Alpenraum Qualitätstourismus - JKU
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Inhalt Zum Projekt Vorwort 3 Der Alpenraum als Untersuchungsgegenstand 4 Gelebte Nachhaltigkeit: Die Partnerregionen stellen sich vor 7 Nachhaltigkeit in Forschung und Praxis Nachhaltigkeit im Tourismus 11 Nachhaltiger Qualitätstourismus aus Gästeperspektive: Destinations- und Zielgruppenanalyse 16 Impulse für einen nachhaltigen Tourismus 20 Ausblick Tourismus nachhaltig entwickeln 21 Verwendete Literatur 30 Fact Sheet 31 Impressum Herausgeber Fachhochschule Salzburg GmbH, Tourismusforschung, Urstein Süd 1, A-5412 Puch/Salzburg Johannes Kepler Universität Linz (JKU), Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, MBA Tourismus Management, Altenberger Straße 69, 4040 Linz Redaktion Dr. Mario Jooss, Mag. Markus Müllegger (FH Salzburg), Dr.in Herta Neiß, Dr. Andreas Praher (JKU) Sämtliche Formulierungen sind in geschlechtergerechter Sprache gehalten. Vervielfältigungen aller Art – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung der Herausgeber. Änderungen, Druck- und Satzfehler vor- behalten. Bildnachweise Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden, Christian Fischbacher, Wagrain-Kleinarl Tourismus/Lorenz Masser, Armin Walcher, Wolfgangsee Tourismus Gesellschaft (WTG), Shutterstock. Grafik und Druck: Grafik: Ingeborg Schiller, Druck: www.produktiv.at, Salzburg 2 Qualitätstourismus Alpenraum
Vorwort Im Interreg-Projekt Qualitätstourismus Alpenraum (AB 255) haben sich universitäre und außeruniversitäre Forschungs- einrichtungen sowie touristische Partnerregionen in Salzburg, Oberösterreich und Bayern zusammengetan, um gemein- sam und grenzüberschreitend Strategien für die nachhaltige Entwicklung eines Qualitätstourismus im Alpenraum zum Erhalt natürlicher und kultureller Lebensräume zu erarbeiten. Diese Strategien sollen sowohl von der Tourismuswirt- schaft mitgetragen werden, als auch bei der einheimischen Bevölkerung Akzeptanz finden. Die Alpenregion verfügt aufgrund ihrer naturräumlichen Ge- aus der Tourismusbranche wurden konkrete Maßnahmen für die gebenheiten, der touristischen Tradition und dem reichen kul- Modellregionen abgeleitet. Die von Salzburg Research durch- turellen Erbe über ein enormes Potenzial. Die zukünftige Ent- geführten Besucherstromanalysen in den drei Tourismusdesti- wicklung des Tourismus in alpinen Destinationen hängt dabei nationen hatten die Analyse touristischer „Hot Spots“ zum Ziel wesentlich davon ab, wie nachhaltig tourismuswirtschaftliche und dienen als Grundlage für nachhaltige Mobilitätsmodelle. Strategien angelegt sind. In diesem Kontext war es Ziel des Zur weiteren Vertiefung und Verankerung des Nachhaltigkeits- Projektes, nicht nur den Status quo in den drei Projektregionen themas in den Destinationen Berchtesgaden, Wagrain-Kleinarl und Wolfgangsee zu erheben, Gerade zwischen Österreich wurden im Sinne eines akti- sondern gleichzeitig Entwicklungsmöglichkeiten und -poten- und Bayern besteht eine lange ven Wissenstransfers zwei ziale zu erarbeiten. Tradition grenzübergreifen- Fachkongresse abgehalten. der Zusammenarbeit. Diese Diese widmeten sich nicht Das Projekt beinhaltete insgesamt fünf Arbeitspakete, die unter Tradition konnte im Inter- nur aktuellen Erkenntnissen fachlicher Begleitung der Fachhochschule Salzburg, der Johan- reg-Projekt weiter vertieft aus der Tourismusforschung, nes Kepler Universität Linz (JKU) und der Salzburg Research und ausgebaut werden. sondern auch den Projekter- Forschungsgesellschaft in den drei Projektregionen Berchtes- gebnissen und Best-Practice- gaden, Wagrain-Kleinarl und Wolfgangsee durchgeführt wurden. Beispielen aus anderen alpinen Regionen. Gerade zwischen Aus diesen Arbeitspaketen wurden entsprechende Empfehlun- Österreich und Bayern besteht eine lange Tradition grenzüber- gen und Leitlinien für ein nachhaltiges touristisches Manage- greifender Zusammenarbeit. Diese Tradition konnte im Inter- ment im Alpenraum erstellt. Am Beginn des Prozesses haben die reg-Projekt weiter vertieft und ausgebaut werden. touristischen Projektregionen in einer SWOT-Analyse ihre Desti- nationsmanagemntpläne untersucht und ein nachhaltiges Des- Auf den folgenden Seiten dürfen wir Ihnen einen Einblick in tinationsmanagement daraus abgeleitet. Die von FH Salzburg die Ergebnisse unseres Projektes geben. Diese sollen dazu und JKU durchgeführten Gästebefragungen und Zielgruppen- beitragen, einen nachhaltigen Qualitätstourismus zu fördern analysen lieferten wesentliche Erkenntnisse aus Perspektive und ihn als langfristige Erfolgsstrategie im Alpenraum zu ver- der Urlauber*innen. In den partizipativ angelegten Workshops ankern. mit Bevölkerung, Unternehmer*innen und Mitarbeiter*innen Dr. Mario Jooss, Mag. Markus Müllegger Dr.in Herta Neiß, Dr. Andreas Praher FH Salzburg JKU 3
Der Alpenraum als Untersuchungsgegenstand Die Alpen zählen zu den wichtigsten Tourismusregionen der Welt. Der geschätzte Wirtschaftsertrag des Tourismus im Alpenraum beträgt jährlich 50 Milliarden Euro, wobei 80 % auf den Winter entfallen und 20 % auf den Sommer. Rund 95 Millionen Mehrtagesgäste und 60 Millionen Tagesgäste zieht es jährlich in die europäische Gebirgsregion, welche von 14 Millionen Menschen bewohnt wird. Allein diese Daten erklären die Notwendigkeit eines nachhaltigen Tourismus im Alpenraum. Die Alpen verbinden als grenzüberschreitender Natur- und Rund 14 Millionen Menschen bewohnen derzeit den Alpenraum, Kulturraum seit Jahrhunderten Menschen unterschiedlicher der sich über acht europäische Staaten erstreckt. Hinzu kom- Regionen und Länder. Sie bilden nicht nur einen gemeinsamen men rund 155 Millionen Gäste, die Sommer wie Winter die Alpen Arbeits- und Lebensraum, sondern für Bewohner*innen wie frequentieren (Bragin & Spiegel, 2021). Allein in Österreich hat Gäste Rückzugs- und Sehnsuchtsorte. Die Auseinandersetzun- sich die Zahl der Ankünfte seit Ende der 1950er Jahre verdrei- gen rund um einen Tourismus in alpinen Regionen waren seit facht und mit den 2000er Jahren die 20-Millionen-Marke durch- dem ausgehenden 19. Jahrhundert von Diskussionen der tou- brochen (Meixner, 2006) – Tendenz, abgesehen von den letzten ristischen Übernutzung geprägt (Sandgruber, 2003), lange be- Krisenjahren aufgrund von vor der Massentourismus in die Gebirgstäler und der Begriff der Mit dem Ende der Agrargesell- COVID-19, steigend. Zu den Nachhaltigkeit (engl. sustainability) in der Tourismusforschung schaften und dem Entstehen Herausforderungen im ge- Einzug hielten. Mit dem Ende der Agrargesellschaften und dem von Dienstleistungsgesell- genwärtigen Alpentouris- Entstehen von Dienstleistungsgesellschaften im westlichen Eu- schaften im westlichen Europa mus gehören daher vor al- ropa nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs setzte in den Alpen nach dem Ende des Zweiten lem ein nachhaltiges und ein tiefgreifender Wandel ein. Neue Nutzungsformen, darunter Weltkriegs setzte in den Alpen strategisches Destinations- die verstärkte Freizeit- und Tourismusnutzung und eine damit ein tiefgreifender Wandel ein. management, welches die einhergehende Verstädterung, veränderten ganze Täler, hinter- natürlichen und kulturellen ließen massive Spuren in der Landschaft und hatten zugleich Ressourcen schont, sodass diese für künftige Generationen soziokulturelle Auswirkungen (Tappeiner et al, 2006; Hoffmann erhalten bleiben. Der kommerzielle Erfolg der Tourismuswirt- & Luger, 1997) – Auswirkungen, die bis in die Gegenwart fort- schaft steht dabei der Erhaltung natürlicher und kultureller Le- dauern und das Erwerbs- und Zusammenleben der Menschen bensräume nicht kontradiktorisch gegenüber, sondern ist integ- prägen. raler Bestandteil eines nachhaltigen Qualitätstourismus. 