Alles am Fluss - Dominik Baur
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MAGAZIN FÜR BAD TÖLZ FRÜHLING/SOMMER 2012 S TA D T. L A N D . B E R G . Alles am Fluss Wer die Isar verstehen will, kommt an Bad Tölz nicht vorbei – sondern mitten durch Tölz tanzt Willy Michl Pferdestark Renaissance eines Ein Treffen mit dem E-Bikes erobern Sonntagsvergnügens bayerischen Indianer Stadt und Land
HERZLICH WILLKOMMEN IN BAD TÖLZ! Der Gastgeber-Katalog 2012 wartet auf Sie! Neben unserem Flyer mit Urlaubs- und Gesundheitsangeboten halten wir für Sie selbstverständlich auch eine umfangreiche Auswahl an verschiedenen Themen-Flyern bereit. www.bad-toelz.de/prospekte oder Tel. 08041/7867-0 Gestaltung www.duyen.de Beauty-Woche in Bad Tölz Um Jahre jünger aussehen – Unser Intensiv-Programm In nur einer Woche Mikrodermabrasion In nur einer Woche um Jahre jünger Botox aussehen? Die ideale Kombination Faltenunterspritzung von Methoden aus der Ästhetischen Peelings Medizin und Medizinischen Kosme- MicroNeedling Aesthetic & More GmbH tik lassen Schönheitsträume bei uns ReFirmeTM Skin Tightening Wirklichkeit werden. VolumenLift An der Asklepios Stadtklinik Horst Kirchberger Make-Up Schützenstr. 17 | D-83646 Bad Tölz Wir beraten Sie gerne! Tel.: +49 8041 | 799 86-0 www.haarentfernung-faltenbehandlung.de
Inhalt 4 DA TÖLZT DER BÄR Im Tölzer Gesellschaftsleben erlebt der Tanz eine Re- naissance. Doch weit gefehlt, wer hier an spießige Kaffee- Editorial 2 kränzchen mit Walzer- Komischer Vogel 3 einlage denkt. Philipp Seidel auf Streifzug durch die Stadt „Da wird jeder Jugendliche blass“ 4 Ursula Quass geht tanzen 14 Grün, grün, grün 8 DIE LEBENSADER Karin Greiner über ein besonderes Kraut Was wäre Tölz ohne die Isar? Die neue Entdeckung der Langsamkeit 9 Richtig: Nichts! Die Mutter der Gisela Dürselen im Feldenkrais-Seminar Flüsse bestimmt das Schicksal des Ortes seit eh und je. Bayern verstehen 13 Über die Vergangenheit der Bayern Alles am Fluss 14 Dominik Baur geht der Isar auf den Grund Gesucht: Das schönste Leserbild 22 31 Fotos: Archiv Tourist-Information Bad Tölz , Dominik Baur, Julia Richter, Archiv DAV Sektion München & Oberland Karikatur 23 E? KLAR! Floß ohne Wiederkehr 24 E-Bikes erobern die Stadt und Dominik Baur kommt ins Rutschen das Umland. Unser Autor hat die neue Art der motorisierten „Der Fluss ist die beste Medizin“ 26 Fortbewegung einem Test Bluesbarde Willy Michl im Interview unterzogen – und eine Buchtipps 30 Überraschung erlebt. Das E-Xperiment 31 Florian Sailer sitzt fest im Sattel Der Marktführer 35 39 Veranstaltungskalender 36 DURCHS WILDE Rätsel 38 KARWENDEL Rauh, knorrig und doch Immer der Gams nach 39 unwiderstehlich: Das Tom Dauer auf Wanderschaft Karwendel ruft – und wer in Unter 60 Minuten – Ausflugstipps 44 Bad Tölz Urlaub macht, sollte diesem Ruf auch folgen. Essen (wie) bei Oma 46 Krautwickerl für Philipp Seidel Impressum, Vorschau, Rätselauflösung 48 1
■ Editorial Liebe Leserinnen und Leser, selbst die größten Wintersportfreunde können sich dem Reiz des Frühjahrs nicht entziehen. Und die Natur erleben, das kann man im Tölzer Land bestens. Beispielsweise auf einem der 37 Wanderwege des Heilklimaparks oder – wenn Sie es sportlicher wollen – im Laufpark Isarwinkel. Wem weder nach Wandern noch Laufen zu Mute ist, der kann auf einem der vielen Radwege im Tölzer Land die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit ausloten oder einfach nur die vorbeigleitende Natur genießen. Übrigens: Für die Radfahrfreunde, die es ein wenig bequemer haben oder den Radius ihres Ausflugs erweitern wollen – seit 2011 können Sie bei uns auch E-Bikes mieten. Der Radausflug könnte etwa zu einem der kleinen Badeseen, in das nostalgische Naturfreibad Eichmühle oder natürlich an die Isar gehen, die – für einen Fluss in Europa wohl einmalig – wieder Badewasserqualität hat. Und einen der reizvollsten Radwege. Natürlich ist auch in Bad Tölz selbst viel geboten. Liebhaber oberbayerischen Brauchtums kommen bei einem der vielen Brauchtumsfeste, etwa beim Loisachgaufest des Trachtenvereins Edelweiß im Juni, voll auf ihre Kosten. Blumenfreunde sollten sich keinesfalls die Tölzer Rosen- und Gartentage ent- gehen lassen. Gourmets markieren sich sicher den Termin des nunmehr 4. Tölzer Käsefestivals Mitte Juni im Kalender. Käsespezialitäten aus der Region, aber auch Spitzenprodukte aus anderen europäischen Käseregionen werden von der ungekrönten Käsekönigin Susanne Hofmann unter der Schirmherrschaft von Elmar Wepper präsentiert. Und im Tölzer Kurhaus ist immer was los. Unter dem Motto „Stadt mit der besonderen Note“ erleben Sie ein hochklassiges und abwechslungsreiches Musikprogramm, dessen Palette von Klassik bis Jazz und von echter Volks- musik und Blasmusik bis zum Rock reicht. Dass der weltberühmte Tölzer Knabenchor da eine besondere Rolle einnimmt, versteht sich von selbst. Also nichts wie auf nach Bad Tölz! Herzlichst Ihr Klaus Pelikan Kur- und Tourismusdirektor Fotos: Dominik Baur 2
Randnotiz ■ Komischer Vogel Von Philipp Seidel Tölz, ich mache Dir heute ein Kompliment, das ich noch keiner Stadt gemacht habe: Tölz, Liebes, Du bist keine iPod-Stadt. Normalerweise braucht man die Ohrhörer, um sich von dem Geplapper und Gekreische, kurz: dem Lärm der Welt, abzuschotten. Nicht bei Dir, Tölz. Schon beim ersten Besuch habe ich beim Verlassen des Zugs die Musikstöpsel aus den Ohren genom- men, weil ich wissen wollte, wie Du klingst. Selbst auf dem Weg vom Bahnhof zur Marktstraße, wo man überwiegend Autos hört, wollte ich nicht tölztaub sein. In der Marktstraße: Hier lohnt es sich noch, sich ins Café zu setzen und den Menschen zu lauschen. Kein Clubbesuch vom Vorabend wird hier verhandelt; hier geht es um das echte Leben. Gänzlich zur Ohrenweide wirst Du,Tölz, im Rosen- garten, der, wenn man einen Augenblick lang nicht aufpasst, zum Franziskanergarten wird. Ein zartes Mäuerchen trennt diese beiden Tölzer Grünanlagen. Wüchsen nicht innerhalb der einen Mauer auffällig viele Rosen, könnte es auch der Franziskanergarten sein; und wüchsen nicht innerhalb des anderen Mauerrunds auffällig viele Nicht-Rosen, könnte es auch der Rosengarten sein. Aus einem Baum kam neulich ein Handyklingeln, dieses unangenehme, in drei schwächer werdenden Phasen sich unangenehm in die Umwelt drängende. Hatte jemand sein Mobiltelefon im Baum verloren? Nein, das Geräusch kam von einem nicht näher zu bestimmenden Vogel. Er pfiff abwechselnd das Handy- klingeln und sein angeborenes Zwitschern. Tölz: Deine Grünanlagen sind schön, aber an Deinen Vögeln müssen wir noch arbeiten. ■ 3
