4 Schlichtung in der Verhandlungen gescheitert
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tacheles Das dbb Tarif-Magazin für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 4 April 2023 25. Jahrgang lungen gescheitert Verhand tu n g in der Schlich nde D - Ein kom mensru ab Seite 3 TV ö tacheles · 4 · April 2023 · Seite 1
Inhalt Editorial Editorial 2 xxx Einkommensrunde 3 Tarifthemen 5 Flughafen Hamburg Liebe Kolleginnen, Landesverwaltung Brandenburg liebe Kollegen! Luftsicherheit Selbstverständlich steht SAG Flughafen Stuttgart die aktuelle TVöD-Einkom- Kommunaler Nahverkehr Bayern mensrunde im Zentrum unserer Berichterstattung NVG Würzburg der April-Ausgabe. Auch in meinem Vorwort will ich Betriebsverfassungsrecht 8 mich einem Aspekt der Einkommensrunde wid- EKR Aktionen 10 men. Wer diese Auseinan- dersetzung verfolgt, wird festgestellt haben, dass die Aktionsfähigkeit und auch die Buchvorstellungen 13 Streikbereitschaft bei den Gewerkschaften überdurchschnittlich hoch war – und noch immer ist. Manche Aussagen von Seiten der Arbeitgeber haben den Eindruck erweckt, als hätten sie damit in keiner Weise gerechnet. Rechtsprechung 14 Wenn man bedenkt, dass die Arbeitgeber die gewerkschaftlichen Forderungen seit Mitte Oktober letzten Jahres gekannt haben, dann ist ihr Nicht-Angebot zur ersten Zitat des Monats 16 Verhandlungsrunde und ihre Mogelpackung zur zweiten Runde schwer nachvollzieh- bar, es sei denn, sie waren von der Hoffnung beseelt, die Forderung wäre nur gewerk- schaftlicher Mobilisierungsrhetorik entsprungen. Als die Arbeitgeber dann bemerkt Redaktionsschluss: haben, dass Aussitzen allein nicht reichen wird, haben sie es gelegentlich mit Argu- 3. April 2023 menten versucht. Nicht jeder Versuch war jedoch hilfreich. Oft habe ich den dramatischen Hinweis lesen oder hören müssen, die Forderun- gen der Gewerkschaften würden alle Bürgerinnen und Bürger belasten. Was ist das für eine Erkenntnis?! Unser öffentlicher Dienst wird von der Gemeinschaft bezahlt, Sicherheit, Erziehung oder Pflege sollen allgemein zugängliche Güter sein und blei- ben. Eine Gehaltserhöhung für die dort Beschäftigten wird deshalb von der Allge- meinheit getragen. Diese simple Tatsache als Argument gegen unsere Forderungen zu bringen, ist unredlich. Tarifverhandlungen im Bereich Metall oder im Gaststätten- gewerbe können dazu führen, dass der VW oder der Restaurantbesuch teurer wer- den, Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst sind von der Allgemeinheit zu tragen. Anders geht es nicht! Die VKA-Chefin führt diese absurde Argumentation noch einen Schritt weiter. Sie hat vor der dritten Verhandlungsrunde geäußert, dass „die notwendigen Maßnah- Impressum men zur Klimaanpassung oder Mobilitätswende nicht durchgeführt werden können“, Herausgeber: dbb beamtenbund und tarifunion, Bundesleitung, Friedrichstraße 169, 10117 Berlin, wenn die Arbeitgeber auf die gewerkschaftlichen Forderungen eingehen würden. Verantwortlich: Volker Geyer, Fachvorstand Tarifpolitik Redaktion: Ulrich Hohndorf, Andreas Schmalz, Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Subtext dieser Aussage erklärt Euch schuldig, Arne Brandt wenn Gelsenkirchen oder Leipzig ihre ökologischen Vorgaben nicht einhalten kön- Gestaltung und Satz: Jacqueline Behrendt Bildnachweis: Titel: dbb, S.2: Friedhelm Windmüller, S.3: nen. Solche Aussagen sind nur noch absurd. Das Beste daran ist wahrscheinlich, dass Friedhelm Windmüller, dbb, S.4: dbb, S.6: komba, S.7: NahVG, S.8: Lars Jedinat (GDL), S.9: dbb, S. 14: dbb, S.16: sie die Entschlossenheit der auf diese Weise Beschuldigten nur noch weiter steigern! Anestis Aslanidis Auf Grund der Handlungsunfähigkeit der Arbeitgeber während der dritten Verhand- Telefon: 030. 40 81 - 54 00, Fax: 030. 40 81 - 43 99 E-Mail: tacheles@dbb.de, Internet: www.dbb.de lungsrunde – wir haben an anderer Stelle darüber berichtet – werden wir diese Ent- Verlag: DBB Verlag GmbH, Friedrichstraße 165, schlossenheit in den nächsten Wochen brauchen. 10117 Berlin, Telefon 030. 726 19 17 - 0 Anzeigen: DBB Verlag GmbH, Mediacenter, Dechenstraße 15 A, 40878 Ratingen, Telefon: 02102. 740 23 - 0, Fax: 02102. 740 23 - 99, Mit freundlichen Grüßen mediacenter@dbbverlag.de Anzeigenleitung: Petra Opitz-Hannen, Telefon: 02102. 740 23 - 715 Anzeigenverkauf: Christiane Polk, Telefon: 02102. 740 23 - 714 Preisliste 18, gültig ab 1. Oktober 2018 Volker Geyer Seite 2 · tacheles · 4 · April 2023
lungen gescheitert Verhand lle n gestellt. Diese unverbindlichen Gedan- K A ve rp re kenspiele haben zu keinem Zeitpunkt die Bund und V Ebene ernsthafter Kompromissvorschläge Einkommensrunde erreicht. Silberbach dazu: „So schlecht das e n Arbeitgeberangebot nach der zweiten die Be sch äf tig t Verhandlungsrunde war, es war wenigs- tens konkret. In der ganzen Zeit der dritten Verhandlungsrunde sind Bund und VKA nicht mehr so konkret geworden.“ Diese Verweigerungshaltung, „ist für die Menschen, die den öffentlichen Dienst heute am Laufen halten, völlig inakzepta- bel“, bewertete dbb Tarifchef Volker Geyer die „Denkmodelle“ aus Sicht der Beschäf- tigten. „Und sie waren auch nicht geeig- net, den öffentlichen Dienst auf einem immer umkämpfteren Arbeitsmarkt erfolgreich zu positionieren. Bund und VKA haben in Potsdam deutlich werden lassen, dass sie diese Einkommensrunde am liebsten einfach aussitzen würden.“ So geht’s weiter Zunächst die Verhandlungskommission und dann die Bundestarifkommission des „Die Arbeitgeber haben ihre Beschäftig- cen. Wir werden in dieser Schlichtung dbb haben deshalb das Scheitern der Ver- ten verprellt“, fasste dbb Chef Ulrich Sil- konstruktiv mitarbeiten. Aber wir werden handlungen erklärt. Die Arbeitgeberseite berbach den enttäuschenden Verlauf der auch vorbereitet sein, wenn die Schlich- hat die Schlichtung eingeleitet. Diese dritten Potsdamer Verhandlungsrunde tung nicht angerufen wird oder aber schei- beginnt am 6. April 2023. Ein Schlich- zusammen. „Bund und VKA interessie- tert. Sollte dies eintreten, werden wir eine terspruch ist nicht verbindlich, sondern ren die Sorgen und Nöte ihrer Beschäf- Urabstimmung durchführen. Und ich habe stellt einen Vorschlag dar, den Arbeitge- tigten nicht. Und sie schätzen Wut und keine Zweifel, dass die Beschäftigten dann ber und Gewerkschaften in einer weite- Entschlossenheit der Kolleginnen und zum Vollstreik bereit sein werden.