Aktuell 1/2021 - Literaturland Thüringen
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und nicht zu vergessen: seinen Sachbearbei- ter/innen großer Dank. In den letzten 15 Jah- ren, seitdem ich als Geschäftsführer für den Thüringer Literaturrat arbeite, gab es immer eine konstruktive und gute Zusammenarbeit mit allen, nicht zu vergessen mit der Kultur- stiftung des Freistaats Thüringen. Gleich in den ersten Jahren setzte sich der Li- teraturrat dafür ein, den Etat für Literaturför- derung, der damals bei 115.000 Euro per annum lag, zu verdoppeln, was unter Minister Matschie – ihm sei an dieser Stelle ganz herz- lich für sein großes Engagement in dieser An- gelegenheit gedankt – dann auch gelang. Damit ist der Literaturförderetat – ganz ohne Larmoyanz betrachtet – noch immer der kleinste Spartenetat im Land. In den letzten Jahren erfolgte in Stufen eine Erhöhung der Gehälter für die kulturellen Leitungskräfte, die bis dato Projektmanager hießen. Sigrun Lüdde war eine Projektmanagerin der ersten Stunde. In den vergangenen drei Jahr- Sigrun Lüdde, 2018 – Foto: Guido Naschert zehnten setzte sie sich mit all ihrer Kraft für die Belange der Literatur ein, als Geschäfts- führerin trug sie dafür Sorge, dass eine Viel- Jens Kirsten zahl von Programmen und Reihen stattfinden konnte, dass die »Edition Muschelkalk« der Li- Keine Zukunft hat, wer ohne Vergangenheit terarischen Gesellschaft inzwischen bis zum kommt 50. Band gewachsen ist, dass die LGT eine Reihe von literarischen Exkursion für das Mit dieser Ausgabe von » Literaturland Thü- Langzeitprojekt »Literaturland Thüringen« des ringen aktuell« möchten die Mitglieder und Literaturrates erarbeitete und durchführte; der Vorstand der Thüringer Literaturrats dass zahlreiche Lesebühnen mit von der LGT Sigrun Lüdde für die Arbeit danken, die sie als beantragten Projektmitteln unterstützt wur- Geschäftsführerin der Literarischen Gesell- den und werden, die dem Gedanken der lite- schaft Thüringen (LGT) in den letzten fast 30 rarischen Erneuerung folgen, ähnlich wie Jahren geleistet hat. Unsere kleine Dankescour Schreibwettbewerbe. Für all das möchte ich gibt Anlass, auf diese Jahre und die Arbeit von Sigrun Lüdde von Herzen Dank sagen. Sigrun Lüdde und vieler anderer zurückzubli- cken, die sich täglich um die Vermittlung von Der Thüringer Literaturrat wurde 2006 als Literatur in Thüringen kümmern und für sie freier Zusammenschluss und nicht als ge- einsetzen. meinnütziger Verein gegründet – und war als solcher von der öffentlichen Hand nicht för- Dass es seit 30 Jahren Kultur- und Literatur- derfähig. Die LGT sprang ein und stellte den förderung im Freistaat Thüringen gibt, dafür Geschäftsführer des Literaturrates kurzer- gebührt dem Freistaat, seinen wechselnden hand ein, das Gehalt war durch die GFAW für Kultur- und Kultusministerien, allen Ministern, drei Jahre gesichert. Danach gründete sich der Staatssekretär/innen, Abteilungsleiter/innen Literaturrat als Verein. Hilfe erhielt ich am Be- 2
ginn von vielen Seiten: von den beiden Spre- gen den Staffelstab von Sigrun Lüdde über- chern des Rates, Frank Simon-Ritz und Mat- nommen. Ihm wünsche ich einen ebenso lan- thias Biskupek, später von Martin Straub und gen Atem und natürlich viel Erfolg in seinem Wolfgang Haak, von den Gründungsmitglie- Beruf. dern und, mit Blick auf die Kulturpolitik, vor allem von Hans-Jürgen Döring, der als Land- tagsabgeordneter nicht nur die Literaturver- eine stets nach Kräften unterstützte. Ingrid Annel Besonders dankbar bin ich jedoch Sigrun Wie man einen Löwen aufzieht Lüdde für die Starthilfe am Beginn meiner Ar- beit. Als Geschäftsführer und Projektmanager Liebe Sigrun, wir waren beide dabei, als er ge- ging es nicht nur um die Kenntnis der literari- boren wurde: der Thüringer Buchlöwe. Damals schen, kulturellen und kulturpolitischen Be- wussten wir noch nicht, ob er es schaffen lange im Freistaat, nicht nur darum, Texte auf wird, zu wachsen, zu gedeihen und lautstark Personen und Reden für Publikum zu schrei- seinen Hunger zu verkünden. ben, sondern immer auch um Anträge und Verwendungsnachweise, Buchführung und Buchhaltung, Lohnbuchhaltung und viele Dinge mehr, die für einen (angehenden) Verein überlebensnotwendig sind. Dieses Wissen, das mir Sigrun Lüdde weitergegeben hat, habe ich meinerseits dann an andere weitergege- ben, die am Beginn standen. Denn, so klein der Freistaat ist, kann es bei einer solchen Tätigkeit nicht um die Konkur- renz aller gegen alle gehen, sondern – wie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten er- folgreich praktiziert – immer um Kooperatio- nen, um geistigen Austausch, gegenseitige Anregungen, darum, literarisch-künstlerische Potentiale gemeinsam auszuloten und für möglichst viele Menschen im Freistaat gene- rationsübergreifend nutzbar zu machen. Nicht zu vergessen ist dabei, dass es bei der Litera- turvermittlung nicht allein um die Förderung des literarischen Nachwuchses gehen kann, etwa wie im Schreibwettbewerb »Junges Li- teraturforum Hessen-Thüringen«, den der Einbandzeichnung: Barbara Lüdde Freistaat Thüringen gemeinsam mit dem Land Hessen jährlich ausrichtet. Vielmehr muss es Er hatte mächtigen Hunger, von Anfang an. um die Verbindung von Geschichte und Ge- Jahr für Jahr wollte er mit neuen Geschichten genwart gehen. »Keine Zukunft hat, wer ohne und Gedichten gefüttert werden, geschrieben Vergangenheit kommt.