40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL

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40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
3 | 2021
                                               Nr. 2   2011
PHARMA-BRIEF SPEZIAL                            1618-4580
                                           ISSN 1618-4599

40 Jahre
Pharmakritik
Die Pharma-Kampagne
1981-2021

             Pharma-Kampagne
www.bukopharma.de

Mitglied von Health Action International
40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
Die BUKO Pharma-Kampagne
Die Pharma-Kampagne ist eine Aktion der Bundeskoordination Internationalismus
(BUKO), einem Dachverband, dem über 120 entwicklungspolitische Gruppen und
Organisationen angehören. Seit 1981 ist die Pharma-Kampagne gegen ungesunde
Geschäftspraktiken internationaler Pharmakonzerne aktiv. Sie setzt sich für den
rationalen Gebrauch von Arzneimitteln und einen gerechten Arzneimittelzugang
in Nord und Süd ein. Die Kampagne arbeitet mit Fachleuten, StudentInnen
und Verbrauchergruppen zusammen. Durch die Mitarbeit bei Health Action
International (HAI), dem People’s Health Movement und der International Society of
Drug Bulletins (ISDB) ist die Pharma-Kampagne weltweit vernetzt.

Weitere Informationen zu den Arbeitsschwerpunkten der Pharma-Kampagne auf S. 32.

Impressum
Herausgeber:       BUKO Pharma-Kampagne/Gesundheit – global und gerecht e.V.
                   August-Bebel-Str. 62, 33602 Bielefeld, Deutschland
                   Fon +49-(0)521-60550, Telefax +49-(0)521-63789
                   e-mail: pharma-brief@bukopharma.de
                   Homepage: www.bukopharma.de
Verleger:          Gesundheit – global und gerecht e.V.
                   August-Bebel-Str. 62, 33602 Bielefeld, Deutschland
Texte:             Jörg Schaaber und Hedwig Diekwisch
Redaktion:         Claudia Jenkes, Jörg Schaaber
Fotos Titel:       Claudia Jenkes, Wilpunt /iStock, Solveig Bruchhof
Design:            Heinrich Dunstheimer, dunemaison, Bielefeld
Layout:            Jörg Schaaber
Druck:             Druckerei Kurt Eilbracht, Löhne
                   © copyright BUKO Pharma-Kampagne 2021

                   Der Pharma-Brief ist Mit­glied
                   der Internationalen Gesellschaft
                   der unab­hän­gigen Arznei­mittel­
                   zeitschriften.
40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
Eine kleine Chronologie
40 Jahre BUKO Pharma-Kampagne

Vor vierzig Jahren wurde die BUKO Pharma-Kampagne aus der Taufe gehoben. In diesen
Jahren ist so einiges passiert, vieles hat die Kampagne angestoßen und politisch b­ ewegt.
Die hier aufgeführte Chronologie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie gibt
aber einen kleinen Einblick in zahlreiche Aktivitäten und Erfolge, die nur allzu leicht in
Vergessenheit geraten.

Oktober 1980                                                        27.-29. Mai 1981
Auf ihrem jährlichen Treffen, dem 4. Bundes­

                                                                                                                     Foto: J. Schaaber
kongress ent­wicklungspolitischer Aktions­­
gruppen (BUKO) in Hamburg, beschließen
die dort versammelten Dritte Welt Grup­pen
die Vorbereitung einer „Kam­pag­ne gegen die
Praktiken der Pharmaindu­strie in der Dritten
Welt“.

Januar 1981
Die Geschäftsstelle der BUKO Pharma-
Kampagne wird im Dritte Welt Haus Bielefeld
eingerichtet (heute Welthaus).
                                                                    Die Pharma-Kam­   pagne veranstaltet ge-
                                                Foto: J. Schaaber

                                                                    meinsam mit dem Internationalen Verbrau­
                                                                    cherverband (IOCU) in Genf ein Se­minar zur
                                                                    Pharmaproblematik. Gruppen aus 27 Ländern
                                                                    kommen. Es gibt soviel Übereinstimmung,
                                                                    dass die Gründung eines weltweiten
                                                                    Netzwerks für rationalen Medikamen­
                                                                    tengebrauch beschlossen wird: Die Ge­
                                                                    burtsstunde von Health Action Interna­tional
                                                                    (HAI). HAI wird schon bald zum wichtigen
                                                                    Gegenspieler der Phar­maindustrie bei der
                                                                    Weltgesundheits­organisation (WHO).

                                                                    1. Oktober 1981
                                                                    Die BUKO Phar­ma-Kampagne wird auf dem
                                                                    Gesund­ heitstag in Hamburg vorgestellt.
                                                                    Der Bundesverband der Pharmazeutischen
                                                                    Industrie (BPI) reagiert mit der Be­haup­tung:
                                                                    „BUKO-Kampagne im Sin­      ne der Ostblock-
April 1981                                                          Strategie gegen Multis in der Dritten Welt“.1
Die erste Ausgabe des Pharma-Brief er-
scheint, zunächst als Beilage zum Forum                             November 1981
entwicklungspolitischer Gruppen, der Mit­                           Ein Informations­ heft „Gesundheit und
gliederzeitschrift des BUKO.                                        Arzneimittel in der Dritten Welt“ erscheint

Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021                                                                   1
40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
zunächst als Themenschwerpunkt in der ent­         schen Fragen“ und einer weiteren Broschüre
wick­­lungs­politischen Zeitschrift Blät­ter des   „Gesundheit und Entwick­lungshilfe“ auf die
iz3w. Die Kampagne gegen den Han­del mit           Pharma-Kampagne. Während die Faltblätter
Blutplasma von armen Spen­      derInnen wird      der Kritik ausweichen, nennt die von ei-
vorgestellt.                                       nem briti­  schen Industrieinstitut verfass-
                                                   te Bro­schü­re durchaus Fakten und steht im
September 1982                                     Widerspruch zu Behauptungen des BPI.
Der BPI reagiert auf die BUKO Broschüre mit
einer ei­genen Veröffentlichung: „Arzneimittel     8. März 1983
und Dritte Welt“. Diese suggeriert einen           Erste große öffent­liche Auseinandersetzung
Zusammenhang         zwischen     Welt­
                                      gewerk­      zwischen BUKO Pharma-Kampagne und
schaftsbund, HAI und der BUKO Phar­      ma-       Phar­ma­industrie.     Das    Dialogprogramm
Kampagne. In späteren Auflagen ist dieser          der Evangelischen und Katholischen Kir­
Absatz getilgt.                                    che lädt zu einem Studientag nach Bonn.
                                                   Auf die Vorwürfe der Kampagne reagiert die
29. November - 4. Dezember 1982                    Industrie mit Aussagen wie „eine weltweite
      Erste Aktionswoche: Die Pharmapro­           Harmo­nisierung der Zulassung von Arznei­
      ble­matik wird der breiten Öffent­lich­      mitteln [...] ist auf Grund der ethni­    schen
      keit vorgestellt, überregionale Zei­tun­     Verschiedenheiten und der unter­schiedlichen
      gen, Rundfunk und Fernsehen berich­          medizinischen Schulen nicht möglich.“ 4 Auch
      ten. Ein Schwerpunkt ist die Forde­rung:     sei Bestechung in der Dritten Welt normal
      „Kein Geschäft mit Menschen­blut“. Der       und die Phar­maindustrie habe „die Sitten und
      Import von Blutplasma aus der Dritten        Gebräuche der Entwicklungsländer zu respek-
      Welt und aus den Armuts­     zonen der       tieren.“ 4 Dies löst bei den zahlreich vertre­te­
      USA soll gestoppt werden. Wä­ren die         nen EntwicklungsexpertInnen Empörung aus
      BUKO-Forderungen seinerzeit durch-           und führt zu einem negativen Presseecho für
      gedrungen, wären viele Bluter­   kranke      die Pharma­indu­strie.
      nicht mit HIV infiziert worden.
                                                   28. Juni 1983
13. Januar 1983                                    Für die Pharma-Kam­pagne hält Barbara Kasel
Der Schweizer Volks­  wirt und Mitstreiter         auf der Bayer-Aktionärsversammlung einen
der Pharma-Kampagne, Marcel Bühler,                Rede­beitrag. Sie kritisiert Doppel­stan­dards
veröffent­
         licht das Buch Geschäfte mit der          und unhaltbare Werbever­spre­chen. Z.B. beim
Ar­mut, eine umfangreiche Analyse und              Schmerzmittel Dolvi­ran®, das in Afrika noch
Kritik des Geschäftsgebarens der deutschen         das nieren­ schä­
                                                                   digende Phenacetin enthält
Pharmaindustrie in der Drit­ten Welt.              oder das clioquinolhaltige Durchfallmittel
                                                   Oletron®, das in Indonesien verkauft wird.
Januar 1983                                        Beide Wirkstoffe werden von Bayer später
Die Kampagne kriti­    siert Hoechst-Werbung       zurückgezogen.
für das Breit­   band­antibiotikum Claforan®
(Cefo­ta­xim): „Wie viele Antibiotika brauchen     September 1983
Sie? Eins.“2 Hoechst sagt zu, die Werbung zu       Auf einem Vorbe­        rei­
                                                                              tungsseminar kommt
überprüfen.3                                       die Idee auf, statt Flugblättern und Informa­
                                                   tions­ständen ein­mal eine neue Aktionsform
Februar 1983                                       auszuprobieren: Straßen­      theater. Eine eh-
Der Bundesverband der Pharmazeutischen             renamtliche SchauspielerInnen­grup­pe fin-
Industrie (BPI) reagiert mit zwei Faltblättern     det sich zusammen und ein alter Bus wird
„Pharma­industrie und Dritte Welt“ und „Blut       als Büh­n­en­­hin­ter­grund und Transportmittel
aus der Dritten Welt“ – „Antworten zu kriti-       her­gerichtet.

