VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
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VOGELSCHUTZ Ausgabe 4 I 2017 Das Mitgliedermagazin des LBV STAR VOGEL DES JAHRES 2018 LANDWIRTSCHAFT BEWUSST KONSUMIEREN Was sich unbedingt Warum Verbraucher beim Einkauf ändern muss umdenken müssen
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AUF EIS GELEGT Aufmerksame Beobachter können jetzt wieder ein faszinierendes Phänomen entdecken: Als einzige mitteleuropä- ische Schmetterlingsart überwintert der Zitronenfalter ohne Schutz frei in der Vegetation. Entweder sitzt er da- bei auf Zweigen, in Stauden, Gräsern oder zwischen trockenem Laub auf dem Boden. Mit Hilfe von körpereigenen Frostschutzmitteln gelingt es ihm, Tem- peraturen von bis zu minus 20 Grad un- beschadet zu überstehen – sogar wenn er komplett von Schnee und Reif be- deckt wird. Foto: Dr. Eberhard Pfeuffer 4 I 17 VOGELSCHUTZ 3
EDITORIAL IN DIESEM HEFT STANDPUNKT 6 LESERPOST 8 GEZWITSCHER 9 Kurzmeldungen Unser Star! DER STAR 10 Vogel des Jahres 2018 Liebe Leserinnen und Leser, in Editorials gehören eigentlich keine internen Informatio- BAD TÖLZ STATT ATLANTIKKÜSTE 14 nen, da das „den Leser“ im Normalfall nicht interessiert. Ich Klimawandel beeinflusst das Zugverhalten möchte heute mit dieser Regel brechen. Denn dass uns Birgit Helbig verlässt, ist ein großer Einschnitt für dieses Magazin. Sie kennen Frau Helbig als Autorin zahlreicher Gartenartikel, STARENWOLKEN 16 die bei Ihnen stets auf große Resonanz stoßen. Hinter den Faszinierende Flugschau am Himmel Kulissen hat sie aber als Grafikerin in den letzten 13 Jahren das VOGELSCHUTZ gestaltet und immer weiterentwickelt. Sie verlässt uns auf eigenen Wunsch, und wir haben eine gute Nachfolge gefunden, aber ich möchte die Gelegenheit EINE WOHNUNG FÜR DEN STAR 17 nutzen, ihr im Namen der beteiligten Mitarbeiter und Ehren- Nisthilfen selber bauen amtlichen, der Autoren und des Redaktionsteams ganz herz- lich Danke zu sagen für den jahrelangen, großen Einsatz. Birgit, Du hast das VOGELSCHUTZ zu dem gemacht, was AUEROCHSE, WASSERBÜFFEL & CO. 18 es heute ist: das schönste Mitgliedermagazin in Deutschland! LBV-Weideprojekte erhalten wertvolle Grasländer In dieser Ausgabe dreht sich alles um den Star, den Vogel des Jahres 2018. Um diesen Titel zu bekommen, muss die Art nicht immer gleich vom Aussterben bedroht sein. Im Ge- DER WANDEL IN DER LANDWIRTSCHAFT 20 genteil, gerade der Rückgang unserer häufigen Vogelarten IST UNAUSWEICHLICH beschäftigt uns sehr. Die schleichende Abnahme von Aller- LBV kämpft für Neuordnung der EU-Agrarsubventionen weltsarten wie Star, Haussperling oder Grünfink muss des- halb rechtzeitig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Und auch aus diesem Grund haben wir den Star ausgewählt. SPENDENAKTION 22 Ein Geschenk für die Natur Mein persönliches Staren-Erlebnis hatte ich bereits diesen Sommer. Ich war Zeuge, wie ein auf einer Kaminspitze sit- zender singender Star hintereinander mindestens sieben IMPRESSUM 24 Vogelstimmen nachahmte, darunter perfekte Imitationen von Mäusebussard, Rabenkrähe und Kohlmeise. Ein echtes Ge- sangstalent unser Star. Ihr Markus Erlwein Chefredakteur P.S.: Frau Helbig wird uns weiterhin als Autorin unserer TITELFOTO: Gartenartikel erhalten bleiben. Balzender Star Foto: Dieter Hopf 4 VOGELSCHUTZ 4 I 17
INHALT VOGELSCHUTZ 4 I 2017 25 LBV VOR ORT 28 LEBENSRAUM HECKE Heimat für den Star und viele weitere Bewohner 20 30 BEWUSST KONSUMIEREN Warum Verbraucher beim Einkauf 28 umdenken lernen müssen 32 SAG MIR, WO DIE BLUMEN SIND… 10 Säume an Weg-, Feld- und Waldrändern verschwinden als wichtige Lebensräume 14 34 LBV- WEBSEITE Jetzt auf allen Geräten 30 35 MITGLIEDERSERVICE n Jahresspendenbescheinigung n Patenschaften für Bayerns Natur 36 ACKERN FÜR DIE ENKEL Bildungsprojekt für nachhaltige Landwirtschaft 38 STIFTUNG BAYERISCHES NATURERBE LBV-Stiftung für den Stieglitz – langer Atem gefragt 39 NATURSCHUTZJUGEND NAJU Zurück in die Steinzeit 16 40 MEDIEN I SERVICE FERNGLAS I TEST Buchempfehlungen Klein, Leicht, Gut! 32 41 KLEINANZEIGEN MELDEKARTE Stunde der Wintervögel 36 18 36 Fotos: Andreas Giessler, Ralph Sturm, Hans Clausen, Herbert Henderkes, Peter Bria, Peter Kühn, Birgit Helbig, Dr. Eberhard Pfeuffer, LBV-Umweltstation Rothsee 4 I 17 VOGELSCHUTZ 5
STAND PUNKT WIR WERDEN NICHT AUFGEBEN! Zusammen mit unserem bundesweiten Partner Naturschutz- ropaweit um über 90 Prozent abgenommen. Ein Wert, der den bund Deutschland (NABU) haben wir den Star zum „Vogel Bayerischen Jagdverband und den LBV in gleicher Weise be- des Jahres 2018“ gewählt. Auf den Waldkauz folgt damit ein unruhigt. Wir haben immer wieder mit dem BJV und dem Bay Singvogel. Bundesweit ist der Bestand dieser Vogelart in den erischen Bauernverband darüber gesprochen, wie wir wieder vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Grund mehr Struktur – von der nicht nur Rebhühner profitieren – in genug, den Star auf der Roten Liste bedrohter Vogelarten in die Agrarlandschaft bekommen. Die Liste unserer gemein- Deutschland von „ungefährdet“ (im Jahr 2007) auf „gefährdet“ samen Projekte ist lang und beeindruckend. Die bereits jetzt (2015) hochzustufen. In Bayern scheint es dem Star noch re- stattfindenden zahlreichen Aktivitäten von Jägern zum Schutz lativ gut zu gehen. Wir rechnen durchaus mit stabilen Bestän- des Rebhuhns und seines Lebensraumes wurden vom LBV den, eine Situation, die wir sehr intensiv beobachten. Die Gar- und von mir persönlich immer wieder begrüßt. Im September tenbesitzer unter uns können den Star durch den Verzicht auf begann dann, wie jedes Jahr, die Jagdzeit auf Rebhühner. Pestizide und die Anschaffung von Nistkästen fördern. Durch Der LBV nahm dies zum Anlass, in einer Presseinfo mit der den Einkauf von Biolebensmitteln, die in einer artenreichen Überschrift „Jäger können Rebhuhn schonen“ auf die prekäre Agrarlandschaft produziert werden, können wir alle „Staren- Situation des Rebhuhns hinzuweisen und an die bayerischen freunde“ werden. Jäger zu appellieren, freiwillig auf Rebhuhnjagd zu verzich- ten – sofort mit dem Hinweis, dass die intensive Landwirt- Insektenrückgang besorgniserregend schaft Schuld am Zustand unserer Rebhuhnbestände ist. Mit Einen Grund für den bundesweiten Rückgang des Stars liefert keinem Wort haben wir behauptet, Rebhühner wären durch auch die kürzlich in der Zeitschrift PLOS ONE veröffentlichte die Jagd aus unserer Landschaft verschwunden. Vielmehr Studie eines internationalen