen aus dem rechten Lager, die nicht nur toleriert, vor einem grölenden nichtjüdischen Publikum diskutieren, so wie eben jetzt, wenn es um „aka- Dass man das an der Universität Salzburg nun un- sondern gesellschaftlich als demokratisches Gut reißen zu TV-Hosts, die sich rassistisch und anti- demische Redefreiheit“ geht. Die Frage ist aber, ter dem rechten Kampfbegriff der „Cancel Culture“ unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit ver- ziganistisch äußern und Applaus dafür ernten, wer diskutiert hier worüber? Und mit wem? Und diskutiert, aber den Begriff und seine hochproble- teidigt werden. Cancel Culture ist es, Betroffenen über die Frankfurter Buchmesse, wo rechtsext- warum? Und was muss man eigentlich wirklich matische Entwicklung besonders im deutschspra- den hart erkämpften öffentlichen Raum wegzu- reme Verlage problemlos ihre Bücher ausstellen aushalten? Müssen Personen, die strukturell dis- chigen Raum zeitgleich nicht einordnet, zeugt ent- nehmen und sich über sie lustig zu machen, zu sa- während schwarze Frauen bedroht und schließlich kriminiert werden, es wirklich aushalten, dass weder von Ignoranz oder von Boshaftigkeit. Rechte gen, sie seien zu überempfindlich, sie könnten das zur Absage ihres Auftrittes genötigt werden, bis privilegierte Menschen ihnen ihre Diskriminie- Cancel Culture imaginiert Zensur und „unnatürli- nicht „objektiv“ betrachten, so als ob die österrei- letztendlich auch zur Uni Salzburg, wo einem ex- rungserfahrungen absprechen, sich darüber lustig chen“ sprachlichen Totalitarismus durch eine chische und bundesdeutsche Täter*innengesell- ternen Professor Plattform zur Verbreitung anti- machen, Rechtsextremen den Weg frei räumen hauptsächlich linke Gesellschaft und Menschen, schaft objektiv auf Diskriminierung blicken semitischer Inhalte gegeben worden wäre. Sie alle Menschen zu bedrohen, zu verletzen oder ihnen die auf verschiedene Weise Marginalisierungser- könnte. Cancel Culture ist, dass Marginalisierte haben öffentlich für ihr Verhalten Kritik erfahren. gar noch Schlimmeres anzutun, weil die Hilferufe fahrungen machen. Auf unauffällige Weise hat es sich aus Selbstschutz aus dem öffentlichen Raum Rechtskonservative Medien behaupten, einige von von Marginalisierten nie ernstgenommen wer- der Begriff so schon in einige Feuilletons geschafft, zurückziehen müssen, weil das Sicherheitsrisiko ihnen wurden gar „gecancelt“. den? Müssen wir Jüdinnen*Juden Antisemitismus ist aber am Ende ein Begriff, unter dem Unterdrü- zu hoch ist, während Rechtsextreme keinerlei aushalten, antisemitischen Inhalten an der Uni- ckung marginalisierter Gruppen weiterhin legiti- Grenzen oder Konsequenzen befürchten müssen. In Wahrheit haben sie alle aber zunächst mehrere versität Raum geben, oder gar mit Menschen spre- miert wird und natürlich auch deshalb so gut im Cancel Culture, das ist schließlich auch der NSU, andere Dinge gemeinsam: Niemand von ihnen chen, die uns hassen und im Extremfall tot sehen gesamten Spektrum von konservativ bis rechtsex- das ist Hanau, das ist Halle, der NSU 2.0, das sind wurde „gecancelt“, im Gegenteil: Einige haben wollen? Ist es intolerant, nicht mit Faschist*innen trem ankommt. Zugleich ist er eben auch ein be- die Attentate in München 1972 und 2016, das ist zusätzlich ganze neue Plattformen bekommen, zu diskutieren? Nein. Eigentlich wäre es die Auf- liebtes Mittel rechter bis rechtsextremer Organi- Idar-Oberstein und das sind auch die hunderten von TV-Formaten über Podcasts über Angebote, gabe der Mehrheitsgesellschaft, klare Kante gegen sationen, ihre Phantasien vom „Großen weiteren „Einzelfälle“, wegen der wir tagtäglich Bücher zu schreiben. Niemand von ihnen ist von Diskriminierung zu zeigen und Betroffene zu un- Austausch“, einem Systemwandel durch jüdische Angst haben, während ihr darüber streitet, was den Diskriminierungsformen, die sie reproduzie- terstützen statt Täter*innen zu schützen. Aber Eliten, zu artikulieren, der angeblich unter ande- man denn noch sagen darf. ren und/oder über die sie sich lustig machen, be- statt das zu tun, werden verschiedene Formen der rem im Sprachwandel seinen wortwörtlichen Aus- 12 13
Räume RÄUME Zeitmaschine schrittlichen neuen Zaghaft versuchte man stimmung bei den Mie schen, statt sie kur Tatsachen zu stellen. Mietgesetzentwurfes. , Verständnis und Zu- tspekulanten zu erh ei- zerhand vor vollendet e Der Erfolg solcher Po- Maxglan), die im Som Doch zeigte sich ber zen „empirischer“ Öff Gleichgültigkeit und mer durchgeführt wur eits deutlich die Gre entlichkeitsarbeit. de. Passivität der betrof n- Um - litik ließ nicht lan fenen Bevölkerungstei Wenn man nicht wie ein peinlicher Babyboomer wirken will, sollte man vermeiden, dauernd über die ge auf sich warten. le zu überwinden bra chen wir Aktionen, die u- vergangen, goldenen Zeite zu salbadern und das früher sowieso alles besser war. Eh klar. Hin und Mietendruck und Woh- Bürgerliche Medien übe nungsnot als sehr woh rboten sich in der In- l bekämpfbare Auswüc wieder ist man aber dann doch verleitet ein wenig ins Schwelgen zu verfallen. Etwa