VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV

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VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
VOGELSCHUTZ
 Ausgabe 4 I 2017                 Das Mitgliedermagazin des LBV

                                                  STAR
                                                  VOGEL DES
                                                      JAHRES 2018

LANDWIRTSCHAFT       BEWUSST KONSUMIEREN
Was sich unbedingt   Warum Verbraucher beim Einkauf
ändern muss          umdenken müssen
VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
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 der Natur erleben.
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VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
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                              ische Schmetterlingsart überwintert
                              der Zitronenfalter ohne Schutz frei in
                              der Vegetation. Entweder sitzt er da-
                              bei auf Zweigen, in Stauden, Gräsern
                              oder zwischen trockenem Laub auf dem
                              Boden. Mit Hilfe von körpereigenen
                              Frostschutzmitteln gelingt es ihm, Tem-
                              peraturen von bis zu minus 20 Grad un-
                              beschadet zu überstehen – sogar wenn
                              er komplett von Schnee und Reif be-
                              deckt wird.
Foto: Dr. Eberhard Pfeuffer

                                                                        4 I 17 VOGELSCHUTZ 3
VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
EDITORIAL
                                                                   IN DIESEM HEFT
                                                                    STANDPUNKT                                        6

                                                                    LESERPOST                                         8

                                                                    GEZWITSCHER                                       9
                                                                    Kurzmeldungen

   Unser Star!                                                      DER STAR                                         10
                                                                    Vogel des Jahres 2018
  Liebe Leserinnen und Leser,

  in Editorials gehören eigentlich keine internen Informatio-       BAD TÖLZ STATT ATLANTIKKÜSTE                     14
  nen, da das „den Leser“ im Normalfall nicht interessiert. Ich     Klimawandel beeinflusst das Zugverhalten
  möchte heute mit dieser Regel brechen. Denn dass uns Birgit
  Helbig verlässt, ist ein großer Einschnitt für dieses Magazin.
  Sie kennen Frau Helbig als Autorin zahlreicher Gartenartikel,     STARENWOLKEN                                     16
  die bei Ihnen stets auf große Resonanz stoßen. Hinter den
                                                                    Faszinierende Flugschau am Himmel
  Kulissen hat sie aber als Grafikerin in den letzten 13 Jahren
  das VOGELSCHUTZ gestaltet und immer weiterentwickelt.
  Sie verlässt uns auf eigenen Wunsch, und wir haben eine
  gute Nachfolge gefunden, aber ich möchte die Gelegenheit
                                                                    EINE WOHNUNG FÜR DEN STAR                        17
  nutzen, ihr im Namen der beteiligten Mitarbeiter und Ehren-       Nisthilfen selber bauen
  amtlichen, der Autoren und des Redaktionsteams ganz herz-
  lich Danke zu sagen für den jahrelangen, großen Einsatz.
  Birgit, Du hast das VOGELSCHUTZ zu dem gemacht, was               AUEROCHSE, WASSERBÜFFEL & CO.                    18
  es heute ist: das schönste Mitgliedermagazin in Deutschland!      LBV-Weideprojekte erhalten
                                                                    wertvolle Grasländer
  In dieser Ausgabe dreht sich alles um den Star, den Vogel
  des Jahres 2018. Um diesen Titel zu bekommen, muss die
  Art nicht immer gleich vom Aussterben bedroht sein. Im Ge-        DER WANDEL IN DER LANDWIRTSCHAFT                 20
  genteil, gerade der Rückgang unserer häufigen Vogelarten          IST UNAUSWEICHLICH
  beschäftigt uns sehr. Die schleichende Abnahme von Aller-         LBV kämpft für Neuordnung der EU-Agrarsubventionen
  weltsarten wie Star, Haussperling oder Grünfink muss des-
  halb rechtzeitig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Und auch
  aus diesem Grund haben wir den Star ausgewählt.                   SPENDENAKTION                                    22
                                                                    Ein Geschenk für die Natur
  Mein persönliches Staren-Erlebnis hatte ich bereits diesen
  Sommer. Ich war Zeuge, wie ein auf einer Kaminspitze sit-
  zender singender Star hintereinander mindestens sieben            IMPRESSUM                                        24
  Vogelstimmen nachahmte, darunter perfekte Imitationen von
  Mäusebussard, Rabenkrähe und Kohlmeise. Ein echtes Ge-
  sangstalent unser Star.

  Ihr Markus Erlwein
  Chefredakteur

  P.S.: Frau Helbig wird uns weiterhin als Autorin unserer                                       TITELFOTO:
        Gartenartikel erhalten bleiben.                                                          Balzender Star
                                                                                                 Foto: Dieter Hopf

4 VOGELSCHUTZ 4 I 17
VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
INHALT VOGELSCHUTZ 4 I 2017

             25            LBV VOR ORT

             28            LEBENSRAUM HECKE
                           Heimat für den Star und viele weitere Bewohner

     20      30            BEWUSST KONSUMIEREN
                           Warum Verbraucher beim Einkauf
     28                    umdenken lernen müssen

             32            SAG MIR, WO DIE BLUMEN SIND…
10                         Säume an Weg-, Feld- und Waldrändern
                           verschwinden als wichtige Lebensräume
14
             34            LBV- WEBSEITE
                           Jetzt auf allen Geräten

     30      35            MITGLIEDERSERVICE
                           n   Jahresspendenbescheinigung
                           n   Patenschaften für Bayerns Natur

             36            ACKERN FÜR DIE ENKEL
                           Bildungsprojekt für nachhaltige Landwirtschaft

             38            STIFTUNG BAYERISCHES NATURERBE
                           LBV-Stiftung für den Stieglitz
                           – langer Atem gefragt

             39            NATURSCHUTZJUGEND NAJU
                           Zurück in die Steinzeit

16           40            MEDIEN I SERVICE                           FERNGLAS I TEST
                           Buchempfehlungen                           Klein, Leicht, Gut!

     32      41            KLEINANZEIGEN                              MELDEKARTE
                                                                      Stunde der Wintervögel

     36
18   36   Fotos: Andreas Giessler, Ralph Sturm, Hans Clausen,
          Herbert Henderkes, Peter Bria, Peter Kühn, Birgit Helbig,
          Dr. Eberhard Pfeuffer, LBV-Umweltstation Rothsee

                                                                           4 I 17 VOGELSCHUTZ 5
VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
STAND PUNKT

WIR WERDEN NICHT
AUFGEBEN!

