223 Der Sächsische Landtag

Die Seite wird erstellt Sibylle-Angelika Römer
 
WEITER LESEN
223 Der Sächsische Landtag
3 22
Seite 4:                 Seite 18:                 Seite 22:
Kontroverse Debatte      Forum Mitteleuropa zu     Sonderthema zur
über die einrichtungs­   Gast in der litauischen   Verfassung: Was heißt
bezogene Impfpflicht     Hauptstadt Vilnius        Meinungsfreiheit?
223 Der Sächsische Landtag
EDITORIAL                                                                                             I N H A LT

                                                                                                                                PLENUM
                                                                            48. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            Keine Absage an die Impfpflicht
                                                                            Landtagsmehrheit lehnt Antrag ab .............................................................................. 4
                                                                            49. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            »Neue Zeiten brauchen neue Antworten«
                                                                            Sachsens Wirtschaft muss aufgrund des
                                                                            Ukrainekrieges umsteuern ................................................................................................... 5
                                                                            49. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            Eine Aufgabe für alle
                                                                            Der öffentliche Raum soll barrierefreier werden ...........................................6
                                                                            49. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            Niedriglohnland ade
                                                                            Inflation trifft besonders niedrige Einkommen ...............................................8

                                                         Foto: S. Giersch   50. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                            Zurück auf den Gipfel
                                                                            Tourismus erhält weitere finanzielle Unterstützung ..................................9
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,
                                                                            50. Sitzung des Sächsischen Landtags
wohl kaum jemand in unserem Land ist gegenwärtig frei von Sorgen.           Hoffnung auf spürbare Entlastungen
Laut einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Meinungsumfrage ist           Preissteigerungen treffen vor allem arme Menschen ........................... 10
die Inflation die größte Sorge der Deutschen, gefolgt vom Krieg in          50. Sitzung des Sächsischen Landtags
der Ukraine und der Corona-Pandemie. Alle bedrohen sie unseren              Steckdose oder Teller?
Wohlstand, greifen in unser tägliches Leben ein und gefährden den           AfD-Fraktion kritisiert verfehlte Flächennutzungspolitik ....................11
Frieden im Inneren und Äußeren.
    Eine besonders spürbare Belastung für viele Menschen sind                                                               PA R L A M E N T
jedoch ohne Frage die Preissteigerungen. Auch wenn hier die Ur­
sachen vielfältig sind und nur die eine oder andere steuerbar ist, so       Landwirtschaft von morgen
sind doch in dieser Situation die politisch Verantwortlichen auf allen      Ausschuss beschäftigt sich mit Zukunftsbericht ....................................... 12
Ebenen gefordert. Sie müssen Auswege aus der verhängnisvollen               Laufende Gesetzgebung ..................................................................................................... 13
Entwicklung finden. Sie müssen zu verhindern suchen, dass die
Inflation zur existenziellen Frage für Geringverdiener, Familien oder                                                        AKTUELLES
Rentner wird. Der Landtag widmete sich daher gleich in mehreren
Debatten diesem wichtigen Thema.                                            Mehr Parlamentsarbeit, mehr Livestreams
    Ebenfalls ging es in den Debatten, vor allem aber beim diesjähri­       und Barrierefreiheit
gen Forum Mitteleuropa im litauischen Vilnius, um den Krieg in der          Sächsischer Landtag mit neuem Internetauftritt ....................................... 14
Ukraine und seine möglichen Folgen für uns alle. Die Konferenz des
Forums Mitteleuropa beim Sächsischen Landtag war hierbei ein                                                             E I N TA G M I T…
klares Zeichen unserer engen Verbundenheit mit der Republik Litauen
und einem freien Baltikum. Der Angriffskrieg Russlands gegen die            In bester Verfassung
freie Ukraine erschüttert schließlich unseren Frieden in Europa fun­        Ein Tag mit Marko Schiemann, Vorsitzender
                                                                            des Ausschusses für Verfassung und Recht,
damental. Wir sehen uns einer immensen Bedrohung ausgesetzt.
                                                                            Demokratie, Europa und Gleichstellung ............................................................. 16
Russlands völkerrechtswidriger Krieg ist zugleich der Angriff auf eine
regelbasierte Weltordnung, die uns gerade in Europa gewiss schien.
                                                                                                                                 E U R O PA
Hier müssen wir alle gemeinsam die Fahne der Demokratie und
Freiheit hochhalten. Ebenso galt es in Vilnius, ein Zeichen gegen die
                                                                            »Deutschland, Mitteleuropa und die östlichen Nachbarn«
Diktatur in Belarus zu setzen. Mit Sviatlana Tsikhanouskaya wandte          Internationale Konferenz des Forums Mitteleuropa in Vilnius .... 18
sich die Anführerin des freien, des demokratischen Belarus an uns,
was mich sehr beeindruckt hat.                                              HINTERGRUND: Litauen und Vilnius ...................................................................... 20
    Und auch die Corona-Pandemie beschäftigt die Menschen im
Freistaat Sachsen fortwährend, wie die Sondersitzung des Sächsi­                                                        SONDERTHEMA
schen Landtags am 24. April zur Impfpflicht im Gesundheitswesen
                                                                            Was bedeutet Meinungsfreiheit konkret?
und der Pflege zeigte. Über das und vieles mehr informiert Sie die
                                                                            Vom Zugang zu russischem Fernsehen
neue Ausgabe des Landtagskuriers. Ich wünsche Ihnen eine anre­
                                                                            bis zur Kritik am Pflegenotstand ................................................................................ 22
gende Lektüre.
                                                                                                                                SERVICE

                                                                            Weitere Informationen des Sächsischen Landtags .............................. 24

                  Dr. Matthias Rößler
                  Präsident des Sächsischen Landtags
                                                                            // Titel: Das historische Parlamentsgebäude der
                                                                            Republik Litauen in Vilnius // Foto: Landtag
223 Der Sächsische Landtag
PLENUM

            Impfpflicht aufheben,
            Arbeitsplätze sichern,
          Barrierefreiheit schaffen

                                                                     Foto: O. Killig

// Der Sächsische Landtag debattierte am 25. April 2022 auf einer Sondersit-
zung, ob die Impfpflicht im Gesundheitswesen aufgehoben werden soll. An
den beiden folgenden Sitzungstagen, dem 4. und 5. Mai 2022, stand unter
anderem eine Regierungserklärung von Wirtschaftsminister Martin Dulig auf
der Tagesordnung. Die Aktuellen Debatten befassten sich mit Maßnahmen
zur Barrierefreiheit, dem Tourismus in Sachsen und weiteren Themen. //

                                                                                  3
223 Der Sächsische Landtag
PLENUM
                                                                                                           // Am 25. April 2022 kam der
                                                                                                           Sächsische Landtag zu einer
                                                                                                           außerplanmäßigen Sitzung
                                                                                                           zusammen. Auf der Tages-
                                                                                                           ordnung stand ein Antrag
                                                                                                           der AfD-Fraktion mit dem
                                                                                                           Titel »Impffreiheit für alle!
                                                                                                           Höchste Priorität für die Ge-
                                                                                                           sundheit!« Darin bekräftigte
                                                                                                           sie ihre Ablehnung gegen-
                                                                                                           über der seit 15. März 2022
                                                                                                           geltenden Impfpflicht für
                                                                                                           Beschäftigte im Gesund-
                                                                                                           heitswesen. Zuvor sprach
                                                                                                           der neue sächsische Innen-
                                                                                                           minister Armin Schuster im
                                                                                                           Plenum seinen Amtseid. //

Fotos: S. Floss                                         48. Sitzung des Sächsischen Landtags
                                                                                                              Dr. Daniel Thieme