2                                                                      40 Jahre Pharmakritik
40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
28.-29. Oktober 1983                               Praziquantel verweist:5 Aufgrund dieser
                Pharma­indu­s­trie und Kampagne treffen sich       und weiterer Aktivitäten wird der Preis von
                zum zweiten Mal im Rahmen des Dialog­pro­­         Praziquantel halbiert.
                gramms, auf ausdrücklichen Wunsch der
                Industrie unter Ausschluss der Öffentlichkeit.     2.-12. Mai 1984
                Der BUKO trägt sei­ne Kritik ausführlich vor.      Mit ihren 2. Ak­tions­
                                                                                        wochen „Stop für ge-
                Einziger Punkt, über den Einigkeit erzielt         fährliche Pharmaexporte“ versucht die BUKO
                wer­den kann: In der Dritten Welt wird zu-         Pharma-Kampagne, ein Exportverbot für in
                viel für Rüstung ausgegeben. Aber die BUKO         Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel
                Aktion „Stoppt den Rüs­    tungsexport“ mag        zu erreichen. Alle Bun­des­
                                                                                             tagsabgeordneten
                die Industrie trotzdem nicht öffentlich un-

                                                                                                                      Foto: J. Schaaber
                terstützen. Nach einem weiteren Treffen
                ohne kon­kret greifbare Ergebnisse werden die
                Gespräche zunächst abgebrochen.

                3. Januar 1984
                Grünenthal zieht nach Protesten der
                Pharma-Kampagne die Werbung für ihr
                Durchfallmittel Entero-sediv® zurück, nicht je-
                doch das Mittel selbst. Es enthält u.a. das ner­
                ven­schädigende Clioquinol und das neben-
                wirkungsreiche Antibiotikum Streptomycin,
                das nur noch bei Typhus eingesetzt werden
                sollte. Es wird noch Jahre dauern, bis die Firma
                der Kritik der Kampagne nachkommt und das          erhalten     ein     Me­di­kamentenfläschchen
                Mittel endlich ganz vom Markt nimmt.               Heilosan, ein BUKO Medikament, das
                                                                   Phantasie­indikationen und Verharmlosung
                April 1984                                         von Nebenwirkungen verschiedener in der
                Der BPI startet eine Anzeigenaktion, die           Dritten Welt angebotener Mittel kon­den­siert.
                die Verdienste der Industrie um Tro­   pen­        ParlamentarierInnen aller Par­    teien rea­gie­
                medikamente preist: „Pharma-Forschung ist          ren, aber es soll noch fast sechs Jahre dauern,
                teuer. Aber ein Menschenleben ist unbezahl-        bis die For­derung um­ge­setzt wird (s.u.). Die
                bar.“ Als Reaktion produziert die Pharma-          Straßen­thea­ter­grup­pe hat ihren ersten öf-
                Kampagne ein Faltblatt „Ein Menschenleben          fentlichen Auftritt.
                ist teuer. Medikamente oft unbezahl-
                bar“, das den geringen Stellenwert der             Juli 1984
                Tropenforschung aufdeckt und auf den exor-         Das von der BUKO Phar­ma-Kampagne mit-
                bitant hohen Preis für das Bilharziosemittel       herausgegebene Buch „Bluternte. Das Blut
                                                                   der Armen für die Wohlfahrt der Reichen“ er­
Foto: J. Schaaber

                                                                   scheint bei Rowohlt.

                                                                   Oktober 1984
                                                                   Auf dem Gesund­     heits­tag in Bremen ist
                                                                   auch die Phar­   ma-Kampagne mit mehre-
                                                                   ren Veran­  staltungen präsent. Die indi-
                                                                   sche Ärztin Mira Shiva spricht über den
                                                                   Einfluss der Pharmamultis auf ihr Land. Die
                                                                   Straßentheatergruppe ist mit ihrem bemal-
                                                                   ten Bus ein beliebter Blickpunkt.

                Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021                                                    3
40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
31. Mai - 2. Juni 1985                           27.-29. November 1985
Auf Ein­ladung der Pharma-Kampagne ver-          Die WHO veranstaltet in Nairobi, Kenia eine
sammeln sich in der Evangelischen Akademie       internationale ExpertInnenkonferenz zum
Iserlohn Gesundheitsgruppen und Ver­             „Rationalen Gebrauch von Arz­nei­mitteln“. Die
brauchervertreter­Innen aus zwölf euro-          Konferenz ist auf Initiative von HAI zustande-
päischen Ländern, Peru, den Philippinen,         gekommen. Sie wird die zukünftige Politik der
Ruanda und Indien zu einem HAI-Treffen.          WHO im Arznei­mittel­be­reich prägen.
Die Gruppen be­  schließen, Doppelstandards
in der Arz­ neimittelsicherheit nicht länger
hinzu­nehmen und wollen sich gemeinsam
für eine europäische Exportkontrolle einset-
zen. Sie wollen sich aber auch für eine rati-
onale Arzneimittelpolitik im eigenen Land
engagieren.

September 1985
Die Aktion „Dritte Welt Gruppen untersu-
chen Pharma­    kon­zerne – Hoechst auf dem
Prüf­stand“ be­  ginnt. Die Zielsetzung wird
so be­schrie­ben: „Wir wollen durch öffent­li­
chen Druck konkrete Verbesserungen in der
Vermarktungspolitik der Firma Hoechst er-
zielen.“ 6 In jeder Ausgabe des Pharma-Briefs
wird ein neues pro­ble­matisches Medikament
von Hoechst vorgestellt.

September 1985
Um ihr Image zu verbessern, gründen 22
deut­
    sche Pharma­  firmen den Verein „Ge­
sund­heitshilfe Dritte Welt“. Ob die Na­         26. Mai - 7. Juni 1986
mensähnlichkeit zum vier Jahre älteren           Aktions­wochen „Hoechst auf dem Prüfstand“
Trägerverein der BUKO Pharma-Kam­     pagne      mit Veröffentlichung der Broschüre „Macht
„Gesundheit und Dritte Welt“ ein Zufall ist?     Hoechst krank?“. Eine Veranstal­      tung für
                                                 Hoechst-Mitarbei­ter­Innen       in   Frankfurt-
Oktober 1985                                     Höchst endet mit massi­ven Pöbe­leien durch
Die Kampagne deckt eine Arznei­       mittel­    leitende Ange­stellte. Es gibt einen Auf­tritt auf
fälschung durch den deutschen Hersteller         der Aktionärs­ver­samm­lung (Handelsblatt-
Merz in Kenia und Indonesien auf. Der aus­       Kommentar: „Ein Tri­    bu­nal so berühmt wie
schließ­lich  „pflanzliche“   Schlank­ma­cher    Boris Becker“). Die Kampagne macht eine
Reducing Bionelles® wurde mit unterschied-       Dampferfahrt auf dem Main zu Hoechst, um
lichen chemischen Abführmitteln versetzt.7       die Chefs zur Diskus­sion einzuladen (stattdes-
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt wird in­        sen wartet ein Groß­aufgebot der Polizei am
for­miert und erhebt Anklage. Drei Jahre spä-    Kai). Hoechst reagiert massiv, u.a. mit Brie­
ter wird das Verfahren gegen Zah­lung einer      fen an alle MitarbeiterInnen und dem (erfolg-
Geldbuße von 25.000 DM „wegen geringer           losen) Versuch, die Förderung der Pharma-
Schuld“ eingestellt.                             Kampagne durch die Evangelische Kir­           che
                                                 zu unterbinden. Im Herbst veröf­fent­        licht
                                                 Hoechst dann inter­ne Marketing-Richtlinien.

4                                                                     40 Jahre Pharmakritik
40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
19. Juni 1986                                     nach einer Exportkontrolle für Arzneimittel
Die    regionale    Berliner   Gruppe     der     und fordert Bonn zum Handeln auf.
Pharma-Kampagne tritt bei der Schering-
Aktionärsversammlung auf und kritisiert           Juni 1987
sechs verschiedene Mittel, darunter zwei
Potenzmittel für Männer und Anabolika ge-
gen Unter­  ernährung. Schering weist die
Kritik weitgehend zurück, zeigt sich aber ge-
sprächsbereit. Die drei genannten Mittel wer-
den nach einer weiteren Aktion (siehe 1987)
zurückgezogen.