Forscherteams zum Rückgang heißt es in unserer Presseinfo explizit, dass „die Jagd nicht von Insekten, die viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten die Hauptursache für den Rückgang ist, diesen aber [– und hat. Ein internationales Wissenschaftlerteam hat darin be- ich denke diese Befürchtung ist nachvollziehbar –] beschleu- legt, dass die Biomasse von Insekten seit den 1990er Jahren nigen kann“. Wir halten es für sinnvoll und nachvollziehbar, um ca. 80 % zurückgegangen ist. Zwar haben wir Natur- und wenn Jäger freiwillig auf die Jagd von Rebhühnern verzichten, Artenschützer diesen Trend erwartet, der Umfang hat aber um ein Zeichen zu setzen. Die Jagd auf eine hochbedrohte auch uns erschreckt. Die überragende Bedeutung unserer In- Vogelart ist auch der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, selbst sektenwelt, als Beispiel sei nur die Bestäubungsleistung von wenn punktuell, bedingt durch gezielte Schutzmaßnahmen, Honig- und insbesondere Wildbienen genannt, ist hinlänglich lokal noch relativ gute Bestände dort eine Bejagung durch- bekannt. Vieles deutet nach Aussage der Wissenschaftler da- aus zulassen würden. Der LBV wünscht sich dieser besorg- rauf hin, dass die Ursachen in der intensiven Landwirtschaft, niserregenden Situation entsprechend umsichtiges Handeln, insbesondere im Einsatz von Pestiziden liegen. Es wird aller- auch bei den Jägern, mehr nicht. Die Zeitschrift Die Pirsch höchste Zeit, dass wir dieses Thema endlich ernst nehmen hat unsere Presseinfo entweder nicht richtig gelesen – oder und kurzfristig zumindest eine deutliche Reduktion von Pes nicht verstehen wollen. In jedem Fall greift Redakteur Martin tiziden, v.a. Neonikotinoide und Glyphosat, in der Landwirt- Weber den LBV in seinem Vorwort massiv an und fällt zurück schaft erreichen. Weiterhin brauchen wir ein fundiertes Insek- in alte Stereotypen. Es ist schlichtweg falsch zu behaupten, ten-Monitoring, um zu verfolgen, was derzeit um uns herum wir hätten Jäger als „reine Schießer“ bezeichnet. Meine Bitte vor sich geht! an alle Beteiligten, Naturschützer wie Jäger: Lassen wir uns von einigen wenigen Ewiggestrigen, die sich in Klischees of- Rebhuhn gemeinsam schützen fensichtlich wohl fühlen, nicht auseinanderdividieren und kon- Gerade auch Rebhühner brauchen die Insektennahrung in zentrieren wir uns auf das, was wirklich wichtig ist: zusammen Feld und Flur. In den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten unsere Agrarlandschaft so zu gestalten, dass Rebhuhn & Co. hat der Bestand des Rebhuhns nicht nur bei uns, sondern eu- dort wieder ein besseres Auskommen haben! 6 VOGELSCHUTZ 4 I 17
Riedberger Horn I Foto: Dr. Eberhard Pfeuffer Dritter Nationalpark – Qualität zählt mit juristischen Schritten, für den Schutz von Riedberger Horn Die Diskussionen um einen dritten Nationalpark in Bayern und Alpenplan zu kämpfen. „Am Riedberger Horn werden wir gehen noch immer weiter. Die Suchkulisse wurde dabei auf nicht aufgeben!“, habe ich in meinem Rechenschaftsbericht die Rhön und die Auwälder entlang von Donau und Isar be- als LBV Vorsitzender den Delegierten versprochen. Daran gibt schränkt – zwei Regionen mit naturschutzfachlich durchaus es nichts zu rütteln. beeindruckendem Potential. Wichtig ist für den LBV, dass ein dritter Nationalpark in Bayern die hohen Qualitätsstandards Wahlen in Deutschland und Bayern der bereits bestehenden Nationalparks Bayerischer Wald und Nach der Wahl ist vor der Wahl. Nach den gerade zurücklie- Berchtesgaden erreicht. Hierzu zählen für den LBV neben der genden Bundestagswahlen stehen im Herbst 2018 die Land- Qualität der Flächen auch eine Ausdehnung von mindestens tagswahlen in Bayern auf dem Programm. Manchmal be- 10.000 ha auf bayerischem Gebiet sowie die Ausweisung von kommt man den Eindruck, dass es in Deutschland und Bayern 75 Prozent nutzungsfreier Prozessschutzfläche. Umweltmini- keine anderen Themen als Migration und innere Sicherheit sterin Scharf hat mehrfach betont, dass ein dritter National- gibt. So wichtig diese Themen auch sind – mir persönlich sind park die hohen Qualitätskriterien eines sog. IUCN Kategorie II auch andere Dinge im Leben wichtig: Ich will eine lebendige, Schutzgebietes erfüllen wird. Darüber freuen wir uns! Und wir artenreiche Natur um mich herum. Wilde Wälder – nicht nur, müssen auch im Spessart unsere Hausaufgaben im Natur- und aber besonders in Nationalparks, eine abwechslungsreiche Artenschutz machen. Ein großflächiges Naturschutzgebiet, in Landschaft, naturnahe Gewässer, bunte Blumenwiesen, Teilen nutzungsfrei, in Teilen mit Managementmaßnahmen zur Schmetterlinge, Feldlerchen und Rebhühner. Der Erhalt der Förderung der Eiche, ist hierfür ein wichtiger Baustein. Der biologischen Vielfalt, des Lebens um uns herum, muss endlich LBV hat hierzu konkrete Vorschläge gemacht. auch den politischen Stellenwert erhalten, den er verdient. Na- tur- und Artenschutz ist Schutz unserer wunderbaren Heimat Alpenplan – wir werden nicht aufgeben! – weit mehr als Breitbandanschlüsse und Gewerbegebiete! Wenn Sie diese Zeilen lesen, hat der Bayerische Landtag wahr- Daran werden wir unsere Politiker im Landtagswahljahr 2018 scheinlich bereits über die Änderung des Landesentwicklungs- erinnern! planes, einschließlich einer Veränderung des Alpenplanes abgestimmt. Durch eine Verschiebung der Grenzziehung der Immer häufiger bleiben Stare in milden Wintern bei uns. Ob strengen Schutzzone C des Alpenplanes wäre hierdurch die dies auch im Winter 2017/18 der Fall ist, wird sich während Grundlage für den Bau einer Skischaukel am Riedberger Horn unserer Mitmachaktion „Stunde der Wintervögel“ am Wochen- gelegt. Als unsere Mitglieder kennen Sie unsere intensiven ende 5.-7. Januar 2018 zeigen. Ich würde mich freuen, wenn Bemühungen zum Schutz des Birkhuhnes am Riedberger Sie daran mit Ihrer Familie und Ihren Freunden teilnehmen. Horn und unseren Einsatz für den uneingeschränkten Erhalt Bis dahin wünsche ich Ihnen eine frohe Weihnachtszeit und des Alpenplans. Vielleicht ist die Entscheidung im Landtag ja schon jetzt ein glückliches und gesundes Neues Jahr! doch anders ausgegangen als befürchtet. Wir hoffen, dass die entscheidenden Politiker die Größe haben einzugestehen, Herzlichst, dass sie sich am Riedberger Horn verrannt haben. Das würde uns wirklich beeindrucken, und wir würden uns außerordent- lich darüber freuen. Das Angebot des LBV, sich aktiv in eine Entwicklung von sanften, nicht-Skiliftgebundenen Formen des Tourismus im Oberallgäu einzubringen, steht. Unverrückbar Dr. Norbert Schäffer und bestärkt durch unsere LBV Delegiertenversammlung Mitte Vorsitzender des LBV Oktober in Amberg steht aber auch unser Beschluss, mit al- len uns zur Verfügung stehenden Mitteln, im Bedarfsfall auch PS: Folgen Sie mir auf Twitter unter @N_Schaeffer 4 I 17 VOGELSCHUTZ 7