Zusammen mit unserem bundesweiten Partner Naturschutz-            ropaweit um über 90 Prozent abgenommen. Ein Wert, der den
bund Deutschland (NABU) haben wir den Star zum „Vogel             Bayerischen Jagdverband und den LBV in gleicher Weise be-
des Jahres 2018“ gewählt. Auf den Waldkauz folgt damit ein        unruhigt. Wir haben immer wieder mit dem BJV und dem Bay­
Singvogel. Bundesweit ist der Bestand dieser Vogelart in den      erischen Bauernverband darüber gesprochen, wie wir wieder
vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Grund            mehr Struktur – von der nicht nur Rebhühner profitieren – in
genug, den Star auf der Roten Liste bedrohter Vogelarten in       die Agrarlandschaft bekommen. Die Liste unserer gemein-
Deutschland von „ungefährdet“ (im Jahr 2007) auf „gefährdet“      samen Projekte ist lang und beeindruckend. Die bereits jetzt
(2015) hochzustufen. In Bayern scheint es dem Star noch re-       stattfindenden zahlreichen Aktivitäten von Jägern zum Schutz
lativ gut zu gehen. Wir rechnen durchaus mit stabilen Bestän-     des Rebhuhns und seines Lebensraumes wurden vom LBV
den, eine Situation, die wir sehr intensiv beobachten. Die Gar-   und von mir persönlich immer wieder begrüßt. Im September
tenbesitzer unter uns können den Star durch den Verzicht auf      begann dann, wie jedes Jahr, die Jagdzeit auf Rebhühner.
Pestizide und die Anschaffung von Nistkästen fördern. Durch       Der LBV nahm dies zum Anlass, in einer Presseinfo mit der
den Einkauf von Biolebensmitteln, die in einer artenreichen       Überschrift „Jäger können Rebhuhn schonen“ auf die prekäre
Agrarlandschaft produziert werden, können wir alle „Staren-       Situation des Rebhuhns hinzuweisen und an die bayerischen
freunde“ werden.                                                  Jäger zu appellieren, freiwillig auf Rebhuhnjagd zu verzich-
                                                                  ten – sofort mit dem Hinweis, dass die intensive Landwirt-
Insektenrückgang besorgniserregend                                schaft Schuld am Zustand unserer Rebhuhnbestände ist. Mit
Einen Grund für den bundesweiten Rückgang des Stars liefert       keinem Wort haben wir behauptet, Rebhühner wären durch
auch die kürzlich in der Zeitschrift PLOS ONE veröffentlichte     die Jagd aus unserer Landschaft verschwunden. Vielmehr
Studie eines internationalen Forscherteams zum Rückgang           heißt es in unserer Presseinfo explizit, dass „die Jagd nicht
von Insekten, die viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten        die Hauptursache für den Rückgang ist, diesen aber [– und
hat. Ein internationales Wissenschaftlerteam hat darin be-        ich denke diese Befürchtung ist nachvollziehbar –] beschleu-
legt, dass die Biomasse von Insekten seit den 1990er Jahren       nigen kann“. Wir halten es für sinnvoll und nachvollziehbar,
um ca. 80 % zurückgegangen ist. Zwar haben wir Natur- und         wenn Jäger freiwillig auf die Jagd von Rebhühnern verzichten,
Artenschützer diesen Trend erwartet, der Umfang hat aber          um ein Zeichen zu setzen. Die Jagd auf eine hochbedrohte
auch uns erschreckt. Die überragende Bedeutung unserer In-        Vogelart ist auch der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, selbst
sektenwelt, als Beispiel sei nur die Bestäubungsleistung von      wenn punktuell, bedingt durch gezielte Schutzmaßnahmen,
Honig- und insbesondere Wildbienen genannt, ist hinlänglich       lokal noch relativ gute Bestände dort eine Bejagung durch-
bekannt. Vieles deutet nach Aussage der Wissenschaftler da-       aus zulassen würden. Der LBV wünscht sich dieser besorg-
rauf hin, dass die Ursachen in der intensiven Landwirtschaft,     niserregenden Situation entsprechend umsichtiges Handeln,
insbesondere im Einsatz von Pestiziden liegen. Es wird aller-     auch bei den Jägern, mehr nicht. Die Zeitschrift Die Pirsch
höchste Zeit, dass wir dieses Thema endlich ernst nehmen          hat unsere Presseinfo entweder nicht richtig gelesen – oder
und kurzfristig zumindest eine deutliche Reduktion von Pes­       nicht verstehen wollen. In jedem Fall greift Redakteur Martin
tiziden, v.a. Neonikotinoide und Glyphosat, in der Landwirt-      Weber den LBV in seinem Vorwort massiv an und fällt zurück
schaft erreichen. Weiterhin brauchen wir ein fundiertes Insek-    in alte Stereotypen. Es ist schlichtweg falsch zu behaupten,
ten-Monitoring, um zu verfolgen, was derzeit um uns herum         wir hätten Jäger als „reine Schießer“ bezeichnet. Meine Bitte
vor sich geht!                                                    an alle Beteiligten, Naturschützer wie Jäger: Lassen wir uns
                                                                  von einigen wenigen Ewiggestrigen, die sich in Klischees of-
Rebhuhn gemeinsam schützen                                        fensichtlich wohl fühlen, nicht auseinanderdividieren und kon-
Gerade auch Rebhühner brauchen die Insektennahrung in             zentrieren wir uns auf das, was wirklich wichtig ist: zusammen
Feld und Flur. In den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten       unsere Agrarlandschaft so zu gestalten, dass Rebhuhn & Co.
hat der Bestand des Rebhuhns nicht nur bei uns, sondern eu-       dort wieder ein besseres Auskommen haben!

6 VOGELSCHUTZ 4 I 17
VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
Riedberger Horn I Foto: Dr. Eberhard Pfeuffer

Dritter Nationalpark – Qualität zählt                            mit juristischen Schritten, für den Schutz von Riedberger Horn
Die Diskussionen um einen dritten Nationalpark in Bayern         und Alpenplan zu kämpfen. „Am Riedberger Horn werden wir
gehen noch immer weiter. Die Suchkulisse wurde dabei auf         nicht aufgeben!“, habe ich in meinem Rechenschaftsbericht
die Rhön und die Auwälder entlang von Donau und Isar be-         als LBV Vorsitzender den Delegierten versprochen. Daran gibt
schränkt – zwei Regionen mit naturschutzfachlich durchaus        es nichts zu rütteln.
beeindruckendem Potential. Wichtig ist für den LBV, dass ein
dritter Nationalpark in Bayern die hohen Qualitätsstandards      Wahlen in Deutschland und Bayern
der bereits bestehenden Nationalparks Bayerischer Wald und       Nach der Wahl ist vor der Wahl. Nach den gerade zurücklie-
Berchtesgaden erreicht. Hierzu zählen für den LBV neben der      genden Bundestagswahlen stehen im Herbst 2018 die Land-
Qualität der Flächen auch eine Ausdehnung von mindestens         tagswahlen in Bayern auf dem Programm. Manchmal be-
10.000 ha auf bayerischem Gebiet sowie die Ausweisung von        kommt man den Eindruck, dass es in Deutschland und Bay­ern
75 Prozent nutzungsfreier Prozessschutzfläche. Umweltmini-       keine anderen Themen als Migration und innere Sicherheit
sterin Scharf hat mehrfach betont, dass ein dritter National-    gibt. So wichtig diese Themen auch sind – mir persönlich sind
park die hohen Qualitätskriterien eines sog. IUCN Kategorie II   auch andere Dinge im Leben wichtig: Ich will eine lebendige,
Schutzgebietes erfüllen wird. Darüber freuen wir uns! Und wir    artenreiche Natur um mich herum. Wilde Wälder – nicht nur,
müssen auch im Spessart unsere Hausaufgaben im Natur- und        aber besonders in Nationalparks, eine abwechslungsreiche
Artenschutz machen. Ein großflächiges Naturschutzgebiet, in      Landschaft, naturnahe Gewässer, bunte Blumenwiesen,
Teilen nutzungsfrei, in Teilen mit Managementmaßnahmen zur       Schmetterlinge, Feldlerchen und Rebhühner. Der Erhalt der
Förderung der Eiche, ist hierfür ein wichtiger Baustein. Der     biologischen Vielfalt, des Lebens um uns herum, muss endlich
LBV hat hierzu konkrete Vorschläge gemacht.                      auch den politischen Stellenwert erhalten, den er verdient. Na-
                                                                 tur- und Artenschutz ist Schutz unserer wunderbaren Heimat
Alpenplan – wir werden nicht aufgeben!                           – weit mehr als Breitbandanschlüsse und Gewerbegebiete!
Wenn Sie diese Zeilen lesen, hat der Bayerische Landtag wahr-    Daran werden wir unsere Politiker im Landtagswahljahr 2018
scheinlich bereits über die Änderung des Landesentwicklungs-     erinnern!
planes, einschließlich einer Veränderung des Alpenplanes
abgestimmt. Durch eine Verschiebung der Grenzziehung der         Immer häufiger bleiben Stare in milden Wintern bei uns. Ob
strengen Schutzzone C des Alpenplanes wäre hierdurch die         dies auch im Winter 2017/18 der Fall ist, wird sich während
Grundlage für den Bau einer Skischaukel am Riedberger Horn       unserer Mitmachaktion „Stunde der Wintervögel“ am Wochen-
gelegt. Als unsere Mitglieder kennen Sie unsere intensiven       ende 5.-7. Januar 2018 zeigen. Ich würde mich freuen, wenn
Bemühungen zum Schutz des Birkhuhnes am Riedberger               Sie daran mit Ihrer Familie und Ihren Freunden teilnehmen.
Horn und unseren Einsatz für den uneingeschränkten Erhalt        Bis dahin wünsche ich Ihnen eine frohe Weihnachtszeit und
des Alpenplans. Vielleicht ist die Entscheidung im Landtag ja    schon jetzt ein glückliches und gesundes Neues Jahr!
doch anders ausgegangen als befürchtet. Wir hoffen, dass
die entscheidenden Politiker die Größe haben einzugestehen,      Herzlichst,
dass sie sich am Riedberger Horn verrannt haben. Das würde
uns wirklich beeindrucken, und wir würden uns außerordent-
lich darüber freuen. Das Angebot des LBV, sich aktiv in eine
Entwicklung von sanften, nicht-Skiliftgebundenen Formen des
Tourismus im Oberallgäu einzubringen, steht. Unverrückbar        Dr. Norbert Schäffer
und bestärkt durch unsere LBV Delegiertenversammlung Mitte       Vorsitzender des LBV
Oktober in Amberg steht aber auch unser Beschluss, mit al-
len uns zur Verfügung stehenden Mitteln, im Bedarfsfall auch     PS: Folgen Sie mir auf Twitter unter @N_Schaeffer

                                                                                                                 4 I 17 VOGELSCHUTZ 7
VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
LESER POST

Ihre Meinung ist uns wichtig! Schreiben Sie uns unter leserbriefe@lbv.de oder per Post an Redaktion VOGELSCHUTZ,
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein. Die Redaktion behält sich aus Platzgründen eine Auswahl und das Kürzen von Leserzuschriften vor.