“ ren Verhandlungsrunde erst noch anneh- Kollegen falsch ein. Nur so ist zu erklä- men müssen. Über den Ablauf und die ren, dass sie uns in der dritten Verhand- Bund und VKA wollen Hintergründe des Schlichtungsverfahrens lungsrunde kein neues Angebot vorgelegt Einkommensrunde aussitzen berichten wir ausführlicher auf Seite 4 haben, sondern nur sogenannte Denkmo- dieser Ausgabe. delle, die allesamt nicht annähernd disku- Nachdem die erste Verhandlungsrunde Über den weiteren Verlauf der Einkom- tabel waren. Wir haben gezeigt, dass wir Ende Januar ohne ein Angebot zu Ende mensrunde wird der dbb auf all seinen kampfbereit sind, wenn es sein muss. Das gegangen war und es in der zweiten Runde Kanälen zeitnah und ausführlich berich- Arbeitgeberangebot vom 23. Februar 2023 einen Monat später nur eine Mogelpa- ten. Geyer zu den nächsten Wochen: „Klar anzunehmen, wäre einer Selbstaufgabe ckung gegeben hatte, haben die Arbeit- ist, dass der dbb abschlussorientiert bleibt, gleichgekommen. Das haben unsere Ver- geber von Bund und Kommunen nach dass wir uns jetzt mit Volldampf in der handlungs- und unsere Bundestarifkom- drei Tagen und drei Nächten während der Schlichtung engagieren. Klar ist aber auch, mission schon nach der zweiten Verhand- dritten Verhandlungsrunde die Zeichen dass wir vorbereitet sein müssen, wenn lungsrunde einmütig abgelehnt. Folglich der Zeit noch immer nicht erkannt. Statt der Schlichterspruch nicht zur Befriedung sind die Verhandlungen gescheitert.“ eines abschlussfähigen Kompromissvor- führen sollte. Urabstimmung und Voll- schlags haben sie lediglich „Denkmodelle“ streik werden dann zu einer realistischen Arbeitgeber leiten unverbindlich in den Verhandlungsraum Option.“ Schlichtungsverfahren ein Die Arbeitgeberseite hat nun das Schlich- tungsverfahren eingeleitet. Ulrich Silber- bach äußerte sich positiv über die bei- den Schlichter, mit deren Hilfe der Karren aus dem Dreck gezogen werden könnte: „Aber auch die besten Schlichter sind keine Hexer. Kommt es zur Schlichtung, müssten sich die Arbeitgeber endlich mit den Realitäten befassen. Sonst gebe ich der Schlichterempfehlung wenig Chan- tacheles · 4 · April 2023 · Seite 3
Schlichtung in der TVöD-Einkommensrunde angerufen dem Ziel zu führen, zu einer einstimmi- Wieso? Weshalb? Warum? gen Einigungsempfehlung zu kommen.“ Sollte eine einstimmige Schlichtungs- Einkommensrunde empfehlung nicht erreicht werden und bei einer Abstimmung über die Empfeh- Nach drei Verhandlungsrunden in Pots- Schlichtungsvereinbarung besteht. In die- lung ein Patt entstehen, hat der stimm- dam haben Bund und Kommunen noch ser sind konkrete Fristen und Abläufe für berechtigte Schlichter die entscheidende immer keinen akzeptablen Kompro- die Schlichtung festgelegt. Stimme. Die Schlichter der Arbeitgeber miss vorgelegt. Ihr letztes „Angebot“ und der Gewerkschaften wechseln sich war die Mogelpackung aus der zwei- Wie läuft eine Schlichtung im dabei von Schlichtung zu Schlichtung ab. ten Runde. Seither hat es keine konkre- Bereich des TVöD ab? In der jetzt anstehenden Schlichtung wird ten Fortschritte gegeben. Das damalige der Schlichter der Gewerkschaften die Angebot belief sich auf magere lineare 5 Voraussetzung für eine Schlichtung ist, entscheidende Stimme haben. Prozent bei einer Laufzeit von 27 Mona- dass die Verhandlungen von mindestens ten. Trotzdem ist jetzt in vielen Medien einer Partei für gescheitert erklärt wor- Wie geht es nach der Schlichtung von vermeintlich großzügigen Arbeitge- den sind. Dies haben die Gewerkschaf- weiter? berangeboten die Rede. Das hat folgen- ten nach der erfolglosen dritten Verhand- den Hintergrund: Nicht gegenüber den lungsrunde getan. Anschließend kann Der Schlichterspruch wird den Tarifver- Gewerkschaften, sondern erst gegenüber jede Partei innerhalb von 24 Stunden nach tragsparteien zugestellt. Danach müs- den Medien sind Bund und VKA zu gro- dieser Erklärung das Schlichtungsverfah- sen die Tarifverhandlungen wiederaufge- ßer Form aufgelaufen und haben konkrete ren durch schriftliche Erklärung einleiten. nommen werden. Wird die Empfehlung Angebote in den Raum gestellt. Zuvor, in Die Arbeitgeberseite hat inzwischen die der Schlichter dort von einer Partei abge- den Verhandlungen, war immer nur von Schlichtung angerufen. Sie beginnt am lehnt, endet die Friedenspflicht. Aus heu- „Denkmodellen“ die Rede. Diese waren 6. April 2023 und muss im Laufe der da- tiger Sicht würde der dbb dann eine Urab- aber weder verbindlich noch ausreichend. rauffolgenden Kalenderwoche beendet stimmung einleiten. Dabei werden die Im Nachgang die eigenen Gedankenspiele sein. Während der Schlichtung herrscht Mitglieder gefragt, ob sie bereit sind, für zu Angeboten aufzuhübschen, dient also Friedenspflicht. Der Ort der Schlichtung ein besseres Angebot in einen unbefriste- vor allem der Selbstrechtfertigung. bleibt möglichst geheim, um ein ruhiges ten Streik zu treten. Auf Grund einer massiven Erhöhung Verhandeln zu garantieren. Dazu gehört der Lebenshaltungskosten hatten die auch, dass während der Schlichtung kei- Wie schätzt der dbb die Situation ein? Gewerkschaften 10,5 Prozent, mindestens nerlei Informationen über Sachstände 500 Euro, gefordert. „Nimmt man die Leis- nach außen dringen, um ein mögliches dbb Tarifchef Volker Geyer, der die dbb tungen und Belastungen der Beschäftig- Ergebnis nicht zu gefährden. Bei diesem Delegation in der Schlichtung anfüh- ten zur Grundlage, war und ist dies eine Ergebnis handelt es sich nicht um einen ren wird, sieht die Schlichtung durchaus absolut vernünftige Forderung“, erläu- bindenden Abschluss, sondern um eine als Chance, „allerdings nur, wenn dort tert dbb Tarifchef Volker Geyer, „aber die Empfehlung der Schlichter. nicht Beton angerührt wird. Schlichtun- Arbeitgeber haben sich auch in der zähen gen im öffentlichen Dienst hat es immer dritten Verhandlungsrunde nicht bewegt Wer nimmt an einer Schlichtung teil? wieder gegeben, sie stellen eine Chance beziehungsweise für einige Bereiche des dar, verfahrene Situationen aufzulösen.“ öffentlichen Dienstes sogar Gegenforde- Es gibt zwei Schlichter. Gewerkschaften Die letzte Schlichtung für den gesamten rungen aufrechterhalten, die zum Beispiel und Arbeitgeber benennen jeweils einen TVöD-Bereich fand im Februar 2010 statt. die Funktionsfähigkeit von Krankenhäu- Schlichter. Auf Gewerkschaftsseite ist dies Danach gab es im Juni 2015 noch eine sern ernsthaft in Frage stellen. Deshalb aktuell Henning Lühr, ehemaliger Staats- Schlichtung im Zusammenhang mit SuE- haben die Gewerkschaften die Verhand- rat in Bremen. Die Arbeitgeber haben den Verhandlungen. Geyer weiter: „Die beiden lungen für gescheitert erklärt.“ Mittler- ehemaligen sächsischen Ministerpräsi- wesentlichen Fragen müssen beantwortet weile haben Bund und VKA die „Schlich- denten Georg Milbradt benannt. Diese werden: Wie wird der effektive Ausgleich tung angerufen“. Was bedeutet das im beiden komplettieren die Schlichtungs- der inflationsbedingten Belastungen der Detail? kommission, in die Gewerkschaften und Beschäftigten sichergestellt und wie wird Arbeitgeber jeweils zwölf Teilnehmende die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Was ist eine Schlichtung? entsenden. In § 7 der Schlichtungsver- Dienstes gewährleistet und mit qualifi- einbarung heißt es: „Die Schlichtungs- ziertem Personal organisiert?“ Zwischen Tarifvertragsparteien stellt die kommission hat ihre Beratungen mit Schlichtung den Versuch dar, tarifliche Streitigkeiten unter Beteili- gung unabhängiger Dritter – der Schlichter – zu lösen. Die Tarifpartner können sich spontan zu einer Schlich- tung verabreden. Im Bereich des TVöD ist es jedoch so, dass zwischen Bund, Kom- munen, dbb und ver.di eine Seite 4 · tacheles · 4 · April 2023