wenn man die dieser Gesellschaft hse szenierung einer Lüg entlarven. studentischen Publikationen aus dem Salzburg der 70er und 80er durchblättert. Nicht nur hatte jede en- und Hetzkampagne deren Verlauf der „Mo , in Fraktion ein eigenes Periodikum, sondern es gab mit der Zeitung “Zeitung - der Versuch einer Gegen- rd an den Hausherre (Salzburger Nachricht n“ Aktionen, die sich en) beklagt und die rein auf studentische öffenltichkeit” ein etabliertes Medium, dass mehrere Jahre bestand und ordentlich in alle Richtungen so gefährdete „Ordnu ach Wohnprobleme beschränk ng im Wohnungswesen“ en, werden diesem An- austeilte. Z.b erkannte man schon bei der Gründung der Grünen Anfang der 80er, dass diese Partei, jammert wurde. (Orden be- spruch nicht gerecht tlich soll hier woh werden. Heißt doch der weder links noch lustig ist, sondern vielmehr kleinbürgerlich. staatlich gesicherte l sogenannte „studenti Mietspekulation bedeu- sche Interessenkampf Klartext, meist nichts “ im ten) Nun braucht es anderes als der Kampf niemanden zu verwunder So verheißungsvoll eine solche Retrospektive auch sein mag, die Ernüchterung folgt auf dem Fuß. wenn bürgerliche Sch n, für studentische Pri reiberlinge sich zu vilegien. Eine weiter Weder kam es zu glorreichen Revolution, noch konnte man die Grünen verhindern und schaut man sich Vertiefung der Kluft e handlangern von Spekul zwischen arbeitender anten und Mietpreist- die Namen der Autor*innen an, so wurden nicht wenige von diesen später wichtige Stützen der bürger- reibern machen. Daß Bevölkerung und Stu jedoch, plötzlich Fi- denten ist eine unv meidbare Folge dieser er- lichen Ordnung. Naja. Aber das wohl Bitterste, dass einem die schöne Nostalgie versaut: Die Stadt nanzminister Androsch Politik. Unsere hoch- zum Paten eines neuen Salzburg kriegt seit 40 Jahren ihre Probleme nicht gebacken, allen voran die Wohnungsnot. Aber lest „entschärften“ trabenden gesellsch Gesetzesentwurfes aftspolitischen For gemacht rungen würden dadurc de- selbst einen Artikel aus der Zeitschrift des VSStÖ aus dem Jahr 1980 (Nr. 6). Ob damals noch Porträts werden soll, der den h der Unglaubwürdigke Interessen der Banken it Versicherungen, ver , preisgegeben. von Marx und Lenin in den Räumlichkeiten der Sozis hingen, müsste bei Zeitzeug*innen nachgefragt schiedenen Kreisen SPÖ genüge tun soll, der Es ist uns auch klar, werden. Der Ton war damals jedenfalls angenehm rau: ist wohl die schaml daß die Wohnungsmise o- eine strukturell bed re seste Verschacherung ingte ist und solang der Mieterinteresse e seit der Wohn- und Mie n aktuell sein wird, wie tgesetzreform 1967. Wohnen als Ware gilt, die mit größtmöglich em Profit verschachert Was heißt das für muß. Doch erlauben ger Salzburg? Ohne das ade derartige Schlüs ge- nicht, in Lethargie se ringste Hindernis wir zu verharren. Sicher d auch in Zukunft , es Salzburg Mietpreistre in ist schwer, in einer iberei ihre golden Stadt, die die Übertü en chung von Widersprüche n- Früchte tragen, wer n fast zur Perfektio den Realitätenbüros n Wohnungsmarkt beherr den getrieben hat, an Akt schen, wird in der Alt ionen a la Amsterdam p f - oder Frankfurt zu m stadt weiterhin Wohnra a denken, doch im Ghe Wohnkr nte n um zerstört werden und tto spekula die Wohnungsnot zur theoretischer Einsic r M i e t Freude aller Grundspek hten haben wir uns sch on ado de ob- lanten weiter eskali u- zu lange herumgetrieb m Eldor lations eren. en. zu e Speku rkungen G ä n z ie e fast zu r n, um d e B e m n sind gehalte Einig h nu n g e ß t l e e r o no- Was heißt das für uns Originalrechtschreibu ie Wo . bewu n astr ? Warten? Worauf? Auf ng wurde beibehalten! e S c h i zophren ek t e u nd, d.h n W o h n ungen i den St. Nimmerleinst gt di er- j handen e ag, an dem sich die lem zei kuter w der vor Er- oh l kein Prob di e immer a l i c h Preise zu treiben . kenntnis durchsetzt, daß sozialistische Po- W s alljähr gs k r a sser al h r e n d m is c h e Höhen kannten litik sich nicht in Salzbur ere. Wä zburgs mit sat tsam be Verbalradikalität er- W o h n u ngsmies r e G a f fer Sal le i d, l schaft- schöpfen darf! Darauf dende v i s e n s chwange h i n t e r diesen w i r s ind es e n o d er gesel - , daß sich der sat te tausend en de nnt es Doc h ufzuwüh l en soge Bürger Salzburgs nac t a u n e n, begi . en G emüter a D en n Antwort c h h einem ersten Kontak t n be s n k t n . i mit den Realitätenbü Fassade bröckel Fa u setze eren s ros gewissen Lernproze m m e r m ehr zu ch e Ak zente z h e r , präsenti e i - sen öffnet? Wohl kau s- n i i ortlic t Fassade spreche n: l Verantw ler Par m! Bleibt uns als Alt s i c h a n n te r ro j e k te steri n e i- native die konkrete er- die für n p atzunge eten ubladen baren S Aktion – eine fortge n i g e F akten, e h öc h sten Mi s t et s als Sch u n g r e if e n E n - setzte - Dazu ei tand di Woh- der in ogramms . Letzt öffentliche Provokation g h at mit Abs d e r g esamte bü r o kraten o h t e n P r b t a u ch Leisetreter und der der Salzbur aktisch liert, wirklic g, blei Spekulanten. e r r e i chs. Pr b ü r o s kontrol n e s nie