 Keine Absage an die Impfpflicht
                                  Landtagsmehrheit lehnt Antrag ab
Recht auf Unversehrtheit                          Die Impfung habe zahlreiche Menschenleben     tretungsverbot auszusprechen, sei eben­
                                                  auf der ganzen Welt gerettet, entgegnete      falls hinfällig. Staatsministerin Petra
Für ihn verletze die Impfpflicht das grundge­     Alexander Dierks, CDU. Es gebe durchaus       Köpping habe immer wieder betont, dass
setzlich garantierte Freiheitsrecht auf körper­   einen signifikanten Zusammenhang zwi­         vorhandene Ermessensspielräume in Rück­
liche Unversehrtheit, erklärte Jörg Urban, AfD.   schen geringer Impfquote und hoher Über­      sprache mit den Gesundheitsämtern ge­
Es sei daher zu begrüßen, dass der Bundes­        sterblichkeit. Die sächsische Staatsregie­    nutzt würden.
tag eine allgemeine Pflicht abgelehnt habe.       rung habe die Ausgestaltung der sektoralen
Sie schütze weder den Menschen selbst             Impfpflicht in der Ministerpräsidentenkon­
noch andere. Auch sei sie gegen die               ferenz kritisiert und die Abwägung von Ver­   Schutz kranker Personen
Omikron-­Variante kaum wirksam. Dem Ge­           sorgungssicherheit und tatsächlichem Nut­
sundheitswesen fehle es hingegen heute            zen in einer Protokollnotiz angemahnt.        Sabine Friedel, SPD, erklärte, die Impfung
schon an Personal, deshalb dürfe es in die­                                                     schütze nicht zu 100 Prozent, sei aber auch
sem Bereich keine Impfpflicht geben.                                                            nicht unwirksam. Kranke Menschen, die
                                                  Schutzimpfung sinnvoll                        Arztpraxen aufsuchen, sollten keinem zu­
Foto: © SMI, Christoph-Reichelt                                                                 sätzlichen Risiko ausgesetzt werden. Die
                                                  Seine Fraktion habe die einrichtungsbezo­     AfD habe immer wieder gefordert, Men­schen
                                                  gene Impfpflicht immer kritisch gesehen,      in Pflegeeinrichtungen besonders zu schüt­
                                                  argumentierte Rico Gebhardt, DIE LINKE. Da­   zen. Umso unverständlicher sei es nun,
                                                  mit zweifele man jedoch nicht die Notwen­     dass sich die Fraktion dagegen ausspreche.
                                                  digkeit einer Covid-19-Schutzimpfung an.         Ihr Ministerium habe mit den kommuna­
                                                  Personalmangel habe es im Gesundheitswe­      len Gesundheitsämtern eine Strategie er­
                                                  sen auch schon vor Corona gegeben. Eine       arbeitet, um die Versorgungssicherheit zu
                                                  Aufhebung der Impfpflicht ändere nichts       gewährleisten, so die Staatsministerin für
                                                  daran. Es könne durchaus Berufe geben, für    Soziales und Gesellschaftlichen Zusammen­
 Innenminister Schuster vereidigt                 die es besondere Voraussetzungen, auch        halt, Petra Köpping, SPD. Sei die Versorgung
                                                  Impfanforderungen, brauche.                   nicht abgesichert, werde auch niemandem
 Zu Beginn der Plenarsitzung am 25. April 2022
 wurde Armin Schuster als neuer sächsischer
                                                     Der AfD-Antrag gehöre in den Bundestag     gekündigt oder ein Betretungsverbot ausge­
 Innenminister vereidigt. Schuster stammt aus     und nicht in den Landtag, befand Kathleen     sprochen. Man dürfe jedoch die Krankheit
 Andernach/Rhein, wurde 1961 geboren, ist         Kuhfuß, BÜNDNISGRÜNE. Die Debatte sei         nicht aus dem Blick verlieren, schließlich
 verheiratet und hat eine Tochter. Der Sicher­    daher völlig überflüssig. Die erhobene For­   weise Sachsen eine der niedrigsten Impf­
 heitsexperte durchlief mehrere Stationen         derung, ungeimpften Beschäftigten kein Be     quoten bundesweit auf.
 bei der Polizei, gehörte von 2009 bis 2020
 dem Deutschen Bundestag an und war zuletzt
 Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungs­
                                                                                                                           Ausgabe 3 2022
 schutz und Katastrophenhilfe.                                                                                                      ˚
223 Der Sächsische Landtag
PLENUM

                                                                                                             Dr. Daniel Thieme

                               »Neue Zeiten brauchen
                                 neue Antworten«
                                 Sachsens Wirtschaft muss aufgrund des Ukrainekrieges umsteuern

                // Martin Dulig, Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, gab zu Beginn der 49. Sitzung des
                7. Sächsischen Landtags am 4. Mai 2022 eine Fachregierungserklärung ab. Sie trug den Titel: »Was jetzt
                zu tun ist – in der Zeitenwende Unternehmen und Arbeitsplätze in Sachsen zukunftsfest gestalten«. //

                                          49. Sitzung des Sächsischen Landtags

// Martin Dulig // Fotos: O. Killig

Erhebliche Folgen der                             Jahrzehnt der Erneuerung                       Energieverbrauch senken
Sanktionen                                        notwendig
                                                                                                 Die Zeitenwende erfordere eine Energie­
Die EU-Wirtschaftssanktionen führten dazu,        Ein erster Schritt, um akute wirtschaftliche   wende, verkündete Gerhard Liebscher,
dass der Handel mit Russland noch weiter          Gefahren abzumildern, seien Stoffpreis­        BÜNDNIS­GRÜNE. Sachsen müsse die Ener­
abnehme und Unternehmen sich zurückzö­            gleitklauseln bei staatlichen Aufträgen, so    gieversorgung umbauen, um seine wirt­
gen, so Staatsminister Martin Dulig, SPD.         Jan Hippold, CDU. Dies helfe Handwerks-        schaftliche Souveränität zu sichern. Die
Sachsens Wirtschaft stehe damit noch stär­        und Baubetrieben, die aktuell zu deutlich      Senkung des Energieverbrauchs sei der
ker unter Druck, sich zu verändern. Die drei      teureren Preisen einkaufen müssten als ver­    schnellste Hebel, um unabhängig von fossi­
zentralen Herausforderungen seien Dekarbo­        anschlagt. Mittelfristig werde ein Jahrzehnt   len Brennstoffen zu werden. Das bedeute
ni­sierung, Digitalisierung und Demografie.       der Erneuerung benötigt, damit Deutsch­        ein nachhaltiges Beschaffungswesen, die
Eine besondere Dynamik zeichne sich aktuell       land ein attraktiver und wettbewerbsfähiger    Umstellung von Industrieprozessen sowie
etwa bei Elektromobilität, Mikroelektronik        Wirtschaftsstandort bleibe. Die Weichen        ein neues Bewusstsein in der Bevölkerung.
und künstlicher Intelligenz ab.                   müssten auf Leistungsfähigkeit, Digitalisie­   Beim Ausbau der erneuerbaren Energien sei
    SPD und BÜNDNISGRÜNE wollten die so­          rung und Nachhaltigkeit gestellt werden.       noch viel Luft nach oben.
ziale Marktwirtschaft zugunsten von immer            Nico Brünler, DIE LINKE, befand, wenn man       Henning Homann, SPD, betonte, beim
mehr Staatswirtschaft abschaffen, kritisierte     schon von »Zeitenwende« spreche, müsse         Ausbau der erneuerbaren Energien gehe es
Frank Peschel, AfD, scharf. Die Kohle- und        man auch feststellen, dass die Staatsregie­    um die Modernisierung zentraler sächsischer
Automobilindustrie würden abgewickelt und         rung die großen Herausforderungen der Zeit     Industriebranchen. Viele Unternehmen sei­
tausende Arbeitsplätze abgebaut. Um die           bisher verschlafen habe. So seien in ländli­   en inzwischen weiter als die Politik, doch sie
Ukraine zu unterstützen, wolle die Staatsre­      chen Regionen keine 20 Prozent der Haus­       verlangten nach entsprechenden Rahmen­
gierung auf Gasimporte verzichten. Doch           halte an das Gigabitnetz angeschlossen.        bedingungen. Sachsen könne als erstes
die Bürgerinnen und Bürger wünschten sich         Beim Strukturwandel zeige sich ein ähnliches   Bundesland komplett grünen Stahl herstel­
bezahlbare Energiepreise. Für Lieferketten­       Bild: Indem in der Lausitz die Brückenfunk­    len. Dazu müsse aber ausreichend grüner
probleme, unbesetzte Stellen und den Rück­        tion der Kohle beschworen werde, bleibe ihr    Wasserstoff zur Verfügung stehen. Für den
zug großer Konzerne aus Sachsen fehle es          großes Potenzial als zukünftige Energie- und   akuten Fachkräftemangel bedürfe es eben­
an Lösungen.                                      Industrieregion ungenutzt.                     falls einer Lösung.