Flughafen Hamburg Deutliche Verbesserungen für die BVD-Beschäftigten Tarifthemen Der dbb hat am 6. März 2023 deutliche chen Feiertagen ohne Freizeitausgleich Entgelterhöhungen und weitere Verbes- 125 Prozent, für Nachtarbeit 40 Prozent serungen für die Beschäftigten bei den in der Zeit von 0 Uhr bis 4 Uhr (Nacht- Bodenverkehrsdiensten am Flughafen arbeit beginnt um 21 Uhr) Hamburg erreicht. dbb Verhandlungsfüh- - Jubiläumszuwendung nach Vollendung rer Michael Adomat erklärte: „Wir haben einer Beschäftigungszeit von zehn Jah- uns heute auf deutliche lineare Entgeltzu- ren 500 Euro, nach 25 Jahren 1.000 Euro wächse für die BVD-Beschäftigten geei- und nach 40 Jahren 2.000 Euro; Teil- nigt. Bei den aktuellen drastischen Preis- zeitbeschäftigte erhalten dies anteilig - bei Beschäftigten mit Besitzstand wer- steigerungen bringt das eine enorme - Urlaub: 26 Arbeitstage (bezogen auf den von der Tabellenerhöhung maxi- Entlastung. Die Erhöhungen bei den Zeit- 5-Tage-Woche); nach ununterbroche- mal 125 Euro angerechnet zuschlägen sind eine Anerkennung dafür, ner Beschäftigungszeit von fünf Jah- - Erhöhung tätigkeitsbezogener Zuschlag dass die Kolleginnen und Kollegen immer ren: 28 Arbeitstage; nach ununterbro- für Beschäftigte der VG 3 für die Tätig- mit hohem Engagement arbeiten – regel- chener Beschäftigungszeit von zehn keit als Busfahrer auf 1,50 Euro / Stunde mäßig auch zu ungünstigen Zeiten.“ Jahren: 30 Arbeitstage - Laufzeit: zwölf Monate (bis 31. Dezem- - die tätigkeitsbezogenen Zuschläge ber 2023) Verhandlungsergebnis Gepäckabfertigung und Flugzeugab- fertigung in Vergütungsgruppe (VG) Weitere Absicherung Die Tarifvertragsparteien haben sich auf 2 und VG 3 sowie der tätigkeitsbezo- folgende Punkte geeinigt: gene Zuschlag Oberlader in VG 4 wer- Neben den genannten Punkten wurde ver- - Erhöhung der Grundvergütung für alle den in die Grundvergütung integriert einbart, dass der Arbeitgeber für die Dauer Vergütungsgruppen rückwirkend ab und dafür werden neue VG gebildet der Laufzeit auch zukünftig Weiterbil- 1. Januar 2023 um 451 Euro monatlich - Einführung einer neuen VG E für Tätig- dungsmodule für Berufskraftfahrer finan- - Zeitzuschläge rückwirkend ab 1. Januar keiten ohne Führerschein und ohne ziert. Die dbb Verhandlungskommission 2023 wie folgt: für Arbeit an Sonnta- GSE-Abnahmen (nur für neue Beschäf- war sich einig, dass damit ein gutes Ergeb- gen 50 Prozent, für Arbeit an gesetzli- tigte) nis in schwieriger Zeit erreicht wurde. Landesverwaltung Brandenburg Tarifvertrag perspektivisch weiterentwickeln TV Umbau II erneut verlängert Die Verlängerung ist ein wichtiger Schritt. Der zweite Tarifvertrag über Maßnahmen den tarifvertraglichen Regelungen. Der Trotzdem muss der Tarifvertrag perspek- zur Begleitung des Umbaus der Landes- TV Umbau II regelt unter anderem auch tivisch weiterentwickelt werden. Denn verwaltung Brandenburg (TV Umbau II), die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnah- nur mit zukunftsfähigen und langfristi- der für die Beschäftigten der Branden- men, um die Kolleginnen und Kollegen gen strukturellen Maßnahmen wird die burger Landesverwaltung gilt, wäre zum auf neue Tätigkeitsbereiche oder Arbeits- Brandenburger Landesverwaltung es 31. Dezember 2022 ausgelaufen. Der dbb methoden vorzubereiten. Betriebsbe- erreichen, eine attraktive und moderne konnte nun erreichen, dass der TV Umbau dingte Kündigungen sind durch den Tarif- Arbeitgeberin zu sein. Dafür wird sich der II bis zum 30. Juni 2025 verlängert wird. vertrag ausgeschlossen. dbb auch in Zukunft einsetzen. Das gibt den Kolleginnen und Kollegen Sicherheit. Regelungen bis zum Jahr 2025 verlängert Begleitung der Umbaumaßnahmen in der Landesverwaltung Coronabedingt konnten in den Jahren 2020 und 2021 keine Tarifverhandlun- Bereits seit dem Jahr 2009 begleitet der gen stattfinden, so dass man sich damals Tarifvertrag Umbaumaßnahmen inner- darauf verständigte, den Tarifvertrag bis halb der Landesverwaltung Brandenburg. Ende des Jahres 2022 zu verlängern. Da Beschäftigte, die hierbei von einschnei- eine Nachwirkung laut Vertrag ausge- denden Maßnahmen, wie beispielsweise schlossen ist, war es umso wichtiger, den Umstrukturierungen oder Verlegung von Tarifvertrag über das Jahr 2022 hinaus zu Dienststellen, Veränderungen der Dienst- verlängern. Das ist nun mit einer Lauf- stellenorganisation oder Verlagerung von zeit des TV Umbau II bis Ende Juni 2025 Aufgaben, betroffen sind, profitieren von gelungen. tacheles · 4 · April 2023 · Seite 5
Luftsicherheit Warnstreik für höhere Zuschläge Tarifthemen In den vergangenen Wochen hat der dbb vertrag für Sicherheitskräfte an Ver- zahlreiche Warnstreiks an Verkehrsflug- kehrsflughäfen. Aktuell wird über drin- häfen durchgeführt. Einerseits wurde an gend notwendige Verbesserungen bei den Flughäfen für die Entgelterhöhungen den Zeitzuschlägen verhandelt. Die Kol- im TVöD-Bereich demonstriert, die auch leginnen und Kollegen arbeiten durchge- für viele Beschäftigte an den Flughäfen hend in Schichtsystemen und sehr häufig greifen. Hierüber berichten wir an ande- zu ungünstigen Zeiten. Das muss endlich rer Stelle in diesem Heft. Daneben wur- angemessen honoriert werden. den jedoch auch im Bereich Luftsicherheit Die Arbeitgeberseite hatte trotz zahlrei- Warnstreiks durchgeführt. cher Verhandlungsrunden in den letz- ten Monaten auch zur letzten Verhand- dbb am 17. Februar 2023 und am 27. März Zähe Verhandlungen lungsrunde am 15. Dezember 2022 kein 2023 die Beschäftigten in der Luftsicher- Angebot vorgelegt. Deshalb haben die heit zu Warnstreiks aufgerufen. Der dbb verhandelt – mit pandemiebe- Kolleginnen und Kollegen vor Ort der dingten Unterbrechungen – bereits seit Arbeitgeberseite mit Warnstreikaktio- dbb erwartet Bewegung rund drei Jahren mit dem Bundesver- nen gezeigt, dass sie sich diese Verweige- band der Luftsicherheitsunternehmen rungshaltung nicht länger bieten lassen. Volker Geyer, dbb Fachvorstand Tarifpo- über Verbesserungen im Manteltarif- Am Flughafen Frankfurt / Main hat der litik und Verhandlungsführer im Bereich Luftsicherheit, erklärte vor den Demons- trierenden am 17. Februar 2023 am Frank- furter Airport: „Neben dem Konflikt mit Bund und Kommunen sind heute auch die Kolleginnen und Kollegen der Luftsicher- heit im Warnstreik. Seit Anfang 2020 ver- handeln wir hier über Zeitzuschläge, aber die Arbeitgebenden mauern. Die Beschäf- tigten arbeiten regelmäßig zu ungüns- tigen Zeiten. Ob Nachtarbeit, Arbeit an Feiertagen oder Mehrarbeit: Die hohe Flexibilität der Kolleginnen und Kollegen muss in Zukunft besser bezahlt werden.