KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...
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KIRCHEN MUSIKALISCHE MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 DIÖZES E RO E N BU R G - ISSN 1436-0276 STU G A RT
I N H A LT S V E R Z E I C H N I S Liturgie aktuell St. Meinrad-Weg 6 · 72108 Rottenburg 2 Gerhard Schneider • Dank an alle in der Kirchenmusik Engagierten Telefon (07472) 169 953 3 Libreria Editrice Vaticana • Ansprache des Heiligen Vaters Telefax (07472) 169 955 www.amt-fuer-kirchenmusik.de Schwerpunktthema Leiter des Amtes für Kirchenmusik Diözesanmusikdirektor Walter Hirt 9 Erfahrungsberichte • Kirchenmusik in Coronazeiten e-Mail: Whirt@bo.drs.de Aus der Praxis Stellvertretender Leiter des Amtes für Kirchenmusik · Fachstelle für das 39 Franz Günther • Improvisatorisches Lernen Glockenwesen: Prof. Dr. Hans Schnieders 52 Karl Echle • Chorwerke von Gregor Simon Telefon (07472) 169 952 e-Mail: hschnieders@bo.drs.de MITTEILUNGEN Bürozeiten Mitteilungen Kirchenmusik: Mo und Do Vormittag Glockenwesen: Di und Fr Vormittag 60 Amt für Kirchenmusik 58 Diözesan-Cäcilienverband Roman Schmid 58 Hochschule für Kirchenmusik Betreuung des Glockenwesens 58 Hochschule für Kirchenmusik Telefon: (07472) 169 956 60 Hochschule für Kirchenmusik e-Mail: rschmid@bo.drs.de Bürozeiten: Mo und Di, ganztägig IMPRESSUM BERICHTE Berichte Antal Váradi, geschäftsführender Orgelrevisor Telefon (07472) 169 954 61 Amt für Kirchenmusik Mitarbeiter e-Mail: aváradi@bo.drs.de Marianne Aicher, Jürgen Benkö, Karl Echle, Bürozeiten: Mo, Do 9.00 – 18.00 Uhr ORGEL Georg Fehrenbacher, Thomas Gindele, Franz • Orgelwesen Orgel Günthner, Walter Hirt, Ursula Jochim, Ursula DIE KÖNIGIN Kluike, Gregor Moser, Michael Müller, Schwester 62 Orgelbauten, Sanierungen Faustina Niestroj, Birger Petersen, Corinna Rau- N.N., Sekretariat pach, Gerhard Schneider, Reiner Schulte, Tho- Telefon (07472) 169 953 mas Stang, Margret Schäfer-Krebs, Andreas e-Mail: afkm@bo.drs.de Weil, Uwe Weiser PERSONALIA Personalia C-Ausbildung Die KMM stehen Ihnen auch unter Leitung: DMD Walter Hirt 67 Stellenbesetzungen, Ernennungen www.amt-fuer-kirchenmusik.de Anmeldungen, Prüfungen, Informationen: im pdf-Format zur Verfügung. N.N. Sollten Sie von dieser Möglichkeit Gebrauch Rezensionen Telefon (07472) 169 823, Telefax 169 829 Rezensionen machen, so bitten wir Sie, uns zu informieren. e-Mail: awildemann@bo.drs.de Dadurch helfen Sie uns, Kosten zu sparen. 70 Chornoten, Orgelnoten Herzlichen Dank! DCV-Geschäftsstelle Geschäftsführer: Sr. M. Faustina Niestroj Herausgeber: Amt für Kirchenmusik der e-Mail: caecilienverband@drs.de Diözese Rottenburg-Stuttgart Telefon (07472) 169 958, Telefax 169 83958 ISSN: 1436-0276 Bürozeiten: Schriftleitung: Diözesanmusikdirektor Mo 9.00–12.00 Uhr, Fr 14.00–17.00 Uhr Walter Hirt Redaktion: Walter Hirt Urkunden und Anträge Palestrinamedaille/ Beiträge: Auf CD oder per E-Mail Zelterplakette anfordern bei Ursula Kluike (jeweils im Word-Format) an (07472) 169 958 · caecilienverband@drs.de das Amt für Kirchenmusik Herstellung: Werner Böttler, GrafikSatzBildDruck 72141 Walddorfhäslach, (07127) 927010 Auflage: 3.900 Exemplare Titelbild: Probe zu Corona-Zeiten in St. Maria, Schramberg Redaktionsschluss Nr. 148: 1. März 2021 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
ED I TORI A L Das gab es noch nie: Die Orgel so zu spielen, dass üben als „Akt der Hoffnung“. Wir werden an unse- möglichst niemand mitsingt. rem Anspruch festhalten: „Jemand muss singen, Herr, wenn Du kommst“ (Silja Walter), um weiter- Lieder auszuwählen, in welche die Gottesdienst- hin im Vorsingen zu Für-Sängern zu werden. besucher nicht spontan einstimmen sollen. Den Hallelujavers nicht zu wiederholen. Musik herun- Damit die Heilige Nacht nicht tatsächlich zu einer ter zu brechen, Wochen später ganz abzubrechen. stillen wird. Damit wir jene Trennung überwin- Irgendwann wieder einen Anfang zu nehmen, mit den, welche der Heilige Augustinus als den eigent- neuen Gleichungen, in denen eine doppelte Zwei- lichen Tod bezeichnet: stimmigkeit die Vierstimmigkeit ersetzt. „Der Tod, den die Menschen fürchten, ist die Tren- Jede Probe mit einigen Unerschütterlichen neu zu nung der Seele vom Körper. erfinden, in einem ausgewogenen Verhältnis an Der Tod aber, den die Menschen nicht fürchten, ist Kreativität und Starrsinn. Mit dem Willen, unbe- die Trennung von Gott.“ dingt singfähig zu bleiben, damit wir beziehungs- fähig bleiben – im Leben, im Glauben. Cantare Singen wir an gegen diese Trennung. Bis die uns amantis est, Sache der Liebenden. Abstands- und Hörenden im Herzen mitsingen: Hygieneregeln einzuhalten auch und gleicherma- ßen und unbedingt, in aller Konsequenz und oh- Nada te turbe, Nichts soll dich verwirren, ne Kompromisse. Lüften mit der Absicherung ei- nada te espante, nichts dich erschrecken, nes CO2-Meßgeräts als wichtigste Maßnahme. todo se pasa, alles geht vorüber, Auch dann, wenn es spürbar kälter wird. Dios no se muda, Gott zieht nicht aus, la pacienza Geduld LI EB E L ES ERI N, L I EB ER LE SE R, todo lo alcanza, erreicht alles, quien a Dios tiene wer Gott bei sich hat, Sie werden bei der Lektüre dieser Ausgabe staunen nada te falta, dem fehlt nichts, über die Fülle dessen, was zwischen Mitte März sólo Dios basta. nur Gott genügt. und September von den Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusikern unserer Diözese an Ideen (Teresa von Ávila) investiert wurde, um das kirchliche Leben weiter- zutragen. Das war spannend und gewinnbringend auf der einen und nicht selten erschöpfend und Walter Hirt lähmend auf der anderen Seite. Denn auch im dritten Jahrtausend findet das wahre Leben und das wirkliche Musizieren analog statt. Was in die- ser Zeit trotz aller Verunsicherungen an vielen Or- ten investiert wurde, war gelebte Kirche. Diözesanmusikdirektor Nun geht es – auf dem Weg zu Weihnachten hin – in eine zweite Runde der Beschränkungen, deren Ende derzeit ungewiss ist. Doch gewiss ist, dass viele Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker den Menschen weiterhin eine Brücke schlagen werden – hinweg über das trostlose Tal des Ver- stummens. Wir Kirchenmusiker werden weiterhin DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 1