«, heißt es in Harald und illustriert von Thüringer Mädchen und Gerlachs Roman »Das Graupenhaus«, der zur Jungen. Und wählerisch war er auch noch: Schullektüre in Thüringen gehören sollte. Jedes Jahr wünschte er sich literarische Kost unter einem anderen Motto. Zum Glück war 2020 hat Guido Naschert als neuer Geschäfts- sein Gebrüll laut genug – aus ganz Thüringen führer der Literarischen Gesellschaft Thürin- trafen die Futterpakete ein, analog und digital. 3
Zugegeben, in einem Jahr versuchten einige Martin Straub Schülerinnen und Schüler, ihm Unverdauliches zu verabreichen. Sie glaubten wohl, clever Viele Seiten und Spielarten genug zu sein, ihn mit billiger Copy-Paste aus dem Internet abspeisen zu können. Aber da! Kaum zu glauben: Sigrun Lüdde hört auf. Die dienstälteste Projektmanagerin des literari- Da hob der Buchlöwe die Zähne, schüttelte schen Lebens in Thüringen. Als ich das Regio- seine Mähne und ließ einen Brüller los, dass nalbüro der »Stiftung Lesen« in Thüringen er solche Kost vehement ablehne. Welche aufbaute, stand sie schon an der Spitze der Freude hatte er dagegen an den mit viel Liebe Weimarer Gesellschaft, und sie half einem An- und Kreativität zubereiteten Texthappen, die fänger. Ich bin ihr bis zum heutigen Tag dank- auch noch seine unterschiedlichen Ge- bar, dass ich unter dem Dach der LGT tätig schmacksknospen trafen: Witzig-süße Kin- werden konnte. Die 3. Thüringer Literaturtage dergeschichten des allerersten Schreibalters »Die Wut über die verlorene Geschichte« standen neben Geschichten mit leicht bitte- waren da für mich ein ganz wichtiger Punkt. rem Nachgeschmack, geschrieben von ju- gendlichen Autorinnen und Autoren. Liebe Sigrun, es war mir ein Vergnügen, mit dir gemeinsam – und mit zahlreichen fleißigen Jury-Mitgliedern – diesen Wettbewerb auszu- richten. Ohne deine tatkräftige Organisation wäre das Gebrüll des Löwen nicht bis in alle Ecken und Winkel Thüringens vorgedrungen, ohne deine gründliche Vorbereitung hätten wir nicht so gut über die eingereichten Texte ab- wägend diskutieren können. Ein eindrucksvol- les Erlebnis war es immer, die Mädchen und Jungen, die uns besonders gelungene Texte geschickt hatten, in einer feierlichen Ab- schlussveranstaltung lesend zu erleben – ei- nige von ihnen in mehreren Jahren nachein- ander. Um es kurz zu sagen: Ich habe sehr gern mit dir zusammen in der Literarischen Gesell- schaft gearbeitet. Danke für deine Ideen, deine Organisation und auch für deinen Adlerblick, wenn es darum ging, aus den Geschichten der Kinder eine druckreife Broschüre zu zaubern. Alle guten Wünsche für dich! Ingrid Annel Sie hatten ihren Hauptort in Jena. Diese Tage mit Dorothee Sölle, Alena Wagnerová, Franz Hodjak, Roza Domascyna, Peter Brasch und anderen zeigten mir Möglichkeiten auf. In dem Vorwort des Bandes, der die zwei Tage vom 7. und 8. Mai dokumentierte, heißt es: »Es soll- 4
ten literarische Maßstäbe gesetzt werden. tion Weimar. Ich denke schon, nicht zuletzt ihr Und dies ist nur möglich, wenn das regionale ist es zu verdanken, dass wichtige Reihen wie Weltgefühl Frischluftzufuhr erhält, wenn es die Mitteldeutsche Lyriknacht und vieles an- sich messen lässt, wenn es Maßstäbe er- dere realisiert werden konnte. kennt, anerkennt und gelten läßt.« Ein wahres Wort. Zum Schluss in Anlehnung an Brecht, der Jah- reszeit entsprechend. Überblickt man die letzten 30 Jahre, sollte man nicht übersehen, welchen Konfliktstoff Kinder, ich bin die Sigrun. solche Grundsätze in sich bargen und bergen. Ich war es, die Jahr für Jahr Sigrun Lüdde hat maßgeblichen Einfluss da- der Literatur die Fäden spann rauf, dass sich das literarische Leben in Thü- den Winter und den Sommer lang ringen in aller Vielfalt entwickelte. Ich denke Schlusschor nur an die Arbeit mit den Kindern und an eine Sigrun, komm nach vorn vielfältige Werkstattarbeit. Nun war ja Sigrun hier ist dein Korn in einer beneidenswerten Situation, als in ihrer und vielen Dank für die Arbeit. Gesellschaft die namhaften Autoren aus Wei- mar und Thüringen beheimatet waren und Martin Straub – Lese-Zeichen e.V. auf die Programmgestaltung Einfluss nah- men. Zudem wurden wichtige Publikationen und Publikationsreihen auf den Weg gebracht, wie Falk Zenker die Edition Muschelkalk. Sigrun hat anderen Vereinen immer wieder geholfen, mit der ja für Liebe Sigrun, viele ungewohnten Bürokratie umzugehen. So half sie dem Verband Deutscher Schriftsteller, es war mir immer ein großes Vergnügen und Landesverband Thüringen, bei der Ordnung Inspiration zugleich, die Literaten Thüringens der Finanzen und war auch dem Literaturbüro mit meiner Musik zu unterstützen, Verbin- in Erfurt eine wichtige Helferin. Und sie hatte dungs- und Assoziationslinien zwischen