KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...

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KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...
KIRCHEN
                             MUSIKALISCHE
                         MI EILUNGEN
                             Nr. 147 NOVEMBER 2020

                  DIÖZES E

                   RO E N BU R G -
ISSN 1436-0276
                 STU G A RT
KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...
 I N H A LT S V E R Z E I C H N I S

                                                                           Liturgie aktuell
St. Meinrad-Weg 6 · 72108 Rottenburg                                    2 Gerhard Schneider • Dank an alle in der Kirchenmusik Engagierten
Telefon (07472) 169 953
                                                                        3 Libreria Editrice Vaticana • Ansprache des Heiligen Vaters
Telefax (07472) 169 955
www.amt-fuer-kirchenmusik.de
                                                                           Schwerpunktthema
Leiter des Amtes für Kirchenmusik
Diözesanmusikdirektor Walter Hirt                                       9 Erfahrungsberichte • Kirchenmusik in Coronazeiten
e-Mail: Whirt@bo.drs.de
                                                                           Aus der Praxis
Stellvertretender Leiter des Amtes
für Kirchenmusik · Fachstelle für das                              39 Franz Günther • Improvisatorisches Lernen
Glockenwesen: Prof. Dr. Hans Schnieders                            52 Karl Echle • Chorwerke von Gregor Simon
Telefon (07472) 169 952
e-Mail: hschnieders@bo.drs.de
                                                 MITTEILUNGEN

Bürozeiten
                                                                            Mitteilungen
Kirchenmusik: Mo und Do Vormittag
Glockenwesen: Di und Fr Vormittag                                  60       Amt für Kirchenmusik
                                                                   58       Diözesan-Cäcilienverband
Roman Schmid                                                       58       Hochschule für Kirchenmusik
Betreuung des Glockenwesens                                        58       Hochschule für Kirchenmusik
Telefon: (07472) 169 956                                           60       Hochschule für Kirchenmusik
e-Mail: rschmid@bo.drs.de
Bürozeiten: Mo und Di, ganztägig
                                                                                                                    IMPRESSUM
                                                 BERICHTE

                                                                            Berichte
Antal Váradi, geschäftsführender Orgelrevisor
Telefon (07472) 169 954                                            61 Amt für Kirchenmusik                         Mitarbeiter
e-Mail: aváradi@bo.drs.de                                                                                          Marianne Aicher, Jürgen Benkö, Karl Echle,
Bürozeiten: Mo, Do 9.00 – 18.00 Uhr                             ORGEL
                                                                                                                   Georg Fehrenbacher, Thomas Gindele, Franz
• Orgelwesen                                                                Orgel                                  Günthner, Walter Hirt, Ursula Jochim, Ursula
                                                DIE KÖNIGIN
                                                                                                                   Kluike, Gregor Moser, Michael Müller, Schwester
                                                                   62 Orgelbauten, Sanierungen                     Faustina Niestroj, Birger Petersen, Corinna Rau-
N.N., Sekretariat
                                                                                                                   pach, Gerhard Schneider, Reiner Schulte, Tho-
Telefon (07472) 169 953
                                                                                                                   mas Stang, Margret Schäfer-Krebs, Andreas
e-Mail: afkm@bo.drs.de                                                                                             Weil, Uwe Weiser
                                                  PERSONALIA

                                                                            Personalia
C-Ausbildung                                                                                                       Die KMM stehen Ihnen auch unter
Leitung: DMD Walter Hirt                                           67 Stellenbesetzungen, Ernennungen              www.amt-fuer-kirchenmusik.de
Anmeldungen, Prüfungen, Informationen:                                                                             im pdf-Format zur Verfügung.
N.N.                                                                                                               Sollten Sie von dieser Möglichkeit Gebrauch
                                                Rezensionen

Telefon (07472) 169 823, Telefax 169 829                                 Rezensionen                               machen, so bitten wir Sie, uns zu informieren.
e-Mail: awildemann@bo.drs.de                                                                                       Dadurch helfen Sie uns, Kosten zu sparen.
                                                                   70 Chornoten, Orgelnoten                        Herzlichen Dank!
DCV-Geschäftsstelle
Geschäftsführer: Sr. M. Faustina Niestroj                                                                            Herausgeber: Amt für Kirchenmusik der
e-Mail: caecilienverband@drs.de                                                                                                      Diözese Rottenburg-Stuttgart
Telefon (07472) 169 958, Telefax 169 83958                                                                                    ISSN: 1436-0276
Bürozeiten:                                                                                                          Schriftleitung: Diözesanmusikdirektor
Mo 9.00–12.00 Uhr, Fr 14.00–17.00 Uhr                                                                                                Walter Hirt
                                                                                                                        Redaktion: Walter Hirt
Urkunden und Anträge Palestrinamedaille/                                                                                  Beiträge: Auf CD oder per E-Mail
Zelterplakette anfordern bei Ursula Kluike                                                                                           (jeweils im Word-Format) an
(07472) 169 958 · caecilienverband@drs.de                                                                                            das Amt für Kirchenmusik
                                                                                                                      Herstellung: Werner Böttler,
                                                                                                                                     GrafikSatzBildDruck
                                                                                                                                     72141 Walddorfhäslach,
                                                                                                                                     (07127) 927010
                                                                                                                           Auflage: 3.900 Exemplare
                                                                                                                          Titelbild: Probe zu Corona-Zeiten in
                                                                                                                                     St. Maria, Schramberg

                                                                                                                   Redaktionsschluss Nr. 148: 1. März 2021

           KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...
 ED I TORI A L

                  Das gab es noch nie: Die Orgel so zu spielen, dass    üben als „Akt der Hoffnung“. Wir werden an unse-
                  möglichst niemand mitsingt.                           rem Anspruch festhalten: „Jemand muss singen,
                                                                        Herr, wenn Du kommst“ (Silja Walter), um weiter-
                  Lieder auszuwählen, in welche die Gottesdienst-       hin im Vorsingen zu Für-Sängern zu werden.
                  besucher nicht spontan einstimmen sollen. Den
                  Hallelujavers nicht zu wiederholen. Musik herun-      Damit die Heilige Nacht nicht tatsächlich zu einer
                  ter zu brechen, Wochen später ganz abzubrechen.       stillen wird. Damit wir jene Trennung überwin-
                  Irgendwann wieder einen Anfang zu nehmen, mit         den, welche der Heilige Augustinus als den eigent-
                  neuen Gleichungen, in denen eine doppelte Zwei-       lichen Tod bezeichnet:
                  stimmigkeit die Vierstimmigkeit ersetzt.
                                                                        „Der Tod, den die Menschen fürchten, ist die Tren-
                  Jede Probe mit einigen Unerschütterlichen neu zu      nung der Seele vom Körper.
                  erfinden, in einem ausgewogenen Verhältnis an         Der Tod aber, den die Menschen nicht fürchten, ist
                  Kreativität und Starrsinn. Mit dem Willen, unbe-      die Trennung von Gott.“
                  dingt singfähig zu bleiben, damit wir beziehungs-
                  fähig bleiben – im Leben, im Glauben. Cantare         Singen wir an gegen diese Trennung. Bis die uns
                  amantis est, Sache der Liebenden. Abstands- und       Hörenden im Herzen mitsingen:
                  Hygieneregeln einzuhalten auch und gleicherma-
                  ßen und unbedingt, in aller Konsequenz und oh-        Nada te turbe,        Nichts soll dich verwirren,
                  ne Kompromisse. Lüften mit der Absicherung ei-        nada te espante,      nichts dich erschrecken,
                  nes CO2-Meßgeräts als wichtigste Maßnahme.            todo se pasa,         alles geht vorüber,
                  Auch dann, wenn es spürbar kälter wird.               Dios no se muda,      Gott zieht nicht aus,
                                                                        la pacienza           Geduld
                  LI EB E L ES ERI N, L I EB ER LE SE R,                todo lo alcanza,      erreicht alles,
                                                                        quien a Dios tiene    wer Gott bei sich hat,
                  Sie werden bei der Lektüre dieser Ausgabe staunen     nada te falta,        dem fehlt nichts,
                  über die Fülle dessen, was zwischen Mitte März        sólo Dios basta.      nur Gott genügt.
                  und September von den Kirchenmusikerinnen
                  und Kirchenmusikern unserer Diözese an Ideen          (Teresa von Ávila)
                  investiert wurde, um das kirchliche Leben weiter-
                  zutragen. Das war spannend und gewinnbringend
                  auf der einen und nicht selten erschöpfend und        Walter Hirt
                  lähmend auf der anderen Seite. Denn auch im
                  dritten Jahrtausend findet das wahre Leben und
                  das wirkliche Musizieren analog statt. Was in die-
                  ser Zeit trotz aller Verunsicherungen an vielen Or-
                  ten investiert wurde, war gelebte Kirche.
                                                                        Diözesanmusikdirektor
                  Nun geht es – auf dem Weg zu Weihnachten hin –
                  in eine zweite Runde der Beschränkungen, deren
                  Ende derzeit ungewiss ist. Doch gewiss ist, dass
                  viele Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker
                  den Menschen weiterhin eine Brücke schlagen
                  werden – hinweg über das trostlose Tal des Ver-
                  stummens. Wir Kirchenmusiker werden weiterhin

                                                                                 DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART           1
KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...
Liturgie aktuell

                     Dr. Gerhard Schneider

                     Liebe Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker,
                     liebe Chorleiterinnen und Chorleiter,
                     liebe Sängerinnen und Sänger !