Gesellschaft ■ TÖLZ TANZT „Da wird jeder Jugendliche blass“ Für viele Tölzer gibt es am Sonntagnachmittag nur ein Ziel: das Kurhaus! Dort wird getanzt, was das Zeug hält. Ein bisschen altmodisch? Ja, das schon. Aber ein langweiliger Rentnertreff? Keineswegs. Im Gegenteil: Die Tanzwütigen kommen bis von München. Von Ursula Quass uh“, stöhnt Dora Stamova und fächert Dass etliche der Tänzer eine dutzende Kilo- ihrem Tanzpartner, Rüdiger Kruse, mit meter lange Anreise in Kauf nehmen, habe einem Fächer Luft zu. „Das ist wie einen einfachen Grund: Klassische Tanz- Sport für mich“, lacht die rassige Maschinen- Cafés sind vielerorts Mangelware. bau-Ingenieurin und greift zu ihrem Wasser- „So etwas gibt es fast nicht mehr“, bestätigt glas. Doch lange hält es die temperament- Josef Wendl, der aus dem Münchner Vorort volle 59-Jährige nicht auf ihrem Platz: Ottobrunn gekommen ist. „Wir waren beim „Entschuldigung, aber den Tanz kann ich mir Heurigen, als eine Dame von dem Angebot nicht entgehen lassen“, ruft sie und zieht ih- hier in Tölz erzählt hat. Seit dem Frühjahr ren Tanzpartner auf die Tanzfläche. „Tanzen vergangenen Jahres, als ich das erste Mal da ist mein Ausgleich“, erklärt sie, während sie war, habe ich schon einige Gäste aus Mün- sich mit diesem in den Dreivierteltakt des chen hergeholt. Das spricht sich einfach po- eben angestimmten Wiener Walzers ein- sitiv herum. Und die Preise sind auch in wiegt. Und schon drehen die beiden zur Ordnung.“ Schließlich ist der Eintritt kos- Live-Musik wieder die schönsten Pirouetten. tenlos, nur die Getränke und der Kuchen Mit ihrer Leidenschaft sind die Ingenieurin müssen bezahlt werden. aus Starnberg und der Maurermeister in Auch Ernestine Ueddinger aus Penzberg hat Ruhestand aus München nicht allein – im Feuer gefangen. „Ich war hier im Urlaub. Da Gegenteil. „Oft mehr als hundert Leute ich gerne tanze, bin ich immer gerne wie- kommen jeden Sonntagnachmittag zum dergekommen und hier hängengeblieben.“ Tanz-Café ins Tölzer Kurhaus“, erzählt die Hier, das ist ihr Stammplatz direkt vor einer Veranstaltungsleiterin der Stadt, Susanne der Säulen. Von dort aus hat sie das bunte Frey-Allgaier.Von 14.30 bis 17.30 Uhr kann Treiben und den ganzen Saal mit dem präch- jeder, der möchte, eine flotte Sohle auf dem tigen Kronleuchter an der Decke gut im glänzenden Parkett wagen. Das Team der Blick. „Ich mag dieses Ambiente“, sagt Ued- Foto: Archiv Tourist-Information Bad Tölz Kurhaus-Gastronomie, die die Tanzenden dinger und schaut sich um. „Das ist so schön mit Getränken und feinem Kuchen versorgt, altmodisch. Und die Bedienung ist nett und muss bei den meisten Gästen längst nicht der Kuchen gut.“ Ihre Leidenschaft aber gilt mehr nach den Wünschen fragen. „Aus dem Langsamen Walzer: „Den tanze ich am München, Starnberg, Penzberg: Da ist alles liebsten.“ dabei. Viele sind Stammgäste und kommen Dabei muss man nicht unbedingt selbst das schon seit 15 Jahren her“, so Frey-Allgaier. Tanzbein schwingen, um sich wohlzufühlen, 5
■ Gesellschaft zen, gehört dazu. „Ich habe sonst keine Gelegenheit, Kleider anzuziehen“, erzählt Hermine Willibald, die aus Lenggries ge- kommen ist. „Ich habe mir schon extra Gar- derobe für das Tanz-Café gekauft.“ Und auch ihre Freundin, die Tölzerin Linda Behnke, hat Spaß daran, sich jeden Sonntagnachmit- hat Frey-Allgaier beobachtet. Selbst viele tag aufzubrezeln. „Daheim Rambazamba- Ältere, die selbst nicht mehr fit genug zum Musik aufdrehen und sich herausputzen, das Tanzen seien, ließen sich den sonntäglichen ist toll“, sprudelte es aus der temperament- Termin nicht entgehen, berichtet sie. „Die vollen 66-Jährigen heraus. „Ich reserviere kommen eben zum Zuschauen und sind immer denselben Tisch. Das ist unser Stamm- ganz traurig, wenn sie im Winter bei Schnee platz: Da traut sich schon kein anderer mehr und Eis nicht kommen können oder das her.“ Seit 1994, so lange sie in Bad Tölz Tanz-Café einmal ausfällt.“ Nicht einmal die wohne, komme sie schon zum Tanz-Café. Hitze im Sommer schrecke die Tanzenden ab Einen Lieblingstanz hat sie nicht. „Ich tanze – warum auch: Bei gutem Wetter wird der alles, wenn man mich auffordert.“ Und auch Tanz einfach ins Freie verlegt. „Da kommen wenn es mit einem Kavalier einmal nicht so die Damen mit großen Hüten und Fächern. klappt, weiß sich die resolute Dame zu hel- Ich dachte, so was gibt’s gar nicht mehr“, sagt fen: „Wir tanzen manchmal auch untereinan- Frey-Allgaier lachend. der“, erzählt sie und zeigt auf Hermine Wer aber meint, das Ganze sei ein Rentner- Willibald. „Dann ist Linda der Mann“, treff für Nostalgiker, irrt: „Da ist ein Pärchen ergänzt diese. Nur Twist und „Sachen von dabei“, erzählt die Veranstaltungsleiterin. „Sie Elvis“ mag Willibald „nicht so gern“. Aber kommt immer im Dirndl mit großem Hut das mache nichts. „Dann sag ich halt, das mag und er in Jeans und goldener Weste. Die tan- ich nicht und setz' mich hin.“ Wie die zen Rock’n Roll – da wird jeder Jugendliche Musikstile wechseln auch die Kapellen: Vier blass.“ Vielleicht lässt sich die Beliebtheit des Gruppen sorgen das Jahr über für Abwechs- Tanz-Cafés auch damit erklären: Hier werden lung. soziale Kontakte geknüpft und gepflegt, und Und selbst neue Tänze finden Eingang in die auch so manche Liebe habe hier schon ihren ehrwürdigen Mauern des Kurhauses. „Das ist Anfang gefunden, sagt Frey-Allgaier. „Das ist Discochart, was wir tanzen“, erklärt Martin auch eine kleine Singlebörse.“ Kirchner, der mit seiner Frau aus Geretsried Dass sich die meisten dafür fein herausput- immer wieder sonntags nach Tölz kommt. 6
Gesellschaft ■ Tanzhochburg Tölz: Klassische Tanz-Cafés sind eine Seltenheit geworden – deshalb kommen die Paare jeden Sonntag- nachmittag von weit her „Wir werden öfters angesprochen, was das ist.“ Schließlich komme der Tanz aus dem Norden und sei in Bayern noch nicht so etabliert. Dabei ist der Tanz äußerst vielfältig: Fotos: Archiv Tourist-Information Bad Tölz „Wir tanzen auf Rumba, Chachacha, Disco- fox und teilweise Tango“, erklärt der 48-jäh- rige Werkzeugmacher. „Es gibt einen Grundschritt, aber der Sinn ist, die Musik zu vertanzen. Die Kreativität des Herren ist da- bei sehr gefragt. Und es muss wirklich jeder Schritt geführt werden, weil die Tanzpartne- rin ja nicht wissen kann, was ich mir im nächsten Moment ausdenke.“ Anders als in der Tanzschule tanze jeder hier, was er wolle. „Es sind öfter mal auch jüngere Pärchen da, die außerhalb der Tanzschule tanzen wollen“, erzählt der Stammgast. „Wenn man sich unterhält, sagen viele, dass ihnen genau das gefällt: Jeder tanzt, was er meint. Das ist ganz anders als in der Tanz- schule, wo dann gesagt wird, das ist aber fei ein Chachacha.“ Dann aber hält ihn und seine Frau nichts mehr auf ihren Plätzen, schließlich sind sie in erster Linie zum Tan- zen und nicht wie so manch andere zum Tratschen gekommen. „Entschuldigung, aber das ist unser Lieblingslied.“ ■ 7