ver di e E rfahrun ri v a te i - t n s in Ös i r d R ealitäte e m i t bis zu , da s z eigt un l i t i ke r das P n - nungsma rkt w rdienst - den che“ Po iversen Spitze Erster zaghafter Ver h r e V e rmittle 4 7 9 9 beim Ma „ so z ialistis , d i e d r - such in diese Richtu ng h i lassen . fü r ige Kuh le abf o war eine Flugblattakt die sic i n g zahlen s fä lle vo n m eine heil h i n Kniefäl ion in Gebieten mit Sch il l ch k e i t g en t u i t er g f ü r akuten 21.000 Dringli ien, auch we er Bele Wohnproblemen g e m eldete rk i n d e r-Famil f u n kt i onären h aa r s t räubend ä s en - (Lehen, Itzling, gistrat ist Meh en) tzter flose Pr s u c he n den (me h nl i c h em haus d er n w ird. Le w o hl die hil f o r t - s ä nis wa r urchaus Wohnung nnieren oder hnun- Erkennt sätzen d G a rc o e r s t e h ende Wo d i e se i n e n A n die in re le sich ines in se rfassba beläuft tation e 3.000 e lziffer stehen Du n k e Di es e enüber. Die 9.000!! gen geg n auf e n S ch ätzunge tzt nach le 14 15
Räume RÄUME Foto: Sven Buchholzer „Es gibt hier zu wenig Raum, um etwas zu erschaffen aber auch um zu scheitern“ Rudolfskai, Gstättengasse und bissi Schallmoos, dann ist in Salzburg Die Club Commission Salzburg im Interview mit der uni:press aber schon aufgeräumt, wenns ums Fortgehen und Feiern geht. Wenn man auf die verschiedenen Spielarten elektronischer Musik steht siehts sogar noch düsterer aus. Wenig konsumfreie Räume, eine an- gestaubte Kulturpolitik und die allgegenwärtige Vereinzelung tun ihr Übriges dazu. Um hier sukzessive Abhilfe zu schaffen hat sich unlängst die Salzburg Club Commission formiert, eine Interessenvertretung zur Förderung der hiesigen Clubkultur. Dany, ein Gründungsmitglied die- ser Initiative, hat mit der uni:press darüber gesprochen worans hapert in Salzburg und wo man den Hebel ansetzten müsste: Das Interview führte David Mehlhart. Wer seid ihr und was macht die tions, von denen es zu wenig gibt bzw. Freiflächen. die dortige Szene nicht so durchinstitutionalisiert Wie stehts um das Bewusstsein der Salzbur- Salzburg Club Commission? Geht aber auch dort weiter, dass viele Leute, die ist wie hier mit dem Rockhouse, der Arge oder der ger*innen und der Politik für Clubkultur? Die Club Commission ist eine Interessensvertre- sich engagieren wollen würden wegziehen, weil in Szene – was aber zweifelsfrei auch Vorteile mit Generell würde ich sagen, dass bis jetzt wenig Be- tung für Leute und Akteure, die in Salzburg Club- Salzburg kulturell zu arbeiten sehr prekär ist und sich bringt. Dennoch würde Salzburg noch ein wusstsein herrscht. Es gibt aber vereinzelt Polti- kultur betreiben. Es geht am Ende um Lobbyarbeit, es schwierig ist hier Fuß zu fassen. Es gibt hier zu oder zwei Häuser mit niederschwelligem Zugang ker*innen, die sich bewusst sind, welchen gesell- die wir machen wollen, um bei der Bevölkerung für wenig Raum, um etwas zu erschaffen aber auch vertragen. schaftlichen Wert eine Subkultur haben kann. Es einBewusstsein zu sorgen, aber auch bei der Poli- um zu scheitern. Das alles sind Punkte die sehr kommt aber auch dazu, dass es in Salzburg scheint, tik natürlich. Damit erkannt wird, wie wichtig be- konträr sind zu dem Image einer Kulturstadt, als Hat die Stadt hier zu lange geschlafen und als ob sich viele Menschen mit der Situation abge- spielbare Räume und Flächen sind, bei denen es die sich Salzburg gerne selber gibt. Und hier muss müsste aktiver werden? funden haben. Mit der Ankündigung den Rudolfs- keine Rolle spielt, ob man sich das Ticket leisten sich dringend was ändern, sonst muss man sich Salzburg scheint generell ein schwieriges Pflaster kai umzugestalten, dürfte sich aber die Sichtweise kann oder nicht. Aktuell bewegt sich das in Salz- die Frage stellen, was hält junge Menschen in zu sein, wenn man siehr wie klein die Clubszene vieler ändern, nicht nur jener, die generell alter- burg sehr im privaten und kommerziellen Rah- Salzburg? Hilfe bekamen wir vor allem aus Inns- bis jetzt ist, vor allem die private und gewinnori- nativere Angebote vorziehen. men, wie etwa bei den Festspielen. Was es aber bruck und Wien, wo es schon länger Club Commis- entierte. Als Konsequenz dieses kleinen Angebo- braucht ist ein mehr an Subkultur. sions gibt. tes weichen dann viele Jugendliche nach draußen Was sind die nächsten Schritte die ihr aus und verbringen den Abend etwa am Elisa- als Club Commisson geplant habt? Was war der entscheidende Punkt, an dem Was unterscheidet Städte wie Innsbruck und bethkai, dort aber dann die Anrainer*innen stö- Bisher ist die meiste Zeit in Vernetzung mit den man gesehen hat, dass es eine Interessenver- Wien hinsichtlich der Clubkultur von ren. Hier könnte die Stadt einschreiten und einzelnen Akteur*innen aber auch der Politik ge- tretung braucht? Salzburg? Räume schaffen, die in vielfältiger Weise bespiel- flossen, wo wir auch schon einige Treffen hatten. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass sich in Salz- Es gibt vor allem mehr Häuser, die zum einen sehr und nutzbar ist. Diese waren auch sehr cool und konstruktiv. Da- burg sehr wenig tut in dem Bereich und es sehr niederschwellig arbeiten aber auch ein lokal ori- neben gab es im „Jazz It“ einen Diskussionsabend. schwierig ist für Leute sich hier zu etablieren oder entiertes Programm kuratieren. Ich kann nicht Direkt geplant ist ein Workshop zu sexualisierter überhaupt ausprobieren. Das fängt an bei Loca- genau sagen, woran das liegt, aber vielleicht weil Gewalt im Club. Dieser wird im kommenden Jahr 16 17