Wort zunehmend ein offenes Ohr für Projekte jun- und Klang herzustellen und dabei kostbaren ger Leute. Austausch auf allen Ebenen zu erleben. Du hast es möglich gemacht und in Deiner be- Freilich musste sie, wie wir alle, lernen, mit herzten und erfrischenden Art zusammenge- der Vielfalt eines sich entwickelnden Vereins- bracht, zum Leben erweckt und zu den Hörern lebens in diesen 30 Jahren umzugehen. Als gebracht. sich nach der Schließung des Regionalbüros Thüringen der »Stiftung Lesen« der Lese-Zei- Dafür danke ich Dir und wünsche Dir von Her- chen e. V. mit der Burg Ranis in unbekanntes zen eine gute und spannende nächste Le- Gelände vorstieß, mussten beide Vereine neue bensphase, in der Du ja nun auch sehr gerne Formen der Zusammenarbeit erproben und bist, wie ich weiß. Als Musiker ist das Papier akzeptieren. Dass es dabei auch manche Kon- sowohl in Wort als auch Bild nicht mein künst- flikte und Verstimmungen gab, soll nicht ver- lerisches Medium. So hoffe ich auf baldige Ge- hehlt werden. Wichtiger aber, wir haben legenheit, Dir einen Gruß auf der Gitarre spie- gelernt, erneut aufeinander zuzugehen. len zu können. Wenn es nicht wenige wirklich gelungene Ver- Herzlich, Falk Zenker anstaltungen beider Vereine in Weimar gab, muss unbedingt ein Name genannt werden: Angela Egli-Schmidt von der Stadtkulturdirek- 5
Christine Hansmann Retour XI Herzwünsche, sehr verspätet Wir treten für Sigrun Lüdde ein. Bukolisch Schlaflose, Minensucher, Irgendwann Fährtenleser, lüften sich Experten förmlich die Häuser, der Stunde Null, Flaniermeilen eine verschwiegene sind die Alleen, alle Schar ‒ Tischtücher decken sich was wiegt auf, das Veilchenwasser die Wolke fließt über, Staubes, was die Wortspur, Luftsprünge haben was Hochkonjunktur, Geduld? ballongroße, schillernde Seifenblasen werden als Geschenk geboten ‒ Angela Egli-Schmidt nur so, aus Gaukelei und Sigrun und die Lüdderarische Gesellschaft Musik, Sigrun war die ärmelaufkrempelnde Trüm- natürlich Musik, das ganze, merfrau auf dem Feld der Literatur in Thürin- herzerweichende gen, das es nach 1989 neu zu bestellen galt. Programm So viel Anfang, so viel Spiel- und Erfahrungs- zieht mit den raum würde wohl nie wieder sein: Vereine, Düften herein, ein Projekte – ganz neue Strukturen galt es zu entwickeln, Förderinstrumente auf den ver- Schwarm von Gestalten, schiedenen Ebenen zu erkennen und zu nut- loses Volk, ausgediente zen. Akrobaten, Gipfelstürmer, Sigrun war 30 Jahre lang die Telefonstimme, Geschichten- das Herz, war Hand und Fuß der LGT. Sie erzähler, plante, lud ein, zog Strippen und Projekte an Land und »ganz nebenbei« drei Kinder groß, es wiegen deren Herz ebenfalls für Kunst und Kultur im Volltakt schlägt. die Hüte, die Röcke, die rauschenden Winde, Bei den all den wechselnden Vorständen, Ak- die Blätter der ‒ teuren und Ideengebern, den sich über die Jahre ändernden Schwerpunkten – in der Ar- sag mir Bescheid, beit der LGT gab es ein Kontinuum: Sigrun sollte es je wieder Lüdde. so sein. 6
Dankbare Autoren, Kooperationspartner und Wulf Kirsten Förderer (alle natürlich w, m, d), aber auch un- zählige Regalmeter Ordnerrücken in der be- Rückblick auf 30 Jahre Literarische Gesell- sonderen Sigrun-Schrift zeugen von dieser schaft motiviert und verlässlich Arbeitenden. für Sigrun Lüdde Der größte Beweis sind jedoch die mit all den Projekten erfolgreich erreichten und berei- Keine Ahnung, wer die Idee hatte, die Literari- cherten Adressaten in den verschiedenen Al- sche Gesellschaft Thüringen zu gründen. Ich tersgruppen. Wie viele mögen es sein, die in hatte nach dem Zusammenbruch der DDR das 30 Jahren die Lese-, Schreib- und Denkförde- Gefühl, kulturell in ein tiefes schwarzes Loch rung der Literarischen Gesellschaft erreichte? gefallen zu sein. Die ersten Zuckungen der LGT Wenn es eine weiß, dann ist es Sigrun Lüdde! spielten sich im Gärtnerhaus im Weimarhal- Ihre Ärmel kann sie nun endlich herunter- lenpark ab. Ich weiß auch nicht, wieviele Mit- krempeln, sie braucht jetzt mehr ihre Stimme, begründer wir waren. Kaum mehr als ein um ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter- Dutzend werden wir gewesen sein. Darunter zugeben. auch einige, von denen späterhin nie wieder etwas auf den Besprechungen / Sitzungen zu Danke für alles, liebe Sigrun, für wunderbare bemerken war. gemeinsame Projekte, aber auch für so manch fruchtbaren Streit, den wir immer für das je- Der »Kern« sah die zwingende Notwendigkeit, weilige Anliegen führen konnten! Einmal nach einem/einer Geschäftsführer/in Aus- brauchten wir sogar die Vermittlung von An- schau zu halten. Auf Vorschlag von Dr. Marie- nette Seemann und ein Abendessen beim Elisabeth Lüdde entschieden wir uns für ihre Griechen dazu … Das bleibt! Nun also alles Schwägerin Sigrun Lüdde. Ich gehörte zum Gute für Dich! Es gibt auch ein Leben nach der Vorstand. Welche Funktionen ich dabei konkret LGT. Genieße es! ausübte, weiß ich nicht mehr zu sagen. Jahresversammlung der LGT 1993 im mon ami Weimar (v.l.: Matthias Biskupek, Dr. Marie-Elisabeth Lüdde, Wulf Kirsten, Sigrun Lüdde) – Foto: Gaby Waldeck. 7