Zum Leserbrief „Ikonen militanter und moralischer Selbstüberhöhung“ erhielten wir viele Zuschriften. Stellvertretend folgende:
„Retour“                                                     Schade für die Natur
Ich lasse mich nicht als „Naturschüt-                        Solche Leserbriefe wie diese möchte        Jägerin, oder der Ehegatte! Für mich
zerin“ beleidigen. Ich bin der Meinung,                      ich eigentlich nicht gerne lesen! Leider   fängt Tier- und Naturschutz dort an, wo
dass die „Anders-Denkenden“, wie die                         scheint das Verständnis für die „Natur“    bei so vielen der gesunde Menschenver-
Verfasserin des Leserbriefes, einem                          wie sie einmal war, bevor der Mensch       stand aufhört! Allen LBV-Mitgliedern, die
großen Irrtum unterliegen, nämlich dem                       begonnen hat, sie zu zerstören, nicht im   Natur lieben, wie sie ist und sein soll, alles
der „militanten und moralischen Selbst­                      geringsten Ausmaß bei manchen Men-         Gute!             Gabi Janich, 85461 Bockhorn
erhöhung“. Wir haben nur einen Pla-                          schen angekommen zu sein! Schade!
neten und bereits seit dem Sommer die                        Vermutlich ist die Leserin, die solche     Aber bitte sachlich
Ressourcen dafür längstens für 2017                          haarsträubenden und unqualifizierten       Die Zuschrift ist in einem Ton gehalten,
ausgeschöpft. Wir haben nur ein Ba-                          Bemerkungen macht, eine Landwirtin!        den ich in dieser Zeitschrift bisher nicht
yern, und hierher gehört nicht nur ein                       [Dabei sind es] die Subventionen [der      wahrgenommen habe. Es ging vor allem
zusätzlicher Naturschutzpark, sondern                        Landwirtschaft], die Bienen, Singvögel     kritisch um die Rückkehr des Wolfes in
sämtliche, die dafür in Frage kommen.                        und allen Säugetieren den Garaus ma-       Mitteleuropa. Auch innerhalb von Um-
Wir leben im Zeitalter des „Anthro-                          chen! Subventionen, die dazu benutzt       weltverbänden kann dieses Thema kon-
pozän“ und schaffen uns – laut Prof.                         werden, Glyphosat, Gülle, Kunstdünger      trovers behandelt werden, können oder
Harald Lesch – in aller Gemütsruhe                           etc. auf unsere Natur loszulassen, um      müssen sehr wohl auch Bedenken Gehör
selber ab. Dem steuere ich entgegen,                         komplette Lebensräume zu zerstören!        finden, dieses aber bitte in sachlichem
und sei es auch nur mit ein paar Worten                      Vermutlich ist besagte Leserin ebenfalls   Ton. Hans Detlef Bürger, 96487 Dörfles-Esbach
„retour“. Sabine Oberberger, 83093 Bad Endorf

                                                                                                        Eisvogel auf dem Balkon
                                                                                                        Meine Frau Steffi und unser 10-jährige
                                                                                                        Sohn Moritz saßen gegen etwa 14 Uhr
                                                                                                        im Esszimmer beim Plaudern. Wir haben
                                                                                                        einen großen Garten, in dem ein kleiner
                                                                                                        Bach durchfließt. Über dem Bach befindet
                                                                                                        sich unsere große Terrasse. Vom Esszim-
                                                                                                        mer aus haben wir einen super Blick in
                                                                                                        den Garten und zur Terrasse. Während
                                                                                                        ihres Gesprächs flog plötzlich ein Eisvo-
                                                                                                        gel auf die Terrasse, hielt kurz inne für ein
                                                                                                        Foto und flog dann wieder davon. So ein
Foto: Steffi Rückerl

                                                                                                        Angeber! Oder Model bei einer Moden-
                                                                                                        schau? Auf der Suche nach Fischchen in
                                                                                                        unserem Bächlein? Auf jeden Fall haben
                                                                                                        meine Frau und mein Sohn richtig ge-
                                                                                                        staunt!         Joachim Rückerl, 92507 Nabburg

Zum Artikel „Ein Tag am Ammersee“                            Anm. der Red:
der Ausgabe 03/17                                            Wir werden künftig bei der Bildaus-        halb des Weges über einen Stamm
                                                             wahl noch genauer drauf achten. Die        geleitet werden mussten.
„Tolles Vorbild!“
                                                             Führung fand aber auf einem Forst-
In dem Artikel wird über einen Besuch                        weg statt, wie im Übrigen auch die
im Seeholz berichtet. Mir ist es unver-                      geführten Exkursionen am Ammer-
ständlich, wie in einer Naturzeitschrift ein                 see-Südende nur auf öffentlichen
Foto abgebildet werden kann, auf dem                         Wegen verlaufen. Im dargestellten
eine Horde Menschen in Ihrer Begleitung                      Fall verläuft der Weg als kleine Furt
querfeldein durch das sensible und ge-                       über einen meist trockenen Wald-
                                                                                                         Foto: Jana Holler

schützte Biotop latschen kann, statt es                      graben. Bei der Führung führte er
von den Wegen aus zu betrachten. Tolles                      etwas Wasser, ihn zu überspringen,
Vorbild!                                                     war den betagten Teilnehmern nicht
                       Christine Schaumaier, 80336 München   möglich, so dass sie 5 Meter ober-

8 VOGELSCHUTZ 4 I 17
VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
GEZWITSCHER KURZMELDUNGEN

Erstes Wolfsrudel in Bayern                                                     Extrem seltener Neunachweis des Scharlachkäfers
150 Jahre nach der Ausrottung des Wolfes in Bayern wurde                        In der Roten Liste der Bundesrepublik Deutschland wird
im August erstmals wieder ein Wolfsrudel im Freistaat nach-                     der Scharlachkäfer als vom Aussterben bedroht aufgeführt.
gewiesen. Das Landesamt für Umwelt veröffentlichte Aufnah-                      In Europa ist er als selten und schutzbedürftig eingestuft.
men einer Wildtierkamera, die mindestens drei Jungwölfe im                      In Deutschland ist die Käferart vor allem aus Südostbayern
Grenzgebiet des Bayerischen Waldes zeigen. Der LBV ist fas-                     bekannt und jetzt ist der Scharlachkäfer auch für das LBV-
ziniert von der eigenständigen Wiederbesiedelung durch den                      Waldschutzgebiet „Rainer
Wolf, denn er gehört zu Bayerns faszinierender Natur. Doch                      Wald“ bestätigt. Im Au-
wir haben auch Verständnis für die Bedenken der Nutztier-                       gust 2017 konnte der Kä-
und Gatterwildhalter. Fachlich ist der Nachweis eines Rudels                    ferexperte Prof. Dr. Jörg
die Grundvoraussetzung für die dritte Stufe des Management-                     Müller den Scharlachkä-
plans für den Wolf. Die Blockadehaltung einiger Nutzerver-                      fer mehrfach­sowohl als
bände gegen die Weiterentwicklung des bayerischen Wolfs-                        Larve, Puppe und schlus-
managements muss deshalb endlich enden.                                         sendlich als Imago nach-
                                                                                weisen. Der Käfer ist eine
                                                                                holzbewohnende Art, die
                                                                                bevorzugt in Feucht- bzw.
                                                                                Auwäldern entlang von
                                                                                Flüssen vorkommt. Hier

                                                                                                                                           Foto: Dr. Franz Leibl
                                                                                lebt er unter der morschen
                                                                                Rinde, insbesondere in
                                                                                Pappeln, Weiden, Eschen
                                                                                und Ahornen. Der aktuelle
                                                                                Nachweis des Scharlach-
                                                                                käfers belegt einmal mehr
                                                                                die hohe naturschutzfachliche Wertigkeit des Rainer Waldes.
                                                                                					 DR. FRANZ LEIBL

                                                                                NAJU: Auftaktveranstaltung des Jungen Forums

                                                                                                                                           Foto: NAJU und Junges Forum
                                                           Foto: Marcus Bosch