Ausgabe 3 2022                                                                                                                               5
         ˚
223 Der Sächsische Landtag
PLENUM

// Petra Čagalj Sejdi mit Gebärdensprach­                49. Sitzung des Sächsischen Landtags
dolmetscherin // Foto: O. Killig
                                                                                                                 Dr. Daniel Thieme

                       Eine Aufgabe für alle
                                                         Der öffentliche Raum soll barrierefreier werden

// Die erste Aktuelle Debatte am 4. Mai 2022 trug den Titel                   CDU: Selbstverständ­               sondern eine Selbstverständ­
» ›Sachsen barrierefrei 2030‹ – Tempo machen für Inklusion«                   lichkeit statt Gnadenakt           lichkeit sei. Zu den betroffenen
                                                                                                                 Bereichen zählten nicht nur Ge­
und war von der Fraktion BÜNDNISGRÜNE beantragt worden.
                                                                              Alexander Dierks, CDU, brachte     bäude, sondern im digitalen
Mit einem Investitionsprogramm, das den Kommunen in die­                      an, dass es neben den bereits      Zeitalter verstärkt auch der Zu­
sem Jahr 3,25 Millionen Euro zur Verfügung stellt, sollen Projek-             genannten Ideen noch weitere       gang zu Informationen.
te der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum gefördert werden.                Ansätze gebe, um eine noch
                                                                              stärkere Akzeptanz für das The­
Die Debatte übersetzten Gebärdensprachdolmetscher. //
                                                                              ma zu schaffen. Barrierefreiheit   AfD: Viele Aufgaben,
                                                                              sei nichts, das nur Menschen       wenig Geld
BÜNDNISGRÜNE:                               erefrei 2030« unterstütze die­    mit Behinderungen nütze, son­
Projekte konkret fördern                    ses Anliegen finanziell, ebenso   dern die Gesellschaft im Gan­      Bis zum erklärten Ziel der Barrie­
                                            das Programm »Lieblingsplätze     zen lebenswerter mache. Die        refreiheit in Sachsen im Jahr
Petra Čagalj Sejdi eröffnete die            für alle«. Ganz konkret sollten   landläufige Wahrnehmung, dass      2030 sei angesichts der Aufga­
Debatte für die Fraktion BÜND­              mit den Fördergeldern Parkplät­   Menschen von Geburt an im          ben nicht mehr viel Zeit, rech­
NISGRÜNE. Barrierefreiheit be­              ze, öffentliche Sanitäranlagen    Rollstuhl säßen, sehbehindert      nete Doreen Schwietzer, AfD,
deute für sie nicht, irgendwie              und Zugänge zu Gebäuden           seien oder sonstige Einschrän­     vor. Mit dem neuen Investiti­
anders und meist über Umwege                barrierefrei gestaltet werden.    kungen haben, sei eine Fehlein­    onsprogramm stünden 3,25 Mil­
zum Ziel zu gelangen. Es gehe               Čagalj Sejdi wies darauf hin,     schätzung. 50 Prozent der Men­     lionen Euro jährlich bereit, hin­
vielmehr darum, dass beispiels­             dass Sachsen seit 2016 einen      schen mit Behinderung seien        zukommen 4 Millionen Euro aus
weise alle den gleichen Eingang             Landesaktionsplan zur Um­         zwischen 55 und 75 Jahren alt,     dem Programm »Lieblingsplätze
eines Gebäudes benutzen                     setzung der UN-Behinderten­       25 Prozent über 75 Jahre. Ganz     für alle«. Das sei weniger, als es
könnten. Ihre Fraktion fordere              rechtskonvention habe. Dieser     allgemein sei zu berücksichti­     sich anhöre, wenn man allein
daher, dass Sachsen bis spä­                zeige, wie Inklusion praktisch    gen, dass die Bevölkerung in       den öffentlichen Personennah­
testens 2030 weitestgehend                  gelebt werden könne und an        Sachsen immer älter werde.         verkehr betrachte. So seien zur­
barrierefrei im öffentlichen                welchen Punkten es Verbesse­      Das Ziel müsse es daher sein,      zeit nur 30 bis 40 Prozent der
Raum werden solle. Das Investi­             rungsbedarf gebe.                 dass Barrierefreiheit nicht als    städtischen Haltestellen barrie­
tionsprogramm »Sachsen barri                                                  Gnadenakt verstanden werde,        refrei, im ländlichen Raum liege

                                                                                                                                 Ausgabe 3 2022
                                                                                                                                          ˚
223 Der Sächsische Landtag
PLENUM

    der Anteil bei 5 Prozent. Auch      der Novellierung der Sächsischen     langen. Das individuelle Enga­         VERFASSUNGSRICHTER
    der Weg zur Haltestelle müsse       Bauordnung bisher nicht in den       gement werde in Zukunft wichti­        GEWÄHLT
    mitberücksichtigt werden.           Blick genommen. Weitere Vor­         ger, um in Zeiten von Inflation
                                                                                                                    Am Sächsischen Verfassungsgerichts­
    Erheblicher Bedarf bestehe          schläge sollten mit Änderungs­       und erhöhten Baukosten allein          hof tritt Vizepräsident Prof. Dr. Uwe
    zudem bei Wohnraum. Dieser          anträgen umgesetzt werden.           den Status quo zu erhalten.            Berlit in den Ruhestand. Der Sächsi­
    werde von Menschen mit Be­                                               Die einzelnen Ministerien der          sche Landtag wählte deshalb am
    hinderung als auch von älteren                                           Staats­regierung sollten es trotz      4. Mai 2022 den vorsitzenden Richter
                                                                                                                    am Landessozialgericht, Dr. Andreas
    Menschen benötigt. Handlungs­       SPD: Viele                           schwieriger Haushaltslage nicht
                                                                                                                    Wahl, zu seinem Nachfolger. Als
    bedarf ergebe sich überdies         kleine Puzzleteile                   versäumen, an den Maßnahmen            neues berufsrichterliches Mitglied
    in der Arbeitswelt. Sachsen                                              für die Umsetzung der UN-Behin­        bestimmte das Parlament den Präsi­
    habe mit 4,1 Prozent die zweit­     Beim Thema Barrierefreiheit          dertenrechtskonvention festzu­         denten des Sächsischen Landes­
    schlechteste Beschäftigungs­        komme es auf das Engagement          halten und ihre Bedarfe anzu­          arbeitsgerichtes, Dirk Eberhard Kirst.
    quote schwerbehinderter Men­        jedes Einzelnen an, äußerte          melden. Kliese wies darauf hin,
    schen bundesweit. Es müssten
    folglich Maßnahmen entwickelt
    werden, um diesen Anteil ziel­                                                                                 Staatsregierung: Alle
    genau zu steigern.                                                                                             Menschen profitieren

                                                    »Die Einsicht, ein                                             Petra Köpping, Staatsministerin
    DIE LINKE: Mehr                                                                                                für Soziales und Gesellschaft­
    Illusion als Realität                           Menschenrecht                                                  lichen Zusammenhalt, SPD,
                                                    umzusetzen, ist die                                            sagte, Teilhabe sei ein Men­
    Es könne gar nicht genug über                   Grundvoraussetzung                                             schenrecht und deshalb müsse
    Inklusion gesprochen werden,                    dafür, dass wir in                                             immer wieder darüber gespro­
    konstatierte Sarah Buddeberg,                   diesem Thema                                                   chen werden. Sachsen entwi­
    DIE LINKE. Die Aktuelle Debatte                 vorankommen.«                                                  ckele sich in diesem Bereich
    passe auch deshalb sehr gut,                                                                                   positiv. Als eines von wenigen
    weil jährlich am 5. Mai der                                                                                    Bundesländern habe der Frei­
    »Europäische Protesttag                                                                                        staat schon vor Jahren einen
    zur Gleichstellung von                                                                                         Aktionsplan zur Umsetzung der
    Menschen mit Behinde­                                                                                          UN-Behindertenrechtskonvention
    rungen« stattfinde. Er trage                                                                                   beschlossen. Deswegen dürfe
    in diesem Jahr das Motto                                                                                       man das eigene Licht nicht un­
    »Tempo machen für Inklusion«                                                                                   ter den Scheffel stellen, auch
    und genau das solle sich Sach­                                                                                 wenn manches schneller gehen
    sen auf die Fahnen schreiben.                      49. Sitzung des Sächsischen Landtags                        könne. Im Rahmen des Förder­
    Die Vorstellung, bis zum Jahr                                                                                  programms »Sachsen barriere­
                                                                   // Petra Köpping
    2030 im öffentlichen Raum voll­                                                                                frei 2030« seien bereits 49 Maß­
    ständige Barrierefreiheit zu                                                                                   nahmen in den Kommunen
    schaffen, bleibe wohl dennoch                                                                                  umgesetzt worden. Im Jahr 2021
    eine schöne Illusion. Tatsäch­                                                                                 habe die Staatsregierung
    lich befinde sich der Freistaat                                                                                150 000 Euro je Landkreis und
    von einer inklusiven Gesell­        sich Hanka Kliese, SPD. Ohne         dass Inklusion ein Querschnitts­      kreisfreier Stadt ausgereicht.
    schaft noch Lichtjahre entfernt.    dieses Mitdenken könnten             thema darstelle, das nicht aus­       Die Kommunen haben gezeigt,
    In bestehenden Bauten müssten       Menschen, die besonderen             schließlich die Sozialpolitik         dass Barrierefreiheit im öffent­
    weiterhin Hindernisse beseitigt     Hilfebedarf haben, zum Beispiel      betreffe. Eine barrierefreie Ge­      lichen Raum für sie einfach da­
    werden. Das könne nur durch         keine politischen Veranstaltun­      sellschaft entstehe nicht aus         zugehöre. Schließlich profitier­
    gesetzliche Regelungen erreicht     gen besuchen, ins Theater ge­        einer einzigen Maßnahme, son­         ten nicht allein Menschen mit
    werden. Doch die Staatsregie­       hen oder problemlos durch den        dern setze sich aus vielen klei­      Behinderung davon, sondern
    rung habe diesen Aspekt bei         Haupteingang einer Schule ge         nen Puzzleteilen zusammen.            viele andere mehr.

