2020 Geschäftsbericht - Im Einsatz für die Bürgerinnen und Bürger - Bund der Steuerzahler Hessen eV
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2020 | Geschäftsbericht des Bundes der Steuerzahler Hessen e.V. www.steuerzahler-hessen.de Geschäftsbericht Angelika Stehle 2020 Im Einsatz für die Bürgerinnen und Bürger 5 6 7 7 7 8 8 9 10 11 12 12 12 13 13 15 17 19 23 25 26 27 31 32 33 34 35 37 38 39 40
Der BdSt schafft Transparenz Der Vorstand und fördert die Demokratie Angelika Stehle Seit 1949 sorgt der Bund der Steuerzahler auf vielfältige Weise für mehr Transparenz im Bereich der öffentlichen Finanzen. Mit unseren zahlreichen für Jedermann kostenlos erhältlichen Serviceleistungen und Informationen rund um das Steuerrecht tragen wir dazu bei, dass die Menschen besser wissen, welche steuerlichen Rechte und Pflich- ten sie haben. Das stärkt das Verständnis und verbessert das Klima zwischen Bürger und Finanzverwaltung. Wir beobachten und dokumentieren sehr genau die Entwicklung der öffentlichen Haushalte und der steuerlichen Belastung der Bürger Joachim Papendick und Unternehmen. Der Staat muss gebremst werden, wenn ihm die Vorstandsvorsitzender öffentlichen Haushalte aus dem Ruder laufen, wenn er Verschwen- dung nicht verhindert, wenn er die Verschuldung ins Uferlose steigen lässt und wenn er Bürger und Wirtschaft mit zu hohen Steuern und Abgaben überfordert. Deshalb dokumentieren wir z.B. nicht nur die seit Jahren stark ansteigenden Hebesätze der Kommunalsteuern, sondern wir zeigen gleichzeitig auch mögliche Alternativen zu Steuer- erhöhungen auf. Aufgabe der Kommunalpolitiker ist es dann, gemein- sam mit ihren Bürgern die besten Lösungen für ihre Gemeinde auszu- wählen. Steuergeldverschwendung trägt ganz besonders zur Politikverdros- senheit bei, weil die Menschen zu recht nicht akzeptieren, wenn ihre Steuergelder unwirtschaftlich verwendet werden und dann Mittel für wichtige Aufgaben fehlen. Mit der Recherche und Veröffentlichung Silvia Diemer-De Schepper von Verschwendungsfällen und mit dem Aufzeigen von typischen Stellvertretende Vorsitzende Fehlentwicklungen wollen wir dazu beitragen, dass ähnliche Fehler in Zukunft vermieden werden. Wir im Bund der Steuerzahler schützen mit unserer Arbeit nicht nur die Interessen der Steuerzahler vor dem Staat. Wir sorgen auch dafür, dass das Vertrauen in den Staat wieder wächst. Und wir appellieren an jeden einzelnen Bürger, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in die Gemeinschaft einzubringen. All das bedeutet Förderung der De- mokratie. Und deshalb ist der Bund der Steuerzahler zu recht als ge- meinnützig anerkannt. Heute finanzieren bundesweit rund 200.000 Mitglieder, davon fast 13.000 in Hessen, ihren Bund der Steuerzahler. Allen Mitgliedern und allen, die im Bund der Steuerzahler Hessen Verantwortung tragen, Annerose Warttinger sagt der Vorstand herzlichen Dank. Dass sie sich alle auf ihren Bund Mitglied des Vorstands der Steuerzahler verlassen können, belegt dieser Geschäftsbericht. Geschäftsbericht 2020 3
Öffentliche Finanzen Wenn es um die finanzielle Situation des Landes und seiner Kommunen geht, ist der BdSt Hessen der richtige Ansprechpartner. Vorstand und Referenten ordnen Dinge ein, nehmen Stellung gegenüber Parlament und Öffentlichkeit, kontrollieren Politik und Verwaltung, erarbeiten fundierte Vorschläge und führen Gespräche mit Politik, Verwaltung und Verbänden. Im Blick haben sie dabei immer die Interessen aller Steuerzahler. 4 Geschäftsbericht 2020
Öffentliche Finanzen Im Hessischen Landtag ging man auf Abstand – nicht nur wegen der Pandemie, sondern lei- der auch zur Schulden- bremse. Hessen hielt den Atem an Die Finanzpolitik des Landes war 2020 von der Corona-Pandemie geprägt Als der Hessische Landtag im Februar den Landeshaushalt für das Das „Sondervermögen“ war der falsche Weg Jahr 2020 beschloss, hätte sich wohl niemand vorstellen können, Der seit Anfang April amtierende neue Finanzminister Michael dass das Zahlenwerk schon fünf Wochen später nicht viel mehr als Boddenberg schlug schließlich vor, ein kreditfinanziertes, so ge- eine Erinnerung an bessere Zeiten sein würde. Die Corona-Krise nanntes Sondervermögen in Höhe von zwölf Milliarden Euro ein- zwang das Land zu einer dramatischen Wende in der Finanzpolitik. zurichten, mit dem dann bis Ende 2023 Steuerausfälle und Mehr- Zunächst herrschte große Einigkeit im Landtag. Doch im Laufe des ausgaben mit Bezug zur Pandemie finanziert werden sollten. Der Sommers schlug die schwarz-grüne Landesregierung einen um- BdSt Hessen sah dies sehr kritisch. Schließlich reduziert das „Son- strittenen Weg ein, der nichts weniger war als ein Anschlag auf das dervermögen“ den Druck, die Neuverschuldung öffentlich zu be- bisher so erfolgreiche Instrument der Schuldenbremse. gründen und Schwerpunkte im Landeshaushalt zu setzen. Die Fol- ge könnten unnötig hohe Ausgaben und eine Neuverschuldung „Heile Welt“ bei den Landesfinanzen jäh beendet unvorstellbaren Ausmaßes sein. Eine Ermächtigung zur Schulden- Eigentlich wollte Hessen 2020 zum fünften Mal in Folge seine aufnahme „auf Vorrat“ für mehrere Jahre ist für den Verein nicht Schulden reduzieren. Etwas, das zuvor fast 50 Jahre lang nicht ge- vertretbar. Teile der Opposition hatten ähnliche Vorbehalte: Auch lungen war. Gleichzeitig war das Land in der jüngeren Vergangen- in mehreren Verhandlungsrunden konnten sich die Regierungs- heit durch Rekord-Einnahmen in der Lage, die Ausgaben in vielen fraktionen CDU und Bündnis 90/Die Grünen nicht mit SPD und Bereichen deutlich zu steigern, tausende Stellen zu schaffen und FDP auf den Weg der Regierung einigen. Die Zustimmung eines die Rücklagen zu erhöhen. Musste der BdSt Hessen bis vor Kurzem Teils der Opposition wäre aber notwendig gewesen, um die im regelmäßig anmahnen, endlich die immer weiter steigende Ver- Ausführungsgesetz zur Schuldenbremse vorgesehene Zwei-Drit- schuldung zu stoppen, so ging es zuletzt darum, einen ehrgeizige- tel-Mehrheit für eine Ausnahme von den Grenzen zur Schulden- ren Plan bei der Schuldentilgung einzufordern und daran zu erin- aufnahme zu ermöglichen. So strichen die Regierungsfraktionen nern, dass man sich auch in Zeiten hoher Einnahmen auf unbe- die Hürde kurzerhand aus dem Gesetz. Eine Entscheidung, die in dingt notwendige und sinnvolle Ausgaben beschränken sollte. den nächsten Jahrzehnten fatale Auswirkungen auf die Landesfi- nanzen haben könnte. Deshalb griff der BdSt Hessen zu unge- Doppelter Schock im März wöhnlich deutlichen Worten und bezeichnete das Vorgehen als Doch all das war 2020 Geschichte. Als im März klar wurde, dass Anschlag auf die Schuldenbremse. Der Begriff