                                                                                Mit dem Jungen Forum dehnt die CIPRA (Internationale Al-
                                                                                penschutzkommission) ihre Aktivitäten in Deutschland nun
                                                                                auch auf die Jugendverbände der Mitgliedsorganisationen
Milchprüfring lenkt ein                                                         aus. Das Junge Forum ist als Austauschplattform unter den
Nach einer LBV-Pressemitteilung mit dem Titel „Keine Rote                       Jugendverbänden für Alpenthemen gedacht. Zur Auftaktver-
Karte für Schwalben“, in der wir Ende Juli darauf hinwie-                       anstaltung Ende Juli traf sich die Naturschutzjugend im LBV
sen, dass Landwirte teilweise gezwungen werden, Schwal-                         (NAJU) am Riedberger Horn im Oberallgäu mit Vertretern der
bennester aus Ställen zu entfernen, obwohl die Vögel und                        Jugendorganisation Bund Naturschutz (JBN), Jugend des
Nester gesetzlich geschützt sind, lenkte der bayerische                         Deutschen Alpenvereins (JDAV) und Naturfreundejugend. Die
Milchprüfring nach anfänglicher Ablehnung doch noch offizi-                     dort geplante skitechnische Erschließung wäre ein schwerer
ell ein. Recherchen des Bayerischen Fernsehens hatten mit                       Eingriff in den seit 40 Jahren unangetasteten bayerischen Al-
Hilfe des LBV-Landwirtschaftsbeauftragten Matthias Luy auf-                     penplan. Im Rahmen des zweitägigen Treffens konnten sich
gedeckt, dass der Milchprüfring in der Oberpfalz den Milch-                     die Jugendvertreter vor Ort selbst ein Bild machen. Eine ge-
bauern die Entfernung der Schwalbennester aus den Ställen                       meinsame Banner-Aktion und eine Besteigung des Riedber-
empfiehlt.­Als Reaktion auf diese Berichterstattung veröffent-                  ger Horns rundeten das Treffen ab. Zukünftig wird es einmal
lichte der Milchprüfring später eine aktualisierte Empfehlung,                  pro Jahr ein Treffen geben. Weitere gemeinsame Aktionen
die Schwalben und ihre Nester in Milchställen erlaubt.                          und Projekte des Jungen Forums laufen bereits.

                                                                                                                           4 I 17 VOGELSCHUTZ 9
VOGEL SCHUTZ - STAR VOGEL DES JAHRES 2018 - LBV
DER STAR
Vogel des Jahres 2018

                                             Fotos: Andreas Giessler, Frank Derer
Nach dem Stieglitz 2016 haben LBV und
NABU mit dem Star erneut einen unserer
häufigsten heimischen Singvögel zum Vo-
gel des Jahres gekürt. Er ist im wahrsten
Sinne des Wortes ein schillerndes Beispiel
für den stillen Rückgang der Allerweltsar-
ten unserer heimischen Vogelwelt.

10 VOGELSCHUTZ 4 I 17
ƒ
Natürliche Bruthöhlen in alten Bäumen, zum
Beispiel in Streuobstwiesen, werden auch für
den Star immer rarer (kleines Foto).

                                                                                                                                  Foto: Zdenek Tunka
                                                          „
                                 Als „Kirschendieb“ wird der
                                 Star mancherorts vergrämt.

Wie viele andere Vogelarten leidet der Star unter der steti-     Es geht bergab – immer weniger Insekten
gen Dezimierung seiner Nahrungsgrundlagen. Besonders             Bereits seit den 1960er und 1970er Jahren zeigt sich in der
betroffen ist er durch die Abkehr der Landwirtschaft von der     Bundesrepublik ein deutlich abnehmender Bestandstrend
extensiven Weideviehhaltung zugunsten von Massenviehhal-         beim Star. Mit Beginn der 1990er Jahre brachen die Brutpaar-
tung in Großställen. Denn damit einher geht der Verlust an       zahlen sogar noch einmal um 36 Prozent ein. In der aktuellen
kurzrasigen Grünlandbereichen, die er zur Nahrungssuche          deutschlandweiten Roten Liste der Brutvögel wurde der Star
benötigt. Gleichzeitig soll die Auszeichnung des Stars auch      von „ungefährdet“ (2007) auf „gefährdet“ (2015) hochgestuft
auf den Zustand unserer Baumbestände und insbesondere            und übersprang damit prompt die sogenannte Vorwarnliste.
den fortschreitenden Verlust von Höhlenbäumen aufmerksam         Da der Star sich überall noch regelmäßig beobachten lässt,
machen.                                                          vollzog sich diese Entwicklung weitgehend unbemerkt von
                                                                 der breiten Öffentlichkeit. Dabei macht ihm vor allem der
Der Star zählt zu den häufigsten Singvögeln in Europa. Er Verlust seiner Nahrungsgrundlagen schwer zu schaffen. Ein
brütet in beinahe jeder Siedlung und ist vielen als „Kirschen- verändertes Konsumverhalten der Verbraucher und Produkti-
dieb“ im heimischen Garten ein Begriff. Am auffälligsten ist vitätssteigerungen in der Viehhaltung führten dazu, dass die
aber wohl sein Balzverhalten. Ähnlich einem Popstar singt er Weideviehhaltung mehr und mehr zurückgeht und kurzrasi-
seine Strophen mit abgespreizten Flü-                                                   ge Grünlandbereiche, die der Star auf
                                                  Die Botschaft des Stares:
geln von einem exponierten Platz aus.                                                   der Suche nach Kleintieren aufsucht,
Anstatt einer harmonischen Melodie
                                         „Eine naturverträgliche Weidewirtschaft verschwinden. Parallel haben die zu-
tragen Staren-Männchen dabei eine           und weniger Insektizide in unserer          nehmende Intensivierung der Land-
Reihe von pfeifenden, zischenden                          Landschaft!“                  wirtschaft mit dem einhergehenden
oder schnalzenden Tönen vor. Da sie ihren Schnabel dabei Einsatz chemischer Insektizide bereits jetzt verheerende Fol-
kaum bewegen, erinnert ihre Darbietung fast schon an die gen für den Insektenreichtum in Deutschland und damit auch
eines Bauchredners. Insgesamt zeigen sich Stare stimmlich für die Nahrungsversorgung des Jahresvogels 2018.
äußerst kreativ und imitieren auch die Rufe anderer Vogelar-
ten wie Kohlmeise oder Umgebungsgeräusche wie Handyk- Umdenken beim Konsum
lingeltöne.                                                      Damit der Star einer unserer häufigsten Singvögel bleibt und
                                                                 in seinem Bestand nicht noch weiter zurückgeht, braucht er
Im Mai verehrt, im Juli verteufelt                               ein stabiles Nahrungsangebot und mehr (natürliche) Nisthöh-
Schon seit jeher haben Menschen ein gespaltenes Verhältnis len. Es ist die Aufgabe der Verbände, auf politischer Ebene
zum Star: Wird er im Frühjahr als nützlicher Vertilger landwirt- eine naturverträgliche Land- und Weidewirtschaft sowie den
schaftlicher Schädlinge geschätzt, wird er ab dem Sommer Erhalt alter Baumstrukturen (Totholz) einzufordern und durch-
als nimmersatter Schadvogel in Obst- und Weinbaugebieten zusetzen, auch um unserem Jahresvogel ein reichhaltiges
verteufelt und vertrieben. So waren die Vergiftung von Staren Nahrungsangebot und Nistplatz zu bescheren. Zugleich trägt
durch Kontaktgifte und Köder, der Einsatz von Dynamit an aber auch jeder Einzelne Verantwortung und sollte sein Kon-
Schlafplätzen oder der Fang an Winterquartieren bis in die sumverhalten hinterfragen sowie im eigenen Garten auf Pes-
1980er Jahre weit verbreitet. Seitdem ging die direkte Verfol- tizide verzichten. Eine bewusste Entscheidung für regionale,
gung der Tiere zumindest in Mitteleuropa dank der EU-Vogel- biologisch produzierte Erzeugnisse und für eine Reduzierung
schutzrichtlinie um ein Viertel zurück.                          des Fleischkonsums hilft auch dem Star.