LESER POST Ihre Meinung ist uns wichtig! Schreiben Sie uns unter leserbriefe@lbv.de oder per Post an Redaktion VOGELSCHUTZ, Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein. Die Redaktion behält sich aus Platzgründen eine Auswahl und das Kürzen von Leserzuschriften vor. Zum Leserbrief „Ikonen militanter und moralischer Selbstüberhöhung“ erhielten wir viele Zuschriften. Stellvertretend folgende: „Retour“ Schade für die Natur Ich lasse mich nicht als „Naturschüt- Solche Leserbriefe wie diese möchte Jägerin, oder der Ehegatte! Für mich zerin“ beleidigen. Ich bin der Meinung, ich eigentlich nicht gerne lesen! Leider fängt Tier- und Naturschutz dort an, wo dass die „Anders-Denkenden“, wie die scheint das Verständnis für die „Natur“ bei so vielen der gesunde Menschenver- Verfasserin des Leserbriefes, einem wie sie einmal war, bevor der Mensch stand aufhört! Allen LBV-Mitgliedern, die großen Irrtum unterliegen, nämlich dem begonnen hat, sie zu zerstören, nicht im Natur lieben, wie sie ist und sein soll, alles der „militanten und moralischen Selbst geringsten Ausmaß bei manchen Men- Gute! Gabi Janich, 85461 Bockhorn erhöhung“. Wir haben nur einen Pla- schen angekommen zu sein! Schade! neten und bereits seit dem Sommer die Vermutlich ist die Leserin, die solche Aber bitte sachlich Ressourcen dafür längstens für 2017 haarsträubenden und unqualifizierten Die Zuschrift ist in einem Ton gehalten, ausgeschöpft. Wir haben nur ein Ba- Bemerkungen macht, eine Landwirtin! den ich in dieser Zeitschrift bisher nicht yern, und hierher gehört nicht nur ein [Dabei sind es] die Subventionen [der wahrgenommen habe. Es ging vor allem zusätzlicher Naturschutzpark, sondern Landwirtschaft], die Bienen, Singvögel kritisch um die Rückkehr des Wolfes in sämtliche, die dafür in Frage kommen. und allen Säugetieren den Garaus ma- Mitteleuropa. Auch innerhalb von Um- Wir leben im Zeitalter des „Anthro- chen! Subventionen, die dazu benutzt weltverbänden kann dieses Thema kon- pozän“ und schaffen uns – laut Prof. werden, Glyphosat, Gülle, Kunstdünger trovers behandelt werden, können oder Harald Lesch – in aller Gemütsruhe etc. auf unsere Natur loszulassen, um müssen sehr wohl auch Bedenken Gehör selber ab. Dem steuere ich entgegen, komplette Lebensräume zu zerstören! finden, dieses aber bitte in sachlichem und sei es auch nur mit ein paar Worten Vermutlich ist besagte Leserin ebenfalls Ton. Hans Detlef Bürger, 96487 Dörfles-Esbach „retour“. Sabine Oberberger, 83093 Bad Endorf Eisvogel auf dem Balkon Meine Frau Steffi und unser 10-jährige Sohn Moritz saßen gegen etwa 14 Uhr im Esszimmer beim Plaudern. Wir haben einen großen Garten, in dem ein kleiner Bach durchfließt. Über dem Bach befindet sich unsere große Terrasse. Vom Esszim- mer aus haben wir einen super Blick in den Garten und zur Terrasse. Während ihres Gesprächs flog plötzlich ein Eisvo- gel auf die Terrasse, hielt kurz inne für ein Foto und flog dann wieder davon. So ein Foto: Steffi Rückerl Angeber! Oder Model bei einer Moden- schau? Auf der Suche nach Fischchen in unserem Bächlein? Auf jeden Fall haben meine Frau und mein Sohn richtig ge- staunt! Joachim Rückerl, 92507 Nabburg Zum Artikel „Ein Tag am Ammersee“ Anm. der Red: der Ausgabe 03/17 Wir werden künftig bei der Bildaus- halb des Weges über einen Stamm wahl noch genauer drauf achten. Die geleitet werden mussten. „Tolles Vorbild!“ Führung fand aber auf einem Forst- In dem Artikel wird über einen Besuch weg statt, wie im Übrigen auch die im Seeholz berichtet. Mir ist es unver- geführten Exkursionen am Ammer- ständlich, wie in einer Naturzeitschrift ein see-Südende nur auf öffentlichen Foto abgebildet werden kann, auf dem Wegen verlaufen. Im dargestellten eine Horde Menschen in Ihrer Begleitung Fall verläuft der Weg als kleine Furt querfeldein durch das sensible und ge- über einen meist trockenen Wald- Foto: Jana Holler schützte Biotop latschen kann, statt es graben. Bei der Führung führte er von den Wegen aus zu betrachten. Tolles etwas Wasser, ihn zu überspringen, Vorbild! war den betagten Teilnehmern nicht Christine Schaumaier, 80336 München möglich, so dass sie 5 Meter ober- 8 VOGELSCHUTZ 4 I 17
GEZWITSCHER KURZMELDUNGEN Erstes Wolfsrudel in Bayern Extrem seltener Neunachweis des Scharlachkäfers 150 Jahre nach der Ausrottung des Wolfes in Bayern wurde In der Roten Liste der Bundesrepublik Deutschland wird im August erstmals wieder ein Wolfsrudel im Freistaat nach- der Scharlachkäfer als vom Aussterben bedroht aufgeführt. gewiesen. Das Landesamt für Umwelt veröffentlichte Aufnah- In Europa ist er als selten und schutzbedürftig eingestuft. men einer Wildtierkamera, die mindestens drei Jungwölfe im In Deutschland ist die Käferart vor allem aus Südostbayern Grenzgebiet des Bayerischen Waldes zeigen. Der LBV ist fas- bekannt und jetzt ist der Scharlachkäfer auch für das LBV- ziniert von der eigenständigen Wiederbesiedelung durch den Waldschutzgebiet „Rainer Wolf, denn er gehört zu Bayerns faszinierender Natur. Doch Wald“ bestätigt. Im Au- wir haben auch Verständnis für die Bedenken der Nutztier- gust 2017 konnte der Kä- und Gatterwildhalter. Fachlich ist der Nachweis eines Rudels ferexperte Prof. Dr. Jörg die Grundvoraussetzung für die dritte Stufe des Management- Müller den Scharlachkä- plans für den Wolf. Die Blockadehaltung einiger Nutzerver- fer mehrfachsowohl als bände gegen die Weiterentwicklung des bayerischen Wolfs- Larve, Puppe und schlus- managements muss deshalb endlich enden. sendlich als Imago nach- weisen. Der Käfer ist eine holzbewohnende Art, die bevorzugt in Feucht- bzw. Auwäldern entlang von Flüssen vorkommt. Hier Foto: Dr. Franz Leibl lebt er unter der morschen Rinde, insbesondere in Pappeln, Weiden, Eschen und Ahornen. Der aktuelle Nachweis des Scharlach- käfers belegt einmal mehr die hohe naturschutzfachliche Wertigkeit des Rainer Waldes. DR. FRANZ LEIBL NAJU: Auftaktveranstaltung des Jungen Forums Foto: NAJU und Junges Forum Foto: Marcus Bosch Mit dem Jungen Forum dehnt die CIPRA (Internationale Al- penschutzkommission) ihre Aktivitäten in Deutschland nun auch auf die Jugendverbände der Mitgliedsorganisationen