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8 Thesen zum Innovationsfonds –
aus der Sicht der BARMER GEK

CHRISTOPH STRAUB,                      Die Diskussion der Akteure im Gesundheitswesen
MICHAEL HÜBNER,                        über eine geeignete Form der Förderung von
CHRISTIAN GRAF
                                       Innovationen ist nicht neu und wird nicht zuletzt
Dr. Christoph Straub ist               in Verbindung mit der Entwicklung der Integrierten
­Vorsitzender des Vorstandes
 der BARMER GEK, Berlin                Versorgung sowie der Selektivverträge geführt. Die
                                       Verankerung des Innovationsfonds im Koalitionsvertrag
Michael Hübner ist Leiter des
Bereiches Ambulante Versor-            ist eine wichtige Entscheidung des Gesetzgebers,
gung/Pflege/Innovation der             die Förderung von innovativen sektorübergreifenden
BARMER GEK-Hauptver-
waltung in Wuppertal                   Versorgungsformen und der Versorgungsforschung
                                       auf einen neuen Weg zu bringen. Damit das Projekt
Dr. Christian Graf ist Leiter
der Abteilung Produktent-              „Innovationsfonds“ gelingt, gilt es – resultierend aus
wicklung/Versorgungsma-                den bisherigen Erfahrungen im Zusammenhang mit
nagement/Prävention der
BARMER GEK-Hauptver-                   Innovationsimplementierungen – ein praktikables
waltung in Wuppertal                   Regelwerk zu entwickeln, das den Zugang neuer
                                       Versorgungsformen ins System ermöglicht und die
                                       Wissenschaft mit der Praxis stärker vernetzt.

                                       Einführung                                                      professionsübergreifenden Versorgungs-
                                                                                                       gestaltung außerhalb der GKV Regel-
                                       Der von der Bundesregierung geplante                            versorgung sein soll. Nicht zuletzt nach
                                       Innovationsfonds soll der Förderung                             den Erfahrungen mit den DMP und der
                                       innovativer sektorübergreifender Ver-                           IV ist diese Form der Einflussnahme mit
                                       sorgungsformen und der Versorgungs-                             zahlreichen Risiken und Nebenwirkun-
                                       forschung im deutschen Gesundheitswe-                           gen, aber auch mit ein paar Chancen
                                       sen dienen. Damit wird das Instrument                           verbunden.
                                       direkter monetärer Anreize für die Wei-                            Der nachfolgende Beitrag skizziert
                                       terentwicklung von Versorgungsstruk-                            anhand von 8 Thesen die notwendigen
                                       turen und -prozessen in der politischen                         Rahmenbedingungen für ein Gelingen
                                       Steuerung wieder aufgenommen. Nach                              des Innovationsfonds und zeigt die Hin-
                                       der „RSA-Koppelung“ von Disease                                 tergründe aus der einzelwirtschaftli-
                                       Management Programmen (DMP) von                                 chen Perspektive einer Krankenkasse
                                       2002 bis 2008 und der „Anschubfinan-                            im GKV Wettbewerb auf. Dabei liegt
                                       zierung“ für die Integrierte Versorgung                         ein Schwerpunkt der Betrachtung auf
                                       (IV) zwischen 2004 und 2008 ist dies                            der Rolle dieses Wettbewerbs, dem
                                       der dritte Akt politischer Einflussnahme                        Selektivvertragshandeln und der Not-
                                       in die Mechanismen des GKV Wettbe-                              wendigkeit, zukünftig noch stärker zu
                                       werbs, der idealerweise ein Wettbewerb                          einem Miteinander von Wissenschaft
                                       um die Verbesserung der Versorgung,                             und Praxis, also zwischen der Versor-
                                       insbesondere für chronisch kranke Ver-                          gungsforschung und dem Versorgungs-
                                       sicherte und damit einhergehend um                              und Vertragsmanagement der Kranken-
                                       Verträge zur sektorübergreifenden und                           kassen, zu gelangen.

                                               https://doi.org/10.5771/1611-5821-2014-2-26
26        G+S     2/2014               Generiert durch IP '46.4.80.155', am 20.10.2021, 23:43:29.
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1. Die Innovationsförderung                  usw.), dringlich ist die Steigerung des    wie Arztnetze, indikations- oder popu-
erfolgt auf Grundlage von                    damit erreichten Erfolgs. Dieser kann      lationsbezogene Integrierte Versorgung
Verträgen im Rahmen des SGB V                nur über eine bessere, sektoren- und       und Prozessinnovationen wie das Chro-
                                             berufsgruppenübergreifende Integrati-      nic Care Modell propagiert und in ver-
„Zur Förderung innovativer sektorüber-       on und Koordination der Ressourcen         schiedenen Rechtsnormen außerhalb der
greifender Versorgungsformen und für         gelingen. Das Ziel ist vereinfacht for-    Regelversorgung (§§ 63 bis 65, 73a, 73b,
die Versorgungsforschung wird ein In-        muliert die Steigerung der „community      73c, 137f, 140 ff. SGB V) ermöglicht.
novationsfonds geschaffen“. Aus diesem       effectiveness“. Die häufig unzureichend       Diese Handlungsfelder werden auch
werden „für Versorgungsleistungen, die       gesteuerte Einführung von „Produk-         im Innovationsfonds adressiert. Dabei
über die Regelversorgung hinausgehen,        tinnovationen“ schwächt dagegen nicht      regelt etwa das heutige Selektivvertrags-
Mittel in Höhe von insgesamt 225 Mio.                                                             recht, dass primär Abweichun-
Euro und für Versorgungsforschung Mit-                                                            gen von den Regelungen des 4.
tel in Höhe von insgesamt 75 Mio. Euro         Wenn im System der GKV die                         Kapitels des SGB V (Beziehun-
verwendet“ (Koalitionsvertrag S. 77).
    Die erste Frage, die sich in Bezug auf
                                               Notwendigkeit rascherer und                        gen der Krankenkassen zu den
                                                                                                  Leistungserbringern) möglich
die Ausgestaltung eines innovationsför-        durchgreifender "Innovationen" sind (§ 140a SGB V). Es geht
dernden Fonds stellt, ist die nach der
Definition von „innovativ“! Anknüpfend
                                               diskutiert wird, so durchgängig also                    um neue Vertragsformen
                                                                                                  zwischen Krankenkassen und
an die Diskussion von Produktinnovatio-        im Sinne eines effizienteren                       Leistungserbringern, die von
nen vs. Prozessinnovationen im Gesund-
heitswesen (z.B. Schmeinck 2006) wird
                                               Ressourcen-Einsatzes.                              den sonstigen Regelungen des
                                                                                                  Vertragsrechts in der GKV Re-
schnell deutlich, dass der Schwerpunkt                                                            gelversorgung abweichen kön-
des Fonds unbedingt auf dem Bereich der      selten das formulierte Ziel der Effizienz. nen. Eine Abweichung kann sich zum
„Prozessinnovation“ liegen sollte, also      Die ordnungspolitische Reaktion war die einen aus dem Sinn und der Eigenart
neuen Organisationsformen, die Prozesse      stufenweise Einführung und Verstärkung der selektiven Versorgung ergeben (z. B.