1900 1960-70 2000 Ende der traditionellen Nutzung Traditionelle Landwirtschaft Neue Nutzungsformen Demographische Änderungen Grasland – lichter Wald – Äcker Verbuschung – lntensivkulturen – Freizeitnutzung – Verstädterung Änderungen der Landnutzung in den Alpen im 20. Jahrhundert (nach Larinier, 2001 & Cheylan, 2003) 4 Qualitätstourismus Alpenraum
1. Analyse Destinations- management- konzepte 4. 5. 2. Das Projekt und die Arbeitspakete im Detail Analyse Kongresse Gäste- und Besucherströme/ und Wissens- Zielgruppen- Mobilität transfer befragung Das EU-Interreg-Projekt „Qualitätstourismus Alpenraum“ hat sich zum Ziel gesetzt, Antworten darauf zu finden, um eine nachhalti- ge Entwicklung des Alpenraums voranzutreiben. Das gemeinsame Setting ist der deutsch-österreichische Alpenraum mit unter- 3. schiedlichen regionalen Ausprägungen. Dieser bildet anhand der Workshops in den Modell- drei Destinationen Wagrain-Kleinarl, Berchtesgaden und Wolf- Arbeitspakete regionen gangsee den konkreten Untersuchungsgegenstand im Kontext im Projekt eines nachhaltigen Qualitätstourismus. Die Erarbeitung von grenzüberschreitenden Modellen, begleitet durch intensive Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern zur Weiterentwicklung von Destinationsmanagementkonzep- Wolfgangsee ein hochwertiges Projektkonsortium. Die Arbeits- ten ist Kernstück des Projektes. Aus dieser Zusammenarbeit in weise kann als klassisches Teamwork beschrieben werden, unterschiedlichen Arbeitspaketen wurden Leitlinien abgeleitet, zwischen Wissenschaftspartner*innen auf der einen Seite und die Tourismusverbände unterstützen sollen, saisonale Spitzen- Praxispartner*innen auf der anderen Seite. Neben einer umfas- belastungen besser zu verteilen und Gästenächtigungen in senden Literaturrecherche und Desktop Research kamen unter Nebensaisonen zu erhöhen. Gleichzeitig sollen die Leitlinien als Zuhilfenahme von verschiedenen Methoden auch Workshops mit konkret formulierte Maßnahmen einen ressourcenschonenden Tourismus-Stakeholdern sowie der Bevölkerung, quantitative und energieeffizienten Umgang mit natürlichen und kulturellen Gäste- und Zielgruppenbefragungen sowie Analysen von Besu- Ressourcen von Destinationen ermöglichen. Damit leistet das cher*innenströmen mittels Mobilfunkdaten zum Einsatz. In allen Projekt einen wichtigen Beitrag zu den jeweiligen Tourismus- durchgeführten Arbeitspaketen war die grenzüberschreitende strategien und Politikbereichen der Projektregionen. Perspektive und Kooperation, bezogen auf den deutsch-öster- reichischen Alpenraum, ein immanenter Bestandteil der Projekt- Ein interdisziplinäres Team, bestehend aus wissenschaftlichen arbeit. Dies äußerte sich auf zwei Ebenen, der inhaltlich-theo- Mitarbeiter*innen der Fachhochschule Salzburg, der Johannes retischen Arbeit einerseits und der praktisch-kooperativen Kepler Universität Linz (JKU) und der Salzburg Research For- Zusammenarbeit in Form von gemeinsamen Arbeitstreffen, par- schungsgesellschaft, bildete gemeinsam mit Partnern aus den tizipativen Workshops, Fachkongressen und diversen Kommuni- Tourismusverbänden Wagrain-Kleinarl, Berchtesgaden und kationsaktivitäten andererseits. Zum Projekt 5
Für die vom Tourismus geprägten Regionen in Bayern, Salzburg identifizieren, die einen zukunftsfähigen Qualitätstourismus er- und Oberösterreich ist es von zentraler Bedeutung, dass sie dauer- möglichen und sowohl von der Tourismuswirtschaft mitgetragen haft Orte eines „guten Lebens“ für Einwohner*innen bleiben und werden, als auch bei der einheimischen Bevölkerung Akzeptanz gleichzeitig gern bereiste Destinationen für Gäste darstellen. Da- finden. Die inhaltlichen Arbeitspakete wurden daher anwendungs- her war es im Rahmen des Projektes wichtig, Erfolgsfaktoren zu bezogen gestaltet und durchgeführt. 1. Destinationsmanagementanalyse (SWOT-Analyse) In einer klassischen SWOT-Analyse von Destinationsmanagementplänen wurden die regionsspezifischen Stär- ken, Schwächen, Chancen und Risiken der drei Tourismusdestinationen Berchtesgaden, Wagrain-Kleinarl und Wolfgangsee untersucht und daraus Handlungsfelder abgeleitet. 2. Gäste- und Zielgruppenbefragungen Die für alle drei Projektregionen 2021 von der JKU durchgeführte Gästebefragung gab Aufschlüsse über die Erwartungshaltungen der Urlauber*innen im Hinblick auf einen nachhaltigen Tourismus im Alpenraum. Als Pilot- studie fanden schon im Sommer 2020 zwei voneinander unabhängige Zielgruppenbefragungen durch die FH Salzburg und die JKU statt. Diese untersuchten die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Urlaubsverhal- ten. Die Ergebnisse dieser Befragungen wurden in der Fachzeitschrift „Tourismus Wissen Quarterly” veröffent- licht (Neiß & Praher, 2020); (Müllegger, Jooss, & Brucker, 2020). 3. Partizipative Workshops In Workshops mit Stakeholdern und Einheimischen aus den drei beteiligten Tourismusdestinationen wurden konkrete Maßnahmen für die Modellregionen diskutiert und für die Entwicklung einer gemeinsamen Tourismus- strategie aufgegriffen. 4. Analyse von Mobilitäts- und Bewegungsdaten (Besucher*innenströme) Ebenso wie die Gäste- und Zielgruppenperspektive, wurden auch die Besucher*innenströme in den Projekt- regionen analysiert. Die Untersuchung erfolgte mittels anonymer Auswertung von Mobilfunkdaten und wurde von der Salzburg Research Forschungsgesellschaft durchgeführt. Neben der Analyse sollten auch Ansätze für eine Besucher*innenstromlenkung im Sinne einer nachhaltigen touristischen Mobilität entwickelt werden, die sich an Anreizmethoden (Stichwort „Nudging“) orientieren. Die Er- gebnisse sind über Anfrage bei der Salzburg Research Forschungsgesellschaft erhältlich. https://www.salzburgresearch.at/ 5. Kongresse und Wissenstransfer In zwei Fachkongressen (Wagrain-Kleinarl und Berchtesgaden) wurden die Ergebnisse aus den Arbeitspaketen ge- meinsam mit Fachvorträgen von Expert*innen breit diskutiert und einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt. In allen Arbeitspaketen wurde der geografische Projektraum stets Unterschiede bezogen auf Stärken, Schwächen und Herausforde- als eine grenzüberschreitende Region (Salzburg-Bayern-Ober- rungen einer modernen und nachhaltigen touristischen Destina- österreich) behandelt und analysiert. Der Mehrwert, der dadurch tionsentwicklung. n entstanden ist, liegt in der Erkenntnis der Gemeinsamkeiten und 6 Qualitätstourismus Alpenraum