Milchprüfring lenkt ein aus. Das Junge Forum ist als Austauschplattform unter den Nach einer LBV-Pressemitteilung mit dem Titel „Keine Rote Jugendverbänden für Alpenthemen gedacht. Zur Auftaktver- Karte für Schwalben“, in der wir Ende Juli darauf hinwie- anstaltung Ende Juli traf sich die Naturschutzjugend im LBV sen, dass Landwirte teilweise gezwungen werden, Schwal- (NAJU) am Riedberger Horn im Oberallgäu mit Vertretern der bennester aus Ställen zu entfernen, obwohl die Vögel und Jugendorganisation Bund Naturschutz (JBN), Jugend des Nester gesetzlich geschützt sind, lenkte der bayerische Deutschen Alpenvereins (JDAV) und Naturfreundejugend. Die Milchprüfring nach anfänglicher Ablehnung doch noch offizi- dort geplante skitechnische Erschließung wäre ein schwerer ell ein. Recherchen des Bayerischen Fernsehens hatten mit Eingriff in den seit 40 Jahren unangetasteten bayerischen Al- Hilfe des LBV-Landwirtschaftsbeauftragten Matthias Luy auf- penplan. Im Rahmen des zweitägigen Treffens konnten sich gedeckt, dass der Milchprüfring in der Oberpfalz den Milch- die Jugendvertreter vor Ort selbst ein Bild machen. Eine ge- bauern die Entfernung der Schwalbennester aus den Ställen meinsame Banner-Aktion und eine Besteigung des Riedber- empfiehlt.Als Reaktion auf diese Berichterstattung veröffent- ger Horns rundeten das Treffen ab. Zukünftig wird es einmal lichte der Milchprüfring später eine aktualisierte Empfehlung, pro Jahr ein Treffen geben. Weitere gemeinsame Aktionen die Schwalben und ihre Nester in Milchställen erlaubt. und Projekte des Jungen Forums laufen bereits. 4 I 17 VOGELSCHUTZ 9
DER STAR Vogel des Jahres 2018 Fotos: Andreas Giessler, Frank Derer Nach dem Stieglitz 2016 haben LBV und NABU mit dem Star erneut einen unserer häufigsten heimischen Singvögel zum Vo- gel des Jahres gekürt. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein schillerndes Beispiel für den stillen Rückgang der Allerweltsar- ten unserer heimischen Vogelwelt. 10 VOGELSCHUTZ 4 I 17
Natürliche Bruthöhlen in alten Bäumen, zum Beispiel in Streuobstwiesen, werden auch für den Star immer rarer (kleines Foto). Foto: Zdenek Tunka Als „Kirschendieb“ wird der Star mancherorts vergrämt. Wie viele andere Vogelarten leidet der Star unter der steti- Es geht bergab – immer weniger Insekten gen Dezimierung seiner Nahrungsgrundlagen. Besonders Bereits seit den 1960er und 1970er Jahren zeigt sich in der betroffen ist er durch die Abkehr der Landwirtschaft von der Bundesrepublik ein deutlich abnehmender Bestandstrend extensiven Weideviehhaltung zugunsten von Massenviehhal- beim Star. Mit Beginn der 1990er Jahre brachen die Brutpaar- tung in Großställen. Denn damit einher geht der Verlust an zahlen sogar noch einmal um 36 Prozent ein. In der aktuellen kurzrasigen Grünlandbereichen, die er zur Nahrungssuche deutschlandweiten Roten Liste der Brutvögel wurde der Star benötigt. Gleichzeitig soll die Auszeichnung des Stars auch von „ungefährdet“ (2007) auf „gefährdet“ (2015) hochgestuft auf den Zustand unserer Baumbestände und insbesondere und übersprang damit prompt die sogenannte Vorwarnliste. den fortschreitenden Verlust von Höhlenbäumen aufmerksam Da der Star sich überall noch regelmäßig beobachten lässt, machen. vollzog sich diese Entwicklung weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit. Dabei macht ihm vor allem der Der Star zählt zu den häufigsten Singvögeln in Europa. Er Verlust seiner Nahrungsgrundlagen schwer zu schaffen. Ein brütet in beinahe jeder Siedlung und ist vielen als „Kirschen- verändertes Konsumverhalten der Verbraucher und Produkti- dieb“ im heimischen Garten ein Begriff. Am auffälligsten ist vitätssteigerungen in der Viehhaltung führten dazu, dass die aber wohl sein Balzverhalten. Ähnlich einem Popstar singt er Weideviehhaltung mehr und mehr zurückgeht und kurzrasi- seine Strophen mit abgespreizten Flü- ge Grünlandbereiche, die der Star auf Die Botschaft des Stares: geln von einem exponierten Platz aus. der Suche nach Kleintieren aufsucht, Anstatt einer harmonischen Melodie „Eine naturverträgliche Weidewirtschaft verschwinden. Parallel haben die zu- tragen Staren-Männchen dabei eine und weniger Insektizide in unserer nehmende Intensivierung der Land- Reihe von pfeifenden, zischenden Landschaft!“ wirtschaft mit dem einhergehenden oder schnalzenden Tönen vor. Da sie ihren Schnabel dabei Einsatz chemischer Insektizide bereits jetzt verheerende Fol- kaum bewegen, erinnert ihre Darbietung fast schon an die gen für den Insektenreichtum in Deutschland und damit auch eines Bauchredners. Insgesamt zeigen sich Stare stimmlich für die Nahrungsversorgung des Jahresvogels 2018. äußerst kreativ und imitieren auch die Rufe anderer Vogelar- ten wie Kohlmeise oder Umgebungsgeräusche wie Handyk- Umdenken beim Konsum lingeltöne. Damit der Star einer unserer häufigsten Singvögel bleibt und in seinem Bestand nicht noch weiter zurückgeht, braucht er Im Mai verehrt, im Juli verteufelt ein stabiles Nahrungsangebot und mehr (natürliche) Nisthöh- Schon seit jeher haben Menschen ein gespaltenes Verhältnis len. Es ist die Aufgabe der Verbände, auf politischer Ebene zum Star: Wird er im Frühjahr als nützlicher Vertilger landwirt- eine naturverträgliche Land- und Weidewirtschaft sowie den schaftlicher Schädlinge geschätzt, wird er ab dem Sommer Erhalt alter Baumstrukturen (Totholz) einzufordern und durch- als nimmersatter Schadvogel in Obst- und Weinbaugebieten zusetzen, auch um unserem Jahresvogel ein reichhaltiges verteufelt und vertrieben. So waren die Vergiftung von Staren Nahrungsangebot und Nistplatz zu bescheren. Zugleich trägt durch Kontaktgifte und Köder, der Einsatz von Dynamit an aber auch jeder Einzelne Verantwortung und sollte sein Kon- Schlafplätzen oder der Fang an Winterquartieren bis in die sumverhalten hinterfragen sowie im eigenen Garten auf Pes- 1980er Jahre weit verbreitet. Seitdem ging die direkte Verfol- tizide verzichten. Eine bewusste Entscheidung für regionale, gung der Tiere zumindest in Mitteleuropa dank der EU-Vogel- biologisch produzierte Erzeugnisse und für eine Reduzierung schutzrichtlinie um ein Viertel zurück. des Fleischkonsums hilft auch dem Star. 4 I 17 VOGELSCHUTZ 11