                                                                                                          4 I 17 VOGELSCHUTZ 11
STECKBRIEF
Name: Star (Sturnus vulgaris)

Merkmale: kompakter Vogel mit spitzen Flügeln und        Brutbiologie: geschlechtsreif bereits im ersten Lebens-
kurzem Schwanz; Körperlänge: knapp 22 cm (kleiner als    jahr; monogame Saisonehe, Polygamie möglich; 1-2 Jah-
eine Amsel); Schnabel: lang und kräftig; bei Altvögeln   resbruten; Revier-/Paarbildung: Februar bis März; Brut-
im Winter dunkel, im Frühjahr zitronengelb, Weibchen     zeit: April bis Juni; Nistplatz: Höhlenbrüter; Baumhöhlen,
mit rötlicher Schnabelbasis; Gefieder: Grundfärbung      Gebäudenischen oder künstliche Nisthilfen; Gelegegrö-
schwarz, bronzegrün und purpurfarben glänzend, beson-    ße: vier bis sieben weißliche bis hellblau-grüne Eier; Brut-
ders bei den Weibchen im Winter dicht weiß getüpfelt,    dauer: 11 bis 13 Tage, beide Partner brüten; Nestlings-
Geschlechter ansonsten sehr ähnlich; Jungvögel maus-     zeit: 19-24 Tage; Ästlingszeit: maximal fünf Tage, Ende
braun mit weißer Kehle                                   Juli ist die Brutzeit beim Star vorbei

Lebensraum: überall verbreitet, wo er geeignete Brut-    Verbreitung: von Nordwest- und Westeuropa bis in die
höhlen und ausreichend Nahrung findet: Auenwälder,       Steppengebiete Zentralasiens; eingebürgert in Nord-
Waldrandlagen, Streuobstwiesen, Feldgehölze, Alleen;     amerika, Südafrika, Südaustralien und Neuseeland; in
besiedelt im Siedlungsraum Parks und Gartenstädte,       Deutschland flächendeckend verbreitet
gern auch Nistkästen oder Gebäudenischen (in Städten
besonders Spechthöhlen in Fassadenverkleidungen)         Zugverhalten: Teil- und Kurzstreckenzieher (maximal
                                                         2.000 km); teilweise Standvogel; Wegzug ab September
Nahrung: abhängig von den Jahreszeiten: sehr vielsei-
tig; ernährt sich im Frühjahr vorwiegend von im und am   Bestand: europäische Population von 23 bis 56 Millio-
Boden lebenden wirbellosen Kleintieren wie Schnaken-     nen Brutpaaren, davon 2,8 bis 4,5 Millionen Brutpaare in
larven, Regenwürmern, Spinnen, Käfern und Heuschre-      Deutschland; in der Bundesrepublik deutlich abnehmen-
cken; im Laufe des Sommers Bereicherung der tierischen   der Bestandstrend seit den 1960er und 1970er Jahren,
Kost durch verschiedene Früchte und Beeren sowie Sa-     mit Beginn der 1990er Jahre Einbruch der Brutpaarzah-
men; im Winter häufig an Futterstellen                   len um 36 Prozent

                                                         Gefährdung: Zerstörung von Lebensraum und Nah-
                                                         rungsgrundlage durch fortschreitenden Strukturverlust
                                                         unserer Kulturlandschaft (Flurbereinigung), Intensivie-
                                                         rung der Landwirtschaft, Verdrängung von Weideviehhal-
                                                         tung zugunsten von Großstallungen, Einsatz chemischer
                                                         Insektizide; fehlende natürliche Nistmöglichkeiten durch
                                                         Verlust höhlenreicher Altholzbestände mit entsprechen-
                                                         den Bruthöhlen

                                                                                  Den Vogel des Jahres live
                                                                                  bei der Brut erleben unter:
                                                                                  www.lbv.de/starencam
                                                                                                                        Foto: Ralph Sturm

12 VOGELSCHUTZ 4 I 17
„
                         Der Star ist ein unermüdlicher Sänger
                         und beweist auch seine Qualitäten als
                             kreativer Stimmenimitator (oben).

                          Ein Gänseblümchen als Liebesgabe:
                          Stare schätzen den ätherischen Duft
                        von Blüten, um Parasiten zu vertreiben
                                                       (Mitte).

                        Nachmieter: Verlassene Spechthöhlen
                      bieten dem Star ideale Brutbedingungen
                                                      (unten).

                                                                                               Fotos: Markus Gläßel, Andreas Hartl, Rosl Rössner
Schon gewusst?
Kreative Imitatoren
Stare sind in ihren Lautäußerungen sehr variationsreich. Sie
besitzen die Fähigkeit, andere Vogelstimmen und Umge-
bungsgeräusche perfekt zu imitieren und in ihre Gesänge ein-
zubauen. Das Rufrepertoire reicht dann vom Ruf einer Kohl-
meise über Polizeisirenen bis hin zu Handyklingeltönen oder
dem Brummen eines Rasenmähers.

Blumen für die Liebste
Während des Nestbaus tragen Stare Pflanzen mit ätherischen
Inhaltsstoffen in ihre Bruthöhle ein. Die intensiven Gerüche
der Stängel und Blüten tragen dazu bei, Parasiten vom Nest
fernzuhalten. Für den Laien wirken herbeigetragene Blüten wie
Brautgeschenke.

Nachmieter von Spechthöhlen
Stare sind bei der Wahl ihres Nistplatzes nicht wählerisch,
so lange die Höhle ausreichend groß und in entsprechender
Höhe zu finden ist. Bevorzugt wird jedoch Wohnraum mit Aus-
sicht. Aus diesem Grund beziehen Stare als Nachmieter häufig
Spechtlöcher in der Fassade von Wohngebäuden. Solche Bru-
ten sind in besonderem Maße von der Sanierung der Specht-
schäden bedroht.

Die Sache mit der Farbe
Star ist gleich Star – von wegen! Staren-Weibchen und -Männ-
chen ähneln sich äußerlich sehr stark. Sie lassen sich mit
etwas Übung jedoch gut an der Färbung der Schnabelbasis
während der Brutzeit unterscheiden: Während die Schnabel-
basis beim Männchen bläulich erscheint, wirkt sie beim Weib-
chen leicht rötlich. Abgesehen davon wirkt das Gefieder des
Weibchens weniger glänzend als das
des Männchens, zeichnet sich jedoch
durch eine ganzjährige Tupfenzeich-
nung am Bauch aus, die beim Männ-
chen im Frühjahr weitgehend fehlt.

Alle Vögel sind schon da
Den Star kennt jedes Kind. Spätes-       CHRISTIANE GEIDEL
tens nachdem man einmal das be-          Dipl.-Ing. (FH) Naturschutz
                                         & Landschaftsplanung
kannte Kinderlied „Alle Vögel sind
                                         Referat Artenschutz
schon da“ angestimmt hat, ist der Star   Landesgeschäftsstelle
jedem zumindest vom Namen her ein        Hilpoltstein
Begriff.                                 E-Mail:
                                         christiane.geidel@lbv.de

                                                                       4 I 17 VOGELSCHUTZ 13
BAD TÖLZ STATT
ATLANTIKKÜSTE
Klimawandel beeinflusst
das Zugverhalten
Es wird wärmer in Bayern und damit werden auch
die Winter milder und kürzer. Vogelarten wie der
Star sparen sich immer öfter die gefährliche Reise
in den Süden, weil sie unter den veränderten Be-
dingungen auch in der vormals kalten Zeit noch
Nahrung finden. Mitmachaktionen wie die „Stun-
de der Wintervögel“ sollen in den nächsten Jahren
diesen Trend weiter bewerten helfen.

14 VOGELSCHUTZ 4 I 17
ƒ
Ob altes Fallobst oder Vogelfütterung:
Findet der Star ausreichend Nahrung,

                                                                                                                                     Fotos: Ralph Sturm, Birgit Helbig, Zdenek Tunka
verzichtet er immer häufiger ganz
auf den Flug gen Süden oder Westen.

                                     „
                        Bekanntes Bild:
    Stare sammeln sich in großen Grup-
      pen von 100 und mehr Tieren zum
                bevorstehenden Abflug.

