40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
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3 | 2021 Nr. 2 2011 PHARMA-BRIEF SPEZIAL 1618-4580 ISSN 1618-4599 40 Jahre Pharmakritik Die Pharma-Kampagne 1981-2021 Pharma-Kampagne www.bukopharma.de Mitglied von Health Action International
Die BUKO Pharma-Kampagne Die Pharma-Kampagne ist eine Aktion der Bundeskoordination Internationalismus (BUKO), einem Dachverband, dem über 120 entwicklungspolitische Gruppen und Organisationen angehören. Seit 1981 ist die Pharma-Kampagne gegen ungesunde Geschäftspraktiken internationaler Pharmakonzerne aktiv. Sie setzt sich für den rationalen Gebrauch von Arzneimitteln und einen gerechten Arzneimittelzugang in Nord und Süd ein. Die Kampagne arbeitet mit Fachleuten, StudentInnen und Verbrauchergruppen zusammen. Durch die Mitarbeit bei Health Action International (HAI), dem People’s Health Movement und der International Society of Drug Bulletins (ISDB) ist die Pharma-Kampagne weltweit vernetzt. Weitere Informationen zu den Arbeitsschwerpunkten der Pharma-Kampagne auf S. 32. Impressum Herausgeber: BUKO Pharma-Kampagne/Gesundheit – global und gerecht e.V. August-Bebel-Str. 62, 33602 Bielefeld, Deutschland Fon +49-(0)521-60550, Telefax +49-(0)521-63789 e-mail: pharma-brief@bukopharma.de Homepage: www.bukopharma.de Verleger: Gesundheit – global und gerecht e.V. August-Bebel-Str. 62, 33602 Bielefeld, Deutschland Texte: Jörg Schaaber und Hedwig Diekwisch Redaktion: Claudia Jenkes, Jörg Schaaber Fotos Titel: Claudia Jenkes, Wilpunt /iStock, Solveig Bruchhof Design: Heinrich Dunstheimer, dunemaison, Bielefeld Layout: Jörg Schaaber Druck: Druckerei Kurt Eilbracht, Löhne © copyright BUKO Pharma-Kampagne 2021 Der Pharma-Brief ist Mitglied der Internationalen Gesellschaft der unabhängigen Arzneimittel zeitschriften.
Eine kleine Chronologie 40 Jahre BUKO Pharma-Kampagne Vor vierzig Jahren wurde die BUKO Pharma-Kampagne aus der Taufe gehoben. In diesen Jahren ist so einiges passiert, vieles hat die Kampagne angestoßen und politisch b ewegt. Die hier aufgeführte Chronologie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie gibt aber einen kleinen Einblick in zahlreiche Aktivitäten und Erfolge, die nur allzu leicht in Vergessenheit geraten. Oktober 1980 27.-29. Mai 1981 Auf ihrem jährlichen Treffen, dem 4. Bundes Foto: J. Schaaber kongress entwicklungspolitischer Aktions gruppen (BUKO) in Hamburg, beschließen die dort versammelten Dritte Welt Gruppen die Vorbereitung einer „Kampagne gegen die Praktiken der Pharmaindustrie in der Dritten Welt“. Januar 1981 Die Geschäftsstelle der BUKO Pharma- Kampagne wird im Dritte Welt Haus Bielefeld eingerichtet (heute Welthaus). Die Pharma-Kam pagne veranstaltet ge- Foto: J. Schaaber meinsam mit dem Internationalen Verbrau cherverband (IOCU) in Genf ein Seminar zur Pharmaproblematik. Gruppen aus 27 Ländern kommen. Es gibt soviel Übereinstimmung, dass die Gründung eines weltweiten Netzwerks für rationalen Medikamen tengebrauch beschlossen wird: Die Ge burtsstunde von Health Action International (HAI). HAI wird schon bald zum wichtigen Gegenspieler der Pharmaindustrie bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO). 1. Oktober 1981 Die BUKO Pharma-Kampagne wird auf dem Gesund heitstag in Hamburg vorgestellt. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) reagiert mit der Behauptung: „BUKO-Kampagne im Sin ne der Ostblock- April 1981 Strategie gegen Multis in der Dritten Welt“.1 Die erste Ausgabe des Pharma-Brief er- scheint, zunächst als Beilage zum Forum November 1981 entwicklungspolitischer Gruppen, der Mit Ein Informations heft „Gesundheit und gliederzeitschrift des BUKO. Arzneimittel in der Dritten Welt“ erscheint Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021 1
zunächst als Themenschwerpunkt in der ent schen Fragen“ und einer weiteren Broschüre wicklungspolitischen Zeitschrift Blätter des „Gesundheit und Entwicklungshilfe“ auf die iz3w. Die Kampagne gegen den Handel mit Pharma-Kampagne. Während die Faltblätter Blutplasma von armen Spen derInnen wird der Kritik ausweichen, nennt die von ei- vorgestellt. nem briti schen Industrieinstitut verfass- te Broschüre durchaus Fakten und steht im September 1982 Widerspruch zu Behauptungen des BPI. Der BPI reagiert auf die BUKO Broschüre mit einer eigenen Veröffentlichung: „Arzneimittel 8. März 1983 und Dritte Welt“. Diese suggeriert einen Erste große öffentliche Auseinandersetzung Zusammenhang zwischen Welt gewerk zwischen BUKO Pharma-Kampagne und schaftsbund, HAI und der BUKO Phar ma- Pharmaindustrie. Das Dialogprogramm Kampagne. In späteren Auflagen ist dieser der Evangelischen und Katholischen Kir Absatz getilgt. che lädt zu einem Studientag nach Bonn. Auf die Vorwürfe der Kampagne reagiert die 29. November - 4. Dezember 1982 Industrie mit Aussagen wie „eine weltweite Erste Aktionswoche: Die Pharmapro Harmonisierung der Zulassung von Arznei blematik wird der breiten Öffentlich mitteln [...] ist auf Grund der ethni schen keit vorgestellt, überregionale Zeitun Verschiedenheiten und der unterschiedlichen gen, Rundfunk und Fernsehen berich medizinischen Schulen nicht möglich.“ 4 Auch ten. Ein Schwerpunkt ist die Forderung: sei Bestechung in der Dritten Welt normal „Kein Geschäft mit Menschenblut“. Der und die Pharmaindustrie habe „die Sitten und Import von Blutplasma aus der Dritten Gebräuche der Entwicklungsländer zu respek- Welt und aus den Armuts zonen der tieren.“ 4 Dies löst bei den zahlreich vertrete USA soll gestoppt werden. Wären die nen EntwicklungsexpertInnen Empörung aus BUKO-Forderungen seinerzeit durch- und führt zu einem negativen Presseecho für gedrungen, wären viele Bluter kranke die Pharmaindustrie. nicht mit HIV infiziert worden. 28. Juni 1983 13. Januar 1983 Für die Pharma-Kampagne hält Barbara Kasel Der Schweizer Volks wirt und Mitstreiter auf der Bayer-Aktionärsversammlung einen der Pharma-Kampagne, Marcel Bühler, Redebeitrag. Sie kritisiert Doppelstandards veröffent licht das Buch Geschäfte mit der und unhaltbare Werbeversprechen. Z.B. beim Armut, eine umfangreiche Analyse und Schmerzmittel Dolviran®, das in Afrika noch Kritik des Geschäftsgebarens der deutschen das nieren schä digende Phenacetin enthält Pharmaindustrie in der Dritten Welt. oder das clioquinolhaltige Durchfallmittel Oletron®, das in Indonesien verkauft wird. Januar 1983 Beide Wirkstoffe werden von Bayer später Die Kampagne kriti siert Hoechst-Werbung zurückgezogen. für das Breit bandantibiotikum Claforan® (Cefotaxim): „Wie viele Antibiotika brauchen September 1983 Sie? Eins.“2 Hoechst sagt zu, die Werbung zu Auf einem Vorbe rei tungsseminar kommt überprüfen.3 die Idee auf, statt Flugblättern und Informa tionsständen einmal eine neue Aktionsform Februar 1983 auszuprobieren: Straßen theater. Eine eh- Der Bundesverband der Pharmazeutischen renamtliche SchauspielerInnengruppe fin- Industrie (BPI) reagiert mit zwei Faltblättern det sich zusammen und ein alter Bus wird „Pharmaindustrie und Dritte Welt“ und „Blut als Bühnenhintergrund und Transportmittel aus der Dritten Welt“ – „Antworten zu kriti- hergerichtet. 2 40 Jahre Pharmakritik