Ich vermag in der gebotenen Kürze nur einige Querelen gehörten, wie sie der Berufsstand Gedanken über die langjährige Zusammenar- mit schwierigen Individualitäten mit sich beit mit Sigrun Lüdde aufzugreifen. Generell bringt. Die Arbeit über die Jahre bewältigt zu möchte ich dabei auf die in dreißig Jahren ge- haben und trotz mancherlei Widrigkeiten nicht wachsene, sich bewährte Zusammenarbeit aufgesteckt zu haben, dafür spreche ich verweisen. Hervorgehoben zu werden ver- Sigrun Lüdde meinen herzlichen Dank aus. dient dabei die gesamte Verwaltungsarbeit, Organisation von Veranstaltungen, Buchfüh- rung, Abrechnung, der komplette »Büro- kram«, den ich zumeist nur aus einer Distanz Annette Seemann wahrnahm. Ich weiß aber sehr wohl, wie sehr gerade von dessen ordnungsgemäßer Ab- Gemeinsam dranbleiben wicklung das Prosperieren und mithin das An- sehen der Gesellschaft abhing. Sigrun Lüdde hat mich vor vielen Jahren, als ich noch neu in Weimar war, schätzungsweise Mehrfach mussten Umzüge der Geschäfts- 2004, auf der Straße angesprochen. Da hatte stelle bewältigt werden. Vom bescheidenen sie noch ihren kleinen Hund Nelli. Sie wusste, Dachquartier über dem Lesecafé, das einige dass ich schreibe und wollte gern mit mir Jahre in Weimar bestand, bevor es sang- und sprechen, so haben wir uns verabredet und klanglos von der Bildfläche verschwand, ins ausgetauscht, und sie hat mich für die Litera- Volkshaus, das seit Jahren einem kulturellen rische Gesellschaft Thüringen gewinnen kön- Dämmerschlaf frönt; von dort über die Crêpe- nen. rie am Palais, dann ins Evangelische Medien- haus, das es heute nicht mehr gibt, schließlich Schon das ist etwas Besonderes, denn man in das heutige Quartier über der Eckermann- gewinnt mich nicht leicht für Vereine, Grup- Buchhandlung. Ein Quartier, mit der die LGT pen, Zirkel, von Parteien ganz zu schweigen. nach etlichen Wanderjahren ein exzellente Aber sie hat die LGT so lebendig dargestellt, es Basis für ihre Arbeit gefunden hat. als wichtig und erstrebenswert erklärt, dort Mitglied zu werden, also wurde ich es, ohne es Zu den Höhepunkten gehören für mich insbe- jemals bereut zu haben. Denn mit meiner sondere die Jahrestage, an deren Einzelheiten westdeutschen Biographie bis 2002 hatte ich ich mich jedoch nur noch bruchstückhaft erin- die kollegiale Vereinigung von Schriftstellern nere. Als besonders gelungen bleibt für mich nicht gekannt, eher den Haifischteich und, die Tagung in der Johanniterburg Kühndorf un- wenn es hoch kam, mal ein lobendes Wort terhalb des Dolmar in Erinnerung. Natürlich oder eine Ermutigung eines anderen Kollegen. erforderten diese Zusammenkünfte und die zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen mit Das war hier anders, und so habe ich auch die Vorträgen und Lesungen aufwendige Vorbe- LGT schätzen gelernt, und zwar immer mit reitungen. So denke ich an Meinigen, Eisenach, Sigrun Lüdde als Geschäftsführerin, die Le- Jena, die erste, früheste Tagung in Kochberg, sungen auch in abgelegensten Orten Thürin- Rudolstadt. Altershalber war ich in den letzten gens begleitete, als »Chauffeuse« etwa Wulf Jahren gezwungen, auf Teilhabe am literari- Kirsten und mich nach Limlingerode hin und schen Geschehen zu verzichten. zurück brachte, wo wir den Gefesselten Wald vorstellten, mit 13 Zuhörern (eine wahrhaft Die Wahl von Sigrun Lüdde 1991 hat entschie- coronamäßige Anzahl vor Corona), aber dann den zu einem lebendigen literarischen Klima auch, und das begann 2010, als Kollegin. In- der vergangenen drei Dezennien in Thüringen sofern war das für mich auch etwas Neues, als beigetragen. Ich habe gute Gründe, für alles, ich als Schreibende/Übersetzende niemals was sie geleistet hat, zu danken. Wozu auch zuvor KollegInnen hatte, Lektoren, Verleger, immer wieder die Bewältigung personeller Rezensenten sind ja doch das nicht. 8
Ich habe Sigrun/der LGT Ende 2010 das Kin- Verleihung des Thüringer Kulturpreises 2014 derbibel-Projekt angetragen, und es wurde (v.l.: Christoph Matschie, Dr. Annette Seemann, unser Projekt. Die Literarische Gesellschaft Sigrun Lüdde, Thomas Spaniel) – Foto: TMBWK. Thüringen wurde Träger des Projekts, und es gelang uns in einer harmonischen Zusam- menarbeit, sehr viele Bundes-, Landes und ei- leute in Weimar (hier nehme ich ausdrücklich nige kommunale Mittel sowie Spenden von den Superintendenten Henrich Herbst aus, der Privatpersonen und Unternehmen einzuwerben. die Idee sofort toll fand) eine sich immer mehr steigernde Resonanz. Schon die Zusammen- Vor allem war die Idee der Weimarer Kinder- setzung: Vier Frauen kämpfen für das Geden- bibel sehr gut in der Reformationsdekade un- ken der Reformation, sie mobilisieren Schulen tergebracht, nur so konnte unser Projekt – ich aller Typen, die Lehrerfortbildung (ThILLM), sie sage ›unser‹ denn ohne Sigrun und auch Ulrike mischen die Bauhaus-Universität auf, instal- Greim sowie Andrea Dreyer von der Bauhaus lieren dort Workshops zu Kalligraphie, Druck Universität Weimar wäre es unmöglich gewe- und zahlreichen weiteren Techniken, schicken sen, die Idee zu verwirklichen – durchgesetzt Studierende an die Schulen, überreden Pfarrer, werden. Das gemeinsame Engagement fand Katecheten, den orthodoxen Priester Michail nach anfänglichem Zweifel gerade der Kirchen- Rahr, den Journalisten Paul Andreas Freyer 9