Stare kommen fast überall in Europa vor. Ganz im Norden          schätzen sogar, dass bis zum Jahr 2100 die Durchschnitts-
verlassen alle Tiere ihre Brutgebiete und ziehen nach Mittel-    temperaturen noch um bis zu vier Grad steigen könnten. Die
europa. In Großbritannien und Irland hingegen gelten sie als     aktuelle Entwicklung ist derart rasant, dass sie unsere Tier-
Standvögel. Die hierzulande beheimateten Tiere werden als        und Pflanzenarten oder ganze Ökosysteme massiv verändert
Kurz- oder Mittelstreckenzieher bezeichnet. Im Frühherbst bis    und bedroht. Der Frühling beginnt heute früher als noch vor
Ende November sammeln sie sich zu Hunderten auf den Äs-          wenigen Jahren, der Winter später und mancherorts bleibt er
ten von Sammelbäumen. Tagelang kommen die Stare in klei-         sogar ganz aus. Dauerfrost und geschlossene Schneedecken
neren und größeren Trupps aus allen Richtungen angeflogen,       werden zu spannenden Märchen für unsere Kinder. Und wei-
um sich mit der großen Masse zu vereinen. Manchmal sitzen        ße Weihnachten ist auch in den bayerischen Alpen nicht mehr
sie so dicht auf einem Ast, dass dieser sich unter dem Gewicht   gewiss. Das ist der Grund, warum viel mehr Stare hierbleiben
sogar gefährlich biegt. Und irgendwann heißt es dann Abflug      können. Sie finden im Brutgebiet noch lange genügend Nah-
Richtung Süden. In riesigen Schwärmen ziehen sie, je nach        rung auch ohne Fütterung und sparen sich den weiten und ge-
geographischer Lage, bis zu 2.000 km in den Mittelmeerraum,      fährlichen Weg in den Süden immer häufiger ganz. Kommt der
nach Nordwestafrika oder nach Westeuropa an den Atlantik.        Winter dann doch noch mit Verspätung nach Bayern, reagie-
                                                                 ren die getupften Multitalente eben spontan und weichen aus.
Das jeweilige Klima im Brutgebiet spielt also eine ganz ent-
scheidende Rolle für das Zugverhalten der Stare. Viele Tiere,    ERGEBNISSE DES STARES
die bei uns im Winter gesichtet werden, sind übrigens Zu-        BEI DER STUNDE DER WINTERVÖGEL
zügler aus Nordeuropa. Sie verbringen den Winter in Bayern
oder reagieren wie unsere „Daheimgebliebenen“ spontan auf         Jahr   Platz    Anzahl Stare   Vögel insg.      Teilnehmer
Kälteeinbrüche. Droht Nahrungsmangel wegen schlechten             2017     28      2.474           648.293          27.612
Wetters, Dauerniederschläge oder Frost, ziehen die Tiere ein
                                                                  2016     32      1.691           714.671          26.579
Stück weiter Richtung Süden oder Westen, bis das Wetter
besser wird und die Aussicht auf Nahrung vielversprechend         2015     22      4.759           553.035          21.758
scheint.                                                          2014     34        971           462.099          19.073
                                                                  2013     34      1.203           695.332          22.961
Der Star bei der Stunde der Wintervögel
2015 war ein absolutes Star-Rekordjahr. „Der Star ist der         2012     33      1.068           452.893          16.289
Star und bleibt lieber da“, hieß es vor knapp drei Jahren bei
der LBV-Mitmachaktion „Stunde der Wintervögel“. Er belegte
                                                                         WIE VIELE STARE BLEIBEN?
damals sogar Platz 22 unter den Wintergästen. In den Land-
kreisen Bad Tölz/Wolfratshausen und Miesbach schaffte es           Machen Sie bitte auch dieses Jahr wie-
der Star sogar in die Top Ten. Noch nie zuvor wurden bei der       der mit: Vom 05.- 07. Januar 2018 findet
Bürgerforscheraktion so viele überwinternde Stare in Bayern        die Stunde der Wintervögel statt. Die
gezählt. Das Folgejahr gingen die Meldezahlen zwar wieder          Mitmachaktion kann auch darüber Auf-
etwas nach unten, lagen aber immer noch weit über den Vor-         schluss geben, wie sich typische Zug-
jahren. 2017 dann der erneute Sprung in die Top 30 der meist-      vögel in einem milden Winter verhalten.
gezählten Wintervögel Bayerns. Der Trend setzt sich also fort.     Eine einmalige Bestandsaufnahme reicht
Es werden im Winter immer mehr Stare bei uns gezählt.              nicht aus. Nur die Datensammlung über         MARTINA GEHRET
                                                                                                                 Dipl. Ing. Forstwirtschaft
                                                                   viele Jahre hinweg zeigt uns eindeutige       Referat Artenschutz
Zugvögel sind wichtige Anzeiger von Umweltveränderungen            Trends. Und der Star ist ein Beispiel von     LBV-Landesgeschäftsstelle
wie die Klimaerwärmung. Um ein Grad sind die Jahresmittel-         vielen, wie sich das Verhalten unserer        Hilpoltstein
werte der globalen Lufttemperatur seit Beginn der Temperatur-      Vögel dem Klima anpasst.                      E-Mail:
                                                                                                                 martina.gehret@lbv.de
aufzeichnungen von 1880 bereits gestiegen. Wissenschaftler

                                                                                                          4 I 17 VOGELSCHUTZ 15
STARENWOLKEN
Faszinierende Flugschau am Himmel

Wenn sich die Stare im Herbst und Frühjahr versammeln, wird dies oft zu einem Spektakel,
wie es kaum eine andere Vogelart zu veranstalten vermag.

Bereits unmittelbar nach der Brutzeit bilden sich im frü-
hen Sommer schon Trupps aus Jungvögeln der ersten
Brut und unverpaarten Staren. Gegen Ende des Som-
mers wachsen diese Trupps zu Schwärmen an. Im Sep-

                                                                                                                                  Fotos: Dr. Christoph Moning, Hans Clausen
tember und Oktober, kurz bevor die Stare nach Süd-
und Westeuropa abziehen, erreichen die Schwärme
ihre Maximalzahlen. Zu Hunderten sitzen dann die Tie-
re auf Stromleitungen, -masten oder in Bäumen. Wird

                                                                                                                                  Grafik: Agentur Construktiv
es Abend, machen sie sich zu ihren Schlafplätzen auf.
Etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang erfüllen dann
imposante Schwarmwolken den Himmel, die mitunter
aus mehreren Tausend Vögeln bestehen. Schließlich
lassen sie sich schlagartig nach unten sinken und neh-
men unter ohrenbetäubendem Geschrei ihre Schlafplät-
ze in großen Schilfgebieten oder in Baumgruppen ein.
                                                             
Stare fliegen im Schwarm wellenförmig und synchron.          Ein Star orientiert sich innerhalb des Schwarms an bis zu sieben
Die fließenden Bewegungsabläufe, bei denen es nie-           Vögeln in seiner Umgebung und versucht die gleiche Position
mals zu Kollisionen während des Flugs kommt, gelin-          zu ihnen einzuhalten (siehe Grafik). Hier teilt ein Greifvogel den
gen, weil jeder Vogel sich im Schwarm ständig an bis zu      Schwarm.
sieben benachbarten Vögeln orientiert und versucht da-
bei, die gleiche Position zu halten. Dieses Naturschau-      und Feuchtgebiete mit entsprechendem Schilfbestand
spiel ist nicht nur faszinierend, sondern schützt zugleich   besuchen. Eine Auswahl möglicher Beobachtungs-
die einzelnen Vögel im Schwarm vor Angreifern aus der        punkte in Bayern finden Sie auf der LBV-Webseite. De-
Luft. Greifvögel haben es schwer, sich in dieser Masse       taillierte Beschreibungen dazu bietet das Buch „Vögel
auf einen einzelnen Vogel innerhalb des Schwarms zu          beobachten in Süddeutschland“, das in überarbeiteter
fixieren, solange die synchrone Bewegung der Vögel           Fassung 2012 bei KOSMOS erschienen ist.
zur Schwarmmitte gelingt.                                    				                                           CHRISTIANE GEIDEL

Wer Starenwolken einmal live erleben möchte, sollte im                                    Den Vogel des Jahres
Spätsommer und Herbst oder bei der Rückkehr der Sta-                                      vor Ort beobachten:
re aus ihrem Winterquartier im Frühjahr Teich-, Seen-                                     www.lbv.de/staren-karte

16 VOGELSCHUTZ 4 I 17
Foto: Peter Kühn
EINE WOHNUNG
FÜR DEN STAR
Nisthilfen selber bauen
Stare sind bei der Wahl ihres Nistplatzes
nicht wählerisch. Sie beziehen Quartier in
ausreichend geräumigen Baumhöhlen in al-
ten Obstbäumen auf Streuobstwiesen, in der
Feldflur, in Alleen oder im Siedlungsraum. Wir
sagen Ihnen, wie Sie sich den Vogel des Jah-
res in den Garten holen.

Leider verschwinden immer mehr potenzielle Brutplätze für
den Star. Höhlenbäume fallen Forstarbeiten oder Fällungen
im Rahmen von Verkehrssicherungsmaßnahmen zum Opfer
oder müssen städtischen Bauvorhaben weichen. Auch Sanie-
rungsarbeiten an Gebäudefassaden schränken die Brutmög-                                                                   A
lichkeiten des Stars ein. Es fehlt daher heute überall an geeig-
netem Wohnraum.

Doch jeder Garten- oder Hausbesitzer kann den Vogel des
Jahres 2018 bei der Wohnungssuche unterstützen, indem er
ihm einen Nistkasten auf dem eigenen Grundstück anbietet.                                                                 B
Starenkästen mit einem Einflugloch von mindestens 45 Milli-
metern Durchmesser sind im Fachhandel erhältlich oder kön-
nen mit etwas Geschick selbst gezimmert werden.