// Alexander Dierks          // Doreen Schwietzer          // Sarah Buddeberg              // Petra Čagalj Sejdi           // Hanka Kliese // Fotos: O. Killig

    Ausgabe 3 2022                                                                                                                                        7
             ˚
223 Der Sächsische Landtag
PLENUM

// Henning Homann // Foto: O. Killig                      49. Sitzung des Sächsischen Landtags

                                                                                                             Dr. Daniel Thieme

                    Niedriglohnland ade
       Inflation trifft besonders               // »Sicherheit im Wandel: Beschäftigte mit kleinen und mittleren Einkommen
       niedrige Einkommen                       schützen – den Sozialstaat stärken.« lautete die zweite Aktuelle Debatte am 4. Mai 2022.
                                                Die SPD-Fraktion hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt, um auf die Rechte
                                                von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hinzuweisen. //

Bekenntnis zu Tariflöhnen                       Mehr Netto vom Brutto                            Sozialen Ausgleich schaffen

Die sächsischen Unternehmen benötigten          Die SPD sei schon lang nicht mehr die Partei     Gerhard Liebscher, BÜNDNISGRÜNE, sah
gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so       der kleinen Bürger, kritisierte Frank Peschel,   eben­falls die Gefahr, dass die steigende Infla­
Henning Homann, SPD. Den Wettbewerb um          AfD, die einbringende Fraktion. Seine Partei     tion niedrige Einkommen stärker belaste.
die Fachkräfte der Zukunft könne ein Nied­      stehe hingegen für einen sicheren Sozialstaat,   Diese müssten daher besonders geschützt
riglohnland aber nicht gewinnen. Das klare      den alle brauchten. Sie setze sich ebenfalls     werden. Die Aufgabe der Politik liege darin,
Bekenntnis der Regierungskoalition zu Tarif­    dafür ein, dass die Bürger mehr Netto vom        einen sozialen Ausgleich zu schaffen, um
löhnen sei deshalb ein wichtiges Signal. Der    Brutto haben. Um kleinere und mittlere Ein­      einer weiteren gesellschaftlichen Spaltung
Kündigungsschutz dürfe ebenfalls nicht an­      kommen zu entlasten, könne beispielsweise        vorzubeugen. Zusätzlich würden höhere Löh­
getastet werden. Betriebsräte seien eine        der ÖPNV für bestimmte Arbeitnehmergrup­         ne helfen, die Kaufkraft zu stabilisieren. Tarif­
wichtige Errungenschaft, da sie den Be­         pen kostenlos angeboten oder das Wohn­           gebundene Arbeitsverhältnisse gäben den
schäftigten in Zeiten des Wandels Sicher­       geld weiter erhöht werden.                       Beschäftigten planerische Sicherheit.
heit böten.                                         Nico Brünler, DIE LINKE, wies darauf hin,       In Vertretung von Wirtschaftsminister
    Nach Ansicht von Alexander Dierks, CDU,     dass Sachsen im Schnitt bei 81,5 Prozent         Martin Dulig, SPD, sprach Staatsministerin
bedeute Sicherheit vor allem, dass Menschen     des bundesdeutschen Gehaltsdurchschnitts         Petra Köpping, SPD.Sie sagte, die Aufgabe
in Arbeit blieben. Arbeitslosigkeit stelle      liege. Die aktuelle Preisentwicklung treffe      der Politik liege darin, Veränderungen einen
nach wie vor das größte Risiko von Armut        daher besonders viele Menschen. Zu den           Rahmen zu geben, damit die Menschen sich
dar. Sozialversicherungspflichtige Beschäf­     wichtigsten Sozialmaßnahmen gehörten             darin nicht einfach verlören. Der Sozialstaat
tigung sorge dafür, dass der Sozialstaat wei­   steigende Löhne, ordentliche Tarifabschlüsse     spiele dabei eine wichtige Rolle. Er schenke
terhin funktioniere. Mittlere und kleinere      und eine Tarifbindung. Es sei verwunderlich,     den Menschen Sicherheit und biete drin­
Einkommen seien in den vergangenen Jah­         dass es der Freistaat Sachsen bisher nicht       gend benötigten Zusammenhalt. Das Förder­
ren nicht alleingelassen worden, wie etwa       geschafft habe, das Vergabegesetz zu novel­      programm »Soziale Orte« sei in diesem Sin­
die Erhöhung des Kindergeldes und anderer       lieren, um Lohn- und Sozialstandards für         ne erdacht worden. Besonders im ländlichen
allgemeiner Steuerfreibeträge zeige.            konkrete Aufträge festzuschreiben.               Raum werde es gut angenommen.

                                                                                                                               Ausgabe 3 2022
                                                                                                                                        ˚
223 Der Sächsische Landtag
PLENUM
                                                                                                                      Dr. Daniel Thieme

                     Zurück auf den Gipfel
    Tourismus erhält weitere finanzielle Unterstützung                                           50. Sitzung des Sächsischen Landtags

// Die CDU-Fraktion beantragte auf der 50. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags                                wieder stärken. Liebscher forderte darüber
am 5. Mai 2022 eine Aktuelle Debatte zur Stärkung des Tourismus in Sachsen. Der                              hinaus, Nachhaltigkeit im ökologischen,
                                                                                                             ökonomischen und sozialen Sinne zu leis­
Titel lautete: »Neustart Tourismus – wichtigen Wirtschaftszweig jetzt nachhaltig
                                                                                                             ten, um die Branche krisenfest und wettbe­
unterstützen!«. Die Branche bekommt in diesem Jahr aus dem Sondervermögen                                    werbsfähig aufzustellen.
»Corona-Bewältigungsfonds Sachsen« 5,6 Millionen Euro an Fördergeldern. //

                                                                                                             Angepackt statt aufgegeben
Wirkungsvolle Maßnahmen                         nötigten die Touristiker mehr Freiheit und
                                                Verlässlichkeit.                                             Henning Homann, SPD, erklärte, mit den
Nach dem Rekordjahr 2019 erlebte der Tou­                                                                    finanziellen Hilfen zeige der Staat, dass er
rismus in Sachsen in den vergangenen zwei                                                                    handlungsfähig sei und Krisen wirksam be­
Corona-Jahren einen drastischen Rückgang,       Veränderte Ansprüche                                         gegnen könne. Es sei ökonomisch deutlich
resümierte Jörg Markert, CDU. Die Branche                                                                    sinnvoller gewesen, eine Branche wie den
habe in der Krise mit vielen Aktionen auf       Antje Feiks, DIE LINKE, machte deutlich, dass                Tourismus vor der Krise zu schützen, anstatt
ihre Lage aufmerksam gemacht. Die Hilfen        sich die Ansprüche an das Reisen und den                     langfristig mit den Folgen leben zu müssen.
von Bund und Land seien richtig gewesen         Tourismus während der Pandemie verändert                     Dies sei besonders wichtig, da 200 000 Ar­
und haben ihre Wirkung entfaltet. Nun müsse     haben. Es sei sinnvoll, die Hilfsgelder im                   beits­plätze vom Tourismusbereich abhingen.
es darum gehen, die Widerstandsfähigkeit        Sinne einer strategischen Weiterentwick­                     Tausende haben trotz der schwierigen Situa­
im Tourismus zu erhöhen und verstärkt Digi­     lung einzusetzen. Ebenso wichtig sei der                     tionen nicht aufgegeben, sondern die Ärmel
talisierung und Nachhaltigkeit in den Blick     Umweltschutz. Ein zu hohes Menschenauf­                      hochgekrempelt.
zu nehmen.                                      kommen bedrohe in der Sächsischen Schweiz                       Barbara Klepsch, Staatsministerin für
    Nach Meinung von Ivo Teichmann, AfD,        die Artenvielfalt. Dieses Thema müsse man                    Kultur und Tourismus, CDU, wies darauf hin,
habe sich die Staatsregierung die Probleme      mit denjenigen besprechen, die sich vor Ort                  dass bereits im Jahr 2021 die Förderrichtlinie
im Tourismus mit unverhältnismäßigen            eine touristische Existenz aufgebaut haben.                  »Neustart Tourismus« Unternehmen geholfen
Lock­down-Maßnahmen selbst eingebrockt.            Die coronabedingten Umsatzverluste                        habe, Erhaltungsinvestitionen zu finanzieren.
Für die Unternehmen vor Ort sei das katast­     dürften nicht dazu führen, dass Unternehmen                  Die neu angekündigten Hilfen seien dank der
rophal. Zwischen Juli 2019 und Juli 2021 habe   nicht mehr investieren könnten oder ganze                    Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern
sich die Gästezahl halbiert und sei auf den     Betriebe schlössen, so Gerhard Liebscher,                    aus der Tourismusbranche erarbeitet worden.
Stand von 1996 gesunken. Hinzu komme die        BÜNDNISGRÜNE. Mit der angekündigten                          Klepsch versprach außerdem, die Tourismus­
Abwanderung von Fachkräften. Um weitere         Richtlinie wolle die Koalition daher die Wett­               strategie für die kommenden Jahre weiterzu­
wirtschaftliche Schäden abzuwenden, be          bewerbsfähigkeit des Tourismus in Sachsen                    entwickeln.
// Barbara Klepsch                                                     // Jörg Markert // Fotos: O. Killig