und etliche begabte Menschen mehr, um bib- Jens-F. Dwars lische Geschichten in den ausgewählten Klas- sen zu erzählen, veranlassen Lehrer, Projekt- Was ist und zu welchem Zweck betreiben wir wochen zu Luther und Exkursionen zu den Lu- Literaturförderung? therstätten durchführen, in Weimar, in Eisen- für Sigrun Lüdde ach, in Erfurt … das wirkte zunächst auch auf die LGT und ihre Mitglieder seltsam. Zugege- Georg Büchner, steckbrieflich gesuchter ben. Aber es wirkte. Je länger, je mehr. Die mit- Flüchtling aus dem Hessischen, konnte bei machenden Schulen (d.h. ihre Leitungen und keinem seiner Texte, auch nicht bei dem zu Lehrkräfte) in Weimar und darüber hinaus in Lebzeiten gedruckten Landboten, von Freun- Erfurt, Eisenach und an noch entlegeneren den verstümmelt, und Dantons Tod, von Gutz- Orten, etwa Worms und Herisau in der kow geglättet, Korrektur lesen. Friedrich von Schweiz, begriffen, welchen kulturgeschicht- Hardenberg, der sich Novalis nannte, ein Neu- lichen Schatz die Reformation für ihren Unter- land-Besteller, schrieb auf Dienstreisen oder richt in zahlreichen Fächern Deutsch, Ge- ritt als Salinenassessor und Amtshauptmann, schichte, Religion, Kunst, Musik bieten konnte. das Braunkohlenrevier zwischen Zeitz, Meu- selwitz und Ronneburg erschließend. Kafka In diesem Projekt, das zwischen 2010 bis war ein sorgfältiger Versicherungsangestell- 2018 uns beide, Sigrun und mich, eng zusam- ter, Benn ein Arzt für Hautkrankheiten. Hätten mengeschweißt hat, gab es nie einen Misston, sie andere Bücher verfasst, bessere, noch in- gab es immer nur sorgfältiges, verlässliches tensivere, wenn ihnen Stipendien und Preise Arbeiten auf Seiten Sigruns, große kommuni- die alleinige Konzentration auf ihr Schreiben kative Fähigkeiten, gab es Begeisterung für die ermöglicht hätten? Oder anders, boshafter, Sache und für das Ausprobieren des Projekts gefragt: Hat der Stürmer und Dränger Goethe bei uns beiden, auf einem bislang unbekann- nicht an Kraft verloren, seit er sich von seinem ten Terrain mit unglaublich vielen Partnern des Herzog als Berater und Unterhalter des Hofes Projekts – 60 bis 70 waren es jährlich – gab aushalten ließ, für den er läppische Masken- es Freude darüber, das Thema immer mehr züge schrieb und brave Gelegenheitsverse? durchzusetzen, eine Website anzulegen und zu optimieren und so durch das bloße »Dran- Noch nie in der Geschichte der deutschen Li- bleiben« immer größer zu werden. Denn so teratur gab es so viele Preise und Stipendien kam das. wie heute. Wo sind die Meisterwerke, die sich dieser Förderung verdanken? Ihre Transparenz, Loyalität, die Fähigkeit, in der gemeinsamen Aktion alle Fäden immer »›Ein Genie muss hungern, sonst wird nichts zusammen zu halten (und daneben gab es ja daraus.‹ Ich sage umgekehrt: Ein Genie muss unglaublich viele andere Projekte, die Sigrun Geld haben; dann erst erweist es sich, ob es auch betreute), haben mich immer beein- echt ist; ob es Kraft hat. Erst wenn Armut und druckt, und ich habe mir gedacht: Wenn Team- Reichtum daran herum geätzt und es nicht arbeit das ist, dann bin ich auch teamfähig. angegriffen, nicht zerstört haben, erweist es Sigrun jedenfalls war es immer. Dass »wir« für sich als wert, die Menschheit zu führen.« die LGT den Thüringer Kulturpreis 2014 ge- (Harry Graf Kessler, Tagebuch vom 15. Juni 1916) wonnen haben, ist für mich ein Beweis der Tatsache, wie gut wir zusammengearbeitet Ist also doch Förderung vonnöten? Aber wel- haben. che und durch wen? Als Ingo Schulze 2007 den Thüringer Literaturpreis erhielt, störte es Und wenn wir uns heute sehen, sagen wir ihn, seinen Dank an einem Pult zu verkünden, öfter: Wenn es noch einmal so ein Projekt an dem das Logo von E.ON Thüringer Energie gäbe, würden wir das wieder machen … AG prangte. Er wollte nicht Werbeträger eines 10
Wieso aber sollen steuerfinanzierte Jurys bes- sere Entscheidungen treffen als die Kulturbe- rater der Unternehmen? Weil wir den Staat, sagt Schulze, abwählen können, den Unter- nehmensbeauftragten nicht. Sollen wir wäh- len und wählen und wählen, bis die uns genehmen Vertreter in den geeigneten Gre- mien sitzen? Wäre es nicht sinnvoller und nö- tiger, um Kriterien der Förderung zu streiten? Eine öffentliche Atmosphäre zu schaffen, in der das Gute und Schöne gedeihen kann und von Vielen als solches auch wahrgenommen wird: vom Entfachen der Lese- und Schreib- lust in den Schulen über das Fordern und För- dern von Literatur- und Kunstkritik in den Verleihung des Thüringer Literaturpreises 2004 Tageszeitungen bis zur Auszeichnung von Bü- an Sigrid Damm (v. l.: Sigrun Lüdde, Juliane Flei- chern, die nicht auf den Bestsellerlisten ste- scher, Dr. Sigrid Damm) – Foto: Axel Clemens. hen und von Autoren, mit denen sich die Preisverleiher nicht