Bewusstes Reisen: Zeit für Berchtesgaden Berchtesgaden im südöstlichen Zipfel Oberbayerns zählt zu den imposantesten Bergregionen Europas – und steht als Ur- laubsziel hoch im Kurs. Dabei hat sich die Region mit dem bundesweit einzigen alpinen Nationalpark rund ums weltberühmte Duo Watzmann und Königssee dem nachhaltigen und bewussten Reisen verschrieben. Das heißt: Zeit zum Bergaufwandern und Innehalten, Zeit für Panoramaaufnahmen und Entdeckungen, Zeit, den Charme stolzer Gastgeber zu entdecken. Er ist weltberühmt und erstreckt sich mit seinem glasklaren Produzent*innen sind das Salzbergwerk, die beiden Lederho- Wasser wie ein Fjord durch den Nationalpark Berchtesgaden: senmacher und die Enzianbrennerei. Seit mehr als 100 Jahren fahren am Königssee Gäste aus- schließlich mit E-Booten hinüber zur barocken Wallfahrtskirche Nicht nur die „Alpine Perle“ Berchtesgaden und das Bergsteiger- mit den roten Zwiebeltürmen. Hoch über ihnen leben Steinad- dorf Ramsau stehen für bewusstes Reisen: Tief im Berg die Luft ler, Hirsche, Murmeltiere und unzählige Pflanzenarten, die sich des Salzheilstollens inhalieren, mit dem Ruderboot über den Hin- rund um König Watzmann (2.713 m) ungestört entwickeln. tersee gleiten, mit dem (E-)Bike neue Wege entdecken und nicht zuletzt mit dem Rucksack geschultert aus eigener Kraft unzählige Auch nur selten lassen sich die Kühe auf den Almen stören. Die- Gipfel erobern. Oder nur einen einzigen. Und spüren, dass die Re- se sind beispielhaft für den hohen Anspruch der Bergbauern gion zu Füßen des Watzmanns weit mehr ist, als eine Foto-Kulisse. und Bergbäuerinnen, ihre Höfe und die jahrhundertealte Kultur- Die Region zu Füßen des Im historischen Markt Berchtesgaden schlendern Gäste vorbei landschaft zu erhalten. Unter- Watzmanns ist weit mehr am Königlichen Schloss, gepflegten Bürgerhäusern, liebens- stützt von der Biosphärenregion als eine Foto-Kulisse. werten Läden und einladenden Wirtshäusern. An kirchlichen Berchtesgadener Land entwi- Feiertagen und zu großen Festen werden sie Zeugen authen- ckelt sich seit Jahren ein rundes Angebot regionaler Produkte: tisch gelebter Traditionen. Übrigens: Auch Gäste willkommen Vom Almkäse über Lammsalami und Gamsgulasch bis zu hand- zu heißen, ist hier Tradition, ab dem Ende des 18. Jahrhunderts geschmiedeten Messern. Besonders bekannt unter den lokalen entdeckten die ersten Sommerfrischler Königssee & Co. n 8 Qualitätstourismus Alpenraum
Nachhaltigkeit in Wagrain-Kleinarl Regionalität sowie Nachhaltigkeit rücken in Wagrain-Kleinarl immer mehr in den Mittelpunkt. Daher entwickelt die Tourismusregion in den kommenden Monaten eine mit Menschen aus der Destination abge- stimmte Agenda zum Thema Nachhaltigkeit und verabschiedete bereits ihr Nachhaltigkeitsleitbild. Mit diesem Leitbild will sich die gesamte Region gemeinsam den Online „Griaß di“ sagen Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringen wird, Das Zwischenmenschliche, das die Gäste vor Ort sofort spüren und stellen und Lösungen daraus ableiten, die die Balance zwischen das ihnen vom Beginn ihres Aufenthaltes an das Gefühl gibt, „Ein- dem notwendigen Schutz und der sinnvollen Entwicklung für das heimische auf Zeit“ zu sein, wird von Wagrain-Kleinarl Tourismus Tal schaffen. Nachhaltigkeit soll in Wagrain-Kleinarl ein sichtbarer digital und ortsunabhängig erlebbar gemacht. Wie das geht? Die und selbstverständlicher Teil des (touristischen) Lebens sein. neue Winterkampagne bricht mit Werbeklischees. Wir haben uns Im ersten Schritt werden sämtliche Betriebe, die sich bereits mit entschlossen, nicht mehr zu werben, sondern Charakter zu zeigen. Nachhaltigkeit beschäftigen, vor den Vorhang geholt, um den Konsequent rücken wir die Menschen, die in Wagrain-Kleinarl le- Gästen eine Orientierungshilfe zu den nachhaltigen Angeboten zu ben, ins Bild, tauchen situativ in ihre Welt ein und lassen sie selbst geben. erzählen. Solche Begegnungsmomente geben einem das Gefühl, Wagrain-Kleinarl will die erste Destination in Österreich sein, die mit live dabei zu sein. Kommt man in Wagrain-Kleinarl an, dann kennt der vom GSTC (global sustainable tourism council) akkreditierten man sich schon. Die Gäste kehren in ihre „Urlaubsheimat“ zurück. Zertifizierung von Green Destinations auditiert wird. Das nennen wir echte Pongauer Begegnungsqualität. n Im Zuge dieser Zertifizierung n bauen wir ein nachhaltiges Managementsystem auf, n entwickeln wir ein Nachhaltigkeitsleitbild, n kommunizieren und entwickeln wir konkrete Nachhaltigkeits- projekte und n bauen wir ein responsives System auf, sodass alle Interessierten ihren Input geben können. Wir haben uns n Darüber hinaus unterstützen wir unsere touristischen Betriebe entschlossen, dabei, sich selbst auf den Nachhaltigkeitsweg zu begeben, und nicht mehr zu n arbeiten mit allen Nachhaltigkeitsakteur*innen der Region zu- werben, son- sammen - von den Gemeinden (mit Schulen, Kindergärten etc.) dern Charak- über die touristischen Betriebe bis hin zu unseren Gästen! ter zu zeigen. Gelebte Nachhaltigkeit: Die Partnerregionen stellen sich vor 9
Wolfgangsee - See der Emotionen „Ich habe noch keinen See gesehen unter den vielen Seen, die Qualität – nicht nur Zeichen der Zeit ich sah, der so viel Zartes und so viel Großes in einer so glück- Qualität bei der Infrastruktur, aber auch im Bereich der Suprastruk- lichen, so wahrhaft ästhetischen Harmonie in sich vereinte.“ tur wird hier groß geschrieben – und das seit Jahrzehnten. Der Wolf- gangsee weist mit über zweitausend 4*S- und 4*-Betten die höchste Dichte an Qualitätsbetten im gesamten Salzkammergut auf. Das schrieb der Arzt und Reiseschriftsteller Joseph August Schul- In den Fokus des modernen Urlaubers kommen zunehmend Ange- tes vor über 200 Jahren über den Wolfgangsee. Pilger*innen holten bote im kulinarischen Bereich. Nicht nur die Küche ist hier gefragt, sich bereits im Mittelalter von hier Kraft und Mut für ihr Leben. Bis sondern auch die Produzent*innen treten verstärkt vor den Vorhang. heute hat sich an dieser Grundeinstellung nichts geändert. Unternehmer*innen am Wolfgangsee tragen diesem Wunsch Rech- nung: Europaweit prämierter Schafskäse wird hier produziert oder Der Wolfgangsee ist in eine unvergleichliche Landschaft eingebet- auch einzigartiges See-Sushi, natürlich mit fangfrischem Fisch aus tet und die Menschen – sowohl die Bewohner*innen als auch die dem Wolfgangsee. Mit Kräutern und deren Geheimnissen beschäftigt Gäste – finden hier Kraft, Ruhe und Harmonie. sich das Kloster Gut Aich – und Destillerien rund um den Wolfgangsee produzieren prämierte hochprozentige Destillate und Gin-Produkte. Gastfreundschaft wird hier im ursprünglichen Sinn gepflegt. Die Lieder und Landschaften sind es, die in uns oft unbeschreibliche Gäste sollen sich wie König*innen fühlen und dafür wird viel getan. Hochgefühle auslösen, die der Verstand nicht erklären kann. Wir Die Infrastruktur wird ständig verbessert, das Angebot erweitert. leben von solchen Hochgefühlen oder Emotionen, die das Leben Die neue Seilbahn auf das Zwölferhorn ist ein Beweis dafür und die erst spürbar machen. umfangreichen Investitionen bei der Schafbergbahn, der steilsten Wir nennen den Wolfgangsee den „See der Emotionen”, weil hier an- Zahnradbahn Österreichs, ebenfalls. Die Wellen des Wolfgangsees dauernd dieses Gefühl angesprochen wird und der Verstand sich warten auf ihre Gäste, um sie zu entspannen und zu beleben. ausruhen darf. n 10 Qualitätstourismus Alpenraum