Liturgie aktuell Dr. Gerhard Schneider Liebe Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, liebe Chorleiterinnen und Chorleiter, liebe Sängerinnen und Sänger ! W ir haben ein bewegtes Dreivier- teljahr hinter uns! Die vergan- genen Monate waren geprägt von Ein- Es ist Ihnen, unseren Kirchenmusikern und Chor- leitern zu verdanken, dass all dies gelungen ist. Sie motivieren mit großer Kraft und Leidenschaft schränkungen und Anstrengungen, Menschen auch in dieser Zeit der Verunsicherung, denn gerade für die Kunst und die neue musikalische Dienste zu beginnen. Sie Musik bringt die Corona-Krise bisher zeigen durch Ihr Orgelspiel und vielfältige musi- noch nicht dagewesene Herausforde- kalische Gestaltungen, wozu die Kirchenmusik rungen mit sich. Vieles ist nicht oder selbst unter eingeschränkten Möglichkeiten in nur eingeschränkt möglich und all- der Lage ist. Sie machen mit all dem deutlich, mählich zeigt sich, dass dieser Zu- dass die Kirchenmusik eine zutiefst pastorale stand wohl dauerhafte Spuren hinter- Dimension hat. lassen wird. Vor allem unsere Chöre sind von der Krise existentiell betrof- Dafür möchte ich Ihnen von ganzem Herzen fen. Die Telefonate, die ich im Laufe der letzten danken, auch im Namen all derer, für die Ihr Monaten mit Chorleitern und Sängern geführt ha- Dienst in dieser Zeit eine wichtige Hilfe und be, haben mich tief bewegt. Stütze im Leben und Glauben war und ist! Auf eine ganz eigene Weise gelangt die Kirchen- Wir wissen, dass die kommenden Wintermonate musik aber inmitten ihrer größten Krise – zumin- schwierig werden und vermutlich neue Ein- dest unserer Epoche – zugleich auch zu einer schränkungen bringen. Die Musik wird in ihrer neuen, herausragenden Bedeutung. Das bis dahin befreienden, Mut machenden Dimension ein unvorstellbare Fehlen des Gesangs im Gottes- elementarer Bestandteil unseres kirchlichen dienst war und ist ein tiefer Schmerz für nahezu Wirkens in dieser Zeit sein. Ich wünsche Ihnen alle Gemeinden. In einer Umfrage unter den pas- viel Kraft, Zuversicht und Gottes Segen gerade in toralen Mitarbeitern in unserer Diözese wurde dieser Zeit! die Frage gestellt, was derzeit in den Gemeinden als größte Einschränkung bei der Feier von Got- Herzlich, tesdiensten empfunden wird. Fast zwei Drittel antworteten: Nicht singen zu dürfen! Noch nie Ihr wurde so deutlich, dass die Musik und der Ge- sang in unseren Eucharistiefeiern und anderen Gottesdiensten nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern eine existentielle und tiefe geistliche Form der Teilnahme an der Liturgie sind. Selten wurde so klar: Geistliche Musik kann Gottesbe- Dr. Gerhard Schneider ziehung stiften. Es war eine wunderbare Entwick- Weihbischof lung, dass sich von heute auf morgen kleine Chorgruppen bildeten und sich viele Menschen plötzlich trauten als Kantorinnen und Kantoren in der Liturgie mitzuwirken. Immer wieder habe ich erlebt, wie dankbar viele Gottesdienstbesu- cher dafür waren und diese Dienste als wertvolles und ermutigendes Geschenk erlebt haben. ❖ 2 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
Ansprache des Heiligen Vaters und zu verwandeln, um die Schönheit pret ebenso wie der Künstler das Unaus- an die Teilnehmer der Musik darbieten zu können und im sprechliche zum Ausdruck, benutzt er an dem Kongress liturgischen Bereich seinen Dienst in Worte und Materie, die über die Begriffe „Kirche, Musik, Interpreten: der musikalischen Ausführung erfüllen hinausgehen, um jene Art von Sakra- Ein notwendiger Dialog“ zu können (vgl. Sacrosanctum concili- mentalität zu vermitteln, die der ästhe- am Samstag, 9. November 2019 um, 115). Der Interpret ist aufgerufen, tischen Darstellung zu eigen ist. eine eigene Sensibilität und einen eige- nen Genius zu entwickeln, stets im Es gibt einen Dialog. Denn einem Dienst der Kunst, die den menschlichen Kunstwerk zu folgen ist nichts Stati- Liebe Brüder Geist wiederherstellt, und im Dienst der sches, Mathematisches. Es gibt einen Gemeinschaft, besonders dann, wenn Dialog zwischen dem Autor, dem Werk und Schwestern, er einen liturgischen Dienst versieht. und dem Interpreten. Es ist ein Dialog zu dritt. Und dieser Dialog ist in jedem guten Tag! Der Musikinterpret hat viel gemeinsam Interpreten originell: ein Interpret emp- mit dem Bibelwissenschaftler, mit dem findet ihn so und gibt es so wieder, ein I ch heiße euch herzlich willkommen Leser des Wortes Gottes; im weitesten anlässlich des 3. Internationalen Sinne mit jenen, die versuchen, die Zei- Kongresses »Kirche und Musik«, zum chen der Zeit auszulegen; und noch all- anderer auf eine andere Weise. Aber die- ser Dialog ist wichtig: Er gestattet auch die Entwicklung in der Ausführung Thema des Interpreten und der Inter- gemeiner mit jenen – das sollten wir alle eines Kunstwerks. Mir kommt zum Bei- pretation. Ich danke dem Päpstlichen sein –, die den anderen annehmen und spiel ein Bach in den Sinn, der von Rat für die Kultur für die Veranstaltung. ihm zuhören in einem aufrichtigen Richter oder von Gardiner ausgeführt Er hat in Zusammenarbeit mit dem Dialog. Denn jeder Christ ist ein Inter- wird: Das ist ein Unterschied. Der Dia- Päpstlichen Liturgischen Institut der pret des Willens Gottes in seinem eige- log ist etwas anderes, und der Interpret Päpstlichen Hochschule »Sant’Anselmo« nen Leben, und mit diesem singt er mit muss in diesen Dialog zwischen dem den diesjährigen Kongress ermöglicht. Freuden Gott eine Lobes- und Dankes- Autor, dem Werk und sich selbst eintre- Ich begrüße alle Teilnehmer und danke hymne. Durch diesen Gesang interpre- ten. Das darf man nie vergessen. Der insbesondere Kardinal Ravasi für seine tiert die Kirche das Evangelium in den Künstler, der Interpret und – im Fall der Einführung. Ich hoffe, dass die in diesen Ackerfurchen der Geschichte aus. Die Musik – der Hörer haben ein und den- Tagen durchgeführten Arbeiten für alle Jungfrau Maria hat es auf vorbildliche selben Wunsch: zu verstehen, was die ein Sauerteig des Evangeliums, des litur- Weise in ihrem Magnifikat getan; und Schönheit, die Musik, die Kunst uns ge- gischen Lebens und des Dienstes an der die Heiligen haben den Willen Gottes statten, von der Wirklichkeit Gottes zu Kultur und an der Kirche sein mögen. in ihrem Leben und in ihrer Sendung verstehen. Und die Männer und Frauen interpretiert. unserer Zeit brauchen es vielleicht mehr Oft stellen wir uns den Interpreten wie denn je zuvor. Diese Wirklichkeit zu in- einen Übersetzer vor oder wie jeman- Der heilige Papst Paul VI. hat 1964 in terpretieren ist wesentlich für die heuti- den, der die Aufgabe hat, etwas, das er der historischen Begegnung mit den ge Welt. empfängt, so zu übertragen, dass der Künstlern, diesen Gedanken zum Aus- andere es verstehen kann. Der Interpret, druck gebracht: Unser Dienst ist »ein Liebe Brüder und Schwestern, ich danke besonders im musikalischen Bereich, ist Dienst, der, wie ihr wisst, darin besteht, euch erneut für euer Bemühen um das jedoch jemand, der mit eigenem Geist die geistlichen Dinge, das Unsichtbare, Studium der Musik und insbesondere das überträgt, was der Komponist ge- Unaussprechliche, die Dinge Gottes, zu der Kirchenmusik. Ich wünsche mir schrieben hat, damit es schön und verkünden, zugänglich und verstehbar und euch – jedem auf seinem Weg –, künstlerisch vollkommen klingt. Im zu machen für den Geist und die Her- Tag für Tag immer