Ausgabe 3 2022                                                                                                                                           9
         ˚
223 Der Sächsische Landtag
PLENUM

// Franz Sodann // Foto: O. Killig                          50. Sitzung des Sächsischen Landtags

   Hoffnung auf spürbare Entlastungen
                                                            Preissteigerungen treffen vor allem arme Menschen

// Die Aktuelle Stunde am 5. Mai komplettierte die Fraktion DIE LINKE. Die von ihr beantragte                    Dr. Daniel Thieme
Aktuelle Debatte lautete: »Zum Leben zu wenig … – steigende Preise und Lebenshaltungskosten
ausgleichen: Höhere Löhne und armutsfeste Sozialleistungen. Jetzt!«. //

Unterstützung reicht nicht                      Steuern und Abgaben senken                     Hilfe für niedrige Einkommen

Über 17 Prozent der Haushalte in Sachsen        André Barth, AfD, erklärte, anstatt Arbeit­    Henning Homann, SPD, befand, die durch den
seien arm oder von Armut bedroht, eröffnete     nehmern einfach immer mehr Geld zu ge­         Krieg entstandenen Verwerfungen ließen
Franz Sodann, DIE LINKE, die Debatte. Preis­    ben, sollten Steuern und Abgaben gesenkt       sich nicht vollständig ausgleichen. Dennoch
steigerungen träfen besonders ärmere            werden. Damit würden Nettolöhne steigen        sollten die beschlossenen Entlastungspakete
Haushalte, da sie prozentual mehr für Ener­     und Preise sinken. Andernfalls drohe die       der Bundesregierung anerkannt werden.
gie und Nahrungsmittel ausgeben müssten.        Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale, wenn auf      Weiterhin sei es wichtig, Menschen mit niedri­
Die von der Bundesregierung versproche­         die Inflation mit höheren Löhnen und an­       gen und mittleren Einkommen so zu stärken,
nen Entlastungen nach dem Gießkannen­           schließend wieder mit höheren Preisen re­      dass sie Preissteigerungen abfedern könn­
prinzip zu verteilen, sei falsch. Ohnehin       agiert werde. Die eigentliche Ursache der      ten. Der geplante Mindestlohn von 12 Euro
reichten die versprochenen 300 Euro extra       Inflation liege darin, dass die Geldmenge im   werde dabei ebenfalls helfen und das Lohn­
bei Energiekostensteigerungen von über          Euro-Raum in der Vergangenheit schneller       gefüge als Ganzes nach oben verschieben.
80 Prozent nicht aus.                           gewachsen sei als die Wirtschaft.                 Man könne nicht jedem oder jeder Ein­
   Tom Unger, CDU, entgegnete, Deutsch­             Die steigenden Lebenshaltungskosten        zelnen gerecht werden, dennoch seien die
land sei kein Armutsstaat, sondern weise ein    seien für arme Menschen schwierig, stimm­      beschlossenen Bundeshilfen ein wichtiges
engmaschiges soziales Netz auf. Die Sozial­     te auch Petra Čagalj Sejdi, BÜNDNISGRÜNE,      Zeichen, so die Staatsministerin für Soziales
leistungsquote der Bundesrepublik habe          zu. Das grundsätzliche Problem von Armut       und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Pet­
2020 bei 33,6 Prozent gelegen. Ein leistungs-   müsse aber vorrangig auf Bundesebene ge­       ra Köpping, SPD. Auch der Freistaat Sachsen
und zukunftsfähiger Sozialstaat müsse aber      löst werden. Einige Unterstützungsleistun­     leiste einen Beitrag, um Menschen in den
in Balance bleiben. Dazu gehöre das Prinzip     gen habe man dort bereits auf den Weg          gegenwärtig schwierigen Zeiten sozial zu
von Fördern und Fordern genauso wie leis­       gebracht oder es werde daran gearbeitet.       unterstützen. Der Sozialhaushalt gehöre zu den
tungsfähige Unternehmen und öffentliche         Dazu zählten beispielsweise der Heizkos­       größten Posten im Gesamtetat, dennoch
Arbeitgeber. Seine Fraktion bekenne sich        tenzuschuss, der Kindersofortzuschlag, der     solle bei Beratungsleistungen, Prävention
deshalb zu einem starken Wirtschaftsstand­      Grundfreibetrag oder die Arbeitnehmerpau­      oder Gesundheitsvorsorge der momentane
ort Sachsen.                                    schale.                                        Standard gehalten werden.

                                                                                                                           Ausgabe 3 2022
                                                                                                                                    ˚
PLENUM

// Jörg Dornau // Fotos: O. Killig                       50. Sitzung des Sächsischen Landtags                                // Wolfram Günther

                      Steckdose oder Teller?
                                                                                                            Dr. Daniel Thieme

                                                  AfD-Fraktion kritisiert verfehlte Flächennutzungspolitik

// Eine weitere Aktuelle Debatte in der 50. Sitzung des Sächsischen Landtags am                 Zschocke, BÜNDNISGRÜNE. Wer die Nah­
5. Mai hatte die AfD-Fraktion auf die Tagesordnung gesetzt. Unter dem Titel »Mit                rungsmittelkrise lösen wolle, ohne die Öko­
                                                                                                logie zu beachten, verschärfe sie am Ende
Volldampf in den Kohldampf – Nahrungsmittelkrise voraus?« weist sie auf weiter
                                                                                                noch. Die Tierhaltung etwas zu reduzieren,
steigende Preise und Engpässe bei der Lebensmittelversorgung hin. Laut Statisti-                wäre ein substanzieller Beitrag zur Welt­
schem Bundesamt verteuerten sich Lebensmittel in Deutschland gegenüber dem                      ernährung.
Vorjahr im April um über 8 Prozent. //

                                                                                                Arme Länder betroffen

Falsche Schwerpunkte                           ankerten Landwirtschaft. Ein vollständiger       Volkmar Winkler, SPD, warnte ebenfalls da­
                                               Öko-Anteil beanspruche aber mehr Flächen,        vor, dass die Folgen des russischen Angriffs­
Jörg Dornau, AfD, verwies darauf, dass von     als Deutschland zur Verfügung habe.              krieges neben der Ukraine hauptsächlich
hohen Lebensmittelpreisen besonders ein­                                                        die ärmsten Länder der Welt treffen würden.
kommensschwache Haushalte betroffen                                                             Vor allem hohe Energiepreise ließen die Le­
seien. Die Ursachen lägen unter anderem in     Problematische Tierhaltung                       bensmittelkosten aktuell steigen. Diese Ent­
Ernteausfällen, Krieg und Spekulationen.                                                        wicklung dürfe aber nicht als Vorwand be­
Die EU experimentiere auf hochproduktiven      Die Debatte der AfD sei reine Panikmache,        nutzt werden, um in der Agrarpolitik die Zeit
Böden mit Ökolandwirtschaft, zugleich im­      kritisierte Antonia Mertsching, DIE LINKE.       zurückzudrehen.
portiere sie riesige Mengen Futter- und Nah­   Es gebe keine Produktionsknappheit. Ent­            Deutschland weise besonders bei den
rungsmittel. Der Verzicht auf Pflanzen­        scheidend sei vielmehr die Frage der Vertei­     Grundnahrungsmitteln einen sehr hohen
schutzmittel bedeute, bis zu 50 Prozent der    lung. Unter Druck stehe vor allem die Flächen­   Selbst­versorgungsgrad auf, so Landwirt­
Ernten zu verlieren.                           nutzung, da die Nachfrage nach tierischen        schafts­­­minister Wolfram Günther, BÜNDNIS­
    Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU, be­     Eiweißen und Fetten weiterhin steige.            GRÜNE. Niemand müsse hierzulande Hunger
kräftigte, im schlimmsten Fall drohe in ein­   57 Prozent der Fläche würden für Futter­         leiden. Ebenso lasse sich der Hunger in an­
zelnen Weltteilen eine Nichtversorgung mit     pflanzen verwendet, diese könnten viel bes­      deren Teilen der Welt nicht damit begründen,
Lebensmitteln. Während Westeuropa reich        ser zum Anbau von Weizen genutzt werden.         dass in Deutschland 4 Prozent der Landwirt­
genug sei, diese weiterhin zu kaufen, wären       Die wichtigsten Grundlagen für die Be­        schaftsflächen ökologisch genutzt würden.
vor allem der Nahe Osten oder Ostafrika be­    kämpfung der Nahrungsmittelkrise seien           Eine höhere Flächennutzung beim Getreide­
troffen. Die CDU bekenne sich zu einer viel­   gesunde Böden, ausreichend Wasser und            anbau hätte kaum wahrnehmbare Auswir­
fältigen, umweltgerechten und regional ver     ein stabiles Klima, unterstrich Volkmar          kungen auf die globale Gesamtmenge.