Nachhaltigkeit im Tourismus Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren vom Nischenthema zum Trend entwickelt, der alle gesellschaftlichen Felder umfasst und durchzieht. Im Tourismus entwickelten sich die ersten Ideen und Konzepte parallel zu der rasanten Entwicklung, die dieser in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg durchmachte. Die Alpenländer nahmen hier eine zentrale Rolle ein. 11
Mit der zunehmenden touristischen Erschließung von alpinen im Speziellen geworden. Es schafft Orientierung in schwierigen Gebieten und der Entstehung von Destinationen als Wettbe- Gemengelagen und ermöglicht, diese einer verantwortungsvollen werbs- und Geschäftseinheiten (Bieger & Beritelli, 2013) trat der Bewältigung zuzuführen. Neben dem Erhalt von Ressourcen ver- Tourismus auch als Massenphänomen in Erscheinung. Die öko- spricht es vor allem auch eine Verbesserung der Lebensqualität nomischen und sozialen Impacts dieser Entwicklung sind gra- aller. Dieser Transformation des Denkens und Handelns in Rich- vierend: Der Tourismus brachte Arbeitsplätze, Infrastruktur und tung einer nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise stellen Wohlstand in einem nie zuvor dagewesenen Ausmaß in ländliche sich allerdings nicht selten die sogenannten „Mühen der Ebene“ und vormals strukturschwache Gebiete. Gleichzeitig gab es aber bei der praktischen Umsetzung in den Weg: Denn es braucht viel von Beginn an auch kritische Stimmen, die das ökologische und Überzeugungsarbeit und immer wieder müssen Widerstände über- soziale Gleichgewicht in den sensiblen alpinen Lebensräumen wunden und nicht selten auch Dinge auf den Kopf gestellt werden. gefährdet sahen. Mittlerweile hat die internationale Tourismus- branche ihren vorläufigen Peak im Jahr 2019 (dem Jahr vor Coro- Doch der „Aufwand“ lohnt sich: Mittlerweile weiß man, dass jene na) erreicht: 1,4 Milliarden internationale Ankünfte weltweit, 496 Destinationen und Betriebe, die sich nachhaltig ausgerichtet Millionen Nächtigungen in Beherbergungsbetrieben in Deutsch- haben, besser und resilienter durch die Corona-Krise kamen als land und knapp 153 Millionen in Österreich waren historische andere. Auch aufseiten der Gäste rückt Nachhaltigkeit immer Rekordwerte (UNWTO, 2019), (Statistisches stärker ins Bewusstsein. Alle im Projekt Bundesamt, 2020), (Statistik Austria, 2020). Auch auf Seite der Gäste rückt durchgeführten Befragungen zeigen, dass Wie es mit dieser Entwicklung weitergeht Nachhaltigkeit immer stärker die überwiegende Mehrheit (bis zu 90 %) bzw. ob und wo sie an Grenzen stößt, wa- ins Bewusstsein. Alle im Projekt der befragten Gäste mehr Nachhaltigkeit im ren schon vor Corona drängende Fragen im durchgeführten Befragungen Alpentourismus wünscht und einfordert. Tourismusdiskurs und haben seitdem zu- zeigen, dass die überwiegende sätzlich an Relevanz gewonnen. Mehrheit (bis zu 90 %) der Der Weg dorthin ist jedoch weder vorge- befragten Gäste mehr Nach- geben noch strikt systematisier- oder gar Wissenschafter*innen im Bereich der Touris- haltigkeit im Alpentourismus uniformierbar. Zwar bieten Leitfäden und musforschung wie Rachel Dodds und Richard wünscht und einfordert. Indikatorenhandbücher eine breite Wissens- Butler (2019) sind der Ansicht, dass Destina- basis und konkrete, auch operationalisier- tionen zwangsläufig an einen Punkt kämen, an dem sich konven- bare Anhaltspunkte. Doch letzten Endes braucht es einen jeweils tionelle Strategien leerlaufen oder an ihren (unbeabsichtigten) individuellen Schulterschluss aller relevanten Akteur*innen. Das negativen Folgen scheitern würden. Bevor dieser Punkt eintritt, Schlüsselwort in diesem Zusammenhang lautet „Authentizität“. muss eine grundlegende Adaption in Richtung eines neuen, im In allen Untersuchungen des Projektes bestätigte sich die The- buchstäblichen Sinne nachhaltigen, Konzeptes erfolgen. Der se, dass gemeinschaftlich geteilte, aus eigenem Antrieb heraus Kern des touristischen Nachhaltigkeitsgedankens besteht dar- motivierte Handlungen eine notwendige Voraussetzung sind, um in, die ökonomischen und kulturellen Vorteile des Tourismus zu Nachhaltigkeitsvorhaben aller Art erfolgreich umzusetzen. Ohne maximieren und die negativen Auswirkungen, vor allem auf die emotionale Verbundenheit der relevanten Akteur*innen und die Umwelt – etwa durch Verkehr und Emissionen oder Übernutzung Entschlossenheit, einen eigenständigen und authentischen Weg von Ressourcen –, aber auch auf das soziokulturelle Gleichge- zu gehen, bleiben touristische Nachhaltigkeitskonzepte meist wicht möglichst zu minimieren (Global Sustainable Tourism Council, oberflächlich und zahnlos. Mindestens genauso wichtig ist die 2021). Auch wenn die Beurteilung dieser Herausforderungen entlang Bereitschaft, Erwartungshaltungen hinsichtlich dessen zu hin- verschiedener Interessenslagen kontroversiell verläuft, so lässt sich terfragen, was eine Destination repräsentieren soll. Gerade in eines feststellen: Debatten über den Tourismus und seine den Alpen prägen romantisierende und „retrotopische“ Klischees Auswirkungen auf Menschen und Umwelt werden zunehmend von (Baumann, 2017) den Vorstellungshorizont der Gäste und werden einer breiten Öffentlichkeit geführt. Sie knüpfen immer häufiger in den Angeboten der Tourismuswirtschaft fortlaufend adres- an ganz grundlegende und umfassende Auseinandersetzungen siert und stabilisiert. Damit aber ist jener Raum, für dessen Zu- mit der Gegenwartsgesellschaft und den wirtschaftlichen, sozio- kunft ein nachhaltiger Tourismus Entwicklungsbeiträge liefern kulturellen, politischen und ökologischen Auswirkungen an. Dabei sollte und könnte, in festgefügten Bildern eingefroren (Badura, rücken vor allem auch solche Perspektiven ins Zentrum, die für 2019). Hier ist eine Öffnung des Tourismus gegenüber den viel- den Tourismusdiskurs bis dato nicht zentral waren, wie etwa Ge- schichtigen Anforderungen und Ansprüchen des Gemeinwesens rechtigkeitsfragen oder Klimaschutz. Vor diesem Hintergrund ist sowie gegenüber neuen Formen der Kollaboration zentral. Der das Konzept der Nachhaltigkeit zu einem Leitmotiv für die gesell- Leitgedanke sollte sein, dass Destinationen einen „multifunktio- schaftliche Entwicklung im Allgemeinen und die des Tourismus nalen Lebens- und Wirtschaftsraum“ (Bätzing, 2002) darstellen, 12 Qualitätstourismus Alpenraum