verfehlte sein Ziel sich die Corona-Pandemie auch auf Hessen dramatisch auswirken nicht: Neben zahlreichen Medien griffen ihn immer wieder auch würde, stellte der Landtag im ersten Nachtragshaushalt partei- Abgeordnete unterschiedlicher Couleur bei den hitzigen Debatten übergreifend zwei Milliarden Euro für die ersten dringenden Maß- im Landtag auf. Leider konnte der Anschlag auf die Schuldenbrem- nahmen zur Verfügung. Schon damals war klar, dass durch Steuer- se nicht mehr abgewendet werden. Dennoch war es wichtig, der ausfälle und zusätzlich erforderliche Ausgaben schon bald ein Landesregierung vor Augen zu führen, dass ihr Weg falsch und weiterer Nachtrag notwendig sein würde. Wenige Tage nach den trotz Corona nicht alternativlos ist. Deshalb ist die Arbeit des hes- Beschlüssen erschütterte ganz Hessen die Nachricht vom Tod von sischen Steuerzahlerbunds in dieser Sache natürlich nicht vorbei: Finanzminister Dr. Thomas Schäfer. Der Mann, der Hessens Finan- Es gilt, beständig daran zu erinnern und der Regierung genau auf zen in den letzten zehn Jahren gemanagt hatte, war mitten in der die Finger zu schauen. Schließlich geht es um unvorstellbare Milli- Krise plötzlich nicht mehr da. Ein weiterer Schock. ardensummen – das Geld der Bürgerinnen und Bürger. Geschäftsbericht 2020 5
Öffentliche Finanzen Joachim Papendick, Vor- sitzender des BdSt Hes- sen, bei der Umstellung der Schuldenuhr im Sommer. Die 12 Milliar- den Euro des Sonderver- mögens mussten zum bisherigen Schulden- berg hinzugerechnet werden. Schuldenbremse ausgehöhlt Vorbildliche Regelungen für Sondervermögen abgeräumt Der Kampf gegen die jahrzehntelang stetig steigende Staatsver- schrieben wurde die Notwendigkeit einer Zwei-Drittel-Mehrheit schuldung war schon immer ein Schwerpunkt des Bundes der für Ausnahmen von der Begrenzung der Schuldenaufnahme und Steuerzahler. Lange Zeit gab es keine wirksame Regelung zur Be- eine Rückführung der so aufgenommenen neuen Schulden in der grenzung der Neuverschuldung. Als diese dann endlich in Form der Regel innerhalb von sieben Jahren. Die hessische Schuldenbremse Schuldenbremse installiert war, wurde sie nach nur wenigen Jah- bewährte sich. Von 2016 bis 2019 tilgte das Land erstmals nach 47 ren im Zuge der Corona-Krise abgeräumt. Eine Chronik und ihr jä- Jahren Schulden, jährlich 200 Millionen Euro. hes Ende. Corona ließ Konsens platzen BdSt-Kernanliegen wurden verwirklicht Dann kam 2020 die Corona-Pandemie. Mit dem ersten Nachtrags- Als sich die Schulden des Landes in den späten 2000ern immer hö- haushalt im März stellten alle sechs Fraktionen gemeinsam zwei her türmten, warb der BdSt Hessen unermüdlich für eine Schul- Milliarden Euro zur Krisenbewältigung zur Verfügung. Genau diese denbremse. Im Mai 2008 stellte der Verein in einer Pressekonferenz parteiübergreifende Kooperation in Krisenzeiten gehörte zu den Gesetzentwürfe vor, die die Schuldenaufnahme wirksam begren- Grundideen der hessischen Schuldenbremse. Doch bei der Diskus- zen sollten. Kern der BdSt-Vorschläge war, dass zusätzliche Schul- sion über den zweiten Nachtragshaushalt und das „Sondervermö- den, die nicht auf Konjunkturschwankungen zurückzuführen sind, gen“ (siehe Seite 5) legte der neue Finanzminister Michael Bodden- z.B. im Falle von Naturkatastrophen oder Seuchen, unter restrikti- berg keinen Wert auf Gespräche mit AfD und Linke. Als SPD und ven Bedingungen weiter möglich sein sollen. Um Missbrauch der FDP nach mehreren Gesprächsrunden nicht auf den Weg der Lan- Ausnameregelungen zu verhindern, sollten diese dann aber eine desregierung einschwenken wollten, eskalierte der Streit. CDU und Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag erfordern. Außerdem sollte ein Grüne strichen mit ihrer einfachen Mehrheit die Zwei-Drittel-Hür- Tilgungsplan vorgelegt werden, der eine Rückführung der neuen de für Ausnahmen und auch die Sieben-Jahres-Frist zur Tilgung aus Schulden in der Regel innerhalb von sieben Jahren vorsieht. Diese dem Ausführungsgesetz. Natürlich wären sieben Jahre bei einer so Vorschläge diskutierte der Verband mit allen Landtagsfraktionen tiefen Krise ohnehin unrealistisch gewesen. Dass es nun gar keine sowie dem damaligen Finanzminister Karlheinz Weimar. Später Zeitvorgabe mehr gab, war dennoch bedauerlich. startete der hessische Steuerzahlerbund mehrere „Schuldentou- ren“ mit einer mobilen Schuldenuhr, um die Öffentlichkeit für das Schwarz-Grüner Anschlag Thema zu sensibilisieren. In dieser Zeit wuchs überall die Einsicht, Selbst wenn die zwölf Milliarden Euro des „Sondervermögens“ mit dass eine wirksame Begrenzung der Staatsverschuldung notwen- dem schönen Namen „Hessens gute Zukunft sichern“ ausschließ- dig ist. Schließlich einigten sich CDU, SPD, Grüne und FDP auf ein lich für notwendige und sinnvolle Maßnahmen zur Bekämpfung Gesetz zur Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfas- der Krise eingesetzt worden wären (warum das nicht so war, siehe sung. Bei der erforderlichen Volksabstimmung am 27. März 2011 rechts), hat Schwarz-Grün der Schuldenbremse irreparablen Scha- stimmten rund 70 Prozent der Wahlberechtigten dafür. Der BdSt den zugefügt. Ohne die Notwendigkeit einer breiten parlamentari- Hessen hatte im Vorfeld der Abstimmung offensiv für ein „Ja“ ge- schen Mehrheit wird sich vermutlich später leicht ein Grund fin- trommelt. Zwei Jahre später beschlossen CDU und FDP dann auch den, zusätzliche Schulden aufzunehmen. Hessen hat nicht weniger ein Ausführungsgesetz zur Konkretisierung der Schuldenbremse, als einen Tabubruch erlebt, einen Anschlag auf die Schuldenbrem- das aus der Feder des BdSt Hessen hätte stammen können: Festge- se. Er könnte die Steuerzahler teuer zu stehen kommen. 6 Geschäftsbericht 2020
