Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel

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Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
Altstadt und Warenhaus
Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
von Martin Möhle

Seit über hundert Jahren stellen grosse Geschäftshäuser in    genug, sich seine Baugeschichte und architektonische
historischen Ortskernen eine städtebauliche Herausfor-        Bedeutung zu vergegenwärtigen. An besagtem Bau mit
derung dar, prägen sie doch allein schon durch ihr Bau-       auffallend heterogenen Stilelementen sind wesentliche
volumen die Umgebung. Warenhäuser leben von zahl-             Architekturströmungen des 20. Jahrhunderts beispielhaft
reicher Laufkundschaft und drängten seit jeher ins Zent-      abzulesen.
rum, den Ort der grössten Dichte an historischer, oftmals         Das Warenhaus Globus ist eines der ältesten grossen
baukünstlerisch qualitätvoller und politisch bedeutsamer      Geschäftshäuser Basels und befindet sich an städtebaulich
Architektur. Seit Jahren befindet sich die Warenhausbran-     markanter Position im Zentrum der Talstadt (Abb. 1). Es
che jedoch in einer Krise, ausgelöst durch Billigkonkur-      ist ein Denkmal der wirtschaftlich prosperierenden Zeit
renten und E-Commerce sowie durch ein verändertes             vor dem Ersten Weltkrieg, in der die neue Verkaufsform
Kaufverhalten insbesondere bei den jüngeren Käufer-           «alles unter einem Dach» im gehobenen Einzelhandel
gruppen. Für die grossen Baukomplexe, die mittlerweile        angestrebt wurde. Es besteht aus vier zusammenhängen-
das Stadtbild prägen, stellt sich vielerorts die Frage nach   den Baukomplexen, die im Zeitraum zwischen 1904 und
Abbruch oder Umnutzung. Am Basler Marktplatz wurde            1975 errichtet worden sind. Den Anfang machte das
2019 der weitgehende Neubau des Warenhauses Globus            Warenhaus Julius Brann, das von 1904 bis 1905 auf zwei
hinter den zu erhaltenden Fassaden geplant – Anlass           damaligen Parzellen am Marktplatz erbaut wurde.1 Nach

Abb. 1   Warenhaus Globus in Basel. Foto 2019.

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                                                                           65
Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
Abb. 2 Ostseite des Basler
Marktplatzes mit dem
Warenhaus Brann. Postkarte,
1905.