                                 W      ir haben ein bewegtes Dreivier-
                                        teljahr hinter uns! Die vergan-
                                 genen Monate waren geprägt von Ein-
                                                                           Es ist Ihnen, unseren Kirchenmusikern und Chor-
                                                                           leitern zu verdanken, dass all dies gelungen ist.
                                                                           Sie motivieren mit großer Kraft und Leidenschaft
                                 schränkungen und Anstrengungen,           Menschen auch in dieser Zeit der Verunsicherung,
                                 denn gerade für die Kunst und die         neue musikalische Dienste zu beginnen. Sie
                                 Musik bringt die Corona-Krise bisher      zeigen durch Ihr Orgelspiel und vielfältige musi-
                                 noch nicht dagewesene Herausforde-        kalische Gestaltungen, wozu die Kirchenmusik
                                 rungen mit sich. Vieles ist nicht oder    selbst unter eingeschränkten Möglichkeiten in
                                 nur eingeschränkt möglich und all-        der Lage ist. Sie machen mit all dem deutlich,
                                 mählich zeigt sich, dass dieser Zu-       dass die Kirchenmusik eine zutiefst pastorale
                                 stand wohl dauerhafte Spuren hinter-      Dimension hat.
                                 lassen wird. Vor allem unsere Chöre
                                 sind von der Krise existentiell betrof-   Dafür möchte ich Ihnen von ganzem Herzen
                     fen. Die Telefonate, die ich im Laufe der letzten     danken, auch im Namen all derer, für die Ihr
                     Monaten mit Chorleitern und Sängern geführt ha-       Dienst in dieser Zeit eine wichtige Hilfe und
                     be, haben mich tief bewegt.                           Stütze im Leben und Glauben war und ist!

                     Auf eine ganz eigene Weise gelangt die Kirchen-       Wir wissen, dass die kommenden Wintermonate
                     musik aber inmitten ihrer größten Krise – zumin-      schwierig werden und vermutlich neue Ein-
                     dest unserer Epoche – zugleich auch zu einer          schränkungen bringen. Die Musik wird in ihrer
                     neuen, herausragenden Bedeutung. Das bis dahin        befreienden, Mut machenden Dimension ein
                     unvorstellbare Fehlen des Gesangs im Gottes-          elementarer Bestandteil unseres kirchlichen
                     dienst war und ist ein tiefer Schmerz für nahezu      Wirkens in dieser Zeit sein. Ich wünsche Ihnen
                     alle Gemeinden. In einer Umfrage unter den pas-       viel Kraft, Zuversicht und Gottes Segen gerade in
                     toralen Mitarbeitern in unserer Diözese wurde         dieser Zeit!
                     die Frage gestellt, was derzeit in den Gemeinden
                     als größte Einschränkung bei der Feier von Got-       Herzlich,
                     tesdiensten empfunden wird. Fast zwei Drittel
                     antworteten: Nicht singen zu dürfen! Noch nie         Ihr
                     wurde so deutlich, dass die Musik und der Ge-
                     sang in unseren Eucharistiefeiern und anderen
                     Gottesdiensten nicht nur schmückendes Beiwerk,
                     sondern eine existentielle und tiefe geistliche
                     Form der Teilnahme an der Liturgie sind. Selten
                     wurde so klar: Geistliche Musik kann Gottesbe-        Dr. Gerhard Schneider
                     ziehung stiften. Es war eine wunderbare Entwick-      Weihbischof
                     lung, dass sich von heute auf morgen kleine
                     Chorgruppen bildeten und sich viele Menschen
                     plötzlich trauten als Kantorinnen und Kantoren
                     in der Liturgie mitzuwirken. Immer wieder habe
                     ich erlebt, wie dankbar viele Gottesdienstbesu-
                     cher dafür waren und diese Dienste als wertvolles
                     und ermutigendes Geschenk erlebt haben.
                                                                                                                           ❖
2          KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...
Ansprache des Heiligen Vaters             und zu verwandeln, um die Schönheit         pret ebenso wie der Künstler das Unaus-
an die Teilnehmer                         der Musik darbieten zu können und im        sprechliche zum Ausdruck, benutzt er
an dem Kongress                           liturgischen Bereich seinen Dienst in       Worte und Materie, die über die Begriffe
„Kirche, Musik, Interpreten:              der musikalischen Ausführung erfüllen       hinausgehen, um jene Art von Sakra-
Ein notwendiger Dialog“                   zu können (vgl. Sacrosanctum concili-       mentalität zu vermitteln, die der ästhe-
am Samstag, 9. November 2019              um, 115). Der Interpret ist aufgerufen,     tischen Darstellung zu eigen ist.
                                          eine eigene Sensibilität und einen eige-
                                          nen Genius zu entwickeln, stets im          Es gibt einen Dialog. Denn einem
                                          Dienst der Kunst, die den menschlichen      Kunstwerk zu folgen ist nichts Stati-
Liebe Brüder                              Geist wiederherstellt, und im Dienst der    sches, Mathematisches. Es gibt einen
                                          Gemeinschaft, besonders dann, wenn          Dialog zwischen dem Autor, dem Werk
und Schwestern,                           er einen liturgischen Dienst versieht.      und dem Interpreten. Es ist ein Dialog
                                                                                      zu dritt. Und dieser Dialog ist in jedem
guten Tag!                                Der Musikinterpret hat viel gemeinsam       Interpreten originell: ein Interpret emp-
                                          mit dem Bibelwissenschaftler, mit dem       findet ihn so und gibt es so wieder, ein

I  ch heiße euch herzlich willkommen Leser des Wortes Gottes; im weitesten
   anlässlich des 3. Internationalen Sinne mit jenen, die versuchen, die Zei-
Kongresses »Kirche und Musik«, zum chen der Zeit auszulegen; und noch all-
                                                                                      anderer auf eine andere Weise. Aber die-
                                                                                      ser Dialog ist wichtig: Er gestattet auch
                                                                                      die Entwicklung in der Ausführung
Thema des Interpreten und der Inter- gemeiner mit jenen – das sollten wir alle        eines Kunstwerks. Mir kommt zum Bei-
pretation. Ich danke dem Päpstlichen sein –, die den anderen annehmen und             spiel ein Bach in den Sinn, der von
Rat für die Kultur für die Veranstaltung. ihm zuhören in einem aufrichtigen           Richter oder von Gardiner ausgeführt
Er hat in Zusammenarbeit mit dem Dialog. Denn jeder Christ ist ein Inter-             wird: Das ist ein Unterschied. Der Dia-
Päpstlichen Liturgischen Institut der pret des Willens Gottes in seinem eige-         log ist etwas anderes, und der Interpret
Päpstlichen Hochschule »Sant’Anselmo« nen Leben, und mit diesem singt er mit          muss in diesen Dialog zwischen dem
den diesjährigen Kongress ermöglicht. Freuden Gott eine Lobes- und Dankes-            Autor, dem Werk und sich selbst eintre-
Ich begrüße alle Teilnehmer und danke hymne. Durch diesen Gesang interpre-            ten. Das darf man nie vergessen. Der
insbesondere Kardinal Ravasi für seine tiert die Kirche das Evangelium in den         Künstler, der Interpret und – im Fall der
Einführung. Ich hoffe, dass die in diesen Ackerfurchen der Geschichte aus. Die        Musik – der Hörer haben ein und den-
Tagen durchgeführten Arbeiten für alle Jungfrau Maria hat es auf vorbildliche         selben Wunsch: zu verstehen, was die
ein Sauerteig des Evangeliums, des litur- Weise in ihrem Magnifikat getan; und        Schönheit, die Musik, die Kunst uns ge-
gischen Lebens und des Dienstes an der die Heiligen haben den Willen Gottes           statten, von der Wirklichkeit Gottes zu
Kultur und an der Kirche sein mögen.      in ihrem Leben und in ihrer Sendung         verstehen. Und die Männer und Frauen
                                          interpretiert.                              unserer Zeit brauchen es vielleicht mehr
Oft stellen wir uns den Interpreten wie                                               denn je zuvor. Diese Wirklichkeit zu in-
einen Übersetzer vor oder wie jeman- Der heilige Papst Paul VI. hat 1964 in           terpretieren ist wesentlich für die heuti-
den, der die Aufgabe hat, etwas, das er der historischen Begegnung mit den            ge Welt.
empfängt, so zu übertragen, dass der Künstlern, diesen Gedanken zum Aus-
andere es verstehen kann. Der Interpret, druck gebracht: Unser Dienst ist »ein        Liebe Brüder und Schwestern, ich danke
besonders im musikalischen Bereich, ist Dienst, der, wie ihr wisst, darin besteht,    euch erneut für euer Bemühen um das
jedoch jemand, der mit eigenem Geist die geistlichen Dinge, das Unsichtbare,          Studium der Musik und insbesondere
das überträgt, was der Komponist ge- Unaussprechliche, die Dinge Gottes, zu           der Kirchenmusik. Ich wünsche mir
schrieben hat, damit es schön und verkünden, zugänglich und verstehbar                und euch – jedem auf seinem Weg –,
künstlerisch vollkommen klingt. Im zu machen für den Geist und die Her-               Tag für Tag immer bessere Interpreten
Übrigen existiert das musikalische zen der Menschen. In dieser Tätigkeit,             des Evangeliums zu werden, der Schön-
Werk, solange es interpretiert wird, also die die unsichtbare Welt in zugängliche     heit, die der Vater uns in Jesus Christus
so lange es einen Interpreten gibt.       Formeln umgießt, seid ihr Meister. Es ist   offenbart hat, im Lob, dass die Gottes-
                                          eure Aufgabe, eure Mission, und eure        kindschaft zum Ausdruck bringt.
Der gute Interpret ist beseelt von großer Kunst besteht darin, Schätze aus dem
Demut gegenüber dem Kunstwerk, das himmlischen Bereich des Geistes zu er-             Ich segne euch von Herzen, und ich
ihm nicht gehört. Er weiß, dass er auf greifen und sie in Worte, Farben, For-         bitte euch, für mich zu beten. Danke.
seinem Gebiet ein Diener der Gemein- men zu kleiden, sie zugänglich zu ma-
schaft ist, und versucht immer, sich in- chen« (Insegnamenti II, [1964], 313).        © Copyright - Libreria Editrice Vaticana   ❖
nerlich und technisch weiterzubilden In diesem Sinne bringt also der Inter-

