Sozial, das muss drin sein - Bürgerschaftswahlprogramm Land Bremen 2015

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Sozial, das muss
drin sein.
Bürgerschaftswahlprogramm
Land Bremen 2015
II   Kolumnentitel
Inhalt

Vorwort .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3   3. Gleichberechtigte Teilhabe für alle .. . . . . . . . . . . . 27
                                                                                                                       Bildung heißt Zukunft –
1. Soziale Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4             benachteiligte Stadtteile fördern! .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Damit die Stadt allen gehört:                                                                                          Für eine gut ausgestattete, demokratische
Schwerpunkte linker Sozialpolitik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4                                   und friedliche Hochschullandschaft .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Öffentlicher Wohnraum                                                                                                  Kitas ausbauen,
statt Mietanstieg und Wohnungsnot .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7                                         Kinder schützen und fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Stadtentwicklung gegen die soziale Spaltung .. . . . . . . . . . 9                                                     Jugend gestaltet selber .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Gesundheit garantieren,                                                                                                Migrationshintergrund darf kein Nachteil sein .. . . . . . . . . 34
kommunale Kliniken sichern .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
                                                                                                                       Flüchtlinge willkommen heißen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Drogenpolitik liberalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Sport für alle stärken! .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13                  4. Finanzen: In Zukunft investieren
                                                                                                                       statt kaputtkürzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Kulturelle Vielfalt fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Medienwandel zeitgemäß gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
                                                                                                                       5. Vielfalt leben, Gestaltungs-
Zugang zum Internet –                                                                                                  und Entscheidungsräume ausbauen . . . . . . . . . . . . . . 42
ungefiltert und als soziales Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
                                                                                                                       Mitwirkung statt Scheinbeteiligung:
Rechtssystem für alle zugänglich gestalten .. . . . . . . . . . . . 15                                                 Mehr Demokratie auf allen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
                                                                                                                       Grundrechte stärken –
2. Recht auf Arbeit, Einkommen,                                                                                        für eine bürgernahe Innenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Ausbildung und Freizeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
                                                                                                                       Kein Fußbreit dem Faschismus! .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Arbeit gestalten, Arbeitslosigkeit bekämpfen . . . . . . . . . . 16
                                                                                                                       Queeres L(i)eben respektieren und stärken .. . . . . . . . . . . 46
Wirtschaftspolitik und Arbeitsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
                                                                                                                       Umwelt und Energie:
Häfen und maritime Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21                                   Bremen sozial-ökologisch gestalten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Den Ausbildungsnotstand beenden! .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21                                           Tierschutz durch demokratische Kontrolle . . . . . . . . . . . . . 48
Gleichberechtigung heißt mehr:                                                                                         Konsequent gegen Krieg und Waffenexporte –
Konsequent feministisch .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23                          für einen zivilen Industriestandort Bremen .. . . . . . . . . . . . 48
Inklusion verwirklichen – überall! .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25                                   Engagement für Bremen-Nord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Älter werden in Würde und ohne Armut .. . . . . . . . . . . . . . . . 26                                               Bremerhaven: Mehr als Bremens Hafen! .. . . . . . . . . . . . . . . 50

Anmerkung zur Schreibweise: Um Geschlechtsidentitäten jenseits von »männlich« und »weiblich« zu kennzeichnen,
wird in dieser Publikation ein Sternchen (*) als stilistisches Mittel verwendet.
Vorwort                                                                                                              3

DIE LINKE. Bremen
Wahlprogramm zur Bürgerschaftswahl 2015
Bremen und Bremerhaven sind geprägt von zahlreichen        Investitionen heute zu tätigen, legt den Grundstein
Widersprüchen. Der lebendigen Kultur der Stadtteile        für eine nachhaltige und langfristige Entwicklung in
stehen steigende Mieten und Verdrängungsprozesse           Bremen und verhindert Folgekosten in der Zukunft.
gegenüber. Der bundesweit zweithöchsten Millionärs-        Öffentliche Bäder und Räumlichkeiten der Universität
dichte auf Landesebene steht die höchste Armutsquote       frühzeitig zu sanieren, bevor diese nicht mehr nutzbar
gegenüber. Und dem Exzellenzstatus unserer Univer­         sind, bedeutet, langfristig zu handeln. Die Kürzungs­
sität stehen marode Schulen und Lehrkräftemangel           politik der rot-grünen Landesregierung ruiniert seit
gegenüber. Diese Beispiele sind nur ein kleiner Aus-       Jahren die soziale Infrastruktur und stellt dies als
schnitt unserer Lebensrealität als Bremerinnen und         »Generationengerechtigkeit« dar. Wir dürfen die
Bremer. Dennoch stehen sie sinnbildlich für die soziale    zentralen gesellschaftlichen Aufgaben nicht dem
Schieflage, die wir täglich erleben. Im vorliegenden       freien Markt und einer profitorientierten Logik über­
Programm zur Bürgerschaftswahl 2015 möchten wir            lassen, sondern müssen durch öffentliche Verant­
als LINKE unsere Alternativen zur rot-grünen Sparpolitik   wortung sichere Beschäftigungsverhältnisse und
aufzeigen.                                                 langfristig gute Lebensbedingungen für alle Menschen
                                                           erhalten und zurückgewinnen.
Wir werben für einen grundsätzlichen Politikwechsel
und eine sozialere, eine friedliche und solidarische       Auch in Bremen gilt: Bildung ist ein Menschenrecht.
sowie eine ökologische und emanzipatorische Gesell-        Um diesem zentralen Grundsatz gerecht zu werden,
schaft, die nicht auf das Wohlergehen weniger, sondern     müssen wir sicherstellen, dass Bildungserfolge nicht
auf die Interessen der breiten gesellschaftlichen          vom Einkommen oder der Wohnlage der Eltern abhän-
Mehrheit ausgerichtet ist. Dazu müssen wir entschie­-      gen. Als LINKE setzen wir uns dafür ein, gerade die
den der gesellschaftlichen Spaltung entgegentreten,        Bildungsangebote in den benachteiligten Stadtteilen
die seit Jahren fortschreitet und immer größere Teile      auszubauen, und stellen damit ein Konzept der breiten
der Gesellschaft von Teilhabe und selbstbestimmter         Förderung aller jungen Menschen in dieser Stadt der
Lebensgestaltung ausschließt. Die rot-grüne Landes­        Ausbildung einer kleinen wohlhabenden Minderheit
regierung hat keine Konzepte zur Umkehr dieses             gegenüber. Dies gilt auch für unseren Anspruch, die
Prozesses entwickelt, sondern steht für eine weitere       Inklusion an Schulen zu verwirklichen und dazu die
Vertiefung der sozialen Spaltung. Armutsbekämpfung         notwendigen Weichen zu stellen. Auch die Hochschule
existiert nur auf dem Papier und ist in der Realität       und die Universität müssen durchlässiger und weniger
nichts weiter als Armutsverwaltung. Unter den Maß­         selektiv sein. Als LINKE stehen wir solidarisch an der
gaben des Sanierungspfades werden soziale Infra­           Seite der Studierenden und Beschäftigten, die gegen
struktur abgebaut, Bildungsausgaben eingefroren            Kürzungen und neoliberale Umgestaltung der Hoch-
und die Chance zur Einnahmensteigerung durch die           schullandschaft kämpfen. Angesichts der mangelnden
Rekommunalisierung zuvor privatisierter Bereiche           finanziellen Ausstattung der öffentlichen Hochschulen
ausgeschlagen. Weder gegen die Jobcenter, die in           haben wir kein Verständnis für die Querfinanzierung
Bremen und Bremerhaven immer mehr Sanktionen               der privaten Jacobs University durch das Land
aussprechen, noch gegen private Versorgungs­-              Bremen.
firmen, die Strom- und Wassersperren für ganze
                                                           Wir müssen anerkennen, dass Bremen als kleiner
Wohnblöcke verhängen, geht der Senat mit irgend­-
                                                           Bestandteil des föderalen Systems der Bundesrepublik
einem Druck vor.