Öffentliche Finanzen Zügige Wahlrechtsreform für XXL-Landtag eingefordert Der Hessische Landtag ist seit der Land- wurde deutlich, dass sich die Fraktionen al- tagswahl 2018 mit 137 Abgeordneten so leine nicht einigen können. Daher schlug groß und damit auch so teuer wie noch nie. der BdSt Hessen eine Experten-Anhörung Wiederholt hat der BdSt Hessen die Parla- vor, die nach Wegen sucht, um die Zahl der mentarier aufgefordert, fraktionsübergrei- Abgeordneten wieder auf 110 zu reduzie- fend und gemeinsam mit Experten nach ren. Gemeinsam mit Sachverständigen soll- Wegen für eine Wahlrechtsreform zu su- te darüber hinaus ergründet werden, wie chen. Seit der Landtags-Aufblähung sind der Einfluss der Bürgerinnen und Bürger rund zwei Jahre vergangen, in denen nur auf die Zusammensetzung des Parlaments wenig passiert ist, um diesen Zustand bei erhöht werden kann. Dabei sollten auch die der nächsten Wahl wieder zu beenden. Erfahrungen mit den Landtags-Wahlrech- Selbst als im Herbst endlich über zwei Ge- ten in Bayern und Baden-Württemberg aus- Hessischer Landtag, Kanzlei, 2019 setzentwürfe zum Thema debattiert wurde, gewertet werden. Diäten-Nullrunde war doppelt wichtiges Signal Als die Corona-Pandemie Fahrt aufnahm, len Bürgern und Betrieben, die um ihre Exis- batte nicht beseitigt, sondern lediglich für und absehbar war, dass zur Abfederung der tenz kämpften. Andererseits war der Ver- ein Jahr unterbrochen. Natürlich müssen Schäden Milliarden benötigt werden, kam zicht auch ein Fanal für Sparsamkeit und Abgeordnete für ihre Arbeit gut und ange- die Politik auch um eine unangenehme Dis- Bescheidenheit angesichts der zunehmend messen entschädigt werden. Da sie aber kussion in eigener Sache nicht herum: Die angespannten Haushaltssituation des Lan- Höhe der Diäten der Landtagsabgeordne- des. In dieser Lage wäre es der Bevölkerung ten, die jährlich automatisch an die Ein- nicht zu vermitteln gewesen, wenn die Ab- kommensentwicklung in Hessen angepasst geordneten bei den mittelfristig notwendi- werden. Nach anfänglichem Zieren der Be- gen Konsolidierungsbemühungen bei sich troffenen sorgten gesellschaftlicher Druck selbst eine Ausnahme gemacht hätten. (unter anderem vom BdSt Hessen) und das Vorbild des Bundestags schließlich doch Automatismus-System reformbedürftig noch für ein doppelt wichtiges Signal. Leider wollten die Fraktionen von CDU, Bündnis90/Die Grünen, SPD und FDP mit Zeichen der Solidarität und Bescheidenheit ihrem gemeinsam eingebrachten Gesetz- Nachdem der Bundestag mit gutem Bei- entwurf aber grundsätzlich am bestehen- Hessischer Landtag, Kanzlei - H. Heibel, 2009 spiel vorangegangen war, zog auch der Hes- den System der automatischen Anpassung sische Landtag Anfang Mai nach und ver- ohne Debatte festhalten. Die ermittelte Er- selbst über die Höhe ihrer Diäten befinden, zichtete auf die automatische Diätenan- höhung von 2,3 Prozent wird zwar bis Mitte sollten sie auch jede Erhöhung öffentlich passung 2020. Damit sendeten die 2021 ausgesetzt, soll mit der nächsten Diä- im Plenum begründen. Die mitten in einer Parlamentarier aus Sicht des BdSt Hessen tenanpassung aber verrechnet werden. Da- der massivsten Krisen des Landes ursprüng- gleich zwei wichtige Signale: Einerseits ein mit wird der bestehende Automatismus lich vorgesehene Anhebung hat gezeigt, kleines Zeichen der Solidarität mit den vie- ohne Begründung in einer Parlamentsde- wie absurd die Automatismus-Regelung ist. Wenn schon Sondervermögen, dann nur für Corona! Ende 2020 reklamierte der BdSt Hessen an- dem Sondervermögen auch Projekte, bei volkswirtschaftlich oder politisch sinnvoll gesichts der Verabschiedung von Hilfspake- denen der behauptete Bezug zur Corona- sein mögen, jedoch keinen unmittelbaren ten aus dem Sondervermögen des Landes Pandemie ziemlich konstruiert wirkt. Ein Bezug zu Corona haben, wie z.B. die energe- eine zielgerichtete und Corona-bezogene Beispield dafür sind 200 Millionen Euro für tische Ertüchtigung in den Forsthäusern Verwendung der Mittel. Die Politik müsse die mehrheitlich landeseigenen Unterneh- von HessenForst oder die Finanzierung der Versuchung widerstehen, Projekte un- mensgruppe Nassauische Heimstätte / mehrerer Digitalisierungsvorhaben. Teilwei- ter dem Deckmantel von Corona zu realisie- Wohnstadt (NHW), die damit ihren Woh- se hätten die Pandemie und die daraus re- ren, die man immer schon umsetzen woll- nungsbestand energetisch sanieren soll. In sultierenden Herausforderungen die bishe- te, für die man bisher aber nicht die Mittel den Hilfspaketen aus dem Sondervermögen rigen Defizite lediglich offengelegt, aber hatte. Leider finanzierte Schwarz-Grün aus finden sich noch weitere Projekte, die zwar nicht verursacht. Geschäftsbericht 2020 7
Öffentliche Finanzen Kommunen zur Steuerstundung aufgerufen BdSt Hessen setzte sich für Gewerbetreibende ein Zu Beginn des ersten Lockdowns im März Etliche Kommunen stundeten auch Mieten bat der BdSt Hessen die hessischen Städte In anderen Kommunen wurde darüber hin- und Gemeinden in einem offenen Brief dar- aus auf die Möglichkeit hingewiesen, die um, ihre Gewerbetreibenden vor Ort durch Gewerbesteuervorauszahlung auf Antrag Stundungen von Steuerzahlungen zu un- beim Finanzamt zu reduzieren. Und nicht terstützen. Der Tenor lautete, es müsse ge- wenige Städte und Gemeinden sind gleich- meinsames Ziel sein, Insolvenzen zu ver- zeitig auch Vermieter, zum Beispiel von Ge- meiden und Arbeitsplätze zu sichern. Insbe- werbeimmobilien, Büroräumen oder Läden. sondere vor dem Hintergrund der Auch hier haben sich viele kulant gezeigt angelaufenen Soforthilfen wäre es absurd und durch Stundungen von Mietzahlungen gewesen, den Gewerbetreibenden aus Positive Rückmeldungen und Umsetzung ihren Gewerbetreibenden vor Ort unter die Steuermitteln Zuschüsse für den laufenden Von den Kommunen kamen auf den Aufruf Arme gegriffen. Geschäftsbetrieb zukommen zu lassen, die zahlreiche zustimmende Rückmeldungen. Liquidität auf der anderen Seite aber durch Einige legten dar, dass sie von ihrem Ermes- Kommunen oft besonnene Krisenmanager Steuerzahlungen an die Kommunen wieder senspielraum Gebrauch machen und auf Den Städten und Gemeinden kommt gera- zu gefährden. Antrag Stundungen gewähren. Darüber hi- de in Krisensituationen eine besondere Rol- naus gab es einige Städte und Gemeinden, le zu. Viele der von Bund und Ländern be- Gewerbe- und Grundsteuern im Fokus die nicht darauf warteten, dass sich Unter- schlossenen Maßnahmen zur Eindämmung Betroffen waren vor allem Gewerbesteuer- nehmen mit einem Antrag auf Stundung der Corona-Pandemie werden auf kommu- vorauszahlungen und Grundsteuern, die an sie wenden. Vielmehr haben sie ihre Ge- naler Ebene überwacht oder umgesetzt, in- zum Stichtag 15. Mai fällig wurden, aber werbetreibenden vor Ort zum Beispiel dem sie wichtige Funktionen des öffentli- auch laufende Mahn- und Vollstreckungs- durch eine Pressemitteilung oder einen Ver- chen Lebens aufrechterhalten: Gesund- verfahren. Im Zuge der Schließung von Ge- merk auf ihrer Webseite auf die Möglich- heitsämter, die Organisation von schäften und Dienstleistungen hatte sich keit hingewiesen. Eine Kommune wurde Notbetreuungen für Kinder und die hygie- vor allem ein Liquiditätsengpass auch bei durch das Anschreiben des BdSt Hessen netechnischen Voraussetzungen für die bis dato gesunden Unternehmen abge- wohl dermaßen inspiriert, dass sie darauf- schrittweise Öffnung der Schulen. Der BdSt zeichnet. Auf diese Entwicklung und die hin eine fast wortgleiche Pressemitteilung Hessen ist stets ein kritischer Begleiter der