“ Inzwischen hat die Arbeitgeberseite schriftlich ein neues Angebot übersandt, über das am 11./12. April 2023 verhandelt werden soll. Über das Ergebnis der Ver- handlungen werden wir berichten. SAG Flughafen Stuttgart aber doch echte Fortschritte erzielt. Die Arbeitgeber haben ein deutlich verbesser- Tarifverhandlungen kurz vor dem Ziel tes Angebot vorgelegt, welches den erho- benen Forderungen in wesentlichen Berei- Wie bereits berichtet, verhandelt der dbb zeit von zwölf Monaten. Ferner wurden chen Rechnung trägt. Das Engagement seit Januar 2023 bei der Stuttgart Airport unter anderem weitere Verbesserungen und der Mut der Beschäftigten, für ihre Ground Handling GmbH für seine Mit- im Bereich der Zuschläge sowie eine Ver- Forderungen einzustehen, hat sich somit gliedsgewerkschaft komba über einen kleinerung der aktuellen Schwankungs- ausgezahlt. neuen Haustarifvertrag und Entgelterhö- breite des Arbeitszeitkontos eingefordert. hungen. Einzelfragen noch offen Erfolgreicher Warnstreik und Ursprüngliche Forderungen der verbessertes Angebot Auch wenn eine abschließende Einigung dbb Kommission noch aussteht und eine Reihe von Einzel- Nachdem die ersten beiden Verhand- fragen noch nicht geeint sind, ist in zen- Die ursprüngliche Forderung der Verhand- lungsrunden im Januar und Februar 2023 tralen Punkten bereits eine Übereinstim- lungskommission beinhaltete als zentra- ausgesprochen ernüchternd verliefen, tra- mung erzielt und damit der Boden für len Punkt eine Anhebung der tariflichen ten die Beschäftigten im März erstmals in einen zeitnahen Abschluss bereitet wor- Entgelte zum 1. Januar 2023 um 15 Prozent, einen Warnstreik. In der dritten Verhand- den. Die Tarifverhandlungen werden zeit- mindestens aber 450 Euro, bei einer Lauf- lungsrunde am 29. März 2023 wurden nun nah im April fortgesetzt. Seite 6 · tacheles · 4 · April 2023
Kommunaler Nahverkehr Bayern Zweite und dritte Verhandlungsrunde verstreichen ergebnislos Tarifthemen Der dbb und die Arbeitgeberseite im Die Verhandlungskommission lehnte das Bereich des kommunalen Nahverkehrs in Angebot ab. Insbesondere die viel zu lange Bayern diskutierten in ihrem dritten Ver- Laufzeit von 36 Monaten passt nicht in die handlungstermin am 30. März 2023 ver- Zeit. Außerdem ist das Volumen, insbe- schiedene „Denkmodelle“, kamen aber sondere für das Jahr 2023, viel zu gering zu keiner Einigung. Die Vorstellungen von und nicht tabellenwirksam. Die Kollegin- Arbeitgeberseite und dbb liegen derzeit zu nen und Kollegen zeigten sich enttäuscht weit auseinander. und werden weiterhin mobilisieren, um unseren Forderungen Nachdruck zu ver- Fokus, doch setzt das Volumen der TVöD- Arbeitgeberangebot leihen. Ergebnisse Maßstäbe für die kommunalen Arbeitgeberverbände bundesweit. Die Arbeitgebenden legten folgendes Trendwende? Angebot vor: Weiteres Vorgehen - ab 1. Januar 2023 bis 31. März 2024 je Im zweiten Verhandlungstermin am 150 Euro monatlich als Inflationsaus- 9. März 2023 einigten sich die Parteien Die Verhandlungsatmosphäre gestaltete gleichsprämie darauf, sich zukünftig weniger an den sich konstruktiv und die Arbeitgeberseite - ab 1. April 2024 bis 31. März 2025: Ent- TVöD-Ergebnissen zu orientieren, um auf versicherte, verstanden zu haben, dass gelterhöhung um 8 Prozent, mindes- die Bedürfnisse der Nahverkehrsunterneh- unsere Kolleginnen und Kollegen eine tens 300 Euro men in Bayern besser eingehen zu kön- spürbare und dauerhafte finanzielle Ent- - ab 1. April 2025: Erhöhung um 3 Prozent, nen. Diese Abkopplung begrüßte der dbb. lastung brauchen. Die Verhandlungen wur- mindestens 150 Euro Nun ist das Scheitern der Verhandlungen den nun unterbrochen und ein neuer Ver- - Laufzeit 1. Januar 2023 bis 31. Dezember in Potsdam doch schwierig zu ignorie- handlungstermin vereinbart. Dieser findet 2025 ren. Eine Abkopplung steht weiterhin im am 28. April 2023 in Nürnberg statt. NVG Würzburg Zeit. Die Geschäftsführung plant, den Konflikt bis in den Mai hinein aussitzen Blockade der Arbeitgeber provoziert zu können, bevor man sich das erste Mal konstruktiv mit den Forderungen der dbb Warnstreiks Mitglieder auseinandersetzt. Das wird die Spannungen im Unternehmen nur weiter An einem Warnstreiktag am 28. März 2023 sollte, hat die Arbeitgeberseite verstrei- anheizen. sind die Kolleginnen und Kollegen bei der chen lassen. So hätte die NVG zeigen kön- NVG in Würzburg bereits auf die Straße nen, dass sie es ernst meint und nicht nur Bedauerliche Entwicklung gegangen, um die Geschäftsführung von mit Lippenbekenntnissen arbeitet. ihrer Blockadehaltung abzubringen. Einen Diese Blockadehaltung der Geschäftsfüh- zweiten Warnstreik planen sie für den Zeitspiel rung gefährdet eine Lösung am Verhand- 4. April 2023. lungstisch und wird die Fronten verhärten. Statt vereinbarte Verhandlungstermine Die NVG entzieht sich dem Dialog mit uns Hintergrund einzuhalten oder ein erstes konkretes über faire Arbeitsbedingungen. Das kön- Angebot zur Befriedung des Konflikts vor- nen und werden dbb und NahVG so nicht Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen und zulegen, spielt die Arbeitgeberseite auf stehen lassen. Kollegen bei der Konzernmutter WSB ver- dienen sie deutlich schlechter. Der Gehalts- unterschied beträgt bis zu 600 Euro. Denn für sie gilt der Tarifvertrag des privaten Omnibusgewerbes (LBO) und nicht die Tarifvertragswelt des öffentlichen Diens- tes. Die Beschäftigten haben sich gewerk- schaftlich über die NahVG im dbb orga- nisiert, um die Zwei-Klassen-Gesellschaft zu beenden. Eine Frist für einen Vorschalt- tarifvertrag, welcher den eingeschlage- nen Weg der Angleichung an den Mutter- konzern kurzfristig rechtssicher absichern tacheles · 4 · April 2023 · Seite 7
Interview mit Lars U. Jedinat, GDL Betriebsverfassungsrecht Betriebsratsarbeit und gerechte Entlohnung tacheles sprach mit Lars U. Jedinat, stell- len gemeinsam mit diesen das Beste für vertretender Bundesvorsitzender der Mitarbeiter, Unternehmen und die Gesell- Gewerkschaft Deutscher Lokomotivfüh- schaft erreichen. rer (GDL) und zuständig in seiner Gewerk- schaft für den Bereich Mitbestimmung, tacheles: Welche Erwartungen hat die über aktuelle Herausforderungen in der GDL konkret an die Arbeitgeber, wenn es Betriebsrats- und Tarifarbeit. darum geht, die schwierige wirtschaftli- ser Arbeitgeber lässt doch nichts unver- che Lage und – ganz konkret – die Perso- sucht, die GDL in seinen Betrieben mund- tacheles: Die gesamtgesellschaftliche nalsituation zu meistern? tot zu machen. Dafür benutzt er, aus Situation ist angespannt – ökonomisch, unserer Sicht tendenziös und widerrecht- ökologisch, politisch. Wie beeinflusst das Jedinat: Neben der klassischen tariflichen lich, allzu gerne das Tarifeinheitsgesetz die Tarif- und Betriebsratsarbeit der GDL? Entgelterhöhung, die in der Tarifrunde (TEG), um damit die Belegschaft gegen- 2023 sicherlich eine herausgehobene Stel- einander in Stellung zu bringen. Doch