der Übernahme des Geschäfts durch die «Magazine zum         Randbebauung innerhalb von zwanzig Jahren nahezu
Globus AG» im Jahr 1907 wurde das Haus von 1909 bis         vollständig durch viergeschossige Geschäftshäuser ersetzt;
1910 zur Eisengasse hin erweitert. Der Ursprungsbau und     begonnen wurde die Planung 1894/95 mit dem später
die Erweiterung bedienen sich einer weitgehend identi­      sogenannten Märthof (Marktplatz 36), vollendet 1915/16
schen Formensprache, sodass sie heute als einheitlicher     mit dem Singerhaus (Nr. 34). Aus älterer Zeit erhalten
Bau erscheinen. Neue Formen kamen hingegen anlässlich       sind heute lediglich das Bankgebäude von 1858 (Nr. 11),
der Erweiterung in der Eisengasse in den Jahren 1931/33     das Geltenzunfthaus mit seiner Renaissancefassade von
sowie der dritten Erweiterung auf der anderen Seite, in     1578 (Nr. 13) sowie das Rathaus aus dem frühen 16. Jahr­
Richtung Rathaus, im Jahr 1975 ins Spiel. Sämtliche Bau­    hundert, das durch seine Erweiterung und vor allem mit
teile sind im Inneren zu grossen Verkaufsetagen miteinan­   seinem Turm um 1900 eine neue städtebauliche Präsenz
der verbunden. Die Hintergebäude des in den Hang            erlangte (Abb. 2). Die Bedeutung, welche die Regierung
des Münsterhügels hineingebauten Komplexes befinden         der architektonischen Gestaltung des Marktplatzes zumass,
sich am Martinskirchplatz gegenüber der Westfassade der     zeigte sich 1908 an der Ausschreibung eines Wettbewerbs
Kirche.                                                     für die Häuser an der Westseite des Platzes gegenüber dem
                                                            Rathaus. Die Bauten des Marktplatzes wurden von den
                                                            bekanntesten Architekten Basels und der Schweiz ent­
Jugendstil in Basel: Die Warenhäuser Brann und Globus       worfen, von Karl Moser über Vischer & Fueter, Widmer &
                                                            Erlacher, Heinrich Tamm, Emanuel La Roche, Heinrich
Die Errichtung des Warenhauses Brann ist im Zusam­          Flügel bis zu Rudolf Linder und Romang & Bernoulli.
menhang mit der städtebaulichen Umgestaltung des               Das Warenhaus Brann ist von 1904 bis 1905 zeitlich in
Marktplatzes Ende des 19. Jahrhunderts zu sehen. Bis 1888   der Mitte dieser Umbauphase des Marktplatzes entstan­
war der Marktplatz nur etwa halb so gross wie heute.        den. Nach der Gründung seines Warenhauses 1896 beauf­
Seine nördliche Hälfte wurde von verschiedenen Gebäu­       tragte der Zürcher Geschäftsmann Julius Brann3 die
den eingenommen, unter ihnen an zentralem Platz die         Architekten Alfred Romang und Wilhelm Bernoulli mit
sogenannte Schol, die seit dem Mittelalter überlieferte     dem Neubau am Marktplatz an der Ecke zur Eisengasse.
öffentliche Fleischhalle. Von 1888 bis 1890 wurde das       Die Eröffnung wurde am 8. April 1905 gefeiert. Die frü­
gesamte Geviert zwischen der ehemaligen Sporengasse,        heren Werke der Architekten in Basel sind durch gotische
der Stadthausgasse, der Sattelgasse und dem Marktplatz      und barocke Stilelemente gekennzeichnet, so beispiels­
abgebrochen. Entgegen der ursprünglichen Absicht, hier      weise die Dreihausgruppe Bundesstrasse 17–27 mit Erkern
ein grosses Verwaltungsgebäude zu errichten, wurde 1891     und Volutengiebeln. Von den beiden Partnern wird eher
beschlossen, das Areal unbebaut zu lassen.2                 Bernoulli die Hinwendung zum Jugendstil mit der Ent­
   Um dem vergrösserten Platz einen angemessenen            wicklung innovativer Dekorationsformen zugeschrieben.
architektonischen Ausdruck zu verschaffen, wurde seine      So sind an seinem eigenen Wohnhaus in der Wartenberg­

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Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
Abb. 3 Haus zum Hermelin,
                                                                                       Freie Strasse 13 in Basel,
                                                                                       Gustav Adolf Visscher van
                                                                                       Gaasbeek, erbaut 1902/03.
                                                                                       Foto 2020.

strasse 11 (1903/04) sowie an den später entstandenen     einfachung und Modernisierung der Dekorationsele-
Häusern Arnold-Böcklin-Strasse 38–42 (1908) die ge­       mente verfolgen. Ebenfalls von Romang und Bernoulli
schuppten Säulen und andere Dekorationselemente des       entworfen, jedoch 1909/10 von Romang allein ausgeführt
Brann’schen Warenhauses wiederzufinden. Am durch          wurde das Warenhaus (ehemals) Merkur in der Eisengasse
Pläne gut dokumentierten Entstehungsprozess der soge-     14, bei dem das durch Holbeins Fassadenmalerei berühmt
nannten Andlauerklinik (Petersgraben 11, 1903/04) lässt   gewordene Vorgängerhaus zum Tanz elegant und raffi-
sich die Straffung des ursprünglichen Entwurfs mit Ver-   niert im Neubau zur Geltung kommt.

