UniPress* - Forschen im Netzwerk - Universität Bern
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Forschen im Netzwerk * Gespräch – Rektor Martin Täuber blickt zurück 28 * Begegnung – Doris Kopp, Bibliothekarin, sieht kaum noch Bücher 32 Juni 2016 168 * Forschung – Die Mär von der Chancengleichheit 26 UniPress* Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern
Competence in Process and Laboratory Technology 20 to 23 September 2016 | Messe Basel | ilmac.ch ILMAC is part of the Basel Life Science Week from 19 to 23 September | basellife.org Free ticket: ilmac.ch/ticket with PrioCode welcome-ilmac16 Highlights: ILMAC Forum | Lunch & Learn | ILMAC Networking Event and ILMAC Party Main Partner Process Der universitäre Abschluss als Ziel Rund 80 verschiedene Weiterbildungsabschlüsse an der Universität Bern www.weiterbildung.unibe.ch Master of Advanced Studies MAS Diploma of Advanced Studies DAS Certificate of Advanced Studies CAS Frei Zeit* Wir suchen Assistenzärztinnen und Assistenzärzte. www.privatklinik-meiringen.ch * Meine Work-Life-Balance stimmt. Ich lebe und arbeite im Haslital… Informationen: Zentrum für universitäre Weiterbildung ZUW Dort, wo andere Ferien machen! Schanzeneckstrasse 1, 3001 Bern, www.zuw.unibe.ch, zuw @ zuw.unibe.ch
FORSCHEN IM NETZWERK Die Schweiz liegt mitten in Europa. Europa liegt mitten in der Schweiz. Eindrücklich zeigt sich dies in der Wissenschaft. Die Fäden von Forschungsnetzwerken, die den Kontinent umspannen, laufen auch in Bern, Zürich, Lausanne oder Basel zusammen. So koordiniert die Universität Bern vier europäische Verbundprojekte und drei Nachwuchsnetzwerke und ist an zahlreichen weiteren EU-Projekten beteiligt; aktuell sind es 81. In diesem Heft kommen Menschen zu Wort, die an der Universität Bern in europäischen Forschungs- verbünden tätig sind: Als Koordinatorinnen und Koordi- natoren, als Nachwuchsforscherinnen und Nachwuchs- forscher. Sie entwickeln eine App, die es Diabetikern auf einfache Weise ermöglichen soll, ihren Blutzucker- spiegel zu kontrollieren. Sie arbeiten daran, dass uns Satelliten vor Hochwasser warnen, bevor die Flüsse bereits überlaufen. Sie wollen die Blut-Hirn-Schranke besser verstehen – als Grundlage für neue Therapien gegen Krankheiten wie Multiple Sklerose oder Alzheimer. Die Probleme, die sie lösen wollen, sind zu gross und zu komplex für Alleingänge – sie können sinnvoll nur in einem internationalen Netzwerk gelöst werden. Forschen im Verbund ist jedoch immer auch ein Abenteuer, so berichten die Beteiligten. In halb Europa Professoren auf eine Linie zu bringen, das sei wie Katzen hüten. Und wenn Forschende von neun Partner- institutionen alle frisch erholt und mit neuen Ideen aus den Sommerferien heimkehren, dann sorgt die von Brüssel festgesetzte Eingabefrist Mitte August für Hektik im Berner Koordinationsteam. Die sich dann – nach der Zusprache – beim Gläserklirren per Skype in Wohlklang auflöst. Für Schweizer Forscherinnen und Forscher ist Europa nicht so sehr ein Politikum. Es ist Realität. Und das, sagt der abtretende Rektor Martin Täuber im Abschiedsinterview mit UniPress, soll so bleiben: «Die Schweizer Forscherinnen und Forscher sind neben der nationalen auf die internationale Zusammenarbeit angewiesen. So entsteht die Innovation, die wir zur Lösung drängender Fragen brauchen.» Timm Eugster und Marcus Moser UniPress 168/2016 1
Schrift – im Land der Buchstaben Hell im Kopf Forschen in der Welt * Gespräch – Andrea Glauser über weibliche Uni-Karrieren 32 * Gespräch – Stefan Brönnimann und Claus Beisbart zu «Citizen Science» 30 * Gespräch – Hubert Steinke über Medikalisierung 32 * Begegnung – Aymo Brunetti, der beliebteste Hochschullehrer 36 * Begegnung – Riccardo Legena war schon als Kind an der Uni 36 * Begegnung – Sabine Böglis Weg zur Mathematik 36 * Forschung – Gemeinsam für die Medizin von morgen 30 Dezember 2014 162 Apr i l 2015 163 Ju n i 2 0 1 5 164 * Forschung – Kunst und Wissenschaft vereint 26 * Forschung – Feldforschung als Kunst 28 UniPress* UniPress* UniPress* Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern 0_up_162.indd 1 10.03.15 08:26 Wir haben die Wahl Digitale Realitäten In aller Munde * Gespräch – Oliver Mühlemann über Moleküle und Medikamente 32 * Gespräch – Vizerektor Christian Leumann zum geplanten Laborneubau 32 * Gespräch – Alberto Achermann zum Einwanderungsland Schweiz 32 * Begegnung – Dr. Bernadette Bürgi, unsere Frau in Hollywood 36 * Begegnung – Noemi Zbären, die Studentin, die über Hürden läuft 36 * Begegnung – Mario Slongo, Dr. h. c. Wetterfrosch 36 Ok tobe r 2015 165 Dez em ber 2015 166 A p r il 2 0 1 6 167 * Forschung – Warum Migranten auch ohne Chancen hierbleiben 28 UniPress* * Forschung – Zimmerwald, das Rütli der Sowjets 28 * Forschung – Walter Benjamin in Bern 28 UniPress* UniPress* Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern Eine UniPress-Ausgabe verpasst? Gerne können Sie Einzelexemplare nachbestellen: unipress@unibe.ch Tel.: 031 631 80 44 Wollen Sie UniPress (3 Ausgaben jährlich) kostenlos abonnieren? Abo-Bestellungen über: www.unipress.unibe.ch oder an die Vertriebsfirma Stämpfli Publikationen AG Tel.: 031 300 63 42 abonnemente@staempfli.com Universität Bern Corporate Communication Hochschulstrasse 6 CH-3012 Bern Tel. +41 31 631 80 44 kommunikation@unibe.ch www.kommunikation.unibe.ch
Inhalt FORSCHEN IM NETZWERK 5 Mit Marie Curie in Bern doktorieren Von Marcus Moser 7 Luca Marchetti: Gerhirnerkrankungen besser verstehen 9 Satelliten sollen früher vor Hochwasser warnen Von Adrian Jäggi 11 Ulrich Meyer: Von Höhen und Höhlen FORSCHUNG UND RUBRIKEN 13 Damit Ältere nicht so häufig ins Spital müssen Von Felicitas Witte Forschung 15 Georgia Salanti: Sie bringt die neuen Ideen 24 Rechtsmedizin: Genau zur richtigen Zeit: 17 Die App für den Blutzucker Jackowsky und der Tod Von Stavroula Mougiakakou Von Bettina Jakob 19 Lia Bally: Sportlich unterwegs 26 Soziologie: Die Mär von der Chancengleichheit Von Florian Blumer 21 Die neuen Barrieren im Welthandel Von Morven McLean Rubriken 23 Eddy Bekkers: «Es ist sinnvoll, in der Schweiz Erfahrungen zu sammeln» 1 Editorial 28 Gespräch Martin Täuber – «Die Funktion als Rektor hat Bildstrecke: Fünf Koordinatorinnen und Koordinatoren mich erfüllt» von europäischen Forschungsnetzwerken, fotografiert Von Marcus Moser von Manu Friederich. 32 Begegnung Doris Kopp – Zwischen Zettelkasten und Datenbank Von Astrid Tomczak-Plewka 34 Meinung Nehmen uns die Computer die Arbeit weg? Von Michael Gerfin 35 Bücher 36 Impressum UniPress 168/2016 3