                                                                                      DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART               3
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Schwerpunktthema

                      Michael Müller

                      Chorarbeit in Coronazeiten –
                      Erfahrungsberichte
                      Seit März war es stumm in Gemeindesälen und
                      Proberäumen. Lockdown – Stille, das Leben wur-
                      de heruntergefahren. Die Leiter*innen von Chö-
                      ren standen plötzlich vor einer Situation, welche
                      noch nie da war. Berichte von Chorproben und
                      Veranstaltungen mit Chören, bei denen es zu ei-
                      nem massiven Ausbruch von Infektionen kam,
                      sorgten für Verunsicherung und führten zur An-
                      nahme, dass besonders durch Singen das Virus
KMD Michael Müller,   übertragen werden kann. Auch Blasinstrumente
Regionalkantor        gerieten in Verdacht, besonders an der Übertra-
in Bad Mergentheim
                      gung des Virus beteiligt zu sein. Dies wird durch
                      verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen
                      jedoch ab Anfang Mai präzisiert.

                      Wie haben die Chöre auf diese sich verändern-        schickten Chorleiter*innen Impulse und Musik-
                      den Situationen reagiert?                            stücke regelmäßig zu oder versuchten per Video-
                                                                           Chat (Skype, Zoom…) Stimmbildung, Proben im
                      In Gesprächen mit verschiedenen Chorleiter*in-       weitesten Sinne durchzuführen. Auch das Aufneh-
                      nen zeigt sich deutlich, wie sehr die Probenarbeit   men und Verschicken von Einzelstimmen der
                      und die Gestaltung von Gottesdiensten von den        Chorstücke, welche erlernt werden sollen, wurde
                      verschiedenen Voraussetzungen abhängig ist, wel-     praktiziert.
                      che vor Ort herrschen.
                                                                           Diese Formen bedeuten jedoch einen hohen zeit-
                      Wichtigstes Anliegen war es, Kontakt zu halten.      lichen und auch technischen Aufwand. Dies be-
                                                                           ginnt mit der Technik, bei welcher der Computer
                      Dies geschah über die Gruppen in gängigen Mes-       und eine schnelle Datenverbindung die Grundla-
                      senger-Diensten (Whatsapp u.a.) oder per Mail,       ge bilden. Auch ein ordentliches Aufnahmegerät,
                      welche in vielen Chören grundsätzlich schon vor-     Lautsprecher und der Raum zu Hause müssen pas-
                      handen sind. Die „Klopapier-Challenge“ war ein       sen, und schließlich muss die ganze Technik auch
                      Resultat dieser digitalen Kommunikation, an der      beherrscht werden. Wer schon selbst Audio- und
                      etliche Chöre teilgenommen haben. Daneben            Videodateien aufgenommen und bearbeitet hat,
                                                                           kennt den großen zeitlichen Aufwand, bis diese
                                                                           Aufnahmen zufriedenstellend sind. Das Ergebnis
                                                                           dieser Form des digitalen Probens ist musikalisch
                                                                           oft ernüchternd: Arbeit am Gesamtklang ist nicht
                                                                           möglich, die Abhängigkeit von einer funktionie-
                                                                           renden Technik ist sehr hoch, der/die Sänger/in ist
                                                                           einfach weit weg.

                                                                           Als Probenarbeit in „Realpräsenz“ mit gewissen
                                                                           Einschränkungen wieder möglich wird, zeigen
                                                                           sich nach anfänglicher Freude auch dort die Gren-
                                                                           zen. Mal sind die Probenräume schlicht zu klein
                                                                           und/oder zu niedrig, mal hat die Kirche zu viel
                                                                           Nachhall oder lässt sich nur schlecht belüften. Im
                                                                           Freien verfliegt der Klang zu schnell, es gibt Ein-

4          KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...
schränkungen durch Straßenlärm und die Probe
ist sehr vom Wetter abhängig. Ab einer gewissen
Größe von Gruppen hören sich die Sänger*innen
beim notwendigen Abstand nicht mehr. Manche
Probe wird in dieser Form einmal durchgeführt –
und dann nie wieder.

Vor allem für nebenberufliche Chorleiter*innen
war und ist es kaum möglich, neben dem normalen
beruflichen und familiären Alltag diesen zusätzli-
chen Aufwand zu leisten. So gibt es Chöre, welche
bis heute nicht mehr proben konnten. Faktisch be-
deutet dies einen Neuanfang, voraussichtlich im
nächsten Jahr, da die Beschränkungen einen „nor-
malen“ Choralltag mindestens bis zum Ende dieses
Jahres nicht ermöglichen. Besonders bei kleineren
Kindern tritt eine zunehmende Entfremdung zur
                                                        TBQ-Sitzung im Freien mit Abstand – mit den Dekanatskirchenmusikern Andreas
Leiterin/zum Leiter des Chores auf, d.h. gerade klei-
                                                        Schweizer, Thomas Specker, Martin Böhm und KMD Markus Grohmann
ne Kinder benötigen die „Präsenzprobe“.
                                                        Jugendlichen, ganz gleich ob sie sich einmal oder
Besonders problematisch sind Chorproben, wel-           mehrmals in der Woche treffen. Sie geschieht in
che in Kooperation mit Schulen angeboten wer-           anspruchsvoller Musik alter und neuer Meister ge-
den. Durch die Einschränkungen, welche von Sei-         nauso wie in neuen geistlichen Liedern und kind-               Kinder und Jugendliche
te der Schulen gelten, ist hier nur ein Singen im       gemäßen Liedern. Kinder und Jugendliche (und                          entdecken,
Klassenverband möglich. Bisherige Formen des            auch Erwachsene) spüren die Verbundenheit ihres               wie wichtig das Singen für
klassenübergreifenden Musizierens sind damit            Chorleiters/ihrer Chorleiterin mit ihnen, das En-                  sie in dieser Zeit
weiterhin auf Eis gelegt.                               gagement, die Kreativität, die Verlässlichkeit – ge-                geworden ist.
                                                        rade in dieser Zeit. Dies soll ein Ansporn sein,
Chorleiter*innen berichten aber auch von der be-        auch diese Zeit in Geduld und mit Zuversicht
glückenden Erfahrung, dass Sänger*innen mit             durchzustehen, sowohl für den Erhalt als auch für
sehr viel Freude und Enthusiasmus zu den ange-          den Neuanfang einer zutiefst sinngebenden Tätig-
botenen Proben kommen. Nur selten verlassen
Kinder und Jugendliche den Chor wegen Corona,
                                                        keit.
                                                             ❖
die Austrittszahlen sind eher normal beim Schul-
wechsel oder nach den Sommerferien. Auch das
Gegenteil wird berichtet: Kinder und Jugendliche
entdecken, wie wichtig das Singen für sie in dieser
Zeit geworden ist. Wo Probenarbeit in kleineren
Gruppen möglich ist, gelingt auch ein stärkerer
Bezug zu den einzelnen Sänger*innen. Dies ist
aber meist nur bei hauptberuflichen Kirchenmusi-
ker*innen möglich, da diese ihr Zeitbudget ent-
sprechend strukturieren können.