                                                           und eingebettet in den globalen Kapitalismus nicht
Auf der anderen Seite boomt der Anteil an Leiharbeit,      alle Probleme alleine beheben kann. Der Bremer Senat
Minijobs und Niedriglöhnen. Private Bildungsangebote,      muss Bremens Bedeutung bei den überregionalen Ver-
private Altersvorsorge und private Kinderbetreuungsan-     handlungen über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen
gebote nehmen immer weiter zu, da sich der Senat weit      geltend machen und auch auf Bundesebene hart für
davon entfernt hat, seinen Aufgaben in diesen Sektoren     eine Bearbeitung der Altschuldenproblematik verhan-
ausreichend nachzukommen. Auf der Strecke bleiben          deln. Auch dafür möchten wir uns als starke und laute
wieder die Menschen, die durch Arbeitslosigkeit oder       Fraktion in der künftigen Bürgerschaft einsetzen.
prekäre Arbeitsbedingungen in die Armut getrieben
                                                           Als LINKE möchten wir auch ein Umdenken und einen
werden und kein Geld für private Angebote haben. Die
                                                           Politikwechsel hin zu einer solidarischen Gesellschaft,
Privatisierung und der neoliberale Umbau der Gesell-
                                                           in der sich alle Menschen gleichberechtigt begegnen.
schaft schreiten stetig voran. DIE LINKE tritt an der
                                                           Wir fordern die überfällige Gleichberechtigung von
Seite gesellschaftlicher Akteure wie Gewerkschaften,
                                                           Frauen, die noch immer nicht vollzogen ist. Frauen sind
Bürgerinitiativen und sozialen Bewegungen diesen
                                                           überdurchschnittlich von Armut bedroht, gerade wenn
Prozessen entgegen.
                                                           sie alleinerziehend sind. Frauen verdienen nach wie vor
Als LINKE fordern wir Investitionen in Bildung, soziale    in Bremen im Schnitt 25 Prozent weniger. Und Frauen
Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge. Diese       sind immer noch nicht in gleicher Anzahl wie Männer
4                                                                                                        Soziale Stadt

in den Vorstandsetagen und Vertretungsorganen               ein neues, menschenwürdiges Leben in Deutschland
angekommen. Wir möchten uns für konkrete Förder­            zu ermöglichen.
projekte einsetzen, die nicht bei der bloßen Willens­
                                                            Für eine grundlegende, gesellschaftliche Veränderung
bekundung zur Gleichberechtigung stehen bleiben.
                                                            braucht es eine starke LINKE. Wir sind ein verlässlicher
Mit deutschen Waffen wird weltweit Krieg geführt.           Partner für Beschäftigte und Erwerbslose, für Schulen
Auch über bremische Häfen werden 40 Tonnen Munition         und Betriebsräte, für Stadtteilprojekte und Gewerk-
pro Tag verschifft. DIE LINKE fordert das Verbot von        schaften, für Umweltverbände und soziale Bewegungen,
Waffenexporten und Rüstungsforschung. Diese Waffen          für alle, die gemeinsam mit uns gegen soziale Unge-
richten sich vielerorts gegen breite Bevölkerungs­-         rechtigkeit kämpfen wollen. Wir müssen gemeinsam mit
teile, die vor dieser Gewalt fliehen und in Europa und      diesen Partnern Druck machen für ein Umdenken in der
Deutschland Zuflucht suchen. Dabei ist die Flucht vor       Landespolitik und für eine Umverteilung von oben nach
Kriegen nur einer von vielen Fluchtgründen. Auch in         unten. Wir brauchen einen starken, öffentlichen Sektor
Bremen brauchen wir daher Solidarität mit Geflüchteten      und zukunftsweisende Investitionen in die soziale
statt Kriminalisierung und Drangsalierung. Als LINKE        Infrastruktur unserer Stadt. Dafür werben wir um Ihre
unterstützen wir alle ehrlichen Bestrebungen, ihnen         Stimme – um jede einzelne davon!

1. Soziale Stadt
Eine soziale Stadt ist für uns eine Stadt, in der alle      Damit die Stadt allen gehört:
Bewohner*innen am sozialen, kulturellen und öffent­         Schwerpunkte linker Sozialpolitik
lichen Leben teilhaben können, egal, was sie verdienen.
Grundbedürfnisse wie Wohnen, Gesundheitsversor-             Armut ist kein Einzelschicksal,
gung, Mobilität und Kultur müssen für alle gesichert        sondern politisch geduldet und gemacht
sein – das ist eine öffentliche Aufgabe, die man nicht      Im Sommer 2014 erreichte der Anteil der Hartz-IV-
dem Markt überlassen darf. In einer sozialen Stadt          Empfänger*innen an der Bevölkerung des Landes
richten sich die Planung und die städtische Infrastruktur   Bremen einen Höchststand von 14,3 Prozent. Weit
wesentlich nach den Bedürfnissen und der Lebens­            über 90 000 Personen im Land Bremen beziehen
situation derjenigen, die nicht über große private Ver-     Leistungen nach SGB II (Hartz IV ), darunter knapp
mögen oder hohe Einkommen verfügen. Zum Leitbild            20 000 »Aufstocker*innen« – also Menschen, deren
der sozialen Stadt gehört für uns daher, dass Betriebe      Einkommen aus Erwerbsarbeit so niedrig ist, dass sie
der öffentlichen Daseinsvorsorge tatsächlich in kommu-      zusätzlich Hartz-IV-Leistungen beantragen müssen.
naler Hand sind; dass Stadtentwicklung demokratisch         Über 30 000 Menschen in Bremen sind langzeiter-
gesteuert wird und nicht von Profitinteressen; dass der     werbslos. Der Anteil an Kindern unter 15 Jahren in
öffentliche Raum nicht privatisiert, kommerzialisiert,      Hartz-IV-Haushalten beträgt satte 30 Prozent (in
verödet wird. Die Stadt gehört allen und soll für alle      Bremerhaven sogar 35 Prozent). Jede*r zweite Allein­
da sein.                                                    erziehende bezieht Hartz IV. Auch viele Studierende
                                                            und Erwerbslose in sogenannten Beschäftigungs- oder
Diese Grundlagen werden heute in Frage gestellt.
                                                            Qualifizierungsmaßnahmen, die aus den monatlichen
In keinen Ortsteil ist in den letzten zehn Jahren so
                                                            Arbeitslosenzahlen herausgerechnet werden, um die
viel Geld geflossen wie in die Überseestadt, und es ist
                                                            Statistiken besser aussehen zu lassen, leben unterhalb
nicht das Leitbild der sozialen Stadt, was dort verwirk-
                                                            der Armutsgrenze. Außerdem Rentner*innen mit
licht wird. Denjenigen, die in den Quartieren für den
                                                            Grund­sicherung, viele Auszubildende und Studierende,
sozialen Zusammenhalt und für die Lebenschancen
                                                            Leistungsberechtigte nach Asylbewerberleistungs­
aller kämpfen, steht ökonomisch das Wasser bis zum
                                                            gesetz. Und es gibt immer mehr Menschen, die in
Hals. Chancen, mehr Wohnraum, mehr Gesundheits­
                                                            »versteckter Armut« leben, sich also lieber »durch­
versorgung, mehr Daseinsvorsorge in öffentliche Hand
                                                            schlagen« statt zur Existenzsicherung in zermürbende
zu bekommen, werden vom rot-grünen Senat aus­
                                                            Ämter zu gehen.
geschlagen. Mieten, Energie und Gebühren werden
immer teurer. Wo der Staat eingreifen müsste, um            Es wird gerne verdrängt, aber Armut ist in Deutschland
soziale Grundrechte zu schützen, versagt er immer           und Bremen längst ein Massenphänomen. Die persön­
öfter: gegenüber Energieunternehmen, die Strom und          lichen und gesellschaftlichen Auswirkungen sind
Wasser absperren; gegenüber Wohnungsspekulanten,            schlimmer, als es der öffentliche Diskurs zu diesem
die Wohnraum verfallen lassen; gegenüber Investoren,        Thema vermitteln kann. Armut hat viele Gesichter.
die Viertel so umbauen wollen, dass für die bisherigen      Es kann fast jede*n treffen. DIE LINKE kämpft dafür,
Bewohner*innen kein Platz mehr ist; gegenüber den           dass die Schuldfrage nicht länger von der Politik auf die
Jobcentern, die mit Sanktionen gegen Arbeitslose            vermeintlich »Leistungsfaulen« und »Arbeitsunwilligen«
vorgehen und sich selbst die Mittel zuschieben,             abgewälzt wird, sondern dass die regierende Politik die
die für Arbeitslose gedacht sind. Dagegen setzen            Verantwortung für ihr Scheitern, für ihr absichtsvolles
wir uns ein.                                                Spalten der Gesellschaft in Arm und Reich trägt.