Räume RÄUME Ehre, wem keine ehre Was müsste sich in den nächsten Jahren tun, um eine merkbare Veränderung in Salzburg zu spüren? gebührt 66 Namen, 1.100 Seiten Bericht, 0 Konsequenzen? Ich denke da gibt es keinen Masterplan und jede Stadt ist dahingehend unterschiedlich und vieles hängt von der vorhandenen Infrastruktur vor Ort ab. Wenn es nur Räume gibt, die gewinnorientiert arbeiten (müssen), dann muss ich das beim Book- ing immer im Hinterkopf behalten, damit man am Raum ist in der Stadt Salzburg, wie auch überall sonst, begrenztes Gut. Enden nicht mit einem Minus aussteigt. Wenn hier Das zeichnet sich ab, wenn wir Debatten um leistbaren Wohnraum die Stadt in Strukturen investieren würde, bei de- nen das nicht Voraussetzung ist, könnte sich in führen, aber es zeigt sich eben auch in der Frage danach, wie wir den nächsten Jahren richtig viel tun. Auch muss kollektive Räume miteinander gestalten und wem wir Raum geben, die Stadt hier erkennen, wie wichtig Nachhaltig- oder eben nicht. Wem widmet die Stadt Salzburg also den verfügbaren keit in dieser Hinsicht wäre. Schließlich könnte eine breit aufgestellte Clubkultur auch dem Tou- öffentlichen Raum? Wen erwähnt sie namentlich? Wen ehrt sie? rismus gut tun. Daneben gilt es die kreativen Und warum sind 66 Menschen davon Nazis? Leute, die es in Salzburg gibt, sei es an der Uni, der Von Yael Gold FH, dem Mozarteum oder dem SEAD, besser un- N tereinander zu vernetzen. och nicht allzu lange ist es her, dass ein ter, was den konkreten Umgang mit besagten Na- Einen konkreten Änderungsvorschlag gibt es auch neunköpfiger Historiker*innen-Beirat ei- zi-Straßennamen angeht. Das hat sich zuletzt hinsichtlich der Förderstruktur selbst. Diese hängt nen etwa 1.100 Seiten langen Bericht vor- darin geäußert, dass eine knappe politische sich sehr oft an klar umrissenen Projekten auf, die gelegt hat, in dem die Biografien von 66 Personen Mehrheit sich im September 2021 gegen die Um- eingereicht werden müssen. Wichtig wäre hier herausgearbeitet und schließlich veröffentlicht benennung der problematischsten Straßenna- eine Flexibilisierung, dass man etwa für den Auf- wurden, die entweder selbst Nationalsozialist*in- men entschieden hat. Die einen wollen aus büro- bau von Infrastruktur Förderungen bekommen nen oder eng in das NS-Regime verwickelt waren. kratischen Gründen nicht, dass Adressen sich kann, sei es nun die Anschaffung eines Computers, Noch nicht allzu lange ist es her, dass diese 66 Na- ändern, die anderen wüssten nicht, nach wem die Reparatur einer Toilette oder Instandhaltung. men in drei Kategorien gegliedert wurden, aus de- man die Straßen benennen sollte, sodass es fair Hier könnte man mit wenig Aufwand viele errei- nen die Empfehlung hervorging, 29 davon min- wäre und wieder andere wollen statt einer Umbe- chen. Die aktuelle Bürokratie schreckt mit Sicher- destens mit Zusatztafeln zu versehen und bei 13 nennung oder zumindest Tafeln zur Kontextuali- stattfinden und richtet sich vor allem an Betrei- heit jetzt schon viele ab, überhaupt irgendetwas zu dringend zu handeln. Und noch nicht allzu lange sierung lieber QR-Codes, über die man Informa- ber*innen von Clubs und Lokalen, um sie für die- beginnen. Hier wird viel Potenzial verschenkt, was ist es her, dass ÖVP, FPÖ, NEOS, SALZ und ganz tionen dann online lesen könnte. Unabhängig ses Thema zu sensibilisieren. Dabei arbeiten wir sehr schade ist. Großes Ziel der Club Commission vorne dabei selbstverständlich ÖVP-Bürgermeis- davon, was die Ausrede ist, aufgrund derer man mit dem Gewaltschutzzentrum und dem Frauen- ist es am Ende natürlich für alle ein besseres Kul- ter Harald Preuner sich dazu entschieden haben, sich gegen eine Umbenennung entscheidet, bleibt notruf zusammen. Es wären auch weitere Work- turerlebnis zu ermöglichen aber auch für die An- lieber Nazi-Straßennamen zu erhalten als Straßen eine Sache immer gleich: Es ist und bleibt am shops denkbar, etwa wie bearbeite ich Förde- erkennung der Freien Szene zu sorgen. umzubenennen oder zumindest vernünftige Kon- Ende nichts als eine Ausrede. rungsanträge richtig oder Podiumsdiskussionen textualisierung zu ermöglichen. mit Vertreter*innen der Stadt und der Kulturland- Weitere Infos Straßennamen werden ständig geändert, neue schaft. Sehr gerne kann man sich aber natürlich Webseite: www.salzburgclubcommission.at Warum nicht einfach umbenennen? Straßen gebaut, ihnen werden neue Namen gege- mit Vorschlägen an uns wenden oder sich direkt Instagram: salzburgclubcommission Trotz deutlicher Empfehlungen der Histori- ben, Systeme werden aktualisiert und Menschen engagieren. Facebook: Salzburg Club Commission ker*innen-Kommission scheiden sich die Geis- gewöhnen sich an die Veränderung. Diese Pro- 18 19