der Gesundheitsversorgung effektiver,        der Nutzenbewertung für „Produktin- von der Regelversorgung abweichende
patientengerechter und effizienter gestal-   novationen“ in der GKV. Mittlerweile Vergütungsregelungen mit dem Ziel,
ten. Die „Produktinnovation“, sprich der     unterliegen die „Produktinnovationen“ spezifische Anreize zu setzen und die
medizinisch technische Fortschritt bei       im GKV System differenzierten Kriterien Effizienz zu steigern). Sie kann zum an-
Arzneimitteln, Medizinprodukten und          der kollektiven Nutzenbewertung (G- deren auch z.B. dadurch begründet sein,
medizinischen Geräten sowie komplexen        BA), was unter dem Aspekt der Sicherung dass die Qualität, die Wirksamkeit und
Technologien, wie z.B. der sogenannten       von Qualität und Wirtschaftlichkeit wie die Wirtschaftlichkeit der Selektivversor-
„individualisierten onkologischen Thera-     auch des Patientenschutzes unbestritten gung verbessert werden (z. B. gesonderte
pie“ inklusive der vorangehenden geneti-     sinnvoll ist. Ein Handlungsbedarf in Be- Qualitätskriterien für Struktur, Prozess
schen Diagnostik, scheint, über alles be-    zug auf die Angleichung der Regelungen und Ergebnis der Leistung; Koordination
trachtet, hinreichend gesichert. Die „Pro-   zwischen ambulant-ärztlicher Versor- der Versorgung etc.).
duktinnovationen“ werden überwiegend         gung einerseits und dem Arzneimittel-         Ein Abweichen vom Leistungsrecht
von großen kapitalstarken Unternehmen        und Krankenhausbereich andererseits der GKV (drittes Kapitel des SGB V)
getragen oder aufgegriffen und in Rich-      („Erlaubnisvorbehalt“ vs. „Verbots- ermöglicht das heutige Selektivver-
tung auf einen zunehmend globalen Ge-        vorbehalt“) wird in der Tendenz eher tragsrecht hingegen nur an einer Stelle,
sundheitsmarkt entwickelt. Eine natio-       in Richtung einer generellen Nutzenbe- nämlich in Bezug auf die Möglichkeit,
nale Förderung über einen kollektiven        wertung vor Markteinführung von Pro- Leistungen, über deren Eignung als
Fonds könnte nur zum Ziel haben, den         duktinnovationen gesehen (Hess 2010). Leistung der Krankenversicherung der
Anteil innovativer „deutscher“ Produkte         Die Diskussion neuer Versorgungs- Gemeinsame Bundesausschuss keine ab-
zu erhöhen und/oder kapitalschwachen         formen (als Prozessinnovationen) setzt lehnende Entscheidung getroffen hat, zu
Innovatoren („start up – Unternehmen“)       seit Jahrzehnten an den wesentlichen vereinbaren (§ 140b Abs. 3 Satz 4 SGB
die notwendige Kapitalkraft zu sichern.      Kernproblemen der sektoralen Abgren- V). Damit wird der für den stationären
Beide Aspekte gehören eindeutig in den       zung (u.a. ambulant – stationär), der Bereich geltende „Verbotsvorbehalt“ u.a.
Bereich der Wirtschaftsförderung und         mangelnden Kooperation und Kommu- auf den ambulanten Bereich im Rahmen
damit nicht in den Regelungskreis des        nikation zwischen den Behandlern (z.B. der integrierten Versorgung ausgedehnt.
Sozialgesetzbuches. Wenn im System der       Hausarzt – Facharzt), der inadäquaten         Wenn man unterstellt, dass der
GKV die Notwendigkeit rascherer und          Berücksichtigung der Belange chronisch Rechtsrahmen des SGB V auch für den
durchgreifender „Innovation“ diskutiert      kranker Patienten (Aktivierung, konti- Innovationsfonds Gültigkeit haben muss,
wird, so durchgängig im Sinne eines ef-      nuierliches Krankheitsmanagement) und so ist eine logische Voraussetzung für
fizienteren Einsatzes der im internatio-     der bestehenden Arztzentrierung mit un- förderungswürdige Projekte immer auch
nalen Vergleich reichlich eingesetzten       zureichenden strukturellen Einbindung ein Vertrag zwischen Krankenkasse(n)
Ressourcen. Zahl und Qualifikation von       nichtärztlicher Gesundheitsberufe, z.B. und Leistungserbringern. Da es sich
persönlichen und sächlichen Ressour-         durch Delegation oder Substitution, an. allgemein um Leistungen „über die Re-
cen ist hoch (Krankenhäuser, Fachärzte,      Entsprechend werden seit über 15 Jahren gelversorgung hinausgehend“ handeln
(Groß)Geräte, verfügbare Arzneimittel        neue kooperative Organisationsmodelle soll, folgt weiterhin, dass diese Verträge

                                                        https://doi.org/10.5771/1611-5821-2014-2-26
                                                Generiert durch IP '46.4.80.155', am 20.10.2021, 23:43:29.          G+S   2/2014   27
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selektiv, von einer oder mehreren Kran-     der vorgelegten Verträge konnten hin-                           sei, wenn es sich dabei tatsächlich um
kenkassen, mit den jeweiligen Leistungs-    gegen aus unterschiedlichen Gründen                             überwiegend regelleistungsersetzende
erbringergruppen geschlossen werden.        nicht gestartet werden. Dabei stehen                            Inhalte handelte. Im heutigen Kontext
Antragsteller für Fondsleistungen sind      zahlreiche Detailfragen wie Teilnahme-                          der Integrierten Versorgung ohne An-
somit immer Vertragspartner (Kranken-       bedingungen und Verfahren bei Versi-                            schubfinanzierung erscheint eine solche
kassen und Leistungserbringer) eines Se-    cherten und Leistungserbringern, der                            Schlussfolgerung praktisch überholt. Für
lektivvertrags.                             Zulassungsstatus und andere Fragen der                          eine rechtliche Klarstellung, dass die In-
                                            sektorübergreifenden Versorgung sowie                           tegrierte Versorgung zukünftig auch auf-
2. Eine Reform des Selektivver-             insbesondere die Budgetbereinigung und                          bauend auf der Regelversorgung („add
tragsrechts ist notwendig, um               Regelleistungsersetzung im Fokus.                               on“) möglich sein sollte, sprechen meh-
                                               Insbesondere die Vergütungspraxis                            rere Gründe:
bestehende Hürden für innovative
                                            reiner „Add on“-Vergütungen ist mit
Versorgungsformen abzubauen                 dem aktuellen Gesetz sowie Recht-                               ■■   Die Praxis insbesondere bei den poli-
Erfreulicherweise hat die Regierungs-       sprechung nicht vereinbar. In § 140c                                 tisch so oft gepriesenen „Populations-
koalition neben der Ankündigung des         Abs. 1 SGB V heißt es dazu: „Die Ver-                                modellen“ mit Arztnetzen zeigt, dass
Innovationsfonds einen weiteren zentra-     träge zur integrierten Versorgung legen                              vor allem ergebnisorientierte Hono-
len Punkt zur Stärkung von Selektivver-     die Vergütung fest. Aus der Vergütung                                rarmodelle gewünscht und von den
trägen im Koalitionsvertrag adressiert:     für die integrierten Versorgungsformen                               Krankenkassen auch angeboten wer-
   „Die Krankenkassen müssen Freiräu-       sind sämtliche Leistungen, die von teil-                             den können. Das „BrAVo-Konzept“
me erhalten, um im Wettbewerb gute          nehmenden Versicherten im Rahmen                                     der BARMER GEK zur Förderung
Verträge gestalten und regionalen Be-       des vertraglichen Versorgungsauftrags                                von Arztnetzen basiert auf einem
sonderheiten gerecht werden zu können.      in Anspruch genommen werden, zu                                      Kennzahlensystem, aus dem eine
Für die verschiedenen Möglichkeiten zur     vergüten. Dies gilt auch für die In-                                 solche ergebnisorientierte Vergütung
Vereinbarung von integrierten und selek-    anspruchnahme von Leistungen von                                     „add on“ abgeleitet wird (Laag et al.