bessere Interpreten Übrigen existiert das musikalische zen der Menschen. In dieser Tätigkeit, des Evangeliums zu werden, der Schön- Werk, solange es interpretiert wird, also die die unsichtbare Welt in zugängliche heit, die der Vater uns in Jesus Christus so lange es einen Interpreten gibt. Formeln umgießt, seid ihr Meister. Es ist offenbart hat, im Lob, dass die Gottes- eure Aufgabe, eure Mission, und eure kindschaft zum Ausdruck bringt. Der gute Interpret ist beseelt von großer Kunst besteht darin, Schätze aus dem Demut gegenüber dem Kunstwerk, das himmlischen Bereich des Geistes zu er- Ich segne euch von Herzen, und ich ihm nicht gehört. Er weiß, dass er auf greifen und sie in Worte, Farben, For- bitte euch, für mich zu beten. Danke. seinem Gebiet ein Diener der Gemein- men zu kleiden, sie zugänglich zu ma- schaft ist, und versucht immer, sich in- chen« (Insegnamenti II, [1964], 313). © Copyright - Libreria Editrice Vaticana ❖ nerlich und technisch weiterzubilden In diesem Sinne bringt also der Inter- DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 3
Schwerpunktthema Michael Müller Chorarbeit in Coronazeiten – Erfahrungsberichte Seit März war es stumm in Gemeindesälen und Proberäumen. Lockdown – Stille, das Leben wur- de heruntergefahren. Die Leiter*innen von Chö- ren standen plötzlich vor einer Situation, welche noch nie da war. Berichte von Chorproben und Veranstaltungen mit Chören, bei denen es zu ei- nem massiven Ausbruch von Infektionen kam, sorgten für Verunsicherung und führten zur An- nahme, dass besonders durch Singen das Virus KMD Michael Müller, übertragen werden kann. Auch Blasinstrumente Regionalkantor gerieten in Verdacht, besonders an der Übertra- in Bad Mergentheim gung des Virus beteiligt zu sein. Dies wird durch verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen jedoch ab Anfang Mai präzisiert. Wie haben die Chöre auf diese sich verändern- schickten Chorleiter*innen Impulse und Musik- den Situationen reagiert? stücke regelmäßig zu oder versuchten per Video- Chat (Skype, Zoom…) Stimmbildung, Proben im In Gesprächen mit verschiedenen Chorleiter*in- weitesten Sinne durchzuführen. Auch das Aufneh- nen zeigt sich deutlich, wie sehr die Probenarbeit men und Verschicken von Einzelstimmen der und die Gestaltung von Gottesdiensten von den Chorstücke, welche erlernt werden sollen, wurde verschiedenen Voraussetzungen abhängig ist, wel- praktiziert. che vor Ort herrschen. Diese Formen bedeuten jedoch einen hohen zeit- Wichtigstes Anliegen war es, Kontakt zu halten. lichen und auch technischen Aufwand. Dies be- ginnt mit der Technik, bei welcher der Computer Dies geschah über die Gruppen in gängigen Mes- und eine schnelle Datenverbindung die Grundla- senger-Diensten (Whatsapp u.a.) oder per Mail, ge bilden. Auch ein ordentliches Aufnahmegerät, welche in vielen Chören grundsätzlich schon vor- Lautsprecher und der Raum zu Hause müssen pas- handen sind. Die „Klopapier-Challenge“ war ein sen, und schließlich muss die ganze Technik auch Resultat dieser digitalen Kommunikation, an der beherrscht werden. Wer schon selbst Audio- und etliche Chöre teilgenommen haben. Daneben Videodateien aufgenommen und bearbeitet hat, kennt den großen zeitlichen Aufwand, bis diese Aufnahmen zufriedenstellend sind. Das Ergebnis dieser Form des digitalen Probens ist musikalisch oft ernüchternd: Arbeit am Gesamtklang ist nicht möglich, die Abhängigkeit von einer funktionie- renden Technik ist sehr hoch, der/die Sänger/in ist einfach weit weg. Als Probenarbeit in „Realpräsenz“ mit gewissen Einschränkungen wieder möglich wird, zeigen sich nach anfänglicher Freude auch dort die Gren- zen. Mal sind die Probenräume schlicht zu klein und/oder zu niedrig, mal hat die Kirche zu viel Nachhall oder lässt sich nur schlecht belüften. Im Freien verfliegt der Klang zu schnell, es gibt Ein- 4 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
schränkungen durch Straßenlärm und die Probe ist sehr vom Wetter abhängig. Ab einer gewissen Größe von Gruppen hören sich die Sänger*innen beim notwendigen Abstand nicht mehr. Manche Probe wird in dieser Form einmal durchgeführt – und dann nie wieder. Vor allem für nebenberufliche Chorleiter*innen war und ist es kaum möglich, neben dem normalen beruflichen und familiären Alltag diesen zusätzli- chen Aufwand zu leisten. So gibt es Chöre, welche bis heute nicht mehr proben konnten. Faktisch be- deutet dies einen Neuanfang, voraussichtlich im nächsten Jahr, da die Beschränkungen einen „nor- malen“ Choralltag mindestens bis zum Ende dieses Jahres nicht ermöglichen. Besonders bei kleineren Kindern tritt eine zunehmende Entfremdung zur TBQ-Sitzung im Freien mit Abstand – mit den Dekanatskirchenmusikern Andreas Leiterin/zum Leiter des Chores auf, d.h. gerade klei- Schweizer, Thomas Specker, Martin Böhm und KMD Markus Grohmann ne Kinder benötigen die „Präsenzprobe“. Jugendlichen, ganz gleich ob sie sich einmal oder Besonders problematisch sind Chorproben, wel- mehrmals in der Woche treffen. Sie geschieht in che in Kooperation mit Schulen angeboten wer- anspruchsvoller Musik alter und neuer Meister ge- den. Durch die Einschränkungen, welche von Sei- nauso wie in neuen geistlichen Liedern und kind- Kinder und Jugendliche te der Schulen gelten, ist hier nur ein Singen im gemäßen Liedern. Kinder und Jugendliche (und entdecken, Klassenverband möglich. Bisherige Formen des auch Erwachsene) spüren die Verbundenheit ihres wie wichtig das Singen für klassenübergreifenden Musizierens sind damit Chorleiters/ihrer Chorleiterin mit ihnen, das En- sie in dieser Zeit weiterhin auf Eis gelegt. gagement, die Kreativität, die Verlässlichkeit – ge- geworden ist. rade in dieser Zeit. Dies soll ein Ansporn sein, Chorleiter*innen berichten aber auch von der be- auch diese Zeit in Geduld und mit Zuversicht glückenden Erfahrung, dass Sänger*innen mit durchzustehen, sowohl für den Erhalt als auch für sehr viel Freude und Enthusiasmus zu den ange- den Neuanfang einer zutiefst sinngebenden Tätig- botenen Proben kommen. Nur selten verlassen Kinder und Jugendliche den Chor wegen Corona, keit. ❖ die Austrittszahlen sind eher normal beim Schul- wechsel oder nach den Sommerferien. Auch das Gegenteil wird berichtet: Kinder und Jugendliche entdecken, wie wichtig das Singen für sie in dieser Zeit geworden ist. Wo Probenarbeit in kleineren Gruppen möglich ist, gelingt auch ein stärkerer Bezug zu den einzelnen Sänger*innen. Dies ist aber meist nur bei hauptberuflichen Kirchenmusi- ker*innen möglich, da diese ihr Zeitbudget ent- sprechend strukturieren können. Was letztlich nicht viel zu sein scheint, ist aber eine der wesentlichsten Aufgaben in der Chorarbeit: Beziehung! Wo gute Beziehungen im Laufe der Monate und Jahre gewachsen sind, halten diese auch in dieser Zeit. Dies hat mit der Musik als sol- cher zunächst gar nichts zu tun. Beziehung ge- Proben im Freien: Vom Wetter abhängig und oft mit Ein- schieht in der intensiven Arbeit mit Kindern und schränkungen – auf der Liebfrauenhöhe Ergenzingen. DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 5