28.-29. Oktober 1983 Praziquantel verweist:5 Aufgrund dieser Pharmaindustrie und Kampagne treffen sich und weiterer Aktivitäten wird der Preis von zum zweiten Mal im Rahmen des Dialogpro Praziquantel halbiert. gramms, auf ausdrücklichen Wunsch der Industrie unter Ausschluss der Öffentlichkeit. 2.-12. Mai 1984 Der BUKO trägt seine Kritik ausführlich vor. Mit ihren 2. Aktions wochen „Stop für ge- Einziger Punkt, über den Einigkeit erzielt fährliche Pharmaexporte“ versucht die BUKO werden kann: In der Dritten Welt wird zu- Pharma-Kampagne, ein Exportverbot für in viel für Rüstung ausgegeben. Aber die BUKO Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel Aktion „Stoppt den Rüs tungsexport“ mag zu erreichen. Alle Bundes tagsabgeordneten die Industrie trotzdem nicht öffentlich un- Foto: J. Schaaber terstützen. Nach einem weiteren Treffen ohne konkret greifbare Ergebnisse werden die Gespräche zunächst abgebrochen. 3. Januar 1984 Grünenthal zieht nach Protesten der Pharma-Kampagne die Werbung für ihr Durchfallmittel Entero-sediv® zurück, nicht je- doch das Mittel selbst. Es enthält u.a. das ner venschädigende Clioquinol und das neben- wirkungsreiche Antibiotikum Streptomycin, das nur noch bei Typhus eingesetzt werden sollte. Es wird noch Jahre dauern, bis die Firma der Kritik der Kampagne nachkommt und das erhalten ein Medikamentenfläschchen Mittel endlich ganz vom Markt nimmt. Heilosan, ein BUKO Medikament, das Phantasieindikationen und Verharmlosung April 1984 von Nebenwirkungen verschiedener in der Der BPI startet eine Anzeigenaktion, die Dritten Welt angebotener Mittel kondensiert. die Verdienste der Industrie um Tro pen ParlamentarierInnen aller Par teien reagie medikamente preist: „Pharma-Forschung ist ren, aber es soll noch fast sechs Jahre dauern, teuer. Aber ein Menschenleben ist unbezahl- bis die Forderung umgesetzt wird (s.u.). Die bar.“ Als Reaktion produziert die Pharma- Straßentheatergruppe hat ihren ersten öf- Kampagne ein Faltblatt „Ein Menschenleben fentlichen Auftritt. ist teuer. Medikamente oft unbezahl- bar“, das den geringen Stellenwert der Juli 1984 Tropenforschung aufdeckt und auf den exor- Das von der BUKO Pharma-Kampagne mit- bitant hohen Preis für das Bilharziosemittel herausgegebene Buch „Bluternte. Das Blut der Armen für die Wohlfahrt der Reichen“ er Foto: J. Schaaber scheint bei Rowohlt. Oktober 1984 Auf dem Gesund heitstag in Bremen ist auch die Phar ma-Kampagne mit mehre- ren Veran staltungen präsent. Die indi- sche Ärztin Mira Shiva spricht über den Einfluss der Pharmamultis auf ihr Land. Die Straßentheatergruppe ist mit ihrem bemal- ten Bus ein beliebter Blickpunkt. Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021 3
31. Mai - 2. Juni 1985 27.-29. November 1985 Auf Einladung der Pharma-Kampagne ver- Die WHO veranstaltet in Nairobi, Kenia eine sammeln sich in der Evangelischen Akademie internationale ExpertInnenkonferenz zum Iserlohn Gesundheitsgruppen und Ver „Rationalen Gebrauch von Arzneimitteln“. Die brauchervertreterInnen aus zwölf euro- Konferenz ist auf Initiative von HAI zustande- päischen Ländern, Peru, den Philippinen, gekommen. Sie wird die zukünftige Politik der Ruanda und Indien zu einem HAI-Treffen. WHO im Arzneimittelbereich prägen. Die Gruppen be schließen, Doppelstandards in der Arz neimittelsicherheit nicht länger hinzunehmen und wollen sich gemeinsam für eine europäische Exportkontrolle einset- zen. Sie wollen sich aber auch für eine rati- onale Arzneimittelpolitik im eigenen Land engagieren. September 1985 Die Aktion „Dritte Welt Gruppen untersu- chen Pharma konzerne – Hoechst auf dem Prüfstand“ be ginnt. Die Zielsetzung wird so beschrieben: „Wir wollen durch öffentli chen Druck konkrete Verbesserungen in der Vermarktungspolitik der Firma Hoechst er- zielen.“ 6 In jeder Ausgabe des Pharma-Briefs wird ein neues problematisches Medikament von Hoechst vorgestellt. September 1985 Um ihr Image zu verbessern, gründen 22 deut sche Pharma firmen den Verein „Ge sundheitshilfe Dritte Welt“. Ob die Na 26. Mai - 7. Juni 1986 mensähnlichkeit zum vier Jahre älteren Aktionswochen „Hoechst auf dem Prüfstand“ Trägerverein der BUKO Pharma-Kam pagne mit Veröffentlichung der Broschüre „Macht „Gesundheit und Dritte Welt“ ein Zufall ist? Hoechst krank?“. Eine Veranstal tung für Hoechst-MitarbeiterInnen in Frankfurt- Oktober 1985 Höchst endet mit massiven Pöbeleien durch Die Kampagne deckt eine Arznei mittel leitende Angestellte. Es gibt einen Auftritt auf fälschung durch den deutschen Hersteller der Aktionärsversammlung (Handelsblatt- Merz in Kenia und Indonesien auf. Der aus Kommentar: „Ein Tri bunal so berühmt wie schließlich „pflanzliche“ Schlankmacher Boris Becker“). Die Kampagne macht eine Reducing Bionelles® wurde mit unterschied- Dampferfahrt auf dem Main zu Hoechst, um lichen chemischen Abführmitteln versetzt.7 die Chefs zur Diskussion einzuladen (stattdes- Die Staatsanwaltschaft Frankfurt wird in sen wartet ein Großaufgebot der Polizei am formiert und erhebt Anklage. Drei Jahre spä- Kai). Hoechst reagiert massiv, u.a. mit Brie ter wird das Verfahren gegen Zahlung einer fen an alle MitarbeiterInnen und dem (erfolg- Geldbuße von 25.000 DM „wegen geringer losen) Versuch, die Förderung der Pharma- Schuld“ eingestellt. Kampagne durch die Evangelische Kir che zu unterbinden. Im Herbst veröffent licht Hoechst dann interne Marketing-Richtlinien. 4 40 Jahre Pharmakritik