Möglichkeit einer unbürokratischen Stun- verschickte. Als besonders positives Beispiel Kommunen und tritt ihnen nur allzu oft dung kommunaler Steuern, wie Gewerbe- kann die Stadt Babenhausen aus dem Land- auch auf die Füße, wenn er Fehlentwicklun- oder auch Grundsteuer, hat der hessische kreis Darmstadt-Dieburg genannt werden. gen beobachtet. Doch in der besonders Steuerzahlerbund die 422 Städte und Ge- Für jeden Besucher der Stadt-Website schwierigen ersten Pandemie-Welle leiste- meinden im Land hingewiesen. Die Kom- „poppte“ gleich ein Fenster auf, in dem ten viele hessische Städte und Gemeinden munen können diese Stundung auf Antrag nicht nur auf die Möglichkeit zur Stundung hervorragende Arbeit und wurden ihrer Ver- in ihrem Ermessensspielraum ohne formel- hingewiesen wurde. Der Hinweis enthielt antwortung als besonnene Krisenmanager len Beschluss des Gemeindevorstands oder auch gleich einen Link zum richtigen For- gerecht. Dafür sprach ihnen der BdSt Hes- des Gemeindeparlaments gewähren. mular. sen seinen Dank aus. Corona-Folgen für Gewerbesteuereinnahmen untersucht Im Juni veröffentlichte der BdSt Hessen Gewerbesteuerausfälle ein Großteil weg- Faktoren berücksichtigt. Dies könnte dazu eine Umfrage unter den hessischen Städ- fallen würde. Den im Spätsommer be- führen, dass Kommunen eine Kompensati- ten mit mehr als 20.000 Einwohnern, wo- schlossenen Verteilungsmechanismus sah on erhalten, obwohl gar kein Gewerbesteu- nach 60 Prozent von ihnen mit Gewerbe- der BdSt Hessen jedoch kritisch: Laut die- erausfall vorliegt. Andere könnten weniger steuerausfällen von mindestens 25 Prozent erhalten als sie an Ausfall zu verkraften ha- rechneten. ben. Nach Ansicht des BdSt Hessen zeigen die Ausfälle in der Corona-Pandemie ein- Vor diesem Hintergrund begrüßte der BdSt mal mehr, wie anfällig die Gewerbesteuer Hessen die Pläne von Bundes- und Landes- ist. Sie sollte durch kommunale Zuschlags- regierung, dieses Minus auszugleichen. rechte auf die Einkommen- und die Körper- Schließlich sind die Kommunen für zwei schaftsteuer sowie durch einen erhöhten Drittel der staatlichen Investitionen verant- sem werden neben den tatsächlichen Steu- Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer er- wortlich, wovon ohne Kompensation der erausfällen auch vergangenheitsbezogene setzt werden. 8 Geschäftsbericht 2020
Öffentliche Finanzen Bad Karlshafen ist hes- senweiter Spitzenreiter bei der Grundsteuer A. Detaillierte Kommunalsteuer-Analyse 2020 Knappes Viertel drehte an Steuerschraube Auch 2020 analysierte der BdSt Hessen wieder die kommunale schaftlich genutzte Flächen wurde von 58 Kommunen erhöht. Steuerpolitik. Mittels einer Umfrage unter allen 422 hessischen Auch hier gab es die größte Steigerung mit 390 Punkten auf 950 Städten und Gemeinden wurden Veränderungen erfasst und an- Prozent in Ringgau. Damit lag die Gemeinde knapp hinter Bad schließend alle Steuersätze in kreis- und landesweiten Vergleichen Karlshafen (951) und gemeinsam mit Bad Emstal (950, beide Land- veröffentlicht. 96 Städte und Gemeinden erhöhten 2020 mindes- kreis Kassel) mit großem Abstand an der Spitze in Hessen. Immer- tens eine der Grundsteuern oder die Gewerbesteuer. Das ent- hin fünf Kommunen senkten 2020 ihre Hebesätze, die stärkste spricht einem Anteil von fast einem Viertel. Dabei wurden die Entlastung war auch hierbei in Allendorf/Lumda mit 120 Punkten meisten Haushalte noch vor der Corona-Pandemie verabschiedet, zu spüren. Mit Eppertshausen (Darmstadt-Dieburg), Königstein die die Kommunalfinanzen erheblich belasten wird. (Hochtaunus), Neu-Isenburg (Landkreis Offenbach) und Schwal- bach (Main-Taunus) verzichteten weiterhin vier Rhein-Main-Kom- Hessenweit wurde 84 Mal die Grundsteuer B gesteigert munen vollständig auf die Erhebung der Grundsteuer A. Insgesamt Die Grundsteuer B, die sowohl Mieter als auch Eigentümer trifft, erhöhten 20 Kommunen den Hebesatz um 100 und mehr Prozent- war auch 2020 erneut die Nummer 1 aller kommunalen Steuer- punkte. 2020 lagen 29 Kommunen über der 600-Prozent-Grenze. schrauben. Insgesamt 84 Städte und Gemeinden und damit jede Der Landesdurchschnitt stieg um zehn Punkte auf 418 Prozent. fünfte Kommune haben eine Anhebung beschlossen. Dadurch klet- terte der durchschnittliche Hebesatz von 460 auf 475 Prozent. Die Reinhardshagen blieb Gewerbesteuer-Spitzenreiter kräftigste zusätzliche Steuerbelastung mussten die Bürger in Ring- Die Gewerbesteuer zählt zu den wichtigsten Steuerarten der Städ- gau (Werra-Meißner-Kreis) verkraften, wo der Hebesatz um 400 te und Gemeinden, in einigen ist sie die wesentliche Einnahme- Punkte erhöht wurde. Nur neun Kommunen senkten die Belastung, quelle. Insgesamt 54 hessische Kommunen beschlossen 2020 eine die größte Entlastung spürten die Bürger in Allendorf/Lumda (-120, Anhebung. Die kräftigste Steigerung gab es in Schwalmtal (Vogels- Landkreis Gießen). Die Spannweite der Hebesätze reichte von 140 bergkreis) mit 100 Punkten. Nur Allendorf/Lumda (-20) und Lan- Prozent in Eschborn (Main-Taunus-Kreis) bis 1.050 Prozent in Lau- genselbold (-10, Main-Kinzig-Kreis) senkten ihre Belastung. Lan- 600 1200 tertal im200 1000riefen 53 Odenwald (Landkreis Bergstraße). Insgesamt desweiter Spitzenreiter beim Gewerbesteuerhebesatz blieb Rein- 0 400 800 Kommunen einen Hebesatz auf, der über 600 Prozent liegt. 2019 hardshagen (Landkreis Kassel) mit 550 Prozent. Am geringsten waren es noch 41. wurden die Gewerbesteuerzahler mit 300 Prozent in Gründau (Main-Kinzig-Kreis) belastet. Der durchschnittliche Hebesatz im Lautertal (Odenwald) 1050 % Land betrug 387 Prozent, das sind zwei Punkte mehr als im Vorjahr. Offenbach 995 % 53 Mal Straßenbeiträge abgeschafft Nauheim 960 % Weiter diskutiert wurde auch 2020 Ringgau +400 960 % wieder das Thema Straßenbeiträge. Deshalb hat der BdSt Hessen auch in 147 2 ∅ Durchschnitt +15 475 % dieser Sache bei den Kommunen Biebergemünd 220 % Gründau 200 % Eschborn 140 % nachgefragt (siehe Diagramm). Im- mer mehr Kommunen verzichteten auf Straßenbeiträge (siehe Tortendia- 45 2 3 gramm): 2020 haben weitere 53 Die höchsten und niedrigsten Grundsteuer B-Hebesätze 2020 in Hessen. Städte und Gemeinden die umstrit- keine einmalige tene Abgabe abgeschafft. 29 Kommunen knacken bei Grundsteuer A die 600-Prozent-Marke wiederkehrende Die weniger ertragreiche Grundsteuer A für land- und forstwirt- Mehr Details gibt es auf www.steuerzahler-hessen.de Geschäftsbericht 2020 9