September 1986
Die Pharma-Kam­pagne veröffentlicht eine von
der Pharmagruppe Freiburg erarbeitete Stu­die,
die Medikamente von Boeh­ringer Ingelheim in
Deutschland und Zentralamerika vergleicht.8
Die Studie stellt gravierende Unterschiede in
den Anwendungsinformationen fest, vor al-
lem Hinweise auf Nebenwirkungen sind oft
lückenhaft. Boeh­      ger Ingelheim behaup-
                    rin­
tet: „Die Beur­tei­lungen sind teilweise falsch
oder über­ spitzt, rechtfertigen keinesfalls
die Be­hauptung des Doppelstandards in den
Informationspraktiken“. Dennoch sagt die          Scherings Arzneimittel­  angebot wird durch
Firma zu, bei acht Medikamenten die Anwen­        die Schering-Grup­pe der Pharma-Kampagne
dungsinformationen zu ändern.                     un­ter­
                                                        sucht. Der Titel der Veröffent­
                                                                                      lichung:
                                                  Dritte Wahl für die Dritte Welt.
Oktober 1986
Der Bundesverband der Pharmazeutischen            16.-18. Oktober 1987
Industrie (BPI) schaltet eine Anzeigenserie       Die        Pharma-Kampagne           veranstal-
in kirchlichen Zeit­ schrif­
                           ten. Slogans sind      tet in Bielefeld den Kongress „Weniger
u.a. „Entwick­  lungs­
                     länder brauchen kei-         Medikamente – Bessere The­      ra­
                                                                                    pie. Von der
ne Besserwisser“ und Texte wie „Ent­   wick­      Dritten Welt lernen?“ Erstmals werden
lungs­
     länder bewerten aufgrund der knap-           Expert­In­nen aus Süd und Nord zusammen­
pen finan­ziellen Mittel und des oft fehlen-      ge­bracht, um die Vorteile einer begrenzten
den Fachpersonals das Verhältnis von Nut­zen      Auswahl von sinnvollen Medikamenten für
und Risiko bei Arzneimitteln oft anders als       die The­rapie zu diskutieren.11
Industrieländer.“ 9
                                                  16.-17. November 1987
Mai 1987                                          Hoechst bittet die Pharma-Kampagne um
Die Pharma-Kampagne ver­      öffentlicht eine    ein Gespräch, das unter Moderation der
Studie zu Deutschen Pharmakonzernen in            Kirchen stattfindet. Die Firma legt eine
Lateinamerika. Ergeb­nis: 68% der dort vertrie-   Liste von 10 Medikamenten vor, die auf-
benen Präparate werden negativ bewertet.10        grund der Kritik zurückgezogen wurden. Die
                                                  Hoechst AG akzeptiert einen „be­ sonderen
13. Mai 1987                                      Verantwortungsrahmen“ für ihre Geschäfte
Der Deutsche Ärztetag unterstützt die             in der Dritten Welt.
Forderungen der BUKO Pharma-Kampagne

Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021                                                  5
40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
18 April 1988                                      sa­­tion (WHO) in deutscher Übersetzung.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen             Herausgeber­: die BUKO Pharma-Kampagne
Industrie (BPI) veranstaltet ein Seminar           und medico international.
„Arzneimittel­versorgung in der Dritten Welt“
und lädt erstmals auch KritikerInnen ein.          7. März 1990
Zahlreiche Manager erscheinen im Frank­            Nach fünf Jahren Aktionen der Kampagne
furter Flughafenhotel, der Blut­druck einiger        schließt der Bundestag endlich ein
                                                   be­
Herren steigt sichtlich. Das liegt nicht nur an    Exportkontrollgesetz für Arzneimittel.
dem Vortrag, den Hermann Schulte-Sasse
für die BUKO Pharma-Kampagne hält. Ein             11.-24. Juni 1990
Vertreter der Evangelischen Kirche spricht an­     Aktionswochen „Die Apotheke der Welt - Ein
gesichts der gravierenden Probleme auf den         Ramsch­laden“. Das Arzneimittelangebot deut­
Medikamentenmärkten der Dritten Welt von           scher Firmen in der Dritten Welt wird sys-
wirtschaftlichen Ver­hält­nis­sen, die „struktu-   tematisch untersucht.13 26 Länder und weit
rell böse“ sind, und die menschen- und sach-       über tausend Medikamente sind in die Studie
gerechter geordnet werden müssen.                  mit einbezogen. Das erschütternde Ergebnis:
                                                   Zwei Drittel des Angebots müssen als irra-
2.-14. Mai 1988                                    tional bewertet werden. Die Hersteller wer­
Aktionswochen „Kein Pharmamüll für nie-            den aufgefordert, ihr Sortiment um­ge­hend
mand“. Der Forderung nach Exportkontrolle          zu verbessern. 10 der 23 kriti­sierten Firmen
wird noch einmal Nachdruck verliehen.              reagieren, aber nur zwei teilen den Rückzug
Alle Bundestagsabgeordneten erhalten zu-           einzelner Medi­ka­men­te mit, andere reagieren
sammen mit Informationen ein Fläschchen            ver­ständ­nis­los bis empört.
Heilosan, das mit Zuckerpillen gefüllt ist
und reale Phantasieindikationen und ver-           21.-23. September 1990
harmlosende Aussagen zu Risiken zeigt.             Die Phar­ma-Kampagne veranstaltet die Kon­
Am 9. Mai übergibt die Pharma-Kampagne             ferenz „Primäre Gesundheitspflege und
mehr als 20.000 Unterschriften im                  Medikamente“ in Bielefeld. 150 Ärzt­    Innen,
Bundesgesundheitsministerium.                      PharmazeutInnen,       entwick­lungs­politisch
                                                   Aktive und Student­  In­
                                                                          nen aus 13 Ländern
Oktober 1988                                       diskutieren, wie Arz­neimittel sinnvoll in die
Die Kampagne kriti­siert die verantwortungs-       Gesund­heits­versorgung integriert werden
lose Vermarktung der neuen Verhütungspille         können.14
Femovan® (Gesto­  den) für junge Frauen,
da es Hinweise auf höhere Risiken gegen-           25.-27. Oktober 1991
über her­kömm­lichen Pillen gibt. (siehe auch      Auf einem von der Pharma-Kampagne veran­
November 1995)                                     stal­
                                                       teten Seminar zur Bevölkerungs- und
                                                   Entwicklungspolitik werden ver­     schiedene
Juni/Juli 1989                                     Standpunkte diskutiert (auch die offiziel-
Gemeinsam mit HAI gibt die Pharma-Kam­             le Entwick­ lungs­politik ist vertreten). Die
pagne die um­   fang­reiche Dokumentation          Abschlusserklärung fordert eine radikale Um­
Dipyrone – A drug NO one needs zum risiko-         kehr in der Bevölkerungsdebatte.
reichen Schmerzstoff Meta­mizol heraus.12 Die
Publikation führt zum Verbot von Metamizol         13. Februar 1992
in mehreren Ländern der Dritten Welt.              Das Dialog­  pro­gramm der Kirchen und der
                                                   Bundes­ver­band der Pharmazeutischen Indu­s­­-
September 1989                                     trie (BPI) stellen in Bonn ein „ge­meinsames
Erstmals gibt es die Liste der Unentbehrlichen     Positionspapier“ zur „Arz­nei­mittel­ver­sor­gung
Arznei­mittel der Weltgesund­heits­orga­ni­        in der Dritten Welt“ vor. Die Pharma-Kam­

6                                                                      40 Jahre Pharmakritik
40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
pagne kritisiert den Versuch, „größt­mögliche      Merck und Asta auf. Sie ruft dazu auf, keine
                Übereinstimmung“ zu finden als „Versuch            Pharma­ver­treter von diesen Firmen mehr zu
                der Industrie, die Kirche vor ihren Karren zu      empfan­gen. Asta reagiert schnell und sagt
                spannen.“15                                        bei einem Gespräch am 26.5.1993 den Rück­
                                                                   zug bzw. die Umformulierung al­ler kritisier-
                25. Mai - 8. Juni 1992                             ten Medikamente zu.18
                Vor 500 Jah­ren begann die Eroberung Latein­
                ameri­kas. Aus diesem Anlass unter­   sucht        4.-5. Juni 1993
                die Pharma-Kampagne die Fortsetzung                Erster Höhe­ punkt der Aktion: „Stoppt die
                der Eroberung mit anderen Mitteln: Gutes           Impfung gegen Schwan­    ger­schaft“: Zu ei-
                Geld für schlechte Pillen statt Gold gegen         ner Konferenz in Bielefeld lädt die Pharma-
                Glasperlen. Die Aktions­  wo­chen „Mer(c)k-        Kampag­  ne KritikerInnen aus Nord und
                würdige Geschichten aus Lateinamerika“ in-         Süd ein. Die Teilneh­  mer­Innen befinden,
                formieren über die Geschäfte des Pharma­           dass es sich um eine nicht akzep­       table
                                                                   Verhütungsmethode handelt, die mit un-
Foto: J. Schaaber

                                                                   kalkulierbaren Risiken behaftet ist. Frauen
                                                                   aus 12 Ländern rufen eine internationale
                                                                   Kampagne ins Leben. Es gelingt, die Versuche
                                                                   an Menschen zu stoppen.