Jedinat: Wie in anderen Teilen des öffent- lung einnehmen wird, ist es zudem auch an gerade jetzt müssten die Zeichen für die lichen Dienstes ist auch im Bereich der den Arbeitgebern, die allgemeine berufli- Beschäftigten im Eisenbahnsektor beson- privatisierten Bereiche, folglich auch im che Situation zu verbessern. Gerade in den ders gut stehen, denn die Gesellschaft Eisenbahnbereich, die Gewinnung und – jüngeren Generationen ist nicht nur das und die Politik sind, wie bereits erwähnt, oftmals vergessen – auch das Halten von Verhältnis Entgelt und Arbeitszeit maßge- für die Verkehrswende. Der Personalbe- Nachwuchskräften eine der drängendsten bend für einen Arbeitgeber, sondern auch darf ist hoch, da wir in den nächsten Jah- Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft. die anderen – weichen beziehungsweise ren hohe altersbedingte Abgänge haben Wir sehen bereits jetzt, dass die Unterneh- sozialen – Rahmenbedingungen, wie bei- und zudem mit anderen Wirtschaftszwei- men nicht mehr in der Lage sind, alle Zug- spielsweise die Verlässlichkeit der Dienst- gen in starker Konkurrenz stehen. All das verbindungen aufrecht zu halten, weil an planungen, Freizeitplanung und auch die werden wir natürlich mit in die Verhand- allen Ecken und Enden Personal fehlt. Auf- Gestaltung von Arbeitszeitverteilung. Als lungen nehmen und auch in Gesprächen grund des Klimawandels strebt die Poli- GDL haben wir bereits einige Bestandteile mit der Politik immer wieder anführen. tik völlig zurecht das Vorantreiben der Ver- davon in unseren Tarifverträgen veran- Darüber hinaus ist natürlich zu erwarten, kehrswende an. Dies kann aber nur dann kert, als ein Modell, welches von anderen dass der deutsche Bahn-Konzern die wirt- gelingen, wenn entsprechendes Perso- gerne abgeguckt wird: Wahlmodell oder schaftliche Krise dazu nutzen wird, sich auf nal an Bord ist. Dies war auch der einhel- auch verlässliche Dienstplanung, in die nur Kosten der Arbeitnehmer zu restaurieren. lige Tenor unserer Betriebsrätefachkonfe- mit individueller Zustimmung des betref- Aber nicht mit uns: Wer in der Chefetage renz mit 320 Teilnehmern, die genau dieses fenden Arbeitnehmers eingegriffen wer- die Gehälter erhöhen kann, wie unlängst wichtige Thema behandelte. Daher ist es den kann. Zudem ist es auch wichtig, die geschehen – der kann und muss das auch unsere Aufgabe als GDL-Betriebsräte und Qualifizierung insbesondere im Bereich für alle anderen tun. Dabei ist der „rote als Tarifpartner darauf hinzuwirken, dass der Erwachsenenqualifizierung mit tarif- Riese“ nur einer unserer 63 Tarif- und Sozi- der Beruf der Eisenbahner auch künftig lichen Mindestqualifizierungsnormen alpartner, die allesamt, beginnend ab Juli lohnend und lebenswert ist. Dabei spielt und der regelmäßigen Fortbildung dau- 2023, außerhalb der Friedenspflicht sind. die Einheit zwischen Tarif- und Betriebs- erhaft abzusichern, denn Qualifizierung Klar ist: Die GDL wird ihre Verantwortung partei eine sehr wichtige Rolle – sind und Entgelt hängen bekanntlich untrenn- für die Eisenbahner in den direkten Berei- doch die Betriebsräte in der Zeit der Frie- bar zusammen. Unsere GDL-Jugend hat chen auch in dieser Tarifrunde gesamthaft denspflicht nicht nur die „Aushängeschil- beispielsweise die Idee, auch die konkrete und erfolgreich wahrnehmen. der“ der Gewerkschaften im Betrieb. Sie Festschreibung von Ausbildungszahlen sind außerdem diejenigen, die über das tarifvertraglich zu verankern – eine sicher- tacheles: Wie bewerten Sie die aktuelle Betriebsverfassungsgesetz die Einhaltung lich lohnende Überlegung. Tarifrunde im öffentlichen Dienst mit der vereinbarten Tarifverträge überwa- Bund und Kommunen? chen und, sofern nötig, juristisch durch- tacheles: Im Oktober dieses Jahr beginnt setzen. die nächste Tarifrunde mit der Deutschen Jedinat: Die aktuelle Tarifrunde ist Somit heißt für die GDL Tarif- und Betriebs- Bahn. Welche Rückschlüsse zieht die GDL gescheitert und jetzt gilt es, die Schlich- ratsarbeit nicht nur die stetige Verbesse- aus der wirtschaftlichen Krise für die tung abzuwarten. Zuletzt fand 2010 nach rung der Arbeitsbedingungen, sondern anstehenden Verhandlungen? der gescheiterten TVöD-Tarifrunde eine auch ein Erhalt des Erreichten zum Wohle Schlichtung statt. Eine Schlichtung bie- der Eisenbahnerinnen und Eisenbah- Jedinat: Es werden keine einfachen Ver- tet immer die Chance, die festgefahrenen ner. Da stehen wir als GDL den Tarif- und handlungen, aber das waren sie mit der Verhandlungspositionen aufzuweichen, Betriebspartnern gerne als kompetenter Deutschen Bahn noch nie – das haben die birgt nach unserer Erfahrung aber auch Ansprechpartner zur Verfügung und wol- letzten Tarifrunden deutlich gezeigt. Die- Risiken, da man nicht mehr alleiniger Herr Seite 8 · tacheles · 4 · April 2023
des Geschehens ist. Es bleibt daher abzu- GDL bei der DB AG, dass man aufgrund der dass die Umsetzung in einem vollkonti- Betriebsverfassungsrecht warten, zu welchem Ergebnis die Schlich- Eigentümerstruktur eine inhaltliche Nähe nuierlichen Schichtbetrieb wie der Eisen- tung kommen wird. Aber auch hier sieht zum TVöD nicht einfach wegwischen kann. bahn uns an die Grenzen der Umsetzung in man wieder ganz deutlich: Der Arbeitge- der täglichen Mitbestimmung bringt. Wir ber hat offenkundig die Zeichen der Zeit tacheles: Auf welche Herausforderungen werden mit den Gewerkschaften inner- nicht erkannt. Gerade nach der Pandemie, im Bereich Mitbestimmung beziehungs- halb des dbb beamtenbund und tarifunion, wo der öffentliche Dienst und mit ihm die weise Betriebsverfassungsrecht müssen die im Bereich des BetrVG aktiv sind, den privatisierten Bereiche, die gesamthaft als sich die Gewerkschaften in der nächsten Prozess proaktiv gestalten und nicht erst systemrelevant eingeordnet wurden, die Zeit einstellen? auf Entwürfe des Gesetzgebers warten. Fahnen hoch und den gesellschaftlichen Hier sehen wir auch eine Chance für den Betrieb am Laufen gehalten hat, zeigt der Jedinat: Wir müssen uns, nachdem das dbb, sich noch besser zu etablieren. Da- Arbeitgeber mangelnde Wertschätzung. Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) im rüber hinaus ist natürlich die Zusammen- Von Klatschen allein lässt sich das Leben, letzten Jahr 70 Jahre alt geworden ist und arbeit der einzelnen Säulen der betrieb- insbesondere in Zeiten einer galoppieren- wir auf 50 Jahre Novellierung zurückbli- lichen Interessenvertretung unerlässlich. den Inflation, aber nicht bezahlen. Wenn cken, natürlich immer wieder fragen, was Unabhängig ob Aufsichtsräte, JAV- oder wir wollen, dass in Zukunft der öffentliche man besser machen kann. Die Arbeitswelt SBV-Mitglieder und Betriebsräte – nur im Dienst handlungsfähig bleibt, braucht es ändert sich und damit auch die Anforde- gemeinsamen Miteinander können wir jetzt echte Wertschätzung. Zudem zeigt rungen an unsere Interessenvertreter. erfolgreich für die Interessen unserer Mit- ein Blick auf den letzten Tarifabschluss der Schon heute müssen wir doch feststellen, glieder einstehen. Sozialwahlen 2023 Der dbb stellt sich zur Wahl Die Sozialwahl ist nach der Bun- Friedenswahl für die kommenden sechs wissen um die Bedürfnisse der Beschäf- destagswahl und der Europawahl Jahre wahrnehmen werden. Bei anderen tigten. Kandidatinnen und Kandidaten, die drittgrößte öffentliche Wahl in Selbstverwaltungsträgern werden die Ver- die sich bereits im Ruhestand befinden, Deutschland. Sie gibt den Versicher- sicherten sowie Rentnerinnen und Rent- stehen ebenfalls auf der Liste. ten der Renten-, Kranken- und Unfall- ner aufgefordert, ihre Kandidatinnen und versicherung die Möglichkeit, über die Kandidaten per Listenwahl zu wählen. Das Selbstverwaltung stärken Besetzung der Selbstverwaltungen gilt auch für den größten Sozialversiche- mitzubestimmen. Die Selbstverwal- rungsträger, die Deutsche Rentenversiche- Der dbb setzt sich für die Stärkung der tungen – bei den Krankenkassen die rung (DRV) Bund, bei der der dbb mit einer Selbstverwaltung ein, ganz nach dem Verwaltungsräte, bei den Renten- und eigenen Liste (9) antritt. Die DRV Bund Motto: Wer Beiträge einzahlt oder ein- Unfallversicherungsträgern die Ver- hat bereits Informationsbriefe über die zu gezahlt hat, soll in eigener Sache mitbe- treterversammlungen – bestimmen wählenden Listen verschickt. In den nächs- stimmen. Wir setzen uns dafür ein, dass eigenverantwortlich über autonome ten Tagen erhalten die Wahlberechtigten die Rente auch in Zukunft ein sicheres Leistungen wie Rehabilitations- oder ihre Wahlunterlagen von der Rentenver- und auskömmliches Leben ermöglicht. Präventionsmaßnahmen. Sie wählen sicherung. Dazu zählt auch, eine weitere Absenkung den Vorstand und beschließen den Die Kandidatinnen und Kandidaten, die des Rentenniveaus zu verhindern. Der Haushalt. Bei den Krankenkassen legt sich für den dbb um ein Ehrenamt in der dbb unterstützt eine alters- und alterns- der Verwaltungsrat zudem die Höhe Vertreterversammlung der Rentenversi- gerechte Arbeitswelt, in der Arbeits- und eines Zusatzbeitrags fest. cherung bewerben, kommen aus den Mit- Gesundheitsschutz sowie lebenslanges gliedsgewerkschaften des dbb. Sie bringen Lernen großgeschrieben werden. Auch Wahl bei der DRV Bund – Verständnis aus dem Berufsalltag mit und setzt sich der dbb für eine generationen- Liste 9 wählen gerechte Beitragserhebung ein, damit junge Beitragszahlende nicht durch die Der dbb und seine Mitgliedsgewerk- Beitragshöhe überfordert werden. Men- schaften engagieren sich im Interesse schen sind so verschieden wie die Berufe, der Versicherten, Rentnerinnen und die sie ausüben. Der dbb setzt sich daher Rentner in zahlreichen Selbstverwal- für einen gleitenden und flexiblen Über- tungen. Im Vorfeld der Sozialwahlen gang in den Ruhestand ein. Das bedeu- haben der dbb und seine Mitglieds- tet auch, dass es keine weitere Anhebung gewerkschaften Kandidatinnen und der Regelaltersgrenze geben darf. Kandidaten benannt, die die Inter- Entscheiden Sie mit, wer Ihre Interessen essen der Versicherten und Rentne- in den kommenden sechs Jahren vertre- rinnen und Rentner bei den Selbst- Spitzenkandidaten bei der DRV Bund: Michaela ten wird. Wählen Sie die Kandidatinnen Mandal, gkl berlin, und Ulrich Silberbach, dbb verwaltungsträgern aufgrund einer Bundesvorsitzender und Kandidaten der dbb Liste. tacheles · 4 · April 2023 · Seite 9
Bundesweite Aktionen dbb Mitgliedsgewerkschaften EKR Aktionen erhöhen den Druck Auch zwischen der zweiten und dritten dbb bundesweit demonstriert und Warn- Die Kolleginnen und Kollegen haben flä- Verhandlungsrunde in der Einkommens- streiks durchgeführt. Ob in der Verwal- chendeckend gezeigt, was sie von dem runde 2023 mit Bund und Kommunen tung von Bund und Kommunen, den Kran- unzureichenden Angebot halten, das die haben die Mitgliedsgewerkschaften des kenhäusern, den Kitas oder im Verkehr: Arbeitgeberseite vorgelegt hat. 2. März, Berlin 2. März, Kiel 2. März, Kiel Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Julia Petersen Foto: Julia Petersen 2. März, Kiel 2. März, Mönchengladbach 7. März, Solingen Foto: komba gewerkschaft nrw Foto: Lukas Pompino Foto: Julia Petersen 8. März, Nürnberg 10. März, Düren 13. März, Stuttgart Foto: komba Kreisverband Düren Foto: Friedhelm Windmüller Foto: komba gewerkschaft 13. März, Stuttgart 16. März, Freiburg 16. März, Freiburg Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Kim Laubner Foto: Kim Laubner Seite 10 · tacheles · 4 · April 2023
22. März, Berlin 21. März, Koblenz 16. März, Freiburg 20. März, Hamburg 23. März, Gelsenkirchen Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Thomas Frey Foto: Kerstin Seipt Foto: Kim Laubner 17. März, Fulda 22. März, Berlin 22. März, Berlin 21. März, Dresden 23. März, Gelsenkirchen Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller 17. März, Fulda 22. März, Berlin 22. März, Berlin 21. März, Koblenz 23. März, Gelsenkirchen tacheles · 4 · April 2023 · Seite 11 Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Thomas Frey Foto: Friedhelm Windmüller EKR Aktionen
23. März, Gelsenkirchen 23. März, Gelsenkirchen 23. März, Gelsenkirchen EKR Aktionen Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller 23. März, Gelsenkirchen 23. März, Gelsenkirchen 23. März, Gera Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller Foto: René Löffler 23. März, Nürnberg 23. März, Nürnberg 23. März, Nürnberg Foto: Anestis Aslanidis Foto: Anestis Aslanidis Foto: Anestis Aslanidis 23. März, Saarbrücken 23. März, Saarbrücken 23. März, Saarbrücken Foto: Dirk Guldner Foto: Dirk Guldner Foto: Dirk Guldner 24. März, Berlin 27. März, Potsdam 27. März, Potsdam Foto: Friedhelm Windmüller Foto: Friedhelm Windmüller Foto: dbb Seite 12 · tacheles · 4 · April 2023
Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Gesetzliche Rentenversicherung | Kommentar Buchvorstellungen Begründet von Dr. Karl Hauck, fortgeführt von Prof. Dr. Wolfgang Noftz und herausgegeben von Prof. Dr. Dagmar Oppermann, Bandherausgeber Dr. Wolfgang Fichte, Richter am Bundessozialgericht a.D., Lose- blatt-Kommentar, inklusive Ergänzungslieferung 1 / 2023 (März 2023), 8.260 Seiten in fünf Ordnern, Erich Schmidt Verlag, 198 Euro, ISBN 978 3 503 02877 1 Der Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung führt sicher durch sämtliche Vorschrif- ten des SGB VI. Die ausführlichen Kommentierungen und Erläuterungen unterstützen bei der Anwen- dung des Rentenversicherungsrechts und erläutern seine Systematik sowie die sozial- und rechtspoliti- schen Entwicklungen. Mit der vorliegenden Ergänzungslieferung wird der Kommentar weiter aktualisiert. Sie enthält den voll- ständigen Austausch des Gesetzestextes, der aufgrund zahlreicher Gesetzesänderungen, zuletzt insbe- sondere durch das 8. SGB IV-Änderungsgesetz und das Bürgergeld-Gesetz im Dezember 2022, erforder- lich