Was letztlich nicht viel zu sein scheint,
ist aber eine der wesentlichsten Aufgaben in der
Chorarbeit:

Beziehung! Wo gute Beziehungen im Laufe der
Monate und Jahre gewachsen sind, halten diese
auch in dieser Zeit. Dies hat mit der Musik als sol-
cher zunächst gar nichts zu tun. Beziehung ge-                                  Proben im Freien: Vom Wetter abhängig und oft mit Ein-
schieht in der intensiven Arbeit mit Kindern und                                schränkungen – auf der Liebfrauenhöhe Ergenzingen.

                                                                                           DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART                  5
KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...
 Schwerpunktthema
                               BACKNANG
                              RK Reiner Schulte

                              Ein Zeitsprung von zehn Jahren –
                              Beobachtungen und Perspektiven
                              D     reimal hatte ich bisher das Gefühl, mit ei-
                                    nem Satz in der kirchlichen Zukunft zu lan-
                              den. Das erste Mal, als ich zum Studieren nach
                                                                                     leicht wurden auch zu viele verschiedene und un-
                                                                                     bekannte Lieder auf die Liedpläne gesetzt. An die-
                                                                                     ser Stelle dürfen wir Kirchenmusiker uns gern kurz
                              Stuttgart kam, vom katholischen Dorf in Ostwest-       einmal an die eigenen Nase fassen.
                              falen in die plurale Landeshauptstadt. Was die Kir-
                              chenbindung, die Ökumene und die Pflege tradi-         Man konnte als Organist schon vor Corona in den
                              tioneller Frömmigkeitsformen angeht ein Sprung         Kirchenraum lauschen und sich fragen, wie es
     Reiner Schulte,          von 10 Jahren. Locker.                                 denn wohl in 10 Jahren klingen würde. Würde
     Regionalkantor in
     Backnang                                                                        dann schon ein Gedackt 8‘ den schütteren Gesang
                              Das zweite Mal war es in einem Urlaub vor viel-        übertönen?
                              leicht 20 Jahren, beim Betreten der imposanten,
                              doppeltürmigen Johanniskirche in Magdeburg.
                              Erwartet hatte ich die andächtige Stille einer goti-
                              schen Hallenkirche. Statt dessen stand ich im Foy-
                              er eines modernen Kongresszentrums mit allem
                              Pipapo, inklusive Gastronomie, Garderobe und
                              Ticketschaltern. Ist das auch die westdeutsche Zu-
                              kunft, dachte ich damals? Wann? In 30 Jahren?

                              Für das dritte Mal musste ich weder umziehen
                              noch in den Urlaub fahren. Der Zeitsprung kam
                              durch Corona. Ich würde ihn spontan auf rund 10
                              Jahre beziffern.
                                                                                     Im März 2020 herrschte jedenfalls von heute auf
                              Man könnte zu Recht einwänden: Das ist nur             morgen Stille. Das Rinnsal war vollends versiegt.
                              plausibel, wenn man glaubt, dass die Kirche und        Mittlerweile hat sich die Situation zwar etwas ent-
                              ihre Musik sich zwangsläufig in eine bestimmte         spannt. Aber es bleiben Fragen:
                              Richtung bewegt hätten. Zugegeben, aber dann
  Schon vor Corona            wäre das hier immerhin ein Versuch, sich über das      • Muss immer die Orgel von der Empore herab-
     gab es eine              eigene Zukunftsbild der Kirche und ihrer Musik           spielen? Was mache ich als Organist*in bei elf
schleichende Erosion          Rechenschaft abzulegen und nach einer Perspekti-         Gottesdienstbesuchern. Singe ich dann nicht
des Gemeindegesangs.          ve Ausschau zu halten.                                   lieber unten mit, mit allen musikalischen Mög-
                                                                                       lichkeiten, die sich dann im Wechseln durch
                                                                                       Vorsänger und Gemeinde ergeben?
                              Der Gemeindegesang
                                                                                     • Muss es immer ein gemeinsames Lied sein. Eine
                              Das Ohrenfälligste ist vielleicht das Verstummen.        tätige Teilnahme kann vielleicht auch über akti-
                              Schon vor Corona gab es eine schleichende Ero-           ves Zuhörer erfolgen. Ansgar Wallenhorst fragte
                              sion des Gemeindegesangs. Das hatte mehrere              schon 2011: „Gibt es vielleicht neue Formen von
                              Gründe: dass überhaupt weniger gesungen wurde,           ,Communio‘ und ,mitvollziehender Teilnahme‘
                              dass die Gottesdienstbesucher seltener kamen und         der Liturgie in einem aktiven oder kontemplati-
     1 Ansgar Wallenhorst,
       10 Fragen auf dem      dass sie die Lieder damit seltener einüben konn-         ven Hören?“1
       Weg zu einem           ten, dass sich je nach Zielgruppe unterschiedliche
       neuen Volk Gottes,
       pdf unter              Repertoires herausbildeten (Senioren, Familien,        • Sollte es auch in Zukunft mehr reine Zuhör-
       http://www.orgel-
       welten-                Jugend, Taize-Gruppe, Lobpreisrunde), und dass           lieder von einem Vorsänger geben? Welche sind
       ratingen.de/die_ziel   die Singenden weniger werden, damit weiter aus-          das? (Vielleicht besser nicht solche, die die Ge-
       e.php (Abgerufen
       am 5.10.2020)          einander sitzen und dass sie älter werden. Viel-         meinde selbst gern und gut singt.) Wie sind sol-

     6           KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...
che Lieder zu begleiten, gibt es etwa Zwischen-
  spiele zwischen den Strophen. Wo steht der Vor-
  sänger? Wie ist die Beschallung? Wie ist die
  Qualität des Gesangs? Welche Rolle werden (be-
  zahlte) Profi-Sänger spielen.

• Was bedeutet es für die Atmosphäre des Gottes-
  dienstes, wenn am Anfang des Gottesdienstes
  kein gemeinsames Lied steht. Welche Chancen
  ergeben sich durch Instrumentalmusik, solis-
  tische Vokalmusik, Stille? Wie kann trotzdem ein
  Gemeinschaftsgefühl entstehen? Ganz praktisch:
  Wann setzen sich Zelebrant und Gemeinde?

• Nach vielen mehr oder weniger vergeblichen
  Versuchen, den Kantorendienst in der Breite zu
  verankern, hat er durch Corona nun tatsächlich
  eine Aufwertung erfahren. Wie lässt sich das
  nutzen oder verspielen?                               der Volkskirche aus?2 Pluraler, mehr auf kleine
                                                        Gruppen ausgelegt, mehr auf Kasualien ausge-
Leere Kirchen                                           richtet, aufsuchend, missionarisch, kooperativ?
                                                        Weniger auf die Liturgie ausgerichtet?
Nicht ganz so auffällig wie das Verstummen des
Gemeindegesangs ist der Rückgang an Gottes-
dienstteilnehmern. Aber es bleiben tatsächlich Et-    Die Chöre
liche weg: Die sehr Alten etwa, dann die Entwöhn-
ten: Man hat gelernt, dass es auch mal ohne den       Die kirchlichen Chöre hatten während der Pande-        Neben der Sorge vor
Kirchgang geht. Vielen ist der Gottesdienst in der    mie gegenüber den weltlichen Chören den Vorteil,         Ansteckung ist es
jetzigen Form auch schlicht ein Graus. Die Hos-       dass sie bald wieder eine Aufgabe hatten (Kanto-      vor allem das Problem
tien mit der Zange gereicht bekommen von einem        rendienst, Vierer-Schola, 12er-Ensemble) und          des Hörens angesichts
vermummten Kommunionhelfer? Da bleiben sie            dass Kirchräume zum Proben bereitstanden.              der großen Abstände
lieber ganz weg. Und dann die Familien: bis heute                                                                beim Singen.
(Oktober 2020) finden viele Angebote für Kinder       Und trotzdem war Corona ein herber Einschnitt,
und Familien noch nicht wieder statt. Da ist hier     aber eben auch ein Katalysator für bestehende
und da der Faden abgerissen.                          Trends. Die Schrumpfungsprozesse, die vor Coro-
                                                      na insbesondere bei den Kirchenchören zu beob-
Ist auch das ein Blick in die Zukunft Jedenfalls      achten waren, wurden verstärkt. Es gibt die ersten
stellen sich – jenseits von Corona – einige Fragen:   dauerhaften Abmeldungen vom Kirchenchor, in
                                                      der Regel von sehr alten Sängerinnen und Sän-
• Wie kann der Kontakt zu den sehr Alten auf-         gern. Neben der Sorge vor Ansteckung ist es vor al-
  rechterhalten werden, die oft ihr Leben lang in     lem das Problem des Hörens angesichts der gro-
  die Kirche gegangen sind? Das Klientel ist auch     ßen Abstände beim Singen. Jemand der schlecht
  in den Kirchenchören vertreten.                     hört, ist auf seinen Nebensitzer angewiesen. Der
                                                      ist aber jetzt plötzlich unerreichbar weit weg. Co-
• Wie lassen sich Familien über digitale Angebote     rona hat überdeutlich gemacht, wie alt die meis-
  erreichen. Welche Rolle kann Musik dabei spie-      ten Sänger und Sängerinnen in den Kirchenchö-
  len?                                                ren sind. Nicht selten gehören 70% oder 90% zur       2 Anregungen dazu
                                                                                                              in: Christian Lehn-
                                                      Corona-Risikogruppe.                                    ert (Hg.), Nach der
• Vieles in der Kirchenmusik ist von der Volks-                                                               Volkskirche. Gottes-
                                                                                                              dienste feiern im
  kirche her gedacht: Sonntagsmesse, Kirchen-         Aber gleichzeitig war Corona auch eine musikali-        konfessionslosen
                                                                                                              Raum (Beiträge zu
  chor, Orchestermesse, Gemeindegesang, Kir-          sche, eine sängerische Herausforderung, die Viele       Liturgie und Spiritu-
  chenbänke und Orgelempore, Liedauswahl              angenommen und gemeistert haben. Es haben               alität 30), Evangelis-
                                                                                                              che Verlagsanstalt
  usw. Wie sähe also eine Kirchenmusik jenseits       sich jede Menge kleiner Ensembles formiert, und         2017