Soziale Stadt                                                                                                         5

Armut ist politisch gemacht. Schuld ist vor allem die      ■ die Stärkung der offenen Kinder- und Jugendarbeit;
Einführung von Hartz IV vor zehn Jahren und die damit
                                                           ■ den Erhalt und flächendeckenden Ausbau von Jugend-
verbundene Schaffung eines riesigen Niedriglohnsek-
                                                           häusern und städtischen Einrichtungen der Kinder- und
tors, der viele Menschen in schlechte Löhne zwingt. Der
                                                           Jugendarbeit;
bundesweit eingeführte Mindestlohn, den es ohne den
beharrlichen Druck der LINKEN nicht geben würde, ist       ■ die ausreichende Aufstockung des Etats der
eine leichte Verbesserung – nach Maßgaben der Bun-         Kinder- und Jugendarbeit für Personal und Ausstattung,
desregierung greift er allerdings erst ab 2017 flächen-    wie sie auch im Bündnis »30 Prozent mehr Zukunft«
deckend, und dann nur stufenweise und lückenhaft.          gefordert wird;
Er ist mit 8,50 Euro pro Stunde sehr viel niedriger als
                                                           ■ eine bedarfsgerechte Erhöhung des Globalmitteletats
er zur wirksamen Vermeidung von Armut sein müsste.
                                                           der Stadtteilbeiräte;
Der in Bremen eingesetzte Landesmindestlohn macht
hier kaum Unterschiede: Mit einer Erhöhung von 8,50        ■ die bedarfsgerechte Erhöhung der Fördermittel
auf 8,80 Euro ab 2015 bleibt er hinter der allgemeinen     in den WiN-Gebieten (Programm »Wohnen in
Lohnentwicklung zurück, und die Einkommensschere           Nachbarschaften«);
geht weiter auf.
                                                           ■ eine deutliche Erhöhung des BAföG und eine Senkung
Acht Jahre SPD-Grünen-Regierung in Bremen und              der Zugangshürden;
Bremerhaven haben in sozialpolitischer Hinsicht eine
                                                           ■ die Förderung von echter Bürgerbeteiligung in den
knallharte Realität geschaffen: Das Risiko, arm zu
                                                           Quartieren.
werden oder zu bleiben, ist höher denn je. SPD und
Grüne sehen sich unter Jens Böhrnsen und Karoline          Anstelle einer Regierungspolitik, die die Armen nur
Linnert als Manager der permanenten Haushaltskrise         verwaltet oder gar bekämpft, braucht es grundlegende
und nehmen dafür die Zunahme von Armut und »sozialen       Leitprogramme gegen die Armut in Bremen. Soziale
Schulden« in Kauf. Gängiges Mittel der sogenannten         Hilfen und Leistungen müssen nach den tatsächlich
Haushaltssanierung sind schleichende, »kalte« Kürzungen,   notwendigen Bedarfen und nicht nach Maßgabe haus-
hauptsächlich durch Personalabbau im öffentlichen          haltspolitischer Sparvorgaben gewährleistet werden.
Dienst, durch stagnierende Zuwendungen für z. B.           Weitere Kürzungen im Sozialbereich lehnen wir ab.
Stadtteilprojekte und sozialpolitische Initiativen. Was
dringend gebraucht wird, ist ein Schwerpunktprogramm       Menschenwürde geht vor:
zur Bekämpfung von Armut mit all ihren Ursachen.           Hartz IV und Jobcenter-Sanktionen abschaffen
DIE LINKE hat sich seit dem Einzug in die Bürgerschaft
                                                           Wir wollen die menschenunwürdigen Hartz-Gesetze
2007 durchweg gegen soziale Zumutungen gestellt
                                                           auf Bundesebene abschaffen und stattdessen eine
und über parlamentarische Initiativen und Öffentlich-
                                                           armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung von
keitsarbeit dafür gesorgt, dass der Druck gegen
                                                           derzeit 1.050 Euro einführen. Bis dahin ist der geltende
Sozialabbau und Kürzungen hoch ist. Auch außerparla-
                                                           Regelsatz sofort auf 500 Euro zu erhöhen.
mentarisch wird DIE LINKE nicht müde, den Missstand
Hartz IV in der öffentlichen Diskussion und politische     Wir wollen die Beseitigung des repressiven Hartz-
Gegeninitiativen am Leben zu halten. Unsere Forde­         ­Sanktionssystems, das Erwerbslose bekämpft statt
rungen zur Rückeroberung eines sozial verlässlichen,        sozialversicherungspflichtige, existenzsicherende
menschenwürdigen Lebens für alle sind konkret und           Arbeitsplätze zu schaffen. Zwar unterliegt Hartz IV
setzen auf vielen Ebenen an. Wir glauben nicht daran,       der Bundesgesetzgebung, doch werden entscheidende
dass eilig einberufene Bürgerschaftsausschüsse zur          politische Weichen auch in den Ländern und Kommunen
Armutsentwicklung im Land für die Betroffenen               gestellt. So entscheiden die Jobcenter im Land Bremen
irgendeinen greifbaren Effekt haben. Wir werden             in eigener Regie, ob Langzeiterwerbslosigkeit in Form
die notwendige politische Arbeit gegen Sozialabbau          von Ein-Euro-Jobs oder Bürger*innenarbeit verfestigt
und Armutsdiskriminierung gemeinsam mit Betrof­-            wird. Die Jobcenter in Bremen entscheiden darüber,
fenen und kritischen Expert*innen selbstbewusst             inwieweit Erwerbslose weiterhin drangsaliert und
fortsetzen.                                                 sanktioniert werden. Das Land Bremen trägt die
                                                            Verantwortung dafür, wenn Kinderarmut durch ver­
Was tun? – Maßnahmen für die                                weigerte Lernmittelkosten zunimmt. Das Land Bremen
soziale Infrastruktur unserer Stadt                         hat es in der Hand, ob die tatsächlichen Wohnkosten
                                                            (»Kosten der Unterkunft«; KdU ) übernommen werden
DIE LINKE will die soziale Infrastruktur durch gezielte
                                                            oder nicht, ob es zur weiteren Verschlechterung der
Stadtteilförderung von Bürgerhäusern, Jugendzentren,
                                                            Lebenssituation der betroffenen Menschen kommt,
Altenbegegnungsstätten, öffentlichen Gesundheitsein-
                                                            weil diese die Differenz aus ihrem Regelsatz und den
richtungen, sozialen Diensten, Beratungsstellen und
                                                            erstatteten KdU selbst tragen.
öffentlichen Kindertagesstätten sichern und ausbauen.
Insbesondere fordern wir:                                  Die Politik im Land und den beiden Städten Bremen
                                                           und Bremerhaven hat also durchaus genügend Hand-
■ ausreichende finanzielle Mittel für den Ausbau
                                                           lungsspielräume, um diesen skandalösen Verhältnissen
der sozialen Infrastruktur;
                                                           mit einem Programm zur Bekämpfung von Armut und
■ mehr Personal für soziale Einrichtungen;                 sozialer Ausgrenzung entgegenzusteuern. Doch auch
6                                                                                                     Soziale Stadt

nach zehn Jahren Agenda 2010 und den offensicht­          werden, insbesondere bei (den derzeit benachteiligten)
lichen sozialen Verwerfungen durch die Hartz-Gesetze      Zwei- bis Dreipersonenhaushalten.
halten SPD, Grüne und CDU am menschenverachtenden
                                                          Wer wohnungslos ist, von Wohnungslosigkeit bedroht
Hartz-IV-System fest.
                                                          ist oder in seiner Wohnung nicht mehr leben kann,
Im Engerstellen der Daumenschrauben gegen                 muss umgehend anderweitig untergebracht werden
Leistungsempfänger nach SGB II sind Bremens Job­          und spätestens innerhalb von drei Monaten eine neue
center vorne dabei. Seit der Bundestagswahl 2013          Wohnung beziehen können. DIE LINKE setzt sich für
sind die neu festgestellten Sanktionen gegen Hartz-IV-    eine deutliche Erhöhung des Wohnungsbestandes für
Beziehende in Bremen systematisch gestiegen. Für          Obdachlose ein (sogenannte OPR-Wohnungen), auf den
DIE LINKE sind Sanktionen, also Leistungskürzungen        die »Fachstelle Wohnen« beim Amt für Soziale Dienste
von 20 bis 100 Prozent aufgrund z. B. von Terminver-      direkten Zugriff hat.