                                                                   17. November 1993
                                                                   Merck trifft sich mit der BUKO Pharma-
                                                                   Kampagne und der Ärzt­      Inneninitiative von
                                                                   terre des hommes. Die Firma sagt den Rückzug
                                                                   aller meta­mi­zol­haltigen Arzneimittel zu und
                                                                   ver­sichert, auch keine anderen gefähr­li­chen
                                                                   Mittel mehr zu vermarkten. Die Be­reit­schaft,
                                                                   mehr unentbehrliche Arz­nei­­mittel anzubie-
                                                                   ten, wird bekundet, aber über den Rückzug
                                                                   überflüssiger Mittel wird kein Konsens
                                                                   erzielt.19

                                                                   Januar - März 1994
                                                                   Die Pharma­­­ indus­
                                                                                      trie setzt sich über drei
                                                                   Ausgaben ihres Fachblattes Pharmazeutische
                                                                   Indu­­strie mit der BUKO Pharma-Kam­  pagne
                konzerns Merck.16 Schluck & weg, die Straßen­      auseinander. Zwar wird die Seriosität unse-
                                                                                 20

                theatergruppe der Kampagne setzt die Ge­           rer Kritik anerkannt, aber unlautere Motive
                schichten in Szene.                                unterstellt.

                Dezember 1992/April 1993                           September 1994
                Die Pharma-Kampagne veröffent­        licht eine   Die Pharma-Kam­   pagne untersucht die
                Studie zur Abhängigkeit durch veral­tete Bar­      Informationen zu einer wichtigen Gruppe
                bi­turat­kombi­na­tio­nen. Sie führt zum Rück­     von Psycho­pharmaka, den Benzodiazepinen,
                zug dieser Mittel in meh­re­ren Ländern.17         die abhängig machen können. Das Ergebnis:
                                                                   In der Dritten Welt ver­harm­losen deutsche
                März 1993                                          und Schweizer Her­ stel­
                                                                                          ler noch immer die
                Die ÄrztInneninitiative von terre des hommes       beträchtlichen Risi­
                                                                                      ken dieser chemischen
                greift unsere Kritik an Medikamenten von           Ruhigsteller.21

                Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021                                                   7
40 Jahre Pharmakritik - Die Pharma-Kampagne 1981-2021 - PHARMA-BRIEF SPEZIAL
November 1994
Mit der Studie Zweite Wahl für die Dritte
Welt legt die BUKO Pharma-Kampagne
eine zweite umfassende Untersuchung
des Arzneimittelangebots deutscher Her­
steller vor.22 Immer noch muss die Hälfte der
Mittel negativ bewertet werden. Die größten
Veränderungen konnten bei Firmen festge-
stellt werden, die im Mittelpunkt der Kritik
standen.

                                                22. Mai 1996
                                                Gemeinsam mit der terre des hommes Ärzt­
                                                Innen-Initiative findet ein Gespräch mit
                                                Bayer statt. Es geht um die im Rahmen un­
                                                serer Aktion „Kinder im Vi­    sier der Phar­
                                                maindustrie“ scharf kriti­sierten Arz­neimittel
                                                Aspirina infantil® und Bayer‘s Tonic®. Es be-
                                                steht jedoch kaum Handlungsbereitschaft
                                                bei der Firma. Bayer erklärt, man werde auf
                                                dem Etikett den Hinweis „Keep out of reach
                                                of children“ anbringen und man arbeite da-
                                                ran, den Alkohol aus dem Tonic zu entfer-
                                                nen. Noch heute ist das Produkt auf dem
                                                Markt. Der Alkoholgehalt wurde inzwischen
                                                um schlappe 0,5 Prozent auf immer noch 10
                                                Prozent reduziert.

4.-17. September 1995                           Juni 1996
Die Aktion „Kinder im Visier der Pharma­        Der Pharma-Brief geht ins Internet.
indu­strie“ startet. In enger Abstimmung        Ermöglicht wird das durch ein großzügi-
mit HAI-Gruppen aus der Dritten Welt wer-       ges Angebot von Entwicklungspolitik online.
den besonders problematische Arzneimittel       Seither ist jede Ausgabe und vieles Andere
für Kinder kritisiert. Die Aktion stößt auf     nachzulesen unter www.bukopharma.de
breites Interesse. Von den 26 kriti­ sierten
Medikamenten werden fünf zurückgezogen          25. Juni 1996
oder umfor­mu­liert.                            Die Kampagne fordert deutsche Firmen
                                                auf, sich auf rationale Arzneimittel zu be-
6. November 1995                                schränken und bis zum Jahr 2000 mindes-
Das Bundes­  in­
               stitut für Arzneimittel und      tens zwei Drittel ihrer negativ bewerteten
Medizin­pro­dukte (BfArM) verbietet Femovan®    Produkte vom Markt zu nehmen. Über 60
für Erstanwenderinnen unter 30 Jahren.          Dritte Welt Gruppen, Medizinfachschaften,
(Siehe auch 1988)                               Ärzt­
                                                    Innen und andere schreiben Briefe an
                                                die Firmen. Auch der Verein demo­kratischer

8                                                                  40 Jahre Pharmakritik
Pharmazeutinnen und Phar­ma­zeuten (VDPP)                 Dezember 1996
unterstützt die For­derungen.                             Das Fernsehen greift die Kritik der Pharma-
                                                          Kampagne an Byk Gulden auf. Die Firma
13. Juli 1996                                             verkauft ein in Deutschland verbotenes
Die mangelnde Medi­ka­men­ten­sicherheit                  Diabetes­mittel in Mexiko. Nachdem auch
in Deutschland durch ungeprüfte Alt­                      noch die Tagesthemen berichten, gibt die
arzneimittel wird an die Öffentlichkeit ge-               Firma endlich nach. Der Pharma-Brief kom-
bracht. 50.000 Postkarten werden in 13                    mentiert: „Ein weiterer Beleg für die bedauer-
Städten ver­teilt, Politiker aller Parteien und           liche Tatsache, dass öffentlicher Druck mehr
die Bundesregierung zum Handeln auf­         ge­          bewirkt als gute Argumente allein.“
fordert. Die Presse greift das Thema auf: Die
Frankfurter Rundschau, die Ba­dische Zeitung,             April 1997
die Neue West­fä­li­sche und das Westfalen-               Die neue Europäische Arz­      nei­
Blatt berichten an herausragender Stelle.                 mittelbehörde EMEA ge­      rät ins
(Siehe auch 2000)                                         Visier der Kritik. Die Pharma-Kam­
                                                          pagne beanstandet mangeln-
September 1996                                            de Transparenz und die feh­lende
Unabhängige ExpertInnen aus aller Welt                    Überwachung          unerwün­sch­ter
kommen auf Einladung unseres inter-                       Wirkungen von Arzneimitteln.
nationalen Netzwerks HAI und der Dag                      Sie berät auch das Europäische
Hammarskjöld Stiftung zusammen und                        Parlament zu Verbesserungen.
beschließen die Erklärung von Uppsala:                    Der Fall Lipobay zeigt im
Transparenz und Verantwortlichkeit in der                 Sommer 2001, wie nötig eine sol-
Arzneimittelkontrolle. Ein Schlüsseldokument              che Risikokontrolle wäre.
im Kampf um mehr Transparenz im
Gesundheitswesen.                                         Juni 1997                                        Foto: J. Schaaber

                                                          Die Beteiligung der deutschen Firma Helm
4. Oktober 1996                                           am Glykolskandal in Haiti wird öffentlich.
Noch kaum jemand kennt die Bedeutung                      Dort waren mindestens 88 Kinder an vergif-
der neugegründeten Welt­han­dels­­organi­                 tetem Fieber­sirup gestorben.
sation WTO. Damit das anders wird, veran-
stalten Health Action Inter­national (HAI) und            November 1997
Pharma-Kampagne gemeinsam ein Seminar                     Mit der Dialogbereitschaft der Pharma­
zur WTO und den Zugang zu Arzneimitteln.                  industrie ist es nicht weit her. Nach zwei
ExpertInnen von WTO, WHO und NGOs                         Gesprächen unter Beteiligung der Kirchen
aus dem Sü­  den sind anwesend. Hier wird                 erklärt der Verband der forschenden
ein wichtiger Keim für die internationalen                Arzneimittelhersteller (VFA), er sei nicht für
Aktionen zum Recht auf Zugang zu unent-                   Verbesserungen zuständig. Man müsse sich
behrlichen Arzneimitteln gepflanzt.                       schon an die Mitgliedsfirmen selbst wenden.
                                                          Die Kampagne lädt zehn Firmen zu einem
                                                          Dialog über sinnvolle Arzneimittelversorgung
                                                          in der Dritten Welt ein – alle großen Firmen
                                                          kneifen.23