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                                                                       67
Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
Der Ursprungsbau des Brann’schen Warenhauses von                   typisch, bringen diese einen Hang zur Symmetrie und zur
Romang und Bernoulli weist eine symmetrisch geglie­                   Geometrisierung der Formensprache zum Ausdruck. Im
derte, hochrechteckige Fassade zum Marktplatz auf. Eine               Zentrum befindet sich eine Uhr mit grünem Zifferblatt
doppelgeschossige Schaufensteranlage war damals Pflicht,              und schwarzer Metallverdachung mit vergoldetem Bei­
wie zahllose Beispiele von Geschäftshäusern in der Freien             werk. Der von schlitzartigen Öffnungen durchbrochene
Strasse belegen. Das gestalterische Problem, dass dadurch             Fries unter dem Segmentbogengiebel schliesst die Fassade
die Fassade in eine untere und eine obere Hälfte zerfällt,            ab; das pyramidenförmige Bogendach verleiht dem
lösten Romang und Bernoulli souverän: Schmale, pfeiler­               Gebäude eine kompakte Silhouette.
artige Seitenteile mit höhenversetzten Fenstern fassen die               Die Erweiterung zum Warenhaus Globus in den Jahren
Mitte ein und halten diese mit dem segmentbogenförmig                 1909 bis 1910 konnte der 1909 verstorbene Wilhelm Ber­
geschwungenen Dachgesims zusammen. Eine Anregung                      noulli nicht mehr ausführen. Er hatte 1907 seine Büro­
hierzu holten sich die Architekten vom Haus zum Herme­                partnerschaft mit Romang aufgekündigt und sich mit
lin (Freie Strasse 15, Abb. 3), das Gustav Adolf Visscher             Otto Wenk zusammengeschlossen. Der Globus-Auftrag
van Gaasbeek 1902/03 erbaut hatte, und darüber hinaus                 wurde von seinem Nachfolger Karl August Burckhardt
möglicherweise aus Visscher van Gaasbeeks Heimat in                   übernommen. Der Bau schliesst seitlich im stumpfen
den Niederlanden oder aus Belgien, man denke etwa an                  Winkel an das ältere Haus an, dessen architektonische
Victor Hortas Hôtel Tassel in Brüssel (1893, Abb. 4). Das             Prinzipien und Einzelformen in geschickter Weise aufge­
gelblich-braune Steinmaterial wird kontrastiert durch                 griffen, variiert und fortgesetzt wurden. Grössere Verän­
graue Architekturteile aus Castione-Marmor sowie durch                derungen betrafen nur die doppelgeschossige Schaufens­
einzelne farbige Jugendstil-Ornamentformen, die sich in               terfront, die geschlossen und mit einem Erker im Ober­
den oberen Fassadenpartien konzentrieren. Wie für Basel               geschoss versehen wurde. An der Gelenkstelle der Fassaden
                                                                      bei der Einmündung zur Eisengasse wurde damals ein
                                                                      neuer Haupteingang eingerichtet. Die Wirkung der
                                                                      ­ausgerundeten Ecke wird verstärkt durch einen zweige­
                                                                      schossigen polygonalen Erker mit dem Firmennamen
                                                                      GLOBUS.
                                                                         Im Zentrum des Innenraums dominierte ein grosser
                                                                      rechteckiger Lichthof den Raumeindruck (Abb. 5).
                                                                       Gegenüber dem Haupteingang war an der lichtlosen
                                                                       Hangseite des Gebäudes die mehrläufige Kundentreppe
                                                                       mit einem weiteren Lichthof angeordnet. Eine ähnliche
                                                                       Disposition findet sich in Basel heute nur noch im ehema­
                                                                      ligen Geschäftshaus Füglistaller (Freie Strasse 23). Durch
                                                                      den zwischen 1909 und 1910 errichteten Erweiterungsbau
                                                                      fiel die eine Seitenwand des Hauses fast gänzlich weg.
                                                                      Ergänzend besass der Erweiterungsbau einen kleineren,
                                                                      im Grundriss fünfeckigen Lichthof. Für die damalige
                                                                      Kundschaft muss sich der Verkaufsraum als eine Abfolge
                                                                      von Galerien präsentiert haben, durch welche Ausblicke
                                                                      auf gegenüberliegende Räume und andere Etagen mög­
                                                                      lich waren. In Zeitungsartikeln wurde die geschmack­
                                                                      volle und übersichtliche Anordnung der Waren gepriesen.

                                                                      Funktionalismus: Die Erweiterung in der Eisengasse

                                                                      Der gute Geschäftsverlauf erlaubte es den Eigentümern
                                                                      des Globus im Jahre 1927, das benachbarte Warenhaus
                                                                      Loeb in der Eisengasse 21 zu erwerben. Die Architekten
                                                                      Rudolf Suter und Ernst Otto Burckhardt legten Entwürfe
                                                                      zu einem Neubau auf dem Loeb-Grundstück vor, dessen
                                                                      Fassade eine einfache Fortsetzung der älteren darstellte,
                                                                      lediglich mit einem zusätzlichen vierten Obergeschoss.4
                                                                      Der Generelle Bebauungsplan für die Innere Stadt, der
                                                                      dem Grossen Rat mit Ratschlag vom 23. Januar 1930 vor­
Abb. 4 Brüssel, Hôtel Tassel, Victor Horta, erbaut 1893, Foto 2007.   gelegt wurde, sah jedoch eine Verbreiterung der Eisen­

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Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
Abb. 5 Lichthof im Basler Globus-Jugendstilbau. Foto 1931.