säumnissen, ein unzumutbares Instrument gegen
Menschen, die ihr Leben bereits als Existenzkampf         Strom- und Wassersperren blockieren
führen und gesellschaftlich kaum noch Rückhalt
                                                          Mit mehreren parlamentarischen Anfragen hat die
erfahren. Um im Wirkungskreis des SGB II wieder
                                                          Bremer Linksfraktion öffentlich gemacht, dass in
Menschenwürde für jede*n gewährleisten zu können,
                                                          den letzten Jahren tausende Privathaushalte im Land
müssen Sanktionen abgeschafft und statt Hartz IV
                                                          Bremen von der Strom- oder Wasserzufuhr abge­-
eine sanktionsfreie Mindestsicherung eingeführt
                                                          klemmt wurden, weil sie die Rechnungen nicht bezahlen
werden. Der Senat kann auf die Sanktionsdichte
                                                          konnten. Allein 2013 wurden über 5 000 Wohnungen im
und die Umgangsformen in den Jobcentern mäßigend
                                                          Land Bremen von der Stromversorgung abgeschnitten,
Einfluss nehmen, was er bisher ganz offensichtlich
                                                          850 Mal wurde zahlungsunfähigen Kunden von der swb
nicht getan hat. Bremen muss sich auf Bundesebene
                                                          das Wasser abgestellt. DIE LINKE hält Zwangsabschal-
außerdem gegen weitere Verschärfungen für Erwerbs­
                                                          tungen dieser Art für nicht zumutbar. Eine Wohnung
lose einsetzen. Für das Bundesland mit der deutsch-
                                                          ohne Wasser oder Strom bietet kein menschenwürdiges
landweit höchsten Kinderarmutsquote und 200 000
                                                          Leben. Damit verstoßen Energiesperren gegen existen-
armutsgefährdeten Menschen ist eine konsequente
                                                          zielle Grundrechte.
gegen Armut gerichtete Politik zwingend notwendig.
DIE LINKE ist die einzige Partei, die diesem Anspruch     Weil Bremens Energieversorger, die ehemals städtische
auch Taten folgen lässt.                                  swb, in den 1990ern verkauft wurde, kann die Politik die
                                                          durchgeführten Wasser- und Stromsperren nicht unmit-
Das Land Bremen muss endlich seiner sozialen Verant-
                                                          telbar stoppen. Aber der Senat kann und muss mehr tun
wortung gerecht werden und entsprechenden Einfluss
                                                          als das, was bislang gegen Zwangsabschaltungen gelau-
auf die Arbeit der Jobcenter nehmen:
                                                          fen ist. Wir wollen, dass bei drohenden Stromsperren
■ Lebenskrisen müssen vermieden statt systematisch        die Außenstände zunächst vom Amt für Soziale Dienste
erzeugt werden;                                           übernommen werden und dass das Prinzip durchgesetzt
                                                          wird: Wer aktuell zahlt, hat ein Recht auf Belieferung
■ die menschenunwürdige Sanktionspolitik ist
                                                          und darf nicht aufgrund aufgelaufener Rückstände mit
abzuschaffen;
                                                          Sperren erpresst werden. Insbesondere für Großwohn-
■ Einmalleistungen und Mehrbedarfe sind ohne              anlagen soll der Senat offene Abschlagsforderungen
Bedingungen anzuerkennen ( z. B. für Erstausstattungen,   der Energieversorger an die Eigentümer gegebenen-
Schulmittel, Mehrbedarfe bei Schwangerschaft und          falls aufkaufen, um Strom und Wassersperren für die
Kosten für besondere Ernährung );                         Mieter*innen abzuwenden, und die Beträge dann selbst
                                                          beim Eigentümer eintreiben. Auf Bundesebene soll der
■ obligatorische Übergangsleistungen bei
                                                          Senat sich für ein gesetzliches Verbot von Strom- und
Arbeitsaufnahme;
                                                          Wassersperren einsetzen.
■ umgehende Einrichtung einer unabhängigen
                                                          Viele Menschen können mit den steigenden Energie-
Beschwerdestelle;
                                                          und Lebenshaltungskosten nicht mehr mithalten.
■ Einrichtung eines/einer Sozialleistungsbeauftragten     Die Regierungspolitik selbst muss Verantwortung
bei der Landesregierung.                                  dafür übernehmen, dass sie immer mehr Menschen
                                                          die gesellschaftliche Teilhabe erschwert hat und
Kosten der Unterkunft und Heizung                         klarstellen, dass Zwangsabstellungen von Wasser
übernehmen, Wohnungslosigkeit verhindern                  und Strom ausgeschlossen werden – sowohl bei indi­-
                                                          viduellem Zahlungsverzug wie auch bei Mieter*innen,
Sämtliche Wohn- und Energiekosten ( Wasser, Strom,        wo die Hauseigen­tümer die Rechnung nicht bezahlt
Heizung ) sind in tatsächlicher Höhe anzuerkennen.        haben. Perspektivisch muss ein Rückkauf der swb
Unwürdige Zwangsumzüge müssen ausgeschlossen              angesteuert werden, um Energiesperren unmittelbar
werden, genauso wie Miet-Zuzahlungen aus dem Regel-       ausschließen zu können. Außerdem muss ein Grund­
satz. Umzüge innerhalb der Mietobergrenzen müssen         kontingent an Energie für alle kostenlos bereitgestellt
zulässig sein, Umzugskosten vollständig übernommen        werden. Bis es so weit ist, fordert DIE LINKE, dass
werden. Der Senat ist verpflichtet, die Mietobergrenzen   der Senat mit Anbietern, die weiter Strom und
an den realen Mieten auszurichten. Bei der Übernahme      Wasser sperren, keine öffentlichen Verträge mehr
der KdU mussen Ermessenspielräume voll ausgeschöpft       abschließt.
Soziale Stadt                                                                                                         7

Sozialticket:                                              teiligten Stadtteilen und ein öffentliches Beschäfti-
Mobilität und kulturelle Teilhabe für alle                 gungsprogramm, das tatsächlich Arbeitsplätze anbietet
                                                           und keine Ein-Euro-Jobs.
Das Sozialticket, das sogenannte »Stadtticket«, ist
viel zu teuer. 30,70 Euro, das ist weit mehr als das,      Die notwendigen Maßnahmen sind seit dem ersten
was im Hartz-IV-Regelsatz für Mobilität angesetzt ist.     Bremer Armutsbericht (»Lebenslagen-Bericht«)
Wir fordern, dass der Preis maximal 15 Euro beträgt        bekannt, die wichtigsten hatten wir bereits 2011 in
und das Stadtticket genauso übertragbar ist wie die        einem »Landesprogramm Armutsbekämpfung« zusam-
Monatskarte.                                               mengefasst und immer wieder eingebracht. Armuts­
                                                           bekämpfung ist kein Geheimnis, aber sie kostet Geld
Perspektivisch wollen wir einen ticketfreien öffent­
                                                           und sie erfordert, dass sich der Senat mit denen anlegt,
lichen Nahverkehr, der über eine sozial gestaffelte
                                                           die Armut produzieren: Betrieben, die auf Leiharbeit
Umlage finanziert wird und der für alle Beziehenden
                                                           und Niedriglohn setzen; Jobcentern, die arm machen
von Sozialleistungen und Geringverdienende sowie
                                                           statt zu unterstützen; Wohnungsspekulanten; privaten
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre kostenlos ist.
                                                           Versorgern; Unternehmen, die nicht ausbilden; und
                                                           immer wieder mit der Bundesregierung. Maßstab sind
Altersarmut bekämpfen                                      die Stadtteile, die besonders von niedrigen Einkommen
Die Rentenkürzungen insbesondere der rot-grünen            betroffen sind. Für sie müssen Standards von Bildungs­
Bundesregierung haben dazu geführt, dass immer             investitionen, geförderter Beschäftigung, sozialen
mehr Menschen im Alter keine armutsfeste Rente mehr        Netzwerken und Anlaufstellen vor Ort definiert werden,
bekommen werden. Schon heute liegt der durchschnitt­       die fester Bestandteil eines Programms zur Armuts­
liche Zahlbetrag aus der gesetzlichen Rentenversiche-      bekämpfung sind. Die Zeit des Aussitzens muss
rung in Bremen mit 619 Euro unter dem Niveau von           vorbei sein.
1998. In der Folge hat sich die Zahl der Menschen,
die auf Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsmin ­      Öffentlicher Wohnraum
derung angewiesen sind, in den letzten zehn Jahren         statt Mietanstieg und Wohnungsnot
mehr als verdoppelt. Ein größerer Teil der Rentenkür-
zungen wirkt erst in den kommenden Jahren und wird         Mehr kommunaler Wohnraum statt
die Situation weiter verschlimmern. DIE LINKE will das     Fördergelder für private Wohnungsbaufirmen
Rentenniveau wieder auf ein lebensstandardsicherndes
                                                           Immer mehr Menschen in Bremen und Bremerhaven
Niveau erhöhen und stabilisieren. Alle sollen einzahlen.
                                                           suchen dringend bezahlbare Wohnungen. Weil die Miete
Die Rente mit 67 muss rückgängig gemacht werden.