tiven Versorgungsformen (§§ 63 bis 65,      nicht an der integrierten Versorgung                                 2013). Auch andere Vertragskonzepte
73a, 73b, 73c, 140a ff. SGB V) werden       teilnehmenden Leistungserbringern,                                   wie etwa das „Gesunde Kinzigtal“
die rechtlichen Rahmenbedingungen an-       soweit die Versicherten von an der in-                               beinhalten einen erfolgsorientierten
geglichen und bestehende Hemmnisse          tegrierten Versorgung teilnehmenden                                  pauschalierten Vergütungsansatz un-
bei der Umsetzung beseitigt. Gleichartig    Leistungserbringern an die nicht teil-                               ter Beibehaltung der Vergütungen in
geregelt werden insbesondere die Evalu-     nehmenden Leistungserbringer überwie-                                der Regelversorgung (Hermann et al.
ation integrierter und selektiver Versor-   sen wurden oder aus sonstigen, in dem                                2006).
gungsformen durch eine Vereinbarung         Vertrag zur integrierten Versorgung                             ■■   Der zukünftige Innovationsfonds
der Vertragspartner sowie der Nachweis      geregelten Gründen berechtigt waren,                                 muss so angelegt sein, dass eine Ver-
der Wirtschaftlichkeit gegenüber der zu-    nicht teilnehmende Leistungserbringer                                mischung von „On Top“ Leistungen
ständigen Aufsichtsbehörde nach jeweils     in Anspruch zu nehmen.“                                              und Vergütung mit der Regelversor-
vier Jahren. Wir werden Regelungen             Die Tatsache, dass eine Integrierte                               gung weitest möglich vermieden wird.
zur Mindestdauer und zur Substitution       Versorgung nach §§ 140a-d SGB V nur                                  Andernfalls würde sich verstärkt die
der Regelversorgung aufheben und die        dann gegeben sei, wenn ein überwiegen-                               Frage der „Doppelfinanzierung“ be-
Bereinigungsverfahren vereinfachen.“        der Regelleistungsersatz vorliegt, wur-                              reits bestehender Regelleistungen aus
(Koalitionsvertrag, S. 67)                  de hingegen aus dem BSG Urteil vom                                   dem Fonds stellen oder alternativ die
   Mit Einführung der BVA Vorlage-          06.02.2008 abgeleitet: Dort wurde am                                 bestehenden Budgetbereinigungspro-
pflicht ab 2012 sind an verschiedenen       Fall des BARMER GEK Hausarzt- und                                    bleme umso geballter auf den Fonds
Stellen zentrale rechtliche Problem-        Hausapothekenvertrages vor dem Hin-                                  projizieren (Amelung 2013).
stellungen sichtbar gewor-                                                                                  ■■   Schließlich zeigen die Erfahrungen der
den, die bis dato – nach dem                                                                                     letzten Jahre u.a., dass die Vorstel-
Motto „wo kein Kläger, da          Für eine rechtliche Klarstellung,                                            lung einer kompletten Ablösung der
kein Richter“ – über vie-
le Jahre der Vertragspraxis
                                   dass die Integrierte Versorgung                                               Regelversorgung (KV System) durch
                                                                                                                 Selektivverträge weder realistisch
unerkannt blieben. So hat          zukünftig auch aufbauend auf                                                 noch wünschenswert ist. Vielmehr
die aus unserer Sicht enge
Rechtsauslegung des BVA im
                                   der Regelversorgung („add on“)                                                haben sich Strategien durchgesetzt,
                                                                                                                 das Selektiv- und Kollektivvertragswe-
Ergebnis die Mehrzahl neu          möglich sein sollte, sprechen                                                 sen nebeneinander und idealerweise
entwickelter Selektivverträ-
ge seit 2012 verhindert. Die
                                   mehrere Gründe.                                                              einander ergänzend zu entwickeln.
                                                                                                                 Ein Beispiel dafür ist die Förderung
BARMER GEK hat in dieser                                                                                         von Arztnetzen im KV System nach
Zeit 40 neue Selektivverträge (auf Basis tergrund der zu dem Zeitpunkt beste-                                    § 87b SGB V, die erst eine darauf auf-
§§ 73c bzw. 140a-d SGB V) vorgelegt. henden Anschubfinanzierung abgeleitet,                                      bauende wettbewerbliche Vertragsge-
Hiervon wurden lediglich 12 Verträge dass eine solche Anschubfinanzierung                                        staltung mit einzelnen Krankenkassen
durch das BVA toleriert und von den (bis zu 1% der ambulanten und stationä-                                      um deren spezifische Ziele ermöglicht
Vertragspartnern umgesetzt. 70 Prozent ren Regelversorgung) nur dann zulässig                                    (Laag et al. 2013).

                                                    https://doi.org/10.5771/1611-5821-2014-2-26
28        G+S     2/2014                    Generiert durch IP '46.4.80.155', am 20.10.2021, 23:43:29.
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THEMA

■■   Ein weiteres Problem, das sich aus        ■■   von den Richtlinien des Bundesaus-                         Prinzip der Substitution. Vertragsärzt-
     dem Anspruch „Regelleistungen zu               schusses der Ärzte und Krankenkas-                         liche Leistungen, die in der Regelversor-
     ersetzen“ ergibt, ist, dass alle (aus-         sen. Dies aber nur insofern, als die                       gung aus der Gesamtvergütung zu hono-
     schließlich) auf eine bessere Doku-            Abweichung die Qualität und Wirk-                          rieren seien, würden durch Leistungen
     mentation, Koordination und Inte-              samkeit der Versorgung verbessert.                         im Rahmen eines vertraglich gesteuerten
     gration von Versorgung gerichteten             Die Richtlinien sind quasi als Min-                        Versorgungsmanagements ersetzt und
     Projekte nicht zulässig wären. Häufig          deststandard zu betrachten, der se-                        nicht mehr aus der Gesamtvergütung,
     ist das angemessene Ziel (ergänzender)         lektivvertraglich nicht unterschritten                     die entsprechend zu bereinigen sei,
     selektivvertraglicher Regelungen aber          werden darf,                                               sondern einzelvertraglich honoriert.
     exakt diese „ ergebnisorientierte Opti-   ■■   den Regelungen zur Vergütung der                           Daraus sei insgesamt abzuleiten, dass
     mierung vorhandener Ressourcen im/             Leistungserbringer,                                        Behandlungsleistungen, die im Rahmen
     über den Prozess“.                        ■■   den Regelungen zur Qualitätssiche-                         der Integrierten Versorgung erbracht
                                                    rung, sofern der dort beschriebene                         werden, solche der Regelversorgung in
Die aus dem Versorgungsstrukturge-                  Standard nicht unterschritten wird.                        der vertragsärztlichen oder stationären
setz 2012 resultierende Vorlagepflicht                                                                         Versorgung zumindest überwiegend er-
hat somit selbst zu einer weitgehenden         Grundsätzlich unzulässig wäre es dem-                           setzen müssen.
Blockade innovativer Versorgungsfor-           gegenüber weiterhin, von dem im Dritten                            Unter diesen Rahmenvorgaben wird
men geführt. Der Abbau dieser Hürden           Kapitel niedergelegten Leistungsrecht                           die Umsetzung innovativer Vertragsideen
und der dahinterliegenden rechtlichen          (Beziehung zwischen Kranken-
Unklarheiten im Selektivvertragsbereich        kasse und Versicherten) abzu-
sollte daher oberste Priorität haben. Da-      weichen, d. h. von den Vor-       Selektive Vertragsmodelle
mit wird schließlich auch eine wichtige        schriften, die den Umfang der
Voraussetzung geschaffen, dass ein Inno-       den Versicherten zu stellenden    können eine fundamentale
vationsfonds überhaupt die gewünschte          Leistungen beschreiben. Eine      Konkurrenz – keine
Wirksamkeit zur zielgenauen Förderung          Ausnahme gilt lediglich inso-
innovativer Versorgungsformen entfalten        fern, dass wie auch im jetzigen   Substitution – bestehender
kann.                                          § 140b Abs. 3 Satz 4 SGB V        Versorgungsstrukturen sein.