Mit Marie Curie in Bern doktorieren Zehn Nachwuchsforschende aus ganz Europa haben die Gelegenheit, mit «BtRAIN» ein neuartiges Programm für Doktorierende zu absolvieren. Die Zusprache der Europäischen Union zur Durchführung des Programms erhielt die Berner Professorin Britta Engelhardt. Von Marcus Moser Erfolgsquote die Erste: Weniger als 7 Pro- acht europäischen Nationen. Auch diese dominiert», sagt Engelhardt. In den vergan- zent all jener europäischen Forschungs- Quote liegt unter 7 Prozent. genen Jahren hätten jedoch vermehrt teams, die sich um die Ausrichtung eines BtRAIN steht für «Brain Barriers Trai- Forschende aus anderen Disziplinen, insbe- Doktorierendenprogramms im Ramen ning». Es geht dabei um Untersuchungen sondere der Molekularbiologie, der der «Marie Skłodowska-Curie Actions» zur Funktion der Blut-Hirn-Schranke BHS, Entwicklungsbiologie und der vaskulären bewerben, haben Aussicht auf Erfolg. Britta die verhindert, dass Krankheitserreger oder Zellbiologie wesentlich zum besseren Engelhardt, Professorin für Immunbiologie, Giftstoffe vom Blut ins zentrale Nerven- Verständnis dieser Barrieren beigetragen. ist zufrieden – sie gehört zu diesen Erfolg- system gelangen. «Der Begriff Blut-Hirn- «Ich bin der Überzeugung, dass dieses reichen: «Zwischen der Vision im Kopf und Schranke wurde in seiner französischen Forschungsgebiet heute an einer neuen dem ausgereiften Forschungsantrag liegen Version als barrière hémato-encéphalique Schwelle steht», erklärt die Forscherin im zahlreiche Diskussionen, verworfene bereits im frühen 20. Jahrhundert von Lina Konzepte und durchgearbeitete Wochen- Stern verwendet, der ersten Professorin der enden. Angesichts dieses Aufwands bin ich Universität Genf», erläutert Britta Engel- Blut-Hirn-Schranke – kurz erklärt heute sehr erleichtert, vor der Antrags- hardt. «Diese Barriere ist für die Funktion Die Nervenzellen in Gehirn und Rücken- stellung nicht gewusst zu haben, dass die des zentralen Nervensystems essentiell und mark kommunizieren über elektrische Erfolgsquote aller Anträge so niedrig ist.» bei vielen Erkrankungen wie Multiple Skle- Aktivität. Hierfür sind sie auf ein stabiles Gemeinsam mit Partnern aus acht euro- rose, Schlaganfall oder Alzheimerscher Milieu, die sogenannte Homöostase, päischen Ländern führt sie mit BtRAIN ein Erkrankung gestört», sagt Forscherin Engel- angewiesen. Die Homöostase des Doktorierendenprogramm durch und hardt. «In BtRAIN werden diese Mecha- zentralen Nervensystems wird duch die hat hierfür aus den EU-Förderprogrammen nismen untersucht – um letztendlich diese Blut-Hirn-Schranke gewährleistet. Sie für Forschung und Innovation im Rahmen Barrieren therapeutisch beeinflussen zu schützt das zentrale Nervensystem (ZNS) von «Horizon 2020» rund 3 Millionen Euro können.» vor den sich ständig ändernden Bedin- erhalten. gungen im Blutkreislauf. Die hochspeziali- Neue Schwellen, sierten Endothelzellen, welche die Gefäss- Blut-Hirn-Schranke neue Forschungsgruppen wände der Blutgefässe im ZNS auskleiden, als Herausforderung Die biologischen Prozesse, die bei der verhindern das unkontrollierte Eindringen Erfolgsquote die Zweite: 161 Kandidatinnen Reifung der Blut-Hirn-Schranke eine Rolle von im Blut zirkulierenden Botenstoffen, und Kandidaten haben sich um eine Dokto- spielen, werden von den Forschungs- aber auch von Giftstoffen in Gehirn und randenstelle im Rahmen von BtRAIN bewor- gruppen im BtRAIN-Netzwerk seit Jahren Rückenmark. Umgekehrt sorgen speziell ben. Zehn von ihnen haben sich am 3. und erforscht. Dieser Verbund ist zukunftswei- in den Endothelzellen der BHS ausge- 4. März 2016 zusammen mit ihren Betreu- send, da er sich aus den unterschiedlichsten prägte Transportprozesse für die schnelle enden in Bern zum Start der Ausbildung Disziplinen zusammensetzt. «Ursprünglich Aufnahme von Nährstoffen in das ZNS getroffen. Fünf Frauen, fünf Männer, im wurde die BHS-Forschung von den Ge- und den Abtransport von Abbaupro- Alter zwischen 24 und 28 Jahren und aus bieten der Physiologie und Pharmakologie dukten aus dem ZNS. Forschen im Netzwerk UniPress 168/2016 5
BtRAIN Die Doktorierendenprogramme der «Marie Skłodowska-Curie Actions» sind nach der aus Polen stammenden zweifachen Nobel- preisträgerin Marie Skłodowska-Curie benannt. Die Massnahmen enthalten Forschungsstipendien für junge Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler in Europa und darüber hinaus. Die Unterstüt- zung der ausgewählten Doktorierenden ist breit: In finanzieller Hinsicht erhalten sie ein Gehalt, Mobilitätsunterstützung und je nach Familienstand zusätzliche Sozialleis- tungen. Inhaltlich bietet sich den BtRAIN- Doktorierenden die Chance einer interdis- ziplinären akademischen Ausbildung im Rahmen eines Europäischen Netzwerks, das den engen Austausch mit verschie- denen Labors, Firmen und anderen Europä- ischen Partnerorganisationen anbietet. BtRAIN umfasst Partner aus den blau eingefärbten Ländern. Gespräch. Neue analytische Methoden Die akademischen Partner stammen aus of the box» gefordert. «Diese Forschenden generieren enorme Datenmengen, die ohne der gewünschten Vielzahl der Disziplinen: werden in der Lage sein, den Dialog Einbezug weiterer wissenschaftlicher Diszi- Expertinnen und Experten der Entwick- zwischen den verschiedenen Disziplinen zu plinen – zum Beispiel Bioinformatik, Bioin- lungsbiologie, Physiologie, vaskulären Zell- führen». Da ist sich Engelhardt sicher. genieurwesen oder Chemie – nicht adäquat biologie, Pharmakologie, Neuroimmuno- untersucht und verstanden werden können. logie, Polymerchemie und Bioinformatik. Kontakt: Prof. Dr. Britta Engelhardt, «Aus diesem Grund entschloss ich mich, Die nicht akademischen Partner sollen den Theodor Kocher Institut, Forschende aus diesen Disziplinen für Doktorierenden bereits zu diesem frühen britta.engelhardt@tki.unibe.ch unsere Fragestellungen zu interessieren und Zeitpunkt ihrer Ausbildung Kompetenzen in Website: www.btrain-2020.eu ihre Ideen in unsere laufenden Forschungs- Arzneimittelentwicklung, High-End Techno- projekte einzubinden.» Das ist gelungen. logien in der Mikroskopie und Stammzell- Innerhalb der Universität Bern konnte technologie sowie in Patentrecht, Innova- Engelhardt die Interfaculty Bioinformatics tion und internationaler Kommunikation Unit IBU zur gemeinsamen Arbeit in BtRAIN vermitteln. gewinnen. Die IBU ist die zentrale Einrich- tung für Bioinformatik für die Medizinische Thinking out of the box Fakultät, die Vetsuisse Fakultät und die Im neuen Doktorierendenprogramm wird Prof. Dr. Britta Engelhardt koordiniert Philosophisch-naturwissenschaftliche die heute notwendige Transdisziplinarität das Doktorandennetzwerk BtRAIN. Sie hat Fakultät. nun auf eine nächste Generation von an der Universität Marburg und am Max- Forschenden ausgeweitet: «Für mich Planck Institut für Psychiatrie in Martins- Internationale Partner, besteht kein Zweifel, dass Fortschritt auf ried in Neuroimmunologie promoviert. transnationales Doktoratsprogramm diesem Gebiet transdisziplinäres Denken Ihre Habilitation erfolgte 1998, seit 2003 Seit 2014 hat Britta Engelhardt ausserdem