Ausgabe 3 2022                                                                                                                              11
         ˚
PA R L A M E N T

                                                                                                                        Janina Wackernagel

 Landwirtschaft von morgen
            Ausschuss beschäftigt sich mit Zukunftsbericht

                                                                                                                                    Foto: ©iStock.com/alzay

Als Sachkundige geladen waren         // Am 14. April 2022 wurde im Ausschuss für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirt-
Landwirte, die an der Zukunfts­       schaft der Abschlussbericht der »Zukunftskommission Landwirtschaft« angehört. Die Kom-
kommission Landwirtschaft mit­
                                      mission war Ende 2019 auf Bundesebene eingesetzt worden. Ihr Bericht umfasst gemeinsame
gewirkt hatten sowie Vertreter
aus Forschungsinstituten und          Vorschläge der Beteiligten aus Agrar- und Umweltverbänden für eine zukunftsorientierte
sächsischen Agrarverbänden.           Landwirtschaft in Deutschland. Mit dem nun behandelten Antrag wollen die Fraktionen
Sie stellten eindrücklich dar,        CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD erfahren, welche Empfehlungen im Freistaat Sachsen wirk-
dass sich die moderne Landwirt­
                                      sam werden könnten. //
schaft mit einer ganzen Reihe
an Zielkonflikten beschäftigen
muss: Ernten sollen ertragreich       Agrar- und Umwelt­                           der Zukunft verständigen. So         gesellschaftliche Aufgabe. Er
und Lebensmittel nicht schad­         verbände: nicht gegen-,                      berichtete Werner Schwarz,           warnte zugleich davor, wegen
stoffbelastet sein. Ferner sollen     sondern miteinander                          Präsident des Bauernverbands         des Kriegs in der Ukraine und
sie dem Klima­wandel gegenüber                                                     Schleswig-Holstein, man stehe        seiner Auswirkungen auf die
möglichst resilient sein. Ökolo­      Die Zukunftskommission des                   auch nach Ende der Kommissi­         Nahrungsmittelproduktion nun
gischer Landbau solle dabei –         Bundes hat nach Auskunft der                 onsarbeit weiter im konstruk­        Entscheidungen zu treffen, mit
unter anderem zum Schutz von          Sachkundigen einen wesent­                   tiven Austausch miteinander.         denen Klima- und Artenschutz
Grundwasser – bevorzugt wer­          lichen Teil ihres Auftrags erfüllt.          Konsens sei, dass es offenkun­       zunächst hintenangestellt wür­
den, verbrauche aber mehr Flä­        Ihr gelang es, die oftmals zer­              dig einer Transformation bedür­      den. Dies verlagere die Probleme
che, die grundsätz­lich knapp         strittenen Akteure aus Agrar-                fe – denn auch wenn Landwirt­        nur zeitlich. Zur Nahrungsmit­
sei. Zugleich sollen Treibhaus­       und Umweltverbänden an einen                 schaft natürlich systemrelevant      telproduktion brauche es letzt­
gasemissionen der Landwirt­           Tisch zu bringen. Sie konnten                sei, habe sie zugleich negative      lich funktionierende Ökosysteme.
schaft reduziert und Biodiversi­      sich dort auf gemeinsame Leit­               Um­weltauswirkungen. Besonders           Wie in vielen anderen Regio­
tät gefördert werden. Über            linien für die Landwirtschaft                hart für viele Landwirte: Die ver­   nen, müsse man sich nun auf
allem schwingt zudem die Fra­                                                      ursachten Kosten übersteigen         der politischen Ebene Gedan­
ge, für wen Erträge eigentlich                                                     die Wertschöpfung, die durch         ken machen, wie die Kommissi­
produziert werden sollen: für                                                      die Landwirtschaft geschaffen        onsvorschläge in Sachsen sinn­
den Teller, den Trog oder den                                                      werde. Wichtig sei allerdings        voll umgesetzt werden können.
                                          ZUM NACHLESEN

                                                          Wortprotokoll
Tank? Prof. Dr. Knut Schmidtke,                                                    die Erkenntnis gewesen, dass         Auch auf die Verbraucher kom­
                                                           Öffentliche
Direktor eines Schweizer For­                              Anhörung                die Umgestaltung nicht als Auf­      me eine große Verantwortung
schungsinstituts für biologischen                                                  gabe dem Berufsstand der             zu, denn: Die Produktion folge
Anbau, erklärte, man könne                                                         Landwirte übertragen werden          dem Konsum. Bei gleichblei­
nicht lediglich ein Ziel priorisie­                                                solle, so Fabian Wendenburg,         benden Konsumgewohnheiten
ren, sondern müsse versuchen,                                                      Bundes­geschäftsführer »Famili­      werde man keine nachhaltige
die Zielstellungen klug mitein­                                                    enbetriebe Land und Forst e. V.«.    Transformation der Landwirt­
ander zu kombinieren.                                                              Es handle sich um eine gesamt­       schaft erreichen.

                                                                                                                                       Ausgabe 3 2022
                                                                                                                                                ˚
PA R L A M E N T

                                                                                                                                  Rüdiger Soster

LAUFENDE GESETZGEBUNG
 TITEL | EINBRINGER                            ERLÄUTERUNG                                                             STATUS

 Gesetz zur Einführung des Gesetzes            Mit dem geplanten Gesetz soll ein Anspruch auf Zu­                      Öffentliche Anhörung im Aus­
 über die Transparenz von Informa­             gang zu allen relevanten Informationen des Freistaates                  schuss für Verfassung und Recht,
 tionen im Freistaat Sachsen,                  Sachsen geschaffen werden. Bestimmte Informationen                      Demokratie, Europa und Gleich­
 7/8517 | Staatsregierung                      müssen zudem von Amts wegen auf einer Online-­                          stellung
                                               Transparenzplattform veröffentlicht werden.                             am 13. April 2022

 Erstes Gesetz zur Änderung des                Mit den Änderungen sollen die Rahmenbedingungen                         Überweisung an den Haushalts-
 Gesetzes über die Errichtung                  zur Fortsetzung des geförderten Glasfaserausbaus in                     und Finanzausschuss (ffd.) sowie
 eines Sondervermögens                         Sachsen geschaffen werden.                                              an den Ausschuss für Wirtschaft,
 »Fonds für digitale Teilhabe und                                                                                      Arbeit und Verkehr
 schnelles Internet«,                                                                                                  am 6. April 2022
 7/9581 | CDU, BÜNDNISGRÜNE,
 SPD

 Zweites Gesetz zur Änderung des               In Reaktion auf die Covid-19-Pandemie soll es möglich                   Überweisung an den Ausschuss
 Sächsischen Hochschulfreiheits­               werden, die Befristungsdauer akademischen Perso­                        für Wissenschaft, Hochschule,
 gesetzes,                                     nals und die Regelstudienzeit zu verlängern sowie                       Medien, Kultur und Tourismus
 7/9596 | CDU, BÜNDNISGRÜNE,                   Prüfungen digital durchzuführen.                                        am 7. April 2022
 SPD

ABGESCHLOSSENE GESETZGEBUNG
 TITEL | EINBRINGER                            ERLÄUTERUNG                                                            STATUS
 Zweites Gesetz zur Änderung                   Mit dem Änderungsgesetz sollte dem Rückgang der                        abgelehnt
 des Sächsischen Naturschutz­                  Artenvielfalt und dem Verlust von Lebensräumen ent­
 gesetzes,                                     gegengetreten werden. Dabei sollten Gartenanlagen
 7/5936 | DIE LINKE                            insektenfreundlich gestaltet und von Schotterflächen
                                               frei gehalten werden.