Öffentliche Finanzen Arcaion auf pixabay Wie geht es in den Kommunen weiter? BdSt Hessen begleitete die kommunalen Herausforderungen in der Corona-Krise Die Auswirkungen der Corona-Pandemie 2. Konsolidierungserfolge nicht gefährden! stützung der Städte und Gemeinden. Auch auf die Finanzen der öffentlichen Hand Die Erfolge bei Entschuldung und Konsoli- wenn die Ausgestaltung aus Sicht des Steu- wurden im Laufe des Jahres immer spürba- dierung der Städte und Gemeinden durch erzahlerbunds nicht optimal war, war es rer. Bund, Länder und Kommunen hatten die Landesprogramme „Schutzschirm“ und richtig, dass Bund und Länder den Ausfall mit Einnahmeausfällen auf der einen und „Hessenkasse“ in den vergangenen Jahren der Gewerbesteuer für 2020 kompensiert steigenden Kosten zur Bekämpfung der sollten nicht gefährdet werden. So konnten haben (siehe Seite 8). Folgerichtig wird das Pandemie auf der anderen Seite zu kämp- 100 Schutzschirmkommunen mit Hilfe des Land Hessen durch zusätzliche Gelder die fen. Der BdSt Hessen begleitete diese Ent- Landes ihre Investitionsschulden massiv zu- Zuweisungen der Städte und Gemeinden wicklung und die öffentliche Diskussion kri- rückfahren und von der Zinslast befreit aus dem Kommunalen Finanzausgleich tisch-konstruktiv. Unter anderem schaltete werden. Durch die „Hessenkasse“ wurden (KFA) in den Jahren bis 2024 stabilisieren sich der Verein mit Positionspapieren, Pres- darüber hinaus die Liquiditätskredite deut- und moderat anwachsen lassen. Dies er- semitteilungen und Video-Statements in lich reduziert. Unter anderem diese Erfolge möglicht den Kommunen Planungssicher- die Diskussion ein. Für die Herausforderung haben die Städte und Gemeinden in die heit und Investitionstätigkeit. Auch die Be- der Kommunen, ihre Haushalte unter Lage versetzt, der Pandemie mit gesünde- reitstellung weiterer Mittel zur Unterstüt- schwierigen Bedingungen aufzustellen, gab ren Finanzen besser begegnen zu können. zung der kommunalen Investitionen in der BdSt Hessen konkrete Hinweise. Diese Errungenschaften dürfen in der Coro- KiTas oder die Kompensation der Ausfälle na-Krise nicht durch erneute, übermäßige bei Betreuungsgebühren während der 1. Steuererhöhungen in der Krise sind Gift! Verschuldung und Liquiditätskredite nach- Schließungen gehen in die richtige Rich- Die Folgen der Pandemie dürfen nicht haltig zunichtegemacht werden. tung. Und schließlich unterstützt der BdSt durch Kommunalsteuererhöhungen einsei- Hessen die Vorgabe des Landes, dass Städte tig bei den Bürgerinnen und Bürgern abge- 3. Investitionen fortführen! und Gemeinden für den Ausgleich der laden werden. Bund und Länder nehmen Die Kommunen sollten ihre Rolle als wich- Haushalte in den kommenden Jahren nicht enorme Summen in die Hand, um die wirt- tigste Träger öffentlicher Investitionen wei- nur auf die ordentlichen, sondern auch auf schaftlichen Auswirkungen der Pandemie ter wahrnehmen. Kommunale Investitio- die außerordentlichen Rücklagen zurück- abzumildern. Eine Erhöhung der Gewerbe- nen beispielsweise in Infrastruktur, Straßen, greifen können. Zurückgelegte Mittel sollen steuer würde die ohnehin leidenden Unter- Bildung und Betreuung, Digitalisierung so- in der Krise Handlungsfähigkeit ermögli- nehmen in dieser Situation hart treffen, zu- wie energetische Sanierung sind wichtig für chen. Deshalb müssen diese Rücklagen ge- mal die Gewerbesteuer eben nicht nur auf die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit nutzt werden, bevor Schulden aufgenom- Gewinne erhoben wird, sondern auch Ge- des Standorts Deutschland. Zudem sind men oder die Steuerbelastung erhöht wird. werbetreibende mit Verlusten treffen kann. diese Investitionen ein wichtiger Stabilisie- Und die Grundsteuer B müssen nicht allein rungsfaktor für die angeschlagene Konjunk- Wege raus aus dem Krisenmodus finden Eigenheimbesitzer zahlen, denn über die tur und sichern Arbeitsplätze. Mittelfristig muss die öffentliche Hand, also Nebenkosten belastet sie auch Mieter – auch die Städte und Gemeinden, wieder und das in Zeiten wirtschaftlicher Unsicher- Land und Bund wirken unterstützend aus dem Krisenmodus herauskommen. heit und Angst um den Arbeitsplatz. Höhe- Vor dem Hintergrund der genannten Dann gilt es Schulden zu tilgen, Wün- re Steuern konterkarieren damit nicht nur Grundsätze begrüßte der BdSt Hessen die schenswertes in Frage zu stellen, um die ei- die Anstrengungen von Bund und Ländern, vom Land bisher getroffenen oder mit den genen Finanzen wieder auf gesunde Füße sie verschärfen in dieser Situation die wirt- kommunalen Spitzenverbänden vereinbar- zu stellen und für neue Krisen bzw. Heraus- schaftliche Unsicherheit vieler Menschen. ten Maßnahmen zur finanziellen Unter- forderungen vorzusorgen. 10 Geschäftsbericht 2020
Öffentliche Finanzen Grundsteuerreform darf nicht zu Mehrbelastung führen Boddenbergs „Hessen-Modell“ ist ein richtiger Ansatz mit Schönheitsfehler Im Mai stellte Finanzminister Michael Boddenberg sein sogenann- Umlage der Grundsteuer B in den Nebenkosten alle Menschen be- tes Hessen-Modell für die Grundsteuer vor. Der BdSt Hessen be- troffen sind – auch Mieterinnen und Mieter. Eine steigende Steuer- grüßte, dass sich das Land dabei am Flächenmodell orientieren belastung wird somit das Wohnen zusätzlich verteuern und damit will, kritisierte allerdings die Einführung einer Grundsteuer C. Be- entgegengesetzte Anstrengungen der Politik konterkarieren. kanntermaßen muss die Grundsteuer aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2018 neu gere- Hessische Variante ist besser als das Bundesmodell gelt werden. Nach Ansicht der Karlsruher Richter ist die bisherige Das geplante hessische Flächen-Faktor-Verfahren hat unbestritten Erhebung der Grundsteuern auf Basis der Einheitswerte – in West- Vorteile gegenüber dem Bundesmodell. So verzichtet es zur Be- deutschland immerhin aus dem Jahr 1964 – nicht verfassungsge- rechnung im Vergleich zum Bundesmodell auf einige Parameter. mäß. Die Neuregelung muss demnach spätestens zum Jahr 2025 Die Differenzierung innerhalb einer Kommune über die Bodenricht- angewendet werden. wertzonen in „einfache“ und „gute“ Lagen soll aus Sicht der Lan- desregierung mehr „Gerechtigkeit“ bringen. Aber Vorsicht: Diese Vier Aspekte entscheidend vermeintliche „Gerechtigkeit“ trifft eben nicht nur die adressierten Aus Sicht des hessischen Steuerzahlerbunds kommt es bei der Neu- Villenbesitzer, sondern darüber hinaus ebenso alle Mieterinnen regelung auf folgende Aspekte an: Erstens darf die Neuregelung und Mieter der betroffenen Zonen. Zudem kann es durch diese Dif- nicht zu einer höheren Steuerbelastung für Bürger und Betriebe ferenzierung und den Bezug auf den durchschnittlichen Wert der führen, sie muss maßvoll bleiben. Zweitens muss die Methode zur Kommune zu automatischen Steuererhöhungen kommen. Wenn Berechnung der Steuer einfach, transparent und