Räume RÄUME Das Stichwort lautet historische Verantwortung, hat Macht, darüber zu entscheiden, wer in dieser Stadt Raum bekommt und wer in dieser Debatte schließ- man Betroffenen zu- hören und ihre Be- aber die Stadt Salz- lich auch öffentlich geehrt wird. Es geht ja nicht lange ernst nehmen, burg scheinbar noch nur um einen bürokratischen Prozess, sondern vor wenn man als alter, allem darum, dass Nationalsozialist*innen die weißer, privilegierter nicht erreicht. Ehre erfahren, dass Straßen nach ihnen benannt cis-Mann sowieso sind und Menschen mit politischer Macht heute nicht auf deren für den Erhalt dieser Straßennamen sehr vehe- Stimmen angewiesen ist? Das Stichwort lautet his- ment kämpfen. Das ist ein Schlag ins Gesicht für torische Verantwortung, hat aber die Stadt Salzburg alle Betroffenen von struktureller Diskriminie- scheinbar noch nicht erreicht. rung, die in diesen Debatten de facto nicht statt- finden, obwohl gerade diese Stimmen eigentlich Wer wird gehört? Und wer am stärksten hörbar gemacht werden müssten. gehört zu Salzburg? Es geht um viel mehr als „nur“ die endlich mehr Auch deshalb fanden im Laufe der Zeit verschie- als notwendige Entnazifizierung der Symbolwelt dene Aktionen und Diskussionen um die Straßen- des öffentlichen Raums, es geht auch darum, dass namen und was mit ihnen passieren soll, statt. jene Parteien und deren individuelle Mitglieder, Denn nicht alle Menschen sind so d‘accord damit, die diese bisher verunmöglicht haben, sich endlich Nazis Raum zu geben, wie es der Bürgermeister der mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderset- Stadt Salzburg ist. Von einem Memory-Spiel im zen und sich fragen müssen: Haben wir wirklich Dezember 2020, das ein Umdenken der Salzburger aus der Geschichte gelernt? Und wenn ja: Wieso zesse brauchen Zeit, aber jeder Tag, an dem nicht Ausnahme von vier Straßennamen gar vor, statt Erinnerungskultur forderte, über Podiumsdiskus- handeln wir dann nicht dementsprechend? Es gehandelt wird, ist ein weiterer Tag, an dem Ver- die übrigen Straßen umzubenennen, die Schilder sionen zu Leon Kahanes Ausstellung „Les Dran- reicht nicht, Materialien zur Recherche für Bür- änderung und der Prozess, den diese Veränderung der besagten Straßennamen mit QR-Codes zu ver- céens“ in Salzburg im Juli und August, wo unter an- ger*innen online zur Verfügung zu stellen und braucht, verunmöglicht wird. Der Marko-Fein- sehen, die dann Informationen online liefern soll- derem Sashi Turkof, die Co-Präsidentin der dann so zu tun, als wäre damit die eigene Ge- gold-Steg, wenngleich sich hier ganz andere Ab- ten. Das wäre politisch kein Aufwand, denn die Jüdischen Österreichischen Hochschüler*innen schichte aufgearbeitet, während weiterhin Natio- gründe des Diskurses auftun und der Umgang der Parteien müssten sich – zu ihrem Vorteil – nicht gemeinsam mit den Künstlern Leon Kahane und nalsozialist*innen namentliche Erwähnung und Stadt Salzburg mit den Wünschen von Hanna kritisch mit ihrer eigenen Positionierung und Ver- Eduard Freudmann über Erinnerungskultur, das damit schließlich Ehrung im öffentlichen Raum Feingold, Marko Feingolds Witwe, mehr als prob- gangenheit auseinandersetzen, sie müssten keine Lueger-Denkmal in Wien und die Straßennamen in der Stadt Salzburg erfahren. Es geht darum, Raum lematisch war, ist dennoch ein anschauliches Bei- großen bürokratischen Prozesse durchlaufen und Salzburg diskutierten, wurden durch diese Projekte neu zu denken und neu zu gestalten und endlich spiel dafür, dass Umbenennung funktionieren und sie wüssten auch ganz genau, dass kein Mensch, Räume geschaffen, in denen verschiedene Betrof- den Menschen, die zuvor systematisch unter- das Stadtbild nachhaltig beeinflussen und neu aber auch wirklich kein Mensch, jemals einen die- fene zu Wort kommen konnten. Dennoch wurden drückt, ausgegrenzt und deren Vorfahren schließ- prägen kann. Es ist aber auch nur ein erster, nur ser QR-Codes scannen würde, weil niemand sich gerade diese Stimmen in der Medienlandschaft lich in großen Teilen ermordet wurden, eine Mög- sehr kleiner und widerwilliger Schritt nach vorne, den Aufwand macht, am Weg nach Hause, zur Ar- oder in politischen Diskussionen kaum bis gar nicht lichkeit zu geben, ihre Stimme zu diesen Belangen, in dem die Wünsche direkt betroffener Jüdinnen*- beit oder zu Freund*innen die Geschichte jedes gehört. Und da sind wir wieder bei der Frage nach die sie direkt betreffen, zu äußern. Es geht auch Juden nicht respektiert wurden und auf den mit Straßennamens zu scannen, sollten diese QR- Raum, Macht und Sichtbarkeit. darum, ihnen endlich Sichtbarkeit und Repräsen- der Abstimmung gegen die Umbenennung von Na- Codes denn überhaupt jemandem auffallen. Man tation im Stadtbild zukommen zu lassen. Gerade zi-Straßennamen wieder fünf Schritte zurück lebt halt dann damit, dass das wahrscheinlich ein Wieso sollte die Stadt Salzburg auch plötzlich die Diskussion um den Umgang mit und die Um- folgten. Man muss sich also