STECKBRIEF Name: Star (Sturnus vulgaris) Merkmale: kompakter Vogel mit spitzen Flügeln und Brutbiologie: geschlechtsreif bereits im ersten Lebens- kurzem Schwanz; Körperlänge: knapp 22 cm (kleiner als jahr; monogame Saisonehe, Polygamie möglich; 1-2 Jah- eine Amsel); Schnabel: lang und kräftig; bei Altvögeln resbruten; Revier-/Paarbildung: Februar bis März; Brut- im Winter dunkel, im Frühjahr zitronengelb, Weibchen zeit: April bis Juni; Nistplatz: Höhlenbrüter; Baumhöhlen, mit rötlicher Schnabelbasis; Gefieder: Grundfärbung Gebäudenischen oder künstliche Nisthilfen; Gelegegrö- schwarz, bronzegrün und purpurfarben glänzend, beson- ße: vier bis sieben weißliche bis hellblau-grüne Eier; Brut- ders bei den Weibchen im Winter dicht weiß getüpfelt, dauer: 11 bis 13 Tage, beide Partner brüten; Nestlings- Geschlechter ansonsten sehr ähnlich; Jungvögel maus- zeit: 19-24 Tage; Ästlingszeit: maximal fünf Tage, Ende braun mit weißer Kehle Juli ist die Brutzeit beim Star vorbei Lebensraum: überall verbreitet, wo er geeignete Brut- Verbreitung: von Nordwest- und Westeuropa bis in die höhlen und ausreichend Nahrung findet: Auenwälder, Steppengebiete Zentralasiens; eingebürgert in Nord- Waldrandlagen, Streuobstwiesen, Feldgehölze, Alleen; amerika, Südafrika, Südaustralien und Neuseeland; in besiedelt im Siedlungsraum Parks und Gartenstädte, Deutschland flächendeckend verbreitet gern auch Nistkästen oder Gebäudenischen (in Städten besonders Spechthöhlen in Fassadenverkleidungen) Zugverhalten: Teil- und Kurzstreckenzieher (maximal 2.000 km); teilweise Standvogel; Wegzug ab September Nahrung: abhängig von den Jahreszeiten: sehr vielsei- tig; ernährt sich im Frühjahr vorwiegend von im und am Bestand: europäische Population von 23 bis 56 Millio- Boden lebenden wirbellosen Kleintieren wie Schnaken- nen Brutpaaren, davon 2,8 bis 4,5 Millionen Brutpaare in larven, Regenwürmern, Spinnen, Käfern und Heuschre- Deutschland; in der Bundesrepublik deutlich abnehmen- cken; im Laufe des Sommers Bereicherung der tierischen der Bestandstrend seit den 1960er und 1970er Jahren, Kost durch verschiedene Früchte und Beeren sowie Sa- mit Beginn der 1990er Jahre Einbruch der Brutpaarzah- men; im Winter häufig an Futterstellen len um 36 Prozent Gefährdung: Zerstörung von Lebensraum und Nah- rungsgrundlage durch fortschreitenden Strukturverlust unserer Kulturlandschaft (Flurbereinigung), Intensivie- rung der Landwirtschaft, Verdrängung von Weideviehhal- tung zugunsten von Großstallungen, Einsatz chemischer Insektizide; fehlende natürliche Nistmöglichkeiten durch Verlust höhlenreicher Altholzbestände mit entsprechen- den Bruthöhlen Den Vogel des Jahres live bei der Brut erleben unter: www.lbv.de/starencam Foto: Ralph Sturm 12 VOGELSCHUTZ 4 I 17
Der Star ist ein unermüdlicher Sänger und beweist auch seine Qualitäten als kreativer Stimmenimitator (oben). Ein Gänseblümchen als Liebesgabe: Stare schätzen den ätherischen Duft von Blüten, um Parasiten zu vertreiben (Mitte). Nachmieter: Verlassene Spechthöhlen bieten dem Star ideale Brutbedingungen (unten). Fotos: Markus Gläßel, Andreas Hartl, Rosl Rössner Schon gewusst? Kreative Imitatoren Stare sind in ihren Lautäußerungen sehr variationsreich. Sie besitzen die Fähigkeit, andere Vogelstimmen und Umge- bungsgeräusche perfekt zu imitieren und in ihre Gesänge ein- zubauen. Das Rufrepertoire reicht dann vom Ruf einer Kohl- meise über Polizeisirenen bis hin zu Handyklingeltönen oder dem Brummen eines Rasenmähers. Blumen für die Liebste Während des Nestbaus tragen Stare Pflanzen mit ätherischen Inhaltsstoffen in ihre Bruthöhle ein. Die intensiven Gerüche der Stängel und Blüten tragen dazu bei, Parasiten vom Nest fernzuhalten. Für den Laien wirken herbeigetragene Blüten wie Brautgeschenke. Nachmieter von Spechthöhlen Stare sind bei der Wahl ihres Nistplatzes nicht wählerisch, so lange die Höhle ausreichend groß und in entsprechender Höhe zu finden ist. Bevorzugt wird jedoch Wohnraum mit Aus- sicht. Aus diesem Grund beziehen Stare als Nachmieter häufig Spechtlöcher in der Fassade von Wohngebäuden. Solche Bru- ten sind in besonderem Maße von der Sanierung der Specht- schäden bedroht. Die Sache mit der Farbe Star ist gleich Star – von wegen! Staren-Weibchen und -Männ- chen ähneln sich äußerlich sehr stark. Sie lassen sich mit etwas Übung jedoch gut an der Färbung der Schnabelbasis während der Brutzeit unterscheiden: Während die Schnabel- basis beim Männchen bläulich erscheint, wirkt sie beim Weib- chen leicht rötlich. Abgesehen davon wirkt das Gefieder des Weibchens weniger glänzend als das des Männchens, zeichnet sich jedoch durch eine ganzjährige Tupfenzeich- nung am Bauch aus, die beim Männ- chen im Frühjahr weitgehend fehlt. Alle Vögel sind schon da Den Star kennt jedes Kind. Spätes- CHRISTIANE GEIDEL tens nachdem man einmal das be- Dipl.-Ing. (FH) Naturschutz & Landschaftsplanung kannte Kinderlied „Alle Vögel sind Referat Artenschutz schon da“ angestimmt hat, ist der Star Landesgeschäftsstelle jedem zumindest vom Namen her ein Hilpoltstein Begriff. E-Mail: christiane.geidel@lbv.de 4 I 17 VOGELSCHUTZ 13
BAD TÖLZ STATT ATLANTIKKÜSTE Klimawandel beeinflusst das Zugverhalten Es wird wärmer in Bayern und damit werden auch die Winter milder und kürzer. Vogelarten wie der Star sparen sich immer öfter die gefährliche Reise in den Süden, weil sie unter den veränderten Be- dingungen auch in der vormals kalten Zeit noch Nahrung finden. Mitmachaktionen wie die „Stun- de der Wintervögel“ sollen in den nächsten Jahren diesen Trend weiter bewerten helfen. 14 VOGELSCHUTZ 4 I 17
Ob altes Fallobst oder Vogelfütterung: Findet der Star ausreichend Nahrung, Fotos: Ralph Sturm, Birgit Helbig, Zdenek Tunka verzichtet er immer häufiger ganz auf den Flug gen Süden oder Westen. Bekanntes Bild: Stare sammeln sich in großen Grup- pen von 100 und mehr Tieren zum bevorstehenden Abflug. Stare kommen fast überall in Europa vor. Ganz im Norden schätzen sogar, dass bis zum Jahr 2100 die Durchschnitts- verlassen alle Tiere ihre Brutgebiete und ziehen nach Mittel- temperaturen noch um bis zu vier Grad steigen könnten. Die europa. In Großbritannien und Irland hingegen gelten sie als aktuelle Entwicklung ist derart rasant, dass sie unsere Tier- Standvögel. Die hierzulande beheimateten Tiere werden als und Pflanzenarten oder ganze Ökosysteme massiv verändert Kurz- oder Mittelstreckenzieher bezeichnet. Im Frühherbst bis und bedroht. Der Frühling beginnt heute früher als noch vor Ende November sammeln sie sich zu Hunderten auf den Äs- wenigen Jahren, der Winter später und mancherorts bleibt er ten von Sammelbäumen. Tagelang kommen die Stare in klei- sogar ganz aus. Dauerfrost und geschlossene Schneedecken neren und größeren Trupps aus allen Richtungen angeflogen, werden zu spannenden