   Für die Frage, welche konkreten Än-         auch neue Untersuchungs- und
derungen an den Selektivvertragsnormen         Behandlungsmethoden in den
erforderlich scheinen, sind nachfolgend        Versorgungsauftrag einer selektivver- massiv erschwert. War die Umsetzung
die wesentlichen Problempunkte zusam-          traglichen Versorgung einbezogen wer- schon bislang aufgrund der interpretati-
mengefasst:                                    den dürfen (Verbotsvorbehalt).           onsbedürftigen Voraussetzungen der be-
                                                                                        stehenden Rechtsgrundlagen mit einem
■■   divergierende Regelungen innerhalb        3. „Add on“ Modelle ohne                 nicht unerheblichen unternehmerischen
     der Selektivvertragsnormen (ins-          Regelleistungsersatz sind                Risiko behaftet, sind die Vertragspartner
     besondere §§ 73b, c und 140a ff.                                                   nunmehr aufgrund der Rechtsprechung
                                               zukünftig das Mittel der Wahl
     SGB V),                                                                            gezwungen, in erheblichem Maße Leis-
■■   die zwingende Verknüpfung von Se-         Aus der vorangegangenen Auseinan- tungen aus der Regelversorgung in die
     lektivverträgen mit der Budgetberei-      dersetzung mit dem Status Quo der Integrierte Versorgung zu überführen
     nigung,                                   Rahmenbedingungen zum selektiven und diese Leistungen dann u.a. mit gro-
■■   Interpretationsspielraum (Rechtsun-       Kontrahieren soll eines deutlich werden: ßem administrativen Aufwand zu berei-
     sicherheit) zum zulässigen bzw. er-       Selektive Vertragsmodelle können, müs- nigen. Dies alles auch dann, wenn es den
     forderlichen Versorgungsumfang der        sen aber keinesfalls eine fundamentale Parteien einzig darum geht, innovative
     heutigen Regelungen zur Integrierten      Konkurrenz, keine Substitution beste- Leistungen oder bloße Vernetzungs- und
     Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V         hender Versorgungsstrukturen sein.       Managementleistungen zu etablieren.
     (insbesondere Regelleistungserset-           Auslöser für die im juristischen Um- Das eigentliche Defizit, die fehlende
     zung).                                    feld gebildete Theorie der Substituti- Koordination und das Management
                                               on (Regelleistungsersatz) ist wie oben zwischen den einzelnen Leistungsberei-
Um zu verhindern, dass an dem durchaus         beschrieben insbesondere die Recht- chen, erhält dadurch einen sekundären
fragilen Konstrukt diverser Rechtsnor-         sprechung des Bundessozialgerichts Charakter.
men weiter „iterativ“ verfeinert wird          vom 06.02.2008 zum BARMER GEK               Um es in einem Bild zu sagen: Der
und dies neue ungewollte Implikatio-           Hausarzt- und Hausapothekenvertrag. Rechtsprechung folgend geht es bei
nen auslöst, erscheint es geboten, eine        So sieht das Bundessozialgericht das Er- innovativen Versorgungsformen nicht
neue, universelle und knapp gefasste           fordernis der Substitution der Regelver- mehr darum, mit einzelnen Vertrags-
Vertragsgrundlage zu schaffen. Diese           sorgung. Dieses Erfordernis begründet partnern und innovativen Ideen eine
gestattet den Vertragspartnern im Kern,        das Bundessozialgericht mit der Kon- „Gelenkschmiere“ zwischen den Kno-
„Abweichendes“ von den Vorschriften            zeption der Integrierten Versorgung als chen einzufügen, nun müssen ganze Kno-
des Vierten Kapitels des SGB V“ zu ver-        Alternative zur Regelversorgung. Das chenteile aus der kollektivvertraglichen
einbaren. Demnach kann insbesondere            alternative Versorgungskonzept beruhe Regelversorgung herausoperiert werden,
abgewichen werden                              begrifflich wie systematisch auf dem um sie mit einem hohen Aufwand über

                                                          https://doi.org/10.5771/1611-5821-2014-2-26
                                                  Generiert durch IP '46.4.80.155', am 20.10.2021, 23:43:29.                 G+S     2/2014          29
                                           Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
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                                              Tabelle 1: Selektivverträge der BARMER GEK (§§ 140a-d, 73a, 73c SGB V)
Selektivverträge wieder als „künstli-
che“ Regelversorgung zu implantieren.
Das Optimieren von Koordination und                            Versorgungsbereich                                 Anzahl Verträge
Management – dem eigentlichen An-
liegen der Integrierten Versorgung zur          Endoprothetik (Hüfte, Knie)                                             55
Behebung der Schnittstellen – wird von          Ambulantes Operieren                                                    32
der Last der Regelversorgung quasi er-
drückt. Dieses zum einen aufgrund des           Kardiologie                                                             25
aufwändigen Bereinigungsverfahrens.             Onkologie                                                               25
Zum anderen aber können und wollen
die Parteien nicht die Regelversorgung,         Augenerkrankungen                                                       20
in die sie eingebettet sind, grundsätzlich      HNO (Kinder)                                                            18
neu erfinden, sondern sie möchten die
bestehenden Sektoren koordinieren und           Hautkrebsvorsorge                                                       12
vernetzen.                                      Versorgungsnetze                                                        10
                                                Diabetes / Diabetischer Fuß                                             10
4. Die Möglichkeit der
Förderung aus dem                               Psychische Erkrankungen                                                  9
Innovationsfonds darf den                       Rheuma                                                                   7
Wettbewerb der Krankenkassen
                                                Parkinson                                                                6
nicht konterkarieren
Auch ohne externe finanzielle Förde-            Homöopathie                                                              5
rung konnte in der GKV in den letzten           Rückenerkrankungen                                                       5
Jahren ein breites Spektrum innovati-
ver Versorgungsformen etabliert wer-            Geriatrie                                                                5
den. Hauptauslöser war zunächst die             Wundversorgung                                                           4
Anschubfinanzierung von bis zu 1% der
ambulanten und stationären Leistungen           Schlaganfall                                                             4
zwischen 2004 und 2008. Doch auch               Kinder-Palliativmedizin                                                  3
nach Beendigung der Anschubfinanzie-
rung konnte dieser Bereich weitgehend           Osteoporose                                                              2
erhalten bleiben. Nach einer Umfrage            Neurochirurgie                                                           2
des Sachverständigenrates sank die Zahl
                                                Suchterkrankungen                                                        2
der Integrationsverträge in der GKV von
2008 auf 2009 nur um rund 2 Prozent             Pädiatrische Erkrankungen                                                2
und pendelte sich in den Folgejahren bis
                                                Muskelschwäche bei Kindern                                               1
2011 auf eine relativ konstante Zahl von
gut 6.300 Verträgen ein. In diesem Zeit-        Extremitätenchirurgie                                                    1
raum ist die Zahl der Teilnehmer um
                                                ADHS                                                                     1
knapp 16% auf 1,9 Mio. Versicherte und
das Umsatzvolumen um 10% auf rund               Asthma/COPD                                                              1
1,3 Mrd. Euro angestiegen (SVR 2012,
                                                HNO (Cochlea-Implant)                                                    1
S. 110). Nach der amtlichen Statistik
KJ1 beliefen sich die GKV-Ausgaben im           Kopfschmerz/Migräne                                                      1
Jahr 2012 für Integrierte Versorgung
                                                Polysomnographie                                                         1
auf 1,45 Mrd. Euro, für die besondere
ambulante ärztliche Versorgung (§ 73c)          Mammadiagnostik                                                          1
auf 98 Mio. Euro und für Hausarztver-
                                                Gefäßerkrankung                                                          1
träge auf 646 Mio. Euro. Einschließlich
der DMP (6,3 Mio. Versicherte lt. KM            Nephrologie                                                              1
6 Statistik 20013) werden somit in der          Neurologie                                                               1
GKV rund 3 Mrd. Euro für innovati-
ve Versorgungsformen ausgegeben. Die            Stoffwechselerkrankung                                                   1
BARMER GEK verfügt aktuell neben                Mukoviszidose                                                            1
der hausarztzentrierten Versorgung und
den DMP über 280 laufende Selektivver-          Hämophilie                                                               1
träge (s. Tabelle 1).                           Epilepsie                                                                1
   Befürchtungen, dass der Wegfall der
Anschubfinanzierung unter den Bedin-            Behindertenversorgung                                                    1