■ Kräuterwelt Grün, Grün, Grün Das Wiesenlabkraut Von Karin Greiner Herzerfrischend, dieser Anblick! Überall im Tölzer Land wächst und gedeiht es, breiten sich unter weiß-blauem Him- mel sattgrüne Wiesen zwischen dunkelgrünen Wäldern aus. Getupft von vielen bunten Blüten.Wer da nicht tief einatmet, den Duft des Frühlings oder die Würze des Sommers in sich einsaugt... Ja, was eigentlich? Wie riecht denn beispielsweise der Früh- ling? Das kann ich Ihnen sagen: frisch und jung, nach Wiese, Wasser und Sonnenstrahlen. Bemerken Sie auch dieses feine Vanille- und Honigaroma? Folgen Sie ruhig mal der Duft- spur, sie führt Sie zu einem zierlichen Kraut am Wiesenrand: dem Wiesenlabkraut. Ein dichtes Kissen aus feingliedrigen, vierkantigen Stängeln mit schlanken, etagenweise übereinander aufgereihten Blätt- chen verlockt dazu, sachte darüber zu streichen. Lockere Rispen aus weißen Sternblütchen erinnern ans Schleierkraut, das jeden Blumenstrauß so anmutig auflockert. Jetzt eine Kostprobe, einen Blattquirl von der Spitze zupfen und knabbern. Das schmeckt nach knackigem Kopfsalat, nach zarten Zuckererbsen. Sie wollen die volle Dosis? Dann bereiten Sie sich einen Smoothie zu, das geht ganz fix: Ein paar Labkrautspitzen pflücken, mit etwas Joghurt, Mineralwasser und einem Schnitz Apfel mixen – fertig ist der grüne Trunk. Schmeckt nicht nur köstlich, sondern steckt auch noch voller Vitamine und treibt den Winterblues aus dem Körper. Übrigens: Grün beruhigt, inmitten einer grünen Wiese lässt sich herrlich entspannen. Versuchen Sie's! Hier können Sie sich aufs Wesentliche konzentrieren – oder übers kleine Wiesenlabkraut am Wiesenrand philosophieren. Karin Greiner, Diplom-Biologin, hat das Grün zu ihrer Berufung gemacht. Sie bringt Wald und Wiese, grüne Kräuter und bunte Blumen den Men- Fotos: Karin Greiner, Gisela Dürselen schen nahe. Als Lehrgangsleiterin zeigt sie, welche Power in den grünen Pflanzen steckt. Mehr unter www.pflanzenlust.de. Lust bekommen? Wollen Sie lernen, wie Grünes und Natur die Lebensqualität steigern und die Ge- sundheit fördern? In Bad Tölz werden hierfür eigens zwei Lehrgänge ange- boten: Kräuterpädagoge und NaturCoach. (Informationen unter www.gundermannschule.com oder www.kraeuter-akademie.com). 8
Gesundheit ■ FELDENKRAIS Die neue Entdeckung der Langsamkeit Wenn sich Mia Segal in Bad Tölz die Ehre gibt, ist der Ansturm groß. Im Kleinen Kursaal lauschen die Seminarteilnehmer den Erklärungen der Grande Dame des Feldenkrais und folgen ihren Instruktionen. Jetzt bloß keine falsche Bewegung! Falsch? Gibt es nicht. 9
■ Gesundheit Von Gisela Dürselen ie kommen von überall her: Doris aus Wie liegen die Schulterblätter, wie die Rip- Paris, Elisabeth aus Zürich, Juliano aus pen auf dem Boden? Gibt es Unterschiede Brasilien, Nao aus Japan. Und sie alle zwischen links und rechts? Wo wird der Kör- wollen vor allem eines: Mia Segal erleben. Es per schwer? Wie fließt der Atem? Auf diese ist 10 Uhr morgens. Die Matten am Boden Art stolpert man unversehens heraus aus sei- sind ausgerollt. Ein leises Raunen zieht durch nem hektischen Leben und direkt hinein ins den Saal. Dann ist es still: Sie erscheint. Eine eigene Ich. kleine Gestalt, lächelnd: „Legt euch nieder. Nach dem Üben auf dem Boden folgt die Kernphysiker und Judomeister: Moshé Feldenkrais, der israeli- Fühlt den Kontakt zum Boden.“ Das ist die Kür im Sitzen. Nur der Kopf bewegt sich bei sche Begründer der nach ihm Begrüßung. gekreuzten Beinen – vorwärts, rückwärts, benannten Lernmethode, kam Die aus Israel stammende Segal und ihre rechts, links. Bewusster Atem, wieder den zu dem Schluss, dass Bewegung alles ist Tochter Leora Gaster kommen drei Mal im Kopf langsam hin und her, die Beine diesmal Fotos: FVD, Gisela Dürselen Jahr nach Bad Tölz und trainieren hier anders herum gekreuzt, alternativ mit einer Anfänger wie Profis nach der Feldenkrais- Hand hinten abgestützt. Dazwischen wieder Methode. Seit 2005 gehört Bad Tölz zu den auf dem Boden liegen und den Körper spü- europäischen Feldenkrais-Zentren und steht ren. Das ist leicht, fast zu leicht. Der Laie damit in einer Reihe mit Weltstädten wie fängt an, sich insgeheim zu fragen, ob das alles London. Segal war die engste Assistentin von ist. Beobachtet seine Nachbarn auf ihren Moshé Feldenkrais. Mit einer eigens gegrün- Matten. Rätselt, ob die Profis vielleicht etwas deten Akademie verbreiten sie und ihre anders machen als er selbst. In diesem Mo- Tochter nun schon seit Jahrzehnten die Be- ment sagt Segal: „Es gibt kein Richtig und wegungslehre des israelischen Kernphysikers. Falsch – nur ein Leichter und Einfacher. Es Das Training dauert meist sechs Tage. Zwei geht um den Unterschied. Wir lernen aus Stunden am Vormittag, zwei am Nachmittag. Unterschieden.“ Die restliche Zeit ist dafür reserviert, das Ge- Wenn es kein Richtig gibt und auch kein lernte zu üben. Wer Feldenkrais macht, lernt Falsch, worum geht es dann? Auf jeden Fall als erstes die Langsamkeit kennen. geht es nicht um die Bewegung an sich, son- dern um das Bewusstsein von der Bewegung: „LERNEN AUS UNTERSCHIEDEN“ Moshé Feldenkrais ging davon aus, dass Kör- per und Geist eine Einheit sind und dass Be- Der Anfang ist Entspannung. Auf dem Boden wegung nur das Medium ist, mit dessen Hilfe liegen und den eigenen Körper wahrneh- menschliches Lernen stattfindet. So gesehen men: Arme, Beine, linke Hand, rechter Arm. ist Feldenkrais eine ganzheitliche Lernme- 10