fragen, ob es der Stadt Nazi war. Alles wie immer in Österreich. Bloß keine Straßen, wie es beispielsweise in Frankreich benennung von Nazi-Straßennamen böte sich Salzburg mit der Umbenennung des Stegs wirklich Schuld eingestehen. Bloß keiner Verantwortung durchaus gängig ist, nach Widerstandskämp- hierfür mehr als perfekt an. um die Ehrung Marko Feingolds ging oder nicht nachkommen. Erinnerungsverweigerung war und fer*innen, oder gar nach BIPOC, nach Jüdinnen*- vielmehr darum, die Umbenennung dafür zu inst- ist integraler Bestandteil der konservativ-öster- Juden, nach Sinti*zze und Rom*nja, nach Men- Am Ende der Diskussion stellt sich aber unabhän- rumentalisieren, sich mit falschen Lorbeeren zu reichischen Identitätspolitik. schen mit Behinderung, LGBTQ-Aktivist*innen gig von dem, was in Zukunft mit diesen Straßen- schmücken und sich so von der Arbeit an anderen oder anderen progressiven und/oder marginali- namen geschehen wird, eigentlich nur noch eine Problemen freizusprechen. Wer entscheidet über wen? sierten Personen oder Organisationen benennen, Frage: Wo steht jemand eigentlich wirklich poli- In dieser Diskussion wird vor allem auf politischer die sich konsequent gegen faschistische Struktu- tisch, der bewusst für den Erhalt von Nazi-Stra- Der Historiker Robert Kriechbaumer, der nicht Teil Ebene – vermutlich auch ganz bewusst – ein we- ren positionierten, wenn sie sich auch für Natio- ßennamen kämpft? der neunköpfigen Kommission war, schlug mit sentlicher Punkt gar nicht beleuchtet: Macht. Die nalsozialist*innen entscheiden kann? Wieso sollte 20 21
Räume RÄUME Ein Plädoyer für die offene Stadt Was macht eine offene Stadt aus und warum ist es so wichtig, dafür zu planen und darüber nachzudenken? Eingriffe in die Stadt, wie aktuell am Kajetanerplatz realisiert oder am Rudolfskai geplant, ver- ändern diese naturgemäß. Im weiteren Verlauf wollen wir durch die Brille Richard Sennetts einen Blick auf Städte sowie deren Verände- rungen und möglichen Öffnungen werfen. Ein Plädoyer für eine offene Gesellschaft, und die offene Stadt als deren Allegorie. Von Christian Veichtlbauer I n rasender Geschwindigkeit findet wirklich nicht davon bedroht eine solche schaft, als um eine Bestandsaufnahme Verstädterung und Zersiedelung zu- Megacity zu werden, aber dennoch wol- der gegenwärtigen Welt und zugleich um gleich statt. In unserer Welt leben len wir uns mit deren Eigenschaften und eine wertfreie Voraussage für die Zu- mehr als 50 Prozent der Menschen in Entwicklungen beschäftigen um auch im kunft. Es gilt die eigenen Erfahrungen Städten (für 2050 werden bereits zwei kleinen Maßstab den Blick für wesentli- mit theoretischen Erkenntnissen aus Drittel prognostiziert), davon eine wach- che Merkmale von Städten zu schärfen. dem weiten Feld von Stadtplanung, Ge- sende Zahl in Megastädten mit mehr als 5 Das Idealbild einer offenen Stadt steht schichte der Stadt und ihrer Soziologie oder gar 10 Millionen Menschen. Doch die dabei zur Disposition. sowie der Architektur zu verbinden. städtische Lebensart geht weit über die Grenzen ebenjener als Ort hinaus. Dies ist Wollen wir dem Wunsch nach Offenheit Unter offen wird verstanden, dass die Be- Ausgangspunkt der Betrachtungen über folgen, müssen wir die bestehenden wohner:innen Möglichkeiten haben, ei- die Stadt als den Ort des Gegenwärtigen, Städte und die Regionen der Welt wo sich gene Bedürfnisse weitgehend frei von aber auch des zukünftigen gesellschaftli- eine Urbanisierung erst vollzieht ins äußeren Zwängen oder Richtlinien aus- chen Zusammenlebens. Der Blick muss Auge fassen. Wer verstehen will, warum zuleben. Um dies zu versinnbildlichen, sich dabei über den Tellerrand hinweg eine offene Stadt für die Gesellschaft von können wir uns ein Labor oder eine auf die ganze Welt richten, denn die zentraler Bedeutung ist, muss sich auf die Werkstätte nach der Trial-and-Er- neuen Städte, oft auch Megacitys ge- Auseinandersetzung mit all Ihren Di- ror-Methode vorstellen. Legen wir dieses nannt, entstehen nicht in den alten Met- mensionen einlassen. Hierbei geht es we- Prinzip auf die Stadt um, so kann davon ropolen des Westens. Nun ist Salzburg niger um eine neue Theorie der Gesell- gesprochen werden, dass diese aus sich 22 23
Räume RÄUME Das Thema Städtebau als solches ist ein recht Globus wie individuelle ästhetische Verwirkli- komplexes und nicht leicht zu greifen. Ein gegebe- chungen von Architekt:innen. Die Bauten wirken ner Kenntnisstand in den Bereichen Stadtsoziolo- wie zusammenhangslos in den städtischen Raum gie, Geschichte, Architektur oder Politik kann sehr gewürfelt. Die Qualitäten für den öffentlichen unterschiedliche Ausgangspunkte generieren. Es Raum haben dabei ein breites Spektrum. lassen sich keine klaren Kategorien dafür finden, was eine Stadt lebenswert macht. Genau bei die- Die Frage ist nach dem Verhältnis von gebauter sem Problem können wir mit einer Unterschei- Struktur und der Umwelt der Gesellschaft auf der dung Richard Sennetts anknüpfen. Eine Unter- einen Seite sowie der Beschaffenheit von Gesell- scheidung der beiden Kernbegriffe