welcher den Tourismus zwar als ökonomisches Zugpferd braucht erhalten bzw. zu fördern. Dieses Ziel der Vernetzung des Touris- und dementsprechend wertschätzt, der aber in enger Verbindung mus mit anderen wirtschaftlichen Aktivitäten, natürlichen Res- mit den anderen lokalen und regionalen Sektoren wie Landwirt- sourcen und „menschlichen Leidenschaften“ verfolgt z. B. auch schaft, Handwerk, Gewerbe und weiteren Dienstleistungen steht. die EUSALP (EU Strategy for the Alpine Region, EUSALP, 2020) in Die Alpen sollen demnach nicht bloßer Freizeitraum werden, ihrer Mission. Mit ihr gab es einen intensiven Austausch im Zuge sondern es braucht eine „ausgewogene Doppelnutzung“ (ebd.), der Projektumsetzung. n um sie auch als authentische Lebens- und Wirtschaftsräume zu Stationen der Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit steht in ihrer Entwicklung im direkten Zusammen- Sinne so reguliert werden kann, dass der Planet auch für künf- hang mit der wachsenden Sensibilisierung für die Umweltfolgen tige Generationen bewohnbar bleibt. Ein für die heutige Debatte menschlichen Handelns. Symbolische Stationen dieses Diskur- – auch mit Blick auf den Tourismus – relevanter Entwicklungs- ses waren 1962 das Erscheinen von Rachel Carsons „Silent Spring“ schritt war schließlich jener der Definition der „Sustainability (Carson, 1962), der 1972 vom Club of Rome präsentierte Bericht Development Goals“ (SDG) der Vereinten Nationen (UN) im Jahr „Die Grenzen des Wachstums“ (Meadows, 1972), der 1987 präsen- 2015, die heute weithin als normative Referenz im politischen tierte „Brundtland-Bericht“ und die „Rio-Konferenz“ der Vereinten und gesellschaftlichen Zukunftsdiskurs herangezogen werden Nationen über Umwelt und Entwicklung 1992 (Grober, 2010). Car- (United Nations, 2021). Im Zuge der von den Vereinten Nationen sons Sachbuch „Silent Spring“ wird häufig als Ausgangspunkt formulierten Ziele der nachhaltigen Entwicklung wurde auch die der weltweiten Umweltbewegung gesehen, die sich vor allem soziokulturelle Dimension wichtiger und es kam zudem zu einer in westeuropäischen Staaten und den USA in einer Protestbe- verstärkten Verschränkung von Umwelt- und Gerechtigkeitsfra- wegung artikulierte. In dieser Phase lag der Fokus der Debat- gen, indem Themen wie Bildung, Demokratisierung und Wohl- te ausschließlich auf Umweltthemen, also der Frage, wie der standsverteilung in das Konzept der nachhaltigen Entwicklung menschliche Umgang mit natürlichen Ressourcen im weitesten integriert wurden. n Nachhaltigkeit im Tourismus 13
Nachhaltigkeitsmodelle Die folgenden gängigen Nachhaltigkeitsmodelle zeigen die Verschränkung der gesellschaftlichen Bereiche auf unterschiedliche Weise: Nachhaltigkeit Soziales Quellen: eigene Darstellung, zit. nach (Batz , 2021) Ökonomie Ökologie Soziales Ökologie Ökonomie Nachhaltigkeit 3-Säulen-Modell Integratives Modell Das 3-Säulen-Modell ist das bekannteste Nachhaltigkeitsmodell. Im Unterschied zum 3-Säulen-Modell wird hier die Es stellt die drei Bereiche Ökonomie, Ökologie und Soziales als Nachhaltigkeit als Schnittmenge von drei Kreisen dar- jeweils gleichwertige Bereiche (Säulen) dar, sie sind in ihrer Größe gestellt, um den zahlreichen Wechselwirkungen und Ab- und ihrem Abstand zueinander absolut ident. Jede Säule trägt in hängigkeiten zwischen den Bereichen Wirtschaft, Öko- gleicher Weise zum Gleichgewicht bei. Dieses ist notwendig, um logie und Soziales Rechnung zu tragen. das Dach der Nachhaltigkeit zu tragen. Vorrangmodell Ökologie Das Vorrangmodell geht davon aus, dass der Bereich der ökologischen Nach- haltigkeit vor den anderen kommt. Der Grundgedanke ist folgender: Ohne Natur und ein funktionierendes Ökosystem ist keine Gesellschaft lebensfähig und kein Soziales Quelle: eigene Darstellung, zit. nach (Patentnr. CC BY-SA 4.0) Wirtschaften möglich. Eingebettet in ein gesundes Ökosystem steht eine stabi- le, demokratische und gerechte Gesellschaftsform (soziale Nachhaltigkeit) noch vor der ökonomischen Nachhaltigkeit, denn ohne soziale Stabilität kann auch kein Wirtschaftssystem funktionieren. Ökonomie Wie diese Auswahl zeigt, gibt es weder ein einheitliches Begriffsverständnis, noch eine allgemeine Definition von Nachhaltigkeit. In der Projektumsetzung wurde hauptsächlich das 3-Säulen-Modell und die Definition der Welttourismus- organisation UNWTO eines nachhaltigen Tourismus als gemeinsamer Referenz- rahmen herangezogen: „Es ist ein Tourismus, der den derzeitigen und zukünftigen ökonomischen, soziokulturellen und ökologischen Auswirkungen umfassend Rechnung trägt und dabei die Bedürfnisse der Gäste, der Tourismuswirtschaft, der Umwelt sowie der heimi- schen Bevölkerung berücksichtigt“ (UNWTO, 2005). n 14 Qualitätstourismus Alpenraum
Nachhaltigkeitscheck für Tourismusbetriebe Um touristischen Dienstleiter*innen eine rasche und unkomplizierte Möglichkeit zur Bewertung der eigenen Nachhaltigkeitskompetenz anzubieten, wurde im Rahmen des Projektes eine internetbasierte Anwendung entwickelt. Mithilfe dieses Online-Tools können Unter- nehmen ihren Nachhaltigkeitsstatus ermitteln, eventuelle Problemfelder frühzeitig erkennen und geeignete Maßnahmen setzen. Der Nachhaltigkeitscheck soll helfen, Prozesse und Abläufe in Unternehmen effektiver und effizienter zu gestalten sowie Mitarbeiter*innen langfristig in die nachhaltige Entwicklung der Organisationen einzubinden. Nachfolgend ein Auszug aus dem Fragenkatalog des Online-Nachhaltigkeitschecks für Tourismusbetriebe und Destinations- managementorganisationen (DMOs). Sie finden diesen unter www.tourismus-nachhaltigkeitscheck.eu Ökonomie Das Thema Nachhaltigkeit mit den drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales ist in unserer Unternehmensstruktur, unserem Leitbild und unserer Vision verankert. In unserem Betrieb gibt es eine für Nachhaltigkeitsthemen beauftragte Person mit ausreichend Kompetenz und Zeitressourcen. Wir kennen die verschiedenen Anspruchsgruppen (Stakeholder) in der Region und treten mit diesen regelmäßig in Kontakt, um ihre Interessen in den touristischen Entwicklungsprozess einzubinden. In unseren Kommunikationskanälen informieren wir aktiv und regelmäßig über relevante Aktivitäten, Projekte und Initiativen zur nachhaltigen Entwicklung unseres Betriebs. Wir unterstützen lokale und regionale Wirtschaftskreisläufe, indem wir Produkte und Dienstleistungen lokal/regional beziehen. Unser Betrieb ist mit einem Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitslabel ausgezeichnet (z. B. Österreichisches Umweltzeichen für Tourismus, European Ecolabel etc.). Wir verfügen über Konzepte, um nachhaltige Mobilitätsformen für Gäste und/oder Mitarbeiter*innen zu fördern. Ökologie Wir machen die biologische Vielfalt unserer Destination für Gäste erlebbar (z. B. durch