Gesundheit ■ Saburre agnascor Augustus. Adfabilis matrimonii fermentet bellus Saburre agnascor Augustus. Adfabilis matrimonii fermentet bellus Saburre agnascor Augustus. Adfabilis matrimonii fermentet bellus Saburre agnascor Augustus. Adfabilis matrimonii fermentet bellus thode. Aber was sind die Unterschiede, von wohnte Dinge auch einmal ganz anders zu Es geht um eine Erweiterung des eigenen Spektrums: Laut denen Segal sagt, dass man aus ihnen lernt? tun als bisher, verzichtet er auf den größten Mia Segal gibt es kein Richtig Und vor allem: Was lernt man? Teil seiner Möglichkeiten. Beim Feldenkrais oder Falsch, nur ein Leichter Moshé Feldenkrais, einer der ersten Judo- geht es um genau dieses Potential – und Meister Europas, befasste sich nach einer dieses schließt Geist und Körper ein. Darum Knieverletzung intensiv mit menschlicher nannten Mia Segal und Leora Gaster ihre Anatomie, dem Nervensystem sowie körper- Akademie auch MBS – „Mind Body licher und psychischer Beweglichkeit und Academy“. Entwicklung. Er kam zu dem Schluss, dass der Mensch alles, was er denkt, fühlt und je- LUCIA IST BOSS IM EIGENEN KÖRPER mals erlebt hat, durch Bewegungen aus- drückt. Nach dieser Annahme können Kör- Feldenkrais-Bewegungen, mögen sie noch so per und Geist sich wechselseitig beeinflussen. winzig und unscheinbar erscheinen, zielen Eine Sichtweise, die die moderne Hirnfor- in Wirklichkeit auf Veränderung. Denn die schung inzwischen belegt hat: Die fand he- vielen Variationen sind nichts anderes als eine raus, dass alles, was einen Menschen bewegt, Erweiterung des eigenen Spektrums. Wenn im Gehirn Verbindungen schafft. Diese sind sich nach einer Übungssequenz etwas anders wie Fahrbahnen – und je öfter sie benutzt anfühlt als vorher, so ist es – wie Mia Segal werden, desto größer und mächtiger werden sagt – deswegen, „weil du etwas anders ge- sie. macht hast, und weil du dich dazu entschlos- „Aufgrund unserer Lebensgeschichte haben sen hast, es diesmal anders zu tun.“ Gaster wir alle unsere Muster“, sagt Leora Gaster. nennt darum das Leben eine „growing jour- Für die körperliche Bewegung, aber auch für ney“, eine kontinuierlich weitergehende Gedanken und Gefühle. Jeder habe diese Reise des Lernens. Muster, weil er sie irgendwann in seinem Le- Aus diesem Grund richtet sich die Felden- ben genauso und nicht anders gebraucht krais-Methode an Gesunde wie an Kranke. habe. Es könne aber sein, dass gerade hier und Besonders aber für Leute, deren einseitige jetzt etwas anderes angesagt sei. Bewegungsmuster sich bereits eingebrannt Wenn ein Mensch nicht ausprobiert, ge- haben in den Körper. Lucia ist so ein Bei- 11
■ Gesundheit Mia Segal ist Impulsgeberin, die Lernschritte muss jeder für sich selbst machen spiel: Am zweiten Tag des Trainings steht sie denen Variationen aus und erforscht mit sei- Foto: Archiv Tourist-Information Bad Tölz plötzlich im Saal, weil sie gehört hat, dass ihr nem Trainer die eigenen Gewohnheiten. Mia Segal vielleicht helfen kann. Die zier- Dessen Hand am Körper des Übenden ist da- liche junge Frau arbeitet in einem Restaurant bei entscheidend. Denn die Trainer spüren und räumt täglich Flaschen und andere selbst kleinste Unterschiede in der Muskel- schwere Dinge in hohe Regale ein. Wegen aktivität des Liegenden und stellen ihm diese ihrer Schmerzen in der rechten Schulter und Sensibilität zur Verfügung. Die andere Art der auf der ganzen rechten Seite hat sie schon Feldenkrais-Arbeit ist die „Bewusstheit durch mehrere Ärzte konsultiert – vergeblich. Bewegung“: die Gruppenarbeit, die Segal im Im Plenum führt Lucia vor, wie sie die Saal anleitet. Die Übenden bewegen sich Flaschen in die Regale einräumt. Dabei zieht ebenfalls nach verbalen Anweisungen und er- sie jedes Mal die Schultern hoch. Ihr Körper fahren, was ihnen gut tut und was nicht – und wirkt blockiert, Lucia stemmt sich mit all ih- wie viele Möglichkeiten es überhaupt für ein rer Kraft dagegen. Segal weist sie an, sich auf und dieselbe Bewegung gibt. eine Liege zu legen, und für die nächste Vier- Mia Segal ist dabei nur Impulsgeberin. Die telstunde sitzt sie an ihrer Seite. Gibt Anwei- Lernschritte macht jeder für sich selbst. Für sungen für einfache Bewegungen, folgt mit Tochter Leora Gaster ist Feldenkrais darum den Händen jeder Regung unter der Haut eine Form von „Empowerment“ – eine der jungen Frau. Danach soll Lucia aufstehen Selbstermächtigung, die die eigene Wert- und die Hände nach einem hochgewachse- schätzung fördert: „Denn niemand kann ein nen Teilnehmer ausstrecken. Lucia streckt so guter Lehrer für dich sein wie du selbst.“ sich, und diesmal bleiben die Schultern un- Bei dieser Gelegenheit wächst auch das Ge- ten; ihr Körper wirkt entspannt. „Du hast die fühl für die anderen, weil die Bewegung bei Wahl“, sagt Mia zu ihr. „Du kannst die Schul- jedem anders fließt, und weil jeder für sich tern hochziehen oder loslassen. Niemand einzigartig ist. Auch dabei gibt es kein Rich- kann es für dich tun. Ganz allein du kannst tig und Falsch. Jeder Einzelne hat die Chance, es.“ von sich selbst und vom anderen zu lernen. „Funktionale Integration“ heißt diese Art Ohne Wertung. So wie ein Kind, das stau- von Einzelarbeit in der Feldenkrais-Methode. nend die Welt entdeckt. ■ Dabei liegt der Übende bequem auf einer Weitere Informationen unter Liege, führt Bewegungen in vielen verschie- www.mbsacademy.org 12
Landeskunde ■ ayern verstehen Heute: Tempi passati a, wissen Sie Ein Beispiel: „Ich habe Konjunktiv („Ich wäre“) bezeichnen kann. denn über- mir gedacht“, sagt der Aber das ist eine andere Geschichte. haupt, was Plosive Preuße, womit wir im Folgen- Seine grammatikalischen Extrawürschtl und Affrikate sind? den des schöneren Antago- brät sich der Bayer freilich auch bei Verben, Da fängt’s nämlich nismus wegen schlicht einen die im Hochdeutschen regelmäßig ge- schon an. So was hochdeutschen Muttersprach- beugt werden. Dann greift er stur zu einem muss man schon wissen, wenn man den ler bezeichnen wollen, obwohl der Infinitiv unregelmäßig, also stark gebeugten Parti- Bayern und seine Art, mit der Vergangen- des gemeinten Verbs natürlich nicht „da- zip, wo im Hochdeutschen keines hinge- heit umzugehen, begreifen möchte. Nein, chen“, sondern „denken“ lautet. „Danken“ hört, und schreckt dabei auch vor Ver- keine Sorge, politisch wird’s jetzt nicht. wird zu „gedankt“, „lenken“ zu „gelenkt“, aber wechslungsgefahren nicht zurück. Wenn Aber der Bayer neigt zur Unregelmäßigkeit. „denken“ – so viel Spaß muss sein, denkt sich also etwa der Preuße auf ein Klingeln Das hat er nun mal in sich, und wenn etwas sich der Preuße – wird nun plötzlich zu „ge- des bayerischen Besuchers hin zu viel Zeit gemeinhin so und so gehandhabt wird, dacht“. Hat er sich nun aber gedacht, der lässt, um die Tür zu öffnen, und dieser dann dann macht er’s mit Fleiß anders als die an- Bayer werde diesen Jux schon mitmachen, darauf hinweist, er habe doch gelitten, deren. Besonders dann, wenn die anderen hat er falsch gedenkt. „Hab’s ma denkt“, sagt sollte dies keinesfalls als wehleidige Klage „die ganz die andern“ sind. der nämlich und denkt