ville und cité. schaft auf der anderen. Keine der beiden Seiten kann losgelöst von der anderen betrachtet werden. Mit ville wird die architektonische Stadt, der be- Sie sind wechselseitig voneinander abhängig, baute und geplante Raum beschrieben. Nur ergibt wenn auch beide ein Eigenleben führen und die Die cité ist zwar sich aus einem bestimmten Baustil nicht automa- Zusammenhänge multikausal sind. Hier befinden jenseits des gebau- tisch auch ein bestimmter (politischer) Charakter wir uns im Einklang mit dem in der Soziologie oder eine besondere Eigenlogik einer Stadt, welche gängigen relationalen Raumbegriff, der Raum ten Raumes, aber wiederum nicht einfach reproduzierbar ist. Die nicht als absolut begreift, sondern als einen durch naturgemäß eng ville steht für die von oben geplante Stadt (top Gesellschaft konstruierten. An dieser Stelle wollen down). Unter cité fassen wir all jene Wahrneh- wir nicht zu sehr in konstruktivistische Konzepte mit ihm verbunden. mungen und städtischen Eigenlogiken – gewis- abtauchen, sondern ganz klar das Gebaute, die Sie ist so etwas wie sermaßen die Seele der Stadt – zusammen. Die cité Planungen, die Prozesse hinter den Raumbildun- der städtische Eigen- ist zwar jenseits des gebauten Raumes, aber na- gen, die Typen und Formen, die Stadt annehmen turgemäß eng mit ihm verbunden. Sie ist so etwas kann, im Blick behalten. Durch Fokussierungen sinn und die aktive wie der städtische Eigensinn und die aktive Ausge- auf einzelne dieser Parameter können wir Be- Ausgestaltung der staltung der Stadt durch ihre Bewohner:innen, die trachtungen auf verschiedenen Sphären von sich selbst und den Raum anordnen, der im besten Stadt, das Physische oder die (gebauten) Ergeb- Stadt durch ihre Fall für sie, aber möglicherweise auch für andere nisse von Aushandlungsprozessen und gesell- Bewohner:innen Zwecke gebaut worden ist. Unter cité kann man schaftlichen Diskursen anstellen. mehr oder weniger an die Stadt von unten denken (bottom up). Die Unterschiede zwischen ville und Die offene Stadt ist in weiten Teilen gleichbedeu- cité gilt es herauszuarbeiten und zu verdeutlichen, tend mit der Gesellschaft als Ganzes. Jede Stadt welche Konsequenzen es hat, wenn Menschen sich und deren Bewohner:innen sind einzigartig. Für selbst heraus lebt. Stadt wird eben nicht nur (von Die Stadt soll demnach ein Sinnbild für die in ihr einen Raum aneignen, ihn formen und mit ihm die die offene Stadt gibt es demnach keine universa- oben) gemacht und angeordnet, sondern auch ge- lebende Gesellschaft sein. In ethischer Hinsicht politischen Gegebenheiten der Gesellschaft ver- len Regeln welchen die Planer:innen zu folgen lebt und ständig weiterentwickelt. Hierzu wiede- toleriert eine offene Stadt natürlich Unterschiede ändern. Sollte nun Stadtplanung die bestehende haben, vielmehr könnten wir beginnen die Stadt rum müssen sich die Menschen den Raum bis zu und fördert Gleichheit. Gleichzeitig aber befreit sie Gesellschaft repräsentieren oder sie zu ändern und deren Planung dialektisch zu verstehen. Die einem gewissen Grad aneignen können. Dieses in einem spezifischen Sinn die Menschen auch aus versuchen? Diese Frage lässt sich in der genaueren Stadt ist sowohl Synonym für die Gesellschaft an ständige Zusammenspiel mit der Stadt sowie die der Zwangsjacke des festen Vertrauten, indem sie Auseinandersetzung mit dem top down – bottom sich, als auch der Ort, an dem Gesellschaft statt- Folgen der damit verbundenen sozialen Prozesse ein Terrain schafft, auf dem die Menschen experi- up Prozess vertiefen. findet und auf die Widerstände trifft, welche sie sind prägend für das urbane Gewebe. Auch die „of- mentieren und Erfahrungen machen können. In selbst formt und in der Wechselwirkung wiede- fizielle“ Raumplanung ist ein Teil dieser Ausein- Augenschein genommen werden müssen dabei Auch aus einem gesellschaftlichen Blickwinkel rum die Stadt prägt. andersetzungen. Eine offene Stadt ist jedoch nicht sowohl architektonische Aspekte als auch im Be- heraus stellen wir fest, dass die gebaute Umwelt automatisch gegen Stadtplanung von oben, son- sonderen einzelne Gebäude und ganze Städte so- meist mehr ist als nur ein Abglanz von Politik und dern sieht eine eng verwobene Zusammenarbeit wie deren politische Systeme. Dafür muss man re- Ökonomie. Über diesen Bedingungen steht die ba- Literatur zwischen der fachliche Expertise der Bauleute und gelmäßig seinen Schreibtisch verlassen, um die sale Erkenntnis, dass die Formen der gebauten Richard Sennett (2018). der Lebenserfahrung der Bewohner:innen als zen- bebaute und bewohnte Welt zu untersuchen. Vor Umwelt das Ergebnis des Willens derjenigen seien, Die offene Stadt – Eine Ethik tral an. Der Raum steht dabei allen offen zur Ver- allem gilt es aber auch den Raum so weit als mög- die sie erbaut haben. Nicht zu selten wirken die in des Bauens und Bewohnens fügung und Neues kann erschaffen werden. lich mitzugestalten. jüngerer Zeit errichteten Gebäude rund um den 24 25