Stare wollen hoch hinaus
Bei der Anbringung des Nistkastens sollten Sie darauf achten,
dass der Kasten möglichst hoch, am besten vier Meter über
dem Boden angebracht wird. Es empfiehlt sich, den Kasten
hierzu am Hausgiebel zu befestigen oder ihn an einer langen
Stange aufzustellen, da der Star seine Umgebung gerne über-
blickt. Das Einflugloch sollte – wenn möglich – entgegen der
Hauptwetterrichtung nach Osten oder Südosten ausgerichtet
werden, um ein Eindringen von Niederschlägen in den Brut-
raum zu verhindern. 		                      CHRISTIANE GEIDEL

SO WIRD'S GEMACHT:
 Alle Teile aus unbehandeltem Holz vorbereiten und nach
 dem Bauschema mit Schrauben oder Nägeln zusammen-
 fügen. Die nach unten verlängerte Front wird als letztes
 angefügt. Sie gewährleistet einen optimalen Regenwasser­
 ablauf und erleichtert das Öffnen zur Reinigung des Nist-
 kastens. Die Front wird beidseitig im oberen Teil mit zwei
 Nägeln A als Drehachse fixiert und im unteren Teil ein-
 oder beidseitig mit drehbaren Schraubhaken B gesichert.
 Verzichten Sie auf eine Ansitzstange: Der Star braucht sie
 nicht, stattdessen erleichtert sie es Fressfeinden, Eier oder
 Jungvögel zu erbeuten.
                                                                   Der Bauplan ist der Broschüre „Wohnen nach Maß“ entnommen. Erhältlich
                                                                   im LBV-Natur-Shop, Best.-Nr . 310 120 15 zum Preis von 3,00 € zzgl. Porto

                                                                                                                   4 I 17 VOGELSCHUTZ 17
AUEROCHSE,
WASSERBÜFFEL & CO.
                                                                                                  Der Star nutzt die
                                                                                                  Nase eines Rindes
                                                                                                  zum Insektenfang.

LBV-Weideprojekte erhalten wertvolle Grasländer
Die Rinder des Klosterbetriebes Plankstetten ziehen gemächlich ihre Runden durch die Feucht-
wiesen des LBV-Schutzgebietes Schwarzach, begleitet von einem Trupp vorwitziger Stare. Hier
wie in anderen Gebieten in Bayern sorgt das Weidevieh dafür, wertvolle Flächen zu bewahren.

Einige unserer beliebtesten bayerischen Landschaften        Hintergrund: Mitteleuropa ist eine Kulturlandschaft, die
sind auf Beweidung angewiesen. Die Wacholderheiden          sich über Jahrtausende entwickelt hat. Ohne landwirt-
im Altmühltal gäbe es ohne die Schafbeweidung eben-         schaftliche Nutzung würden flächendeckend Wälder das
so wenig wie die blütenreichen Almwiesen im Chiemgau        Bild bestimmen, unterbrochen nur von ein paar waldfrei-
oder Allgäu ohne die Rinderbeweidung. Zum Glück be-         en Mooren und Lichtungen. Wisente und andere große
sinnen sich Landwirte mittlerweile wieder vielerorts auf    Pflanzenfresser würden durch die Wälder streifen. Schon
die Weidehaltung zurück und nutzen diese, um ökolo-         früh wurde die Landschaft durch die menschliche Nut-
gisch wertvolle, artenreiche Flächen zu erhalten und da-    zung verändert. Auf Rodungen entstand Kulturland, das
bei gesunde, hochqualitative Lebensmittel zu erzeugen.      ackerbaulich genutzt wurde. Andernorts entstanden offe-
                                                            ne Grünländer, auf denen Weidevieh graste. Durch das
Der LBV hat diesbezüglich in den letzten Jahren ver-        Öffnen des Waldes entwickelten sich Standorte, die es
schiedene Weideprojekte angestoßen. Die Projekte le-        in der europäischen Naturlandschaft bislang nicht gab.
ben in erster Linie davon, dass wir mit motivierten Part-   Hier konnten Arten aus der eurasischen Graslandzone
nern aus der Landwirtschaft zusammenarbeiten. Für die       oder auch aus dem mediterranen Bereich einwandern.
LBV-Gebiete werden mit den Landwirten Weidekonzepte         Es entstand eine reich gegliederte Kulturlandschaft mit
erstellt und die notwendige Infrastruktur aufgebaut (Zäu-   einer großen Vielfalt an Arten und Lebensgemeinschaf-
ne etc.). Die naturschutzfachlichen und landwirtschaftli-   ten. Die Landschaft, in der wir heute leben.
chen Rahmenbedingungen werden dabei berücksichtigt.
Landwirtschaft und Naturschutz sind hier kein Wider-        Die Beweidung mit Rindern, Schafen oder Ziegen stellt
spruch, sondern bedingen einander.                          die älteste Form der Grünlandnutzung dar. Erst dadurch

18 VOGELSCHUTZ 4 I 17
WASSERBÜFFEL IN ALLMANNSHOFEN
Fotos: Herbert Henderkes, Martina Grob, Natascha Neuhaus, Viktor Oswald, Ralf Hotzy, Dr. Thomas Rödl

                                                                                                       wurde es möglich, Grasländer für den Menschen als Nah-
                                                                                                                                                                     (Ldkr. Augsburg)
                                                                                                       rungsgrundlage zu erschließen. In den letzten Jahrzehn-
                                                                                                                                                                     Beschreibung: Wiesenbrütergebiet Allmannshofener Ried
                                                                                                       ten wurde aber die Weidehaltung in vielen Regionen zu
                                                                                                                                                                     Weidetiere: Wasserbüffel
                                                                                                       Gunsten einer ganzjährigen Stallhaltung aufgegeben,
                                                                                                                                                                     Weideform: Sommerweidehaltung
                                                                                                       was Folgen für das Grünland und die dafür typischen
                                                                                                                                                                     Info: www.augsburg.lbv.de
                                                                                                       Landschaften hatte. Eine Vielzahl von Pflanzen- und
                                                                                                                                                                     Ausgangspunkt: Weiden liegen östlich von Druisheim,
                                                                                                       Tierarten braucht eine regelmäßige Beweidung. Gehöl-
                                                                                                                                                                     östlich der B2
                                                                                                       ze werden durch sie zurückgedrängt, sodass wertvolles
                                                                                                       blütenreiches Grünland erhalten bleibt. Der Dung stellt
                                                                                                       eine wichtige Grundlage für das Vorkommen bestimmter
                                                                                                       Insektenarten dar, die eine wichtige Nahrungsquelle für
                                                                                                       Vögel oder Fledermäuse sind.
                                                                                                       					                                         RALF HOTZY

                                                                                                       Wir laden Sie ein, unsere Projekte zu besuchen, wo Sie
                                                                                                       sich von der tollen Arbeit, die unsere tierischen Mitarbei-
                                                                                                       ter leisten, überzeugen können. Hier einige Beispiele:

                                                                                                        HECKRINDER AUF DEN GRUBENFELDERN LEONIE                      TÄNNESBERGER ROTVIEH
                                                                                                        (Ldkr. Amberg-Sulzbach)                                      (Ldkr. Neustadt a. d. Waldnaab)
                                                                                                        Beschreibung: ehemaliges Grubengelände mit Komplex           Beschreibung: artenreiches Grünland im Kainzbachtal,
                                                                                                        an Feuchtflächen, magerem Grünland, Gehölzgruppen            alte Haustierrasse, Vermarktung
                                                                                                        Weidetiere: Heckrinder (Auerochsenrückzüchtung)              Weidetiere: Rotes Höhenvieh
                                                                                                        Weideform: Ganzjahresbeweidung                               Weideform: drei Weidekomplexe Ganzjahresbeweidung/
                                                                                                        Infos: Infotafeln vor Ort, www.weber-rudolf.de/auerochsen    Sommerweidehaltung
                                                                                                        Ausgangspunkt: Wanderweg (Erzweg) nördlich von Auer-         Infos: Infotafeln vor Ort, www.taennesberger-rotvieh.de
                                                                                                        bach nach Degelsdorf                                         Ausgangspunkt: Geologischer Lehrpfad in Tännesberg

                                                                                                        HECKRINDER IM FUSSBERGMOOS                                   SCHWARZACHAUE
                                                                                                        (Ldkr. Fürstenfeldbruck)                                     (Ldkr. Neumarkt + Roth)
                                                                                                        Beschreibung: artenreiches Niedermoor                        Beschreibung: Talaue der Schwarzach, Feuchtwiesen
                                                                                                        Weidetiere: Heckrinder (Auerochsenrückzüchtung)              Weidetiere: Fleckvieh
                                                                                                        Weideform: Ganzjahresbeweidung                               Weideform: Sommerweidehaltung
                                                                                                        Infos: Infotafeln vor Ort, www.lbv-ffb.de                    Infos: Infotafeln vor Ort; www.lbv.de
                                                                                                        Ausgangspunkt: nördlich Gernlinden (Moosalmstraße)           Ausgangspunkt: Kläranlage westlich Schmellnricht

                                                                                                                                                                                                             4 I 17 VOGELSCHUTZ 19
DER WANDEL IN DER
LANDWIRTSCHAFT IST
UNAUSWEICHLICH
LBV kämpft für Neuordnung der EU-Agrarsubventionen
Noch ist es schwer, den dringend notwendigen Wandel in der EU-Landwirtschaftspolitik ge-
gen die Agrarlobby voranzutreiben. Auch wenn nicht nur Studien den Artenschwund und die
Folgen der Intensivlandwirtschaft belegen, sondern jedermann mittlerweile die Veränderun-
gen spürt, leugnet sie weiterhin die Zusammenhänge. Ein neues Fördermodell könnte den
Durchbruch bringen.