                                                                                     DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART                7
KIRCHEN MI EILUNGEN Nr. 147 NOVEMBER 2020 - Amt für ...
 Schwerpunktthema

                               diese haben oft viel häufiger im Gottesdienst ge-     ne finanziell kargere Zukunft der Kirchen mit
                               sungen, als es die Kirchenchöre vor der Corona        Sicherheit ein gutes Stück näher gerückt.
                               konnten.
                                                                                     Kirchenmusik hat immer schon über die Kirchen-
                               Es gibt nach dieser Pandemie wohl kein Zurück.        gemeinde hinaus gewirkt. Was bedeutet das für
                               Welche Perspektiven ergeben sich?                     das Erschließen weiterer Finanzierungsquellen
                                                                                     (Fördervereine, Fundraising)?
                               • Welche Chance steckt in den kleinere Ensem-         Welchen Stellenwert haben Kirchenmusiker im
                                 bles? Sollte man sie weiterpflegen? Parallel zum    Verhältnis zu den pastoralen Mitarbeitern4, und
                                 großen Chor?                                        was bedeutet das, wenn das Geld weniger wird?

                               • Lassen sich für sie weitere Personen gewinnen,
                                 die bisher nicht ansprechbar waren? Das wäre        Digitalisierung
                                 eine nicht zu unterschätzende missionarische
                                 Qualität von Kirchenmusik.                          Einen ordentlichen Satz in die Zukunft hat die Kir-
                                                                                     che auch bei dem Thema Digitalisierung gemacht.
                               • Das Gesellige am Chorsingen wurde während           Das muss einem nicht in jedem Beispiel behagen,
                                 der Pandemie vermisst. Was heißt das für die        ein Fortschritt ist es aber doch.
                                 pastorale Dimension der Kirchenmusik?
                                                                                     Viele Angebot in der Lockdown-Zeit wurden gera-
                               • Welche Differenzierungsmöglichkeiten ergeben        de von den Musikern getragen. Es ist absolut er-
                                 sich durch die verschiedenen kleineren Ensem-       staunlich, was sich an Möglichkeiten aufgetan hat:
                                 bles? Was kann sich daraus für die Differenzie-     Musikalische Videoimpulse, Livestreams von
3 Siehe dazu Reiner
  Schuhenn, Kirche im Fall       rung des Repertoires, die Differenzierung der       Gottesdiensten und Konzerten, Chorproben per
  – Kirchenmusik im
  Aufwind? Künstlerisch-         Leistungsfähigkeit ergeben?                         Videokonferenz, Videos oder mp3-Dateien als
  methodische An-                                                                    Übhilfen, Besprechungen oder Treffen per Video-
  forderungen an
  angehende Kirchen-           • Corona brachte viel mehr organisatorisch und        konferenz, Digitalisierung der Chorbibliothek
  musiker angesichts verän-      musikalische Detailplanung mit sich. Das war        usw.
  derter
  Gesellschaftsstrukturen,       mühsam. Aber was hat es Positives bewirkt?
  in: Marius Schwemmer,
  Mehr als nur eine Diener-                                                          • Welche Chancen für die Pastoral, für die Öffent-
  in der Liturgie. Zur Auf-    • Könnten die neuen kleinen Ensembles viel-             lichkeitsarbeit haben sich durch digitale Ange-
  gabe der Kirchenmusik
  heute, S. 177f                 leicht auch Kasualien gestalten (Taufen, Hoch-        bote eröffnet?
4 Weihbischof Dr. Gerhard
  Schneider sieht eine           zeiten, Beerdigungen)? Welche Chancen ste-          • Ein Gottesdienst-Video legt offen, wie es um die
  zunehmende Bedeutung           cken darin?3                                          Feierkultur bestellt ist. Was lässt sich daraus ler-
  des Kirchenmusikers als
  pastoralem Mitarbeiter.                                                              nen?5
  Dazu: Gerhard Schneider,     Sparen                                                • Welche Rolle können z.B. Videoimpulse in Zu-
  Kirchenmusiker als pas-
  torale Mitarbeiter: in:                                                              kunft spielen: in den geprägten Zeiten, als Ak-
  Marius Schwemmer,
  Mehr als nur eine Diener-    Seit gut 20 Jahren arbeite ich jetzt in der Kirche.     zente im Kirchenjahr, als Konzerttrailer, als Brü-
  in der Liturgie. Zur Auf-    Und genau so lange spricht man vom Sparen und           cke für Alte, Vielbeschäftigte, Kranke?
  gabe der Kirchenmusik
  heute, S. 127ff              von der bevorstehenden Schrumpfung. Nur statt-        • Was wollen wir eigentlich vermitteln/transpor-
5 Christian Orth, Damit
  ich die Botschaft daran      gefunden hat beides im Großen und Ganzen bis-           tieren/initiieren? Digitalisierung stellt die Frage
  neu lernen kann. Inter-      her noch nicht. Auch kirchenmusikalisch waren           nach den Inhalten neu.
  view zum Gottesdienst-
  Livestream aus der           die letzten beiden Jahrzehnte eher eine Zeit der
  Fuldaer Michaelskirche,      Expansion.
  in: Musica sacra, 140
  Jahrgang 2020, Nr. 5, S.                                                           Individualisierung, „Singularitäten“
  242
6 Andreas Reckwitz,            Das ändert sich jetzt offenbar. Das Schrumpfen
  Gesellschaft der Singular-   der Mitgliederzahlen durch Austritte, der Techno-     Der Lockdown hat viele Menschen auf sich zu-
  itäten. Zum Strukturwan-
  del der Moderne, Berlin      logiewandel in der Automobilindustrie und der         rückgeworfen und verstärkte damit den Trend zu
  2017
7 Dazu: Joachim Werz, Pro-     demographische Wandel haben ohnehin schon             einer Individualisierung und Privatisierung von
  jektchöre in der             einen deutliche Richtung vorgegeben. Das alles        Religion. Die digitalen Angebote haben dem
  Gesellschaft der Singular-
  itäten. Chancen und Her-     wird durch Corona verstärkt, allein der wirtschaft-   Rechnung getragen und diesen Trend gleichzeitig
  ausforderungen für die       liche Einbruch hat langfristig massive Auswirkun-     nolens volens verstärkt
  Kirche und ihre Musik,
  Herder 2020, S. 157ff        gen auf die Kirchensteuermittel. Mit Corona ist ei-

     8            KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
Auch die Arbeit mit einzelnen Kantoren, einer            Chor, Sänger, Instrumentalist?), nach Tageszeit,
Schola und kleinen Ensembles verstärkt die Ent-          Zielgruppe war zu differenzieren. Überhaupt
wicklung zu mehr individuellen kirchenmusikali-          musste genauer geplant werden. Was wäre da-
schen Angeboten und zu Angeboten mit Erlebni-            raus für die zukünftige Gottesdienstgestaltung
scharakter („Event“), diesmal auf Seiten der Ak-         zu lernen?
teure. An einer Vierer-Schola nehme ich nicht nur
teil, weil ich immer schon als Hinterbänkler im
Kirchenchor gesungen habe, sondern auch der           Zum Schluss
Herausforderung und des Besonderen wegen. Der
Kultursoziologe Andreas Reckwitz hat dafür den        Mal ganz abgesehen von den gesundheitlichen
Begriff der „Gesellschaft der Singularitäten“ ge-     Sorgen und den wirtschaftlichen Folgen ist Coro-
prägt6.                                               na anstrengend, nervig, mühsam. Und von der
                                                      Krise als Chance zu sprechen, klingt nun wirklich
                                                                                                                  „Corona ist eben auch
• Sollte Kirchenmusik in Zukunft mehr individu-       zu abgedroschen. Aber Corona ist eben auch ein
                                                                                                                     ein Ereignis von
  elle Angebote für kleine Gruppen mit verschie-      Ereignis von existentieller Wucht, ein Weckruf, ein
                                                                                                                   existentieller Wucht,
  denen Profilen machen?                              Innovationsmotor. Man könnte auch sagen: ein
                                                                                                                       ein Weckruf,
                                                      Einfallstor für den Heiligen Geist. Die Kirchenmu-
                                                                                                                 ein Innovationsmotor.“
• Welche Rolle spielen dabei Projekt-Ensembles.7      sik hat an vielen Stellen gezeigt, dass sie das ver-
                                                      standen hat.
• Ein gemeinsamer Liedplan für alle Gottesdiens-
  te des Wochenendes ließ sich während der Pan-       Wie die Kirchenmusik in 10 Jahren tatsächlich
  demie kaum mehr realisieren. Je nach musikali-      aussehen könnte, ist jedenfalls in den letzten
  scher Besetzung (welcher Organist, Kantor,          wenigen Monaten deutlich klarer geworden
                                                                                                          ❖