entsprechende Produktbausteine und Kommunikationsmittel). In unserem Betrieb wurden Maßnahmen definiert, um Strategien zum Klimaschutz umzusetzen. Wir verfügen über eine Strategie, um unseren Energie- und Wasserverbrauch sowie unser Müllaufkommen zu reduzieren. Unsere Gebäude sind weitgehend klimaneutral (Verwendung von erneuerbarer Energie, Reduktion der CO 2-Emissionen). Wir achten bei Baumaßnahmen wie Sanierungen, Renovierungen, Zu- und Umbauten auf die Verwendung von nachhaltigen Baumaterialien (recyclebare Rohstoffe, energiearme Herstellung, möglichst lokale Bezugsquelle). Soziales Unser Betrieb engagiert sich in sozialen, kulturellen oder ökologischen Projekten in der Region. Wir tauschen uns regelmäßig mit der ansässigen Bevölkerung aus und nehmen in unseren Entscheidungen auf ihre Interessen Rücksicht. Unser Betrieb bietet innerbetriebliche Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen unserer Mitarbeiter*innen (z.B. innovative Mitarbeiterkonzepte, Optimierung der Dienstpläne, gezielte Weiterbildungs- und Mentoring-Programme). Wir bieten unseren Mitarbeiter*innen ein regelmäßiges Angebot an Schulungen und Weiterbildungen zu Nachhaltigkeits- und anderen Themen. Unser Betrieb bietet Chancengleichheit in Bezug auf Ausbildungs-, Weiterbildungs-, und Beschäftigungsmöglichkeiten unab- hängig von Herkunft, Ethnie, Alter, Glaube, sexueller Orientierung und Behinderung. Wir bieten familienfreundliche Arbeitsbedingungen und Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität der Beschäftigung über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus. Nachhaltigkeit im Tourismus 15
Nachhaltiger Qualitätstourismus aus Gästeperspektive: Destinations- und Zielgruppenanalyse 16 Qualitätstourismus Alpenraum
Ein nachhaltiger, zukunftsfähiger Tourismus, welcher neben wirtschaftlichem Erfolg ebenso den Erhalt der natür- lichen und kulturellen Ressourcen sowie soziale Gerechtigkeit im Blick hat, wird breit diskutiert und gefordert. Das verlangt ein Umdenken und neue Herangehensweisen. Die Johannes Kepler Universität Linz (JKU) untersuchte in diesem Kontext in einer Gästebefragung Erfahrungswerte und Erwartungshaltungen sowie das vorherrschende Stimmungs- und Meinungsbild in den drei Projektregionen Berchtesgaden, Wagrain-Kleinarl und Wolfgangsee. Alpine Tourismusdestinationen erlebten in den vergangenen Jahr- Gäste betreffend eines Urlaubsaufenthaltes in den drei Tourismus- zehnten eine gesteigerte Nachfrage, wobei ein nachhaltiges Ur- destinationen. Um ein Stimmungs- und Meinungsbild im Kontext eines laubserlebnis aus Gästeperspektive immer wichtiger und von einer nachhaltigen Tourismus zu erhalten, wurden in der quantitativen Er- wachsenden Anzahl an Menschen eingefordert wird. Nachhaltigkeit hebung auch qualitative Fragestellungen berücksichtigt. gewinnt damit nicht nur an gesellschaftlicher Bedeutung, sondern wird zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor für touristische Destina- Hoher Anteil an älteren Stammgästen aus tionen. Diese werden in den kommenden Jahren gefordert sein, sich touristischen Nahmärkten den Veränderungen zu stellen, um im globalen Markt wettbewerbs- fähig zu bleiben (Kirig, 2021). Laut einer von der JKU im Sommer 2020 Insgesamt nahmen 1.551 Personen an der Befragung teil. Die Ergeb- durchgeführten Befragung wünschen sich 93 %, dass sich der Tou- nisse zeigen, dass mehr als die Hälfte der befragten Urlauber*innen rismus im deutsch-österreichischen Alpenraum vermehrt in Rich- in den Regionen Berchtesgaden, Wagrain-Kleinarl und Wolfgang- tung eines nachhaltigen Tourismus entwickeln sollte. Ebenso viele see Stammgäste sind und mit 63 % mehrheitlich der Altersgruppe gaben an, dass ein nachhaltiger Tourismus für sie bei der künftigen 50plus angehören, während die jüngere Gästeschicht unter 40 Jah- Urlaubsplanung wichtig sei (Neiß & Praher, 2020). Für den langfristi- ren mit 14 % anteilsmäßig wenig vertreten ist. Das Geschlechterver- gen kommerziellen Erfolg einer alpinen Tourismusdestination wer- hältnis ist mit 54 % männlichen und 46 % weiblichen Gästen nahezu den demnach nicht mehr nur die Pistenkilometer ausschlaggebend ausgeglichen. Der überwiegende Anteil der befragten Gäste kommt sein oder die Anzahl der Wanderwege, sondern eine Tourismuskultur, aus Deutschland und Österreich, also aus touristischen Nahmärkten. die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt und Arbeits- sowie Lebens- Es ist daher davon auszugehen, dass diese die Destinationen sehr bedingungen der Menschen gleichermaßen in den Blick nimmt. Der gut kennen – nicht nur weil sie dort schon mehrmals auf Urlaub wa- nachhaltige Umgang mit natürlichen und kulturellen Ressourcen wird ren, sondern weil sie auch einen gewissen Bezug zu den Regionen damit zu einem relevanten Faktor, der darüber entscheidet, wie zu- haben. Auffallend ist, dass alle drei Regionen beim Gesamterlebnis kunftsfähig eine Tourismusdestination ist. sehr gut abschneiden und über 80 % der Gäste mit dem touristischen Angebot zufrieden bis sehr zufrieden sind. Anders gesagt, verfügen Die im Rahmen des Interreg-Projektes durchgeführte Gästebefragung die drei Tourismusdestinationen über eine hohe Akzeptanz und hat daher nachhaltige Tourismusindikatoren in den Blick genommen werden in vielen Fällen öfter besucht. Auch bei der Frage nach dem und diese abgefragt. Um detaillierte, regionsspezifische Informationen generellen Nachhaltigkeitserleben werden die drei Regionen positiv zu gewinnen, wurde eine Online-Gästebefragung in allen drei Projekt- bewertet. Knapp zwei Drittel Gäste der Regionen Wolfgangsee (62 %) regionen durchgeführt. Die auf diese Weise erhobenen Daten geben und Berchtesgaden (65 %) beurteilen die Region als nachhaltig. In Aufschluss über die Erfahrungswerte und Erwartungshaltungen der Wagrain-Kleinarl nehmen 57 % die Region als nachhaltig wahr. Nachhaltigkeitserlebnis nach Regionen nachhaltig wenig nachhaltig nicht nachhaltig Berchtesgaden 64,7 26,0 9,3 Wagrain-Kleinarl 57,2 34,2 8,6 Wolfgangsee 61,7 29,2 9,1 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Destinations- und Zielgruppenanalyse 17