und transnationale Zusammenarbeit erfor- ist sie Professorin für Immunbiologie und verschiedene Forschungsgruppen in der dert», bekräftigt die Berner Forscherin. Direktorin des Theodor Kocher Instituts an Schweiz, in Deutschland, Italien, Frankreich, Eine weitere Besonderheit liegt darin, der Universität Bern. Ihr Hauptforschungs- Belgien, Holland, Grossbritannien und dass die Doktorierenden in BtRAIN ent- gebiet sind molekulare Mechanismen bei Ungarn zur Mitarbeit begeistern können. lang der gesamten Wertschöpfungskette neurologischen Entzündungen, beispiels- Im Zentrum steht ein Doktoratsprogramm von der Entdeckung in der Grundlagen- weise die Interaktion der Immunzellen mit zur interdisziplinären Ausbildung junger forschung über die gesamte Technologie- der Blut-Hirn-Schranke bei Multipler Skle- Forscherinnen und Forscher auf dem Gebiet entwicklung hin ausgebildet werden. rose und Schlaganfall. Sie ist Präsidentin der Blut-Hirn-Schranke. In BtRAIN spannen «BtRAIN leistet einen Beitrag zur Förderung des wissenschaftlichen Beirats der Schwei- aktuell insgesamt 12 akademische und einer völlig neuen Generation von jungen zerischen Gesellschaft für Multiple Skle- 6 nicht-akademische Partner zusammen, Forschenden», freut sich Koordinatorin rose und Executive Board Member des um dieses Ausbildungsziel zu erreichen. Britta Engelhardt. Heute sei «thinking out European Journal of Immunology. 6 UniPress 168/2016 Forschen im Netzwerk
Gelöste Stimmung am Kick-off im vergangenen März: Die Doktorierenden von BtRAIN treffen sich erstmals in Bern. Gehirnerkrankungen besser verstehen Luca Marchetti, Doktorand im Netz- Unser Ziel ist es, die aus der Forschung finden. Unterschiedliche Forschungsansätze werk BtRAIN am Theodor Kocher gewonnenen Erkenntnisse in die klinische aus Immunologie und Bioinformatik Institut der Universität Bern, unter- Behandlung einzubringen. machen dieses Forschungsprojekt zu einer sucht die Entstehung von Multipler aufregenden Herausforderung. Sklerose. Daneben freut er sich auf Mit wem arbeiten Sie dafür zusammen? die Erkundung der Berner Altstadt Am Theodor Kocher Institut arbeite ich Wofür interessieren Sie sich ausserhalb und die Aare. in der Gruppe von Professorin Britta Ihrer Forschung? Engelhardt mit. Wir sind 13 Forschende, Ich höre gerne Musik, besonders Rock und Wer sind Sie und woher kommen Sie? elektronische Musik, und lese in meiner Mein Name ist Luca Marchetti, ich bin Freizeit gerne Romane. Sonst bin ich, so oft 25 Jahre alt und stamme aus Italien. Ich ich Gelegenheit dazu habe, auf dem Tennis- habe an der Universität Tor Vergata in Rom platz anzutreffen. Ausserdem liebe ich Hun- den Bachelor in Biological Sciences und de! Und ich freue mich schon darauf, Bern anschliessend den Master in Cellular and zu erkunden. Die Stadt hat mir von Anfang Molecular Biology absolviert. Nach meinem an sehr gefallen. Besonders die Altstadt Abschluss wollte ich mich im Bereich Immu- und die Aare haben es mir angetan. nologie weiter spezialisieren und habe deshalb nach einer PhD-Stelle gesucht. Das Welches ist Ihre nächste Station? von Horizon 2020 unterstützte Brain Barri- Mein Forschungsprojekt wird voraussichtlich ers Training «BtRAIN» war für mich eines drei Jahre dauern. Während dieser Zeit der spannendsten angebotenen Doktorie- darunter nebst mir noch zwei weitere werde ich nicht nur neue Techniken erler- rendenprogramme. Nun forsche ich also PhD-Studierende. Das BtRAIN Netzwerk nen, sondern auch vertieftes Wissen in seit dem 1. März am Theodor Kocher besteht aus zwölf Partnerorganisationen, meinem Forschungsgebiet erlangen, was Institut der Universität Bern an meinem wir arbeiten mit mehreren europäischen mir in meiner späteren Laufbahn zu Gute Projekt. und internationalen Gruppen zusammen. kommen wird. Nach meinem PhD würde Unser primäres Forschungsinteresse liegt ich gerne als PostDoc weiter in der For- Was machen Sie? auf den molekularen Mechanismen, die schung tätig sein und in einem universi- Ich untersuche, wie bestimmte Immunab- sich ereignen, wenn Immunzellen die tären Umfeld arbeiten. wehrzellen – die T-Zellen – die Blut-Hirn- Blut-Hirn-Schranke überwinden und so Schranke überwinden und im zentralen ins zentrale Nervensystem gelangen. Was möchten Sie erreichen in Ihrem Nervensystem neurologische Krankheiten, Leben? wie zum Beispiel Multiple Sklerose, verursa- Was fasziniert Sie bei Ihrer Forschung Momentan ist mein grösstes Ziel natürlich, chen können. Immunologie fasziniert mich besonders? meinen PhD abzuschliessen und mein schon seit Studienbeginn und es ist gross- Der faszinierendste Aspekt meiner For- Wissen und meine Erfahrung im For- artig, nun in diesem Feld forschen und schung ist die grosse Anzahl offener schungsgebiet Immunologie auszubauen. arbeiten zu können. Fragen, die es zu beantworten gilt. Viele Ich möchte gerne etwas Wesentliches zum Aspekte des Krankheitsausbruchs bei wissenschaftlichen Fortschritt beitragen und Warum ist dies wichtig? Multipler Sklerose sind immer noch un- der Gesellschaft so etwas zurückgeben. Das bessere Verständnis der Auslösemecha- klar. Mit neuen Technologien und Metho- nismen der Krankheit könnte die Behand- den wollen wir mit unserer Forschung nun Kontakt: Luca Marchetti, Theodor Kocher lung von Multipler Sklerose verbessern. die Antworten auf einige dieser Fragen Institut, luca.marchetti@tki.unibe.ch Forschen im Netzwerk UniPress 168/2016 7
Satelliten sollen früher vor Hochwasser warnen Die Erde ist unter Dauerbeobachtung von Satelliten, um uns immer besser vor Krisen und Katastrophen zu schützen. So registrieren Satel- liten nun auch Vorgänge im Innern der Erde, etwa Veränderungen im Wasserhaushalt. Auf diese Weise will das europäische Verbundprojekt EGSIEM die Vorwarnzeit vor Überschwemmungen erhöhen. Von Adrian Jäggi Immer mehr künstliche Satelliten beob- Prinzip dahinter: Die Verteilung der Massen wassers aufgrund intensiver landwirtschaft- achten unseren Planeten rund um die Uhr bestimmt das Schwerefeld der Erde und licher Nutzung oder das durch den Klima- mit vielen unterschiedlichen Messinstru- somit auch die Bahn der Satelliten. Wenn wandel bedingte Abschmelzen des Fest- menten. So wird im Rahmen des Coper- sich in einer Region beispielsweise Wasser landeises in Grönland und der Antarktis, nicus-Programms der Europäischen Union ansammelt, sprich dort die Masse wächst, das wiederum direkte Auswirkungen auf beinahe das gesamte Spektrum an Geo- verändert sich auch die Satellitenbahn. den Anstieg des Meeresspiegels hat. information und Umweltwissenschaften Dass solche Daten für Wissenschaft und abgedeckt: Von der Eisüberwachung in den Neue Satellitenmission ermöglicht Gesellschaft relevant sind, ist unbestritten – Polargebieten über die Luftqualitätsmes- genaue Messungen trotzdem gehört Satellitengravimetrie heute sung