19. Juni 1986 nach einer Exportkontrolle für Arzneimittel Die regionale Berliner Gruppe der und fordert Bonn zum Handeln auf. Pharma-Kampagne tritt bei der Schering- Aktionärsversammlung auf und kritisiert Juni 1987 sechs verschiedene Mittel, darunter zwei Potenzmittel für Männer und Anabolika ge- gen Unter ernährung. Schering weist die Kritik weitgehend zurück, zeigt sich aber ge- sprächsbereit. Die drei genannten Mittel wer- den nach einer weiteren Aktion (siehe 1987) zurückgezogen. September 1986 Die Pharma-Kampagne veröffentlicht eine von der Pharmagruppe Freiburg erarbeitete Studie, die Medikamente von Boehringer Ingelheim in Deutschland und Zentralamerika vergleicht.8 Die Studie stellt gravierende Unterschiede in den Anwendungsinformationen fest, vor al- lem Hinweise auf Nebenwirkungen sind oft lückenhaft. Boeh ger Ingelheim behaup- rin tet: „Die Beurteilungen sind teilweise falsch oder über spitzt, rechtfertigen keinesfalls die Behauptung des Doppelstandards in den Informationspraktiken“. Dennoch sagt die Scherings Arzneimittel angebot wird durch Firma zu, bei acht Medikamenten die Anwen die Schering-Gruppe der Pharma-Kampagne dungsinformationen zu ändern. unter sucht. Der Titel der Veröffent lichung: Dritte Wahl für die Dritte Welt. Oktober 1986 Der Bundesverband der Pharmazeutischen 16.-18. Oktober 1987 Industrie (BPI) schaltet eine Anzeigenserie Die Pharma-Kampagne veranstal- in kirchlichen Zeit schrif ten. Slogans sind tet in Bielefeld den Kongress „Weniger u.a. „Entwick lungs länder brauchen kei- Medikamente – Bessere The ra pie. Von der ne Besserwisser“ und Texte wie „Ent wick Dritten Welt lernen?“ Erstmals werden lungs länder bewerten aufgrund der knap- ExpertInnen aus Süd und Nord zusammen pen finanziellen Mittel und des oft fehlen- gebracht, um die Vorteile einer begrenzten den Fachpersonals das Verhältnis von Nutzen Auswahl von sinnvollen Medikamenten für und Risiko bei Arzneimitteln oft anders als die Therapie zu diskutieren.11 Industrieländer.“ 9 16.-17. November 1987 Mai 1987 Hoechst bittet die Pharma-Kampagne um Die Pharma-Kampagne ver öffentlicht eine ein Gespräch, das unter Moderation der Studie zu Deutschen Pharmakonzernen in Kirchen stattfindet. Die Firma legt eine Lateinamerika. Ergebnis: 68% der dort vertrie- Liste von 10 Medikamenten vor, die auf- benen Präparate werden negativ bewertet.10 grund der Kritik zurückgezogen wurden. Die Hoechst AG akzeptiert einen „be sonderen 13. Mai 1987 Verantwortungsrahmen“ für ihre Geschäfte Der Deutsche Ärztetag unterstützt die in der Dritten Welt. Forderungen der BUKO Pharma-Kampagne Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021 5
18 April 1988 sation (WHO) in deutscher Übersetzung. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Herausgeber: die BUKO Pharma-Kampagne Industrie (BPI) veranstaltet ein Seminar und medico international. „Arzneimittelversorgung in der Dritten Welt“ und lädt erstmals auch KritikerInnen ein. 7. März 1990 Zahlreiche Manager erscheinen im Frank Nach fünf Jahren Aktionen der Kampagne furter Flughafenhotel, der Blutdruck einiger schließt der Bundestag endlich ein be Herren steigt sichtlich. Das liegt nicht nur an Exportkontrollgesetz für Arzneimittel. dem Vortrag, den Hermann Schulte-Sasse für die BUKO Pharma-Kampagne hält. Ein 11.-24. Juni 1990 Vertreter der Evangelischen Kirche spricht an Aktionswochen „Die Apotheke der Welt - Ein gesichts der gravierenden Probleme auf den Ramschladen“. Das Arzneimittelangebot deut Medikamentenmärkten der Dritten Welt von scher Firmen in der Dritten Welt wird sys- wirtschaftlichen Verhältnissen, die „struktu- tematisch untersucht.13 26 Länder und weit rell böse“ sind, und die menschen- und sach- über tausend Medikamente sind in die Studie gerechter geordnet werden müssen. mit einbezogen. Das erschütternde Ergebnis: Zwei Drittel des Angebots müssen als irra- 2.-14. Mai 1988 tional bewertet werden. Die Hersteller wer Aktionswochen „Kein Pharmamüll für nie- den aufgefordert, ihr Sortiment umgehend mand“. Der Forderung nach Exportkontrolle zu verbessern. 10 der 23 kritisierten Firmen wird noch einmal Nachdruck verliehen. reagieren, aber nur zwei teilen den Rückzug Alle Bundestagsabgeordneten erhalten zu- einzelner Medikamente mit, andere reagieren sammen mit Informationen ein Fläschchen verständnislos bis empört. Heilosan, das mit Zuckerpillen gefüllt ist und reale Phantasieindikationen und ver- 21.-23. September 1990 harmlosende Aussagen zu Risiken zeigt. Die Pharma-Kampagne veranstaltet die Kon Am 9. Mai übergibt die Pharma-Kampagne ferenz „Primäre Gesundheitspflege und mehr als 20.000 Unterschriften im Medikamente“ in Bielefeld. 150 Ärzt Innen, Bundesgesundheitsministerium. PharmazeutInnen, entwicklungspolitisch Aktive und Student In nen aus 13 Ländern Oktober 1988 diskutieren, wie Arzneimittel sinnvoll in die Die Kampagne kritisiert die verantwortungs- Gesundheitsversorgung integriert werden lose Vermarktung der neuen Verhütungspille können.14 Femovan® (Gesto den) für junge Frauen, da es Hinweise auf höhere Risiken gegen- 25.-27. Oktober 1991 über herkömmlichen Pillen gibt. (siehe auch Auf einem von der Pharma-Kampagne veran November 1995) stal teten Seminar zur Bevölkerungs- und Entwicklungspolitik werden ver schiedene Juni/Juli 1989 Standpunkte diskutiert (auch die offiziel- Gemeinsam mit HAI gibt die Pharma-Kam le Entwick lungspolitik ist vertreten). Die pagne die um fangreiche Dokumentation Abschlusserklärung fordert eine radikale Um Dipyrone – A drug NO one needs zum risiko- kehr in der Bevölkerungsdebatte. reichen Schmerzstoff Metamizol heraus.12 Die Publikation führt zum Verbot von Metamizol 13. Februar 1992 in mehreren Ländern der Dritten Welt. Das Dialog programm der Kirchen und der Bundesverband der Pharmazeutischen Indus- September 1989 trie (BPI) stellen in Bonn ein „gemeinsames Erstmals gibt es die Liste der Unentbehrlichen Positionspapier“ zur „Arzneimittelversorgung Arzneimittel der Weltgesundheitsorgani in der Dritten Welt“ vor. Die Pharma-Kam 6 40 Jahre Pharmakritik