 Gesetz zur Einführung eines                   In Sachsen sollte ein neuer jährlicher Feiertag am                     abgelehnt
 »Kinder- und Familienfreitags«                ersten Freitag des Monates Juni eingeführt werden,
 als gesetzlichen Feiertag,                    um auf die Lebenssituation und Rechte von Kindern
 7/6595 | DIE LINKE                            hinzuweisen.

 Gesetz zum Staatsvertrag zur                  Das Gesetz erteilt die erforderliche Zustimmung zum                    angenommen
 Änderung des Glücksspielstaats­               Änderungsstaatsvertrag. Dieser lockert u. a. das Inter­
 vertrags 2021,                                netverbot von Glücksspielen und führt neue Schutz­
 7/9568 | Staatsregierung                      maßnahmen ein.

 Gesetz zum Zweiten Staatsvertrag              Das Zustimmungsgesetz überführt die Anpassungen                        angenommen
 zur Änderung medienrechtlicher                im Medienstaatsvertrag und im Jugendmedienschutz­
 Staatsverträge,                               staatsvertrag in Landesrecht. Barrierefreie Medien­
 7/8749 | Staatsregierung                      angebote werden gestärkt und Novellierungen im
                                                                                                                                                               Grafik: Jezper / Adobe Stock

                                               Jugendschutzgesetz berücksichtigt.

 Die »Laufende Gesetzgebung« zeigt den Fortschritt in aktuellen Gesetzgebungsverfahren des Sächsischen Landtags an. Unter
 »Abgeschlossene Gesetzgebung« sind angenommene und abgelehnte Gesetzentwürfe aufgeführt. Stand: 5. Mai 2022.

Ausgabe 3 2022                                                                                                                                            13
         ˚
AKTUELLES

 Katja Ciesluk

Mehr Parlamentsarbeit,
mehr Livestreams
und Barrierefreiheit
Sächsischer Landtag mit neuem Internetauftritt

Fotos: Sächsischer Landtag

// Der Sächsische Landtag hat unter www.landtag.sachsen.de einen neuen
Internet­auftritt. Das Onlineangebot wurde optisch neu gestaltet, inhaltlich ausge-
weitet und auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. //

Die Überarbeitung war notwendig, um ein         Informationsangebot,
klares Design für die optimale Nutzung auf      Arbeitsmittel und
mobilen Endgeräten zu schaffen und neue         Recherchequelle in einem
Funktionen zu integrieren. Zwei Drittel der
Zugriffe erfolgen über Mobilgeräte.             »Unsere Demokratie braucht gut informierte
   Moderne grafische Elemente wie eine          Bürgerinnen und Bürger. Dafür schaffen wir
interaktive Wahlkreiskarte ermöglichen das      mit unseren Onlineangeboten eine wichtige
Erfassen von Inhalten auf einen Blick. Die      Voraussetzung«, sagt Landtagspräsident         Startseite: das Wichtigste aus dem
Nutzerinnen und Nutzer finden mehr Infor­       Dr. Matthias Rößler. »Alle können sehen,       Parlament auf einen Blick
mationen über das Parlamentsgeschehen,          wann welche Themen auf der Tagesordnung        Auf der Startseite erhalten die Nutze­
beispielsweise zur Arbeit der Ausschüsse.       stehen, welche Reden gehalten werden,          rinnen und Nutzer auf einen Blick die
Auf die Barrierefreiheit wurde besonderes       welche Experten angehört werden und was        wichtigsten Informationen: Wann sind
Augenmerk gelegt, um die gesetzlichen           am Ende beschlossen wurde. Künftig kön­        die nächsten Sitzungen? Welche Veran­
Anforderungen (u. a. Barrierefreie-Websites-­   nen die Nutzer sogar öffentliche Anhörun­      staltungen finden im Landtag statt?
Gesetz, beschlossen vom Sächsischen             gen der Ausschüsse live verfolgen. Die         Worüber haben die Abgeordneten zu­
Landtag im April 2019) umzusetzen.              Landtagsseiten sind nicht nur ein Informati­   letzt im Plenum diskutiert? Aktuelle
                                                onsangebot, sondern auch ein wichtiges         Videos beziehungsweise Livestreams
                                                Arbeitsmittel für Abgeordnete und deren        der Parlaments­sitzungen und kurze
                                                Mitarbeiter, eine Recherchequelle für Jour­    Meldungen zum Geschehen im Parla­
                                                nalisten sowie Mitarbeiter von Behörden,       ment komplettieren die Seite.
                                                Unternehmen und Organisationen.«

                                                                                                                       Ausgabe 3 2022
                                                                                                                                ˚
AKTUELLES

 Abgeordnete: Wissenswertes
 übersichtlich aufbereitet
 Wer sitzt im Landtag? Wer vertritt                                                     Rubrik »Landtag für euch«:
 welchen Wahlkreis? Wer hat welche                                                      Parlament für junge Leute
 Ämter und Funktionen inne?                                                             Die Seite bündelt alle Angebote des
 • Abgeordnete von A bis Z:                                                             Landtags, die besonders für Schüler­
   Bilder, Biographien, Ehrenämter, Aus­      Ausschüsse: mehr Einblick in die
                                                                                        innen und Schüler geeignet sind:
   schüsse, Kontakt                           Facharbeit des Parlaments
                                                                                        • Besuch im Parlament
 • interaktive Wahlkreiskarte (neu):          Zu jedem Ausschuss und Gremium
   Sachsenkarte mit allen Wahlkreisen,                                                  • Videoreihe:
                                              ist neben der Zusammensetzung
   Direktmandate sowie Kontakt­                                                           »Wer, wie, was? Schnell erklärt!«
                                              eine kurze Erklärung zu den Arbeits­
   personen aller Fraktionen                  schwerpunkten abrufbar.                   • Virtueller Landtagskoffer
 • Abgeordnetenstatistik seit 1990:                                                     • Schülerkalender, Quizfächer, Malheft
                                              Öffentliche Anhörungen der Ausschüsse
   Alter, Geschlecht, Ausschussmitglied­
                                              mit Sachkundigen aus dem Plenarsaal       • Kontakte jugendpolitischer
   schaften, Fraktionswechsel
                                              werden künftig als Livestream auf der       Sprecherinnen und Sprecher
 Zudem geben Reportagen Einblicke in          Startseite gezeigt. Außerdem können
 die Arbeit der Abgeordneten.                 Interessierte Berichte über ausgewählte
                                              Anhörungen nachlesen.
                                              Diese Rubrik ergänzt das bereits etab­
                                              lierte Angebot »Plenum im Rückblick«.

                                                                                        Barrierefreiheit
                                                                                        Der Sächsische Landtag hat für die
                                                                                        Überarbeitung mit BIKOSAX (Barriere­
                                                                                        freie Informations- und Komm­uni­ka­
                                                                                        tions­angebote des Freistaates Sachsen),
                                                                                        ein Bereich im Deutschen Zentrum für
                                                                                        barrierefreies Lesen (dzb lesen), und
                                                                                        dem Verein Leben mit Handicaps e. V.
                                                                                        zusammengearbeitet.
                                                                                        Der Bereich Leichte Sprache hat das
                                                                                        Siegel des Netzwerks Leichte Sprache
                                                                                        erhalten.
                                                                                        Auf der Seite »Barrierefreier Zugang«
                                   Klicken Sie gern einmal rein und informieren         sind zudem Hinweise zu baulichen
                                   Sie sich über die Arbeit des Parlaments!             Gegebenheiten und Angeboten der
                                   Ebenfalls neu gestaltet wurden im Zuge der           Öffentlichkeitsarbeit (Publikationen in
                                   Überarbeitung die Portale des Sächsischen            Leichter Sprache, Video mit Gebärden­
                                   Ausländerbeauftragten, der Landesbeauf­              sprachdolmetscherin, Führungen in
                                   tragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur        Leichter Sprache) zusammengefasst.
                                   und des Forum Mitteleuropa.