bis hin zum Notfallmanagement Diese Veränderungen lassen sich am besten noch nicht zum etablierten Standardinven- beispielsweise bei Waldbränden unter- aus den Daten der US-deutschen Satelliten- tar der satellitengestützten, kontinuier- stützen die Dienste von Copernicus eine mission GRACE und der für 2017 geplanten lichen Erdbeobachtung. Dass GRACE und breite Palette von Umwelt- und Sicherheits- Nachfolgemission GRACE Follow-On GRACE FO noch nicht Teil des Copernicus- anwendungen. Copernicus ist ein Eckpfeiler (GRACE FO) ermitteln. Im Gegensatz zu Programms sind, hat verschiedene Gründe. in den Bemühungen der EU, die Erde syste- klassischen Erdbeobachtungssatelliten be- Im Gegensatz zur klassischen Erdbeobach- matisch und kontinuierlich zu beobachten, stehen diese beiden Missionen aus jeweils tung, beispielsweise mittels der Aufnahme so dass ihre Bewohnerinnen und Bewohner zwei Satelliten, die in einem Abstand von von Bildern, wo sich jede Messung (jedes auf Krisen und Katastrophen – ob natür- rund 200 Kilometern in einer niedrigen Erd- Bild) direkt einem Gebiet auf der Erde zu- liche oder vom Menschen verursachte – umlaufbahn hintereinander herjagen. Dabei ordnen lässt, messen die GRACE-Satelliten vorbereitet sind und vor ihren Auswirkun- fungieren die Satelliten als die eigentlichen und die zukünftigen GRACE FO-Satelliten gen bestmöglich geschützt werden können. Messsensoren, deren Bahnen relativ zu- immer das resultierende Schwerefeld der Aber decken die Copernicus-Satelliten die einander hochgenau vermessen werden. Massenverteilung des gesamten Erdkörpers. ganze Bandbreite ab, die dafür notwendig Bereits bei der aktuellen GRACE-Mission Die wissenschaftliche Analyse der Daten ist ist? Nein – aus Sicht der Forschenden des werden Änderungen in der Distanz zwi- dementsprechend kompliziert und kann Astronomischen Instituts der Universität schen den beiden Satelliten mittels hin- weltweit nur von etwas mehr als einer Bern (AIUB) und einiger weiterer europä- und her gesendeter Mikrowellensignale mit Handvoll Institutionen auf höchstem ischer Institution, die sich zum EGSIEM- unvorstellbarer Präzision im Bereich von Genauigkeitsniveau durchgeführt werden. Konsortium zusammengeschlossen haben, Mikrometern vermessen (dies entspricht Weil diese Gruppen bisher weitestgehend braucht es weitere Messungen. dem Durchmesser einer menschlichen Blut- unabhängig voneinander gearbeitet haben So sind etwa Hochwasserereignisse, die zelle). Bei der Nachfolgemission GRACE FO und ihre Auswertungen bisher nicht in mit dem Klimawandel voraussichtlich noch sollen dank Laserinterferometrie nochmals einem grösseren Rahmen koordiniert und häufiger werden, mit den aktuellen Metho- zehn- bis fünfzigmal genauere Messungen harmonisiert haben, unterscheiden sich den kaum vorhersehbar. Denn es genügt möglich sein. auch die Resultate. nicht, zu wissen, wie viel es geregnet hat. Aus solch enorm präzisen Messungen Ob es zu einer Überflutung kommt oder lassen sich Massenverlagerungen im System Experten sollen enger kooperieren nicht, hängt auch vom Grad der Sättigung Erde global und mit zuvor nicht gekannter Deshalb hat das Astronomische Institut der des Bodens mit Wasser ab. Hier kommt Genauigkeit und räumlicher Auflösung Universität Bern das Projekt EGSIEM als EGSIEM («European Gravity Service for studieren. Neben den natürlichen Massen- Horizon 2020-Verbundprojekt eingegeben. Improved Emergency Management») ins transport-Prozessen, wie etwa dem globa- Das im Januar 2015 gestartete EU-finanzier- Spiel. Mittels sogenannter Satellitengravi- len Kreislauf des Wassers, sind insbeson- te Projekt soll die europäische Expertise zur metrie vermessen die beteiligten Institu- dere die vom Menschen verursachten Messung, Analyse und Interpretation der tionen das Schwerefeld der Erde und Massenverlagerungen von zentralem Inte- Daten der GRACE- und GRACE Follow-On- dessen Veränderungen hochgenau. Das resse: etwa Absenkungen des Grund- Missionen vereinigen (standardisieren) und Forschen im Netzwerk UniPress 168/2016 9
EGSIEM Das europäische Verbundprojekt EGSIEM ist Teil des EU-Förderprogramms «Horizon 2020». Verbundprojekte umfassen mindes- tens drei Institutionen aus drei Mitglied- staaten oder assoziierten Ländern. An EGSIEM sind acht Institutionen aus fünf Ländern beteiligt; koordiniert wird das Projekt von der Universität Bern. Das Projekt begann 2015 und dauert bis 2017, das Budget beträgt 2,5 Millionen Euro. Die Mittel für die europäischen Partner stammen von der EU, die Schweizer Partner werden direkt durch das Schweize- rische Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI unterstützt. Die Schweiz gilt beim EU-Forschungsrah- menprogramm Horizon 2020 zurzeit nur noch als teilassoziierter Staat, Schweizer Projektpartner erhalten deshalb teilweise keine Finanzierung mehr von der EU. EGSIEM umfasst Partner aus den blau eingefärbten Ländern. neue Anwendungen erschliessen. Konkret von Naturkatastrophen sein – wie etwa sich einem realen Testlauf ein halbes Jahr lang sollen die verschiedenen Forschungs- anbahnenden Hochwasserereignissen. Be- evaluiert werden, ob sich Vorwarnzeiten bei gruppen, die heute mit komplementären reits jetzt weiss man, dass GRACE und in anbahnenden Fluten so tatsächlich ver- Analysemethoden allesamt unabhängig Zukunft GRACE FO bestens geeignet sind, kürzen lassen. Heute gehen beim Zentrum voneinander Resultate erzeugen, ihre Bei- um Änderungen im sogenannten «Total für satellitengestützte Kriseninformationen träge zu einem einzigen, finalen Produkt Water Storage» von grösseren Flussbecken entsprechende Alarmmeldungen nämlich vereinigen. Dadurch sollen die Resultate zu registrieren. Diese Änderungen beschrei- meist erst dann ein, wenn das Unglück noch besser und vor allem robuster ge- ben die Summe sämtlicher Änderungen im bereits seinen Lauf nimmt und in vollem macht werden, was insbesondere den vorhandenen Wasser eines Flussbeckens: Gange ist. Erst nach einem solchen Alarm wissenschaftlichen Anwendungen zu Gute Änderungen durch Zu- und Abfluss, beim machen klassische Erdbeobachtungssatel- kommen wird, etwa in der Geophysik, gespeichertem Grund- und beim Ober- liten detaillierte Aufnahmen des betrof- Hydrologie, Glaziologie oder Klimatologie. flächenwasser, in der Bodenfeuchte, aber fenen Gebiets, die als Grundlage für Über- Andererseits soll die Nutzung der Resultate auch Änderungen bei gespeichertem flutungskarten für die Rettungskräfte vor dadurch vereinfacht und neue Nutzerkreise Wasser in Form von Schnee und Eis. Ort und andere Analysen zur Unterstützung erschlossen werden. Plakativ gesprochen liefern zeitlich hoch- des Notfallmanagements dienen. EGSIEM aufgelöste Messungen des «Total Water wird unter Umständen dazu beitragen, dass Wie viel Wasser gibt’s da unten? Storage» somit ein Mass für die