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                    69
Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
gasse von 13,5 auf 17 m vor, und zwar mittels einer neuen
                                                                   zurückversetzten Baulinie auf der Seite des Münsterhü­
                                                                   gels.5 Als Kompromiss wurde im Juni 1930 die Anlage
                                                                   von Arkaden entlang der ganzen Strassenseite projek­
                                                                   tiert.6 Dieser Beschluss hatte eine Neuplanung für das
                                                                   gesamte Globus-Areal zur Folge.
                                                                      1935 erschien die an der ETH Zürich entstandene Dok­
                                                                   torarbeit von Louis Parnes, der die Bauaufgabe «Waren­
                                                                   haus» streng funktionalistisch untersuchte.7 Das Titelbild
                                                                   zeigt die Zeichnung eines fünfgeschossigen Baus mit
                                                                   zusätzlich mehreren zurückgestaffelten Obergeschossen,
                                                                   der sich gerundet um eine Strassenecke erstreckt, mit
                                                                   durchgehenden, pfeilerlosen Fensterbändern und zwei
                                                                   Treppenhaustürmen (Abb. 6). Beim Aufschlagen des
                                                                   Buchs findet man dieselbe perspektivische Ansicht sowie
                                                                   Aufrisse, Grundrisse und Schnitte des Gebäudes (Abb. 7)
                                                                   unter dem Titel «Magazine zum Globus, Basel»8 – also ein
                                                                   Neubauentwurf des Warenhauses unter Abbruch des
                                                                   Jugendstilgebäudes. In den Innenräumen wurde der Ver­
                                                                   kaufsfläche absolute Priorität eingeräumt, während eine
                                                                   raffinierte Organisation die verschiedenen Wege von
                                                                   Käufern, Waren, Verkäufern, Dekorateuren, Anlieferern
                                                                   und so weiter optimierte. Zur räumlichen Orientierung
                                                                   und um das Warenangebot gut erfassen zu können, sollten
                                                                   keine Zwischenwände und hohen Regale zum Einsatz
                                                                   kommen, Letztere durften lediglich an den Aussenwän­
                                                                   den angeordnet werden, unterhalb der hochsitzenden
                                                                   Fenster. Die Belichtung von aussen war wichtig, weil der
Abb. 6 Titelblatt der Publikation von Louis Parnes, Zürich 1935.   repräsentative Lichthof aus Platzgründen wegfallen sollte.

Abb. 7 Entwurf für das
Warenhaus Globus in Basel,
Querschnitt. Aus der
Publikation von Louis Parnes,
1935.

70                                                                                                       ZAK, Band 76, Heft 1/2020
Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
Abb. 8 Chemnitz, Kaufhaus Schocken, Erich Mendelsohn, erbaut 1928, Foto 2014.