pagne kritisiert den Versuch, „größtmögliche Merck und Asta auf. Sie ruft dazu auf, keine Übereinstimmung“ zu finden als „Versuch Pharmavertreter von diesen Firmen mehr zu der Industrie, die Kirche vor ihren Karren zu empfangen. Asta reagiert schnell und sagt spannen.“15 bei einem Gespräch am 26.5.1993 den Rück zug bzw. die Umformulierung aller kritisier- 25. Mai - 8. Juni 1992 ten Medikamente zu.18 Vor 500 Jahren begann die Eroberung Latein amerikas. Aus diesem Anlass unter sucht 4.-5. Juni 1993 die Pharma-Kampagne die Fortsetzung Erster Höhe punkt der Aktion: „Stoppt die der Eroberung mit anderen Mitteln: Gutes Impfung gegen Schwan gerschaft“: Zu ei- Geld für schlechte Pillen statt Gold gegen ner Konferenz in Bielefeld lädt die Pharma- Glasperlen. Die Aktions wochen „Mer(c)k- Kampag ne KritikerInnen aus Nord und würdige Geschichten aus Lateinamerika“ in- Süd ein. Die Teilneh merInnen befinden, formieren über die Geschäfte des Pharma dass es sich um eine nicht akzep table Verhütungsmethode handelt, die mit un- Foto: J. Schaaber kalkulierbaren Risiken behaftet ist. Frauen aus 12 Ländern rufen eine internationale Kampagne ins Leben. Es gelingt, die Versuche an Menschen zu stoppen. 17. November 1993 Merck trifft sich mit der BUKO Pharma- Kampagne und der Ärzt Inneninitiative von terre des hommes. Die Firma sagt den Rückzug aller metamizolhaltigen Arzneimittel zu und versichert, auch keine anderen gefährlichen Mittel mehr zu vermarkten. Die Bereitschaft, mehr unentbehrliche Arzneimittel anzubie- ten, wird bekundet, aber über den Rückzug überflüssiger Mittel wird kein Konsens erzielt.19 Januar - März 1994 Die Pharma indus trie setzt sich über drei Ausgaben ihres Fachblattes Pharmazeutische Industrie mit der BUKO Pharma-Kam pagne konzerns Merck.16 Schluck & weg, die Straßen auseinander. Zwar wird die Seriosität unse- 20 theatergruppe der Kampagne setzt die Ge rer Kritik anerkannt, aber unlautere Motive schichten in Szene. unterstellt. Dezember 1992/April 1993 September 1994 Die Pharma-Kampagne veröffent licht eine Die Pharma-Kam pagne untersucht die Studie zur Abhängigkeit durch veraltete Bar Informationen zu einer wichtigen Gruppe bituratkombinationen. Sie führt zum Rück von Psychopharmaka, den Benzodiazepinen, zug dieser Mittel in mehreren Ländern.17 die abhängig machen können. Das Ergebnis: In der Dritten Welt verharmlosen deutsche März 1993 und Schweizer Her stel ler noch immer die Die ÄrztInneninitiative von terre des hommes beträchtlichen Risi ken dieser chemischen greift unsere Kritik an Medikamenten von Ruhigsteller.21 Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021 7
November 1994 Mit der Studie Zweite Wahl für die Dritte Welt legt die BUKO Pharma-Kampagne eine zweite umfassende Untersuchung des Arzneimittelangebots deutscher Her steller vor.22 Immer noch muss die Hälfte der Mittel negativ bewertet werden. Die größten Veränderungen konnten bei Firmen festge- stellt werden, die im Mittelpunkt der Kritik standen. 22. Mai 1996 Gemeinsam mit der terre des hommes Ärzt Innen-Initiative findet ein Gespräch mit Bayer statt. Es geht um die im Rahmen un serer Aktion „Kinder im Vi sier der Phar maindustrie“ scharf kritisierten Arzneimittel Aspirina infantil® und Bayer‘s Tonic®. Es be- steht jedoch kaum Handlungsbereitschaft bei der Firma. Bayer erklärt, man werde auf dem Etikett den Hinweis „Keep out of reach of children“ anbringen und man arbeite da- ran, den Alkohol aus dem Tonic zu entfer- nen. Noch heute ist das Produkt auf dem Markt. Der Alkoholgehalt wurde inzwischen um schlappe 0,5 Prozent auf immer noch 10 Prozent reduziert. 4.-17. September 1995 Juni 1996 Die Aktion „Kinder im Visier der Pharma Der Pharma-Brief geht ins Internet. industrie“ startet. In enger Abstimmung Ermöglicht wird das durch ein großzügi- mit HAI-Gruppen aus der Dritten Welt wer- ges Angebot von Entwicklungspolitik online. den besonders problematische Arzneimittel Seither ist jede Ausgabe und vieles Andere für Kinder kritisiert. Die Aktion stößt auf nachzulesen unter www.bukopharma.de breites Interesse. Von den 26 kriti sierten Medikamenten werden fünf zurückgezogen 25. Juni 1996 oder umformuliert. Die Kampagne fordert deutsche Firmen auf, sich auf rationale Arzneimittel zu be- 6. November 1995 schränken und bis zum Jahr 2000 mindes- Das Bundes in stitut für Arzneimittel und tens zwei Drittel ihrer negativ bewerteten Medizinprodukte (BfArM) verbietet Femovan® Produkte vom Markt zu nehmen. Über 60 für Erstanwenderinnen unter 30 Jahren. Dritte Welt Gruppen, Medizinfachschaften, (Siehe auch 1988) Ärzt Innen und andere schreiben Briefe an die Firmen. Auch der Verein demokratischer 8 40 Jahre Pharmakritik
Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP) Dezember 1996 unterstützt die Forderungen. Das Fernsehen greift die Kritik der Pharma- Kampagne an Byk Gulden auf. Die Firma 13. Juli 1996 verkauft ein in Deutschland verbotenes Die mangelnde Medikamentensicherheit Diabetesmittel in Mexiko. Nachdem auch in Deutschland durch ungeprüfte Alt noch die Tagesthemen berichten, gibt die arzneimittel wird an die Öffentlichkeit ge- Firma endlich nach. Der Pharma-Brief kom- bracht. 50.000 Postkarten werden in 13 mentiert: „Ein weiterer Beleg für die bedauer- Städten verteilt, Politiker aller Parteien und liche Tatsache, dass öffentlicher Druck mehr die Bundesregierung zum Handeln auf ge bewirkt als gute Argumente allein.“ fordert. Die Presse greift das Thema auf: Die Frankfurter Rundschau, die Badische Zeitung, April 1997 die Neue Westfälische und das Westfalen- Die neue Europäische Arz nei Blatt berichten an herausragender Stelle. mittelbehörde EMEA ge rät ins (Siehe auch 2000) Visier der Kritik. Die Pharma-Kam pagne beanstandet mangeln- September 1996 de Transparenz und die fehlende Unabhängige ExpertInnen aus aller Welt Überwachung unerwünschter kommen auf Einladung unseres inter- Wirkungen von Arzneimitteln. nationalen Netzwerks HAI und der Dag Sie berät auch das Europäische Hammarskjöld Stiftung zusammen und Parlament zu Verbesserungen. beschließen die Erklärung von Uppsala: Der Fall Lipobay zeigt im Transparenz und Verantwortlichkeit in der Sommer 2001, wie nötig eine sol- Arzneimittelkontrolle. Ein Schlüsseldokument che Risikokontrolle wäre. im Kampf um mehr Transparenz im Gesundheitswesen. Juni 1997 Foto: J. Schaaber Die Beteiligung der deutschen Firma Helm 4. Oktober 1996 am Glykolskandal in Haiti wird öffentlich. Noch kaum jemand kennt die Bedeutung Dort waren mindestens 88 Kinder an vergif- der neugegründeten Welthandelsorgani tetem Fiebersirup gestorben. sation WTO. Damit das anders wird, veran- stalten Health Action International (HAI) und November 1997 Pharma-Kampagne gemeinsam ein Seminar Mit der Dialogbereitschaft der Pharma zur WTO und den Zugang zu Arzneimitteln. industrie ist es nicht weit her. Nach zwei ExpertInnen von WTO, WHO und NGOs Gesprächen unter Beteiligung der Kirchen aus dem Sü den sind anwesend. Hier wird erklärt der Verband der forschenden ein wichtiger Keim für die internationalen Arzneimittelhersteller (VFA), er sei nicht für Aktionen zum Recht auf Zugang zu unent- Verbesserungen zuständig. Man müsse sich behrlichen Arzneimitteln gepflanzt. schon an die Mitgliedsfirmen selbst wenden. Die Kampagne lädt zehn Firmen zu einem Dialog über sinnvolle Arzneimittelversorgung in der Dritten Welt ein – alle großen Firmen kneifen.23 Dezember 1997 Eine Überprüfung der Exportkontrolle für Drei der Redner bei dem HAI/BUKO Seminar zur Arzneimittel durch die Kampagne ergibt, dass WTO: Zafar Mirza, The Network (Pakistan), Adrian Otten (WTO), James Love, CPTech (USA) (von links) von den Bundesländern äußerst unterschied- Fotos: J. Schaaber lich, wenn überhaupt, kontrolliert wird.24 Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021 9