Märchen für unsere Kinder. Und wei- um sich mit der großen Masse zu vereinen. Manchmal sitzen ße Weihnachten ist auch in den bayerischen Alpen nicht mehr sie so dicht auf einem Ast, dass dieser sich unter dem Gewicht gewiss. Das ist der Grund, warum viel mehr Stare hierbleiben sogar gefährlich biegt. Und irgendwann heißt es dann Abflug können. Sie finden im Brutgebiet noch lange genügend Nah- Richtung Süden. In riesigen Schwärmen ziehen sie, je nach rung auch ohne Fütterung und sparen sich den weiten und ge- geographischer Lage, bis zu 2.000 km in den Mittelmeerraum, fährlichen Weg in den Süden immer häufiger ganz. Kommt der nach Nordwestafrika oder nach Westeuropa an den Atlantik. Winter dann doch noch mit Verspätung nach Bayern, reagie- ren die getupften Multitalente eben spontan und weichen aus. Das jeweilige Klima im Brutgebiet spielt also eine ganz ent- scheidende Rolle für das Zugverhalten der Stare. Viele Tiere, ERGEBNISSE DES STARES die bei uns im Winter gesichtet werden, sind übrigens Zu- BEI DER STUNDE DER WINTERVÖGEL zügler aus Nordeuropa. Sie verbringen den Winter in Bayern oder reagieren wie unsere „Daheimgebliebenen“ spontan auf Jahr Platz Anzahl Stare Vögel insg. Teilnehmer Kälteeinbrüche. Droht Nahrungsmangel wegen schlechten 2017 28 2.474 648.293 27.612 Wetters, Dauerniederschläge oder Frost, ziehen die Tiere ein 2016 32 1.691 714.671 26.579 Stück weiter Richtung Süden oder Westen, bis das Wetter besser wird und die Aussicht auf Nahrung vielversprechend 2015 22 4.759 553.035 21.758 scheint. 2014 34 971 462.099 19.073 2013 34 1.203 695.332 22.961 Der Star bei der Stunde der Wintervögel 2015 war ein absolutes Star-Rekordjahr. „Der Star ist der 2012 33 1.068 452.893 16.289 Star und bleibt lieber da“, hieß es vor knapp drei Jahren bei der LBV-Mitmachaktion „Stunde der Wintervögel“. Er belegte WIE VIELE STARE BLEIBEN? damals sogar Platz 22 unter den Wintergästen. In den Land- kreisen Bad Tölz/Wolfratshausen und Miesbach schaffte es Machen Sie bitte auch dieses Jahr wie- der Star sogar in die Top Ten. Noch nie zuvor wurden bei der der mit: Vom 05.- 07. Januar 2018 findet Bürgerforscheraktion so viele überwinternde Stare in Bayern die Stunde der Wintervögel statt. Die gezählt. Das Folgejahr gingen die Meldezahlen zwar wieder Mitmachaktion kann auch darüber Auf- etwas nach unten, lagen aber immer noch weit über den Vor- schluss geben, wie sich typische Zug- jahren. 2017 dann der erneute Sprung in die Top 30 der meist- vögel in einem milden Winter verhalten. gezählten Wintervögel Bayerns. Der Trend setzt sich also fort. Eine einmalige Bestandsaufnahme reicht Es werden im Winter immer mehr Stare bei uns gezählt. nicht aus. Nur die Datensammlung über MARTINA GEHRET Dipl. Ing. Forstwirtschaft viele Jahre hinweg zeigt uns eindeutige Referat Artenschutz Zugvögel sind wichtige Anzeiger von Umweltveränderungen Trends. Und der Star ist ein Beispiel von LBV-Landesgeschäftsstelle wie die Klimaerwärmung. Um ein Grad sind die Jahresmittel- vielen, wie sich das Verhalten unserer Hilpoltstein werte der globalen Lufttemperatur seit Beginn der Temperatur- Vögel dem Klima anpasst. E-Mail: martina.gehret@lbv.de aufzeichnungen von 1880 bereits gestiegen. Wissenschaftler 4 I 17 VOGELSCHUTZ 15
STARENWOLKEN Faszinierende Flugschau am Himmel Wenn sich die Stare im Herbst und Frühjahr versammeln, wird dies oft zu einem Spektakel, wie es kaum eine andere Vogelart zu veranstalten vermag. Bereits unmittelbar nach der Brutzeit bilden sich im frü- hen Sommer schon Trupps aus Jungvögeln der ersten Brut und unverpaarten Staren. Gegen Ende des Som- mers wachsen diese Trupps zu Schwärmen an. Im Sep- Fotos: Dr. Christoph Moning, Hans Clausen tember und Oktober, kurz bevor die Stare nach Süd- und Westeuropa abziehen, erreichen die Schwärme ihre Maximalzahlen. Zu Hunderten sitzen dann die Tie- re auf Stromleitungen, -masten oder in Bäumen. Wird Grafik: Agentur Construktiv es Abend, machen sie sich zu ihren Schlafplätzen auf. Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang erfüllen dann imposante Schwarmwolken den Himmel, die mitunter aus mehreren Tausend Vögeln bestehen. Schließlich lassen sie sich schlagartig nach unten sinken und neh- men unter ohrenbetäubendem Geschrei ihre Schlafplät- ze in großen Schilfgebieten oder in Baumgruppen ein. Stare fliegen im Schwarm wellenförmig und synchron. Ein Star orientiert sich innerhalb des Schwarms an bis zu sieben Die fließenden Bewegungsabläufe, bei denen es nie- Vögeln in seiner Umgebung und versucht die gleiche Position mals zu Kollisionen während des Flugs kommt, gelin- zu ihnen einzuhalten (siehe Grafik). Hier teilt ein Greifvogel den gen, weil jeder Vogel sich im Schwarm ständig an bis zu Schwarm. sieben benachbarten Vögeln orientiert und versucht da- bei, die gleiche Position zu halten. Dieses Naturschau- und Feuchtgebiete mit entsprechendem Schilfbestand spiel ist nicht nur faszinierend, sondern schützt zugleich besuchen. Eine Auswahl möglicher Beobachtungs- die einzelnen Vögel im Schwarm vor Angreifern aus der punkte in Bayern finden Sie auf der LBV-Webseite. De- Luft. Greifvögel haben es schwer, sich in dieser Masse taillierte Beschreibungen dazu bietet das Buch „Vögel auf einen einzelnen Vogel innerhalb des Schwarms zu beobachten in Süddeutschland“, das in überarbeiteter fixieren, solange die synchrone Bewegung der Vögel Fassung 2012 bei KOSMOS erschienen ist. zur Schwarmmitte gelingt. CHRISTIANE GEIDEL Wer Starenwolken einmal live erleben möchte, sollte im Den Vogel des Jahres Spätsommer und Herbst oder bei der Rückkehr der Sta- vor Ort beobachten: re aus ihrem Winterquartier im Frühjahr Teich-, Seen- www.lbv.de/staren-karte 16 VOGELSCHUTZ 4 I 17