nachvollziehbar der Bodenrichtwert einer Zone im Verhältnis zum Durchschnitt sein. Drittens muss der Aufwand zur Erstbewertung für die Finanz- steigt, wird eine automatische Steuererhöhung fällig. Aber auch verwaltung, die Städte und die Gemeinden überschaubar bleiben. wenn die Bodenrichtwerte anderer Zonen sinken und dadurch der Viertens ist die Grundsteuer eine wichtige Einnahmequelle der Durchschnitt ebenfalls nach unten korrigiert werden muss, hat Kommunen. Die Städte und Gemeinden brauchen daher eine ver- dies eine höhere Steuer zur Folge, obwohl der Bodenrichtwert in lässliche Planbarkeit der Grundsteuer. der eigenen Zone unverändert geblieben ist. Auch das geplante Flä- chenmodell in Bayern sieht im Übrigen die Möglichkeit für eine sol- Öffnungsklausel statt Bundesmodell che Differenzierung vor. Danach können Städte und Gemeinden für Vor diesem Hintergrund lehnt der BdSt die seitens des Bundes be- unterschiedliche Lagen ihrer Kommune unterschiedliche Hebesät- schlossene Neuregelung wegen ihrer bürokratischen und kompli- ze beschließen. Im Gegensatz zu Hessen ist dafür jedoch ein Be- zierten Ausgestaltung ab. Der BdSt Hessen hat mit Erleichterung schluss des Parlaments, also eine explizite Willensbekundung der zur Kenntnis genommen, dass die hessische Landesregierung bei Politik vor Ort, erforderlich. Demnach ist dies für die Städte und der Grundsteuer B von der Öffnungsklausel Gebrauch macht und Gemeinden optional und nicht zwingend. Darüber hinaus sind au- mit dem Flächen-Faktor-Verfahren ein eigenes Modell auf den Weg tomatische Steuererhöhungen aufgrund differenzierter Boden- gebracht hat. richtwertentwicklungen ausgeschlossen. Versteckte Steuererhöhung verhindern! Grundsteuer C ist überflüssig! Der BdSt hatte seit Beginn der Diskussion darauf gedrängt, dass die Außerdem appelliert der BdSt Hessen an die hessische Politik, auf Reform der Grundsteuer nicht zu einer versteckten Steuererhö- die Einführung der geplanten Grundsteuer C auf unbebaute hung führen darf. Dabei kann es zu leichten Verschiebungen inner- Grundstücke zu verzichten. Der Verein bezweifelt, dass mit einer halb einer Kommune kommen, mit Gewinnern und Verlierern, un- solchen Steuer das erhoffte Ziel – Schaffung von mehr Wohnraum ter dem Strich sollte eine Kommune die Steuerbelastung gleich und weniger brachliegende Grundstücke mit Baurecht – erreicht halten. Daher begrüßt der Verein die Pläne des Landes, vor der Ein- werden kann. Der Grundsteuer C liegt die irrige Annahme aus Tei- führung für jede Kommune aufkommensneutrale Hebesätze zu len der Politik zugrunde, wonach sich alle Probleme mit einer Steu- berechnen und fordert die Städte und Gemeinden auch in dieser er lösen lassen. Für zusätzlichen Wohnraum braucht es aber vor al- für die kommunalen Finanzen herausfordernden Zeit auf, dem zu lem Entbürokratisierung, schnellere Genehmigungsverfahren und folgen. In Summe ist dabei vor allem zu bedenken, dass über die Entscheidungsprozesse statt neuer, zusätzlicher Steuern. Geschäftsbericht 2020 11
Öffentliche Finanzen Energisch vor Hanauer Kreisfreiheitsplänen gewarnt Hanau will den Main-Kinzig-Kreis verlassen Schwarzbuch-Rubrik ‚Verschwendung und läuft damit allgegenwärtigen Bestre- droht‘ ist quasi die gelbe Karte. Der Verein bungen zu mehr interkommunaler Koope- will damit auf Vorgänge hinweisen, bei de- ration diametral entgegen. Schließlich dro- nen Steuergeld durch konsequentes, spar- hen am Ende Doppelstrukturen und Mehr- sames Handeln noch gerettet werden kann. kosten. Davon irritiert stellte der BdSt Genau das ist in Hanau gefragt. Eine Aus- Hessen Anfragen, recherchierte und schal- gliederung Hanaus aus dem Main-Kinzig- tete sich aktiv in die Debatte ein, u.a. bei ei- Kreis würde vielleicht das Selbstwertgefühl ner Landtags-Anhörung im Februar 2020. der Brüder-Grimm-Stadt steigern, sie könn- Weil die Verantwortlichen aber weiter an te die Steuerzahler aber teuer zu stehen den Plänen festhielten, verkündete der BdSt kommen. Im Herbst wurde aus dem Ver- Hessen schließlich, dass er den „Huxit“ nun dachts- dann ein tatsächlicher Schwarz- als Schwarzbuch-Verdachtsfall einstuft. Die buch-Fall (siehe S. 20). Welthundetag: Abschaffung der Hundesteuer gefordert Anlässlich des Welthundetags am 10. Okto- munalsteuerumfrage des BdSt Hessen zeigt fressen werden. Auch Kontrollgänge zur ber erneuerte der BdSt Hessen seine Forde- eine breite Spanne bei der Belastung in den Identifizierung unangemeldeter Hunde rung nach Abschaffung der Hundesteuer. einzelnen Kommunen. Während Bad Karls- sieht der BdSt kritisch. Die daraus resultie- Diese ist willkürlich, zudem stehen Auf- hafen (Kreis Kassel) und Wiesbaden mit je- renden Neuanmeldungen und Steuerein- wand und Ertrag bei der Erhebung dieser weils 180 Euro für den ersten Hund die nahmen rechtfertigen nicht den Aufwand, Bagatellsteuer in keinem Verhältnis. Ur- höchsten Sätze fordern, liegt die Belastung z.B. die Kosten für externe Dienstleister, die sprünglich wurde die Hundesteuer mal als mit 24 Euro in Gründau (Main-Kinzig-Kreis) diese Kontrollen durchführen. Die Kommu- Luxussteuer eingeführt. Ein Hund ist aber und je 30 Euro in Ottrau (Schwalm-Eder- nen sollten sich auf die wirklichen Aufga- längst kein Luxus mehr, sondern ein Famili- Kreis) sowie Breitenbach am Herzberg (Kreis ben und Herausforderungen konzentrieren. enmitglied und wichtiger sozialer Halt. Die Hersfeld-Rotenburg) am geringsten. Durch- Die Hundesteuer und ihre Verwaltung bin- Besitzer dafür zur Kasse zu bitten, ist frag- schnittlich forderten die hessischen Städte det unnötig Personal und Energie, die dann würdig und muss ein Ende haben! und Gemeinden 2020 rund 65 Euro. an anderer Stelle fehlen. Ein immer wieder genanntes Argument lässt der Verband Willkürliche und ungerechte Belastung Aufwand hoch, Ertrag gering überdies nicht gelten: Durch die Erhebung Die Hundesteuer ist ungerecht, denn mit Aus Sicht des BdSt Hessen ist das Aufkom- einer Hundesteuer werden nicht mehr den gleichen Argumenten könnte man men der Hundesteuer als Bagatellsteuer ge- Hundekothaufen entfernt oder mehr Hun- auch eine Abgabe auf Katzen oder gar Wel- ring und der Aufwand zur Erhebung nicht destationen aufgestellt. Die Steuer ist nicht lensittiche begründen. Ähnlich willkürlich verhältnismäßig. So konnten einzelne Kom- zweckgebunden. Ein modernes und trans- ist die Höhe der Hundesteuer, denn die öf- munen in den letzten Jahren nicht einmal parentes Steuersystem sollte sich auf einige fentliche Hand schlägt in Hessen für den 5.000 Euro aus der Hundesteuer einneh- wenige, ertragreiche Steuern konzentrieren ersten Hund des Haushalts mit bis zu 180 men. Bei einem