1998 November 1998 Der Pharma-Brief wird Mitglied der Die Kampagne deckt auf, dass der Leiter International Society of Drug für Arzneimittelsicherheit der schwedi- Bulletins. Die welt weite Ge schen Zulassungsbehörde vorübergehend sellschaft der Arzneimittel bei Hoechst arbeitet. Die Schweden se- zeit schriften stellt strenge hen zunächst keinen Interessenkonflikt, Anforderungen an Unabhän doch die Veröffentlichung führt dazu, dass gigkeit und Seriosität ihrer der Mann später seinen alten Posten nicht Mitglieder. wiederbekommt.28 1998 28. April 1999 Immer noch sind 22.000 Arznei mittel in Schweden verbietet den umstritte- Deutschland ungeprüft. Diese Altmittel ma- nen Schmerzwirkstoff Metamizol zum chen damit fast die Hälfte aller Medikamente zweiten Mal, nachdem trotz geringen in Deutschland aus.25 Gebrauchs bei sieben PatientInnen schwere Nebenwirkungen auftraten. In anderen EU- März 1998 Ländern gibt es keine Reaktionen – während Die Aktion „Gesundheit statt Globalisierung“ die Zulassung europäisiert wird, bleibt das beginnt. Eine wichtige Rolle spielt der Zugang Risikomanagement national.29 zu Arzneimitteln. Mai 1999 April 1998 Die Weltgesundheitsversammlung be- Bei Arzneimittelpreisen herrscht weltweit schließt, dass Gesundheit Vorrang vor das Gesetz des Dschungels. Eine Studie von Handelsinteressen haben muss.30 HAI (unter Mitarbeit der Pharma-Kampagne) zeigte drastische Preisunterschiede. So kos- Juni 1999 teten z.B. 100 Tabletten Lasix® in Südafrika Der Pharmaverband Vfa gibt bekannt, dass 69 US$, in Bangladesh aber nur 1 US$.26 sieben Firmen mehr als 60 von der Pharma- Kampagne kritisierte Medikamente zurück- Mai 1998 gezogen haben.31 Bei der Weltgesundheitsversammlung in Genf verhindern die USA eine Resolution zur 1. Dezember 1999 Medikamentenpolitik, die den Vorrang von Präsident Clinton erklärt am Rande der WTO- Gesundheit vor Handelsinteressen betonen Konferenz in Seattle, dass die US-Regierung sollte. Die Lobbybemühungen der großen den Druck auf Südafrika einstellen wird und Pharmakonzerne, denen hohe Preise für ihre nicht länger den Zugang zu billigen Medi patentgeschützten Mittel wichtiger sind als kamenten blockiert. Ein Erfolg des Lobby- das Leben von Menschen in armen Ländern, Teams von HAI – eine Mitarbeiterin der sind erfolgreich.27 Pharma-Kampagne war dabei. Juni 1998 Dezember 1999 Die Europäische Zulassungs behörde ver- Die dritte Untersuchung deutscher anstaltet einen Workshop mit den Arzneimittel in der Dritten Welt ist abge- Arzneimittelzeitschriften (ISDB), der Pharma- schlossen. Fast 3000 Präparate wurden auf Brief ist mit dabei. ISDB bemängelt die ihren Nutzen und ihre Unentbehrlichkeit hin Qualität der Zulassungsentscheidungen bewertet. Verbesserungen sind festzustel- und Dokumentationen und fordert mehr len, aber immer noch sind 42% der Produkte Transparenz. Einige Forderungen werden unsinnig.32 erfüllt. 10 40 Jahre Pharmakritik
Januar 2000 3. November 2000 Der Wirtschafts- und Sozialausschuss Ein internationales Seminar von HAI und der der Europäischen Union diskutiert eine Pharma-Kampagne eröffnet die Diskussion neue Pharmapolitik für Europa. Dabei tra- um Nutzen und Risiken sogenannter „Public fen sich vor allem Industrielobbyisten und Private Partnerships“. Darunter versteht man VertreterInnen der Ärzte und Apotheker. Die die Kooperation mit der Privatwirtschaft zur Kampagne vertritt die Position von kritischen Erledigung öffentlicher Aufgaben. HAI schafft Gruppen.33 es, in der Fachöffentlichkeit eine produktive Kontroverse über diese als Patentlösung an- 15. März 2000 gepriesene neue Strategie auszulösen.35 Zur Änderung des Arzneimittelgesetzes gibt es eine Anhörung im Bundestag. Ein Dezember 2000 Mitarbeiter der Kampagne ist als Experte ein- Foto: J. Schaaber geladen. Es geht um die Beseitigung der un- geprüften Altarzneimittel. Wir setzen uns mit wenig Erfolg für einen schnellen Abschluss der Prüfungen und deutliche Kennzeichnung ein. Immerhin wird eine – wenn auch ab- geschwächte – Warnung wegen fehlender Prüfung Gesetz. April 2000 Von April 2000 bis September 2003 erhält die Zur ersten „Weltgesundheitsversammlung BUKO Pharma-Kampagne Verstärkung durch von unten“ treffen sich 1600 Menschen einen indischen Arzt. Dienste in Übersee be- aus 93 Ländern in Bangladesh. Die zuschusst die auf drei Jahre befristete Stelle. Gesundheitscharta der Menschen wird verab- Gopal Dabade setzt sich auf internationa- schiedet, ein gemeinsames Arbeitsmanifest ler Ebene und in Brüssel für den Zugang zu der beteiligten Gruppen und Basisinitiativen. lebenswichtigen Arzneimitteln ein. U.a. er- Die Pharma-Kampagne ist mit dabei.36 reicht er ein persönliches Gespräch mit EU- Kommissar Lamy. Februar 2001 Die Pharma-Kampagne kritisiert Boehringer 3. April 2000 Ingelheims Spende des Medikaments Der Schriftsteller John le Carré besucht Nevirapin gegen die Mutter-Kind- die Pharma-Kampagne in Bielefeld. Er re- Übertragung von AIDS, weil sie strikten cherchiert für einen Roman zu dunklen Beschränkungen unterliegt. Die Kampagne Machenschaften der Pharmaindustrie. macht außerdem öffentlich, dass die „Partnerschaft“ Boehringer Ingelheims mit Mai 2000 dem Entwicklungshilfeministerium (BMZ) zur Die Weltgesundheitsversammlung nimmt AIDS-Bekämpfung die Firma 69.000 DM kos- kein Blatt vor den Mund: Sie betont das tet, den Staat aber 6 Millionen.37 Recht auf Gesundheitsversorgung und er- teilt den Auftrag, Preistransparenz bei AIDS- 5. März 2001 Medika menten herzustellen. Fünf große Erster Verhandlungstag im Prozess Medikamentenhersteller scheitern mit ih- Pharmaindustrie gegen Südafrika in Pretoria. rem Versuch, durch Preisnachlässe auf ihre Mit ihrer Klage verhindern die Firmen die Produkte eine Resolution zu verhindern.34 Beschaffung billiger AIDS-Mittel. Die Pharma- Kampagne beteiligt sich an einer internatio- nalen Aktion, die die Industrie zwingen will, Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021 11