                                                          Dezember 1997
                                                          Eine Überprüfung der Exportkontrolle für
Drei der Redner bei dem HAI/BUKO Seminar zur              Arzneimittel durch die Kampagne ergibt, dass
WTO: Zafar Mirza, The Network (Pakistan), Adrian
Otten (WTO), James Love, CPTech (USA) (von links)         von den Bundesländern äußerst unterschied-
                                     Fotos: J. Schaaber   lich, wenn überhaupt, kontrolliert wird.24

Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021                                                         9
1998                                             November 1998
Der    Pharma-Brief wird Mitglied der            Die Kampagne deckt auf, dass der Leiter
         International Society of Drug           für Arzneimittelsicherheit der schwedi-
             Bulletins. Die welt­   weite Ge­    schen Zulassungsbehörde vorübergehend
               sell­schaft der Arznei­mittel­    bei Hoechst arbeitet. Die Schweden se-
               zeit­ schriften stellt strenge    hen zunächst keinen Interessenkonflikt,
               Anforderungen an Unab­hän­­       doch die Veröffentlichung führt dazu, dass
             gigkeit und Seriosität ihrer        der Mann später seinen alten Posten nicht
          Mitglieder.                            wiederbekommt.28

1998                                             28. April 1999
Immer noch sind 22.000 Arznei­      mittel in    Schweden     verbietet    den    umstritte-
Deutschland ungeprüft. Diese Altmittel ma-       nen Schmerzwirkstoff Metamizol zum
chen damit fast die Hälfte aller Medikamente     zweiten Mal, nachdem trotz geringen
in Deutschland aus.25                            Gebrauchs bei sieben PatientInnen schwere
                                                 Nebenwirkungen auftraten. In anderen EU-
März 1998                                        Ländern gibt es keine Reaktionen – während
Die Aktion „Gesundheit statt Globalisierung“     die Zulassung europäisiert wird, bleibt das
beginnt. Eine wichtige Rolle spielt der Zugang   Risikomanagement national.29
zu Arzneimitteln.
                                                 Mai 1999
April 1998                                       Die     Weltgesundheitsversammlung     be-
Bei Arzneimittelpreisen herrscht weltweit        schließt, dass Gesundheit Vorrang      vor
das Gesetz des Dschun­gels. Eine Studie von      Handelsinteressen haben muss.30
HAI (unter Mitarbeit der Pharma-Kampagne)
zeigte drastische Preisunterschiede. So kos-     Juni 1999
teten z.B. 100 Tabletten Lasix® in Südafrika     Der Pharmaverband Vfa gibt bekannt, dass
69 US$, in Bangladesh aber nur 1 US$.26          sieben Firmen mehr als 60 von der Pharma-
                                                 Kampagne kritisierte Medikamente zurück-
Mai 1998                                         gezogen haben.31
Bei der Weltgesundheitsversammlung in
Genf verhindern die USA eine Resolution zur      1. Dezember 1999
Medikamentenpolitik, die den Vorrang von         Präsident Clinton erklärt am Rande der WTO-
Gesundheit vor Handelsinteressen betonen         Konferenz in Seattle, dass die US-Regierung
sollte. Die Lobbybemühungen der großen           den Druck auf Südafrika einstellen wird und
Pharmakonzerne, denen hohe Preise für ihre       nicht länger den Zugang zu billigen Medi­
patentgeschützten Mittel wichtiger sind als      kamenten blockiert. Ein Erfolg des Lobby-
das Leben von Menschen in armen Ländern,         Teams von HAI – eine Mitarbeiterin der
sind erfolgreich.27                              Pharma-Kampagne war dabei.

Juni 1998                                        Dezember 1999
Die Europäische Zulassungs­    behörde ver-      Die    dritte    Untersuchung    deutscher
anstaltet einen Workshop mit den                 Arzneimittel in der Dritten Welt ist abge-
Arzneimittelzeitschriften (ISDB), der Pharma-    schlossen. Fast 3000 Präparate wurden auf
Brief ist mit dabei. ISDB bemängelt die          ihren Nutzen und ihre Unentbehrlichkeit hin
Qualität der Zulassungsentscheidungen            bewertet. Verbesserungen sind festzustel-
und Dokumentationen und fordert mehr             len, aber immer noch sind 42% der Produkte
Transparenz. Einige Forderungen werden           unsinnig.32
erfüllt.

10                                                                  40 Jahre Pharmakritik
Januar 2000                                       3. November 2000
Der Wirtschafts- und Sozialausschuss              Ein internationales Seminar von HAI und der
der Europäischen Union diskutiert eine            Pharma-Kampagne eröffnet die Diskussion
neue Pharmapolitik für Europa. Dabei tra-         um Nutzen und Risiken sogenannter „Public
fen sich vor allem Industrielobbyisten und        Private Partnerships“. Darunter versteht man
VertreterInnen der Ärzte und Apotheker. Die       die Kooperation mit der Privatwirtschaft zur
Kampagne vertritt die Position von kritischen     Erledigung öffentlicher Aufgaben. HAI schafft
Gruppen.33                                        es, in der Fachöffentlichkeit eine produktive
                                                  Kontroverse über diese als Patentlösung an-
15. März 2000                                     gepriesene neue Strategie auszulösen.35
Zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
gibt es eine Anhörung im Bundestag. Ein           Dezember 2000
Mitarbeiter der Kampagne ist als Experte ein-

                                                                                                    Foto: J. Schaaber
geladen. Es geht um die Beseitigung der un-
geprüften Altarzneimittel. Wir setzen uns mit
wenig Erfolg für einen schnellen Abschluss
der Prüfungen und deutliche Kennzeichnung
ein. Immerhin wird eine – wenn auch ab-
geschwächte – Warnung wegen fehlender
Prüfung Gesetz.

April 2000
Von April 2000 bis September 2003 erhält die      Zur ersten „Weltgesundheitsversammlung
BUKO Pharma-Kampagne Verstärkung durch            von unten“ treffen sich 1600 Menschen
einen indischen Arzt. Dienste in Übersee be-      aus 93 Ländern in Bangladesh. Die
zuschusst die auf drei Jahre befristete Stelle.   Gesundheitscharta der Menschen wird verab-
Gopal Dabade setzt sich auf internationa-         schiedet, ein gemeinsames Arbeitsmanifest
ler Ebene und in Brüssel für den Zugang zu        der beteiligten Gruppen und Basisinitiativen.
lebenswichtigen Arzneimitteln ein. U.a. er-       Die Pharma-Kampagne ist mit dabei.36
reicht er ein persönliches Gespräch mit EU-
Kommissar Lamy.                                   Februar 2001
                                                  Die Pharma-Kampagne kritisiert Boehringer
3. April 2000                                     Ingelheims Spende des Medikaments
Der Schriftsteller John le Carré besucht          Nevirapin      gegen       die     Mutter-Kind-
die Pharma-Kampagne in Bielefeld. Er re-          Übertragung von AIDS, weil sie strikten
cherchiert für einen Roman zu dunklen             Beschränkungen unterliegt. Die Kampagne
Machenschaften der Pharmaindustrie.               macht außerdem öffentlich, dass die
                                                  „Partnerschaft“ Boehringer Ingelheims mit
Mai 2000                                          dem Entwicklungshilfeministerium (BMZ) zur
Die Weltgesundheitsversammlung nimmt              AIDS-Bekämpfung die Firma 69.000 DM kos-
kein Blatt vor den Mund: Sie betont das           tet, den Staat aber 6 Millionen.37
Recht auf Gesundheitsversorgung und er-
teilt den Auftrag, Preistransparenz bei AIDS-     5. März 2001
Medika­ menten herzustellen. Fünf große           Erster   Verhandlungstag       im      Prozess
Medikamentenhersteller scheitern mit ih-          Pharmaindustrie gegen Südafrika in Pretoria.
rem Versuch, durch Preisnachlässe auf ihre        Mit ihrer Klage verhindern die Firmen die
Produkte eine Resolution zu verhindern.34         Beschaffung billiger AIDS-Mittel. Die Pharma-
                                                  Kampagne beteiligt sich an einer internatio-
                                                  nalen Aktion, die die Industrie zwingen will,

Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021                                                 11
den gesundheitsschädlichen Prozess ein-               für Länder ohne eigene Produktion auf die
zustellen. Die Pharma-Kampagne schreibt               lange Bank geschoben.39
an Kanzler Schröder. Entwicklungshilfe-
Ministerin Wieczorek-Zeul unterstützt die             28. November 2001
Forderungen öffentlich.                               Die Kampagne kritisiert ein gemeinsa-
                                                      mes Positionspapier von Kirchen und
März 2001                                             Industrieverband Vfa zur AIDS-Bekämpfung,
Der ewige Gärtner von John le Carré erscheint         das die mangelnde Bereitschaft der Hersteller,
auf deutsch. Ein Kapitel spielt bei der Pharma-       die Preise zu senken, mit keinem Wort
Kam­pag­ne alias „Hippo“ in Bielefeld. Sie wird       erwähnt.40
da­durch zum Medienstar, Presse, Funk und
Fernsehen berichten.                                  Dezember 2001

19. April 2001
Die internationale Aktion ist erfolgreich: Die
Firmen ziehen ihre Klage gegen Südafrika
zurück.

August 2001
Bayer zieht den Cholesterinsenker Lipobay®
wegen zahlreicher Todesfälle vom Markt.