Naturnah und authentisch auch die Region Wolfgangsee mit dem Landschaftsschutzgebiet Schafberg-Salzkammergutseen über ein Naturschutzgebiet ver- Vor allem die Nähe zur Natur und die Authentizität erzielen mit bis fügt. Gerade diese Schutzgebiete attestieren allen drei Regionen zu 90 % sehr hohe Werte, wohingegen die Klimaverträglichkeit und eine gewisse Naturnähe. die soziale Verträglichkeit mit Werten um die 65 % weniger gut ab- schneiden. Eine klare Mehrheit der Gäste (bis zu 90 %) nimmt die Die Ausgewogenheit zwischen den unterschiedlichen Interessens- Regionen als erholungsorientiert wahr. Das hat unmittelbar mit den gruppen bei der touristischen Gestaltung und Entwicklung wird von Naturräumen zu tun, die vielfach als intakt empfunden werden. Die- über zwei Drittel der befragten Gäste als „sehr gut“ bis „gut“ beur- se Ergebnisse, die auch aus einem qualitativen Teil der Befragung teilt. Ebenso werden die Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter*innen in gewonnen werden konnten, bei dem es um konkrete Einschätzun- touristischen Betrieben von bis zu 84 % als „sehr gut“ bis „gut“ einge- gen der Stärken ging, beweisen, dass der Erhalt von Naturräumen stuft. Die hohen Werte spiegeln durchaus positive Erlebnisse wider, im Alpenraum immanent ist für ein positives Erleben einer Touris- die von den Gästen in Bezug auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter*in- musdestination. Abgesehen von einer intakten Naturlandschaft, nen gemacht worden sind. können die drei Tourismusdestinationen bei ihren Gästen durch die Verwendung von regionalen Produkten und Dienstleistungen Diskrepanz beim touristischen Wachstum und Verkehr punkten. Hier hat sich gezeigt, dass Angebote aus der Region nicht nur von einer überwiegenden Mehrheit geschätzt, sondern diese Eine erste Diskrepanz zeigt sich beim touristischen Wachstum. von den Gästen mit über 80 % als äußerst positiv bewertet wer- Hier entsprechen die Erfahrungen nicht den Erwartungen. 80 % den. Auch die Qualität im Service und die Gastlichkeit werden mit der Gäste in der Region Wagrain-Kleinarl erachten ein „angemes- Werten um die 90 % als sehr hoch eingestuft. Im Zusammenhang senes touristisches Wachstum“ für wichtig, doch nur 64 % beurtei- mit der Servicequalität werden die allgemeinen Besucherinforma- len dieses in der Region als tatsächlich angemessen. Ein ähnliches tionen in den Regionen ebenfalls als äußerst positiv wahrgenom- Bild ergibt sich in den beiden anderen Regionen Wolfgangsee und men. Sie werden von bis zu 90 % der Gäste mit „sehr gut“ bis „gut“ Berchtesgaden. Während sich am Wolfgangsee 86 % der Gäste ein bewertet. Das betrifft auch das Besuchermanagement an beliebten angemessenes Wachstum wünschen würden, sehen dieses nur oder überfüllten Orten, das in den Augen von mehr als zwei Drittel 68 % als erfüllt an. In Berchtesgaden beurteilen 60 % der Gäste der Befragten sehr gut bis gut funktioniert. das touristische Wachstum als angemessen, während es für 74 % wichtig wäre. Der Schutz und der Umgang mit den Naturlandschaften werden von mehr als drei Viertel der Gäste als überaus ausreichend und Einen gewissen Nachholbedarf gibt es bei der Erreichbarkeit der schonend empfunden. Diese hohen Werte liegen mitunter auch Urlaubsregionen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Mehr als ein daran, dass sowohl Wagrain-Kleinarl als auch Berchtesgaden an Drittel der Gäste erachtet die Öffi-Anbindung als „befriedigend“ bis Nationalparkgebiete grenzen bzw. diese miteinschließen und dass „nicht genügend“. Diese ist demnach noch ausbaufähig. Während Wie naturnah ist die Region? nicht naturnah wenig naturnah naturnah 3,0 % Berchtesgaden 4,8 % 92,2 % 6,5 % Wagrain-Kleinarl 8,0 % 85,5 % 3,8 % Wolfgangsee 4,5 % 91,7 % 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % 18 Qualitätstourismus Alpenraum
Wagrain-Kleinarl und die Wolfgangsee-Region über keine Bahnan- Bei der Infrastruktur wird bindung. Diese Erwartungshal- bindungen verfügen, ist die bayerische Tourismusregion Berch- nicht die touristische Quan- tung ist ebenfalls für alle drei tesgaden mit dem Zugendbahnhof an das öffentliche Bahnnetz tität, sondern Qualität im Regionen gleichermaßen gültig. angeschlossen. Die Angebote an öffentlichen Verkehrsmitteln in Alpenraum ein entscheiden- Sowohl in Wagrain-Kleinarl als der Region werden im Vergleich dazu von drei Viertel der Gäste als des Erfolgskriterium sein. auch in Berchtesgaden und am relativ gut beurteilt, während gleichzeitig ein Viertel der Gäste die- Wolfgangsee besteht der von se als „befriedigend“ bis „nicht genügend“ einstuft. Als virulent wird Gästen formulierte Wunsch nach einem besser funktionierenden dahingehend das Angebot an alternativer Mobilität in der Region öffentlichen Verkehrsangebot. beurteilt. Über die Hälfte der Gäste vermisst zusätzliche alternative Mobilitätsangebote. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Regionen Berchtesgaden, Wagrain-Kleinarl und Wolfgangsee bereits in vie- Besser statt mehr len Punkten als nachhaltig empfunden werden, sich aber aus den Bewertungen und Aussagen der Gäste sehr wohl Bereiche ergeben, In einem qualitativen Teil der Befragung wurden nicht nur die in denen ein gewisser Nachholbedarf besteht. So wird die Erreich- Stärken der jeweiligen Regionen erhoben, sondern gleichzeitig, barkeit der Tourismusdestinationen mit öffentlichen Verkehrsmit- in welchen Bereichen die Gäste Verbesserungspotenziale sehen teln in den nächsten Jahren darüber entscheiden, ob diese gerade und was die Regionen konkret umsetzen sollten, um einen nach- von einer jüngeren Gästeschicht aufgesucht werden oder nicht. haltigen Qualitätstourismus zu gewährleisten. Die häufigsten Gerade bei jungen Menschen im urbanen Lebensumfeld nehmen Nennungen wurden quantitativ zusammengefasst und prozentu- Führerscheinbesitz und Pkw-Besitz ab. Gleichzeitig steigen die ell veranschaulicht. Die Ergebnisse lassen sich unter dem Schlag- Rohstoff- und Treibstoffpreise. In diesem Kontext werden auch wort „Besser statt mehr“ subsummieren. So sollte nach Meinung alternative Mobilitätsangebote in den Regionen selbst eine Rolle der befragten Gäste in Wagrain-Kleinarl die Hotel- und Skilift-Inf- spielen. Dabei geht es nicht nur darum, den Gästen ausreichend rastruktur nicht mehr weiter ausgebaut werden. Anstatt weiterer Komfort anzubieten, um von A nach B zu kommen, sondern auch Seilbahn- und Bettenkapazitäten besteht der Wunsch nach mo- darum, die negativen Umweltauswirkungen zu reduzieren (Zech et derner und ressourcenschonendender Infrastruktur. Diese wird al., 2015). Darüber hinaus wird bei der Infrastruktur nicht die touris- zwar von zwei Drittel der Gäste in allen Regionen als „sehr gut“ bis tische Quantität, sondern Qualität im Alpenraum ein entscheiden- „gut“ beurteilt, dennoch sieht ein Viertel bis ein Drittel hier Nach- des Erfolgskriterium sein. Das ergibt sich nicht nur aus den Ergeb- besserungsbedarf, welcher auch im qualitativen Befragungsteil nissen dieser Befragung, wonach weiteres Wachstum in Form von geäußert wird. Analog dazu sollte das aus Gästeperspektive oh- Kapazitätserweiterungen von den Gästen durchaus kritisch gese- nehin schon sehr gute Angebot an regionalen Produkten in allen hen wird, sondern deckt sich auch mit Erkenntnissen der neueren drei Regionen beibehalten bzw. noch weiter verbessert werden. Tourismus- und Nachhaltigkeitsforschung. In anderen Worten: Die Zusätzlich gefordert wird eine bessere öffentliche Verkehrsan- Zukunft des Tourismus wird zur Qualitätsfrage. (Kirig, 2021). n Wie authentisch ist die Region? nicht authentisch wenig authentisch authentisch 4,5 % Berchtesgaden 8,2 % 87,3 % 7,5 % Wagrain-Kleinarl 11,5 % 81,0 % 6,4 % Wolfgangsee 9,6 % 84,0 % 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Destinations- und Zielgruppenanalyse 19