   Liebe Chorleiterinnen
   und Chorleiter,                          können die Plattform natürlich auch        Magix-Video deluxe). Manchmal haben
                                            nutzen, wenn Sie nicht selber Dateien      die Fieldrecorder auch schon einen
                                            einstellen wollen. Und Sie können mir      Schnittmöglichkeit integriert.
   bei der Videokonferenz am letzten        auch die mp3-Dateien (bitte keine wav-
   Samstag haben wir die Idee entwickelt,   Dateien, die sind zu groß!) per Mail       Die Aufnahme ist mit eigenem Gesang
   eine Plattforum zu schaffen,             schicken, wenn ich sie einstellen soll.    oder ohne möglich.
   auf der wir Übhilfen für unsere
   Scholen/Chöre/Kantoren zusammentra-      Hier ein paar Stichworte zu erstellen      Ich schlage vor, die Dateien folgender-
   gen. Ich habe in der Zwischenzeit ein    von solchen Üb-Dateien:                    maßen zu benennen:
   paar mp3-Dateien aufgenommen und                                                    Liednummer_Textanfang_Liturgisches
   die Cloud-Plattform vorbereitet. Dafür   Am einfachsten geht die Aufnahme           Datum_Verfasser, also:
   würde ich gern /Nextcloud /verwenden,    über einen digitalen Fieldrecorder (z.B.   GL 810_Oeffnet eure Tore_Himmel-
   ein Angebot von 1&1 mit deutschen        Zomm H1, Tascam DR-05X, Olympus            fahrt_Schulte
   Servern.                                 LS P1).
                                            Oder Sie nehmen direkt vom E-Piano in      Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie mich
   Wenn Sie die Plattform nutzen wollen,    ein Aufnahmeprogramm auf (z.B.auda-        gern an. Und dann freue mich mich
   geben Sie mir kurz Bescheid. Sie be-     city, kostenlos).                          auf viele Aufnahmen.
   kommen dann zeitnah die Zugangs-         Schneiden kann man mit audacity oder
   daten zu diesem Nextcloud-Account. Sie   auch mit Video-Schitt-Software (z.B.       Reiner Schulte

                                                                                       DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART              9
 Schwerpunktthema         SPAICHINGEN
                            Georg Fehrenbacher

                            Corona und die Kirchenmusik

                            E    s gibt in unserem Berufsleben so Vieles, was
                                 zwar besonders ist, wir aber trotzdem schon
                            einmal erlebt haben: Herausragende Gottesdiens-
                                                                                  Dann geht alles ganz schnell: Mein Pfarrer ruft zu
                                                                                  einer Sondersitzung das ganze Team zusammen:
                                                                                  Bis auf weiteres keine Gottesdienste!
                            te, Konzerte, Chorreisen und so weiter. Im Privat-
                            leben vielleicht Hochzeit, Geburt der Kinder, per-    Gut, jetzt mal am Wochenende, oder? „Bis auf
                            sönliche Highlights und Rückschläge.                  weiteres“, wenig später dann bis zum 19. April.
KMD Georg Fehrenbacher,                                                           Moment mal, das ist doch schon nach Ostern,
Dekanatskirchenmusiker in   Wir sind also Einiges gewohnt, aber „Corona“?         oder?
Spaichingen.
                            Nein, so etwas kam bisher in meiner Welt nicht
                            vor.                                                  Was ist mit Passion und Familiengottesdienst am
                                                                                  Karfreitag, S(w)ingingPool in der Osternacht, den
                            Es ist Anfang März, wie bei den meisten Kollegen      beiden Orchestermessen, der Vesper? – Wird das
                            laufen auch in Spaichingen die Vorbereitungen         Konzert stattfinden können? Falls ja, werden über-
                            und Proben auf die Gottesdienste in der Fasten-       haupt Zuhörer kommen (dürfen)?
                            zeit, den Kar- und Ostertagen auf Hochtouren.         Sollten wir den Kartenvorverkauf nicht sofort ab-
                            Wenige Wochen nach Ostern wird das Benefiz-           sagen? Plakate, Programmheft, alles läuft auf
                            konzert zugunsten der städtischen Bürgerstiftung      Hochtouren und ganz nebenbei: Wollten wir
                            von Kinderchorgruppen, unserem Jugendchor             nicht nach Ostern mit der Familie ein paar Tage
                            S(w)ingingPool, dem Kirchenchor und der Stadt-        nach Berlin? Keiner weiß Genaues, in zwei Wo-
                            kapelle stattfinden.                                  chen kommen neue Vorgaben vom Land, von der
                            Mit der Stadtkapelle haben wir schon zweimal ge-      Diözesanleitung.
                            meinsame Konzerte veranstaltet, es waren diese
                            eingangs beschriebenen, besonderen Abende für         „Bis auf weiteres”, was heißt das?
                            über 150 Musikerinnen und Musiker, Sängerin-          Nichts geht mehr –
                            nen und Sänger in einer vollbesetzten Kirche, die                rien ne va plus –
                            ganze Stadt freut sich schon darauf.                                        Stille – Schock!

                            Ja, klar schaue ich auch die Tagesschau, es ist von   Keine Proben im Kindergarten, keine Kinderchor-
                            einer neuen Lungenkrankheit die Rede, aber weit       gruppen, kein Jugendchor, keine Gregorianik-
                            weg, in China, oder? …. Ok, Südtirol, … Elsaß?        schola, kein Kirchenchor, keine Chor AG in der
                            Ischgl…?                                              Rupert-Mayer-Schule, keine Organistendienste in
                                                                                  der Kirche oder im Seniorenheim, nicht einmal in
                            Kollegen berichten von besorgten Anrufen einiger,     der Friedhofshalle oder bei Hochzeiten.
                            älterer Chorsängerinnen, ob so Proben überhaupt       Unterrichten von Orgelschülern – Fehlanzeige.
                            stattfinden können. „Das ist jetzt doch ein biss-     Die ersten zwei Wochen sind trotzdem geschäftig:
                            chen übertrieben“, denke ich.                         Viele Absage e-mails an die Orchestermitglieder
                            Das Altenheim sagt die wöchentlichen Gottes-          müssen geschrieben werden, am besten ein Brief
                            dienste am Donnerstagmorgen, an denen immer           an alle Kinder- und Jugendchormitglieder, jetzt
                            ein munteres Miteinander einer Schulklasse der        wäre es gut, alle Adressen zur Hand zu haben.
                            Rupert-Mayer-Schule, Bewohner des Altenheims          Manche kenne ich erst seit Kurzem, leider von Ei-
                            und Besucher der Stadt zu erleben waren, aus          nigen nur die Vornamen… Wie wird Willitsch-
                            Sicherheitsgründen „bis auf Weiteres“ ab.             kovskaya (Name geändert) richtig geschrieben?
                                                                                  Geht der Artur nicht in die Klasse von Lenja, von
                            Das Amt für Kirchenmusik schreibt von Vorsichts-      der ich die Telefonnummer habe? Ok, da ruf ich
                            maßnahmen, die in Chorproben einzuhalten              jetzt mal an, vielleicht kann die mir weiterhel-
                            sind, Abstand zwischen den Stuhlreihen, keine Ex-     fen… Anrufbeantworter, keiner geht ran, also
                            plosivlaute beim Einsingen? – Hä ?                    mach ich mir eine Notiz für morgen.

    10          KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
Nochmals erklären: Keine Proben, keine Gottes-          man nur dunkel, manche sind nicht zu hören, ei-
dienste, nein, auch kein Konzert !                      ne ist jetzt ganz weg, behauptet hinterher, alles ge-
Beim Kirchenchor ist das einfacher, da habe ich         hört zu haben, hat aber leider niemanden selbst
alle Adressen.                                          gesehen.

Zwischendurch weitere Informationen vom Amt,            Inhaltlich besprechen wir Ausweichtermine für
das mache ich mit links, die Adressen von Chor-         unser Konzert, der erste Vorschlag wurde von der
vorständen, Chorleitern und Organisten aus dem          Stadtkapelle erst bestätigt, dann wieder abgesagt,
Dekanat sind alle gespeichert.                          weil der Termin zu nah am Stadtfest 2021 liegt.