momen- entsprechende Alarmierungen künftig Heute dauert es rund zwei Monate, bis tane «integrale Nässe» eines Flussbeckens. früher erfolgen: Die Betroffenen wären nach einer Messung am Satelliten wissen- Abnormale Veränderungen des «Total früher gewarnt, und die Rettungskräfte schaftlich aussagekräftige Resultate vor- Water Storage» könnten daher Hinweise könnten sich dank Satellitendaten recht- liegen. Deshalb ist es zurzeit noch kaum liefern, ob sich in einem Gebiet beispiels- zeitig einen detaillierten Überblick über das denkbar, Satellitengravimetrie zur Früh- weise grossflächige Überschwemmungen erwartete Katastrophengebiet verschaffen. erkennung von Naturkatastrophen ein- anbahnen. Dies ist umso wahrscheinlicher, zusetzen. Ausserdem sind heute erst je stärker die Böden bereits mit Wasser Kontakt: Prof. Dr. Adrian Jäggi, Aussagen über einen längeren Zeitraum – gesättigt sind und zusätzliche Wasser- Astronomisches Institut, typischerweise einen Monat – möglich; mengen, beispielsweise verursacht durch adrian.jaeggi@aiub.unibe.ch wünschbar wäre hingegen ein Monitoring starken Niederschlag, nicht mehr auf- Weitere Informationen: www.copernicus.eu; in nahezu Echtzeit. Um diese Defizite zu nehmen können. EGSIEM wird daher im www.egsiem.eu; www.zki.dlr.de beheben, werden im Rahmen von EGSIEM Rahmen des sich im Aufbau befindlichen zurzeit verschiedene Services aufgebaut. Services aus Messungen des Erdschwere- Damit sollen unter anderem Daten über feldes Indikatoren für hydrologische Ex- Prof. Dr. Adrian Jäggi koordiniert das Massentransportprozesse künftig mit einer tremereignisse entwickeln. Verbundprojekt EGSIEM. Er hat in Bern Verzögerung von maximal fünf Tagen und Astronomie, Physik und Mathematik stu- separat für jeden einzelnen Tag einer Alarmieren, bevor es zu spät ist diert. Nach dem Doktorat lehrte und breiten Community von Nutzerinnen und Gegen Ende des Projekts soll in Zusammen- forschte er in Bern und an der Techni- Nutzern zur Verfügung gestellt werden. arbeit mit dem Zentrum für satelliten- schen Universität München; seit 2012 ist Besonders interessant könnte diese gestützte Kriseninformationen des Deut- er Professor und Direktor des Astronomi- Anwendung für bessere Frühwarnsysteme schen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in schen Instituts der Universität Bern (AIUB). 10 UniPress 168/2016 Forschen im Netzwerk
Das Bodenteam in Bern: Die Nachwuchsforschenden Yoomin Jean, Ulrich Meyer und Andreja Susnik. Von Höhen und Höhlen Ulrich Meyer, Nachwuchsforscher im sehen wir sogar Eingriffe des Menschen, Karten der Schwere, die sich wiederum Projekt EGSIEM am Astronomischen wie zum Beispiel das Aufstauen des Drei- geophysikalisch sehr konkret interpretieren Institut der Universität Bern (AIUB), Schluchten-Stausees am Jangtsekiang, oder lassen. beobachtet mit Satelliten den intensive Bewässerung zu landwirtschaft- Wasserkreislauf der Erde – in der Frei- lichen Zwecken in Indien, die zu einer Wofür interessieren Sie sich ausserhalb zeit steigt er in tiefe Höhlen hinab. Absenkung des Grundwasserspiegels führt. Ihrer Forschung? Ich bin mit Leib und Seele Höhlenforscher, Wer sind Sie und woher kommen Sie? und ich habe eine Familie mit zwei Kindern. Mein Name ist Ulrich Meyer, ich bin 43 Dies lässt sich nicht unbedingt leicht unter Jahre alt, habe in Stuttgart und Calgary einen Hut bringen, beides ist mir aber sehr Geodäsie (Erdvermessung) studiert, in wichtig. München promoviert und war dann sechs Jahre am GeoForschungsZentrum mit der Welches ist Ihre nächste Station? GRACE-Satellitenmission betraut, bevor ich Eine Förderprofessur des Schweizerischen 2008 als Projektwissenschaftler ans AIUB Nationalfonds würde mich sehr reizen. gewechselt habe. Nachdem ich all diese Erfahrungen zur Satellitengeodäsie an verschiedenen Institu- Was machen Sie? tionen gesammelt und auch dank dem Ich bestimme aus den Beobachtungen Mit dem Projekt EGSIEM wollen wir nun ein EGSIEM-Projekt Kontakte in halb Europa niedrig fliegender Satelliten das Schwere- satellitengestütztes Frühwarnsystem für habe, wird es Zeit, diese Erfahrung zu feld der Erde und wie es im Zeitablauf vari- Hochwasserereignisse oder sich anbah- nutzen und weiterzugeben. Sollte das nicht iert und suche nach Erklärungen für die nende Dürrekatastrophen installieren. klappen, so wüsste ich auch noch das eine beobachteten Variationen. oder andere grosse Höhlensystem, das ich Mit wem arbeiten Sie dafür zusammen? gerne weiter erforschen will; davon kann Warum ist dies wichtig? Im EGSIEM-Konsortium sind neben Satelli- man nur leider nicht leben. Die zeitlichen Schwerevariationen sind tengeodäten wie mir vor allem Anwender durch den Massenkreislauf im System Erde unserer Schwerefelddaten, insbesondere Was möchten Sie erreichen in Ihrem bedingt. Aus Satellitendaten lassen sich Hydrologen, vertreten. Aus der durch Leben? auf diese Weise vor allem der kontinentale EGSIEM angeregten interdisziplinären Ich möchte meine Familie gut durch alle Wasserkreislauf und die Eisschmelze in Diskussion habe ich schon viel gelernt. Höhen und Tiefen steuern, und dabei auch den Polargebieten beobachten, aber auch von den Satellitenhöhen im beruflichen Veränderungen in den Ozeanströmungen Was fasziniert Sie bei Ihrer Forschung Umfeld und den Höhlentiefen in meinem werden bereits sichtbar. Das sind sehr wich- besonders? Hobby so viel wie möglich sehen und erfor- tige Themen in Zusammenhang mit dem Satelliten machen Vorgänge sichtbar, die schen. Klimawandel. Darüber hinaus lassen sich wir auf der Erde in ihrer Gesamtheit so gar Extremereignisse wie Überschwemmungen nicht umfassend beobachten können, weil Kontakt: Dr. Ulrich Meyer, oder Dürreperioden beobachten und ihre wir immer nur Teilaspekte sehen. Und am Astronomisches Institut (AIUB), Masseneffekte quantifizieren. Mittlerweile Ende stehen sehr fassbare Ergebnisse, ulrich.meyer@aiub.unibe.ch Forschen im Netzwerk UniPress 168/2016 11