Ausgabe 3 2022                                                                                                                     15
         ˚
E I N TAG M I T …

                       Katja Ciesluk

                In bester Verfassung
                          Ein Tag mit Marko Schiemann, Vorsitzender des Ausschusses für
                          Verfassung und Recht, Demokratie, Europa und Gleichstellung

// Marko Schiemann und Michael Stehr in dessen Lederwaren- und Reitsportgeschäft. // Fotos: T. Schlorke

Es ist gar nicht so einfach, mit           // Der Bogen für diese Reportage schien vorgezeichnet: Marko Schiemann ist Vorsitzender
Marko Schiemann durch Bautzen              des Verfassungsausschusses, Abgeordneter der ersten Stunde und langjähriger rechtspoliti-
zu gehen und ein ungestörtes
                                           scher Sprecher der CDU-Fraktion (1990 bis 2014). In diesen Tagen feiert die Sächsische Ver-
Gespräch zu führen. Der Sorbe,
der seine Heimat seit 1990 un­             fassung ihr 30-jähriges Jubiläum. Schiemann hat an ihrem Entwurf in Gohrisch (Sächsische
unterbrochen als Direktkandi­              Schweiz) intensiv mitgewirkt. Diese Zeit zählt für wohl alle damals Beteiligten zu den Stern-
dat im Sächsischen Landtag in              stunden der wiedergewonnenen Demokratie. Es kam anders. Der Tag in Bautzen verfliegt –
Dresden vertritt, wird fortlau­
                                           ohne Bogen auf die Verfassung. //
fend angesprochen. Während
der 66-jährige Abgeordnete an­
setzt, um uns die Zusammen­                genden Stunde mit Herzblut                  Marko Schiemann möchte uns              portgeschäft. Für Schiemann
hänge der jüngsten Begegnung               und Stolz ihre Projekte vorstellen.         unbedingt jemanden vorstellen.          ein langjähriger Wegbegleiter
zu erklären, folgt schon die               Es sind Bibliotheken, Kulturver­            Gegenüber vom Steinhaus führt           und Unterstützer, vor allem
nächste Unterbrechung.                     eine, soziale Einrichtungen dar­            Michael Stehr in siebter Genera­        auch in gesellschaftlich schwie­
                                           unter. So unterschiedlich die               tion ein Lederwaren- und Reits          rigen Auseinandersetzungen,
                                           Projekte sind, es eint sie der
Orte der Demokratie                        Anspruch, durch konkrete An­                // Gespräch über den Dächern Bautzens

                                           gebote vor Ort ein vielfältiges
Aber der Reihe nach. Los geht              Miteinander der Menschen zu
es am Morgen mit einem Termin              verstetigen und zahlreiche Orte
im Steinhaus in Bautzen. Staats­           der Demokratie wachsen zu
ministerin Katja Meier ist in die          lassen. Ein Termin, mit dem die
Oberlausitz gekommen, um                   Politik punkten kann. Schiemann
Fördermittelbescheide für acht             zeigt Präsenz, ebenso wie der
»Orte der Demokratie« in den               Oberbürgermeister der Stadt
Landkreisen Bautzen, Görlitz               und weitere Abgeordnete. Vor
und Sächsische Schweiz-Ost­                dem Rundgang müssen wir uns
erzgebirge zu übergeben. Der               verabschieden. Der nächste
Raum quillt über vor engagier­             Termin steht an. Fünf Minuten
ten Menschen, die in der fol               haben wir aber noch.

                                                                                                                                              Ausgabe 3 2022
                                                                                                                                                       ˚
E I N TAG M I T …

// Besuch im Steinhaus Bautzen mit Staatsministerin Katja Meier und             // Austausch mit Geschäftsführer Peter Süßmilch beim Automobilzulieferer AFT.
Oberbürgermeister Alexander Ahrens.

welche die Stadt während der                 Förderanlagen Bautzen. Ohne        von der Treuhand an ein west­              klagten sei für ihn das Wichtigs­
Flüchtlingskrise mit voller                  die Firma würden weder der         deutsches Unternehmen ver­                 te, so der Gerichtspräsident.
Wucht trafen. Zudem sei der                  VW Golf in Zwickau noch Fahrer­    kauft, »hat man uns den Freiraum           »Gerechtigkeit heißt, den Men­
Geschäftsmann über mehrere                   häuser des Volvo-LKW im            gelassen, um uns zu entwickeln«,           schen gerecht zu werden und
Ecken verbandelt mit dem ehe­                schwedischen Umeå vom Band         erklärt Süßmilch das Erfolgs­              jedes Gegenüber anständig zu
maligen US-amerikanischen                    laufen, brachte die Sächsische     rezept seiner Firma, die trotz             behandeln.« Ganz besonders
Präsidenten Franklin D. Roose­               Zeitung die Bedeutung des          Herausforderungen wie der Auf­             natürlich in einer Kleinstadt,
velt. Dazu gibt es auch eine                 hochspezialisierten Mittel­        rechterhaltung von Lieferketten            wo man seine »Schützlinge«
schöne Geschichte, die der Ab­               ständlers einst auf den Punkt.     und dem Wandel im Automobil­               auch einmal auf der Straße
geordnete gern erzählt und sich              »Außerdem verfügen wir noch        bau bestens auf dem internati­             wiedertreffe und ihnen in
freut, dass er heute jemanden                über eine eigene Fertigung«,       onalen Markt besteht.                      die Augen blicken können
gefunden hat, der diese Ge­                  erzählt Geschäftsführer Peter                                                 sollte.
schichte noch nicht kennt. Die­              Süßmilch stolz. »Hier werden                                                      »Uns war es in der friedli­
se hier wiederzugeben, würde                 anspruchsvolle Konstruktionen      »Rechtsprechung ge­                        chen Revolution wichtig, dass
den Rahmen sprengen. Den                     entworfen, gefertigt, getestet.«   hört in die Regionen.«                     die Rechtsprechung so schnell
Menschen zuzuhören, ihnen                       »Dafür braucht es Fachkräfte.                                              wie möglich wieder in die Regi­
Zusammenhänge zu erklären                    Wir befinden uns im knallharten    Unsere nächste Station führt               onen kommt«, betont der Politi­
und sie zu verbinden, gehört zu              Wettbewerb um die klugen Köp­      uns in eines der schönsten Ge­             ker. »Und dort auch bleibt.«
Schiemanns Markenzeichen.                    fe«, so Schiemann. Deshalb re­     bäude der Stadt, erbaut Anfang             Eine starke regionale Präsenz
                                             krutiere AFT seinen Nachwuchs      des 20. Jahrhunderts im Stil der           hält der Bautzener, der übri­
                                             unter anderem auch schon im        Neorenaissance. Gesprächs­                 gens selbst kein Jurist, sondern
Firmenbesuch im                              benachbarten Polen und Tsche­      partner ist Friedrich-Leopold              Vermessungsingenieur ist, bis
Dreiländereck                                chien. Die Grenze zu den euro­     Graf zu Stolberg-Stolberg, Präsi­          heute für essenziell. Es ist ein
                                             päischen Nachbarn ist nah. Das     dent des Landgerichts Görlitz –            sehr interessanter Austausch.
Weiter geht es in den Süden                  Unternehmen für Fördertechnik      mit Außenkammern in Bautzen.               Graf zu Stolberg-­Stolberg, der
seiner Heimatstadt, in ein Ge­               blickt auf eine ebenso lange       »In der ehemaligen DDR waren               als Spitzenbeamter im Justizmi­
werbegebiet: Firmenbesuch                    wie erfolgreiche Firmentradition   Gerichte oft unzureichend unter­           nisterium in den 1990er-Jahren
beim Automobilzulieferer AFT                 zurück. Anfang der 1990er-Jahre    gebracht«, erzählt Schiemann.              an der Erarbeitung zahlreicher
                                                                                Heute hingegen unterstrichen               Landesgesetze im Freistaat mit­
// Treffen mit den Präsidenten des Landgerichtes Görlitz
                                                                                repräsentative Räume die Wert­             gewirkt hat, könnte uns noch
                                                                                schätzung gegenüber der Justiz             lange an seiner profunden Ex­
                                                                                als eine der drei Säulen staat­            pertise teilhaben lassen, wenn
                                                                                licher Gewalt. Gleichzeitig neh­           die Uhrzeiger nicht so schnell
                                                                                me seit Jahren das Vertrauen in            voranschreiten würden.
                                                                                die Justiz ab, hakt Richter Graf               Danach geht es – ohne uns –
                                                                                zu Stolberg-Stolberg ein. Eine             weiter zu einem Termin in die
                                                                                Entwicklung, die ihn sehr sor­             Staatskanzlei nach Dresden.
                                                                                genvoll stimme. Ein nicht zu               Und am frühen Abend pendelt
                                                                                unterschätzendes Problem,                  Marko Schiemann wieder zu­
                                                                                das auch die Politik ihrerseits            rück zu einer Veranstaltung
                                                                                immer stärker herausfordert.               nach Bautzen. Das Gespräch
                                                                                   Die zwischenmenschliche                 über die Verfassung haben wir
                                                                                Kommunikation mit den Ange                 nicht geschafft.

Ausgabe 3 2022                                                                                                                                                  17
         ˚
Sie können auch lesen