geworden ist. Gestaltung und Durchführung des BEM Von Bettina Schmidt, 267 Seiten, 3. Auflage 2023, Softcover, Verlag C. H. Beck, 59 Euro, ISBN 978 3 406 75343 5 Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist vom Gesetzgeber als ein Instrument der betrieb- lichen Rehabilitation eingeführt worden. Ein strukturiertes Verfahren kann neben der Klärung von mög- lichen Maßnahmen im Rahmen eines BEM-Verfahrens auch zur Verringerung der Arbeitsunfähigkeits- zeiten und den damit verbundenen betrieblichen und finanziellen Belastungen des Arbeitgebers führen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können über ein BEM-Verfahren nach einer Erkrankung auch frü- her wieder in das Arbeitsleben integriert werden. Hierbei kann auch eine finanzielle Unterstützung durch die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter erfolgen. Vorteile auf einen Blick: - Behandlung der rechtlichen Rahmenbedingungen eines BEM - Aufzeigen finanzieller Förderung - Muster von Ablaufplänen und Betriebsvereinbarungen - konkrete Praxishinweise - übersichtliche, verständliche Darstellung Die Neuauflage arbeitet die neueste Rechtsprechung ein und erläutert diese. Sie enthält außerdem über- arbeitete Muster und Formulare für eine rechtssichere BEM-Durchführung. Betriebsverfassungsrecht Kolleginnen und Kollegen mitzuteilen, die berechtigt sind. Was macht der Betriebsrat beim BEM? Sollte einem Kollegen oder einer Kolle- gin kein BEM angeboten werden, kann Wer aufgrund einer Erkrankung län- Stück oder in Summe wiederholt arbeits- der Betriebsrat aktiv werden und das gere Zeit oder zumindest häufig an unfähig erkrankt ist, ein BEM anzubie- Verfahren für die betroffene Person ein- seinem Arbeitsplatz ausfällt, kämpft ten. Laut § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch fordern. Nach der Rechtsprechung des oft mit viefältigen Problemen, wenn (SGB) IX sind die zuständigen Interes- Bundesarbeitsgericht (BAG) handelt es es zurück an die Arbeit geht. Das senvertretungen, also hier der Betriebs- sich bei § 167 Abs. 2 SGB IX um eine Rah- betriebliche Eingliederungsmanage- rat, an diesem Prozess zu beteiligen. Laut menvorschrift, die dem betrieblichen ment (BEM) soll hier die Rückkehr § 80 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsge- Gesundheitsschutz dient. an den Arbeitsplatz erleichtern. Aber setz (BetrVG) hat der Betriebsrat darüber Das bedeutet, dass die konkrete Aus- welche Rolle spielt der Betriebsrat zu wachen, dass alle Gesetze, die zuguns- gestaltung des Verfahrens in den dabei? Der Arbeitgeber ist gesetzlich ten der Arbeitnehmenden erlassen wur- Betrieben vor Ort geregelt wird. Diese verpflichtet, jeder Arbeitnehmerin den, wirklich umgesetzt werden. Das gilt innerbetriebliche Konkretisierung des und jedem Arbeitnehmer, der inner- auch für das BEM. Der Arbeitgeber ist ver- Verfahrens ist ebenfalls mitbestim- halb eines Jahres sechs Wochen am pflichtet, dem Betriebsrat die Namen aller mungspflichtig. tacheles · 4 · April 2023 · Seite 13
Rechtsprechung Nachtarbeitszuschläge – auf einen Tag Schichtfreizeit. Die Kläge- Die Entscheidung Differenzierung kann laut BAG rin erhielt gemäß dem Tarifvertrag für die von ihr geleistete regelmäßige Nacht- Das BAG setzte das Verfahren zunächst zulässig sein schichtarbeit Zuschläge in Höhe von 20 aus und hat dem Europäischen Gerichts- Werden bei regelmäßiger und unregelmä- Prozent sowie den Freizeitausgleich. Da hof (EuGH) ein Vorabentscheidungsersu- ßiger Nachtarbeit unterschiedlich hohe ihrer Ansicht nach die unterschiedliche chen vorgelegt. Es sollte geklärt werden, tarifliche Zuschläge gezahlt, verstößt Höhe der Nachtarbeitszuschläge gegen ob die streitgegenständliche Regelung im dies nicht gegen den allgemeinen Gleich- den allgemeinen Gleichheitssatz des Arti- Tarifvertrag mit der Charta der Grund- behandlungsgrundsatz gemäß Artikel 3 kel 3 Absatz 1 GG verstößt, reichte sie rechte der Europäischen Union vereinbar Absatz 1 Grundgesetz (GG). Vorausset- Klage ein. wäre, sollte die Regelung überhaupt der zung hierfür ist, dass ein sachlicher Grund Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein Durchführung von Unionsrecht unterfal- für die Ungleichbehandlung vorliegt, der sachlicher Grund für die Ungleichbe- len. Dies hat der EuGH verneint. Er machte sich aus dem Tarifvertrag ergibt (BAG, handlung unter dem Gesichtspunkt des in seinem Urteil deutlich, dass die Fest- Urteil vom 22. Februar 2023, Aktenzei- Arbeits- und Gesundheitsschutzes, auf setzung des Gehalts- und Lohnniveaus chen 10 AZR 332/20). den es allein ankomme, nicht besteht. der Vertragsautonomie der Sozialpart- Denn die gesundheitlichen Beeinträchti- ner auf nationaler Ebene und der Zustän- Der Fall gungen würden sich nicht erhöhen, wenn digkeit der Mitgliedsstaaten auf diesem jemand unregelmäßige Nachtarbeit Gebiet vorbehalten bleibt. Insoweit hatte Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem leiste. Zudem würde die Ungleichbehand- allein das BAG zu entscheiden und kam Getränkeunternehmen, beschäftigt. Dort lung auch nicht durch die Schichtfreizeit zu dem Ergebnis, dass die Regelungen im leistete sie Nachtarbeit im Rahmen eines beseitigt, da damit nicht die spezifischen MTV zu unterschiedlich hohen Zuschlä- Wechselschichtmodells. Auf das Arbeits- Nachteile der Nachtarbeit ausgeglichen gen für regelmäßige und unregelmäßige verhältnis findet der Manteltarifvertrag würden. Mit ihrer Klage beanspruchte die Nachtarbeit nicht gegen den Gleichheits- der Erfrischungsgetränke-Industrie Ber- Klägerin daher weitere Nachtarbeitszu- satz des Artikel 3 Absatz 1 GG versto- lin und Region Ost Anwendung (MTV). schläge in Höhe der Differenz zwischen ßen. Zwar sind Arbeitnehmende, die ver- Im Tarifvertrag ist geregelt, dass der dem Zuschlag für regelmäßige und unre- schiedene Arten von Nachtarbeit leisten, Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit 20 gelmäßige Nachtarbeit. Das Arbeits- miteinander vergleichbar und werden Prozent und für unregelmäßige Nacht- gericht hatte die Klage zunächst abge- auch ungleich behandelt, indem unter- arbeit 50 Prozent der Stundenvergütung wiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte schiedlich hohe Zuschläge gezahlt wer- beträgt. Darüber hinaus haben Arbeitneh- sodann der Klage teilweise stattgege- den. Jedoch liegt ein aus dem Tarifvertrag merinnen und Arbeitnehmer, die Dauer- ben. Mit der Revision wollte die Beklagte erkennbarer Grund für die Ungleichbe- nachtarbeit leisten oder in einem Drei- das klageabweisende Urteil des Arbeits- handlung vor, so das BAG. Denn den Tarif- Schicht-Wechsel eingesetzt werden, für gerichts in vollem Umfang wiederherge- vertragsparteien steht es gemäß Artikel je 20 geleistete Nachtschichten Anspruch stellt wissen. 9 Absatz 3 GG im Rahmen der Tarifau- Seite 14 · tacheles · 4 · April 2023