                                                      https://doi.org/10.5771/1611-5821-2014-2-26
30        G+S      2/2014                     Generiert durch IP '46.4.80.155', am 20.10.2021, 23:43:29.
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gungen des Gesundheitsfonds zu einem sorgung, besondere Prävalenzen) oder                                   ist dabei vielfach nicht nur methodisch
Einbruch der Selektivverträge und neu- b) der Anzahl und Qualität innovativer                               nicht überlegen, sondern induziert nur
en Versorgungsformen führen würden, Versorgungsideen (einschließlich der                                    zusätzliche Kosten, die die Gesamtwirt-
blieben somit weitgehend unbegründet. Vertragspartner, die für eine qualifizier-                            schaftlichkeit der Projekte belasten und
Wenn gleichwohl der zögerliche Aus- te Umsetzung bereit stehen). Der Fonds                                  so als „Fortschrittsbremse“ wirken. Ef-
bau neuer Selektivverträge beklagt wird, muss für eine sachgerechte Verteilung                              fektivität und Effizienz lassen sich aus
mögen die dafür maßgeblichen Gründe sorgen, die einen Ideenwettbewerb und                                   methodischer Sicht immer dann einfach
u.a. rechtlicher Natur sein (s. Thesen 2 Innovationsgeist fördert und die Prob-                             abbilden, wenn Plandaten etwa über das
und 3). Darüber hinaus sind                                                                                 Umsatzvolumen, die Teilnehmerzahl und
insbesondere die in Verbin-
dung mit den viel beklagten
                                   Der Fonds muss für eine                                                 z.B. über definierte Erfolgskennzahlen
                                                                                                            im Sinne eines Soll-Ist-Vergleichs veri-
Evaluationsproblemen zu            sachgerechte Verteilung sorgen,                                          fiziert werden. Wenn z.B. das Ziel ge-
betrachtenden Unklarheiten
über den erwarteten Nutzen
                                   die einen Ideenwettbewerb und                                            setzt wird, die Zahl der Rückenopera-
                                                                                                            tion in einer definierten Region im Jahr
und den „Return on Invest“         Innovationsgeist fördert und                                             1 nach der Vertragsumsetzung um 20
zu nennen (s. These 6).
   Der Innovationsfonds soll-
                                   die Problemlagen der Regionen                                            Prozent ggü. dem Vorjahr zu senken, so
                                                                                                            kann dies bei Definition der relevanten
te in diesem Zusammenhang          berücksichtigt.                                                         Rahmenbedingungen (z.B. Versicher-
lediglich als „Finanzspritze“                                                                               tenentwicklung, Strukturkennzahlen)
wirken. Diese kann und darf die Vertrags- lemlagen der Regionen berücksichtigt.                             pragmatisch überprüft werden. Geht es
partner innovativer Versorgungsformen Eine pauschale Verteilungsregelung,                                   dagegen beispielsweise um den Nachweis
nicht von der Pflicht entbinden, durch etwa nach dem „Königsteiner Schlüssel“                               der globalen Ausgabensenkung bei der
sorgfältige Evaluation Klarheit über den würde hingegen genau die befürchtete                               Population der IV-Teilnehmer in einer
gesundheitlichen und ökonomischen Ge- „Gießkannenwirkung“ mit den ebenso                                    Region, so stellen sich gleich mehrere
winn zu erzielen, durch klare Konzeption oft zitierten „Mitnahmeeffekten“ erzeu-                            methodische Probleme:
und Zielsetzung für eine möglichst hohe gen! Ein Automatismus, demzufolge ein
Erfolgswahrscheinlichkeit zu sorgen Bundesland a priori über ein entspre-                                   ■■     Wenn eine randomisierte Kontroll-
und dafür kurz-, mittel- und langfristig chendes „Budget“ verfügt und etwa erst                                    gruppenbildung vor Interventionsbe-
auch die (finanzielle) Verantwortung dadurch Überlegungen anstellt, wie die-                                       ginn nicht vorgenommen wurde bzw.
zu tragen. Um Fehlentwicklungen zu ses Geld verausgabt werden könnte, wür-                                         nicht möglich ist, gilt es, nachträglich
vermeiden und die zwingend notwendi- de somit die schlimmsten Befürchtungen                                        eine adäquate Vergleichsgruppe zu de-
ge wirtschaftliche Verantwortung für der Fonds-Skeptiker bestätigen und allen                                      finieren und insbesondere relevante
die Verträge von vornherein nicht aus Zielen des Fonds zuwider laufen.                                             Einflussfaktoren der Teilnehmerse-
den Augen zu verlieren, gilt es u.a., sich                                                                         lektion zu kontrollieren. Dazu werden
den Wettbewerb der Krankenkassen zu 6. Versorgungsforschung ist                                                    statistische Verfahren wie etwa das
Nutze zu machen, diesen zu stärken und Bestandteil des gesamten                                                    Propensity Score Matching genutzt
nicht zu konterkarieren.                                                                                           (Rosenbaum, Rubin 1983). Eine aus-
                                           Innovationsprozesses und sollte
   Konkret bedeutet dies, dass ein An-                                                                             sagekräftige Evaluation nach diesem
tragsrecht für die einzelnen Kranken-
                                           daher nicht außerhalb der im                                            Prinzip ist jedoch nur in dem Maße
kassen gegeben sein muss. Zudem ist Innovationsfonds geförderten                                                   möglich, wie die praktisch relevanten
der Vorschlag der Teilfinanzierung – z.B. Versorgungsformen stehen                                                 Selektionsfaktoren in den verfügbaren
50% Eigenfinanzierungsquote der An-                                                                                Daten enthalten sind. Entscheidende
tragsteller / Vertragspartner – zu unter- Selektivverträge nach §§ 73a, b, c oder                                  Faktoren wie etwa die Motivation des
stützen (Amelung 2013). Damit wird 140a-d SGB V erfordern bis dato kei-                                            Patienten und seines behandelnden
trotz einer temporären finanziellen För- ne externe wissenschaftliche Evaluati-                                    Arztes bleiben im Regelfall außerhalb
derung das Prinzip der wirtschaftlichen on. Gleichwohl liegt es im originären                                      der Betrachtung.