September 2001
Die Kampagne veröffentlicht anlässlich des            Die Pharma-Kampagne bietet erstmalig eine
Lipobay-Absturzes eine ausführliche Kritik            Ausstellung zum Verleih an. Die Bildtafeln
am Überwachungssystem und wird mit                    zum Thema „Kein Leben ohne Pillen“ set-
Medienanfragen überhäuft.                             zen sich kritisch mit der Medikalisierung des
                                                      Alltags und mit Arzneimittelwerbung in Nord
24. November 2001                                     und Süd auseinander.41
Die BUKO Pharma-Kampagne feiert in
Bielefeld ihr zwanzigjähriges Bestehen mit            2002
dem Symposium „Kein Leben ohne Pillen? Die            Die BUKO Pharma-Kampagne wird Mit­
Medi­ka­­lisierung des Alltags“. Viele Mitstreiter­   glied im Kampagnenrat und stellvertre-
Innen und prominente Gäste kommen.                    tende Sprecherin im neu gegründeten
                                                      „Aktionsbündnis gegen AIDS“. Darin haben
November 2001                                         sich viele kirchliche Institutionen und zivilge-
Die Pharma-Kampagne macht die dürftige                sellschaftliche Gruppen zusammengeschlos-
Basis für die Behauptung der Pharmaindus­             sen, um sich aktiv für bessere politische und
trie, die Erforschung eines Medikaments kos-          wirtschaftliche Bedingungen zur globalen
te 500 Millionen US$, öffentlich.38                   AIDS-Bekämpfung einzusetzen.

15. November 2001                                     10. Januar 2002
Auf der Ministerialkonferenz der Welt­                Gemeinsame Konferenz von Health Action
handelsorganisation (WTO) in Doha wird                International (HAI) und der European Public
der Vorrang von Gesundheit vor Handels­               Health Alliance gegen den Vorschlag der EU-
interessen bestätigt. Länder dürfen unent-            Kommission, Werbung für rezeptpflichtige
behrliche Arzneimittel billig selbst produzie-        Arzneimittel für Laien zuzulassen (DTCA). Die
ren. Ein großer Erfolg für die Arbeit von kriti-      Pharma-Kampagne beteiligt sich aktiv an den
schen Gruppen. Allerdings wird eine Lösung            folgenden Aktionen und der Advocacy-Arbeit.

12                                                                        40 Jahre Pharmakritik
19. April 2002                                   kommen zu Wort. Ein wichtiger Schritt zur
                Der Verband der forschenden Arznei­              Wissensverbreitung in Deutschland.
                mittelhersteller (Vfa) lädt zum Roundtable
                „Der informierte Patient“. Die Veranstaltung     23. Oktober 2002
                soll den Weg für DTCA frei machen. Die           Das EU-Parlament lehnt in erster Lesung die
                Pharma-Kampagne macht dort die Strategie         Freigabe von Werbung für rezeptpflichtige
                des britischen Pharmaindustrieverbands öf-       Arzneimittel bei Laien ab. Stattdessen wird
                fentlich, PatientInnen als „Fußtruppen“ zur      mehr unabhängige Information gefordert.
                Durchsetzung von DTCA einzusetzen. Die an-
                wesenden PatientInnengruppen reagieren           14.-15. November 2002
                geschockt.                                       Auf einem Geheimtreffen mit handverlese-
                                                                 nen Ländern versucht die WTO in Sydney die
                Juni 2002                                        Patentregeln im Interesse der multinationa-
                Die Kampagne stellt fest, dass ihre Kritik       len Pharmaindustrie umzustricken.
                an der Nevirapine-Arzneimittelspende von
                Boehringer Ingelheim zwar zu einigen Ver­        29. November 2002
                besserungen geführt hat. Nach wie vor wei-       Die afrikanische Gruppe lehnt im TRIPS-Rat
                gert sich die deutsche Firma aber, auch die      der WTO die Vorschläge aus Sydney ab.
                Mütter der Kinder mit dem Medikament
                kostenlos zu behandeln. Erwachsene AIDS-         Juni 2003
                PatientInnen in Ländern der Dritten Welt         Der Gesundheitsrat, das Treffen der EU-
                müssen für Nevirapine weiterhin einen ho-        GesundheitsministerInnen, lehnt DTCA ab.
                hen Preis bezahlen.42
                                                                 August 2003
                Juni 2002                                        Der Verband der forschenden Arznei­
                Der Bundestag spricht sich fast einstim-         mittelhersteller (Vfa) versucht die wachsende
                mig für ein EU-weites Werbeverbot für re-        Kritik an dem Verhalten der Industrie in der
                zeptpflichtige Arzneimittel bei Laien aus. Ein   Dritten Welt durch die Broschüre „Gemeinsam
                Erfolg der Informationsarbeit der Pharma-        für Gesundheit und Entwicklung“ einzudäm-
                Kampagne.                                        men. Die BUKO Pharma-Kampagne nimmt
                                                                 die Broschüre mit einer Replik „Gemeinsam
                3.-5. Oktober 2002                               für Patente und Profite?“ detailliert auseinan-
                Die Pharma-Kampagne organisiert in               der. 44
                Kooperation mit der Evangelischen Akademie
                                                                         30. August 2003
Foto: J. Schaaber

                                                                         Unmittelbar vor der WTO-Konferenz
                                                                         in Cancun wird nur ein fauler
                                                                         Kompromiss für Länder ohne eigene
                                                                         Medikamentenproduktion gefunden,
                                                                         der den Betroffenen keinen Zugang
                                                                         zu preiswerten AIDS-Medikamenten
                                                                         verschafft.

                                                                         31. Oktober 2003
                                                                        Die Pharma-Kampagne organisiert
                                                                        eine Fachtagung zu den zweifel-
                                                                        haften Folgen von „Public Private
                Bad Boll die Fachkonferenz „Patente, Profite     Partnerships“ im Gesundheitsbereich.45
                und AIDS“.43 Internationale ExpertInnen

                Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021                                                13
31. Oktober – 1. November 2003
                     Gemeinsam mit den deutschen ISDB-
                     Schwesterblättern organisiert der Pharma-
                     Brief eine internationale Diskussion um
                     die mangelhafte Erfassung unerwünschter
                     Arzneimittelwirkungen.

                     2004
                     Die Pharma-Kampagne macht die verfehlte
                     Forschungspolitik der Pharmaindustrie zu ei-
                     nem Aktionsschwerpunkt. Mit einer Serie von
                     Faltblättern und einem Pharma-Brief Spezial
                     wird die Öffentlichkeit informiert.

                     9. März 2004
                     Erstmals nimmt ein Vertreter der BUKO
                     Pharma-Kampagne an der Sitzung des
                     Arzneimittelausschusses des Gemeinsamen
                     Bundesausschuss (G-BA) teil. Er wurde
                     von der Bundesarbeitsgemeinschaft der
                     PatientInnenstellen (BAGP) benannt. Seit 2004
                     gibt es eine PatientInnenvertretung im G-BA,    22. Mai 2004
                     der über die Leistungen der gesetzlichen        „Schluck & weg“, die Straßentheatergruppe
                     Krankenkassen entscheidet.                      der BUKO Pharma-Kampagne, feiert ihr
                                                                     20-jähriges Bestehen. Damit dürfte „Schluck
                     21. April 2004                                  & weg“ wohl die älteste politische Stra­
                     Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis gegen          ßen­theatergruppe in der Republik sein –
                                           AIDS protestiert die      die SchauspielerInnen sind nach wie vor
                                           Kampagne in Berlin        Ehrenamtliche.
                                           gegen das mangeln-
                                           de Engagement der         Juli 2004

                                                                                                               Foto: J. Schaaber
                                           Regierung vor dem
                                           Daimler        Chrysler
                                           Gebäude,     wo    sich
                                           Firmen für ihr (be-
                                           scheidenes)      Enga­
                                           gement gegen AIDS
                                           in Anwesenheit von
                                           Bundeskanzler Schrö­
                                           der selbst auf die
                                           Schulter klopfen. Mit
                                           Bono von U2 und           Die Pharma-Kampagne macht die Ergebnisse
                                           Herbert Grönemeyer        einer Task-Force im Bundesministerium
                                           werden      prominente    für Gesundheit (BMG) öffentlich. Die Task
                                           Unterstützer gewon-       Force, die sich hauptsächlich aus Pharma-
                                           nen. Entwicklungshilfe-   und MinisteriumsvertreterInnen zusam-
Fotos: J. Schaaber                         Ministerin Wieczorek-     mensetzt, hatte heimlich an weitgehen-
                     Zeul hört sich die Kritik an, kann aber nicht   den Veränderungsvorschlägen im Sinne der
                     mehr Geld zusagen.                              Industrie gebastelt.