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Damit Ältere nicht so häufig ins Spital müssen Nicolas Rodondi, Chefarzt in der Allgemeinen Inneren Medizin am Inselspital, sieht jedes Jahr Dutzende Patienten, bei denen es zu Medikamen- ten-Zwischenfällen gekommen ist – vor allem ältere Menschen. Ihnen möchte er mit seinem europäischen Projekt OPERAM helfen. Von Felicitas Witte Stellen Sie sich vor, Sie hätten drei Krank- untersucht. In der Studie kam es durch Ärztin hinzufügen sollte oder die über- heiten und drei verschiedene Fachärzte die stärkere Blutdrucksenkung öfter zu flüssig sind und warnt sie, wenn ein Medi- verschreiben Ihnen Medikamente. Alles gut, Ohnmachtsanfällen. Das kann aber für kament nicht gegeben werden darf, etwa oder? Nicht immer. Die Entscheidung der einen alten Menschen gefährlicher sein als weil die Niere der Patientin nicht mehr so Mediziner kann schlimme Konsequenzen für einen jüngeren, besonders wenn er gut arbeitet. Das Programm alarmiert sie haben. Drei von hundert Todesfällen sind gleichzeitig einen Blutverdünner einnimmt: auch, wenn zwischen zwei Präparaten darauf zurückzuführen, dass die Betrof- Wegen der Ohnmacht kann er auf den Wechselwirkungen auftreten, die zum Bei- fenen nicht die richtigen Medikamente Kopf stürzen und eine Hirnblutung spiel gefährliche Herz-Rhythmus-Störungen bekamen oder dass sie Nebenwirkungen bekommen. Immer wieder erlebt Nicolas auslösen können und kontrolliert die kor- erlitten. Muss ein Patient ins Spital, liegt Rodondi mit älteren Patientinnen Situa- rekte Dosis. «Schneidet unser Programm in das in jedem dritten Fall daran, dass er tionen, in denen er nicht weiss, ob seine der Studie gut ab, könnten wir die Lebens- nicht die passenden Arzneien erhalten oder Therapiestrategie die richtige ist. «Das ist qualität der Patienten verbessern, Todesfälle sie unregelmässig eingenommen hat. «Eine echt frustrierend, weil wir einfach nicht vermeiden und die Gesundheitskosten falsche Medikation kann gefährlich sein», genügend wissen.» senken», sagt Rodondi. sagt Nicolas Rodondi, Chefarzt an der Uniklinik für Allgemeine Innere Medizin im Computerprogramm Die Schweiz allein ist zu klein Inselspital: «Abgesehen davon verursachen für bessere Therapien für dieses Projekt die unnötigen Spitalaufenthalte Kosten in So kam er auf die Idee mit OPERAM. Die Um seine Studie zu finanzieren, bewarb er Millionenhöhe». Rodondi sieht jedes Jahr Abkürzung entstand aus dem Titel der sich nicht beim Schweizerischen National- Dutzende Patienten, bei denen es zu Medi- Studie: «OPtimising thERapy to prevent fonds (SNF), sondern bei der Europäischen kamenten-Zwischenfällen gekommen ist – Avoidable hospital admissions in the Multi- Union (EU). «Es bringt wenig, das Problem vor allem Ältere. Ihnen möchte er mit morbid elderly». Rodondi will herausfinden, nur in der Schweiz zu untersuchen», erklärt seinem OPERAM-Projekt helfen. ob man mit bestimmten Massnahmen, un- der Forscher. «Ich brauche viele Patienten ter anderem einem Computerprogramm, und Experten mit den unterschiedlichsten Es fehlt an Wissen die medikamentöse Therapie bei alten Men- Kenntnissen – das geht nur mit einem Viele ältere Menschen müssen mehr als schen mit mehreren Krankheiten verbessern gesamteuropäischen Projekt.» Ältere Stu- eine Handvoll Tabletten pro Tag schlucken, und Spitaleinweisungen vermeiden kann. dien zum Thema untersuchten oft nur weil sie unter mehreren Krankheiten leiden. Im Computerprogramm sind die Daten der wenige Teilnehmende in einzelnen Ländern, «Selbst jüngere Menschen kommen durch- Patientin gespeichert, unter welchen Krank- Rodondis OPERAM-Projekt hingegen 1900 einander, wenn sie täglich daran denken heiten sie leidet und wie ihre aktuellen in mehreren Staaten. Seine Studienteil- müssen, wann sie welches Medikament Werte sind, etwa Blutdruck oder Nieren- nehmer sind meist älter als 75, haben nehmen sollen», sagt Rodondi. Bei älteren funktion. Die Ärztin wählt aus einer Liste mehrere Krankheiten und nehmen viele Menschen mit mehreren Krankheiten gibt die Medikamente der Patientin und schiebt Medikamente ein. «Wir untersuchen also es zudem das Problem, dass sie in den sie auf dem Bildschirm zu den jeweiligen genau die Personengruppe, für die wir guten Studien nicht untersucht werden. Krankheiten. «So sieht sie auf einen Blick, später Ergebnisse haben wollen», sagt Kürzlich stellten Forscher zum Beispiel gegen welches Problem welches Präparat Rodondi. Ausserdem dauert seine Studie fest, dass es besser sein könnte, den Blut- wirken soll, welches Medikament zu viel mit einem Jahr länger als die früheren, druck bei bestimmten Menschen tiefer ist und welches fehlt, und sie kann die und sie ist statistisch so gestaltet, dass er zu senken als bisher vorgegeben. Doch Therapie optimieren», erklärt Rodondi. herausfinden wird, wie sich die Prognose in dieser Studie wurden zu wenige alte Hierbei hilft ihr der Computer. Er schlägt der Patienten ändert. Letztlich bekommt Menschen mit mehreren Krankheiten beispielsweise Medikamente vor, die die Rodondi von der EU auch mehr Geld: Forschen im Netzwerk UniPress 168/2016 13
OPERAM Das europäische Verbundprojekt OPERAM ist Teil des EU-Förderprogramms «Horizon 2020». Verbundprojekte umfassen minde- stens drei Institutionen aus drei Mitglied- staaten oder assoziierten Ländern. An OPERAM sind neun Institutionen aus sie- ben Ländern beteiligt; koordiniert wird das Projekt von der Universität Bern. Das Pro- jekt begann 2015 und dauert bis 2020. Die Mittel für die europäischen Partner stammen von der EU, die Schweizer Part- ner werden direkt durch das Schweizeri- sche Staatssekretariat für Bildung, For- schung und Innovation SBFI unterstützt. Die Schweiz gilt beim EU-Forschungs- rahmenprogramm Horizon 2020 zurzeit nur noch als teilassoziierter Staat, Schwei- zer Projektpartner erhalten deshalb teil- weise keine Finanzierung mehr von der EU. OPERAM umfasst Partner aus den blau eingefärbten Ländern. Einzelprojekte sponsert der SNF meist die Daten mit einer speziellen Analyseme- Budget, also welchen Anteil vom bean- maximal mit «nur» einer Million Franken. thode aus und Gesundheitsökonomen tragten Geld sie bräuchten. «Für OPERAM haben wir insgesamt acht erstellen Kosten-Nutzen-Analysen. Rodondi Als Rodondi die Zusage bekam, haben Millionen Euro von der EU und vom koordiniert das Projekt und behält den er und seine Teams in Europa gefeiert und Schweizer Staatssekretariat für Bildung, Überblick. sich – zumindest per Computer – zugepros- Forschung und Innovation bekommen», Sein EU-Antrag umfasst 200 Seiten. tet. «Ich konnte es gar nicht erwarten, sagt Rodondi. «Das habe ich natürlich nicht alles selbst loszuforschen», so der Arzt: «Ich bin sicher, Ein weiterer Vorteil sei, dass man unnö- geschrieben», erzählt er. Ihm haben drei wir werden durch unser Projekt vielen tige Studien und Kosten vermeide. «Würde Mitarbeitende aus Bern geholfen, insge- älteren Menschen unnötige Nebenwir- jeder Forscher in seinem eigenen Land eine samt arbeiteten 15 Leute an dem Antrag. kungen oder Spitaleinweisungen ersparen.» kleine OPERAM-Studie machen, bräuchte er Dennoch sei es ein ziemlich anstrengendes jeweils ziemlich lange, um so viele Patien- Jahr gewesen. Rodondis Frau und seine vier Kontakt: Prof. Dr. Nicolas Rodondi, ten zusammenzubekommen, bis er ein Kinder hätten das aber kaum bemerkt: «Ich Universitätsklinik für Allgemeine Ergebnis sieht», sagt Rodondi. «Abgesehen arbeite ja auch sonst viel.» Der Arzt pendelt Innere Medizin, nicolas.rodondi@insel.ch davon ersparen wir Patientinnen eine unnö- jeden Tag 2,5 Stunden im Zug, da habe er Website: www.operam-2020.eu tige Teilnahme an Studien, weil wir insge- viel erledigen können. «Nur in den