Schwerpunktthema BACKNANG RK Reiner Schulte Ein Zeitsprung von zehn Jahren – Beobachtungen und Perspektiven D reimal hatte ich bisher das Gefühl, mit ei- nem Satz in der kirchlichen Zukunft zu lan- den. Das erste Mal, als ich zum Studieren nach leicht wurden auch zu viele verschiedene und un- bekannte Lieder auf die Liedpläne gesetzt. An die- ser Stelle dürfen wir Kirchenmusiker uns gern kurz Stuttgart kam, vom katholischen Dorf in Ostwest- einmal an die eigenen Nase fassen. falen in die plurale Landeshauptstadt. Was die Kir- chenbindung, die Ökumene und die Pflege tradi- Man konnte als Organist schon vor Corona in den tioneller Frömmigkeitsformen angeht ein Sprung Kirchenraum lauschen und sich fragen, wie es Reiner Schulte, von 10 Jahren. Locker. denn wohl in 10 Jahren klingen würde. Würde Regionalkantor in Backnang dann schon ein Gedackt 8‘ den schütteren Gesang Das zweite Mal war es in einem Urlaub vor viel- übertönen? leicht 20 Jahren, beim Betreten der imposanten, doppeltürmigen Johanniskirche in Magdeburg. Erwartet hatte ich die andächtige Stille einer goti- schen Hallenkirche. Statt dessen stand ich im Foy- er eines modernen Kongresszentrums mit allem Pipapo, inklusive Gastronomie, Garderobe und Ticketschaltern. Ist das auch die westdeutsche Zu- kunft, dachte ich damals? Wann? In 30 Jahren? Für das dritte Mal musste ich weder umziehen noch in den Urlaub fahren. Der Zeitsprung kam durch Corona. Ich würde ihn spontan auf rund 10 Jahre beziffern. Im März 2020 herrschte jedenfalls von heute auf Man könnte zu Recht einwänden: Das ist nur morgen Stille. Das Rinnsal war vollends versiegt. plausibel, wenn man glaubt, dass die Kirche und Mittlerweile hat sich die Situation zwar etwas ent- ihre Musik sich zwangsläufig in eine bestimmte spannt. Aber es bleiben Fragen: Richtung bewegt hätten. Zugegeben, aber dann Schon vor Corona wäre das hier immerhin ein Versuch, sich über das • Muss immer die Orgel von der Empore herab- gab es eine eigene Zukunftsbild der Kirche und ihrer Musik spielen? Was mache ich als Organist*in bei elf schleichende Erosion Rechenschaft abzulegen und nach einer Perspekti- Gottesdienstbesuchern. Singe ich dann nicht des Gemeindegesangs. ve Ausschau zu halten. lieber unten mit, mit allen musikalischen Mög- lichkeiten, die sich dann im Wechseln durch Vorsänger und Gemeinde ergeben? Der Gemeindegesang • Muss es immer ein gemeinsames Lied sein. Eine Das Ohrenfälligste ist vielleicht das Verstummen. tätige Teilnahme kann vielleicht auch über akti- Schon vor Corona gab es eine schleichende Ero- ves Zuhörer erfolgen. Ansgar Wallenhorst fragte sion des Gemeindegesangs. Das hatte mehrere schon 2011: „Gibt es vielleicht neue Formen von Gründe: dass überhaupt weniger gesungen wurde, ,Communio‘ und ,mitvollziehender Teilnahme‘ dass die Gottesdienstbesucher seltener kamen und der Liturgie in einem aktiven oder kontemplati- 1 Ansgar Wallenhorst, 10 Fragen auf dem dass sie die Lieder damit seltener einüben konn- ven Hören?“1 Weg zu einem ten, dass sich je nach Zielgruppe unterschiedliche neuen Volk Gottes, pdf unter Repertoires herausbildeten (Senioren, Familien, • Sollte es auch in Zukunft mehr reine Zuhör- http://www.orgel- welten- Jugend, Taize-Gruppe, Lobpreisrunde), und dass lieder von einem Vorsänger geben? Welche sind ratingen.de/die_ziel die Singenden weniger werden, damit weiter aus- das? (Vielleicht besser nicht solche, die die Ge- e.php (Abgerufen am 5.10.2020) einander sitzen und dass sie älter werden. Viel- meinde selbst gern und gut singt.) Wie sind sol- 6 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
che Lieder zu begleiten, gibt es etwa Zwischen- spiele zwischen den Strophen. Wo steht der Vor- sänger? Wie ist die Beschallung? Wie ist die Qualität des Gesangs? Welche Rolle werden (be- zahlte) Profi-Sänger spielen. • Was bedeutet es für die Atmosphäre des Gottes- dienstes, wenn am Anfang des Gottesdienstes kein gemeinsames Lied steht. Welche Chancen ergeben sich durch Instrumentalmusik, solis- tische Vokalmusik, Stille? Wie kann trotzdem ein Gemeinschaftsgefühl entstehen? Ganz praktisch: Wann setzen sich Zelebrant und Gemeinde? • Nach vielen mehr oder weniger vergeblichen Versuchen, den Kantorendienst in der Breite zu verankern, hat er durch Corona nun tatsächlich eine Aufwertung erfahren. Wie lässt sich das nutzen oder verspielen? der Volkskirche aus?2 Pluraler, mehr auf kleine Gruppen ausgelegt, mehr auf Kasualien ausge- Leere Kirchen richtet, aufsuchend, missionarisch, kooperativ? Weniger auf die Liturgie ausgerichtet? Nicht ganz so auffällig wie das Verstummen des Gemeindegesangs ist der Rückgang an Gottes- dienstteilnehmern. Aber es bleiben tatsächlich Et- Die Chöre liche weg: Die sehr Alten etwa, dann die Entwöhn- ten: Man hat gelernt, dass es auch mal ohne den Die kirchlichen Chöre hatten während der Pande- Neben der Sorge vor Kirchgang geht. Vielen ist der Gottesdienst in der mie gegenüber den weltlichen Chören den Vorteil, Ansteckung ist es jetzigen Form auch schlicht ein Graus. Die Hos- dass sie bald wieder eine Aufgabe hatten (Kanto- vor allem das Problem tien mit der Zange gereicht bekommen von einem rendienst, Vierer-Schola, 12er-Ensemble) und des Hörens angesichts vermummten Kommunionhelfer? Da bleiben sie dass Kirchräume zum Proben bereitstanden. der großen Abstände lieber ganz weg. Und dann die Familien: bis heute beim Singen. (Oktober 2020) finden viele Angebote für Kinder Und trotzdem war Corona ein herber Einschnitt, und Familien noch nicht wieder statt. Da ist hier aber eben auch ein Katalysator für bestehende und da der Faden abgerissen. Trends. Die Schrumpfungsprozesse, die vor Coro- na insbesondere bei den Kirchenchören zu beob- Ist auch das ein Blick in die Zukunft Jedenfalls achten waren, wurden verstärkt. Es gibt die ersten stellen sich – jenseits von Corona – einige Fragen: dauerhaften Abmeldungen vom Kirchenchor, in der Regel von sehr alten Sängerinnen und Sän- • Wie kann der Kontakt zu den sehr Alten auf- gern. Neben der Sorge vor Ansteckung ist es vor al- rechterhalten werden, die oft ihr Leben lang in lem das Problem des Hörens angesichts der gro- die Kirche gegangen sind? Das Klientel ist auch ßen Abstände beim Singen. Jemand der schlecht in den Kirchenchören vertreten. hört, ist auf seinen Nebensitzer angewiesen. Der ist aber jetzt plötzlich unerreichbar weit weg. Co- • Wie lassen sich Familien über digitale Angebote rona hat überdeutlich gemacht, wie alt die meis- erreichen. Welche Rolle kann Musik dabei spie- ten Sänger und Sängerinnen in den Kirchenchö- len? ren sind. Nicht selten gehören 70% oder 90% zur 2 Anregungen dazu in: Christian Lehn- Corona-Risikogruppe. ert (Hg.), Nach der • Vieles in der Kirchenmusik ist von der Volks- Volkskirche. Gottes- dienste feiern im kirche her gedacht: Sonntagsmesse, Kirchen- Aber gleichzeitig war Corona auch eine musikali- konfessionslosen Raum (Beiträge zu chor, Orchestermesse, Gemeindegesang, Kir- sche, eine sängerische Herausforderung, die Viele Liturgie und Spiritu- chenbänke und Orgelempore, Liedauswahl angenommen und gemeistert haben. Es haben alität 30), Evangelis- che Verlagsanstalt usw. Wie sähe also eine Kirchenmusik jenseits sich jede Menge kleiner Ensembles formiert, und 2017 DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 7