Verantwortung und damit verbundenes Interesse der jeweils durchführenden                                    ■■     Vielfach liegt die reale Teilnehmerzahl
unternehmerisches Denken aller Akteure Krankenkasse, im Rahmen eines Ver-                                          unterhalb der benötigten Mindestzahl
erhalten. Die „Einheit von Handeln und tragscontrollings Aussagen über die Er-                                     für ein statistisch signifikantes Ergeb-
Haften“ bliebe somit wirksam.              gebnisse, Effektivität und Effizienz des                                nis. Dies ist z.B. bei indikationsspe-
                                           Selektivvertrags zu erhalten. Der hohe                                  zifischen Verträgen einzelner Kassen
5. Die Verteilung der Mittel aus           allgemeine wirtschaftliche Druck und die                                häufig zu beobachten. Sofern die auf
dem Innovationsfonds muss                  Notwendigkeit, medizinische wie auch                                    Freiwilligkeit, „Innovationsgeist“ und
                                           ökonomische Effekte zwischen den Ver-                                   Wettbewerb entwickelten Projekte
bedarfsgerecht erfolgen
                                           tragspartnern transparent zu machen,                                    nicht von vornherein an eine definierte
Die Verteilung der Mittel zur Förderung etwa bei der Berechnung von erfolgsab-                                     Mindestgröße geknüpft werden, liegt
innovativer Versorgungsformen kann hängigen Zahlungen, reichen dabei in der                                        in solchen Fällen ein Vertrag vor, der
sich nur aus zwei Parametern ergeben: Realität aus, die umfassende, methodisch                                     zwar sehr wertvoll sein kann, um neue
a) Der Versorgungsbedarf in einer Re- fundierte Bewertung sicher zu stellen.                                       Versorgungskonzepte zu testen („Hy-
gion (z.B. Probleme der ländlichen Ver- Eine „wissenschaftliche“ Evaluation                                        pothesen generierender Ansatz“), über

                                                       https://doi.org/10.5771/1611-5821-2014-2-26
                                               Generiert durch IP '46.4.80.155', am 20.10.2021, 23:43:29.                     G+S      2/2014           31
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     dessen Nutzenbilanz die Vertragspart-          Ein Schwerpunkt der Entwicklung                              „Versorgungsforschungsteil“ des Fonds
     ner aber keine statistisch belastbare       eines innovativen Versorgungsangebots                           die wissenschaftliche Begleitung und Be-
     Aussage treffen können.                     muss daher immer auf der Definition der                         arbeitung der Aktivitäten das zentrale
■■   Beide Problemstellungen werden durch        eigentlichen Zielsetzung und des Weges                          Ziel ist und damit die (unmittelbare) Öf-
     die gesetzlich zwingende Bindung an         zur Zielerreichung liegen. Das bedeutet                         fentlichkeit der Ergebnisse als Basis der
     eine Einschreibung des Versicherten         u.a.                                                            wissenschaftlichen Diskussion, verhält es
     noch verschärft. So kann in der Regel                                                                       sich im „Versorgungsteil“ des Innovati-
     nur ein Anteil von 20 bis 30 Prozent        ■■   klare Benennung (und ggf. durch                            onsfonds grundsätzlich anders. Im „Ver-
     der potenziell betroffenen Patienten             Versorgungsforschung spezifische                           sorgungsteil“ werden Partner auf Seiten
     tatsächlich gewonnen werden. Diese               Analyse) eines (regionalen) Versor-                        von Krankenkassen und Leistungserbrin-
     weisen wiederum eine deutlich größe-             gungsdefizits                                              gern eigene Ressourcen an „know how“,
     re Ausgangsmotivation im Hinblick           ■■   Entwicklung problemadäquater In-                           qualifiziertem Personal und zusätzlichen
     auf die relevanten Vertragsziele auf, so         terventionen zur mutmaßlichen Pro-                         Geldern nur (!) dann investieren, wenn
     dass der mutmaßliche Selektionseffekt            blembehebung                                               der Einsatz dieser Ressourcen befristet
     noch um ein Vielfaches höher ausfällt       ■■   Gemeinsam konsentierte Abschätzung                         (!) einen Vorteil im Wettbewerb bedeu-
     als das z.B. bei einer „geclusterten“            des Umfangs der mit diesen Maßnah-                         tet. Die häufig vorgetragene Forderung,
     leistungserbringerbezogenen Evalua-              men möglichen Problembehebung                              alle Inhalte und Ergebnisse innovativer
     tion der Fall wäre.                         ■■   Möglichst genaue Definition der Ziel-                      Versorgungsformen müssten sofort der
                                                      gruppe und Entwicklung von Maß-                            Öffentlichkeit dargelegt werden, zer-
Alle genannten Probleme können im                     nahmen zur zielgenauen Erreichung                          stört jede Motivation. Der Fortschritt
Rahmen einer umfassenden Projekt-                     dieser Patienten unter weitestgehender                     in einem Wettbewerbssystem GKV kann
konzeption berücksichtigt und teilweise               Vermeidung von „Streuverlusten“                            nicht direkt „öffentliche Güter“ schaf-
auch pragmatisch gelöst werden. Diese            ■■   Berechnung der daraus ableitbaren                          fen. Das Engagement der Vertragspartner
Beispiele verdeutlichen aber, dass die                Effekte im Hinblick auf gesundheit-                        erfordert vielmehr Schutz. Der Beitrag
Evaluation nicht erst nachträglich ein-               liche Verbesserung (Outcome) und                           zum Fortschritt des gesamten Systems
geführt werden kann, sondern zwingend                 kurz- bzw. mittelfristige Einsparung                       wird von den Akteuren aus primär eigen-
von Beginn an integraler Bestandteil                  von Folgebehandlungen (Effizienz)                          nützlichen Motiven erbracht. Wie in der
der Projektkonzeption sein muss. Rich-           ■■   Ermittlung und Vereinbarung einer                          Welt der Wirtschaft müssen aber Inno-
tigerweise stellt der Koalitionsvertrag               den Effekten adäquaten Zusatzver-                          vationen – z.B. nach dem Auslaufen von
zukünftig höhere Anforderungen, in dem                gütung an die Behandler.                                   Patenten – allgemein zugänglich werden.
jeder Selektivvertrag nach 4 Jahren einen                                                                        Es muss geregelt sein, wann und wie die
Nachweis über dessen Nutzen erbringen            Aus dieser Auflistung wird u.a. erkenn-                         Erkenntnisse aus dem geförderten Selek-
können muss. Auch die Stärkung der               bar, dass z.B. ein Schwerpunkt der                              tivvertragshandeln öffentlich zugänglich
Versorgungsforschung im Rahmen des               Versorgungsforschung im Kontext in-                             werden sollen. Eine Erkenntnis steht:
Innovationsfonds könnte hier zu einer            novativer Versorgungsprozesse auf der                           jeder Versuch der Innovationsförderung
Intensivierung der Ressourcen und Bün-           Ausgangsanalyse bei der Projektentwick-                         der öffentlichen Hand in der GKV, ohne
delung der Kompetenzen beitragen. Weil           lung liegen sollte. So gilt es, Hypothe-                        die frühzeitige, unmittelbare Beteiligung
Konzeption und Evaluation aber Hand in           sen zu prüfen, regional- und
Hand gehen müssen, liegt eine zentrale           kassenspezifische zu quanti-
Herausforderung u.a. darin, die Zustän-          fizieren. Der zweite wesentli-     Der allgemeine
digkeiten und Verantwortlichkeiten bei           che Schwerpunkt der Versor-
den unternehmerisch verantwortlichen             gungsforschung betrifft daran
                                                                                    Erkenntnisfortschritt wird nie
Vertragspartnern zu belassen und zu              anknüpfend die umfassende          direkt zu „öffentlichen
stärken.                                         zielgenaue und problemad-
   Den genannten methodischen Prob-              äquate Evaluation. Drittens
                                                                                    Gütern“ führen, sondern nur
lemen der Erfolgsmessung vorgelagert             sollte die intensivere wissen-     gekoppelt an und in Rücksicht
ist vielfach das Problem der unklaren            schaftliche Begleitung inno-
Zielsetzung. Zahlreiche Projekte werden          vativer Versorgungsformen im
                                                                                    auf die Eigenheiten und
in gutem Glauben an eine Versorgungs-            „Versorgungsforschungsteil“        Zwänge der Akteure im GKV-
idee gestartet, ohne dass z.B. das zu            des Fonds auch dazu genutzt
adressierende Versorgungsdefizit genau           werden, mehr Transparenz
                                                                                    Wettbewerbssystem.