                                                           zu teuer geworden ist, weil sie eine bessere Wohnung
Die »Zwangsverrentung« von SGB-II-Beziehenden
                                                           suchen, oder weil sie gar keine Wohnung haben. Dieses
lehnen wir ab. Frauen sind besonders von Alters­-
                                                           Problem wird durch Neubau nicht gelöst. Denn Neubau-
armut bedroht und müssen entsprechend gesetzlich
                                                           Wohnungen sind in der Regel teurer als älterer Wohn-
geschützt werden.
                                                           raum, dessen Baukosten inzwischen abgetragen sind.
                                                           Dass der Senat auf die Wohnungsnot nur mit einem
Leistungen nach AsylbLG erhöhen                            Neubauprogramm antwortet, schafft daher nicht
DIE LINKE fordert ein menschenwürdiges Existenz­           mehr bezahlbare Wohnungen.
minimum für alle. Deshalb gehört das Asylbewerberleis-
                                                           Auch die sogenannte 25-Prozent-Quote hilft nicht.
tungsgesetz (AsylbLG ) abgeschafft. Bis dahin sind die
                                                           Danach sollen in allen Wohnanlagen, die jetzt gebaut
Leistungen nach AsylbLG auf SGB-II-Niveau anzuheben.
                                                           werden, 25 Prozent der Wohnungen nicht teurer als
                                                           6,10 Euro pro Quadratmeter sein. Bei den bestehenden
Rundfunkbeitrag sozial gestalten                           gesetzlichen und vertraglichen Regelungen heißt das
Seit 2013 müssen alle Haushalte einen pauschalen           aber: Innerhalb von zehn Jahren kann aus den 6,10 Euro
Rundfunkbeitrag (ehemals GEZ ) bezahlen. Die Möglich-      Quadratmeterpreis eine Miete von fast 9 Euro pro qm
keit für Hartz-IV-Beziehende, sich von diesem Beitrag      geworden sein. Bezahlbarer Wohnraum ist das für die
befreien zu lassen, muss konsequenter gestaltet            meisten nicht. An Menschen im Sozialleistungsbezug
werden. DIE LINKE fordert die soziale Staffelung des       geht dieser neue Wohnraum komplett vorbei. Es ist
Rundfunkbeitrages und unbürokratische Befreiungs-          daher nicht korrekt, wenn der Senat davon spricht, hier
möglichkeiten für Menschen mit Behinderungen.              würden neue »Sozialwohnungen« entstehen. Eher kann
                                                           man von einer Neubauförderung mit einer zeitlich eng
Armutsbekämpfung braucht Ziele,                            begrenzten sozialen Zwischennutzung sprechen.
Geld und Maßnahmen                                         Auf Dauer ist nur bei Wohnraum in kommunaler Hand
Wir wollen, dass der Senat endlich ein Programm zur        garantiert, dass die Miete bezahlbar bleibt – und dass
Armutsbekämpfung beschließt, das langfristig und mit       sich der Eigentümer um die Wohnungen kümmert.
Haushaltsmitteln unterlegt ist, abrechenbare Ziele und     Diesen Unterschied kennen die Mieter der städtischen
Maßnahmen benennt und auf die besonders betroffe-          GEWOBA sehr genau, und es kennen ihn auch die
nen Gruppen zugeschnitten ist. Dabei geht es um            Mieter, die in Wohnanlagen wohnen, die seit Jahrzehn­-
Einkommensverbesserung, kostenfreie Leistungen und         ten von einer Investoren-Heuschrecke zur nächsten
familienorientierte Unterstützung und Beratung, eine       weiterverkauft werden. Die Zahl der Wohnungen in
Bildungs- und Ausbildungsoffensive in sozial benach­       kommunaler Hand ist aber viel zu klein, um genügend
8                                                                                                     Soziale Stadt

preiswerten Wohnraum anzubieten und um dadurch            schaft in eine GmbH überführen, wo der Mehrheits­
auch Druck auf die Mietpreise der privaten Wohnungs­      eigentümer – die Stadt – sich auch durchsetzen kann.
gesellschaften auszuüben. 42 000 Wohnungen der            Die Mieten bei der GEWOBA sollen nicht stärker steigen
GEWOBA von knapp 300 000 Wohnungen im Land                dürfen als maximal die Inflationsrate. Sie soll bezahl­
Bremen insgesamt: Das reicht nicht, schon gar nicht       baren Wohnraum auch bei den Wohnungen sichern,
in einem Bundesland, wo so viele Menschen mit kleinen     die auf dem Markt schwer zu bekommen sind: kleine
und mittleren Einkommen auskommen müssen.                 Wohnungen für Singles und Wohnungen für große
                                                          Familien. Ihre vorbildliche Rolle dabei, auch Allein­
Wir wollen deshalb den Bestand an Wohnraum in
                                                          erziehenden und Familien mit Migrationshintergrund
kommunaler Hand erhöhen – nur das schafft wirklich
                                                          Wohnraum zu verschaffen – die auf dem Wohnungs-
mehr bezahlbaren Wohnraum. Dafür sollen die Stadt
                                                          markt oft diskriminiert werden –, soll die GEWOBA
und die GEWOBA gezielt Bestände zurückkaufen. Vor
                                                          auch weiterhin ausfüllen. Eine Vorreiterrolle soll die
allem die, die schon einmal in öffentlicher Hand waren
                                                          GEWOBA auch bei der Schaffung altersgerechten
und in den1990er Jahren von der damaligen CDU-SPD-
                                                          Wohnraums einnehmen und dafür zusätzlich
Koalition in Bremen privatisiert wurden: Die »Grohner
                                                          unterstützt werden.
Düne« oder die fast 10 000 Wohnungen der Bremischen
und der Beamtenbau ( heute »Vitus-Gruppe«). Auch wo
Bauland verkauft oder neu erschlossen wird, soll eine     Gegen Mietanstieg und Wohnungsnot vorgehen
Mindestquote von kommunalem Besitz am Grund und
                                                          Auch bei den Mietwohnungen, die in der Hand von
Boden und an den entstehenden Wohnungen festgelegt
                                                          privaten Vermietern sind, müssen die städtische
sein. Statt der 25 Prozent »Sozialwohnungen«, die
                                                          Aufsicht und die städtische Politik für faire Bedingun­-
sich schnell in teure »Normalwohnungen« verwandeln
                                                          gen und anständigen Zustand sorgen und Mietwucher
können, wollen wir 25 Prozent kommunale Wohnungen –
                                                          verhindern. Die durch Bundesgesetz eingeführte
auf Dauer. Für den Zukauf von Wohnbeständen und für
                                                          Mietpreisbremse ist unzureichend, rasante Mietsteige-
die Verwaltung der kommunalen Grundanteile bei
                                                          rungen zu verhindern. So lange es auf Bundesebene
Neubauten wollen wir ein »Sondervermögen Wohnen«
                                                          keine bessere Regelung gibt, müssen die geschaffenen
einrichten, dem auch Mittel aus dem Haushalt zufließen.
                                                          Möglichkeiten aber konsequent ausgeschöpft werden,
Bremen hat solche Sondervermögen für Gewerbeflä-
                                                          um zumindest den schimmsten Mietwucher zu begren-
chen, für die Häfen, für die Überseestadt – aber keines
                                                          zen. Wir wollen ein bremisches Wohnungsaufsichts­
für Wohnraum. Diese Schieflage wollen wir ändern.
                                                          gesetz, um wirksamer gegen Eigentümer von Wohn­
Bislang weigert sich der Senat, privatisierte Wohn­       anlagen vorzugehen, die diese nicht angemessen
anlagen zurückzukaufen. Dabei ist die Gelegenheit         instandhalten. Darin soll auch geregelt werden, dass
günstig, weil derzeit viele Wohnanlagen die Besitzer      Alleinerziehende, Familien mit Migrationshintergrund
wechseln. Sowohl bei der Grohner Düne als auch bei        und Sozialleistungsbezieher*innen bei der Wohnungs-
den Bremischen- und Beamtenbau-Beständen hat der          suche nicht diskriminiert werden dürfen. Bei Wohnan­
Senat nur zugesehen, wie sie verkauft wurden, anstatt     lagen, die der Investor offensichtlich herunterkommen
eine Rekommunalisierung zu erreichen.                     und verfallen lässt, müssen die Möglichkeiten der
                                                          Zwangsverwaltung genutzt werden.