Schwerpunktthema diese haben oft viel häufiger im Gottesdienst ge- ne finanziell kargere Zukunft der Kirchen mit sungen, als es die Kirchenchöre vor der Corona Sicherheit ein gutes Stück näher gerückt. konnten. Kirchenmusik hat immer schon über die Kirchen- Es gibt nach dieser Pandemie wohl kein Zurück. gemeinde hinaus gewirkt. Was bedeutet das für Welche Perspektiven ergeben sich? das Erschließen weiterer Finanzierungsquellen (Fördervereine, Fundraising)? • Welche Chance steckt in den kleinere Ensem- Welchen Stellenwert haben Kirchenmusiker im bles? Sollte man sie weiterpflegen? Parallel zum Verhältnis zu den pastoralen Mitarbeitern4, und großen Chor? was bedeutet das, wenn das Geld weniger wird? • Lassen sich für sie weitere Personen gewinnen, die bisher nicht ansprechbar waren? Das wäre Digitalisierung eine nicht zu unterschätzende missionarische Qualität von Kirchenmusik. Einen ordentlichen Satz in die Zukunft hat die Kir- che auch bei dem Thema Digitalisierung gemacht. • Das Gesellige am Chorsingen wurde während Das muss einem nicht in jedem Beispiel behagen, der Pandemie vermisst. Was heißt das für die ein Fortschritt ist es aber doch. pastorale Dimension der Kirchenmusik? Viele Angebot in der Lockdown-Zeit wurden gera- • Welche Differenzierungsmöglichkeiten ergeben de von den Musikern getragen. Es ist absolut er- sich durch die verschiedenen kleineren Ensem- staunlich, was sich an Möglichkeiten aufgetan hat: bles? Was kann sich daraus für die Differenzie- Musikalische Videoimpulse, Livestreams von 3 Siehe dazu Reiner Schuhenn, Kirche im Fall rung des Repertoires, die Differenzierung der Gottesdiensten und Konzerten, Chorproben per – Kirchenmusik im Aufwind? Künstlerisch- Leistungsfähigkeit ergeben? Videokonferenz, Videos oder mp3-Dateien als methodische An- Übhilfen, Besprechungen oder Treffen per Video- forderungen an angehende Kirchen- • Corona brachte viel mehr organisatorisch und konferenz, Digitalisierung der Chorbibliothek musiker angesichts verän- musikalische Detailplanung mit sich. Das war usw. derter Gesellschaftsstrukturen, mühsam. Aber was hat es Positives bewirkt? in: Marius Schwemmer, Mehr als nur eine Diener- • Welche Chancen für die Pastoral, für die Öffent- in der Liturgie. Zur Auf- • Könnten die neuen kleinen Ensembles viel- lichkeitsarbeit haben sich durch digitale Ange- gabe der Kirchenmusik heute, S. 177f leicht auch Kasualien gestalten (Taufen, Hoch- bote eröffnet? 4 Weihbischof Dr. Gerhard Schneider sieht eine zeiten, Beerdigungen)? Welche Chancen ste- • Ein Gottesdienst-Video legt offen, wie es um die zunehmende Bedeutung cken darin?3 Feierkultur bestellt ist. Was lässt sich daraus ler- des Kirchenmusikers als pastoralem Mitarbeiter. nen?5 Dazu: Gerhard Schneider, Sparen • Welche Rolle können z.B. Videoimpulse in Zu- Kirchenmusiker als pas- torale Mitarbeiter: in: kunft spielen: in den geprägten Zeiten, als Ak- Marius Schwemmer, Mehr als nur eine Diener- Seit gut 20 Jahren arbeite ich jetzt in der Kirche. zente im Kirchenjahr, als Konzerttrailer, als Brü- in der Liturgie. Zur Auf- Und genau so lange spricht man vom Sparen und cke für Alte, Vielbeschäftigte, Kranke? gabe der Kirchenmusik heute, S. 127ff von der bevorstehenden Schrumpfung. Nur statt- • Was wollen wir eigentlich vermitteln/transpor- 5 Christian Orth, Damit ich die Botschaft daran gefunden hat beides im Großen und Ganzen bis- tieren/initiieren? Digitalisierung stellt die Frage neu lernen kann. Inter- her noch nicht. Auch kirchenmusikalisch waren nach den Inhalten neu. view zum Gottesdienst- Livestream aus der die letzten beiden Jahrzehnte eher eine Zeit der Fuldaer Michaelskirche, Expansion. in: Musica sacra, 140 Jahrgang 2020, Nr. 5, S. Individualisierung, „Singularitäten“ 242 6 Andreas Reckwitz, Das ändert sich jetzt offenbar. Das Schrumpfen Gesellschaft der Singular- der Mitgliederzahlen durch Austritte, der Techno- Der Lockdown hat viele Menschen auf sich zu- itäten. Zum Strukturwan- del der Moderne, Berlin logiewandel in der Automobilindustrie und der rückgeworfen und verstärkte damit den Trend zu 2017 7 Dazu: Joachim Werz, Pro- demographische Wandel haben ohnehin schon einer Individualisierung und Privatisierung von jektchöre in der einen deutliche Richtung vorgegeben. Das alles Religion. Die digitalen Angebote haben dem Gesellschaft der Singular- itäten. Chancen und Her- wird durch Corona verstärkt, allein der wirtschaft- Rechnung getragen und diesen Trend gleichzeitig ausforderungen für die liche Einbruch hat langfristig massive Auswirkun- nolens volens verstärkt Kirche und ihre Musik, Herder 2020, S. 157ff gen auf die Kirchensteuermittel. Mit Corona ist ei- 8 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
Auch die Arbeit mit einzelnen Kantoren, einer Chor, Sänger, Instrumentalist?), nach Tageszeit, Schola und kleinen Ensembles verstärkt die Ent- Zielgruppe war zu differenzieren. Überhaupt wicklung zu mehr individuellen kirchenmusikali- musste genauer geplant werden. Was wäre da- schen Angeboten und zu Angeboten mit Erlebni- raus für die zukünftige Gottesdienstgestaltung scharakter („Event“), diesmal auf Seiten der Ak- zu lernen? teure. An einer Vierer-Schola nehme ich nicht nur teil, weil ich immer schon als Hinterbänkler im Kirchenchor gesungen habe, sondern auch der Zum Schluss Herausforderung und des Besonderen wegen. Der Kultursoziologe Andreas Reckwitz hat dafür den Mal ganz abgesehen von den gesundheitlichen Begriff der „Gesellschaft der Singularitäten“ ge- Sorgen und den wirtschaftlichen Folgen ist Coro- prägt6. na anstrengend, nervig, mühsam. Und von der Krise als Chance zu sprechen, klingt nun wirklich „Corona ist eben auch • Sollte Kirchenmusik in Zukunft mehr individu- zu abgedroschen. Aber Corona ist eben auch ein ein Ereignis von elle Angebote für kleine Gruppen mit verschie- Ereignis von existentieller Wucht, ein Weckruf, ein existentieller Wucht, denen Profilen machen? Innovationsmotor. Man könnte auch sagen: ein ein Weckruf, Einfallstor für den Heiligen Geist. Die Kirchenmu- ein Innovationsmotor.