benannt und quantifiziert wird. Oder es          und Öffentlichkeit über die
wird z.B. eine Intervention entwickelt,          Vertragsangebote zu erzielen und z.B. der Akteure ist gescheitert. „Förderrui-
mit der etwa die Hospitalisierungsrate           eine Art öffentliche Qualitätsberichter- nen“ und die konsequente Änderung der
von Herzinsuffizienz-Patienten durch re-         stattung neuer Versorgungsformen zu Förderrichtlinien von Ministerien und
gelmäßiges Telemonitoring des Gewichts           etablieren.                              DFG belegen dies. Also wird der allge-
gesenkt werden soll, ohne dass der hohe             Hier ist eine Unterscheidung zwingend meine Erkenntnisfortschritt nie direkt
Anteil durch Multimorbidität bedingter           und in der Ausgestaltung der Regelungen zu „öffentlichen Gütern“ führen, son-
Krankenhausaufenthalte bei diesen Pati-          zu den beiden Teilen des Innovations- dern nur gekoppelt an und in Rücksicht
enten in Betracht gezogen wird.                  fonds dringend zu beachten. Während im auf die Eigenheiten und die Zwänge der

                                                         https://doi.org/10.5771/1611-5821-2014-2-26
32           G+S     2/2014                      Generiert durch IP '46.4.80.155', am 20.10.2021, 23:43:29.
                                          Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
THEMA

Akteure im GKV-Wettbewerbssystem                und dokumentiert werden. Nur bei                                Zwischen diesen zunächst konträren
von Haus- und Fachärzten, Pflegekräf-           einem plausiblen Transferszenario in                         Anforderungen bewegt sich die Gesetz-
ten, Hebammen, Krankenhäusern und               die Phase nach Abschluss der Förde-                          gebung, wenn Versorgungsinnovatio-
Krankenkassen.                                  rung sollte diese bewilligt werden (s.                       nen im System befördert werden sollen.
   Diese Kernaufgaben gilt es zukünf-           These 8).                                                    Gleichwohl halten wir diesen Diskurs
tig über den Fonds zu sichern. Damit         b) Eine externe Projektfinanzierung                             von zentraler Bedeutung. Wer glaubt, In-
könnte nicht zuletzt ein Quantensprung          ist auch dann notwendig, wenn                                novationen werden von der Gesellschaft
in der Zusammenarbeit zwischen Wis-             eine geplante Maßnahme zwar eine                             insgesamt, von regionalen Anbietergrup-
senschaft und Praxis erzielt werden. Eine       signifikante Versorgungsverbesse-                            pen oder den Krankenkassen gemeinsam
Versorgungsforschung, die an konkreten          rung erbringen kann, die aber wahr-                          initial angeschoben, geht das Risiko ein,
Verträgen und Maßnahmen vorbeigeht,             scheinlich weder kurz-, mittel- noch                         entweder im Stillstand zu verharren oder
hätte hingegen keine weitergehende Re-          langfristig mit einer Ersparnis der                          aber Vorzeigemodelle mit eher regional-
levanz. Nur wenn sich Versorgungsfor-           Leistungsausgaben einhergeht. Viel-                          politischer Motivation anzugehen. Inso-
schung tatsächlich auf die Projektent-          mehr könnte die Versorgungsver-                              fern leitet sich daraus ab, dass selektive
wicklung der vertragsverantwortlichen           besserung sogar zu einer Erhöhung                            Versorgungsvorhaben zwar das Problem
Akteure einlässt und andererseits die           der Ausgaben führen. In diesem Fall                          inne haben, nicht im gesamten Setting
Ressourcen für eine gründlichere The-           muss eine gemeinsame und einheitli-                          wirken zu können, diese jedoch unab-
orie und Konzeption versorgungsverbes-          che Entscheidung der Kollektivver-                           dingbar sind, um über einen Wettbewerb
sernder Intervention gebündelt werden,          tragspartner über den erwartbaren                            der guten Ideen den Prozess der Verän-
könnte mit dem Innovationsfonds ein             Wert der gesundheitlichen Outcome-                           derung wirklich zu befeuern.
weiteres zentrales Ziel erreicht werden:        Verbesserung getroffen werden und                               Darüber hinaus setzt ein (später mög-
Mehr Transparenz und Nachhaltigkeit             bereits zu Projektbeginn die Frage                           licher) Transfer in die Regelversorgung
innovativer Versorgungsformen zum kol-          der späteren Finanzierung bzw. des                           voraus, dass jedes durch einen Innovati-
lektiven Erkenntnisgewinn, ohne dass            Transfers in die Regelversorgung                             onsfonds gefördertes Versorgungsmodell
individuelle Verantwortung und Nutzen           erfolgen.                                                    auf Basis der Normen des Leistungser-
des Selektivvertragswettbewerbs unter-                                                                       bringerrechts (Vertragsrechts) des Fünfen
graben werden.                               Beide Konstellationen sollten im Zuge der                       Buches Sozialgesetzbuch fußt. Andern-
                                             Kriterienentwicklung für Förderanträge                          falls ist nicht auszuschließen, dass rein
7. Zielgenaue Förderung dort,                berücksichtigt werden. Denn bei der Kri-                        wissenschaftlich offerierte Projekte eher
wo die betriebswirtschaftlichen              terienentwicklung sollte nicht
                                             von Beginn an der inhaltliche
Mechanismen des GKV                                                             Nach Abschluss einer
                                             oder formale Rahmen zu eng
Wettbewerbs nicht greifen.
Um zu vermeiden, dass eine Förderung
                                             gewählt werden. Wer könnte
                                             auf der heute bisweilen sehr
                                                                                Projektförderung sollte bei
dort erfolgt, wo die Vertragspartner oh-     lückenhaften Evidenzlage ein       nachgewiesenen Qualitäts- und
nehin tätig geworden wären, muss eine
vertiefende Auseinandersetzung mit
                                             Urteil fällen, dass die pflege-
                                             rische Versorgung in einem
                                                                                Wirtschaftlichkeits-Effekten
der betriebswirtschaftlichen Rationali-      ländlichen Gebiet Vorrang          eine Beitrittsoption für alle
tät einer Krankenkasse im Wettbewerb
stattfinden. Neben der o.g. verstärkten
                                             vor einem indikationsspezi-
                                             fischen Projekt etwa aus der
                                                                                Krankenkassen gegeben sein.
Investition in die umfassende projekt-       Rheumatologie haben sollte?
begleitende Versorgungsforschung sind        Was zählt, ist vielmehr die plausible ein Dasein in der Retorte fristen und in
insbesondere zwei Konstellationen denk-      mittelfristige Erfolgsaussicht und eine der Folge unter realen Bedingungen der
bar, die eine externe temporäre Finan-       Konzeption, wie es nach einer Projekt- Versorgungslandschaft und deren Bezie-
zierungshilfe begründen können:              förderphase weitergehen kann.             hungsebenen zum Scheitern verurteilt
                                                                                       sind.