sich nichts dabei. ob der langen, einsam vor der Tür zuge- Denn schaut man etwas genauer hin, und Und glauben Sie jetzt nicht, der Bayer be- brachten Zeit miss-, sondern lediglich als das zu tun empfiehlt sich durchaus hin und ließe es beim Denken. Nein, „I hob’m kennt“, bairisches Partizip Perfekt des Verbs „läuten“ wieder, dann stellt man fest: Dem Indivi- sagt er beispielsweise, wenn er jemanden verstanden werden. dualismus oder gar Anarchismus frönt der gekannt hat. Und gab es ein Feuer, hat's Weniger Gefahr eines Missverständnisses, Bayer genau so lange, wie er sich in Gesell- „brennt“, nicht gebrannt. aber dieselbe Logik verbirgt sich hinter For- schaft gleichgesinnter Anarchisten, vulgo Dass die Vorsilbe „ge-“ hierbei oft unter den men wie „gschniebn“ (geschneit), „gstriffn“ Bayern, wähnt. Innerhalb dieser Gruppe Tisch fällt, braucht uns nicht weiter zu ver- (gestreift), „gwunschn“ (gewünscht) oder freilich weicht der Nonkonformismus wundern: Das unbetonte „e“ wird im Bairi- „derwuschn“ (erwischt). Besonders schön schnell dem Schonkonformismus. Mia san schen eh gern verschluckt – sei es aus kuli- auch: „Mei, hob i mi gforchtn.“ („Was habe mia, heißt’s dann im Bemühen, sich der An- narischen Gründen oder aus solchen der ich für Ängste ausgestanden!“) gehörigkeit zur Gruppe und damit auch Zeitersparnis; aus „gesagt“ wird also „gsogt“. Bisweilen behaupten Bayern sogar nach des Rückhalts derselben zu vergewissern. Beginnt der Wortstamm allerdings wie in einem herzhaften Hatschi, sie hätten ge- Aber nun geraten wir schon tief ins den obigen Beispielen mit einem soge- nossen. Ob es sich dabei tatsächlich um Dickicht der bayerischen Seele, dabei geht nannten Plosiv (b, d, g, p, t, k, q) oder einem Dialekt oder mehr um eine Gaudi handelt, es uns an dieser Stelle doch nur um Ver- Affrikat (z), tut sich der Bayer eine solche ist wissenschaftlich noch nicht endgültig gangenheit und Sprache – um ein Tempus, zungenbrecherische Aussprache wie geklärt. wie der Humanist, sprich: der Bayer, sagen „gdenkt“ gar nicht erst an, sondern spart Und selbst hilfsverbsmäßig, dieser letzte Ex- würde. Denn der, das weiß man, ist ein sich das „g“ gleich auch noch. Und wenn er kurs sei uns gestattet, artikuliert sich bei der Mann des Wortes. Wobei es der Singular dann Hilfsverben wie „müssen“ oder „kön- Perfektbildung die besondere Philosophie meist ganz gut trifft. Benutzt er aber dann nen“ konjugieren muss, spart er sich gleich bayerischer Denker und Sprecher. In der doch mal mehrere am Stück, kann man komplett die gesamte Partizipbildung und Regel, da sind sich Norden und Süden auch hier unschwer den Hang zur Unregel- nimmt einfach den Infinitiv: „I hob wortn noch einig, bildet man das Perfekt mit dem mäßigkeit ausmachen. miassn“, sagt er dann. Oder: „Der hod fei Hilfsverb „haben“. In einigen Ausnahmefäl- So kann es durchaus passieren, und damit redn kenna. Des is bestimmt a Gschdu- len wie den Verben der Bewegung bedient wären wir nun endlich bei der Vergangen- diada gwen.“ Interessant dabei: So gern der man sich des Hilfsverbs „sein“: „Ich bin ge- heit, so kann es also passieren, dass der Bayer die Vorsilbe „ge“ weglässt – dem Stu- gangen“, „ich bin geflogen“. Dagegen heißt Bayer aus purem Eigensinn und ohne jede dierten dichtet er sie an. Eigen ist er halt. es (zumindest im Hochdeutschen): „Ich Scheu vor dem Paradoxon regelmäßig Dass wir hier ausnahmslos vom Perfekt habe gestanden.“ Der Bayer ist sich jedoch beugt, wo der gemeine Deutsche die unre- sprechen, hat einen einfachen Grund: Der bewusst, dass letzten Endes alles in Bewe- gelmäßige Beugung bevorzugt – um ge- Bayer kennt so gut wie kein Imperfekt. Eine gung ist. Ergo sagt er: „I bin gstandn.“ Oder: rade dadurch seinen Hang zur Unregelmä- Ausnahme macht er allenfalls mal bei Hilfs- „I bin gsessn.“ Das Stehen und das Sitzen ßigkeit zu unterstreichen. Es klingt verben: „I war“ sagt er schon auch, was je- sind halt auch nur Bewegungszustände – kompliziert, ist es aus bayerischer Sicht je- doch weitere Probleme aufwirft, da es so- nur eben sehr, sehr langsame. doch keineswegs. wohl den Indikativ („Ich war“) als auch den Dominik Baur 13
■ Land und Fluss ISARLEBEN Alles am Fluss Ohne sie gäbe es kein Bad Tölz, ja nicht einmal München. Die Isar bringt den Menschen weit mehr als etwas Wasser aus dem Gebirge. Für viele Bayern ist sie Teil ihrer Identität. Wir haben uns ihr genähert und an ihren Ufern Angler, Ranger und Indianer getroffen. Und eine Wolfsspinne. 14
Land und Fluss ■ Von Dominik Baur er die Frühgeschichte eines Flusses Uhr dreißig sind genau achthundert Jahre Sie beginnt als kleiner Ge- birgsbach im Karwendel erzählen will, ist meist auf Mutma- verflossen seit Bestehen unserer Isar.“ Das (Mitte), für die Tölzer ist sie ßungen und Schätzungen angewie- Isarbett selbst sei von Herzog Jakob dem das zentralste Naherholungs- sen. Aufzeichnungen sind rar, das Gespräch Wässrigen erbaut worden, fährt er in dem Ar- gebiet mit Zeitzeugen gestaltet sich oft noch tikel „Die Gründung der Isar“ fort; bei der schwieriger. Da kommt es einem unverdien- Enthüllung des Flusses seien dessen Gemah- ten Glück für die Isar-Forscher gleich, dass lin, die spätere Kronprinzessin Cenzi von deren Historie von den frühesten Anfängen Harlaching, und der frühere Kurprinz Maxi- Fotos: Dominik Baur an präzise dokumentiert ist. So schreibt ein milian der Wamperte zugegen gewesen. Statt- Chronist in den zwanziger Jahren des vergan- gefunden habe das Ganze natürlich in Mün- genen Jahrhunderts: „Heute Nachmittag drei chen. Dass diese Stadt zu jener Zeit noch 15