“ • Welche Rolle spielen dabei Projekt-Ensembles.7 sik hat an vielen Stellen gezeigt, dass sie das ver- standen hat. • Ein gemeinsamer Liedplan für alle Gottesdiens- te des Wochenendes ließ sich während der Pan- Wie die Kirchenmusik in 10 Jahren tatsächlich demie kaum mehr realisieren. Je nach musikali- aussehen könnte, ist jedenfalls in den letzten scher Besetzung (welcher Organist, Kantor, wenigen Monaten deutlich klarer geworden ❖ Liebe Chorleiterinnen und Chorleiter, können die Plattform natürlich auch Magix-Video deluxe). Manchmal haben nutzen, wenn Sie nicht selber Dateien die Fieldrecorder auch schon einen einstellen wollen. Und Sie können mir Schnittmöglichkeit integriert. bei der Videokonferenz am letzten auch die mp3-Dateien (bitte keine wav- Samstag haben wir die Idee entwickelt, Dateien, die sind zu groß!) per Mail Die Aufnahme ist mit eigenem Gesang eine Plattforum zu schaffen, schicken, wenn ich sie einstellen soll. oder ohne möglich. auf der wir Übhilfen für unsere Scholen/Chöre/Kantoren zusammentra- Hier ein paar Stichworte zu erstellen Ich schlage vor, die Dateien folgender- gen. Ich habe in der Zwischenzeit ein von solchen Üb-Dateien: maßen zu benennen: paar mp3-Dateien aufgenommen und Liednummer_Textanfang_Liturgisches die Cloud-Plattform vorbereitet. Dafür Am einfachsten geht die Aufnahme Datum_Verfasser, also: würde ich gern /Nextcloud /verwenden, über einen digitalen Fieldrecorder (z.B. GL 810_Oeffnet eure Tore_Himmel- ein Angebot von 1&1 mit deutschen Zomm H1, Tascam DR-05X, Olympus fahrt_Schulte Servern. LS P1). Oder Sie nehmen direkt vom E-Piano in Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie mich Wenn Sie die Plattform nutzen wollen, ein Aufnahmeprogramm auf (z.B.auda- gern an. Und dann freue mich mich geben Sie mir kurz Bescheid. Sie be- city, kostenlos). auf viele Aufnahmen. kommen dann zeitnah die Zugangs- Schneiden kann man mit audacity oder daten zu diesem Nextcloud-Account. Sie auch mit Video-Schitt-Software (z.B. Reiner Schulte DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 9
Schwerpunktthema SPAICHINGEN Georg Fehrenbacher Corona und die Kirchenmusik E s gibt in unserem Berufsleben so Vieles, was zwar besonders ist, wir aber trotzdem schon einmal erlebt haben: Herausragende Gottesdiens- Dann geht alles ganz schnell: Mein Pfarrer ruft zu einer Sondersitzung das ganze Team zusammen: Bis auf weiteres keine Gottesdienste! te, Konzerte, Chorreisen und so weiter. Im Privat- leben vielleicht Hochzeit, Geburt der Kinder, per- Gut, jetzt mal am Wochenende, oder? „Bis auf sönliche Highlights und Rückschläge. weiteres“, wenig später dann bis zum 19. April. KMD Georg Fehrenbacher, Moment mal, das ist doch schon nach Ostern, Dekanatskirchenmusiker in Wir sind also Einiges gewohnt, aber „Corona“? oder? Spaichingen. Nein, so etwas kam bisher in meiner Welt nicht vor. Was ist mit Passion und Familiengottesdienst am Karfreitag, S(w)ingingPool in der Osternacht, den Es ist Anfang März, wie bei den meisten Kollegen beiden Orchestermessen, der Vesper? – Wird das laufen auch in Spaichingen die Vorbereitungen Konzert stattfinden können? Falls ja, werden über- und Proben auf die Gottesdienste in der Fasten- haupt Zuhörer kommen (dürfen)? zeit, den Kar- und Ostertagen auf Hochtouren. Sollten wir den Kartenvorverkauf nicht sofort ab- Wenige Wochen nach Ostern wird das Benefiz- sagen? Plakate, Programmheft, alles läuft auf konzert zugunsten der städtischen Bürgerstiftung Hochtouren und ganz nebenbei: Wollten wir von Kinderchorgruppen, unserem Jugendchor nicht nach Ostern mit der Familie ein paar Tage S(w)ingingPool, dem Kirchenchor und der Stadt- nach Berlin? Keiner weiß Genaues, in zwei Wo- kapelle stattfinden. chen kommen neue Vorgaben vom Land, von der Mit der Stadtkapelle haben wir schon zweimal ge- Diözesanleitung. meinsame Konzerte veranstaltet, es waren diese eingangs beschriebenen, besonderen Abende für „Bis auf weiteres”, was heißt das? über 150 Musikerinnen und Musiker, Sängerin- Nichts geht mehr – nen und Sänger in einer vollbesetzten Kirche, die rien ne va plus – ganze Stadt freut sich schon darauf. Stille – Schock! Ja, klar schaue ich auch die Tagesschau, es ist von Keine Proben im Kindergarten, keine Kinderchor- einer neuen Lungenkrankheit die Rede, aber weit gruppen, kein Jugendchor, keine Gregorianik- weg, in China, oder? …. Ok, Südtirol, … Elsaß? schola, kein Kirchenchor, keine Chor AG in der Ischgl…? Rupert-Mayer-Schule, keine Organistendienste in der Kirche oder im Seniorenheim, nicht einmal in Kollegen berichten von besorgten Anrufen einiger, der Friedhofshalle oder bei Hochzeiten. älterer Chorsängerinnen, ob so Proben überhaupt Unterrichten von Orgelschülern – Fehlanzeige. stattfinden können. „Das ist jetzt doch ein biss- Die ersten zwei Wochen sind trotzdem geschäftig: chen übertrieben“, denke ich. Viele Absage e-mails an die Orchestermitglieder Das Altenheim sagt die wöchentlichen Gottes- müssen geschrieben werden, am besten ein Brief dienste am Donnerstagmorgen, an denen immer an alle Kinder- und Jugendchormitglieder, jetzt ein munteres Miteinander einer Schulklasse der wäre es gut, alle Adressen zur Hand zu haben. Rupert-Mayer-Schule, Bewohner des Altenheims Manche kenne ich erst seit Kurzem, leider von Ei- und Besucher der Stadt zu erleben waren, aus nigen nur die Vornamen… Wie wird Willitsch- Sicherheitsgründen „bis auf Weiteres“ ab. kovskaya (Name geändert) richtig geschrieben? Geht der Artur nicht in die Klasse von Lenja, von Das Amt für Kirchenmusik schreibt von Vorsichts- der ich die Telefonnummer habe? Ok, da ruf ich maßnahmen, die in Chorproben einzuhalten jetzt mal an, vielleicht kann die mir weiterhel- sind, Abstand zwischen den Stuhlreihen, keine Ex- fen… Anrufbeantworter, keiner geht ran, also plosivlaute beim Einsingen? – Hä ? mach ich mir eine Notiz für morgen. 10 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