Der Kirchenchorausschuss muss schnellstens ta-          Der Jahresausflug war noch Thema, wurde aber
gen, was ist jetzt mit dem eigenen Konzert? Und         vertagt, weil es noch zu wenig Fakten gibt, bis Sep-
da ist noch das Konzert von „maybebop“ in der           tember ist es noch lang. Vier Vorstandsmitglieder
Stadthalle, fest terminiert auf den 3. Oktober, hof-    sind gleichzeitig Kirchengemeinderat, zwei weite-
fentlich lässt sich das verschieben, sonst sind eini-   re SängerInnen ebenfalls, wenigstens stimmt der
ge tausend Euro weg.                                    Informationsfluss.
Auch die Kirchenchorsängerinnen und Sänger
sollten informiert werden. Die meisten Adressen         Was macht ein Kirchenmusiker an seinem ehe-
habe ich zusammen: Identischer Brief an alle Kin-       mals arbeitsfreien Montag, wenn er am Wochen-
derchorgruppen, S(w)ingingPool, Gregorianik-            ende zwangsfrei hatte?
schola und Kirchenchor geht per e-mail, außer bei       Er zählt Stimmen der Kirchengemeinderatswahlen
fünf glücklichen SängerInnen…, die keinen Com-          aus, aber es ist doch irgendwie kalt im Gemeinde-
puter besitzen. Wer könnte die übernehmen ?             haus, nein, komisch, den anderen ist nicht kalt.
                                                        Ich habe Kopfweh, der Heuschnupfen bringt mich
Ich druck den Brief 6 mal aus.                          um, ich geh doch lieber zum Arzt.

J etzt kommen die Rückfragen aus dem Orchester,
  lange Telefonate, Gott sei Dank viel Verständnis.
Später erfahre ich, dass in einigen Gemeinden Er-
                                                        „Nein, denken Sie nicht das Schlimmste“, sagt die
                                                        Ärztin, die meinen Chorsängerhausarzt vertritt,
                                                        „ein Corona-Test ist nicht notwendig, wahrschein-
satzlösungen für die Honorare gefunden wurden.          lich eine Grippe, der Heuschnupfen verstärkt die
                                                        Symptome, Sie haben ja kein Fieber, ich schreibe
Eigentlich eine gute Idee, aber hätte man sich da       Sie die restliche Woche krank.“
nicht absprechen können, hätte die Leitung unse-
rer Diözese hierzu nicht rechtzeitig einen Vor-         Das Fieber kommt zwei Tage später, weitere zwei
schlag machen können, der für alle gilt?                Tage später bin ich wieder topfit. Soll ich jetzt wie-
                                                        der ins Büro, womöglich das ganze Pfarrhaus an-
Mit dem Vorstand der Stadtkapelle telefoniere ich       stecken? Ich bin ratlos und wende mich an meinen
dreimal. Wir sollten langfristig verlegen, also das     Baßsänger und Hausarzt, der schreibt mich eine
Konzert erst in 2021 durchführen.                       weitere Woche krank schreibt– sicherheitshalber-
Einige SängerInnen kommen dann von der Vor-             und so bin ich in Sachen Quarantäneregeln „safe“.
schola zur Kantorei, dürften dann mitsingen, ken-
nen die Werke aber noch nicht. Es passt auch            Ich verpasse ja nicht viel…., aber gesund krank zu
nicht, dass einige von der Jugendkantorei die So-       sein, das ist eine komische Situation. Also zuhau-
pranstimme geübt haben, sollen im nächsten Jahr         se ans Klavier, um Orgel zu üben, ja, das große
aber im Alt helfen. Und sind die Abiturienten           Orgelwerk wollte ich immer schon mal spielen,
nächstes Jahr noch da?                                  hatte aber einfach bisher keine Zeit dafür.

Ich werde so ziemlich von vorne anfangen müs-           Am vierten Tag flehen mich meine Kinder an,
sen…                                                    doch bitte wieder ins Büro zu gehen, sie haben ge-
                                                        nug von Vierne.
Kirchenchor-Ausschusssitzung bei Jitsi, das war
ein Erlebnis! 10 von 11 Ausschussmitglieder fin-        Wieder im Büro, sind sehr viele e-mails angekom-
den sich zur verabredeten Zeit ein, manche sieht        men und müssen beantwortet werden, einige

                                                                                         DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART   11
 Schwerpunktthema

                       Rückrufe sind zu tätigen, der Kirchenmusiker ist       Jahresinspektion für die drei Orgeln, ich schaue
                       in Abläufe und Organisation im Pfarrhaus einge-        mir Literatur Advent/Weihnachten und Krippen-
                       bunden, was ich schon immer in Spaichingen so          spiele für meine Chöre durch, Gott sei Dank muss
                       erlebt habe und wofür ich dankbar bin.                 ich mich nicht festlegen, ob für dieses oder fürs
                                                                              nächste Jahr oder erst fürs übernächste.
                       Es kommen drei neue Notenschränke, die Gele-           Aber immer bleibt ein Hauch von schlechtem Ge-
                       genheit zum gründlich ausmisten und neu ordnen         wissen… Verdient man so sein Gehalt? Auf der an-
                       ist günstig. Zusammen mit der Kirchenpflegerin,        deren Seite: Was kann ich dafür? Stellen sich die
                       gleichzeitig Notenwartin im Kirchenchor, mache         Pfarrer, Gemeinde- und Pastoralreferenten diesel-
                       ich mich an die Arbeit.                                ben Fragen ?

                       Wo wir schon mal dabei sind: Der Proberaum der         Wie lange hält das mein Kinderchor durch? Ich
                       Kantorei müsste mal ausgemistet werden, die No-        sollte mal wieder einen Brief schreiben, ein Le-
                       ten sollten sortiert werden, ebenso die gesamte Li-    benszeichen geben, aufmuntern, Perspektiven
                       teratur des Kinder- und Jugendchors, vielleicht        aufzeigen.
                       sollte ich diese endlich nach Liedanfängen und al-     Ich erfahre von virtuellen Proben und Gottes-
                       phabetisch ordnen.                                     diensten… Ist das auch etwas für uns?

                       Nachmittags bleibt Zeit, um Orgel zu üben für die      Ich frage mich, was bringt ein livestream aus unse-
                       „Zeit danach“.                                         rer Kirche, wenn die große Mehrheit unserer Ziel-
                                                                              gruppe froh ist, die Fernbedienung des TV Gerätes
                       Einfach herrlich, sich mal wieder richtig „reinfres-   beherrschen zu können? Gott sei Dank, ist auch
                       sen“ dürfen in Stücke, die man schon lange mal         der Pfarrer dieser Meinung.
                       spielen wollte.
                                                                              Was hilft? Was ist Aktionismus?
                       So gehen die Tage und Wochen ins Land, vormit-
                       tags im Büro, nachmittags an der Orgel, dazwi-         Mit meiner neuen Vorsitzenden des Kirchenchores
                       schen mal wieder eine Sitzung im Pfarrbüro,            habe ich verabredet, dass wir uns einmal wöchent-
                       Nachrichten vom Amt weiter geben, telefonieren,        lich bei allen ChorsängerInnen gemeinsam per
                       e-mails beantworten, der Orgelbauer kommt zur          email melden, um im Gespräch zu bleiben, um
                                                                                                       Neuigkeiten, so es wel-
                                                                                                       che gibt, mitzuteilen.

                                                                                                       Eine Kollegin berichtet
                                                                                                       bei Jitsi von einer Maian-
                                                                                                       dacht vor dem Alters-
                                                                                                       heim. Die Idee finde ich
                                                                                                       gut. In der Teamsitzung
                                                                                                       schlage ich vor, das auch
                                                                                                       zu machen. Die Anre-
                                                                                                       gung findet Gefallen, die
                                                                                                       Heimleiterin ist begeis-
                                                                                                       tert, der Termin ist ge-
                                                                                                       macht.

                                                                                                       Endlich gibt es mal etwas
                                                                                                       Inhaltliches zu schreiben
                                                                                                       für den Kirchenchor.