Alle paar Monate rückt die Landwirtschaft in den Mittelpunkt     Landwirtschaft einher, die auf kurzfristig höhere Erträge setzt.
der Medien. Meist sind es Berichte über Lebensmittelskan-        Doch auch die Intensivlandwirtschaft in Bayern und Deutsch-
dale oder über schlechte Tierhaltungsbedingungen, zuletzt        land ist von der Subventionierung durch den Steuerzahler
der Fipronil-Skandal: Rückstände des Insektenvernichtungs-       abhängig: Landwirte beziehen zwischen 20 und 50 Prozent
mittels in Hühnereiern. Aber der schleichende und langanhal-     ihres Einkommens aus Prämien und Zahlungen der EU sowie
tende Rückgang der Artenvielfalt in der landwirtschaftlich ge-   der Länder. Das ist der entscheidende Hebel, mit dem ein
nutzten Fläche wird nicht als Skandal gesehen, er findet nur     Systemwandel in der Landwirtschaft erreicht werden kann.
wenig Aufmerksamkeit. Der „stumme Frühling“ wird in vielen
Ackerbau- und Grünlandgebieten allmählich zur Realität.          Zuschüsse nur noch für Gemeinwohl-Leistungen
                                                                 Der LBV fordert daher zusammen mit der großen Verbände-
Die Wissenschaft benennt vor allem drei Hauptursachen: den       bewegung LivingLand, dass in Zukunft Landwirte Gelder aus-
Verlust an Lebensraumstrukturen, den Einsatz von Pestizi-        schließlich für Gemeinwohl-Leistungen erhalten sollen. Ein
den und Überdüngung. Sie gehen mit der Intensivierung der        neues System der Vergütung von Leistungen für den Schutz

20 VOGELSCHUTZ 4 I 17
ƒ                                                                
                                               Intensiver Pestizideinsatz (oben) und überdüngte Monokultu-       Ansätze für nachhaltigeres Wirtschaften: Blühflächen und
                                               ren (großes Foto links) tragen maßgeblich zum Artensterben        Ackerrandstreifen mit heimischen Arten (z.B. hier zu sehen
                                               bei.                                                              Klatschmohn und Wilde Malve).

                                               von Boden, Wasser, Luft und für die Förderung der Biodiver-       Vernetzung von Feldrainen, Hecken, Ackerrandstreifen, So-
                                               sität soll an die Stelle der bisherigen Direktzahlungen treten,   litärgehölzen sowie durch angepasste Bewirtschaftung er-
                                               die jeder Landwirt für seine gesamten Betriebsflächen erhält      tragsschwacher und ökologisch wertvoller Teilflächen. (…).
                                               (unter Einhaltung von minimalen Auflagen und den ökolo-           Fruchtfolgegestaltung, Bodenbearbeitung, Aussaattech-
                                               gisch weitgehend unwirksamen Greening-Maßnahmen). Für             nik und -zeiten müssen wieder mehr einem ganzheitlichen
                                               Flächen, auf denen nichts für die Umwelt passiert, würden         ackerbaulichen Anspruch genügen.“ Um die Stickstoffüber-
                                               Landwirte ab 2021 kein Geld mehr bekommen, dafür für              schüsse in den Griff zu kriegen, zieht die DLG ebenso wie die
                                               Blühflächen, Brachen, Randstreifen u.a. ein Vielfaches der        Naturschutzverbände die Folgerung, dass „Tierhaltung und
                                               aktuellen Prämien. Wie Prof. Harald Grethe von der Hum-           Fläche innerhalb des Betriebes oder vertraglich zu koppeln
                                               boldt Universität Berlin beim Deutschen Landschaftspfle-          sind“.
                                               getag 2017 treffend feststellte: „Wenn man angesichts der
                                               Herausforderungen von Klimawandel, Biodiversitätsschwund         Erfolgreiche Bewegung zur EU-Agrarpolitik
                                               und Nitrat im Trinkwasser nach der besten Lösung sucht,          Es ist eminent wichtig, dass der LBV und die Gesellschaft sich
                                               käme dann jemand auf die Idee zu sagen: Das Beste ist, je-       stärker in der Agrarpolitik engagieren. Ein erster Erfolg zeigte
Fotos: Peter Bria, Carola Bria, Thomas Staab

                                               der Landwirt bekommt 290 € pro Hektar Betriebsfläche? Die        sich beim Online-Konsultationsverfahren der EU-Kommission
                                               Direktzahlungen können nur historisch erklärt werden, haben      zur europäischen Agrarpolitik. Innerhalb weniger Wochen be-
                                               aber heute keine Berechtigung mehr.“                             teiligten sich 320.000 Menschen an der Konsultation, davon
                                                                                                                unterstützten 258.000 die LivingLand-Vision einer nachhal-
                                               Fakten müssen anerkannt werden                                   tigeren Landwirtschaftspolitik. Der LBV bewegte knapp 4.000
                                               Wir werden immer wieder damit konfrontiert, dass Vertreter Mitglieder und Förderer zu einer Stellungnahme. Ein weiterer
                                               des Bayerischen Bauernverbands den Rückgang der Arten- Erfolg spielte sich im Europa-Parlament ab: Der Agraraus-
                                               vielfalt trotz der eindeutigen Beweise durch zahllose Studien schuss stimmte am 30. Mai 2017 noch mit 30:11 Stimmen
                                               nicht als Fakt akzeptieren. Auch die vielfach belegten Zusam- ­gegen den Vorschlag von EU-Agrarkommissar Phil Hogan,
                                               menhänge mit Veränderungen der Agrarlandschaft werden den Einsatz von Pestiziden auf den so genannten Ökolo-
                                               nicht anerkannt. Wir können jedoch nur auf der Basis der gischen Vorrangflächen des Greenings zukünftig zu verbie-
                                               naturwissenschaftlichen Fakten gemein-                                                ten. Die umweltfeindliche Politik des
                                               sam Lösungen erarbeiten. Die Deutsche         Es liegt an uns, dafür zu sorgen, Agrarausschusses wird maßgeblich vom
                                               Landwirtschaftsgesellschaft DLG ist hier       dass eine nachhaltige Landwirt-        bayerischen     CSU-Ab-
                                               mit gutem Beispiel vorangegangen: Sie           schaft so schnell wie möglich         geordneten Albert Deß
                                               hat erkannt, dass „die Landwirtschaft                  Wirklichkeit wird.             bestimmt. Zwei Wochen
                                               neue Wege gehen muss“. An den Anfang                                                  später setzte sich die
                                               stellt sie eine ehrliche Bestandsaufnahme. In ihren „10 The- Vollversammlung des Parlaments über die-
                                               sen zur Landwirtschaft 2030“ werden die Probleme und He- ses Votum hinweg und beschloss dann doch
                                               rausforderungen präzise benannt: „An einigen Punkten über- mit knapper Mehrheit das Pestizidverbot. Das
                                                                                                                                                                   MATTHIAS LUY
                                               schreitet der Modernisierungspfad allerdings die Grenzen der Beispiel zeigt, dass zurzeit ein Wandel statt- Leiter AK Landwirtschaft
                                               Nachhaltigkeit und er gefährdet die Resilienz der Systeme.“ findet, aber die Kräfte von Reformern und den
                                               Die DLG streitet den Artenschwund nicht ab, sondern bezieht Bewahrern des alten Systems sich in etwa die LBV-Bezirksgeschäftsstelle
                                                                                                                                                                   Oberbayern
                                               sich auf den vom Bundesamt für Naturschutz ermittelten Vo- Waage halten. Es liegt an uns, dafür zu sor-
                                               gelindikator auf Agrarland. Als Konsequenz schlägt die DLG gen, dass eine nachhaltige Landwirtschaft so E-Mail:     matthias.luy@lbv.de
                                               u.a. vor: „Biodiversität kann erhöht werden durch Pflege und schnell wie möglich Wirklichkeit wird.

                                                                                                                                                            4 I 17 VOGELSCHUTZ 21
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