Nochmals erklären: Keine Proben, keine Gottes- man nur dunkel, manche sind nicht zu hören, ei- dienste, nein, auch kein Konzert ! ne ist jetzt ganz weg, behauptet hinterher, alles ge- Beim Kirchenchor ist das einfacher, da habe ich hört zu haben, hat aber leider niemanden selbst alle Adressen. gesehen. Zwischendurch weitere Informationen vom Amt, Inhaltlich besprechen wir Ausweichtermine für das mache ich mit links, die Adressen von Chor- unser Konzert, der erste Vorschlag wurde von der vorständen, Chorleitern und Organisten aus dem Stadtkapelle erst bestätigt, dann wieder abgesagt, Dekanat sind alle gespeichert. weil der Termin zu nah am Stadtfest 2021 liegt. Der Kirchenchorausschuss muss schnellstens ta- Der Jahresausflug war noch Thema, wurde aber gen, was ist jetzt mit dem eigenen Konzert? Und vertagt, weil es noch zu wenig Fakten gibt, bis Sep- da ist noch das Konzert von „maybebop“ in der tember ist es noch lang. Vier Vorstandsmitglieder Stadthalle, fest terminiert auf den 3. Oktober, hof- sind gleichzeitig Kirchengemeinderat, zwei weite- fentlich lässt sich das verschieben, sonst sind eini- re SängerInnen ebenfalls, wenigstens stimmt der ge tausend Euro weg. Informationsfluss. Auch die Kirchenchorsängerinnen und Sänger sollten informiert werden. Die meisten Adressen Was macht ein Kirchenmusiker an seinem ehe- habe ich zusammen: Identischer Brief an alle Kin- mals arbeitsfreien Montag, wenn er am Wochen- derchorgruppen, S(w)ingingPool, Gregorianik- ende zwangsfrei hatte? schola und Kirchenchor geht per e-mail, außer bei Er zählt Stimmen der Kirchengemeinderatswahlen fünf glücklichen SängerInnen…, die keinen Com- aus, aber es ist doch irgendwie kalt im Gemeinde- puter besitzen. Wer könnte die übernehmen ? haus, nein, komisch, den anderen ist nicht kalt. Ich habe Kopfweh, der Heuschnupfen bringt mich Ich druck den Brief 6 mal aus. um, ich geh doch lieber zum Arzt. J etzt kommen die Rückfragen aus dem Orchester, lange Telefonate, Gott sei Dank viel Verständnis. Später erfahre ich, dass in einigen Gemeinden Er- „Nein, denken Sie nicht das Schlimmste“, sagt die Ärztin, die meinen Chorsängerhausarzt vertritt, „ein Corona-Test ist nicht notwendig, wahrschein- satzlösungen für die Honorare gefunden wurden. lich eine Grippe, der Heuschnupfen verstärkt die Symptome, Sie haben ja kein Fieber, ich schreibe Eigentlich eine gute Idee, aber hätte man sich da Sie die restliche Woche krank.“ nicht absprechen können, hätte die Leitung unse- rer Diözese hierzu nicht rechtzeitig einen Vor- Das Fieber kommt zwei Tage später, weitere zwei schlag machen können, der für alle gilt? Tage später bin ich wieder topfit. Soll ich jetzt wie- der ins Büro, womöglich das ganze Pfarrhaus an- Mit dem Vorstand der Stadtkapelle telefoniere ich stecken? Ich bin ratlos und wende mich an meinen dreimal. Wir sollten langfristig verlegen, also das Baßsänger und Hausarzt, der schreibt mich eine Konzert erst in 2021 durchführen. weitere Woche krank schreibt– sicherheitshalber- Einige SängerInnen kommen dann von der Vor- und so bin ich in Sachen Quarantäneregeln „safe“. schola zur Kantorei, dürften dann mitsingen, ken- nen die Werke aber noch nicht. Es passt auch Ich verpasse ja nicht viel…., aber gesund krank zu nicht, dass einige von der Jugendkantorei die So- sein, das ist eine komische Situation. Also zuhau- pranstimme geübt haben, sollen im nächsten Jahr se ans Klavier, um Orgel zu üben, ja, das große aber im Alt helfen. Und sind die Abiturienten Orgelwerk wollte ich immer schon mal spielen, nächstes Jahr noch da? hatte aber einfach bisher keine Zeit dafür. Ich werde so ziemlich von vorne anfangen müs- Am vierten Tag flehen mich meine Kinder an, sen… doch bitte wieder ins Büro zu gehen, sie haben ge- nug von Vierne. Kirchenchor-Ausschusssitzung bei Jitsi, das war ein Erlebnis! 10 von 11 Ausschussmitglieder fin- Wieder im Büro, sind sehr viele e-mails angekom- den sich zur verabredeten Zeit ein, manche sieht men und müssen beantwortet werden, einige DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 11
Schwerpunktthema Rückrufe sind zu tätigen, der Kirchenmusiker ist Jahresinspektion für die drei Orgeln, ich schaue in Abläufe und Organisation im Pfarrhaus einge- mir Literatur Advent/Weihnachten und Krippen- bunden, was ich schon immer in Spaichingen so spiele für meine Chöre durch, Gott sei Dank muss erlebt habe und wofür ich dankbar bin. ich mich nicht festlegen, ob für dieses oder fürs nächste Jahr oder erst fürs übernächste. Es kommen drei neue Notenschränke, die Gele- Aber immer bleibt ein Hauch von schlechtem Ge- genheit zum gründlich ausmisten und neu ordnen wissen… Verdient man so sein Gehalt? Auf der an- ist günstig. Zusammen mit der Kirchenpflegerin, deren Seite: Was kann ich dafür? Stellen sich die gleichzeitig Notenwartin im Kirchenchor, mache Pfarrer, Gemeinde- und Pastoralreferenten diesel- ich mich an die Arbeit. ben Fragen ? Wo wir schon mal dabei sind: Der Proberaum der Wie lange hält das mein Kinderchor durch? Ich Kantorei müsste mal ausgemistet werden, die No- sollte mal wieder einen Brief schreiben, ein Le- ten sollten sortiert werden, ebenso die gesamte Li- benszeichen geben, aufmuntern, Perspektiven teratur des Kinder- und Jugendchors, vielleicht aufzeigen. sollte ich diese endlich nach Liedanfängen und al- Ich erfahre von virtuellen Proben und Gottes- phabetisch ordnen. diensten… Ist das auch etwas für uns? Nachmittags bleibt Zeit, um Orgel zu üben für die Ich frage mich, was bringt ein livestream aus unse- „Zeit danach“. rer Kirche, wenn die große Mehrheit unserer Ziel- gruppe froh ist, die Fernbedienung des TV Gerätes Einfach herrlich, sich mal wieder richtig „reinfres- beherrschen zu können? Gott sei Dank, ist auch sen“ dürfen in Stücke, die man schon lange mal der Pfarrer dieser Meinung. spielen wollte. Was hilft? Was ist Aktionismus? So gehen die Tage und Wochen ins Land, vormit- tags im Büro, nachmittags an der Orgel, dazwi- Mit meiner neuen Vorsitzenden des Kirchenchores schen mal wieder eine Sitzung im Pfarrbüro, habe ich verabredet, dass wir uns einmal wöchent- Nachrichten vom Amt weiter geben, telefonieren, lich bei allen ChorsängerInnen gemeinsam per e-mails beantworten, der Orgelbauer kommt zur email melden, um im Gespräch zu bleiben, um Neuigkeiten, so es wel- che gibt, mitzuteilen. Eine Kollegin berichtet bei Jitsi von einer Maian- dacht vor dem Alters- heim. Die Idee finde ich gut. In der Teamsitzung schlage ich vor, das auch zu machen. Die Anre- gung findet Gefallen, die Heimleiterin ist begeis- tert, der Termin ist ge- macht. Endlich gibt es mal etwas Inhaltliches zu schreiben für den Kirchenchor. Wir können nicht pro- ben, ich suche einige „Marienschlager“ he- raus, dazu „Marien Mai- 12 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