Ferien samt weniger Teilnehmerinnen brauchen.» habe ich mehr telefoniert als sonst und E-Mails geschrieben.» Problematisch findet Wenn 15 Leute er seit Jahren den Abgabetermin Mitte einen Antrag schreiben August. «Ich habe bei der EU darum ge- Man müsse bei so einem Antrag strategisch beten, den Termin zu verschieben, aber vorgehen, verrät er. «Ich schaue zuerst, das gehe nicht, sagte man mir.» Im Juli welche Ziele sich die EU setzt. Dass ich alte sind viele Kollegen in den Ferien und Menschen mit mehreren Krankheiten unter- manche überhaupt nicht erreichbar. «Als Prof. Dr. Nicolas Rodondi koordiniert suchen wollte, passte super, denn das ist sie dann zurückkamen, hatten sie – frisch das Verbundprojekt OPERAM. Er ist Leiter auch einer der Schwerpunkte der EU in den motiviert – total viele neue Vorschläge und der Universitäts-Poliklinik und Chefarzt an kommenden Jahren. So war die Chance wir mussten das Projekt noch einmal über- der Universitätsklinik für Allgemeine grösser, dass unser Antrag angenommen arbeiten. Das war ziemlich mühselig.» Innere Medizin am Inselspital Bern und würde.» Rodondi hat sein OPERAM-Projekt Assoziierter Professor für Innere Medizin in sieben «Arbeitspakete» eingeteilt, die die Per Computer zugeprostet der Universiät Bern. Er studierte und Teams in den beteiligten Ländern bear- Kurz vor der Abgabe im August 2015 war promovierte an der Universität Lausanne, beiten (siehe Karte). So hat zum Beispiel ein Rodondi froh, das Ziel bald erreicht zu wo er anschliessend als Privatdozent und Team das Computerprogramm entwickelt, haben. «Alle Korrekturen müssen mal ein in verschiedenen Funktionen am Universi- eine Arbeitsgruppe weiss bestens über die Ende haben», dachte er damals. Bis kurz tätsspital tätig war. An der University of Neben- und Wechselwirkungen der Medi- vor Abgabe korrigierten die Gruppen aus California in San Francisco erlangte er kamente Bescheid, ein Statistik-Team wertet den anderen Ländern häufig noch das einen MAS in Clinical Research. 14 UniPress 168/2016 Forschen im Netzwerk
Im Zentrum des europäischen Netzwerks: Das Berner OPERAM-Team am Finkenhubelweg 11. Sie bringt die neuen Ideen Für Georgia Salanti, angehende handenen Ergebnisse aus klinischen Studien nen. Viele Menschen würden dies zu abs- Professorin, ist Mathematik alles mit verlässlichen Methoden zu überprüfen, trakt und sogar langweilig finden. Aller- andere als lebensfern: Mit moderner bevor neue diagnostische Massnahmen dings finde ich es faszinierend, wenn theo- Biostatistik hilft sie, die besten medi- oder Behandlungen eingeführt werden. retische mathematische Überlegungen, zinischen Behandlungen zu finden. statistische Modelle und reale Daten zu- sammenspielen, um eine Antwort auf Wer sind Sie und woher kommen Sie? eine wichtige praktische Frage zu finden: Ich bin Georgia Salanti, 39 Jahre alt, aus «Welche medizinische Behandlung ist die Griechenland. Ich habe in Athen Mathe- beste?» matik und in Brüssel Epidemiologie studiert und anschliessend in München in Statistik Wofür interessieren Sie sich ausserhalb promoviert. Letzten Herbst wechselte ich an Ihrer Forschung? die Universität Bern, wo ich demnächst eine Früher hatte ich viele Hobbies wie Tauchen, assoziierte Professur für Biostatistik und Yoga und Malen. Jetzt habe ich eine Epidemiologie antreten werde. 15 Monate alte Tochter, die meine Frei- zeit in Anspruch nimmt. Aber wenn sie Was machen Sie? Ich erforsche Methoden, wie wissenschaft- abends schläft, kann ich immer noch ein Ich leite das Arbeitspaket 6 des OPERAM- liche Erkenntnisse in der Medizin effizienter gutes Buch lesen. Projekts. In diesem fassen wir mit moderns- zusammengefasst und damit besser statis- ten statistischen Methoden Erkenntnisse tisch abgesichert werden können. Wir Welches ist Ihre nächste Station? aus bestehenden Studien zusammen, um wollen Patientinnen und Ärztinnen mit dem Wenn die aktuellen Projekte abgeschlossen die sichersten und effektivsten medizini- aktuellsten und bestmöglich abgesicherten sind, werden bereits neue da sein: Ich habe schen Behandlungen für ältere Menschen Wissen versorgen, damit sie eine Basis für zu viele Forschungsideen, aber zu wenig zu finden – etwa bei Stürzen oder Herz- gute Entscheidungen haben. Zeit! Kreislauf-Erkrankungen. Zudem bin ich am EU-Projekt «GetReal» beteiligt, das den Mit wem arbeiten Sie zusammen? Was möchten Sie erreichen in Ihrem Entwicklungsprozess von Medikamenten Im Arbeitspaket 6 von OPERAM sind Anna Leben? effizienter gestalten will. Seit meinem Um- Chaimani und Dimitris Mavridis von der Ich bin einer dieser Menschen, die ohne be- zug nach Bern habe ich eine Förderung der Universiät Ioannina (Griechenland) tätig. stimmten Plan durchs Leben wandert. Ich Europäischen Kommission erhalten; zudem Ausserdem arbeiten wir sehr eng mit den nehme einen Tag nach dem anderen, ver- beginnt im Herbst mein Nationalfonds- Forschenden des Arbeitspakets 5 von der suche das Leben zu geniessen und möchte Projekt, bei dem wir neuartige statistische «G. d'Annunzio»-University of Chieti- anderen Menschen helfen, es ebenfalls zu Methoden erarbeiten werden, um selten Pescara in Italien zusammen. geniessen. auftretende negative Folgen von Medika- menten besser untersuchen zu können. Was fasziniert Sie bei Ihrer Forschung Kontakt: Dr. Georgia Salanti, besonders? Institut für Sozial- und Präventivmedizin Warum ist dies wichtig? Ich bin Mathematikerin: Der grösste Teil (ISPM), georgia.salanti@ispm.unibe.ch Die Weltgesundheitsorganisation WHO meiner Arbeit besteht darin, statistische unterstreicht, wie wichtig es ist, die vor- Modelle zu entwickeln und damit zu rech- Forschen im Netzwerk UniPress 168/2016 15
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Die App für den Blutzucker Mit dem Smartphone die Mahlzeit fotografieren, und schon erscheint der Kohlenhydrat-Gehalt auf dem Display: Eine international vernetzte Forschungsgruppe hat mit «GoCARB» den Prototyp einer Android-App entwickelt, die es Diabetikern ermöglichen soll, ihre Mahlzeiten besser zu planen und ihren Blutzucker einfacher zu kontrollieren. Von Stavroula Mougiakakou So geht das: Neben seine Mahlzeit legt Schätzen der Kohlenhydrate in der Mahl- zu einem käuflichen Produkt ist gegen- man ein Referenzobjekt in Kreditkarten- zeit erhebliche Auswirkungen auf die Blut- wärtig in Diskussion. grösse und fotografiert mit dem Smart- zuckerkontrolle haben. Entwickelt worden ist GoCARB von der phone den Teller aus zwei unterschiedlichen Diabetes Technology Research Group des Blickwinkeln. Die GoCARB-App segmentiert Erfolgreich getestet ARTORG Center for Biomedical Engineering und erkennt die verschiedenen Nahrungs- Doch wie genau ist GoCARB? Dies wurde der Universität Bern in enger Zusammen- mittel und rekonstruiert ihre dreidimen- in einer präklinischen Studie am Insel- arbeit