selber schmücken. Wir brauchen keine Corona-Aktionen, sondern die Förderung kontinuierlicher Arbeit. Der wahre Privatunternehmens sein, wie Sportler, auf Förderer veranstaltet keine Events, er ist ein deren Stirnbändern die Namen ihrer Sponso- Gärtner, der eine literarische Landschaft hegt ren stehen. Ihn störte, dass wir uns daran be- und pflegt. Seine Aufgabe ist: das Bestehende reits so gewöhnt haben, dass es uns nicht zu hüten, Keime von Kommendem zu erken- mehr stört, wenn die Privatwirtschaft an die nen, Blüten freizulegen, Früchte zu bergen Stelle des Staates tritt, um Kultur zu fördern: und all das auch andere zu lehren, unsere Ur- Es herrsche eine »Tendenz zur Refeudalisie- teilskraft zu stärken. rung des Kulturbetriebes«, die einhergehe mit einer allgemeinen Privatisierung und Ökono- misierung aller Lebensbereiche. An uns, den Wählern liege es, zu entscheiden, ob wir die- Daniela Danz sen Selbstlauf der Dinge hinnehmen oder für einen Staat sorgen wollten, der seine Verant- Menschen und Orte verbinden wortung für das Gemeinwesen wahrnimmt und dafür auch die notwendigen Gesetze Obwohl der alte Friedhof in Buttstädt inzwi- schafft. schen unter Kennern der Grabmalarchitektur Europas einen solitären Status hat, indem er Das war die bis heute anregendste Dankrede, nämlich einer der am besten erhaltenen Cam- die in dem Vorschlag gipfelte, ein Literatursti- posanti nördlich der Alpen ist, mutet jeder Be- pendium für Thüringer Autoren zu schaffen such des hinter unscheinbaren Mauern und dafür sein Preisgeld zu verwenden. Was verborgenen Kleinods an, als wäre man der sich nur ein Dichterfürst erlauben konnte, der erste, der diesen verborgenen Ort betritt. Und mit Preisen und Stipendien genug gesegnet gleich, nachdem man durch das Tor gegangen war und mit eben dieser Ablehnung des Gel- ist und im Dämmer der Säulengänge steht, ist des nicht nur all jene beschämte, die solcher man gefangen von der besonderen Atmo- Zuwendungen bedürftig sind, sondern zudem sphäre dieses aus der Zeit gefallenen Toten- noch mehr Aufmerksamkeit für sich und seine gartens. Barocke Grabsteine begrüßen den Bücher erregt hat, als wenn er es dankbar an- Besucher mit Worten wie: »Stehe stille, Wan- genommen hätte. derer, und sieh: In dieser Grube ruhen die Ge- 11
beine eines herausragenden und sehr gelehr- und Begegnungen brauchen, um das, was das ten jungen Mannes, des Herrn Gottlob Kauff- Potential hat, uns zu spalten, nicht übermäch- mann, des Advocatus immatriculatus in tig werden zu lassen. Sigrun Lüdde hat mit der Sachsen, der niemandem jemals ein Unheil Buttstädter Tradition etwas Versöhnendes getan hat außer durch seinen Tod. War er auch geschaffen: Die Toten und die Lebenden, die in diesem Leben mit Rechtsstreit befasst, hat Kunst und die Natur (manchmal hat es auch er nun ohne jeden Prozess gewonnen, in sei- heftig geschüttet), die Einheimischen und die ner eigenen Sache, vor dem göttlichen Gericht Fremden sind bei den Lesekonzerten auf dem mit Christus als Anwalt. So ist die Verhandlung Friedhof miteinander verbunden. Das beglückt glücklich gewonnen, da er (Christus) die Schuld mich sehr und dafür, wie für so vieles andere der Natur beglichen hat durch seinen zuvor (u. a. meine ersten beiden Bücher!!!) danke ich geschehenen Tod. Am 14. September 1730 im Dir, liebe Sigrun! Alter von 28 Jahren. Geh, Wanderer! Wisse, dass auch dein Prozess einst so geführt wird.« Jedem, der dies liest, wird sofort klar: Das ist ein Ort barocker Rhetorik, mithin ein Ort der Hubert Schirneck Literatur. Auf der anderen Seite Darf man auf einem nun schon 150 Jahre of- fengelassenen Friedhof Lesekonzerte veran- für Sigrun Lüdde stalten? Was sagt die Kirchgemeinde dazu? Der engagierte Vereinsvorsitzende Erich Rei- Jenseits der Wände che hatte die Idee dazu, aber wen er brauchte, ticken die Zeitbomben war eine ebenso engagierte Veranstalterin klirren Karabinerhaken und Flaschen und die fand er in Sigrun Lüdde und der Lite- rarischen Gesellschaft. Sie überlegte nicht Auf der anderen Seite lange, sondern wagte es, Autoren und Musiker setzt die Wortflut ein an diesem ungewöhnlichen Ort zusammenzu- und dort singen die Vögel bringen und damit eine inzwischen langjährige gegen den Lärm der Autos an Tradition zu stiften, die in Buttstädt jedes Jahr aufs neue ein sommerlicher Höhepunkt ist. Es nimmt nie ein Ende Auf Bänken sitzen die zahlreichen Gäste, die Nur hinterm Haus wächst sonst nicht das klassische Lesungspublikum das Schweigen bilden, und lauschen Gedichten. Und es ge- schieht das, was eben Kunst vermag und was sie in dieser wie in allen anderen Zeiten rele- Fressende Schafe vant macht. Sie bringt Ungesagtes zur Spra- che, sie lässt Vertrautes neu erscheinen und Wenn du nicht einschlafen kannst sie verbindet Menschen miteinander. zähl keine Schafe sondern hör ihnen beim Fressen zu Es ist schön für den Autor/die Autorin, an die- Das macht müde so müde sem, den Buttstädtern so wichtigen Ort seine Ich möchte eine Lanze für die Schafe brechen Texte lesen zu können und für den Musiker, Auf einer saftigen Wiese zu stehen und zu fressen seine Musik durch die Säulengänge zu etwas gemeinsam mit anderen Schafen Neuem werden zu lassen. Und es ist schön für ist viel besser als in einem Büro zu sitzen die Buttstädter, ihren vertrauten Ort an die- mit ähnlicher Hierarchie doch schlechterer Luft sem Abend anders wahrzunehmen. Wobei oder Manifeste zu schreiben »schön« ein zu schwaches Wort für die Tatsa- oder Schuhe zu verkaufen che ist, dass wir als Gesellschaft solche ge- in einem vollkommen grasfreien Einkaufszentrum meinsamen Momente und öffentlichen Orte am Rande von Nirgendwo 12