solch geringen Aufkommen und sich nicht mit Bagatellsteuern verzet- Euro zu, für den zweiten und dritten wird es könnte es durchaus sein, dass die Einnah- teln. Daher fordert der BdSt Hessen, auf die noch teurer, von sogenannten „Kampfhun- men durch Erhebung, Abrechnung und Ver- Erhebung der Hundesteuer und anderer Ba- den“ ganz zu schweigen. Die jährliche Kom- waltung der Hundesteuer mehr als aufge- gatellsteuern zu verzichten. Kritik an Frankfurter ÖPNV-Aktion mitten in der Pandemie Kurz bevor Mitte Dezember viele Geschäfte Sicht des Verbands ist zwar nachvollzieh- wegen des Lockdowns schließen mussten, bar, dass Kommunen etwas zur Stärkung rief Frankfurts Oberbürgermeister Peter ihrer gebeutelten Innenstädte unterneh- Feldmann dazu auf, am dritten Advents- men. Doch wenn Menschen mit subventio- samstag den ÖPNV in der Stadt mit einem nierten Fahrscheinen in volle Bahnen und günstigeren Kinderticket statt eines Einzel- Einkaufsstraßen gelockt werden, erhöht fahrscheins für Erwachsene zu nutzen. Das das die Ansteckungsgefahr. Zusätzliche In- stieß angesichts der Corona-Lage auf mas- auch der BdSt Hessen ein und forderte die fektionen können die Krise verlängern und sive Kritik. In die Debatte schaltete sich Offenlegung der angefallenen Kosten. Aus die Kosten für alle erhöhen. 12 Geschäftsbericht 2020
Öffentliche Finanzen Rekord-Hebesätze in Lorch gemeinsam verhindert Der unermüdliche Einsatz des BdSt Hessen guten Weg, ihre Finanzen auf gesunde im Frühsommer hatte sich gelohnt: Die ge- Füße zu stellen. Als Schutzschirmkommune planten Erhöhungen der Grundsteuern A hatte sie mit Hilfe des Landes ihre Schulden und B in Lorch wurden verhindert! Im Haus- deutlich reduziert. Aufgrund zu optimis- haltsentwurf, den der Magistrat der Stadt- tisch angesetzter Steuereinnahmen und verordnetenversammlung im Mai vorgelegt fehlender Ausgabendisziplin gerieten die hatte, waren noch massive Steigerungen Finanzen ab 2018 jedoch in Schieflage. von 350 auf 785 Punkte bei der Grundsteu- Durch die geplante Erhöhung der Grund- er A und von 685 auf 1.285 Prozent bei der steuern sollte die Last offenbar einseitig bei Grundsteuer B vorgesehen. Der BdSt Hes- den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern sen trug dazu bei, dass es zumindest im abgeladen werden. Referent Jochen Kilp war mehrfach vor Ort in Lorch. Jahr 2020 nicht so kam. Mitglieder informierten BdSt Hessen Magistrat und den Fraktionen. Eine Online- Lorch wäre in Spitzengruppe vorgestoßen Doch die Pläne blieben nicht unentdeckt: Petition wurde gestartet, die in etwa von Mit den ursprünglich geplanten Hebesät- Mitglieder des BdSt Hessen machten auf jedem dritten Haushalt in Lorch unterstützt zen hätte sich die beschauliche Mittelrhein- die Vorgänge aufmerksam und baten den und im Rahmen einer kleinen Demonstrati- Stadt bei der Grundsteuer A in die Spitzen- Verband um Hilfe. In der Folge war Kommu- on an den Bürgermeister übergeben wurde. gruppe in Hessen katapultiert. Bei der nalexperte Jochen Kilp (siehe Foto) mehr- Grundsteuer B wäre sie sogar mit Abstand fach vor Ort, um sich mit einer Initiative um Lage nach „Happy End“ weiter angespannt die Nummer 1 gewesen – der bisherige Re- örtliche Gewerbetreibende gegen die ge- Letztlich haben die Stadtverordneten die kordhalter war die Gemeinde Lautertal planten Erhöhungen abzustimmen. Der vorgesehenen Erhöhungen nicht verab- (Odenwald) mit 1.050 Prozent. Zum Ver- hessische Steuerzahlerbund bezog öffent- schiedet. Der Haushalt 2020 konnte durch gleich: Der Landesdurchschnitt lag 2020 bei lich Stellung und erläuterte Magistrat so- den Rückgriff auf Rücklagen sowie Mittel 475 Prozent. Die Grundsteuer B wird auf wie Fraktionen im Stadtparlament seine der Hessenkasse ausgeglichen werden. Al- bebaute und bebaubare Grundstücke erho- Position: Bevor Lorch zu solch drastischen lerdings hat die Stadt das eigentliche Prob- ben und trifft über die Umlage in den Ne- Erhöhungen greife, müssten zunächst lem damit noch nicht gelöst: Mehr Ausga- benkosten auch die Mieter – und damit alle sämtliche Ausgaben auf den Prüfstand ge- ben als Einnahmen. Durch die Corona-Pan- Bürgerinnen und Bürger. Die Grundsteuer A stellt und alle Optionen zur Konsolidierung demie wird dies in den Folgejahren wird auf land- und forstwirtschaftliche Flä- ausgeschöpft werden. Dazu gehöre auch, tendenziell eher noch schlechter werden. chen erhoben und spielt in einer Weinbau- die interkommunale Zusammenarbeit wei- Die Lorcher Verantwortlichen müssen da- region wie dem Rheingau natürlich eine ter auszubauen und auch einen freiwilligen her an diesem strukturellen Defizit arbeiten größere Rolle als in den meisten anderen Zusammenschluss mit anderen Kommu- und auch unangenehme Einschnitte vor- Gegenden. nen im Rheingau-Taunus-Kreis ergebnisof- nehmen. Der BdSt Hessen begleitet diesen fen zu diskutieren. In mehreren Gesprächs- Prozess weiter, damit am Ende nicht doch Eigentlich auf einem guten Weg runden suchte die Initiative vor Ort den die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Eigentlich war die Stadt Lorch auf einem Austausch mit dem Bürgermeister, dem Zeche zahlen müssen. Appell zur Zusammenlegung von Wahlterminen Im April forderte der BdSt Hessen die hessi- wand verbundenen Wahltermine schen Städte und Gemeinden auf, die auf- zusammenlegen. So können nicht grund der Corona-Pandemie vertagten nur die Städte und Gemeinden Wahlen und Abstimmungen gemeinsam entlastet werden, sondern auch mit der Kommunalwahl im März 2021 die ehrenamtlichen Wahlhelfer. durchzuführen. Das Land hatte alle Direkt- Die Forderung betraf sowohl an- wahlen und Bürgerentscheide bis mindes- stehende Bürgermeister-Direkt- tens November 2020 verschoben und per wahlen als auch Bürgerentschei- Gesetz den Weg freigemacht, die Abstim- de. Nach Ansicht des hessischen mungen mit der Kommunalwahl stattfin- Steuerzahlerbunds gab es keine den zu lassen. Weil die Corona-Krise die vernünftigen Gründe für separate Kommunen nicht nur vor Schwierigkeiten Termine. Keinesfalls dürfen par- bei der Wahlorganisation, sondern natür- teitaktische Erwägungen den lich insgesamt auch vor immense finanziel- Ausschlag geben. Auch für die le Herausforderungen stellt, sollten sie die Wahlbeteiligung konnte eine Zu- Möglichkeit nutzen, die jeweils mit viel Auf- sammenlegung nur positiv sein. Geschäftsbericht 2020 13