GEWOBA stärken und neu aufstellen                         Auch in Bremen und Bremerhaven findet »Gentrifizie-
Die GEWOBA ist ein zentraler Anker für bezahlbaren        rung« statt: die Verdrängung bisheriger Mieter durch
Wohnraum in der Stadt. Aufgrund der Struktur, in die      Luxussanierung, »Aufwertung« oder rasanten Mietan-
sie gezwängt ist, kann sie aber die Aufgaben des Rück-    stieg, um attraktive Viertel in »exklusive« Wohnlagen
kaufs und Neubaus derzeit nicht hinreichend erfüllen.     für Reiche zu verwandeln. Dagegen muss vorgegangen
Die GEWOBA hat hohe Schulden, weil der damalige           werden. Wir wollen, dass die Stadt für Gebiete, wo
SPD-CDU-Senat sie 1996 privatisieren wollte und schon     diese Entwicklung droht, städtebauliche Satzungen
mal einen Kredit in Höhe des erhofften Verkaufserlö-      (z. B. kommunale Erhaltungsverordnungen) beschließt.
ses aufnahm. Als nach einem Bürgerantrag 2005 die         Damit erhält die Stadt ein Vorkaufsrecht, kann Auflagen
Privatisierung endlich abgeblasen wurde, wurde dieser     machen für Neu- und Umbauten, und Luxussanierungen
Kredit der GEWOBA aufgezwungen – die seither für ihre     und Vertreibungen per Mietpreis verhindern. Im Viertel,
eigene Rekommunalisierung bezahlen muss, mit einer        in der Neustadt oder in Walle sind solche Satzungen
jährlichen Gewinnabführung von 18 Prozent des Eigen-      notwendig, aber auch für Gebiete mit Großwohnanlagen,
kapitals. Gleichzeitig hat die GEWOBA trotz städtischer   wo derzeit noch die Mieten günstig sind. Grünzonen und
Mehrheit private Mitbesitzer und ist eine Aktiengesell-   Begegnungsräume müssen erhalten werden, »attraktive«
schaft, in der Mitbesitzer klagen können, wenn zu wenig   Flächen dürfen nicht in einer Weise bebaut werden, die
Profit gemacht wird. So kann man eine kommunale           den gewachsenen Charakter der Quartiere zerstört.
Wohnungsgesellschaft nicht aufstellen.
                                                          Seit 20 Jahren fällt auch in Bremen und Bremerhaven
Wir wollen daher, dass die Gewinnabführung der            die Zahl der Sozialwohnungen dramatisch – also von
GEWOBA minimiert wird, damit sie mehr Handlungs-          Wohnungen, die für Mieter mit Wohnberechtigungs-
spielraum erhält für preiswerte Mieten, gute Renovie-     schein reserviert sind. Von diesen sogenannten
rungen, Investitionen ins Wohnumfeld und die Quartiers­   Sozialbindungen gab es 1991 noch 89 000 ( !) im Land
entwicklung, und für den Zukauf weiterer Bestände.        Bremen, 2011 gab es nur noch 9 000, und auch diese
Dazu wollen wir die GEWOBA aus einer Aktiengesell-        Zahl wird sich in wenigen Jahren halbiert haben. Meist
Soziale Stadt                                                                                                        9

laufen diese Sozialbindungen nach 20 oder 30 Jahren       es den Bedarf gibt, Gebäude außerhalb der Marktlogik
aus. Um schnell gegen Wohnungsnot vorzugehen,             für soziale und kulturelle Zwecke nutzbar zu machen.
wollen wir, dass Bremen und Bremerhaven bestehende        DIE LINKE fordert vom Senat, bei Besetzungen leerste-
Belegbindungen verlängern und dass neue Sozialbin-        hender Gebäude den Dialog zu suchen, um gegebenfalls
dungen angekauft werden. Um dauerhaft für bezahlbare      alternativen Wohn- und Nutzungsformen Freiräume zu
Mieten zu sorgen, wollen wir, dass die Mietpreisbin­      gewähren. Repressionen und Räumungen halten wir für
dungen für neu gebaute Sozialwohnungen unbefristet        ein falsches Signal gegenüber denjenigen, die das Enga-
gelten und nicht erneut in 20 oder 30 Jahren auslaufen.   gement zeigen, soziale, kulturelle und selbstbestimmte
                                                          Orte von unten aufzubauen.
Wir wollen den Neubau von mindestens 500 Woh­‑­
nungen für Studierende unter der Verantwortung des        Zur Erfassung leerstehender Gebäude, für die es
Studentenwerks, um das Angebot kostengünstigen            keine interessierten Investor*innen gibt, fordern wir
Wohnraums für Studierende zu verbessern. Das              die Einführung eines »Leerstands-Monitorings«. Dieser
Studentenwerk muss unverzüglich in das Wohnraum­          Bestand kann bei entsprechender Nachfrage und
förderungsprogramm aufgenommen werden. Es darf            Eignung dann für Projekte der Zwischennutzung o. Ä.
keine weiteren Verkäufe von Grundstücken in Campus-       verwaltet werden. Ungenutzte (Schrott- )Immobilien,
nähe an private Wohnungsbauunternehmen mehr               von denen eine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgeht,
geben – Studieren in Bremen darf keine Frage des          sollen im Zweifelsfall auf Grundlage bereits bestehender
Portemonnaies sein!                                       Gesetze in den Verantwortungsbereich der Kommune
                                                          übergehen (§1 Bremer Enteignungsgesetz).
Ein verlässlicher Schutz vor Mietsteigerungen, und
überhaupt vor Miete, ist auch das Wohnen im eigenen
Haus oder der eigenen Wohnung. Der Erwerb von             Kein Abriss von Kaisenhäusern mehr
Wohnraum für den Eigenbedarf, sofern es sich nicht um     Eine besondere Form des Wohnens, die in Bremen
Luxuswohnraum handelt, soll auf Bundesebene durch         Tradition hat, sind die Kaisenhäuser. Wir verstehen
die Wiedereinführung der Eigenheimzulage wieder mit       unter Kaisenhäusern alle Gebäude in Kleingartenge-
Zuschüssen gefördert werden. Genossenschaften und         bieten, die sich Menschen in Eigenarbeit zum Wohnen
gemeinnützige Zusammenschlüsse, die Wohnraum zur          hergerichtet haben – sei es fürs Wochenende oder die
eigenen Nutzung erwerben, wollen wir stärker fördern,     Ferien, sei es in Zeiten persönlicher Wohnungsnot, sei
sowohl bei der Erschließung neuer Wohngebiete als         es als individuelle Wohnform auf Dauer. Wir wollen, dass
auch bei der Erneuerung bestehender. Wir wollen die       es keinen Abriss bewohnter Kaisenhäuser mehr gibt,
Einrichtung einer Anstalt öffentlichen Rechts für be-     auch keinen staatlich angeordneten Abriss von bewohn-
sondere Entwicklungsprojekte im Bereich innovativen       baren Lauben auf der Parzelle. Der Senat soll endlich
Bauens und Instandsetzens.                                aufhören, Bewohner*innen vertreiben und die bremi-
                                                          sche Tradition der Kaisenhäuser vernichten zu wollen.
Bremen und Bremerhaven müssen umgehend die
                                                          Die »Bereinigungsverordnung« soll aufgehoben werden.
Zahl der Wohnungen erhöhen, die von der Stadtver-
                                                          Wir wollen Rechtssicherheit für Bewohner*innen von
waltung direkt mit Menschen in Wohnungsnot belegt
                                                          Kaisenhäusern durch Einzelfestsetzung und Duldung
werden können – seien es Wohnungslose, Flüchtlinge
                                                          von Wohnnutzung im Einzelfall, unter Nutzung der
oder andere Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt
                                                          inzwischen bundesweit veränderten Rechtslage. Die
keine Unterkunft finden. Wohnungslose brauchen ein
                                                          Gefahr einer regellosen Ausweitung des Wohnens in
gestaffeltes System von Angeboten, wo der Übergang
                                                          Parzellengebieten und einer schleichenden Umwand-
in selbstständigere Wohnformen so schnell wie möglich
                                                          lung in Bauland besteht dadurch nicht, auch wenn das
und zumutbar erfolgt, von der zentralen Notunterkunft
                                                          immer wieder behauptet wird. Wochenend-, Ferien-
bis zu dezentraler Unterbringung in eigenen Wohnun-
                                                          und Übergangswohnnutzung soll generell in Parzellen
gen, mit verschiedenen Stufen ambulanter Unterstüt-
                                                          erlaubt sein. Die Umwandlung von Kleingartengebieten
zung. Eine Auflösung der zentralen Notunterkunft, eine
                                                          in Bauland wollen wir dagegen ausschließen. Solchen
Dezentralisierung der Unterbringung ohne angemesse-
                                                          Begehrlichkeiten von gewerblichen Investoren muss
ne Kapazitäten zur Betreuung und eine Verehrenamtli-
                                                          ein Riegel vorgeschoben werden. Die Wahrheit ist:
chung der Betreuungsarbeit lehnen wir ab. Die Ange-
                                                          Es gibt keinen besseren Schutz vor dieser Gefahr als
bote für wohnungslose Frauen müssen aufgestockt
                                                          Menschen, die auf der Parzelle auch wohnen. So war
werden. Das Hilfesystem für Wohnungsnotfälle muss
                                                          es in Bremen, und so soll es in Bremen auch bleiben.