Foto: Peter Kühn EINE WOHNUNG FÜR DEN STAR Nisthilfen selber bauen Stare sind bei der Wahl ihres Nistplatzes nicht wählerisch. Sie beziehen Quartier in ausreichend geräumigen Baumhöhlen in al- ten Obstbäumen auf Streuobstwiesen, in der Feldflur, in Alleen oder im Siedlungsraum. Wir sagen Ihnen, wie Sie sich den Vogel des Jah- res in den Garten holen. Leider verschwinden immer mehr potenzielle Brutplätze für den Star. Höhlenbäume fallen Forstarbeiten oder Fällungen im Rahmen von Verkehrssicherungsmaßnahmen zum Opfer oder müssen städtischen Bauvorhaben weichen. Auch Sanie- rungsarbeiten an Gebäudefassaden schränken die Brutmög- A lichkeiten des Stars ein. Es fehlt daher heute überall an geeig- netem Wohnraum. Doch jeder Garten- oder Hausbesitzer kann den Vogel des Jahres 2018 bei der Wohnungssuche unterstützen, indem er ihm einen Nistkasten auf dem eigenen Grundstück anbietet. B Starenkästen mit einem Einflugloch von mindestens 45 Milli- metern Durchmesser sind im Fachhandel erhältlich oder kön- nen mit etwas Geschick selbst gezimmert werden. Stare wollen hoch hinaus Bei der Anbringung des Nistkastens sollten Sie darauf achten, dass der Kasten möglichst hoch, am besten vier Meter über dem Boden angebracht wird. Es empfiehlt sich, den Kasten hierzu am Hausgiebel zu befestigen oder ihn an einer langen Stange aufzustellen, da der Star seine Umgebung gerne über- blickt. Das Einflugloch sollte – wenn möglich – entgegen der Hauptwetterrichtung nach Osten oder Südosten ausgerichtet werden, um ein Eindringen von Niederschlägen in den Brut- raum zu verhindern. CHRISTIANE GEIDEL SO WIRD'S GEMACHT: Alle Teile aus unbehandeltem Holz vorbereiten und nach dem Bauschema mit Schrauben oder Nägeln zusammen- fügen. Die nach unten verlängerte Front wird als letztes angefügt. Sie gewährleistet einen optimalen Regenwasser ablauf und erleichtert das Öffnen zur Reinigung des Nist- kastens. Die Front wird beidseitig im oberen Teil mit zwei Nägeln A als Drehachse fixiert und im unteren Teil ein- oder beidseitig mit drehbaren Schraubhaken B gesichert. Verzichten Sie auf eine Ansitzstange: Der Star braucht sie nicht, stattdessen erleichtert sie es Fressfeinden, Eier oder Jungvögel zu erbeuten. Der Bauplan ist der Broschüre „Wohnen nach Maß“ entnommen. Erhältlich im LBV-Natur-Shop, Best.-Nr . 310 120 15 zum Preis von 3,00 € zzgl. Porto 4 I 17 VOGELSCHUTZ 17
AUEROCHSE, WASSERBÜFFEL & CO. Der Star nutzt die Nase eines Rindes zum Insektenfang. LBV-Weideprojekte erhalten wertvolle Grasländer Die Rinder des Klosterbetriebes Plankstetten ziehen gemächlich ihre Runden durch die Feucht- wiesen des LBV-Schutzgebietes Schwarzach, begleitet von einem Trupp vorwitziger Stare. Hier wie in anderen Gebieten in Bayern sorgt das Weidevieh dafür, wertvolle Flächen zu bewahren. Einige unserer beliebtesten bayerischen Landschaften Hintergrund: Mitteleuropa ist eine Kulturlandschaft, die sind auf Beweidung angewiesen. Die Wacholderheiden sich über Jahrtausende entwickelt hat. Ohne landwirt- im Altmühltal gäbe es ohne die Schafbeweidung eben- schaftliche Nutzung würden flächendeckend Wälder das so wenig wie die blütenreichen Almwiesen im Chiemgau Bild bestimmen, unterbrochen nur von ein paar waldfrei- oder Allgäu ohne die Rinderbeweidung. Zum Glück be- en Mooren und Lichtungen. Wisente und andere große sinnen sich Landwirte mittlerweile wieder vielerorts auf Pflanzenfresser würden durch die Wälder streifen. Schon die Weidehaltung zurück und nutzen diese, um ökolo- früh wurde die Landschaft durch die menschliche Nut- gisch wertvolle, artenreiche Flächen zu erhalten und da- zung verändert. Auf Rodungen entstand Kulturland, das bei gesunde, hochqualitative Lebensmittel zu erzeugen. ackerbaulich genutzt wurde. Andernorts entstanden offe- ne Grünländer, auf denen Weidevieh graste. Durch das Der LBV hat diesbezüglich in den letzten Jahren ver- Öffnen des Waldes entwickelten sich Standorte, die es schiedene Weideprojekte angestoßen. Die Projekte le- in der europäischen Naturlandschaft bislang nicht gab. ben in erster Linie davon, dass wir mit motivierten Part- Hier konnten Arten aus der eurasischen Graslandzone nern aus der Landwirtschaft zusammenarbeiten. Für die oder auch aus dem mediterranen Bereich einwandern. LBV-Gebiete werden mit den Landwirten Weidekonzepte Es entstand eine reich gegliederte Kulturlandschaft mit erstellt und die notwendige Infrastruktur aufgebaut (Zäu- einer großen Vielfalt an Arten und Lebensgemeinschaf- ne etc.). Die naturschutzfachlichen und landwirtschaftli- ten. Die Landschaft, in der wir heute leben. chen Rahmenbedingungen werden dabei berücksichtigt. Landwirtschaft und Naturschutz sind hier kein Wider- Die Beweidung mit Rindern, Schafen oder Ziegen stellt spruch, sondern bedingen einander. die älteste Form der Grünlandnutzung dar. Erst dadurch 18 VOGELSCHUTZ 4 I 17
WASSERBÜFFEL IN ALLMANNSHOFEN Fotos: Herbert Henderkes, Martina Grob, Natascha Neuhaus, Viktor Oswald, Ralf Hotzy, Dr. Thomas Rödl wurde es möglich, Grasländer für den Menschen als Nah- (Ldkr. Augsburg) rungsgrundlage zu erschließen. In den letzten Jahrzehn- Beschreibung: Wiesenbrütergebiet Allmannshofener Ried ten wurde aber die Weidehaltung in vielen Regionen zu Weidetiere: Wasserbüffel Gunsten einer ganzjährigen Stallhaltung aufgegeben, Weideform: Sommerweidehaltung was Folgen für das Grünland und die dafür typischen Info: www.augsburg.lbv.de Landschaften hatte. Eine Vielzahl von Pflanzen- und Ausgangspunkt: Weiden liegen östlich von Druisheim, Tierarten braucht eine regelmäßige Beweidung. Gehöl- östlich der B2 ze werden durch sie zurückgedrängt, sodass wertvolles blütenreiches Grünland erhalten bleibt. Der Dung stellt eine wichtige Grundlage für das Vorkommen bestimmter Insektenarten dar, die eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel oder Fledermäuse sind. RALF HOTZY Wir laden Sie ein, unsere Projekte zu besuchen, wo Sie sich von der tollen Arbeit, die unsere tierischen Mitarbei- ter leisten, überzeugen können. Hier einige Beispiele: HECKRINDER AUF DEN GRUBENFELDERN LEONIE TÄNNESBERGER ROTVIEH (Ldkr. Amberg-Sulzbach) (Ldkr. Neustadt a. d. Waldnaab) Beschreibung: ehemaliges Grubengelände mit Komplex Beschreibung: artenreiches Grünland im Kainzbachtal, an Feuchtflächen, magerem Grünland, Gehölzgruppen alte Haustierrasse, Vermarktung Weidetiere: Heckrinder (Auerochsenrückzüchtung) Weidetiere: Rotes Höhenvieh Weideform: Ganzjahresbeweidung Weideform: drei Weidekomplexe Ganzjahresbeweidung/ Infos: Infotafeln vor Ort, www.weber-rudolf.de/auerochsen Sommerweidehaltung Ausgangspunkt: Wanderweg (Erzweg) nördlich von Auer- Infos: Infotafeln vor Ort, www.taennesberger-rotvieh.de bach nach Degelsdorf Ausgangspunkt: Geologischer Lehrpfad in Tännesberg HECKRINDER IM FUSSBERGMOOS SCHWARZACHAUE (Ldkr. Fürstenfeldbruck) (Ldkr. Neumarkt + Roth) Beschreibung: artenreiches Niedermoor Beschreibung: Talaue der Schwarzach, Feuchtwiesen Weidetiere: Heckrinder (Auerochsenrückzüchtung) Weidetiere: Fleckvieh Weideform: Ganzjahresbeweidung Weideform: Sommerweidehaltung Infos: Infotafeln vor Ort, www.lbv-ffb.de Infos: Infotafeln vor Ort; www.lbv.de Ausgangspunkt: nördlich Gernlinden (Moosalmstraße) Ausgangspunkt: Kläranlage westlich Schmellnricht 4 I 17 VOGELSCHUTZ 19