Steuern Die Arbeit des Bundes der Steuerzahler Hessen im Bereich des Steuerrechts war auch 2020 wieder im Wesentlichen durch die Bundesebene geprägt. Der BdSt Hessen hat dabei über den Arbeitskreis Steuern des Gesamtverbands an zahlreichen Stellungnahmen, Eingaben und Maßnahmen des Bundes der Steuerzahler Deutschland mitgewirkt. Im Zentrum standen dabei die Corona-Pandemie, ihre steuerlichen Folgen und die finanzielle Unterstützung der Betroffenen. Bei den Anhörungen zu geplanten steuerlichen Neuregelungen und Änderungen sowie zu neuen Verwaltungsanweisungen fanden die Vorschläge, Anregungen und Eingaben des BdSt im Sinne der Steuerzahler stets besondere Beachtung und wurden häufig bei den neu geschaffenen Regelungen und Richtlinien berücksichtigt. 14 Geschäftsbericht 2020
→ Corona und Steuern abweichen, wenn sie eigene Gesetze beschließen (Öffnungsklau- sel). Der BdSt hatte ein einfaches Bewertungsmodell präferiert, das Die Corona-Pandemie führte ab März 2020 zu einer erheblichen sich anhand der Grundstücksfläche und dem darauf stehenden Ge- Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit. Als Reaktion brachten bäude bemisst (Flächenmodell). Dieses Einfachmodell ist aber über Bund und Länder in kurzer Zeit zahlreiche Hilfsprogramme und So- die jetzt im Gesetz vorgesehene Öffnungsklausel möglich. Damit fortmaßnahmen auf den Weg, um Unternehmen und Arbeitneh- hat sich auch hier der unermüdliche Einsatz des BdSt für die Steu- mern zu helfen. Dazu zählte auch ein Bündel an steuerlichen erzahler gelohnt. Einige Länder Entlastungsmaßnahmen, etwa die leichtere Steuerstundung, die haben signalisiert, das Bundes- Herabsetzung von Steuer-Vorauszahlungen oder ein unterjähriger modell zu nutzen. Andere haben Verlustrücktrag. Anfang Juni 2020 wurde das 1. Corona-Steuerhil- Eckpunkte zu ihren Landesgeset- fegesetz beschlossen. Kernpunkt war die befristete Anwendung zen veröffentlicht, dazu zählt des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Restaurant- und Verpfle- auch Hessen (siehe auch Seite gungsdienstleistungen für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 30. 11). Hier sollen Grundstücks- und Juni 2021, wobei Getränke von Gebäudefläche – ergänzt um ei- der Steuersenkung ausgenom- nen Lagefaktor – maßgebend Juraj Varga auf Pixabay men waren. Im 2. Corona-Steuer- sein. Das Modell basiert auf dem hilfegesetz wurde dann unter an- Flächenmodell. Einfache Lagen werden gegenüber dem reinen Flä- derem die allgemeine Absenkung chenmodell niedriger, gute Lagen durch einen Faktor höher besteu- der Umsatzsteuer von 19 auf 16 ert. Außerdem will Hessen den Kommunen eine Grundsteuer C Prozent beziehungsweise von 7 ermöglichen. Aus Sicht des BdSt bestehen aber keine hinreichen- auf 5 Prozent vom 1. Juli 2020 bis den Gründe, um die Einführung einer weiteren Steuer zu rechtferti- zum 31. Dezember 2020 festge- gen. Damit die Grundsteuerreform am Ende tatsächlich aufkom- legt. Der Bund der Steuerzahler mensneutral ausfällt, sind neben dem Land auch die Städte und hat die Maßnahmen prinzipiell unterstützt und weitere Verbesse- Gemeinden gefordert, wenn es um die konkrete Steuerhöhe geht. rungen gefordert, um entschlossen gegen die Folgen der Krise vor- Jede Kommune sollte ihre Hebesätze anpassen, um nach der Neu- zugehen. So sollten aus Sicht des BdSt der Solidaritätszuschlag ent- bewertung ein vergleichbares Grundsteueraufkommen zu erzielen. fallen, die Verlustverrechnung verbessert und die Umstellung auf Unter dem Strich dürfen Bürger und Betriebe nicht stärker belastet die zertifizierten Ladenkassen verschoben werden. Diese und wei- werden – die erforderliche Reform darf nicht dazu dienen, die Ge- tere Forderungen hat der Verband in einem Maßnahmenpapier mit meindekassen aufzubessern. dem Titel „Mit Rückenwind aus der Krise“ gebündelt. Auch für Ar- beitnehmer hat der Steuerzahlerbund Entlastungen gefordert und auch die bessere Anerkennung ihrer Kosten im Homeoffice ver- → Solidaritätszuschlag langt. Auch dazu wurde ein Forderungskatalog aufgestellt, der Auch im Jahr 2020 hat der BdSt seine langjährige Forderung nach zahlreiche Beispiele aus der Praxis aufgriff. dem kompletten Wegfall des Solidaritätszuschlags immer wieder gegenüber der Politik eingefordert und zumindest einen Teilerfolg Neben dem politischen Engagement setzte der BdSt in der Corona- erreicht. Der Bundestag hat beschlossen, den Soli für viele Bürger Pandemie verstärkt auf Service, denn es erreichten den Verband ab dem Jahr 2021 abzuschaffen. Dieser erste Schritt reicht aber zahlreiche Mitgliederanfragen und Hilfegesuche betroffener Steu- nicht aus. Zwar werden viele Einkommensteuerzahler den Soli erzahler. Der BdSt richtete deshalb einen sogenannten Corona-Ti- nicht mehr zahlen müssen, aber viele kleine und mittelständische cker auf der Website ein, wo Kurznachrichten gebündelt veröffent- Betriebe sowie Sparer und körperschaftsteuerpflichtige Unterneh- licht werden. Zudem wurde eigens ein spezieller und ständig aktu- men sind auch weiterhin mit der Ergänzungsabgabe belastet. Des- alisierter BdSt-INFO-Service aufgelegt, der über die Hilfs- und halb kämpft der BdSt weiter für Sofortprogramme sowie die steuerlichen Maßnahmen in der Coro- alle Betroffenen dafür, dass die na-Krise informierte. Besonders gefragt waren die Berechnungen Abgabe für alle Bürger und Be- des BdSt zum Kurzarbeitergeld, die vor allem die Betroffenen über triebe gleichermaßen entfällt – die steuerlichen Auswirkungen des Bezugs dieser Lohnersatzleis- und zwar rückwirkend schon ab tung aufklären. dem Jahr 2020. Denn die Aufbau- hilfen für die neuen Bundeslän- → Grundsteuer der endeten bereits 2019 und da- mit fiel auch die Begründung für Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber aufgege- den Solidaritätszuschlag endgül- ben, die Grundsteuer bis zum 31.12.2019 zu reformieren. Der Bund tig weg. Um den Druck auf die hatte Ende 2019 „auf den letzten Drücker“ ein neues Bewertungs- Politik zu erhöhen, unterstützt gesetz beschlossen, um ab dem Jahr 2025 die Grundsteuer neu be- der BdSt seit Sommer 2019 ein Klageverfahren, das 2020 in die rechnen zu können. Hier hat sich das sogenannte Scholz-Modell nächste Instanz ging und nun dem Bundesfinanzhof zur Entschei- durchgesetzt. Die Regelung orientiert sich an einem pauschalierten dung vorliegt. Mit Hilfe des Steuerzahlerbunds klagt ein Ehepaar Wert der Immobilie, wobei die Umsetzung äußerst komplex, auf- dagegen, dass es den Soli auch ab 2020 weiterzahlen soll. Für ein wendig und bürokratisch ist. Nach diesem Bundesmodell werden komplettes Soli-Aus für alle hat der BdSt seit Jahren zum Beispiel dazu Bodenrichtwert, Immobilienart, Nettokaltmiete, Gebäudeflä- mit Kampagnen in der Öffentlichkeit geworben. Der Verband wird che und Baujahr berücksichtigt. Die Bundesländer können davon nicht lockerlassen und im Interesse der Steuerzahler weiterhin Geschäftsbericht 2020 15
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