■ Land und Fluss geduldig seiner späteren Gründung harrte, stammte, dass der bayerischste aller Flüsse Fotos: Dominik Baur vermag den Mann nicht weiter aus der Fas- eine österreichische Zuagroaste war. Die Isar sung zu bringen; ungerührt beschreibt er den kam nicht her, sie war einfach da. feierlichen Akt, „als die ganze Münch- Aber jetzt will ich’s wissen. Und ner Bürgerschaft, der Stadtma- stehe hier, vor einem gistrat samt den Stadtvätern Schild, auf dem steht: „Ur- auf der Fraunhoferbrücke sprung bei den Flüssen“. standen und jeden Moment Ein Schild? Das ist alles? auf die ersten Isarwellen warte- Wo ist denn nun die Quelle ten.“ Der Chronist hieß Karl dieses Flusses? „Wie? Es Valentin und sollte durchaus als gibt da gar kein Loch, das Kenner der Materie gelten, man anschauen kann?“ schließlich wuchs er in München fragt die Frau an meiner Seite em- in der Au auf, also direkt an der pört. „Betrug!“ Isar. Wo die Isar beginnt, darüber lässt sich strei- Knapp 900 Jahre und eine Viertelstunde spä- ten, und es gibt tatsächlich Leute, die das ter, es ist ein Mittwoch, erkunde auch ich die auch tun. Im Karwendel, so viel steht immer- Anfänge des Flusses. Die Isar und ich, wir hin fest; irgendwo im Osten von Scharnitz, kennen uns schon eine ganze Weile. Vor al- im Hinterautal. Aber von einer Stelle, wo das lem ich sie: Meine ersten Atemzüge tat ich frische Wasser aus dem Bergmassiv sprudelt, in einem Spital namens Rechts der Isar un- ist hier keine Spur. An vielen Stellen drückt weit derselbigen; später lebte ich in Wohnun- das Wasser einfach so aus dem Kies in das gen, lernte in einer Schule und arbeitete in Bachbett. Und mit etwas Phantasie lassen einer Redaktion, die allesamt in Kieselwurf- sich hier am „Ursprung“ zwei kleine Ge- weite der Isar lagen; und in dem Moment, in birgsbäche ausmachen, die sich zu einem grö- dem ich mich anschickte, volljährig zu wer- ßeren vereinen, der Lafatscher- und der Birk- den, saß ich an einem Lagerfeuer auf einer karbach. Weiter oben, an der Quelle des ihrer Kiesbänke. Aber nie hatte ich mir Ge- Lafatscherbachs, da hat auch einer ein Schild danken darüber gemacht, wo sie herkam. aufgestellt. Dort heißt es: „Isarquelle“. Darüber, dass sie in Wirklichkeit aus Tirol Einfach die Lafatscherbachquelle zur Isar- 16
Land und Fluss ■ quelle umzudeklarieren, das erscheint mir es dann runter bis 310 Meter bei Deggen- Hochstapler: Immer wieder findet man entlang des Fluss- dann doch etwas dreist – als stiege ich in die dorf, wo die Isar in die Donau mündet. Eine verlaufs Kunstwerke aus Kies. Isar und behauptete, ich schwömme im Strecke von knapp 300 Kilometern legt der Für den gigantischen Sylven- Schwarzen Meer. Wenn sich die Tiroler hier Fluss bis dahin zurück – die Angaben steinspeicher musste in den Fünfzigern sogar ein ganzes schon nicht entscheiden können, so be- schwanken. 630 Meter Höhenunterschied Dorf weichen. schließe ich für mich: Irgendwo hier – bei bei der Länge, das hört sich nach wenig an; diesen vermeintlichen Flüssen – beginnt die doch für einen Fluss ist es ein starkes Gefälle. Isar. Meine Isar. Wenn auch nicht grün, wie Und das macht die Isar ganz schön reißend. ich sie sonst kenne, sondern blau. Und eiskalt. Manche behaupten gar, Isar, das sei keltisch Dem Fluss ist der Streit ohnehin einerlei, und heiße „Die Reißende“, aber auch da ge- unbeeindruckt fließt er weiter. Bis nach hen die Meinungen auseinander. Scharnitz sind es zwölf Kilometer. Dort trifft Es ist jedenfalls eine ereignisreiche Strecke bis die Isar zum ersten Mal auf die Zivilisation – zur Donau. Ein paar Zahlen mögen verdeut- bei etwa 940 Metern über dem Meeresspie- lichen, was die Isar für Bayern bedeutet: 28 gel.Von dem österreichischen Grenzort geht Wasserkraftwerke und insgesamt acht Städte ISARRADWEG Wer die Isar vom Ursprung bis zum Ende er- kunden will und ein paar Tage Zeit hat, nimmt am besten das Rad. Der Isarradweg säumt den Fluss durchgehend – bis zur Mündung bei Deggendorf. Mal rechts, mal links, mal auf beiden Seiten der Isar. Informationen und Pistentipps auf www.isarradweg.de. Hier kann man auch die aktuellste Fassung des günstigen, aber unentbehrlichen Radführers bestellen. 17
■ Land und Fluss säumen den Weg des Flusses. Er durchfließt sen sich hier anstauen. Zur besseren Vorstel- eine Landes- und zwei Bezirkshauptstädte lung: Füllte man ihn mit Bier statt mit Was- und umfließt fünf große, verbaute und zahl- ser, bräuchten die Bayern fast 64 Jahre, um lose kleine und oft nur vorübergehende In- ihn auszutrinken. seln. 106 Flüsse und Bäche münden auf Und dann natürlich Bad Tölz – die Isarstadt bayerischem Boden in ihn. In seinem Wasser par excellence. Denn das ist ein Fakt: Ohne und an seinen Ufern tummeln sich Sonnen- Isar nicht nur kein Bad, sondern auch kein anbeter, Badenixen, Radler, Flößer, Kanuten, Tölz. Das alte Tölz verdankt seine Gründung Spaziergänger, Ornithologen, Pyramiden- zweifelslos seiner Lage. Hier kreuzten sich bauer, Angler, Indianer, Ranger, Wanderer, zwei besonders bedeutende Verkehrswege, ja Gassigeher, Täufer und sogar Goldwäscher. Lebensadern: die Isar und die Salzstraße. Auf Und acht Stauseen passiert der Fluss, darun- der einen brachten die Flößer Holz, Kalk, ter der riesige, 1956 fertiggebaggerte Sylven- Bier und sonst noch allerlei vom Süden nach steinspeicher. 1,24 Milliarden Hektoliter las- München und noch weiter, auf der anderen Ein -liches Grüß Gott G Tölzer im Tölzer Traditionshaus Trraditionshaus inmitten in der Altstadt. Genießen Sie Bayerische Schmankerl und internationale Spezialitäten in unseren gepflegten Stub‘n oder im gemütlichen Altstadtbiergarten inmitten der Bad Tölzer Fußgängerzone. Das NEU: Für TTagungen agungen a und rauschende FFeste este empfehlen wir unseren reprä reprä-- Traditionshaus sentativen, vielseitigen FFest- Veranstaltungsraum. est- und Veeranstaltungsraum. eranst im Herzen von Marktstraße 29 TTel. el. 08041 / 76 88-0, FFax ax 76 88-200 18 Bad Tölz 83646 Bad Tölz info@kolberbraeu.de info@k olberbraeu.de (Anfahrt über die Säggasse 12) www.kolberbraeu.de www .kolberbraeu.de
Land und Fluss ■ wurde das wertvolle Reichenhaller Salz gen Doch dann kommt der Mensch – mit Weh- Es ist die Geradlinigkeit der Menschen, nicht der Flüsse, Westen transportiert. ren, Mauern, Kanälen und Stauseen. die mancherorts das Erschei- Wenig weiter nördlich, gleich hinterm Töl- Zum Beispiel am Krüner Wehr: Wenn die nungsbild der Isar bestimmt, zer Kraftwerk hat Reinhold Schendel gerade Isar hier ankommt, hat sie gerade erst Mit- wie hier bei der Wehranlage in Krün (Mitte). Im Einsatzgebiet seine Angel zusammengepackt. Es ist früher tenwald hinter sich gelassen – und wird von Ranger Bernhard März Nachmittag. Der Pensionist aus Wackersberg schon aus dem Bett gerissen. Ein Kanal leitet darf sich die Isar schon eher verbringt viel Zeit am Fluss, zwei, drei Tage die Fluten zum Walchensee und dem dorti- als Gebirgsfluss präsentieren. Das Walchenseekraftwerk (un- in der Woche werden es bestimmt sein. „El- gen Kraftwerk um. Über die Loisach und ten) ist eines von 28 Wasser- ritzen, Steinbeißer“, erzählt er, „die gibt’s den Loisach-Isar-Kanal fließt das Wasser kraftwerken entlang der Isar. hier fast nicht mehr.