Räume RÄUME Studierende „Raum“? Freie Räume an der Uni Fachbibliothek für der einzige Raum, um an der Uni teilzu- Da sich die Paris Lodron Universität Salz- Naturwissenschaften nehmen. Jedoch wirft dieser Raum viele (Wo) haben wir burg coronabedingt sich derzeit für Stu- »» Studierendenarbeitszone, Fragen auf. Abgesehen von dem techni- dierende im Hybrid-Modus befindet, ist Erdgeschoß neben Mensa schen und digitalen „Know-How“, wel- es für viele nicht zeitlich möglich nach ei- ches man für diesen Raum benötigt, gibt ner Präsentveranstaltung ihre On- Rechtswissenschaftliche Fakultät: es auch den finanziellen Punkt zu be- ein kurzer Überblick zum aktuellen Lehrbetrieb line-Lehrveranstaltungen zuhause zu ab- »» Kommunikationszone in der Fachbib- rücksichtigen. Denn es gibt Studierende, solvieren. Das stößt auf ein großes liothek für Rechtswissenschaften die aufgrund ihrer finanziellen Mittel Problem, zu welchem sich die Universität (Toskanatrakt und nicht die Möglichkeit besitzen, sich etwas überlegen musste. Aus diesem Firmian-Salm-Haus) hochpreisige funktionierende Geräte Grund gibt es jetzt Räumlichkeiten extra »» Weitere Möglichkeiten: und Software zuzulegen. Diese Geräte für diese Online-Veranstaltungen. Zudem »» Kommunikationszone in der werden allerdings für „Webex“ drin- wurden außerdem noch Räume für den Universitätsbibliothek gend benötigt. Diesbezüglich gibt es vom kommunikativen Austausch zur Verfü- Staat fast so gut wie keine Förderungen gung gestellt, sogenannte und wenn, sind diese nur schwer zu be- „Kommunikationszonen“. Präsentveranstaltungen kommen und mit viel Aufwand verbun- stark begrenzt den. Fühlen sich Student*innen und Es wird nicht nur Raum für die On- Professor*innen in dieser Räumlichkeit Eine Auflistung dieser line-Lehrveranstaltungen benötigt, son- überhaupt wohl und sicher? Räumlichkeiten an der Universität dern auch für die Lehrveranstaltungen, Salzburg findet ihr hier: welche in Präsenz stattfinden. Aufgrund Da das „Webex“ nur digital existiert und der Coronamaßnahmen sind die Plätze keine vier Wände besitzt, gibt es kein Unipark Nonntal: für die Studierenden stark begrenzt wor- wirkliches Gemeinschaftsgefühl. Denn »» WWW SCR den. Demnach müssen bzw. können sich die Studierenden begegnen ihren Kom- (Studierenden Computer Raum) die meisten Student*innen ihre Vorle- militon*innen und ihren Professor*in- »» Seminarraum 3.303 (FB Romanistik) sungen mittels „Webex“ anhören. Einige nen nur über eine Kamera. Niemand hat »» Seminarraum 3.350 (FB Romanistik) Student*innen wünschen sich jedoch eine physisch existierende Person vor »» Kommunikationszone in der mehr Präsenzunterricht beziehungs- sich sitzen. In Wirklichkeit wird nur ein Fachbibliothek Unipark weise ein ausgewogeneres Hybridsys- eigener kleiner digitaler Platz kreiert. »» Mensa Unipark, Galerie 1. Stock tem, welches zwischen präsent und on- Dieser Platz kann sich sehr einsam und line wechselt. Laut eines Artikels von isoliert anfühlen, besonders wenn sich Rudolfskai 42: „Der Standard“ vom 19. Oktober 2021 be- jemand allein in seinem Zimmer befin- »» U 14 EDV-Raum vorzugt die Hälfte der Studierenden die det. Mit „Webex“ haben es besonders die »» PR 115 A / B (dieser Raum wird parallel Hybrid-Lehre, die andere Hälfte möchte Menschen schwer, welche generell ein auch für Lehrveranstaltungen genutzt, hingegen keinen Online-Unterricht Problem mit Aufmerksamkeit, Konzent- und steht deshalb nur teilweise als mehr. ration und Ablenkung haben. Denn es ist Lernraum zur Verfügung – bitte sehr leicht, sich neben seiner „We- Für Student*innen ist es ganz besonders wichtig einen Raum zu haben an dem es Aushang beachten) Hier kann man weiterlesen: bex“-Vorlesung eine andere Beschäfti- »» U 10 (dieser Raum wird parallel auch Der Standard gung zu suchen. Darunter leidet natürlich möglich ist, ungestört lernen und arbeiten zu können. Aber genauso wichtig ist für Lehrveranstaltungen genutzt, und https://www.derstandard.at/consent/ auch dann die Leistung und die Psyche. ein Raum für die Kommunikation, um sich uneingeschränkt mit seinen Kommi- steht deshalb nur teilweise als tcf/story/2000130547169/ Im Gegensatz dazu war und ist „Webex“ liton*innen austauschen zu können. Normalerweise ist dafür genug Platz an der Lernraum zur Verfügung – bitte die-haelfte-der-studierenden-will-ku- in Pandemiezeiten die einzige Möglich- Aushang beachten) enftig-hybride-lehre?ref=artwh keit für Studierende an Wissen zu gelan- Uni. Aber was passiert, wenn die Universität geschlossen ist? Beziehungsweise wo »» Kommunikationszone in der gen. Es hilft die Verbindung zu den Kom- kann jemand ungestört seine Online-Vorlesungen anhören? Besonders in Corona- Fachbibliothek Unipark militon*innen und den Professor*innen zeiten ist das ein Thema, welches viele Studierende beschäftigt. Der Webex-Raum aufrechtzuerhalten und sorgt dafür, dass Naturwissenschaftliche Fakultät, Ein Raum, der in Wirklichkeit nicht exis- das Studium weitergeführt werden kann. Von Alica Diem Hellbrunner Straße 34: tiert. Aber der „Webex-Raum“ ist für »» Kommunikationszone in der Student*innen in der heutigen Zeit fast 26 27
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