a) Das Investitionsrisiko ist als hoch       8. Zentrales Förderkriterium                 Ein zentraler Erfolgsfaktor für den
   einzustufen und der Return of In-         ist immer ein plausibles                  Innovationsfonds   ist Beständigkeit und
   vest ist (noch) unklar. Hierbei hat der                                             Verbreitung der als erfolgreich getesteten
                                             Szenario für den Transfer in
   Fonds den Charakter einer temporä-                                                  Projekte. Insoweit muss ein plausibles
   ren „Anschubfinanzierung“ mit der
                                             die Regelversorgung nach                  Szenario für den Transfer in die Regel-
   Erwartung der Vertragspartner, dass       Ende der Projektförderung                 versorgung ein entscheidendes Förder-
   sich das Projekt nach mehrjähriger        Ein gutes Management, gute Ideen, Qua- kriterium sein (s. These 7). „Transfer in
   Laufzeit selbst tragen kann. Hierbei      litäts- und Effizienzverbesserungen müs- die Regelversorgung“ muss dabei aber
   gilt es u.a. im Vorfeld zu definieren,    sen belohnt werden; wer dem innovativen nicht ausschließlich die Befristung eines
   unter welchen Bedingungen und in          Unternehmen diese Vorteile nimmt, han- kassenspezifischen Selektivvertrags mit
   welchem Zeitraum eine Refinanzie-         delt kontraproduktiv. Andererseits kann anschließender Überführung in das Kol-
   rung zu erwarten ist. Zudem sollten       und soll diese Art von Fortschritt auf lektivvertragssystem bedeuten. Vielmehr
   Unsicherheiten und Risiken nach bis-      Dauer allen GKV-Versicherten zugute kann ein solcher Transfer auch durch
   heriger Evidenzlage berücksichtigt        kommen.                                   die dauerhafte Etablierung eines Selek-

                                                        https://doi.org/10.5771/1611-5821-2014-2-26
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THEMA

tivvertrags erfolgen. Gleichwohl sollte     werden. Wenn der Fonds keinen Erfolg
nach Abschluss einer Projektförderung
bei nachgewiesenen Effekten in Bezug
                                            haben sollte, wird das Handlungsfeld
                                            innovativer sektorübergreifender Ver-                                  Wohlfahrt
auf Qualität und Wirtschaftlichkeit eine    sorgungsformen mutmaßlich wieder für                                   Gemeinschaft und
Beitrittsoption für alle Krankenkassen      längere Zeit aus dem Fokus der Gesund-
gegeben sein. Nur so kann letztlich das     heitspolitik verschwinden. Gelingt der                                  Verantwortung
oben aufgezeigte Spannungsfeld aufge-       Impuls, so könnte tatsächlich eine neue
löst werden und die durch den Fonds         Qualität erreicht werden, Selektivverträ-
unterstützte Innovation allen Versicher-    ge können wirksam aus dem Nischenda-
ten und Patienten in der GKV zugute         sein in die Flächenversorgung gehoben
kommen.                                     werden und ein neues Miteinander von
                                            selektivvertraglichen und kollektivver-
Fazit                                       traglichen Partnern, wissenschaftlichen
                                            Institutionen und allen Akteuren rund
Der von der Bundesregierung geplante        um den gemeinsamen Bundesausschuss
Innovationsfonds soll der Förderung         kann entstehen.                        n
innovativer sektorübergreifender Ver-
sorgungsformen und der Versorgungsfor-
schung im deutschen Gesundheitswesen
dienen und diesem Handlungsfeld „neues
Leben einhauchen“. Wie auch bei frühe-
ren Anläufen ist die externe finanzielle
Einflussnahme mit zahlreichen Risiken
und Nebenwirkungen, aber auch mit
                                                 Literatur                                                      Öffentliche und Soziale
Chancen verbunden.                           Amelung, V., Wolf, S. (2013): Innovations-                         Steuerung – Public
   Die bedeutendste Chance wird dabei        fonds – von der guten Idee zur richtigen                           Management und Sozial-
in dem deutlichen ökonomischen Im-           Umsetzung. G+S 5/2013, S. 49-52                                    management im Diskurs
puls in Verbindung mit methodischen          Bundessozialgericht (2008): Urteil zum
                                                                                                                Herausgegeben von
                                             ­BARMER Hausarzt- und Hausapothekenver-
Rahmenvorgaben liegen. Bei aktuell            trag. Aktenzeichen B 6 KA 27/07                                   Andrea Tabatt-Hirschfeldt
rund 3 Mrd. Euro GKV Ausgaben für                                                                               2014, 190 S., brosch., 34,– €
                                             Laag, S., Ullrich, W., von Maydell, B., Pankratz,
Integrierte Versorgung, besondere am-        M., Kleff, G., Beckmann, T., Graf, C. (2013):                      ISBN 978-3-8487-0155-1
bulante ärztliche Versorgung, Haus-          Zwischen Kollektivsystem und Pay-for-Per-
                                                                                                                (Forschung und Entwicklung in
arztzentrierte Versorgung und Disease        formance: Das BrAVo-Kennzahlensystem der
                                             BARMER GEK für Arztnetze. In: Repschläger, U.,                     der Sozialwirtschaft, Bd. 8)
Management Programme stellen die 300
                                             Schulte, C., Osterkamp, N. (Hg.). Gesundheits-
Mio. Euro jährliches Fördervolumen aus       wesen aktuell 2013, S. 222-247                                     Die Grenzen zwischen 1., 2. und 3.
dem Fonds eine beträchtliche zusätzliche     Hermann, C. et al. (2006): Das Modell „Ge-                         Sektor verschwimmen zunehmend,
Summe dar. Eine große Chance besteht         sundes Kinzigtal“. Managementgesellschaft
                                             organisiert Integrierte Versorgung einer defi-                     der intermediäre Bereich weitet sich
in der qualitativen Weiterentwicklung
                                             nierten Population auf Basis eines Einsparcon-                     immer mehr aus. In einer gemein-
der Methodik der Struktur- und Pro-
                                             tractings. Gesundheits- und Sozialpolitik 5–6,                     sam verantworteten und ausge-
zessinnovation in der GKV. Durch die         S. 11–29. http://m.aerzteblatt.de/print/135616.                    führten Wohlfahrtsproduktion
Mechanismen des Fonds könnte mehr            htmhabe. In: Deutsches Ärzteblatt 2013 110/11.
                                                                                                                (Wohlfahrtsarrangements) stellt
Transparenz über die unzureichend er-        Hess, R. (2010): Zur Bedeutung von Innovati-
                                             onen im Gesundheitswesen. In: Schumpelick,
                                                                                                                sich die Frage, wie Wohlfahrt künf-
klärten Prozesse und Wirkungen des
                                             V., Vogel, B. (Hg.), Innovationen in Medizin und                   tig gemeinschaftlich gestaltet und
Selektivvertragshandelns, insbesondere
                                             Gesundheitswesen. Freiburg: Herder. S. 47-58                       verantwortet werden kann. Die
durch eine stärkere Vernetzung von Wis-
                                             Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und                            Autoren des Sammelbandes neh-
senschaft und Praxis erreicht werden.        SPD. 18. Legislaturperiode. Deutschlands                           men hierzu Stellung. Der wissen-
Der häufig kritisierte und ohne Zweifel      Zukunft gestalten.
                                                                                                                schaftliche Diskurs bietet dabei
bestehende Nachholbedarf in Bezug auf        Rosenbaum, P.R., Rubin, D.B. The central role
                                                                                                                Anhaltspunkte für Forschung und
die umfassende Evaluation von Selektiv-      of the propensity score in observational studies
                                             for causal effects. Biometrika. 1983;70. S. 41–55                  Lehre.
verträgen und vorgeschaltete regional-
spezifische Versorgungsanalysen, aber        Sachverständigenrat zur Begutachtung
                                             der Entwicklung im Gesundheitswesen.
auch hinsichtlich des Anwendungsbezugs       Sondergutachten – SVR (2012): Wettbewerb
der Versorgungsforschung kann in die-        an der Schnittstelle zwischen ambulanter und                                  Portofreie Buch-Bestellungen
sem Rahmen gedeckt werden.                   stationärer Gesundheitsversorgung. Kurzfas-                              unter www.nomos-shop.de/20302
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siko des „Unternehmens Innovations-          Schmeinck, W. (2006): Medizinisch-technischer
fonds“ darin gesehen werden, dass die
o.g. Chance ungenutzt bleibt und ein-
                                             Fortschritt – Fluch oder Segen? In: Rebscher,
                                             H. (Hg.). Gesundheitsökonomie und Gesund-
                                             heitspolitik im Spannungsfeld zwischen
                                                                                                                                   Nomos
mal mehr opportunistische Angebote           Wissenschaft und Politikberatung. Heidelberg:
der unterschiedlichen Akteure bedient        Economica. S. 223-240

                                                    https://doi.org/10.5771/1611-5821-2014-2-26
34        G+S     2/2014                    Generiert durch IP '46.4.80.155', am 20.10.2021, 23:43:29.
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