“ Denn neue Vogelarten dann weiter und erst kurz vor Wolfratshausen treiben sich seit einiger Zeit entlang der Isar wieder in die Isar. Bis 1990 hatte das zur rum: der Kormoran etwa oder der Gänsesä- Folge, dass die eigentliche Isar hinter dem ger. Solange sich die Fische verstecken könn- Wehr an rund 300 Tagen im Jahr ausgetrock- ten, wären die Räuber aus der Luft kein Pro- net war. Seither muss wenigstens ein Teil des blem. Aber da ist dieser feine Kies, den die Wasser im ursprünglichen Bett belassen wer- Tölzer hier gleich hinterm Kraftwerk auf- den. Die Isar ist jetzt in Krün und den fol- schütten. Und der ärgert Reinhold Schen- genden Ortschaften keine Wüste mehr, aber del. Der Kies wird vom Fluss mitgerissen mehr als ein Rinnsal ist sie aus der Sicht ei- und verstopft die Unterstände, die für man- nes ehemaligen Wildflusses auch nicht. Auch che Fischarten überlebensnotwendig sind. wenn das manche Einwohner wenig stört. „Früher, da haben wir in die Isar keinen Die Erinnerung an eine Zeit, als die Isar wie Fisch einsetzen müssen“, sagt er. Inzwischen ein Ungeheuer durch die Dörfer tobte und ist das alljährliche Routine. sich Jahr für Jahr ihre Opfer holte, ist schließ- Die Geschichte der Isar und ihres Volkes ist lich noch gegenwärtig. Fotos: Dominik Baur die Geschichte einer Liebesbeziehung – aber „Es gibt eine Tragödie der Isar, die geschrie- auch die eines ununterbrochenen Konflikts ben ist mit den Griffeln der modernen Tech- zwischen Mensch und Natur. Wie man sich nik oder vielleicht besser ausgedrückt mit bettet, so fließt man. Denkt sich der Fluss. den Griffeln der Bayernwerk AG“, zitiert der 19
■ Land und Fluss Historiker Reinhard Falter einen bayerischen verschiebt sich das Ufer in einer Kurve um Landtagsabgeordneten. „Sie begann im Jahre bis zu 20 Meter“, erzählt Bernhard März. 1920. Aber einmal muss diese Tragödie doch „Da kann man dabei zuschauen.“ Oft gibt irgendwie beendet werden.“ das einen völlig neuen Flussverlauf. Die Beschwerde stammt aus dem Jahr 1954; andere machten sich noch viel früher Sorge EIN TRAUM um ihren Fluss. Gabriel von Seidl etwa, der Architekt und Städteplaner, der auch das un- Und so hat auch der Kies, der hinter Tölz verkennbare Gesicht von Bad Tölz maßgeb- aufgeschüttet wird und der Reinhold Schen- lich geprägt hat. Angesichts der zunehmen- del so ärgert, durchaus seine Bedeutung. Die den Verbauung seines Flusses gründete er Bagger erledigten hier nur den Job, den die 1902 den Isartalverein, eine der ersten Bür- Isar gern selbst machte, woran sie aber die gerinitiativen Deutschlands. Dieser hat sich Schleuse hindert, erklärt Isarranger Bernhard bis heute dem Schutz der natürlichen Schön- März. Denn hat der Fluss kein Geröll, das er heiten des Isartals verschrieben. mitreißen kann, bedient er sich am Unter- Immerhin hat sich einiges getan in den letz- grund, er frisst sich ein. Vielleicht, so meint ten beiden Jahrzehnten. Vielerorts wurden März im Gespräch mit dem Angler, könnten Uferbefestigungen abgebaut, im Tölzer Land ein paar künstlich herbeigeführte Unter- dürften es mehrere Kilometer gewesen sein. stände helfen, die Fischbestände zu beschüt- Fotos: Marey/Hake/Lerpscher (Stadtarchiv Bad Tölz) Und in München wurde im vergangenen zen. Jahr der Abschluss des Großprojekts Isar-Re- Für den Ranger wie für den Angler ist ein naturierung gefeiert.Vielleicht hätte Gabriel Leben ohne Isar nicht vorstellbar. „Ich fische von Seidl sich darüber gefreut, vielleicht hätte hier ja schon seit 1965“, erzählt Schendel. er es aber auch nur als einen Tropfen auf den „Wenn ich beim Fischen bin, das ist ein heißen Kiesel betrachtet. Traum. Ich sitz’ dann hier, hab’ vielleicht eine Natürlich versucht es die Isar auch heute im- Halbe Bier dabei und seh’ oft einen Tag lang mer mal wieder, dann bricht sie aus und keinen Menschen. Das ist wie in Alaska.“ bahnt sich da, wo es noch geht, ihre eigenen Manchmal sieht er einen Eisvogel oder einen Wege. Immerhin: „Bei einem Hochwasser Schwarzstorch. 20
Land und Fluss ■ Uferwechsel. Einige hundert Meter flussauf- Wenn Bernhard März spricht, hört er sich ein Vor- und Nachteile: Wo man früher noch direkt ans Wasser wärts steigt Bernhard März aus seinem blauen bisschen an wie der Volksschauspieler Wolf- konnte, sind die Tölzer Uferan- Renault-Kombi. Er sieht einen Wanderer des gang Viereck. März ist Jahrgang 1958; schlank, lagen heute mit hohen Mau- Wegs kommen und geht direkt auf ihn zu. aber kräftig, man sieht ihm an, dass er meist ern befestigt; dafür ist aber auch die Hochwassergefahr „Den muss ich gleich mal fragen, ob er mit draußen ist. Er kommt vom Bauernhof. Ein entsprechend geringer. den Markierungen am Weg zurecht gekom- bisschen Landwirtschaft, ein bisschen Sozial- men ist.“ Den Isarrangern ist wichtig, dass die pädagogikstudium, dann hat er gemerkt, dass Wanderpfade entlang der Isar gut begehbar beides nicht das Richtige für ihn ist. Seit 1986 sind. Dann suchen sich die Menschen, die ist er nun schon einer von zwei Isarrangern. hier unterwegs sind, nicht ihre eigenen Wege. Im Auftrag des Landkreises, Untere Natur- Der Wanderer ist mit der Beschilderung zu- schutzbehörde. Sein Einsatzgebiet: der Fluss- frieden. abschnitt zwischen Bad Tölz und Schäftlarn. Der junge Mann ist Student. „Ich wollte vor Seine Uniform besteht zwar nur aus einem Ende meines Studiums noch mal was richtig Strohhut und einem Hemd mit einem Auf- Cooles machen“, erzählt er. Dann habe er näher, der ihn als Ranger zu erkennen gibt. vom „Traumpfad“ gehört, jener Wander- Aber ein paar besondere Befugnisse hat März route, die von München bis nach Venedig auch: Er kann ansonsten gesperrte Wege an führt. Ganz sicher ist er sich noch nicht, dass der Isar befahren, Platzverweise erteilen, Per- er die Lagunen jenseits der Alpen erreicht. sonalien aufnehmen, Gegenstände konfiszie- „Ich komme aus dem Ruhrgebiet, ich bin ren. Manchmal muss er es auch. Doch meist nicht so der Bergtyp.“ Aber er will es versu- sind die Menschen verständig. chen.Tags zuvor ist er in München aufgebro- Seine Autorität bezieht der Ranger vor allem chen. „Ich muss erst wieder in zwei Monaten aus seinem Wissen. Wenn März ein paar Ju- in Essen sein.“ Die Isar sieht er zum ersten gendlichen sagt, sie sollen sich doch bitte lie- Mal. „Ich muss sagen: ich bin positiv über- ber 20 Meter weiter weg auf die Kiesbank le- rascht. Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so gen, dann kann er das auch genau begründen. schön ist. Das ist ja wie in Kanada.“ Dann erzählt er ihnen beispielsweise etwas Alaska, Kanada, Oberbayern. In jedem Fall ein vom Flussregenpfeifer, der hier mitten auf Idyll. dem Kies brütet. 21