Christoph Schmitz-Scholemann und ihre Kompetenz setzen. Allerdings haben die letzten Monate gezeigt, dass die Realisie- Danke, liebe Sigrun rung unserer anspruchsvollen und ehrgeizigen Ziele gegenwärtig nur deshalb bewältigt wer- Als ich 2006 nach einigen Turbulenzen zum den kann, weil ... Frau Lüdde in beträchtlichem Vorsitzenden der Literarischen Gesellschaft Umfang bereit ist, auch über ihre bezahlte Ar- Thüringen wurde, war die von Sigrun Lüdde beitszeit hinaus zur Verfügung zu stehen. Das bis Anfang 2006 und dann wieder ab Ende sind natürlich Arbeitszeitressourcen, die man 2006 wahrgenommene Stelle der »Projekt- nur vorübergehend abfordern und ›ausbeu- managerin« vom Freistaat Thüringen halbiert ten‹ kann ...« worden. Zugleich hatten wir uns aber vorge- nommen, die Arbeit der LGT neu anzukurbeln. Liebe Sigrun, das alles sind natürlich nur dürre Das bedeutete für Sigrun, dass sie praktisch Worte für das, was Du getan hast für so viele zwar nur für eine halbe Woche bezahlt wurde, von uns, die sich zum literarischen Leben Thü- aber mehr oder weniger die ganze Woche ar- ringens zählen dürfen. Und es war ja nicht nur beitete. Sie machte das zwar mit, aber ein fai- das Programmatische, das Ausbaldowern rer Zustand war es nicht. Wir haben uns neuer Projekte, Verhandlungen mit Verlagen. deshalb wiederholt an die zuständigen Stellen Wieviele Anträge hast Du ausgefüllt, wieviele beim Freistaat gewandt. Hier Auszüge aus Honorarverträge unterschrieben, Reisekosten einem dieser Schreiben aus dem Jahre 2007, abgerechnet! Bei wievielen Veranstaltungen die von Sigruns wunderbarer, unermüdlicher, hast Du mit geschickter Hintergrundregie bienenfleißiger und letztlich auch vom Frei- dafür gesorgt, dass sie mühelos wie von Geis- staat anerkannter Leistung für die Literatur in terhand über die Bühne gingen. Zwei große Thüringen zeugen. Umzüge des Büros hast Du allein in den Jahren unseres gemeinsamen Wirkens organisiert. »... Seit Herbst 2006 ist wieder ... Frau Sigrun Wie oft hast Du mich mit Deinem Feingefühl Lüdde ... als Geschäftsführerin im Amt ... Sie davor bewahrt, Empfindlichkeiten von Dich- ist mit ihren Aufgaben bestens vertraut, arbei- ter/innen, Musiker/innen und Schauspieler/ tet mit dem Vorstand ... gut zusammen und innen, Ministerial/innen, Künstler/innen und verfügt aufgrund ihrer langjährigen Praxis Gelehrten zu verletzen. Auch an nächtliche über das erforderliche administrative Spezial- Rückfahrten durch Schnee und Eis aus den wissen und vielfältige persönliche Kontakte tiefsten Winkeln Thüringens erinnere ich mich ins Thüringische Literaturleben, beides uner- gern. Es wäre unehrlich zu verschweigen, dass lässliche Voraussetzungen für die von der LGT wir auch gestritten haben. Aber noch unehrli- erstrebte Pflege und Ausweitung der Tätig- cher wäre es zu verschweigen, dass wir uns, keitsfelder ... ohne große Worte darum zu machen, von Herzen versöhnt haben. Sei umarmt, liebe Die Aufgabe des Projektmanagers lässt sich Sigrun! dabei nicht auf ein fest umrissenes Feld be- grenzen. [...] Er muss auch akzeptieren, dass diese Aufgabe nicht mit der Mentalität eines Arbeitnehmers zu bewältigen ist, der ›mit der Stefan Petermann Stoppuhr in der Hand‹ seine Dienstzeiten ein- hält und ›um 5 den Griffel fallen lässt‹. Sigrun Besonders die Fahrten Lüdde hat nicht nur in den Gründerjahren, sondern gerade auch seit ihrem Wiederein- Es gäbe viele Momente mit Sigrun zu be- stieg bei der LGT im Oktober 2006 gezeigt, schreiben; Gespräche, Veranstaltungen, Büro- dass sie diese Voraussetzungen voll erfüllt. treffen. Doch ich möchte über etwas schrei- Der Vorstand der LGT möchte gern weiter auf ben, das regelmäßig geschah und das, so ihre Erfahrungen, auf ihre Einsatzbereitschaft scheint es mir im Rückblick, fast ritualhaft war. 13