mit der Universitätsklinik für Diabeto- sionale Form. Auf dieser Basis wird das Vo- spital, dem Universitätsspital Bern, über- logie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin & lumen jedes Nahrungsmittels abgeschätzt. prüft. An der Studie nahmen 19 Freiwillige Metabolismus (UDEM) des Berner Inselspi- Sind Art und Volumen der Nahrungsmittel (Alter über 18 Jahre; 7 Frauen, 12 Männer) tals sowie mit Roche Diabetes Care Inc bekannt, wird mit Hilfe der US-amerikani- mit Diabetes Typ 1 teil. Das Resultat: (Indianapolis, USA) und Roche Diabetes schen Nährwertdatentabelle der Kohlenhy- Das GoCARB-System ist in der Lage, den Care GmbH (Mannheim, Deutschland). dratgehalt berechnet. Kohlenhydratgehalt von Mahlzeiten mit Wissenschaftlerinnen, Ingenieure und Menschen, die wegen einer Diabetes- einer signifikant höheren Genauigkeit ab- Ärztinnen aus 11 Ländern arbeiteten an Erkrankung Insulin spritzen müssen, kann zuschätzen als eine Gruppe von Diabetikern drei Standorten in diesem EU-finanzierten eine solche App helfen: Diabetiker müssen ohne zusätzliche Hilfsmittel. Die Auswer- Projekt: ein internationales Umfeld, um ein vor jeder Mahlzeit die benötigte Insulindosis tung der am Ende der Studie ausgegebenen globales Problem – es gibt weltweit fast schätzen. Dies ist nicht nur zeitintensiv, Fragebögen ergab zudem eine hohe Zu- 415 Millionen Diabetiker – anzugehen. Die sondern auch komplex, beruht es doch auf friedenheit mit der Applikation und zeigte, Idee und der Antrag für das Projekt jedoch Faktoren wie dem Kohlenhydrat-Anteil der dass GoCARB auch für Personen einfach zu stammen von mir und meinen Mitarbei- Mahlzeit, dem Glukose-Level vor der Mahl- bedienen ist, die nicht geübt sind im Um- tenden in Bern. Zum positiven Entscheid zeit, dem Insulin-Kohlenhydratverhältnis, gang mit Smartphones. Eine zweite Studie der EU beigetragen hat sicher, dass in Bern der Insulinsensitivität des Körpers und dem hat nachgewiesen, dass GoCARB einen Ingenieur-Forschungsgruppen direkt und in sich im Blut befindenden Insulin. Wer die positiven Einfluss auf die Blutzuckerkon- unmittelbarer Nachbarschaft zum Inselspital Kohlenhydrate nicht korrekt schätzt, über- trolle hat. Teilgenommen haben 20 Per- mit Partnerkliniken forschen sowie die hohe oder unterschätzt unter Umständen die sonen mit Diabetes Typ 1, die eine Insu- Reputation des Forschungsstandorts Bern. benötigte Insulindosis. Dies führt zu einem linpumpe und einen kontinuierlich mes- zu hohen oder zu niedrigen Blutzucker- senden Glukose-Sensor nutzen. Die rando- Gemeinsame Mahlzeiten unter spiegel – mit entsprechenden kurz- oder misierte Crossover-Studie wurde ebenfalls Laborbedingungen langfristigen Folgen für die Gesundheit. am Inselspital durchgeführt. Doch längst nicht alle waren von Anfang Studien haben gezeigt, dass bereits Abwei- Noch ist die GoCARB-App nicht erhält- an vom Erfolg eines solchen Projekts chungen von plus/minus 20 Gramm beim lich. Die Weiterentwicklung des Prototyps überzeugt: Viele hielten unsere Idee für Forschen im Netzwerk UniPress 168/2016 17
GoCARB Die Forschungskooperationen der «Marie Curie Industry-Academia Partnerships and Pathways» der EU sind nach der aus Polen stammenden zweifachen Nobelpreisträ- gerin Marie Skłodowska-Curie benannt. Unterstützt wird die Zusammenarbeit von nichtkommerziellen und kommerziellen Forschungsorganisationen in gemein- samen Projekten. Ziel ist die Förderung des Wissenstransfers zwischen Hoch- schulen und Unternehmen. GoCARB wurde unter dem 7. Forschungsrahmen- programm der EU (2007–2013) mit 942 000 Euro unterstützt; das Projekt wurde Ende 2015 abgeschlossen. GoCARB umfasst Partner aus den blau eingefärbten Ländern. «Science Fiction», doch schliesslich hat zusammenarbeitet und gute Chancen auf Forschungsgruppe einen Beitrag dazu uns die rasante Entwicklung im Bereich finanzielle Unterstützung hat. Kein Institut zu leisten und freue mich, den Bereich der Smartphones geholfen. Wir mussten kann heute für sich alleine forschen und Diabetestechnologie weiter voranzutreiben. zunächst sehr viel Überzeugungsarbeit wettbewerbsfähig bleiben. Gerade in leisten, wurden manchmal belächelt, hatten unserem Gebiet ist die Möglichkeit, grosse Kontakt: PD Dr. Stavroula Mougiakakou, aber den Rückhalt des ARTORG und des «virtuelle Laboratorien» über mehrere ARTORG Center, Diabetes Technology, Inselspitals. Dies war entscheidend. Als Länder und Kontinente entstehen zu lassen, stavroula.mougiakakou@artorg.unibe.ch Forscherin braucht man Rückhalt und Rück- jedoch hochattraktiv. Website: www.gocarb.eu grat. Sehr wichtig ist zudem eine gute For- schungsgruppe. Mein Team ist grossartig: Über Kontinente Junge Forscherinnen und Forscher mit und Zeitzonen hinweg Fantasie und ohne Angst. Was uns noch Gleichzeitig ist natürlich der Druck grösser mehr zusammengeschweisst hat, ist die geworden. Für uns Forscher ist Forschung Liebe zum Essen. Ja, so ist es: Wir mussten Beruf und nicht nur Berufung allein. Eine ja mehrmals täglich «richtige» Mahlzeiten Ärztin heilt hauptberuflich. Menschen wie unter Laborbedingungen testen. An De- wir müssen hauptberuflich Forschungser- monstrationen liefen unsere Kochkünste gebnisse liefern. Berichte, Rapporte und zur Hochform auf. Ein Labor voller Compu- Sitzungen mit allen Beteiligten, Rechen- ter und Mahlzeiten ist doch recht unkon- schaft ablegen über das Geld, das einem ventionell. Unsere Labornachbarn haben anvertraut wurde, den Nachwuchs aus- sich schnell daran gewöhnt, gewöhnen bilden – das ist unser Alltag. Der globale PD Dr. Stavroula Mougiakakou koordi- müssen: Es sollte ja so lebensecht wie Konkurrenzdruck ist massiv, und Forschung nierte das Projekt GoCARB. Sie studierte möglich sein. über Kontinente und Zeitzonen hinweg ist und doktorierte an der National Technical So lokal unsere Küche, so global unsere oft anstrengend: Davon kann jeder von uns University of Athens (NTUA), wo sie bis Vernetzung: Forschung kann heute nur ein Lied singen und von asiatischen 2008 als Senior Researcher am Institute of noch globalisiert betrieben werden. Selbst Kollegen berichten, denen Weihnachten Communication and Computer Systems die grossen Institute in den USA, aber auch ziemlich egal ist. (ICCS) tätig war. 2008 wurde sie an der die ETH Zürich und die EPFL Lausanne, sind Die Universität Bern hat viel geleistet Universität Bern zur Assistenzprofessorin auf komplexe Kollaborationen angewiesen. in den letzten Jahren und ist im Bereich und Leiterin der Diabetes Technology Nur so kann man sicherstellen, dass man der Medizintechnologie erfolgreich. Research Group am ARTORG Center for mit den besten Partnern auf seinem Gebiet Ich hoffe, mit den Leistungen meiner Biomedical Engineering Research ernannt. 18 UniPress 168/2016 Forschen im Netzwerk
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