allen offenstehen, auch EU-Bürger*innen und Nicht-
EU-Ausländer*innen, die in Bremen und Bremerhaven
leben.                                                    Stadtentwicklung gegen die soziale Spaltung
                                                          Maßstab einer guten Stadtentwicklung ist für uns die
Leerstehende Gebäude                                      Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen. Die Stadt muss
für die Öffentlichkeit nutzbar machen                     von allen Einwohner*innen genutzt und angeeignet
In der Vergangenheit kam es auch in Bremen zu             werden können. Das bedeutet, aktiv vorzugehen gegen
Versuchen, leerstehende Gebäude fernab des Immo-          die soziale Spaltung zwischen den Stadtteilen, gegen
bilien- und Kapitalmarktes für (sub-)kulturelle Zwecke    die Privatisierung des öffentlichen Raums und gegen
nutzbar und für neue Nutzer*innen zugänglich zu           die einseitige Ausrichtung der Stadt auf die Bedürfnisse
machen. Solche Initiativen zeigen, dass »Wohnungsnot«     zahlungskräftiger Bewohner*innen und auf privatwirt-
kreativ hinterfragt und beantwortet werden kann und       schaftliche Interessen.
10                                                                                                        Soziale Stadt

Verkehrsentwicklung                                          den Charakter von Ortsteilen haben, sollen Prozesse
sozial und ökologisch gestalten                              der Anwohner-Beteiligung vom frühesten Entschei-
                                                             dungsstadium an verbindlich vorgeschrieben sein. Was
Im Mittelpunkt einer sozialen Stadtentwicklung steht
                                                             dabei herauskommt, soll dann auch gelten und nicht nur
der öffentliche Nahverkehr. Wir wollen perspektivisch
                                                             ein unverbindlicher Vorschlag sein, der vom Investor
einen ticketfreien ÖPNV, der über eine sozial gestaffelte
                                                             gemäß seiner wirtschaftlichen Interessen nach Belieben
Umlage und öffentliche Zuschüsse finanziert wird. Die
                                                             umgestoßen werden kann. Die Rechte der Beiräte bei
Absenkung der städtischen Zuschüsse an die BSAG
                                                             der Quartiersentwicklung wollen wir stärken. Attraktive
lehnen wir ab, sie ist das Gegenteil einer sozialen und
                                                             Quartiere, bei denen Luxussanierung und »Gentrifizie-
vernünftigen Verkehrspolitik. Die BSAG ist mit den
                                                             rung« zu befürchten ist, wollen wir durch kommunale
entsprechenden Mitteln auszustatten, um die erforder­
                                                             Erhaltungssatzungen schützen, öffentliche Vorkaufs-
lichen Investitionen vornehmen sowie ein entspre-
                                                             rechte und klare städtebauliche Auflagen verankern.
chendes Umwelt- und Sozialticket auflegen zu können.
Schon jetzt wird der individuelle Autoverkehr höher          Wir fordern eine Vergrößerung der Umweltzone,
subventioniert als der ÖPNV!                                 die im gegebenen Format (und mit der Ausnahmerege-
                                                             lung für die Martinistraße) wirkungslose Symbolpolitik
Der ÖPNV ist vor allem für die Bewohner*innen der
                                                             darstellt. Stattdessen bedarf es einer Erweiterung der
Stadt da. Wir wollen mehr Quartiersbusse und sinnvolle
                                                             Zone und eines geeigneten Maßnahmenpakets zur Ein-
Rundlinien, statt eine Ausrichtung auf die Verlängerung
                                                             haltung von Luftgrenzwerten, das beispielsweise auch
der Straßenbahnlinien ins Umland. Wir wollen kürzere
                                                             die Feinstaubfilterung bei Baumaschinen verbindlich
Taktzeiten und kostenlose Fahrradmitnahme, eine
                                                             vorschreibt, effizient mit der Lärmminderungsplanung
Verkürzung der Entfernungszeiten in die Innenstadt
                                                             koordiniert wird und den Umweltverbund aus Rad-,
vor allem für Bremen-Nord und gute Bahnverbindungen
                                                             Fuß- und öffentlichem Nahverkehr fördert.
nach Bremerhaven, auch abends und am Wochenende.
Das Konzept »Eine Stadt, ein Tarif« muss ab 2015             Stadtteile brauchen ein kulturelles Leben, Freizeit­
konsequent umgesetzt werden.                                 angebote, öffentliche Räume und stabile Kosten für
                                                             die Bewohner*innen. Die stadtteilbezogene Jugendar-
Beim Straßenbau sollen Erhaltungsinvestitionen in das
                                                             beit, Bäder und Sportangebote, Begegnungsräume und
bestehende Straßennetz klaren Vorrang vor dem Bau
                                                             Sitzgelegenheiten sind dafür maßgeblich. Wir wollen,
neuer Straßen haben. Ein Ausbau der Fahrradwege ist
                                                             dass die Barrierefreiheit in allen Stadtteilen umgesetzt
weiterhin notwendig. »Fahrstreifen« auf der Straße, die
                                                             wird – auch die soziale Barrierefreiheit, indem es Treff­-
nur farblich abgetrennt sind, sind keine Alternative, son-
                                                             punkte und Aufenthaltsmöglichkeiten ohne Konsum-
dern eine gefährliche Zumutung vor allem für unsichere
                                                             zwang gibt. Angsträume müssen saniert werden,
Verkehrsteilnehmer*innen. Tempo 30 in Wohngebieten
                                                             »Angstarchitektur« von vornherein verhindert. Eine
soll dort eingeführt werden, wo die Beiräte es wollen.
                                                             Erhöhung der Gebühren für die Bewohner*innen ( z. B.
In den Stadtteilen müssen die Anliegerverkehre Vorrang
                                                             die Verteuerung der Müllgebühr ) oder die Einführung
haben, auch beim Parken. Wir wollen, dass Straßenbau-
                                                             neuer Gebühren ( z. B. Stadtreinigungsgebühr ) lehnen
Maßnahmen durch einen Begleitausschuss besser kon-
                                                             wir ab.
trolliert werden, der ihre Notwendigkeit und zeitliche
Planung überprüft. Für den Weiterbau der A 281 sollen        Gegen das Auseinanderdriften der Stadtteile sollen die
die preiswerten Alternativen verfolgt werden, die sich       bewährten Förderprogramme Wohnen in Nachbarschaf-
inzwischen als ausreichend herausgestellt haben.             ten ( WiN ), Soziale Stadt und Lokales Kapital für soziale
                                                             Zwecke ( LOS) aufgestockt werden. Ihre Nutzung durch
Anwohner*innen müssen vor immer mehr Belastungen
                                                             Initiativen und Projekte muss weniger bürokratisch
durch die Fern- und Güterverkehre besser geschützt
                                                             werden. Wir wollen die Mittel aus der Städtebauförde-
werden. Wir wollen, dass es für jedes Beiratsgebiet
                                                             rung und einen größeren Teil der EFRE-Mittel ( Mittel
Lärmschutzpläne gibt, die schrittweise umgesetzt
                                                             aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung )
werden. Intelligente technische Lösungen, von verbes-
                                                             zur Entwicklung der sozial benachteiligten Stadtteile
serten Bremsen bei der Bahn bis zu Flüsterasphalt,
                                                             nutzen. Die Landesmittel bei der Städtebauförderung
gehören ebenso dazu wie Lärmschutzwände, die Ent-
                                                             sollen wieder auf Stand von 2009 angehoben werden
dröhnung von Brücken und Tempolimits. Die Vorschläge         (6,5 Millionen Euro). Öffentliche Investitionen in Infra­-
des Regionalausschusses Bahnlärm müssen aufgegrif-
                                                             struktur und öffentliche Förderprogramme sollen
fen und umgesetzt werden. Der Senat soll sich dafür
                                                             gerecht verteilt werden. Der Verteilungsschlüssel soll
einsetzen, dass für den Güterverkehr auf der Schiene
                                                             nicht nur Bremerhaven mit einem festen Anteil berück-
eine Umgehungsstrecke in Angriff genommen wird. Das
                                                             sichtigen, sondern auch Bremen-Nord.