Impulse für einen nachhaltigen Tourismus In jeder der drei Partnerregionen wurden Workshops mit Tourismus-Stakeholdern und der einheimischen Bevölkerung durchgeführt, mit dem Ziel, deren Sichtweisen in das Projekt einzubinden und Maßnahmen zu entwickeln, um die Regionen noch stärker als „lebenswerte Destinationen“ zu positionieren. Nach einführenden Impulsvorträgen zu aktuellen Tourismusthemen wurden in durchmischten Arbeits- gruppen Ideen zu den Themenbereichen Mobilität, Nachhaltigkeit, Lebensraum und Tourismusgesinnung erarbeitet. Ein weiteres Ziel der Workshops war es, Personen über die eigene Region hinaus zu vernetzen und ein Bewusstsein für die gemeinsamen Herausforderungen im grenzüberschreitenden Kontext zu schaffen. Alle in den Workshops entwickelten Ideen zeichnen sich durch eine hohe Praxisrelevanz aus und dienen den Regionen als wertvolle Basis für die nachhaltige Weiterentwicklung Ihres Destinationsmanagements. n digitales Parkplatzmanagement nachhaltige Gestaltung des touristischen Angebots Wohnmobil- konzept Barrierefreiheit neue Wirtshauskultur wertschöpfungsstarke Angebote entwickeln Angebote für Einheimische neue Wegeplanung Einheimische als Teil touristischer Erlebnisse Ortskerne stärken nachhaltige Kulturverankerung Stärkung des Innenmarketings Tourismussymposium für Stakeholder Mikromobilität in der Region Mitarbeiter*innenbenefits 20 Qualitätstourismus Alpenraum
Tourismus nachhaltig entwickeln 21
Folgende 14 Empfehlungen für einen nachhaltigen Tourismus im Alpenraum basieren auf den Ergebnissen des Projektes. Sie verstehen sich als Handlungsanleitungen für einen zukunftsfähigen Qualitätstourismus unter Berücksichtigung des Natur- und Kulturerbes. Bevölkerung einbinden 1 Tourismus entwickeln 2 Wettbewerbsvorteile nutzen 3 Nach Werte leben 4 Erlebnisse schaffen 5 Ökologisch handeln 6 Identität leben 7 22 Qualitätstourismus Alpenraum
14 Angebote schaffen 13 Arbeitsplätze attraktivieren 12 Resilienz stärken hhaltig 11 Naturräume erfahren 10 Mobilität denken 9 Vernetzen 8 Ressourcen schonen Tourismus nachhaltig entwickeln 23
1) Bevölkerung einbinden Der Tourismus als Verbundwirtschaftssystem ist in besonderem Maße vom Zusammenwirken verschiedener Akteure abhängig. Die Branche erzielt durch ihren hohen Grad an systemischer Vernet- zung nicht nur beträchtliche ökonomische Multiplikationseffekte, der Tourismus betrifft ganz allgemein auch die Bevölkerung als Ganzes. Unsere Projektergebnisse zeigen, dass diesem Aspekt der soziokulturellen Verantwortung von touristischen Konzepten noch mehr Rechnung getragen werden sollte. Alle in einer bestimmten Region lebenden Menschen haben großes Interesse daran, wie und in welcher Form Tourismus stattfindet, organisiert und auch ver- marktet wird. Hier ist es wichtig, Bevölkerungsinteressen noch stärker in den touristischen Entwicklungsprozess einzubinden. Der Erfolg einer jeden Organisation und eines jeden Produkts kann langfristig nur dann gesichert werden, wenn die verschiedenen Interessenslagen aller Anspruchsgruppen (Stakeholder) sorgfältig ausbalanciert werden. Die vermeintlich leichtgängige Plausibilität Kulturlandschaften, eine hochwertige Infrastruktur, bestens aus- eines sozialen Nachhaltigkeitsparadigmas in touristischen Des- gebildete Mitarbeiter*innen, eine regionale Küche basierend auf tinationen stellt sich in der Praxis häufig schwierig dar. Oft diffe- hochqualitativen Lebensmitteln, die für den Alpenraum geschätzte rieren Anliegen, Interessen und Motive zwischen den und innerhalb Gastfreundschaft sowie eine hohe Professionalität aller im Touris- der verschiedenen Stakeholdergruppen, wodurch eine konstruktive mus beteiligten Akteur*innen. Doch dieser Erfolg ist nicht in Stein Auseinandersetzung zur strategischen touristischen Ausrichtung gemeißelt. Es gilt, sich den großen Herausforderungen und Ver- einer Region einen komplexen und nicht selten auch langwierigen änderungen nicht nur anzupassen, sondern diese als Chance für Prozess darstellt. eine proaktive Weiterentwicklung des Tourismus in Richtung Zu- kunftsfähigkeit wahrzunehmen. Ein besonders wichtiger und meist Dass sich dieser Weg der intensiven Verhandlung und Abstimmung unterschätzter Baustein ist hier die Stärkung der allgemeinen aber langfristig auch ökonomisch lohnt, zeigt sich vor allem in Kri- Einstellung zum Tourismus, der Tourismusgesinnung. Hier sollten, sensituationen wie in der COVID-19-Pandemie. Destinationen mit zusätzlich zum klassischen Gäste- und Zielgruppenmarketing, Maß- einem ausbalancierten Angebot, einer ausgewogenen Nutzung nahmen unternommen werden, die auf Information, Aufklärung und von Freizeit-, Lebens- und Wirtschaftsräumen, mit regionalen Imagestärkung des Tourismus unter den in einer Region lebenden Wirtschaftskreisläufen, kurzen Lieferketten sowie einem hohen Menschen abzielen. Das Verständnis für die Bedeutung und die po- Grad an Kollaboration und gemeinschaftlicher Innovation sind ver- sitiven Effekte des Tourismus sind eine essentielle Voraussetzung gleichsweise gut durch die Krise gekommen. Das zeigen u. a. For- für die Identifikation mit der Region als touristische Destination. scher*innen wie Ioannides & Gyimóthy (2020). Basierend auf den Ergebnissen empfehlen sich Formate, die einen regelmäßigen 3) Wettbewerbsvorteile nutzen (institutionalisierten) und zielführenden Austausch zwischen den Stakeholdern einer Region ermöglichen, wie z. B. Workshops, Dis- Das Thema Neo-Ökologie oder Green Economy wird in der Tourismus- kussionsplattformen, Infoveranstaltungen oder Begegnungsräume. branche schon länger diskutiert und in manchen Bereichen erfolg- reich gelebt. Viele Unternehmen setzen vor allem aus Reputations- 2) Tourismus entwickeln gründen auf nachhaltige Verfahren und Produkte. Niemand möchte als Umweltsünder gelten. Sobald mit nachhaltigen Konzepten Kosten Der Tourismus ist eine treibende ökonomische Kraft im Alpenraum gesenkt werden können, unterstützt das Management diese Be- und sorgt vor allem in ländlichen Gebieten dafür, dass Strukturen mühungen gerne und nimmt dafür auch Gütesiegel entgegen. Doch erhalten und ausgebaut werden können. Die direkten und indirek- mit Greenwashing wird es zu keiner echten Veränderung kommen. ten Wertschöpfungseffekte des Tourismus (einschließlich Dienst- Nachhaltigkeit wird in Zukunft mehr verlangen als das Bewahren des und Geschäftsreisen) beliefen sich in Österreich im Jahr 2019 auf Status quo. 29,7 Milliarden Euro. Damit leistete der Tourismus einen direkten Touristische Unternehmen müssen auf verschiedenen Ebenen und indirekten Beitrag von 7,5 % zum Bruttoinlandsprodukt (Statis- nachhaltiger und ökologischer werden. Nicht nur weil Gäste das tik Austria). Zu den Erfolgsfaktoren zählen u. a.: Intakte Natur- und fordern, sondern weil es der Markt verlangt. Investor*innen setzen 24 Qualitätstourismus Alpenraum
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