                     14                                                                40 Jahre Pharmakritik
Dezember 2004                                   15. September 2005
Die vierte umfassende Untersuchung des          Ein Mitarbeiter der Pharma-Kampagne wird
deutschen Arzneimittelsortiments in der         in den Vorstand der International Society of
Dritten Welt wird unter dem Titel Sprudelnde    Drug Bulletins (ISDB) gewählt.
Geschäfte veröffentlicht. Ergebnis: Das
Angebot hat sich in den letzten fünf Jahren     Oktober 2005
                                                                                                                                                                                                                 1. Ausgabe 10.2005

nur noch wenig gebessert. Immer noch müs-       Die erste Ausgabe von Gute                                             GUTE PILLEN –
                                                                                                                                                           Unabhängige Informationen zu Ihrer Gesundheit

sen fast 40% der Medikamente als irrational     Pillen – Schlechte Pillen er-                                          SCHLECHTE PILLEN
klassifiziert werden.46                         scheint. Sie ist die erste un-                                           Unabhängige Informationen zu Ihrer Gesundheit                                     ISSN 1861-6046                   38

                                                abhängige        Ver­brau­cher­    Liebe Leserinnen
                                                                                   und Leser,
                                                                                                                      Warum wir diese Zeitschrift machen
                                                                                                                      Orientierung im Dschungel der Medizin

2005                                            zeit­schrift zu Arzneimitteln                    als Patient haben
                                                                                                  Sie das Recht,
                                                                                                                      Arzneimittel können Krankheiten heilen, sie können aber auch schaden. Die neue Zeit-
                                                                                                                      schrift Gute Pillen – Schlechte Pillen bietet Ihnen Orientierung im Pharma-Dschungel.
                                                                                                                      Für die Qualität der Information bürgen die Herausgeber von drei unabhängigen Arz-
                                                                                                    gut informiert    neimittelzeitschriften, die keine Werbung enthalten und kein Geld von der Pharmain-

Die Förderung sinnvoller Gesundheits-           in Deutschland und ein
                                                                                                    zu werden.        dustrie oder anderen Interessengruppen nehmen. Auch Gute Pillen – Schlechte Pillen
                                                                                                     Aber es ist      erscheint ohne Werbung und wird ausschließlich über die verkauften Hefte und Abon-
                                                                                                     gar nicht        nements finanziert. Wir benötigen also Ihre Unterstützung – am besten durch ein Abon-
                                                                                                      so einfach,     nement. Was Sie dafür von uns erwarten können, stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

Forschung bleibt ein Schwerpunktthema.          Gemeinschaf tsprojek t
                                                                                                      ausge-
                                                                                   wogene Informationen über                                                                             Gute Pillen – Schlechte Pil-
                                                                                   Medikamente zu bekommen.                                                                              len ändert das. Hier erfahren
                                                                                   Das meiste Informationsma-                                                                            Sie die neuesten Erkenntnis-
                                                                                   terial, das in Arztpraxen und                                                                         se über Arzneimittelrisiken,

Zahl­reiche Artikel, Hintergrundpapiere und     mit dem Arzneimittelbrief
                                                                                   Apotheken ausliegt, ist mehr                                                                          aber auch, welche alterna-
                                                                                   oder weniger offensichtlich                                                                           tiven Behandlungsmöglich-
                                                                                   Werbung der Arzneimittelher-                                                                          keiten es gibt. Dazu gehören
                                                                                   steller. Die Zeitschrift Gute                                                                         nicht nur Arzneimittel. Oft

Stellungnahmen werden verfasst. Es gibt         und      dem       arznei-tele-
                                                                                   Pillen - Schlechte Pillen                                                                             sind nichtmedikamentöse
                                                                                   verfolgt einen ganz anderen                                                                           Maßnahmen – wie z.B. eine
                                                                                   Weg. Hier bekommen Sie                                                                                Ernährungsumstellung oder
                                                                                   unabhängige Information, die                                                                          Veränderungen am Arbeits-
                                                                                   ein klares Ziel hat: Sie sollen                                                                       platz – zusätzlich ange-

Gespräche mit AIDS-ForscherInnen.               gramm, zwei großen kriti-          sich in Gesundheitsfragen
                                                                                   selbst eine fundierte Meinung
                                                                                   bilden können. Dafür bürgt
                                                                                                                      Foto: Christiane Fischer

                                                                                                                      Viele Menschen fühlen sich         führte zu einem manchmal
                                                                                                                                                                                         bracht und mitunter sogar
                                                                                                                                                                                         sinnvoller. Auch heute gibt
                                                                                                                                                                                         es übrigens für viele Erkran-
                                                                                   die langjährige Erfahrung der      ratlos, wenn sie erkranken         tödlichen Muskelzerfall.        kungen keine wirksamen

                                                schen Medikamentenzeit­
                                                                                   Herausgeber.                       und entscheiden müssen,                                            Medikamente – auch wenn
                                                                                                                      ob sie ein Medikament ein-         Das massiv beworbene            oft suggeriert wird, dass die
                                                                                   Gute Pillen - Schlechte            nehmen sollen und wenn ja,         Rheumamedikament Vioxx®         Arzneimittelanbieter heutzu-
                                                                                   Pillen ist frei von kommerzi-      welches. Auch wenn der Arzt        (Wirkstoff: Rofecoxib) löste

11. Januar 2005                                 schriften für ÄrztInnen
                                                                                   ellen Interessen, informiert Sie   ein Medikament verschrie-          wahrscheinlich bei Tausen-
                                                                                   über Medikamente und über          ben hat, bleiben manchmal          den von Patientinnen und         Inhalt
                                                                                   Methoden, auch ohne Medika-        Fragen:                            Patienten Herzerkrankungen
                                                                                   mente gesund zu werden, gibt       Habe ich alles richtig ver-        aus. Beide Mittel sind vom
                                                                                                                                                                                          Im Dschungel der
                                                                                   Ihnen Tipps für den Arztbe-        standen? Ist alles gesagt          Markt verschwunden. Bei

Die Pharma-Kampagne überreicht dem              und ApothekerInnen in
                                                                                                                                                                                          Medizin ..................................1
                                                                                   such und warnt vor unseriösen      worden und mir nichts ver-         beiden hatten sich die Risi-
                                                                                                                                                                                          Der aktuelle Preisvergleich:
                                                                                   Heilversprechungen.                schwiegen worden? Ver-             ken aber schon länger abge-      ASS gegen Schmerzen .......... 3
                                                                                                                      schreibt mir die Frau oder         zeichnet, wie unabhängige
                                                                                                                                                                                          Erkältungskrankheiten ........... 4
                                                                                   Eine anregende Lektüre             der Mann im weißen Kittel          Arzneimittelzeitschriften be-

Bundesministerium      für    wirtschaftliche   Deutschland.
                                                                                   wünscht Ihnen                      wirklich das Richtige?             richteten. Doch diese wich-      Hormone in den
                                                                                                                                                                                          Wechseljahren? ..................... 7
                                                                                                                                                         tigen Informationen drangen
                                                                                                                      Vielen sind noch Medika-           zu den meisten Ärztinnen         Preiswerte Generika .............. 9
                                                                                                                      mentenskandale der letzten         und Ärzten nicht durch oder      Verhütungsimplantat
                                                                                                                      Jahre in Erinnerung. Lipo-         wurden durch die Werbe-          Implanon® ............................. 9

Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)            www.gutepillen-                    Ihr Dr. Christian Wagner           bay® (Wirkstoff: Cerivasta-
                                                                                                                      tin), ein Mittel, das Herzer-
                                                                                                                      krankungen verhüten sollte,
                                                                                                                                                         abteilungen der Firmen ver-
                                                                                                                                                         harmlost. Die Öffentlichkeit
                                                                                                                                                         erfuhr erst recht nichts.
                                                                                                                                                                                          Werbung - Aufgepasst! ....... 11
                                                                                                                                                                                          Vitamine gegen AIDS? .........11

Transparente mit Unterschriften für mehr        schlechtepillen.de                GUTE PILLEN – SCHLECHTE PILLEN | Unabhängige Informationen zu Ihrer Gesundheit | 1. Ausgabe 10/2005                                                   1

Forschung     an    Armutskrankheiten.     Es
schließt sich ein konstruktives Gespräch im     6. November 2005
Ministerium an.                                 Ein Mitarbeiter der Pharma-Kampagne
                                                wird in den Vorstand von Health Action
Januar 2005                                     International Europa gewählt.
Die ISDB-Erklärung zur Pharmakovigilanz
wird veröffentlicht. Damit wird nicht nur       November 2005
auf die mangelhafte Erfassung von uner-
wünschten Arzneimittelwirkungen auf-
merksam gemacht. Es werden auch konkre-
te Verbesserungsvorschläge gemacht. Die
Pharma-Kampagne hatte an der Erstellung
des Textes mitgewirkt.