■ Land und Fluss FLUSSLITERATUR AUSGESUCHTE EMPFEHLUNGEN · Uli Ertle, Michael Ruhland und Sandra Zistl: Die Isar. Stadt, Mensch, Fluss. Süddeutsche Zeitung Edition 2010, 24,90 Euro. · Christian Magerl und Detlev Rabe (Hg.): Die Isar. Wildfluss in der Kulturland- schaft. Kiebitz Buch 1999, 19,80 Euro. · Carmen Rohrbach: Am grünen Fluss. Isar – Abenteuer und Natur pur. saust, scheint ein ordinäres Exemplar zu sein. Malik National Geographic 2007 (Nachdruck), 14,95 Euro. Und das ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt der Tierwelt, die den Fluss und seine Auen · Die neue Isar: Renaturierung, kulturelle Öffnung und Ideen-Fluss, Geschicht- braucht. März nimmt einen weiteren Stein in liches wie Literarisches. Drei Bände in der Reihe „Nymphenspiegel“ 2010-12. die Hand. „Da ist noch die Struktur eines 18,90 und 19,90 Euro. Stengels einer Seelilie zu sehen. Zur Saurier- zeit waren die extrem häufig.“ Übrigens, um der Chronistenpflicht zu ge- Überhaupt, die Fauna der Isar – auch sie ist nügen, sei auch das noch erwähnt: Schon am etwas Besonderes. Ist man mit dem Ranger Tag ihrer Gründung machte die Isar deutlich, unterwegs, trifft man in kürzester Zeit ver- was sie von Menschen hält, die ihr sagen wol- schiedenste, seltene Tiere: Die bedrohte len, wann sie wo zu fließen habe. „Punkt vier Zauneidechse raschelt vom Sonnenbad zu- Uhr sollte der grüne Fluss eintreffen“, so le- rück ins blickdichte Gebüsch. Unter einem sen wir bei Valentin, „aber es wurde später wahllos angehobenen Isarkiesel sitzt eine be- und später, und kein Tropfen Isar war zu se- sonders seltene Art der Wolfsspinne, in der hen. Es wurden sofort Extrablätter verteilt Pfütze nebenan schwimmt die Kaulquappe mit der Inschrift: Isar noch nicht eingetroffen, der nicht minder seltenen Gelbbauchunke. eine Stunde Verspätung!“ Aber das Warten hat Nur die Maus, die vor uns über den Weg sich gelohnt. ■ DAS LESERBILD Was haben Sie für ein Bild von Bad Tölz und Umgebung? Ein lustiges? Ein romantisches? Ein klares? Ein impressionistisches? Schicken Sie es uns! Ganz gleich, ob es ein Schnappschuss, ein kleines Detail, ein Porträt, eine postkartenwürdige Stadtansicht, eine Zeichnung oder ein Aquarell ist, her damit! Das Bild, das uns unter allen Einsendungen am besten gefällt, veröffentlichen wir in der nächsten Ausgabe. Wir freuen uns auf Ihre Ansichten! Bitte senden Sie uns Ihr Bild nur elektronisch, an toelz@gschichten.de. Und schreiben Sie gern ein paar Sätze dazu, wie und wo das Bild entstand und warum es Ihnen besonders gefällt. Einsendeschluss für die kom- mende Ausgabe: 15. August. 22
Foto: Dominik Baur; Illustration: Hans Reiser Karikatur ■ 23
■ Land und Fluss Floß ohne Wiederkehr Einst war die Isar eine der wichtigsten Verkehrsadern Bayerns Wenn die Melodie von „Spiel mir das Lied vom Tod“ er- Solange die Konkurrenz im Wesentlichen aus Pferde- tönt, wird es, wie könnte es anders sein, ernst. Dass es kutschen bestand, galt es noch als besonders schnell. nicht Charles Bronsons Mund-, sondern eine Ziehhar- Zumindest auf dem Hinweg. Wer vom erreichten Ziel monika der dreiköpfigen Floßkapelle ist – geschenkt. wieder zurückwollte, musste auf langsamere Verkehrs- Denn nun kommt es zum Showdown, zum Höhe- mittel ausweichen. Die Flößer selbst hatten dann oft punkt auf dieser Floßfahrt. Vor uns, an der Gaststätte einen langen Fußmarsch antreten. Zur Mühle bei Straßlach liegt die längste Floßrutsche Vor allem ging es damals ums Holz, zumeist Fichte. Die der Isar. Und der Welt. Knapp 350 Meter ist sie lang. scheinbar unerschöpflichen Nadelwälder des Oberlan- Der Akkordeonspieler weiß schon, was ihn erwartet, des waren ein einziges, riesiges Holzreservoir des stetig hat bereits ein Regencape über sich und sein wertvol- wachsenden Münchens. Der Bedarf der Residenzstadt les Instrument gezogen. Flößer Wolfgang holt noch an Brenn- und Bauholz war enorm. Das immer wieder schnell das vordere Ruder aus dem Wasser. Dann: gern zitierte Paradebeispiel ist die Frauenkirche: Die Schreie, Gischt, und sechzig Mann rasen mit vierzig Sa- 2100 Baumstämme, aus denen ihr Dachstuhl gezim- chen in die spritzende Tiefe. Über uns: Amüsierte Zu- mert wurde, kamen in den Jahren 1473 bis 1475 per schauer, die dem Spektakel von der sicheren Brücke Floß nach München. Oder besser: als Floß. Denn das aus folgen. Ein Spektakel, das es hier im Sommer jeden Praktische an den Flößen war: Am Ziel angekommen, Tag mehrmals zu ließen sie sich mit wenigen Handgriffen in ihre Einzel- beobachten gibt. teile zerlegen und sofort als Rohstoff weiterverwerten. Sepp Seitner ist Versuchen Sie das mal mit einer Eisenbahn! einer der weni- Freilich endete die Floßfahrt damals noch nicht in gen Floßmeister, München. Ab 1623 gab es von dort sogar eine regel- die heute noch mäßige Floßverbindung nach Wien. Sechs bis neun die Isar befahren. Tage dauerte die Fahrt über Isar und Donau. „Wir sind die letz- Für Tölz hatte die Floßfahrt eine besondere Bedeutung. ten in Europa, die Schon im Jahr 1785, so belegen Quellen, sollen in Tölz so etwas noch an- 4000 Flöße abgelegt haben, mehr als zehn am Tag. Im bieten“, erzählt er. 19. Jahrhundert dürften es noch deutlich mehr gewor- Zwischen Anfang den sein. Neben Holz wurden auch Kalk aus den zahl- Mai und Mitte reichen Kalköfen entlang des Flusses, die berühmten Flößer Sepp Seitner: Einer der September legen Tölzer Bauernmöbel und manch andere Ware auf den Letzten seiner Art seine Flöße jeden Weg gen Norden geschickt. Ein besonders begehrtes Morgen um neun Transportgut war auch Bier. In den hiesigen Tuffstein- Uhr am Loisach-Ufer in Wolfratshausen ab, und über kellern ließ es sich besonders gut kühlen, weshalb die Fotos: Dominik Baur, Marey (Stadtarchiv Bad Tölz) die Isar geht’s dann runter bis nach München-Thalkir- Münchner ihr Lebenselixier vor der Einführung moder- chen. Nur bei Hochwasser fallen die Fahrten aus. Zwei, ner Kühltechnik gern aus dem Oberland bezogen. Die manchmal drei Flößer steuern ein Floß, in unserem Fall Tölzer hatten unter den Flößern ohnehin eine Vor- sind es Wolfgang und Jason. Die Floßgesellschaft ist rechtsstellung. 1649 hatte ihnen Kurfürst Maximilian I. gemischt: An „Bord“ wird Hessisch, Schwäbisch, Kölsch das Monopol auf die Personenbeförderung nach Mün- und Amerikanisch gesprochen. chen zuerkannt. Andere Zeiten, andere Flöße: Früher war das Floß ein- Nur ehrbare Männer konnten der Zunft der Flößer an- mal eines der wichtigsten Transportmittel des Isartals. gehören. Die Zahl der Floßmeister war jedoch be- 24
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