Nachtflugverbot am Bremer Flughafen darf nicht gelo-
ckert werden. Auf den Bundesautobahnen in Bremen             Stadtteile sind für uns keine Investitionsräume,
soll ein Tempolimit von 100 km/h gelten. Für LKW soll        sondern Lebensräume. Wir wollen die Stiftung Wohn­
es auf den Autobahnen ein Überholverbot geben.               liche Stadt auf eine verlässliche neue Finanzierungs-
                                                             grundlage stellen und eine öffentliche Stiftung für den
Integrierte Stadtteilentwicklung                             sozialen Zusammenhalt einrichten. Mütterzentren,
für lebendige Quartiere                                      Quartiers- und Familienzentren sowie Mehrgeneratio-
                                                             nenhäuser gehören für uns zur sozialen Infrastruktur.
Beteiligungsprojekte müssen verbindlich sein, im dop-        Das unwürdige Gezerre um Projektmittel und
pelten Sinne. Für Maßnahmen, die starken Einfluss auf        Anschlussfinanzierungen muss aufhören.
Soziale Stadt                                                                                                           11

Wir befürworten die Initiative, Erholungsgebiete und        Wasserstraßen und Klimawandel
wichtige Grünflächen durch einen Flächenschutzplan
                                                            Die Vertiefung von Außen- und Unterweser ist nicht
zu sichern. Der Werdersee, Knoops Park, der Bürgerpark
                                                            notwendig und hat sich durch den Bau des Tiefwasser­
und viele andere grüne Zonen brauchen einen verläss­
                                                            hafens ( Jade-Weser-Port) erledigt. Sie soll gestoppt
lichen Schutz vor den Begehrlichkeiten von Investoren.
                                                            werden, ebenso die teure und ökologisch schädliche
Die genaue Ausgestaltung des Flächenschutzplanes
                                                            Begradigung der Mittelweser, für die es keine tech­
muss in den jeweiligen Ortsteilbeiräten konkretisiert
                                                            nische Notwendigkeit mehr gibt.
werden. Bauliche »Verdichtung« in den Stadtteilen muss
mit Augenmaß und engen Auflagen geschehen. Die              Durch den Klimawandel sind verstärkte Anstrengungen
Vermietung von Werbeflächen an einen privaten Flächen-      beim Hochwasserschutz erforderlich. Dazu gehört eine
Monopolisten lehnen wir ab. Zur sozialen und kulturellen    Erhöhung der Deiche, vor allem aber der Erhalt von
Infrastruktur gehört auch, dass Veranstaltungen durch       Überflutungsgebieten.
kostenfreies Plakatieren beworben werden können.
Bunkerabrisse wollen wir genehmigungspflichtig machen –     Gesundheit garantieren,
was überhaupt die Voraussetzung dafür ist, dass die Stadt   kommunale Kliniken sichern
sie auch unterbinden kann, um die Anwohner*innen vor
unzumutbaren Lärm- und Staubbelastungen und vor             Gesundheit ist öffentliche Daseinsvorsorge. Sie ist
Schädigungen der umliegenden Häuser zu schützen.            ein Bereich, den die öffentliche Hand absichern muss.
                                                            Dazu gehören die ärztliche und pflegerische Versorgung,
                                                            aber auch Gesundheitsschutz als Querschnittsaufgabe
Keine Stadtentwicklung nur für Reiche
                                                            in allen Politikbereichen.
Die Innenstadt ist für alle da, sie ist das Herz der
Stadt und darf nicht privatisiert werden. Gerade in der     Krankenhaus-Versorgung
Innenstadt muss es Sitz- und Aufenthaltsmöglichkeiten
                                                            Die kommunalen Kliniken in Bremen und Bremerhaven
ohne Konsumzwang geben, eine ansprechende und
                                                            sind die Basis der Krankenhausversorgung für die breite
barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Raums sowie
                                                            Bevölkerung und einer der größten Arbeitgeber im Land
öffentliche Toiletten in ausreichender Zahl und gutem
                                                            Bremen. Die vier Krankenhäuser des stadtbremischen
Zustand. Die »Verdudlerung« der Innenstadt durch die
                                                            kommunalen Klinikverbunds, der GeNo (Gesundheit
derzeit geförderte Bauweise, die mit massiger Architek-
                                                            Nord ), sollen auch weiterhin eine wohnortnahe Versor-
tur ausschließlich auf eine Maximierung der Vermie-
                                                            gung für alle Stadtteile garantieren. Diese darf durch
tungsfläche setzt, lehnen wir ab. Ebenso sind wir gegen
                                                            die stärkere Integration der Häuser in eine gemeinsame
die Praxis der »Business Improvement Districts« (BIDs),
                                                            Einheitsgesellschaft, wie sie im letzten Jahr vollzogen
bei denen die Gestaltung des öffentlichen Raums den
                                                            wurde, nicht gefährdet werden.
ansässigen Geschäften und Unternehmen übertragen
wird. Wohnungslosenfeindliche Maßnahmen wie Bänke,          Damit die GeNo ihre Aufgabe erfüllen kann, muss das
auf denen man nicht liegen kann, oder Abfalleimer, aus      Land seiner Verpflichtung nachkommen, die notwen-
denen man keine Flaschen holen kann, darf es nicht          digen Krankenhaus-Investitionen zu finanzieren. Denn
geben. Wir wollen, dass die Stadt die unsinnige Bebau-      das ist das gesetzlich verankerte System der Kranken-
ung des Bahnhofsvorplatzes durch Rückabwicklung des         haus-Finanzierung in Deutschland: Die Krankenkassen
Verkaufs stoppt, nachdem inzwischen klar ist, dass es       finanzieren über die Leistungsabrechnung den lau-
keine Fertigstellung innerhalb der Dreijahresfrist geben    fenden Betrieb der Krankenhäuser, die Bundesländer
wird. Auch der Platz vor dem Überseemuseum ist ein          finanzieren die Investitionskosten. Wenn das Land
Begegnungsraum, den wir schützen und erhalten wollen.       seiner Verpflichtung nicht nachkommt und die Kliniken
                                                            zwingt, Investitionen selbst zu bezahlen, dann leidet der
Die Revitalisierung von Hafen- und Industriegebieten
                                                            laufende Betrieb, dann wird in medizinisch fragwürdiger
gelingt nur dann, wenn sie von einer sozialen Quartiers­
                                                            und teilweise gefährlicher Weise bei der personellen
entwicklung begleitet ist. Alles andere produziert
                                                            Ausstattung gespart. Das hat auch der Untersuchungs-
erst Bauboom und dann Katzenjammer. Das bauliche
                                                            ausschuss »Krankenhaus-Keime« in der letzten Legis­
Entwicklungstempo in der Überseestadt ist zu hoch,
                                                            laturperiode gezeigt. Der Versuch, den Klinikneubau
die Maßnahmen zur Quartiersentwicklung sind zu
                                                            in Bremen-Mitte (den sogenannten Teilersatzneubau
schwach. Die Pläne für die zukünftige Entwicklung
                                                            oder TEN ) durch rigorose Einsparungen beim Betrieb
des BWK-Geländes in Blumenthal dürfen sich nicht
                                                            zu finanzieren, ist gescheitert. Er hat seine Grenze in
nur auf die Ansiedlung von Großinvestoren orientieren
( was bisher auch nicht geklappt hat), sondern müssen       der Gefährdung der Patientensicherheit gefunden.
Möglichkeiten der Mischnutzung, der Ansiedlung von          Inzwischen hat die Stadt einen Teil der Kosten des
Kleingewerbe und der kulturellen Nutzung mit einbe­         TEN (100 Millionen Euro von derzeit 266 Millionen
ziehen. Vor allem dürfen mögliche Entwicklungen nicht       Euro Baukosten) übernommen. Damit ist aber nur Zeit
blockiert werden, indem das Gelände für den »großen         gekauft worden. An der Entlastung der GeNo von den
Wurf« freigehalten wird.                                    restlichen Baukosten führt kein Weg vorbei. Das gilt
                                                            auch für das nächste anstehende Großprojekt, die
Der Fernreisebus-Terminal gehört in die Mitte der
                                                            überfällige Sanierung des Klinikums Ost.
Stadt und nicht an den Flughafen. Wo der Bus-Terminal
ist, müssen auch Sitzgelegenheiten, Überdachungen           Der kommunale Klinikverbund hat eine Vorbildfunktion
und öffentliche Toiletten sein.                             für die gesamte Krankenhauslandschaft hinsichtlich
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