tonomie frei, mit einem Nachtarbeitszu- nehmer ein Grundentgelt von 3.500 Euro ist. Der Beklagten sei es nicht gelungen, schlag neben dem Schutz der Gesundheit angeboten, was dieser jedoch ablehnte. diese Vermutung zu widerlegen. Ins- weitere Zwecke zu verfolgen. Als sach- Er verlangte für die Zeit bis zum Einset- besondere konnte sie sich für den Zeit- Rechtsprechung licher Grund kann ebenso der Ausgleich zen einer zusätzlichen leistungsabhängi- raum von März bis Oktober 2017 nicht mit für die schlechtere Planbarkeit von spon- gen Vergütung, das heißt für die Zeit bis Erfolg darauf berufen, das höhere Grund- tanen Arbeitseinsätzen eine Ungleichbe- Ende Oktober 2018, ein höheres Grundent- entgelt des männlichen Kollegen beruhe handlung darstellen. Eine Angemessen- gelt in Höhe von 4.500 Euro. Die Beklagte nicht auf dem Geschlecht, sondern auf heitsprüfung im Hinblick auf die Höhe der gab dieser Forderung nach. Nachdem die dem Umstand, dass dieser ein höheres Differenz der Zuschläge erfolgt nicht, da Beklagte dem Arbeitnehmer in der Zeit von Entgelt ausgehandelt habe. Für den Monat es im Ermessen der Tarifvertragsparteien November 2017 bis Juni 2018 ein Grundent- Juli 2018 konnte sie die Vermutung der liegt, wie sie den Aspekt der schlechte- gelt in Höhe von 3.500 Euro gezahlt hatte, Entgeltbenachteiligung aufgrund des ren Planbarkeit für die Beschäftigten, die vereinbarte sie mit diesem ab Juli 2018 eine Geschlechts insbesondere auch nicht mit unregelmäßige Nachtarbeit leisten, finan- Erhöhung des Grundentgelts auf 4.000 der Begründung widerlegen, der Arbeit- ziell bewerten und ausgleichen. Euro und berief sich zur Begründung unter nehmer sei einer besser vergüteten ausge- anderem darauf, dass der Arbeitnehmer schiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt. Das Fazit einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Für den Zeitraum ab August 2018 ergibt Mitarbeiterin nachgefolgt sei. Ab August sich der höhere Entgeltanspruch der Klä- Die Entscheidung des BAG hat Signalwir- 2018 zahlte die Beklagte dem männlichen gerin bereits aus dem Tarifvertrag. Ent- kung für diverse anhängige Klagen in die- Arbeitnehmer ein tarifvertragliches Grund- gegen der Auffassung der Beklagten fand sem Bereich. Denn mit dem Urteil hat das entgelt nach derselben Entgeltgruppe wie der Haustarifvertrag auf die Klägerin keine BAG das weitere Vorgehen für die zu prü- der Klägerin, das sich in Anwendung des Anwendung, weil diese zuvor kein tarifli- fenden unterschiedlichen Tarifverträge Haustarifvertrags auf 4.120 Euro belief. ches, sondern ein einzelvertraglich verein- vorgegeben. Es ist nunmehr für jeden Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von bartes Entgelt erhalten hatte. Tarifvertrag separat zu klären, ob sich der Beklagten nunmehr die Zahlung rück- aus diesem ein sachlicher Grund für eine ständiger Vergütung für die Zeit von März Das Fazit unterschiedliche Behandlung der Beschäf- bis Oktober 2017 in Höhe von monatlich tigten bei den Nachtzuschlägen ergibt. 1.000 Euro, rückständige Vergütung für Das BAG hat mit seinem Urteil vom den Monat Juli 2017 in Höhe von 500 Euro 16. Februar 2023 die Entgeltgleichheit sowie rückständige Vergütung für die Zeit zwischen Männern und Frauen entschei- von August 2018 bis Juli 2019 in Höhe von dend gestärkt. Ihre Auswirkungen auf die Gleiches Geld für gleiche Arbeit monatlich 500 Euro. Sie vertrat die Auffas- Entgeltgleichheit sind erheblich. Arbeit- sung, die Beklagte müsse ihr ein ebenso gebende müssen nämlich künftig objek- Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast tive Gründe nennen, wenn sie einer Frau festgestellt, dass eine Arbeitnehmerin zeitgleich eingestellten männlichen Kol- weniger zahlen wollen als einem Mann in Anspruch auf gleiches Entgelt für glei- legen. Die Vorinstanzen haben die Klage gleicher Position. Hätte das BAG anders che Arbeit hat, wenn der Arbeitgebende abgewiesen. entschieden, hätte ein Verweis auf das männlichen Kollegen aufgrund des individuelle Verhandlungsgeschick aus- Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt Die Entscheidung gereicht, um das Abweichen vom Ent- (BAG, Urteil vom 16. Februar 2023, Akten- geltgleichheitsgebot zu begründen. Das zeichen 8 AZR 450/21). Die Revision der Klägerin hatte zum gro- BAG hat daher zu Recht klargestellt, dass ßen Teil Erfolg. Die Beklagte habe die Klä- der Hinweis des Arbeitgebenden auf die Der Fall gerin in der Zeit von März bis Oktober Vertragsfreiheit beziehungsweise auf 2017 sowie im Juli 2018 aufgrund ihres die Verhandlungsführung eines anderen Seit März 2017 ist die Klägerin bei der Geschlechts dadurch benachteiligt, dass Vertragspartners im Rahmen der gebo- Beklagten beschäftigt. Ihr einzelvertrag- sie ihr, obgleich die Klägerin und der männ- tenen Entgeltgleichheit eine sachwidrige lich vereinbartes Grundentgelt betrug liche Kollege gleiche Arbeit verrichteten, Ungleichbehandlung sei. Insofern kann anfangs 3.500 Euro. Ab August 2018 rich- ein niedrigeres Grundentgelt gezahlt hat man betroffenen Arbeitnehmenden nur tete sich ihre Vergütung nach einem Haus- als dem männlichen Kollegen. Die Kläge- raten, zunächst ihren Auskunftsanspruch tarifvertrag, der unter anderem die Einfüh- rin hatte deshalb nach Ansicht der Bun- nach dem EntgTranspG geltend zu machen rung eines neuen Eingruppierungssystems desrichter aus Erfurt einen Anspruch nach und – bei Feststellung einer ungleichen regelte. Die für die Tätigkeit der Klägerin Artikel 157 des Vertrags über die Arbeits- Bezahlung trotz gleicher Tätigkeit – glei- maßgebliche Entgeltgruppe des Hausta- weise der Europäischen Union (AEUV), ches Geld für gleiche Arbeit einzufordern. rifvertrags sah nun ein Grundentgelt in § 3 Absatz 1 und § 7 Entgelttransparenzge- Eine Ungleichbehandlung in der Bezah- Höhe von 4.140 Euro vor. In Anwendung setz (EntgTranspG) auf das gleiche Grund- lung von Männern und Frauen darf weiter der Bestimmung in dem Haustarifvertrag entgelt wie ihr männlicher Kollege. Der aus objektiven Kriterien erfolgen. Daher zahlte die Beklagte der Klägerin ab August Umstand, dass die Klägerin für die glei- ist es auch künftig nicht unmöglich, dass 2018 ein Grundentgelt in Höhe von 3.620 che Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt individuelle Gehaltsunterschiede recht- Euro, das in jährlichen Schritten weiter erhalten hat als ihr männlicher Kollege, mäßigerweise bestehen. Arbeitgebende angehoben werden sollte. Neben der Klä- begründete zudem die Vermutung nach müssen dann allerdings nachvollziehbar gerin waren zwei männliche Arbeitnehmer § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsge- begründen, dass sie aus solchen objekti- beschäftigt, einer davon seit Januar 2017. setz (AGG), dass die Benachteiligung der ven Gründen ein unterschiedliches Gehalt Die Beklagte hatte auch diesem Arbeit- Klägerin aufgrund des Geschlechts erfolgt zahlen. tacheles · 4 · April 2023 · Seite 15
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