DER WANDEL IN DER LANDWIRTSCHAFT IST UNAUSWEICHLICH LBV kämpft für Neuordnung der EU-Agrarsubventionen Noch ist es schwer, den dringend notwendigen Wandel in der EU-Landwirtschaftspolitik ge- gen die Agrarlobby voranzutreiben. Auch wenn nicht nur Studien den Artenschwund und die Folgen der Intensivlandwirtschaft belegen, sondern jedermann mittlerweile die Veränderun- gen spürt, leugnet sie weiterhin die Zusammenhänge. Ein neues Fördermodell könnte den Durchbruch bringen. Alle paar Monate rückt die Landwirtschaft in den Mittelpunkt Landwirtschaft einher, die auf kurzfristig höhere Erträge setzt. der Medien. Meist sind es Berichte über Lebensmittelskan- Doch auch die Intensivlandwirtschaft in Bayern und Deutsch- dale oder über schlechte Tierhaltungsbedingungen, zuletzt land ist von der Subventionierung durch den Steuerzahler der Fipronil-Skandal: Rückstände des Insektenvernichtungs- abhängig: Landwirte beziehen zwischen 20 und 50 Prozent mittels in Hühnereiern. Aber der schleichende und langanhal- ihres Einkommens aus Prämien und Zahlungen der EU sowie tende Rückgang der Artenvielfalt in der landwirtschaftlich ge- der Länder. Das ist der entscheidende Hebel, mit dem ein nutzten Fläche wird nicht als Skandal gesehen, er findet nur Systemwandel in der Landwirtschaft erreicht werden kann. wenig Aufmerksamkeit. Der „stumme Frühling“ wird in vielen Ackerbau- und Grünlandgebieten allmählich zur Realität. Zuschüsse nur noch für Gemeinwohl-Leistungen Der LBV fordert daher zusammen mit der großen Verbände- Die Wissenschaft benennt vor allem drei Hauptursachen: den bewegung LivingLand, dass in Zukunft Landwirte Gelder aus- Verlust an Lebensraumstrukturen, den Einsatz von Pestizi- schließlich für Gemeinwohl-Leistungen erhalten sollen. Ein den und Überdüngung. Sie gehen mit der Intensivierung der neues System der Vergütung von Leistungen für den Schutz 20 VOGELSCHUTZ 4 I 17
Intensiver Pestizideinsatz (oben) und überdüngte Monokultu- Ansätze für nachhaltigeres Wirtschaften: Blühflächen und ren (großes Foto links) tragen maßgeblich zum Artensterben Ackerrandstreifen mit heimischen Arten (z.B. hier zu sehen bei. Klatschmohn und Wilde Malve). von Boden, Wasser, Luft und für die Förderung der Biodiver- Vernetzung von Feldrainen, Hecken, Ackerrandstreifen, So- sität soll an die Stelle der bisherigen Direktzahlungen treten, litärgehölzen sowie durch angepasste Bewirtschaftung er- die jeder Landwirt für seine gesamten Betriebsflächen erhält tragsschwacher und ökologisch wertvoller Teilflächen. (…). (unter Einhaltung von minimalen Auflagen und den ökolo- Fruchtfolgegestaltung, Bodenbearbeitung, Aussaattech- gisch weitgehend unwirksamen Greening-Maßnahmen). Für nik und -zeiten müssen wieder mehr einem ganzheitlichen Flächen, auf denen nichts für die Umwelt passiert, würden ackerbaulichen Anspruch genügen.“ Um die Stickstoffüber- Landwirte ab 2021 kein Geld mehr bekommen, dafür für schüsse in den Griff zu kriegen, zieht die DLG ebenso wie die Blühflächen, Brachen, Randstreifen u.a. ein Vielfaches der Naturschutzverbände die Folgerung, dass „Tierhaltung und aktuellen Prämien. Wie Prof. Harald Grethe von der Hum- Fläche innerhalb des Betriebes oder vertraglich zu koppeln boldt Universität Berlin beim Deutschen Landschaftspfle- sind“. getag 2017 treffend feststellte: „Wenn man angesichts der Herausforderungen von Klimawandel, Biodiversitätsschwund Erfolgreiche Bewegung zur EU-Agrarpolitik und Nitrat im Trinkwasser nach der besten Lösung sucht, Es ist eminent wichtig, dass der LBV und die Gesellschaft sich käme dann jemand auf die Idee zu sagen: Das Beste ist, je- stärker in der Agrarpolitik engagieren. Ein erster Erfolg zeigte Fotos: Peter Bria, Carola Bria, Thomas Staab der Landwirt bekommt 290 € pro Hektar Betriebsfläche? Die sich beim Online-Konsultationsverfahren der EU-Kommission Direktzahlungen können nur historisch erklärt werden, haben zur europäischen Agrarpolitik. Innerhalb weniger Wochen be- aber heute keine Berechtigung mehr.“ teiligten sich 320.000 Menschen an der Konsultation, davon unterstützten 258.000 die LivingLand-Vision einer nachhal- Fakten müssen anerkannt werden tigeren Landwirtschaftspolitik. Der LBV bewegte knapp 4.000 Wir werden immer wieder damit konfrontiert, dass Vertreter Mitglieder und Förderer zu einer Stellungnahme. Ein weiterer des Bayerischen Bauernverbands den Rückgang der Arten- Erfolg spielte sich im Europa-Parlament ab: Der Agraraus- vielfalt trotz der eindeutigen Beweise durch zahllose Studien schuss stimmte am 30. Mai 2017 noch mit 30:11 Stimmen nicht als Fakt akzeptieren. Auch die vielfach belegten Zusam- gegen den Vorschlag von EU-Agrarkommissar Phil Hogan, menhänge mit Veränderungen der Agrarlandschaft werden den Einsatz von Pestiziden auf den so genannten Ökolo- nicht anerkannt. Wir können jedoch nur auf der Basis der gischen Vorrangflächen des Greenings zukünftig zu verbie- naturwissenschaftlichen Fakten gemein- ten. Die umweltfeindliche Politik des sam Lösungen erarbeiten. Die Deutsche Es liegt an uns, dafür zu sorgen, Agrarausschusses wird maßgeblich vom Landwirtschaftsgesellschaft DLG ist hier dass eine nachhaltige Landwirt- bayerischen CSU-Ab- mit gutem Beispiel vorangegangen: Sie schaft so schnell wie möglich geordneten Albert Deß hat erkannt, dass „die Landwirtschaft Wirklichkeit wird. bestimmt. Zwei Wochen neue Wege gehen muss“. An den Anfang später setzte sich die stellt sie eine ehrliche Bestandsaufnahme. In ihren „10 The- Vollversammlung des Parlaments über die- sen zur Landwirtschaft 2030“ werden die Probleme und He- ses Votum hinweg und beschloss dann doch rausforderungen präzise benannt: „An einigen Punkten über- mit knapper Mehrheit das Pestizidverbot. Das MATTHIAS LUY schreitet der Modernisierungspfad allerdings die Grenzen der Beispiel zeigt, dass zurzeit ein Wandel statt- Leiter AK Landwirtschaft Nachhaltigkeit und er gefährdet die Resilienz der Systeme.“ findet, aber die Kräfte von Reformern und den Die DLG streitet den Artenschwund nicht ab, sondern bezieht Bewahrern des alten Systems sich in etwa die LBV-Bezirksgeschäftsstelle Oberbayern sich auf den vom Bundesamt für Naturschutz ermittelten Vo- Waage halten. Es liegt an uns, dafür zu sor- gelindikator auf Agrarland. Als Konsequenz schlägt die DLG gen, dass eine nachhaltige Landwirtschaft so E-Mail: matthias.luy@lbv.de u.a. vor: „Biodiversität kann erhöht werden durch Pflege und schnell wie möglich Wirklichkeit wird. 4 I 17 VOGELSCHUTZ 21
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