den gesundheitsschädlichen Prozess ein- für Länder ohne eigene Produktion auf die zustellen. Die Pharma-Kampagne schreibt lange Bank geschoben.39 an Kanzler Schröder. Entwicklungshilfe- Ministerin Wieczorek-Zeul unterstützt die 28. November 2001 Forderungen öffentlich. Die Kampagne kritisiert ein gemeinsa- mes Positionspapier von Kirchen und März 2001 Industrieverband Vfa zur AIDS-Bekämpfung, Der ewige Gärtner von John le Carré erscheint das die mangelnde Bereitschaft der Hersteller, auf deutsch. Ein Kapitel spielt bei der Pharma- die Preise zu senken, mit keinem Wort Kampagne alias „Hippo“ in Bielefeld. Sie wird erwähnt.40 dadurch zum Medienstar, Presse, Funk und Fernsehen berichten. Dezember 2001 19. April 2001 Die internationale Aktion ist erfolgreich: Die Firmen ziehen ihre Klage gegen Südafrika zurück. August 2001 Bayer zieht den Cholesterinsenker Lipobay® wegen zahlreicher Todesfälle vom Markt. September 2001 Die Kampagne veröffentlicht anlässlich des Die Pharma-Kampagne bietet erstmalig eine Lipobay-Absturzes eine ausführliche Kritik Ausstellung zum Verleih an. Die Bildtafeln am Überwachungssystem und wird mit zum Thema „Kein Leben ohne Pillen“ set- Medienanfragen überhäuft. zen sich kritisch mit der Medikalisierung des Alltags und mit Arzneimittelwerbung in Nord 24. November 2001 und Süd auseinander.41 Die BUKO Pharma-Kampagne feiert in Bielefeld ihr zwanzigjähriges Bestehen mit 2002 dem Symposium „Kein Leben ohne Pillen? Die Die BUKO Pharma-Kampagne wird Mit Medikalisierung des Alltags“. Viele Mitstreiter glied im Kampagnenrat und stellvertre- Innen und prominente Gäste kommen. tende Sprecherin im neu gegründeten „Aktionsbündnis gegen AIDS“. Darin haben November 2001 sich viele kirchliche Institutionen und zivilge- Die Pharma-Kampagne macht die dürftige sellschaftliche Gruppen zusammengeschlos- Basis für die Behauptung der Pharmaindus sen, um sich aktiv für bessere politische und trie, die Erforschung eines Medikaments kos- wirtschaftliche Bedingungen zur globalen te 500 Millionen US$, öffentlich.38 AIDS-Bekämpfung einzusetzen. 15. November 2001 10. Januar 2002 Auf der Ministerialkonferenz der Welt Gemeinsame Konferenz von Health Action handelsorganisation (WTO) in Doha wird International (HAI) und der European Public der Vorrang von Gesundheit vor Handels Health Alliance gegen den Vorschlag der EU- interessen bestätigt. Länder dürfen unent- Kommission, Werbung für rezeptpflichtige behrliche Arzneimittel billig selbst produzie- Arzneimittel für Laien zuzulassen (DTCA). Die ren. Ein großer Erfolg für die Arbeit von kriti- Pharma-Kampagne beteiligt sich aktiv an den schen Gruppen. Allerdings wird eine Lösung folgenden Aktionen und der Advocacy-Arbeit. 12 40 Jahre Pharmakritik
19. April 2002 kommen zu Wort. Ein wichtiger Schritt zur Der Verband der forschenden Arznei Wissensverbreitung in Deutschland. mittelhersteller (Vfa) lädt zum Roundtable „Der informierte Patient“. Die Veranstaltung 23. Oktober 2002 soll den Weg für DTCA frei machen. Die Das EU-Parlament lehnt in erster Lesung die Pharma-Kampagne macht dort die Strategie Freigabe von Werbung für rezeptpflichtige des britischen Pharmaindustrieverbands öf- Arzneimittel bei Laien ab. Stattdessen wird fentlich, PatientInnen als „Fußtruppen“ zur mehr unabhängige Information gefordert. Durchsetzung von DTCA einzusetzen. Die an- wesenden PatientInnengruppen reagieren 14.-15. November 2002 geschockt. Auf einem Geheimtreffen mit handverlese- nen Ländern versucht die WTO in Sydney die Juni 2002 Patentregeln im Interesse der multinationa- Die Kampagne stellt fest, dass ihre Kritik len Pharmaindustrie umzustricken. an der Nevirapine-Arzneimittelspende von Boehringer Ingelheim zwar zu einigen Ver 29. November 2002 besserungen geführt hat. Nach wie vor wei- Die afrikanische Gruppe lehnt im TRIPS-Rat gert sich die deutsche Firma aber, auch die der WTO die Vorschläge aus Sydney ab. Mütter der Kinder mit dem Medikament kostenlos zu behandeln. Erwachsene AIDS- Juni 2003 PatientInnen in Ländern der Dritten Welt Der Gesundheitsrat, das Treffen der EU- müssen für Nevirapine weiterhin einen ho- GesundheitsministerInnen, lehnt DTCA ab. hen Preis bezahlen.42 August 2003 Juni 2002 Der Verband der forschenden Arznei Der Bundestag spricht sich fast einstim- mittelhersteller (Vfa) versucht die wachsende mig für ein EU-weites Werbeverbot für re- Kritik an dem Verhalten der Industrie in der zeptpflichtige Arzneimittel bei Laien aus. Ein Dritten Welt durch die Broschüre „Gemeinsam Erfolg der Informationsarbeit der Pharma- für Gesundheit und Entwicklung“ einzudäm- Kampagne. men. Die BUKO Pharma-Kampagne nimmt die Broschüre mit einer Replik „Gemeinsam 3.-5. Oktober 2002 für Patente und Profite?“ detailliert auseinan- Die Pharma-Kampagne organisiert in der. 44 Kooperation mit der Evangelischen Akademie 30. August 2003 Foto: J. Schaaber Unmittelbar vor der WTO-Konferenz in Cancun wird nur ein fauler Kompromiss für Länder ohne eigene Medikamentenproduktion gefunden, der den Betroffenen keinen Zugang zu preiswerten AIDS-Medikamenten verschafft. 31. Oktober 2003 Die Pharma-Kampagne organisiert eine Fachtagung zu den zweifel- haften Folgen von „Public Private Bad Boll die Fachkonferenz „Patente, Profite Partnerships“ im Gesundheitsbereich.45 und AIDS“.43 Internationale ExpertInnen Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021 13
31. Oktober – 1. November 2003 Gemeinsam mit den deutschen ISDB- Schwesterblättern organisiert der Pharma- Brief eine internationale Diskussion um die mangelhafte Erfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen. 2004 Die Pharma-Kampagne macht die verfehlte Forschungspolitik der Pharmaindustrie zu ei- nem Aktionsschwerpunkt. Mit einer Serie von Faltblättern und einem Pharma-Brief Spezial wird die Öffentlichkeit informiert. 9. März 2004 Erstmals nimmt ein Vertreter der BUKO Pharma-Kampagne an der Sitzung des Arzneimittelausschusses des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) teil. Er wurde von der Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen (BAGP) benannt. Seit 2004 gibt es eine PatientInnenvertretung im G-BA, 22. Mai 2004 der über die Leistungen der gesetzlichen „Schluck & weg“, die Straßentheatergruppe Krankenkassen entscheidet. der BUKO Pharma-Kampagne, feiert ihr 20-jähriges Bestehen. Damit dürfte „Schluck 21. April 2004 & weg“ wohl die älteste politische Stra Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis gegen ßentheatergruppe in der Republik sein – AIDS protestiert die die SchauspielerInnen sind nach wie vor Kampagne in Berlin Ehrenamtliche. gegen das mangeln- de Engagement der Juli 2004 Foto: J. Schaaber Regierung vor dem Daimler Chrysler Gebäude, wo sich Firmen für ihr (be- scheidenes) Enga gement gegen AIDS in Anwesenheit von Bundeskanzler Schrö der selbst auf die Schulter klopfen. Mit Bono von U2 und Die Pharma-Kampagne macht die Ergebnisse Herbert Grönemeyer einer Task-Force im Bundesministerium werden prominente für Gesundheit (BMG) öffentlich. Die Task Unterstützer gewon- Force, die sich hauptsächlich aus Pharma- nen. Entwicklungshilfe- und MinisteriumsvertreterInnen zusam- Fotos: J. Schaaber Ministerin Wieczorek- mensetzt, hatte heimlich an weitgehen- Zeul hört sich die Kritik an, kann aber nicht den Veränderungsvorschlägen im Sinne der mehr Geld zusagen. Industrie gebastelt. 14 40 Jahre Pharmakritik