März 2005
Die Firma Merck KgaA reagiert auf die Studie
der Pharma-Kampagne und kündigt den
Rückzug einiger risikoreicher Medikamente
in der Dritten Welt an. An zweifelhaften
Vitaminpräparaten will sie aber weiter fest-    Die Kampagne bringt einen knapp einstün-
halten. 47                                      digen Dokumentarfilm zu AIDS „Eine Frage
                                                der Menschlichkeit“ heraus. Er wurde von
Juli 2005                                       der indischen Filmemacherin T. Jayashree in
Die Kampagne ist auf der zweiten People’s       Deutschland und Indien gedreht und schil-
Health Assembly in Ecuador mit einem eige-      dert eindrucksvoll, wie PatientInnen hier und
nen Workshop „Marktkräfte und der Zugang        dort mit der Immunschwächekrankheit leben.
zu unentbehrlichen Arzneimitteln“ vertreten.

Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021                                                                                     15
12. Januar 2006                                                  essierte Laien aus dem In- und Ausland
„Der ewige Gärtner“ von John le Carré                            diskutieren die Frage einer gerechten
kommt in die deutschen Kinos. Die kleine                         Ressourcenverteilung im Arzneimittelbereich
kritische Gruppe Hippo, alias BUKO Pharma-                       und besserer Gesundheit weltweit. Sie lie-
Kampagne, bekommt daraufhin großes                               fern dabei eine schonungslose Analyse
Medienecho. Sie nutzt die Gelegenheit, um                        des Arzneimitteldschungels in Nord und
irrationale Medikamente deutscher Firmen                         Süd und skizzieren künftige Arbeitsfelder
in der Dritten Welt sowie den mangelhaften                       der Kampagne. Gründung der ÄrztInnen-
Zugang zu Aids-Mitteln anzuprangern.                             Initiative MEZIS.

Mai 2006                                                         Oktober 2006
Die Weltgesundheitsversammlung fasst                             Das internationale Netzwerk Health Action
einen     wegweisenden       Beschluss: Ein                      International, zu dessen Gründungs­  mit­
Aktionsplan soll Forschungslücken für                            gliedern die BUKO Pharma-Kampagne zählt,
Tropen- und Armutskrankheiten analysieren

                                                                                                                        Foto: J. Schaaber
und schließen. Die internationale Debatte
um eine bessere Forschungspolitik ist damit
eröffnet. Die Pharma-Kampagne hatte sich
mit Partnerorganisationen aus dem In- und
   Ausland intensiv dafür eingesetzt.

     Juni 2006
     Die Pharma-Kampagne macht erstmals
     Schule: Unter dem Titel Kranke Kinder –
     Kranke Welt werden von der Kampagne                         Podium mit (von links): E. t‘ Hoen, A. Kiani, H. Ho-
                                                                 gerzeil, R. Lopez, M. Khor
     Unterrichtsmappen zum Thema „Gesund­
     heit und Dritte Welt“ für alle Altersstufen                 feiert seinen 25. Geburtstag. Zwei Vertreter
     veröffentlicht und finden reißenden Absatz.                 der Kampagne nehmen an der hochkarätig
                                                                 besetzten internationalen Tagung48 und dem
     11. August 2006                                             Festakt in Amsterdam teil und überbringen
Das Aktionsbündnis gegen AIDS übergibt in                        Glückwünsche.
Berlin über eine Viertelmillion Schachteln
mit Unterschriften an die Pharmaindustrie.                       November 2006
Die zentralen Anliegen der Aktion „Pillen                        Die Regisseurin T. Jayashree                           Foto: J. Schaaber

statt Profit“ sind die Bereitstellung von an-                    stellt ihren für die BUKO Phar-
gepassten Dosierungen zur Behandlung von                         ma-Kampagne produzierten
Kindern, bezahlbare Preise sowie der ver-                        Film „Eine Frage der Mensch-
bindliche Verzicht auf die Durchsetzung von                      lichkeit“ in Deutschland vor
Patenten in ärmeren Ländern. Sechs von sie-                      und diskutiert ihn bei meh-
                ben Unternehmen kamen der                        reren Film-Vorführungen mit
              Foto: J. Schaaber

                Einladung nicht nach.                            dem Publikum.

                                  September 2006                 27. November 2006
                                  Die BUKO Pharma-Kampagne       Die BUKO Pharma-Kampagne deckt auf, dass
                                  feiert vom 15.-16.9. im        Boehringer Ingelheim in Indien –­trotz gegen-
                                  Bielefelder Jugendgästehaus    teiliger Beteuerungen –­ einen Patentantrag
                                  ihr 25-jähriges Bestehen mit   auf seinen unentbehrlichen Aids-Sirup für
                                  einem Symposium. Rund          Kinder gestellt hat. Report Mainz berichtet
                                  100 Fachleute und inter-       ausführlich.

16                                                                                    40 Jahre Pharmakritik
Dezember 2006                                  Lizenzgebühren in Afrika und allen anderen
Das Bundeskabinett verabschiedet einen         sehr armen Ländern. Gemeinsam mit medico
Gesetzentwurf zur Errichtung einer Deutschen   international und attac startet die Pharma-
Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur       Kampagne eine Unterschriftenaktion, um
(DAMA).      Die    Arzneimittelkontrolle in   Boehringer Ingelheim zum Rückzug des
Deutschland soll nach kommerziellen            Patentantrages in Indien zu drängen.
Gesichtspunkten umorganisiert werden. Die
Pharma-Kampagne veröffentlicht kurz darauf     Juni 2007
eine detaillierte Kritik.49                    Nachdem Thailand eine Zwangslizenz auf
                                               das AIDS-Medikament Kaletra® (Ritona­
Januar 2007                                    vir/Lopinavir)     er-
Die Initiative unbestechlicher Ärztinnen       teilt hat, zieht der
und Ärzte – Mezis e.V. (Mein Essen zahl´       Hersteller Abbott
ich selbst) wird offizi-                       die     Zulas­sungs­­
ell gegründet. Die BUKO                        anträge für sieben
Pharma-Kampagne.       ist                     Medika­men­te zu-
im Vorstand vertreten.                         rück. Die Pharma-
Der Verein wehrt sich gegen Beeinflussung      Kam­pagne         un-
durch PharmareferentInnen, die Mitglieder      terstützt    thailän-
verpflichten sich, keine Werbegeschenke        dische     Gruppen,
oder Einladungen zum Essen anzunehmen.         die gegen diese
                                                                                                            Foto Wolfram Schaffar
www.mezis.de                                   Erpressungsmaß­nahme protes­tie­ren.52

März 2007                                      6.-8. Juni 2007
Gemeinsam mit Gruppen aus aller Welt           In Heiligendamm treffen sich die G8-Staaten.
und    Persönlichkeiten  wie   Erzbischof      Hier geht es unter anderem um geistige
Desmond Tutu und John le Carré wird                                             Eigentumsrechte.
Novartis aufgefordert, seine Patentklage                                        Eine Verschärfung
für das Krebsmedikament Glivec® in Indien                                       der Patentgesetz­
zurückzuziehen.50                                                               ge­bung droht, den
                                                                                Zugang zu Arz­nei­
April 2007                                                                      mitteln insbeson-
Wir veröffentlichen eine erste Kritik am                                        dere in ärmeren
Konzept des „Advance Market Commitment“                                         Ländern zu ver-
(AMC), mit dem die Forschung zu vernach-                                        schlechtern. Das
lässigten Krankheiten durch eine Abnahme­                                       St r a ß e n th e a t e r
garantie für den zu entwickelnden Wirkstoff                                     Schluck & weg
                                                              Foto: J. Folchert
angekurbelt werden soll.51                                                      macht mit seinem
                                               Stück: „Robin Hood befreit das Wissen“ in
Mai 2007                                       Rostock wie anderswo witzig und bissig auf
Gemeinsam mit dem Aktionsbündnis gegen         die Problematik aufmerksam.
AIDS trifft sich die Pharma-Kampagne mit
der Pharmafirma Boehringer Ingelheim. Der      Juli 2007
Konzern soll in Indien seinen Patentantrag     Die Pharma-Kampagne koordiniert die globa-
auf den unentbehrlichen Aids-Sirup für         len Aktivitäten der HAI-Mitglieder zum Thema
Kinder zurückziehen. Boehringer Ingelheim      „Forschung für vernachlässigte Krankheiten“
reagiert mit einem sogenannten Non-Assert-     und vertritt sie auch bei den Verhandlungen
Agreement und verzichtet damit auf die         der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum
Durchsetzung der Patentrechte sowie auf        sogenannten IGWG-Prozess (Inter­govern­

Chronologie der BUKO Pharma-Kampagne 1981-2021                                                        17
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