                                                                                                       Wir können nicht pro-
                                                                                                       ben, ich suche einige
                                                                                                       „Marienschlager“    he-
                                                                                                       raus, dazu „Marien Mai-

  12         KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
enkönigin“ Eine Stunde vorher verladen wir das E-
Piano, zwei Lautsprecherboxen, Gott sei Dank
kennt sich unser Pastoralreferent gut aus mit der
Technik. Wir kleben Punkte im Abstand von min-
destens 4 m auf den Boden, dort sollen die 25
ChorsängerInnen, die sich gemeldet haben, ste-
hen. Die Pastoralassistentin bereitet die Maian-        Kirchenmusikalisch kann ich endlich meine neu
dacht inhaltlich vor, auch der Pfarrer ist dabei, das   geübten Orgelnachspiele unter die Leute bringen,
ganze Team.                                             es gibt bei uns weniger Lieder, vorgesungen von
                                                        zwei Kantoren von der Empore aus, nach Möglich-
Viele Bewohner werden in den Innenhof gescho-           keit je einmal männlich und weiblich.
ben, einige summen die Lieder mit, nicht wenige
verdrücken auch Tränen…. Das war der Höhe-              Erst müssen die KantorInnen angeschrieben wer-
punkt des ersten Chorhalbjahres, und das meine          den, nicht alle wollen diese Dienste machen,
ich nicht mal ironisch.                                 manche möchten nur sonntags singen, für den
                                                        Werktagsgottesdienst am Diens-
Mit den Kollegen und der neuen Kollegin aus der         tagabend finden sich zu Anfang
Region treffen wir uns wieder mal bei Jitsi.            wenige, mittlerweile aber ausrei-
                                                        chend viele KantorInnen.
Was ist mit TBQ? Einige wollten doch im Sommer
Prüfung machen, was jetzt auf keinen Fall klappen       Am Wochenende sind immer
wird. Das Orgelkundeseminar fehlt auch noch.            zwei SängerInnen da, wir be-
Gibt es ein Hygienekonzept aus Rottenburg ?             schließen, auch Sängerinnen
Wann darf wieder unterrichtet werden und falls ja,      und Sänger von Kirchen- und Ju-
unter welchen Bedingungen ?                             gendchor anzufragen – mit Er-
                                                        folg.
Werden Eure Tasten auch so grau wie bei mir an
der Orgel? Müssen wir unser regionales Chortref-        Das Problem ist, dass man zuerst
fen „Cantate Domino“ absagen?                           sein Personal zusammen haben
                                                        muss, erst dann kann man ein
Ein Absolvent will jetzt endlich seine Orgelprü-                               Programm machen, das
fung ablegen, wir treffen uns in Schramberg, mit                               die eingeteilte Gruppe
Abstand, endlich mal wieder eine richtige Orgel-                               leisten kann. Fast immer
prüfung. Seit dem Wochenende sind Gottesdiens-                                 schätzen die sich melden-
te wieder unter den bekannten Auflagen erlaubt.                                den SängerInnen ihre Fä-
Wie machen das die Kollegen?                                                   higkeiten richtig ein, das
                                                                               Material aus Rottenburg
Nach etlichen Besprechungen in der Gemeinde                                    bietet manchmal interes-
und der Seelsorgeeinheit hat sich Spaichingen ent-                             sante Alternativen und ei-
schieden, am Wochenende zwei Gottesdienste in                                  nige Stücke können einge-
der Stadtpfarrkirche wieder zu ermöglichen, ein                                baut oder geübt werden,
Gottesdienst am Samstagabend, einer am Sonn-                                   sofern sie rechtzeitig zu
tagmorgen. Dürbheim, das größere der beiden                                    den Proben da sind.
Dörfer in der SE bekommt einen Gottesdienst am
Sonntag. In Balgheim, dem kleineren Dorf und in         An Pfingsten singen wir vierstimmig, mit vier
St. Josef in Spaichingen sind keine Gottesdienste       Männern der Gregorianikschola, an Fronleichnam
möglich. Erstens fallen die beiden Pensionäre aus       ebenfalls, diesmal gemischt, sowohl vom Ge-
und zweitens sind die vorgeschriebenen Abstände         schlecht, als auch von den Chören her, Sängerin-
und Laufwege nicht ausreichend.                         nen und Sänger aus Kirchenchor, Jugendchor und
                                                        Schola. Vereint auf der Empore singen Mutter und
Einsicht allerorten, wenn auch Bedauern in den          Tochter oder auch mal Vater und Tochter, beim Pa-
kleinen Kirchen.                                        trozinium singt ein Quintett des Jugendchors, mal
                                                        ein Frauenterzett.

                                                                                      DIÖZESE ROTTENBURG-STUTTGART   13
 Schwerpunktthema

                                                                               was rechtlich ein privater Raum und welche Räu-
                                                                               me öffentlich sind. Mal gilt das, mal jenes, ich
                                                                               werde fast verrückt.

                                                                               Der Kirchengemeinderat hat das Gemeindehaus
                                                                               bis zum Ende der Sommerfreien geschlossen, die-
                       Das Niveau steigt, manche Kirchenbesucher mel-          ser Beschluss wird für den Chor außer Kraft ge-
                       den, sie bräuchten doch gar keinen Gemeindege-          setzt. Ich kann also auch mit den Kinder- und Ju-
                       sang oder Chor mehr. „Vorsicht“, denke ich, da          gendchorgruppen in den Saal – eigentlich. Ausge-
                       fehlt doch eine Dimension. Trotzdem freuen wir          rechnet jetzt ist der Saal aber für die Vorbereitung
                       uns über die positive Rückmeldungen.                    der Erstbeichte reserviert. Dank der kooperativen
                       Zum Orgelüben bleibt jetzt leider wieder weniger        Gemeindereferentin lässt sich auch das Problem
                       Zeit, das Ausarbeiten der Programme und die Pro-        lösen. Jetzt müssen nur noch die Eltern der Kinder
                       ben für die Sängerinnen bindet Resourcen, aber          das Hygienekonzept lesen und den Rückmeldebo-
                       endlich fühlt man sich wieder als Chorleiter.           gen unterschrieben ins Pfarrhaus bringen, ob das
                                                                               klappt? Es kostet mich zwei Tage am PC und am
                       Dann steht in der Zeitung, dass die Bläser wieder       Telefon, aber es klappt.
                       unterrichten dürfen, nein, nicht via Skype, son-
                       dern real, auch die Blasmusik legt wieder los, zwar     Zollstöcke wurden gezückt, um die Stühle in der
                       mit Abstand und Registerproben, aber immerhin.          Kirche oder dann doch im Gemeindehaus optimal
                       Von Chorsingen ist nicht die Rede.                      zu stellen, ein Headset aktiviert, wieder hilft der
                                                                               Pasti, das E-Piano muss wieder von der Empore
                       Ich rufe in der Redaktion an, der Redakteur ver-        runter, jedes Mal muss ich aufbauen und wieder ab-
                       spricht, nachzuforschen. Nein, ans Chorsingen           bauen, Platz machen für andere Veranstaltungen.
                       habe er nicht gedacht.                                  Ach, war das nett in meinem eigenen, viel zu engen
                                                                               Proberaum im Keller. Wieder helfen Einige vom
                       Ein Vorstand aus dem Dekanat meldet, dass der           Ausschuss mit, die Rückmeldebögen einzusam-
                       Kirchenchor wieder probt, ich glaube, mich ver-         meln, es müssen Hygienebeauftragte benannt und
                       hört zu haben. Er habe das mit der Gemeinde ab-         das Desinfizieren von Händen muss überwacht,
                       gesprochen, ich weise ihn darauf hin, dass er nicht     Bilder von der Sitzordnung müssen gemacht wer-
                       proben darf.                                            den. Glücklicherweise hat bei uns Jeder seine eige-
                                                                               nen Noten. Für die Kinder werden Chormappen
                       Aber hat er nicht Recht? Schließlich dürfen doch        bestellt, diese vorher mit den entsprechenden No-
                       die Bläser auch wieder proben.                          ten bestückt, ich achte streng auf Einhaltung von
                       Ich lass mich mit dem Bürgermeister verbinden,          Regeln und generell erkläre ich viel. Bei den Kin-
                       der den Gemeindetag in unserer Region leitet.           dern bin ich Chorleiter, Notenwart, Hygienebeauf-
                       „Wissen Sie, die Musikschulen machen Druck,             tragter, alles in einer Person, bei den Erwachsenen
                       und wenn die dürfen, können wir das den Verei-          habe ich Hilfe von Chormitgliedern, es ist gut,
                       nen nicht verbieten“ sagt er.                           solch eine tolle Truppe beieinander zu haben.

                       Und die Chöre ? „Da wisse er jetzt auch nichts Ge-      In der ersten Woche kommen 30 Kinder in zwei
                       naues….“                                                Gruppen beim Kinderchor in der Probe, 14 beim
                       Etwa eine Woche später dann doch die Nachricht,         Jugendchor, 8 Männer bei der Gregorianikschola
                       dass sich etwas tut. Wir dürfen unter strengen Auf-     und fast 50 Sängerinnen und Sänger des Kirchen-
                       lagen wieder proben und für mich ist sonnenklar,        chores, die in zwei Gruppen (Tenor und Sopran in
                       dass ich das, koste es, was es wolle, auch tun werde.   einer Gruppe, Bass und Alt in der anderen) pro-
                                                                               ben. Einige Kinder, Jugendliche, aber auch Er-
                       Jetzt muss ein Hygienekonzept her, Gott sei Dank        wachsene wollen vor den großen Ferien nicht
                       gibt es da Vorlagen aus Rottenburg. Aber für jede       mehr kommen, kündigen ihr Erscheinen aber wie-
                       Chorgruppe muss es angepasst werden. Der Aus-           der für nach den Ferien an.
                       schuss des Kirchenchores probt, in den folgenden
                       Tagen lerne ich viel über den juristischen Unter-       Klanglich ist das Ergebnis bei den Erwachsenen
                       schied von „Ansammlung“ und „Versammlung“,              befriedigend, für die Kinder sind drei Meter Ab-

  14         KIRCHENMUSIKALISCHE MITTEILUNGEN 147
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