Dezember 2004 15. September 2005 Die vierte umfassende Untersuchung des Ein Mitarbeiter der Pharma-Kampagne wird deutschen Arzneimittelsortiments in der in den Vorstand der International Society of Dritten Welt wird unter dem Titel Sprudelnde Drug Bulletins (ISDB) gewählt. Geschäfte veröffentlicht. Ergebnis: Das Angebot hat sich in den letzten fünf Jahren Oktober 2005 1. Ausgabe 10.2005 nur noch wenig gebessert. Immer noch müs- Die erste Ausgabe von Gute GUTE PILLEN – Unabhängige Informationen zu Ihrer Gesundheit sen fast 40% der Medikamente als irrational Pillen – Schlechte Pillen er- SCHLECHTE PILLEN klassifiziert werden.46 scheint. Sie ist die erste un- Unabhängige Informationen zu Ihrer Gesundheit ISSN 1861-6046 38 abhängige Verbraucher Liebe Leserinnen und Leser, Warum wir diese Zeitschrift machen Orientierung im Dschungel der Medizin 2005 zeitschrift zu Arzneimitteln als Patient haben Sie das Recht, Arzneimittel können Krankheiten heilen, sie können aber auch schaden. Die neue Zeit- schrift Gute Pillen – Schlechte Pillen bietet Ihnen Orientierung im Pharma-Dschungel. Für die Qualität der Information bürgen die Herausgeber von drei unabhängigen Arz- gut informiert neimittelzeitschriften, die keine Werbung enthalten und kein Geld von der Pharmain- Die Förderung sinnvoller Gesundheits- in Deutschland und ein zu werden. dustrie oder anderen Interessengruppen nehmen. Auch Gute Pillen – Schlechte Pillen Aber es ist erscheint ohne Werbung und wird ausschließlich über die verkauften Hefte und Abon- gar nicht nements finanziert. Wir benötigen also Ihre Unterstützung – am besten durch ein Abon- so einfach, nement. Was Sie dafür von uns erwarten können, stellen wir Ihnen im Folgenden vor. Forschung bleibt ein Schwerpunktthema. Gemeinschaf tsprojek t ausge- wogene Informationen über Gute Pillen – Schlechte Pil- Medikamente zu bekommen. len ändert das. Hier erfahren Das meiste Informationsma- Sie die neuesten Erkenntnis- terial, das in Arztpraxen und se über Arzneimittelrisiken, Zahlreiche Artikel, Hintergrundpapiere und mit dem Arzneimittelbrief Apotheken ausliegt, ist mehr aber auch, welche alterna- oder weniger offensichtlich tiven Behandlungsmöglich- Werbung der Arzneimittelher- keiten es gibt. Dazu gehören steller. Die Zeitschrift Gute nicht nur Arzneimittel. Oft Stellungnahmen werden verfasst. Es gibt und dem arznei-tele- Pillen - Schlechte Pillen sind nichtmedikamentöse verfolgt einen ganz anderen Maßnahmen – wie z.B. eine Weg. Hier bekommen Sie Ernährungsumstellung oder unabhängige Information, die Veränderungen am Arbeits- ein klares Ziel hat: Sie sollen platz – zusätzlich ange- Gespräche mit AIDS-ForscherInnen. gramm, zwei großen kriti- sich in Gesundheitsfragen selbst eine fundierte Meinung bilden können. Dafür bürgt Foto: Christiane Fischer Viele Menschen fühlen sich führte zu einem manchmal bracht und mitunter sogar sinnvoller. Auch heute gibt es übrigens für viele Erkran- die langjährige Erfahrung der ratlos, wenn sie erkranken tödlichen Muskelzerfall. kungen keine wirksamen schen Medikamentenzeit Herausgeber. und entscheiden müssen, Medikamente – auch wenn ob sie ein Medikament ein- Das massiv beworbene oft suggeriert wird, dass die Gute Pillen - Schlechte nehmen sollen und wenn ja, Rheumamedikament Vioxx® Arzneimittelanbieter heutzu- Pillen ist frei von kommerzi- welches. Auch wenn der Arzt (Wirkstoff: Rofecoxib) löste 11. Januar 2005 schriften für ÄrztInnen ellen Interessen, informiert Sie ein Medikament verschrie- wahrscheinlich bei Tausen- über Medikamente und über ben hat, bleiben manchmal den von Patientinnen und Inhalt Methoden, auch ohne Medika- Fragen: Patienten Herzerkrankungen mente gesund zu werden, gibt Habe ich alles richtig ver- aus. Beide Mittel sind vom Im Dschungel der Ihnen Tipps für den Arztbe- standen? Ist alles gesagt Markt verschwunden. Bei Die Pharma-Kampagne überreicht dem und ApothekerInnen in Medizin ..................................1 such und warnt vor unseriösen worden und mir nichts ver- beiden hatten sich die Risi- Der aktuelle Preisvergleich: Heilversprechungen. schwiegen worden? Ver- ken aber schon länger abge- ASS gegen Schmerzen .......... 3 schreibt mir die Frau oder zeichnet, wie unabhängige Erkältungskrankheiten ........... 4 Eine anregende Lektüre der Mann im weißen Kittel Arzneimittelzeitschriften be- Bundesministerium für wirtschaftliche Deutschland. wünscht Ihnen wirklich das Richtige? richteten. Doch diese wich- Hormone in den Wechseljahren? ..................... 7 tigen Informationen drangen Vielen sind noch Medika- zu den meisten Ärztinnen Preiswerte Generika .............. 9 mentenskandale der letzten und Ärzten nicht durch oder Verhütungsimplantat Jahre in Erinnerung. Lipo- wurden durch die Werbe- Implanon® ............................. 9 Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) www.gutepillen- Ihr Dr. Christian Wagner bay® (Wirkstoff: Cerivasta- tin), ein Mittel, das Herzer- krankungen verhüten sollte, abteilungen der Firmen ver- harmlost. Die Öffentlichkeit erfuhr erst recht nichts. Werbung - Aufgepasst! ....... 11 Vitamine gegen AIDS? .........11 Transparente mit Unterschriften für mehr schlechtepillen.de GUTE PILLEN – SCHLECHTE PILLEN | Unabhängige Informationen zu Ihrer Gesundheit | 1. Ausgabe 10/2005 1 Forschung an Armutskrankheiten. Es schließt sich ein konstruktives Gespräch im 6. November 2005 Ministerium an. Ein Mitarbeiter der Pharma-Kampagne wird in den Vorstand von Health Action Januar 2005 International Europa gewählt. Die ISDB-Erklärung zur Pharmakovigilanz wird veröffentlicht. Damit wird nicht nur November 2005 auf die mangelhafte Erfassung von uner- wünschten Arzneimittelwirkungen auf- merksam gemacht. Es werden auch konkre- te Verbesserungsvorschläge gemacht. Die Pharma-Kampagne hatte an der Erstellung des Textes mitgewirkt. März 2005 Die Firma Merck KgaA reagiert auf die Studie der Pharma-Kampagne und kündigt den Rückzug einiger risikoreicher Medikamente in der Dritten Welt an. An zweifelhaften Vitaminpräparaten will sie aber weiter fest- Die Kampagne bringt einen knapp einstün- halten. 47 digen Dokumentarfilm zu AIDS „Eine Frage der Menschlichkeit“ heraus. Er wurde von Juli 2005 der indischen Filmemacherin T. Jayashree in Die Kampagne ist auf der zweiten People’s Deutschland und Indien gedreht und schil- Health Assembly in Ecuador mit einem eige- dert eindrucksvoll, wie PatientInnen hier und nen Workshop „Marktkräfte und der Zugang dort mit der Immunschwächekrankheit leben. zu unentbehrlichen Arzneimitteln“ vertreten. Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021 15