Einmal im Jahr, es war immer ein Sonnabend, Wir saßen im Auto und fuhren los; nach Bad es war immer Ende November, Anfang De- Heiligenstadt, Rudolstadt, Bad Berka, Gotha zember, es war immer am Morgen, traf ich oder Greiz. Meistens legten wir unterwegs Sigrun vor ihrem Haus. Dort wartete sie schon einen Halt ein und nahmen Ingrid mit. Auf der mit dem Auto. Das Auto war vollgepackt; der Hinfahrt besprachen wir das Kommende, auf Kofferraum gefüllt mit Pappkartons, auch auf der Rückfahrt das Geschehene. Am Veranstal- der Rückbank standen die Kartons gestapelt, tungsort angelangt luden wir aus. Auch hier in den Fußbereich der hinteren Sitze waren kümmerte sich Sigrun um das Wesentliche, Eimer gestellt, die mit ihrem Wasser zwei hielt Ingrid und mir den Rücken frei für die Mo- Dutzend Blumensträuße frisch halten sollten. deration. Das alles war für den Buchlöwen gedacht, den Schreibwettbewerb der Literarischen Gesell- Während der Auszeichnungsveranstaltung, schaft für Kinder und Jugendliche. Zum Jahres- wenn hundert erwartungsvolle Kinder und Ju- ende fand die Auszeichnungsveranstaltung gendliche mit deren Familien und Freunden statt, stets in einem anderen Thüringer Ort. voller Freude den gelesenen Texten und aus- Und wir fuhren dorthin, einmal im Jahr. gesprochenen Glückwünschen folgten, hielt sich Sigrun stets im Hintergrund. Nur an einer Sigrun hatte die Auszeichnungsveranstaltung Stelle meldete sie sich zu Wort – verlässlich, akribisch vorbereitet: Urkunden gedruckt, Um- jedes Jahr – dann, wenn die Preisverleihung schläge bereitgelegt, Listen angefertigt, die fast zu Ende war, hob sie die Hand und bat die erwähnten Blumen bestellt und beim Blu- Preisträgerinnen und Preisträger darum, an- menladen geholt, die erwähnten Pappkartons schließend für eine Unterschrift zu ihr zu kom- mit dem jeweils aktuellen Siegertexteheft ins men. Danach packten wir die nun leeren Eimer Auto gepackt und dazu Ausgaben aus den und Pappkartons ein und fuhren zurück. Am letzten Jahren gelegt. Nachmittag verabschiedeten wir uns, darum wissend, dass wir uns im nächsten Jahr so Dem vorausgegangen war fast ein Jahr lang wiedersehen würden. Ich werde die Gesprä- Vorbereitung und damit Arbeit. Zuerst kam che, das Akribische, das Darauf-Verlassen- das Versenden und Verbreiten des Wettbe- Können vermissen, liebe Sigrun, aber beson- werbaufrufs. Dann, als nach und nach die ders die Fahrten. Texte im Büro eintrudelten, ein Sortieren, Ko- pieren, Archivieren. Die Jury bekam die Texte zugestellt, dazu alle notwendigen Informatio- nen, in einem Jahr waren es tausend solcher Texte. Sigrun hatte das – auch mit Unterstüt- zung von Praktikantinnen und Praktikanten – jedes Jahr so gemeistert, dass wir in der Jury uns allein um das Lesen der Texte kümmern mussten. Wir konnten uns darauf verlassen, dass der große, für uns unsichtbare Rest da- hinter reibungslos funktionierte. Ich habe »akribisch« geschrieben und das ist eher eine Untertreibung. Ich habe »darauf ver- lassen können« geschrieben, auch das ist eine Untertreibung. Wer das Büro von Sigrun be- trat, der verließ es später mit dem guten Ge- fühl, dass die Dinge so liefen, wie sie laufen sollten. 14
Angaben zu den Autor/innen an Sigrid Damm, Weimar 2005). Text-Rechtenachweis Ingrid Annel – Schriftstellerin, langjährige Ju- ryvorsitzende des Schreibwettbewerbs Die Rechte an den Texten liegen bei den Auto- »Thüringer Buchlöwe«. rinnen und Autoren. Dr. Daniela Danz – Dichterin und Schriftstel- lerin, bis 2020 Leiterin des Schillerhauses Wir danken allen Autor/innen, Künstler/innen Rudolstadt. und Fotograf/innen für die freundliche Geneh- Dr. Jens-F. Dwars – Schriftsteller, Ausstel- migung zum Abdruck ihrer Beiträge. lungs- und Filmemacher, Herausgeber, Chefredakteur der Zs. »Palmbaum – Lite- Insbesondere danken wir der Literarischen rarisches Journal aus Thüringen«. Gesellschaft Thüringen. Angela Egli-Schmidt – Literaturreferentin der Stadt Weimar. Christine Hansmann – Dichterin und Schrift- Literaturland Thuringen aktuell erscheint als stellerin. Mitteilungsblatt des Thüringer Literaturrates Dr. Jens Kirsten – Geschäftsführer des Thürin- e.V. in loser Folge im PDF-Format. ger Literaturrates. Dr. h.c. Wulf Kirsten – Dichter und Schriftstel- Bei Interesse am Abdruck eines Beitrags wen- ler, Gründungs- und Ehrenmitglied der Li- den Sie sich bitte per E-Mail an die Adresse: terarischen Gesellschaft Thüringen. thueringer-literaturrat@gmx.de. Conny Liebig – Grafikerin, Illustratorin. Stefan Petermann – Schriftsteller, 2. Vorsitzen- der der Literarischen Gesellschaft Thüringen. **** Hubert Schirneck – Dichter und Schriftsteller. Christoph Schmitz-Scholemann – Schriftstel- Impressum ler, 2006-2012 Vorsitzender der Literari- schen Gesellschaft Thüringen, 2012-2020 Thüringer Literaturrat e.V. Vorsitzender des Thüringer Literaturrates. Cranachstraße 47, 99423 Weimar Dr. Annette Seemann – Schriftstellerin, Über- Tel.: 03643-9087751 | Fax: 9087752 setzerin, Herausgeberin, Projektleiterin der E-Mail: thueringer-literaturrat@gmx.de »Weimarer Kinderbibel«. www.thueringer-literaturrat.de Dr. Martin Straub – langjähriger Geschäfts- www.literaturland-thueringen.de führer des Lese-Zeichen e.V., heute Ehren- Redaktion: Jens Kirsten vorsitzender des Vereins. Redaktionsschluss: 7.1.2021. Falk Zenker – Musiker, Gitarrist. Bild-Rechtenachweis S. 1, 14: Conny Liebig. S. 2: Guido Naschert. S. 3: Barbara Lüdde. S. 4: Literarische Gesellschaft Thüringen. S. 7: Gaby Waldeck (in: Börsenblatt des deut- schen Buchhandels 1993, H. 1, S. 34). S. 9: Thüringer Ministerium für Bildung, Wis- senschaft und Kultur. S. 11: Axel Clemens (in: Dokumentation der Verleihung des Thüringer Literaturpreises 15
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