enkönigin“ Eine Stunde vorher verladen wir das E- Piano, zwei Lautsprecherboxen, Gott sei Dank kennt sich unser Pastoralreferent gut aus mit der Technik. Wir kleben Punkte im Abstand von min- destens 4 m auf den Boden, dort sollen die 25 ChorsängerInnen, die sich gemeldet haben, ste- hen. Die Pastoralassistentin bereitet die Maian- Kirchenmusikalisch kann ich endlich meine neu dacht inhaltlich vor, auch der Pfarrer ist dabei, das geübten Orgelnachspiele unter die Leute bringen, ganze Team. es gibt bei uns weniger Lieder, vorgesungen von zwei Kantoren von der Empore aus, nach Möglich- Viele Bewohner werden in den Innenhof gescho- keit je einmal männlich und weiblich. ben, einige summen die Lieder mit, nicht wenige verdrücken auch Tränen…. Das war der Höhe- Erst müssen die KantorInnen angeschrieben wer- punkt des ersten Chorhalbjahres, und das meine den, nicht alle wollen diese Dienste machen, ich nicht mal ironisch. manche möchten nur sonntags singen, für den Werktagsgottesdienst am Diens- Mit den Kollegen und der neuen Kollegin aus der tagabend finden sich zu Anfang Region treffen wir uns wieder mal bei Jitsi. wenige, mittlerweile aber ausrei- chend viele KantorInnen. Was ist mit TBQ? Einige wollten doch im Sommer Prüfung machen, was jetzt auf keinen Fall klappen Am Wochenende sind immer wird. Das Orgelkundeseminar fehlt auch noch. zwei SängerInnen da, wir be- Gibt es ein Hygienekonzept aus Rottenburg ? schließen, auch Sängerinnen Wann darf wieder unterrichtet werden und falls ja, und Sänger von Kirchen- und Ju- unter welchen Bedingungen ? gendchor anzufragen – mit Er- folg. Werden Eure Tasten auch so grau wie bei mir an der Orgel? Müssen wir unser regionales Chortref- Das Problem ist, dass man zuerst fen „Cantate Domino“ absagen? sein Personal zusammen haben muss, erst dann kann man ein Ein Absolvent will jetzt endlich seine Orgelprü- Programm machen, das fung ablegen, wir treffen uns in Schramberg, mit die eingeteilte Gruppe Abstand, endlich mal wieder eine richtige Orgel- leisten kann. Fast immer prüfung. Seit dem Wochenende sind Gottesdiens- schätzen die sich melden- te wieder unter den bekannten Auflagen erlaubt. den SängerInnen ihre Fä- Wie machen das die Kollegen? higkeiten richtig ein, das Material aus Rottenburg Nach etlichen Besprechungen in der Gemeinde bietet manchmal interes- und der Seelsorgeeinheit hat sich Spaichingen ent- sante Alternativen und ei- schieden, am Wochenende zwei Gottesdienste in nige Stücke können einge- der Stadtpfarrkirche wieder zu ermöglichen, ein baut oder geübt werden, Gottesdienst am Samstagabend, einer am Sonn- sofern sie rechtzeitig zu tagmorgen. Dürbheim, das größere der beiden den Proben da sind. Dörfer in der SE bekommt einen Gottesdienst am Sonntag. In Balgheim, dem kleineren Dorf und in An Pfingsten singen wir vierstimmig, mit vier St. Josef in Spaichingen sind keine Gottesdienste Männern der Gregorianikschola, an Fronleichnam möglich. Erstens fallen die beiden Pensionäre aus ebenfalls, diesmal gemischt, sowohl vom Ge- und zweitens sind die vorgeschriebenen Abstände schlecht, als auch von den Chören her, Sängerin- und Laufwege nicht ausreichend. nen und Sänger aus Kirchenchor, Jugendchor und Schola. Vereint auf der Empore singen Mutter und Einsicht allerorten, wenn auch Bedauern in den Tochter oder auch mal Vater und Tochter, beim Pa- kleinen Kirchen. trozinium singt ein Quintett des Jugendchors, mal ein Frauenterzett. DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART 13
Schwerpunktthema was rechtlich ein privater Raum und welche Räu- me öffentlich sind. Mal gilt das, mal jenes, ich werde fast verrückt. Der Kirchengemeinderat hat das Gemeindehaus bis zum Ende der Sommerfreien geschlossen, die- Das Niveau steigt, manche Kirchenbesucher mel- ser Beschluss wird für den Chor außer Kraft ge- den, sie bräuchten doch gar keinen Gemeindege- setzt. Ich kann also auch mit den Kinder- und Ju- sang oder Chor mehr. „Vorsicht“, denke ich, da gendchorgruppen in den Saal – eigentlich. Ausge- fehlt doch eine Dimension. Trotzdem freuen wir rechnet jetzt ist der Saal aber für die Vorbereitung uns über die positive Rückmeldungen. der Erstbeichte reserviert. Dank der kooperativen Zum Orgelüben bleibt jetzt leider wieder weniger Gemeindereferentin lässt sich auch das Problem Zeit, das Ausarbeiten der Programme und die Pro- lösen. Jetzt müssen nur noch die Eltern der Kinder ben für die Sängerinnen bindet Resourcen, aber das Hygienekonzept lesen und den Rückmeldebo- endlich fühlt man sich wieder als Chorleiter. gen unterschrieben ins Pfarrhaus bringen, ob das klappt? Es kostet mich zwei Tage am PC und am Dann steht in der Zeitung, dass die Bläser wieder Telefon, aber es klappt. unterrichten dürfen, nein, nicht via Skype, son- dern real, auch die Blasmusik legt wieder los, zwar Zollstöcke wurden gezückt, um die Stühle in der mit Abstand und Registerproben, aber immerhin. Kirche oder dann doch im Gemeindehaus optimal Von Chorsingen ist nicht die Rede. zu stellen, ein Headset aktiviert, wieder hilft der Pasti, das E-Piano muss wieder von der Empore Ich rufe in der Redaktion an, der Redakteur ver- runter, jedes Mal muss ich aufbauen und wieder ab- spricht, nachzuforschen. Nein, ans Chorsingen bauen, Platz machen für andere Veranstaltungen. habe er nicht gedacht. Ach, war das nett in meinem eigenen, viel zu engen Proberaum im Keller. Wieder helfen Einige vom Ein Vorstand aus dem Dekanat meldet, dass der Ausschuss mit, die Rückmeldebögen einzusam- Kirchenchor wieder probt, ich glaube, mich ver- meln, es müssen Hygienebeauftragte benannt und hört zu haben. Er habe das mit der Gemeinde ab- das Desinfizieren von Händen muss überwacht, gesprochen, ich weise ihn darauf hin, dass er nicht Bilder von der Sitzordnung müssen gemacht wer- proben darf. den. Glücklicherweise hat bei uns Jeder seine eige- nen Noten. Für die Kinder werden Chormappen Aber hat er nicht Recht? Schließlich dürfen doch bestellt, diese vorher mit den entsprechenden No- die Bläser auch wieder proben. ten bestückt, ich achte streng auf Einhaltung von Ich lass mich mit dem Bürgermeister verbinden, Regeln und generell erkläre ich viel. Bei den Kin- der den Gemeindetag in unserer Region leitet. dern bin ich Chorleiter, Notenwart, Hygienebeauf- „Wissen Sie, die Musikschulen machen Druck, tragter, alles in einer Person, bei den Erwachsenen und wenn die dürfen, können wir das den Verei- habe ich Hilfe von Chormitgliedern, es ist gut, nen nicht verbieten“ sagt er. solch eine tolle Truppe beieinander zu haben. Und die Chöre ? „Da wisse er jetzt auch nichts Ge- In der ersten Woche kommen 30 Kinder in zwei naues….“ Gruppen beim Kinderchor in der Probe, 14 beim Etwa eine Woche später dann doch die Nachricht, Jugendchor, 8 Männer bei der Gregorianikschola dass sich etwas tut. Wir dürfen unter strengen Auf- und fast 50 Sängerinnen und Sänger des Kirchen- lagen wieder proben und für mich ist sonnenklar, chores, die in zwei Gruppen (Tenor und Sopran in dass ich das, koste es, was es wolle, auch tun werde. einer Gruppe, Bass und Alt in der anderen) pro- ben. Einige Kinder, Jugendliche, aber auch Er- Jetzt muss ein Hygienekonzept her, Gott sei Dank wachsene wollen vor den großen Ferien nicht gibt es da Vorlagen aus Rottenburg. Aber für jede mehr kommen, kündigen ihr Erscheinen aber wie- Chorgruppe muss es angepasst werden. Der Aus- der für nach den Ferien an. schuss des Kirchenchores probt, in den folgenden Tagen lerne ich viel über den juristischen Unter- Klanglich ist das Ergebnis bei den Erwachsenen schied von „Ansammlung“ und „Versammlung“, befriedigend, für die Kinder sind drei Meter Ab- 14 KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
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