12. Januar 2006 essierte Laien aus dem In- und Ausland „Der ewige Gärtner“ von John le Carré diskutieren die Frage einer gerechten kommt in die deutschen Kinos. Die kleine Ressourcenverteilung im Arzneimittelbereich kritische Gruppe Hippo, alias BUKO Pharma- und besserer Gesundheit weltweit. Sie lie- Kampagne, bekommt daraufhin großes fern dabei eine schonungslose Analyse Medienecho. Sie nutzt die Gelegenheit, um des Arzneimitteldschungels in Nord und irrationale Medikamente deutscher Firmen Süd und skizzieren künftige Arbeitsfelder in der Dritten Welt sowie den mangelhaften der Kampagne. Gründung der ÄrztInnen- Zugang zu Aids-Mitteln anzuprangern. Initiative MEZIS. Mai 2006 Oktober 2006 Die Weltgesundheitsversammlung fasst Das internationale Netzwerk Health Action einen wegweisenden Beschluss: Ein International, zu dessen Gründungs mit Aktionsplan soll Forschungslücken für gliedern die BUKO Pharma-Kampagne zählt, Tropen- und Armutskrankheiten analysieren Foto: J. Schaaber und schließen. Die internationale Debatte um eine bessere Forschungspolitik ist damit eröffnet. Die Pharma-Kampagne hatte sich mit Partnerorganisationen aus dem In- und Ausland intensiv dafür eingesetzt. Juni 2006 Die Pharma-Kampagne macht erstmals Schule: Unter dem Titel Kranke Kinder – Kranke Welt werden von der Kampagne Podium mit (von links): E. t‘ Hoen, A. Kiani, H. Ho- gerzeil, R. Lopez, M. Khor Unterrichtsmappen zum Thema „Gesund heit und Dritte Welt“ für alle Altersstufen feiert seinen 25. Geburtstag. Zwei Vertreter veröffentlicht und finden reißenden Absatz. der Kampagne nehmen an der hochkarätig besetzten internationalen Tagung48 und dem 11. August 2006 Festakt in Amsterdam teil und überbringen Das Aktionsbündnis gegen AIDS übergibt in Glückwünsche. Berlin über eine Viertelmillion Schachteln mit Unterschriften an die Pharmaindustrie. November 2006 Die zentralen Anliegen der Aktion „Pillen Die Regisseurin T. Jayashree Foto: J. Schaaber statt Profit“ sind die Bereitstellung von an- stellt ihren für die BUKO Phar- gepassten Dosierungen zur Behandlung von ma-Kampagne produzierten Kindern, bezahlbare Preise sowie der ver- Film „Eine Frage der Mensch- bindliche Verzicht auf die Durchsetzung von lichkeit“ in Deutschland vor Patenten in ärmeren Ländern. Sechs von sie- und diskutiert ihn bei meh- ben Unternehmen kamen der reren Film-Vorführungen mit Foto: J. Schaaber Einladung nicht nach. dem Publikum. September 2006 27. November 2006 Die BUKO Pharma-Kampagne Die BUKO Pharma-Kampagne deckt auf, dass feiert vom 15.-16.9. im Boehringer Ingelheim in Indien –trotz gegen- Bielefelder Jugendgästehaus teiliger Beteuerungen – einen Patentantrag ihr 25-jähriges Bestehen mit auf seinen unentbehrlichen Aids-Sirup für einem Symposium. Rund Kinder gestellt hat. Report Mainz berichtet 100 Fachleute und inter- ausführlich. 16 40 Jahre Pharmakritik
Dezember 2006 Lizenzgebühren in Afrika und allen anderen Das Bundeskabinett verabschiedet einen sehr armen Ländern. Gemeinsam mit medico Gesetzentwurf zur Errichtung einer Deutschen international und attac startet die Pharma- Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur Kampagne eine Unterschriftenaktion, um (DAMA). Die Arzneimittelkontrolle in Boehringer Ingelheim zum Rückzug des Deutschland soll nach kommerziellen Patentantrages in Indien zu drängen. Gesichtspunkten umorganisiert werden. Die Pharma-Kampagne veröffentlicht kurz darauf Juni 2007 eine detaillierte Kritik.49 Nachdem Thailand eine Zwangslizenz auf das AIDS-Medikament Kaletra® (Ritona Januar 2007 vir/Lopinavir) er- Die Initiative unbestechlicher Ärztinnen teilt hat, zieht der und Ärzte – Mezis e.V. (Mein Essen zahl´ Hersteller Abbott ich selbst) wird offizi- die Zulassungs ell gegründet. Die BUKO anträge für sieben Pharma-Kampagne. ist Medikamente zu- im Vorstand vertreten. rück. Die Pharma- Der Verein wehrt sich gegen Beeinflussung Kampagne un- durch PharmareferentInnen, die Mitglieder terstützt thailän- verpflichten sich, keine Werbegeschenke dische Gruppen, oder Einladungen zum Essen anzunehmen. die gegen diese Foto Wolfram Schaffar www.mezis.de Erpressungsmaßnahme protestieren.52 März 2007 6.-8. Juni 2007 Gemeinsam mit Gruppen aus aller Welt In Heiligendamm treffen sich die G8-Staaten. und Persönlichkeiten wie Erzbischof Hier geht es unter anderem um geistige Desmond Tutu und John le Carré wird Eigentumsrechte. Novartis aufgefordert, seine Patentklage Eine Verschärfung für das Krebsmedikament Glivec® in Indien der Patentgesetz zurückzuziehen.50 gebung droht, den Zugang zu Arznei April 2007 mitteln insbeson- Wir veröffentlichen eine erste Kritik am dere in ärmeren Konzept des „Advance Market Commitment“ Ländern zu ver- (AMC), mit dem die Forschung zu vernach- schlechtern. Das lässigten Krankheiten durch eine Abnahme St r a ß e n th e a t e r garantie für den zu entwickelnden Wirkstoff Schluck & weg Foto: J. Folchert angekurbelt werden soll.51 macht mit seinem Stück: „Robin Hood befreit das Wissen“ in Mai 2007 Rostock wie anderswo witzig und bissig auf Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis gegen die Problematik aufmerksam. AIDS trifft sich die Pharma-Kampagne mit der Pharmafirma Boehringer Ingelheim. Der Juli 2007 Konzern soll in Indien seinen Patentantrag Die Pharma-Kampagne koordiniert die globa- auf den unentbehrlichen Aids-Sirup für len Aktivitäten der HAI-Mitglieder zum Thema Kinder zurückziehen. Boehringer Ingelheim „Forschung für vernachlässigte Krankheiten“ reagiert mit einem sogenannten Non-Assert- und vertritt sie auch bei den Verhandlungen Agreement und verzichtet damit auf die der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Durchsetzung der Patentrechte sowie auf sogenannten IGWG-Prozess (Intergovern Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021 17
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