Vorbild für diesen hochmodernen Entwurf, der sich von               Mitglied der staatlichen Heimatschutzkommission und
traditionell aufgebauten französischen Grand Magasins               der Stadtplandelegation. Burckhardt hatte an der École
deutlich abhebt, war das heute noch existierende, von               des Beaux-Arts in Paris studiert und anschliessend bei
Erich Mendelsohn 1928 errichtete Kaufhaus Schocken in               Charles Mewes in Paris gearbeitet. Von Suter & Burck­
Chemnitz (Abb. 8) – ein Initialbau für eine ganze Gene­             hardt stammt das ehemalige Geschäftshaus Füglistaller in
ration von neuen Warenhäusern in Deutschland.                       der Freien Strasse (1906/07), dessen Fassade ortstypische
   Welchen Anteil Parnes an den Planungen in Basel hatte,           Bautradition (Verweise auf den Spiesshof) mit damals
ist jedoch nicht ganz klar. Was er unter seinem Namen               aktueller Geschäftshausarchitektur (durchgehende Befens­
veröffentlichte, war nicht die Baueingabe für den Neubau            terung, Innenraum mit Lichthof) verbindet.10 Mit dem
des Warenhauses, sondern eine Studie, die auf den 1930              Globus-Erweiterungsbau vollzog das Büro auch hinsicht­
vorgestellten Entwürfen des Basler Architekturbüros Suter           lich der Fassadengestaltung die Hinwendung zur moder­
& Burckhardt aufbaute und diese gemäss den funktionalis­            nen Architektur mit Flachdach.11
tischen Vorstellungen des Autors weiterentwickelte.9                   Vom ersten Basler Entwurf hat sich weder im Staats­
   Rudolf Suter und Ernst Otto Burckhardt hatten sich               archiv noch im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv eine
1901 zu einer Bürogemeinschaft zusammengeschlossen.                 Perspektive erhalten, jedoch zeigt die Fassadenabwick­
Suter hatte eine Ausbildung als Bauzeichner sowie ein               lung die auf Mendelsohn verweisenden Fensterbänder –
Studium in Stuttgart und Berlin genossen. In Basel war er           mit fast unmerklicher Vierergruppierung der Fenster –

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                                                                                 71
Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
sowie die abgetreppten Obergeschosse (Abb. 9). Die Arka­               1930 Stadtbaudirektor in Köln, bevor er die Nach­-
den im Erdgeschoss sind Ergebnis der angestrebten                      folge Fischers auf dem Lehrstuhl in München antrat. 1930
Verbreiterung der Strasse bei gleichzeitig möglichst                   hatte er sich als Jurymitglied beim Wettbewerb für die
geringer Verkleinerung des Bauvolumens am Hang des                     Dreirosen­ brücke mit städtebaulichen Fragen Basels
Münsterhügels. Auch die innere Organisation ist weit­                  beschäftigt. In seinem Globus-Gutachten befürwortete er
gehend identisch mit den Beschreibungen in Parnes’ Stu­                den grossen Neubau von Suter & Burckhardt am Markt­
die, weist aber als traditionelles Element einen Licht­                platz und an der Eisengasse, da abzusehen sei, dass die Ver­
schacht auf. Der bedeutendste Unterschied zu Parnes’                   kehrsachse von der Mittleren Brücke über die Schneider­
Idealentwurf bestand jedoch darin, dass Suter & Burck­                 gasse und den Spalenberg zum Westplateau an Bedeutung
hardt das Jugendstilgebäude erhalten wollten. Dieses                   gewinnen werde.14 Hierfür musste er sich die Kritik der
sollte in den Neubau integriert, aufgestockt und die Fas­              Denkmalpflege gefallen lassen, die eine Beeinträchtigung
sade von Ornamenten und Zierelementen befreit werden.                  des Blicks auf den Münsterhügel und die Martinskirche
   Dennoch scheiterte der Globus-Entwurf im Oktober                    sowie des Rathauses nicht gutheissen konnte.15
1930 am Einspruch der Staatlichen Heimatschutzkom­                        Auf diese Einwendungen hin modifizierten Suter &
mission, die städtebauliche Erwägungen ins Spiel brachte,              Burckhardt ihren Entwurf. Die im August 1931 vorge­
«[…] da der betreffende Platz kein sorgfältig ausgewählter             legte Variante 7 (Abb. 10) war zwar einerseits aufgrund
Punkt u. städtebaulich ungeeignet sei, und die Martins­                der Fassadengliederung mit Gruppenfenstern traditionel­
kirche sowohl von der Marktplatz- als von der Rheinseite               ler gestaltet – es kommt hier eine Reminiszenz an das
aus durch das geplante Hochhaus erheblich beeinträchtigt               Geschäftshaus Füglistaller zum Ausdruck –, ferner auch
werde, ebenso werde das Rathaus dadurch erdrückt und                   hinsichtlich der Übernahme der Traufhöhe vom Kanzlei­
der Martinskirchplatz verunstaltet».12 Daraufhin holten                bau des Rathauses und mit dem immensen Satteldach auf
die Architekten ein Gutachten beim Architekturprofessor                dem obersten Geschoss. Andererseits war die Variante
Adolf Abel an der TU München ein.13 Abel war Schüler                   radikaler, da sie den Abbruch der alten Gebäude vorsah.
von Theodor Fischer in München gewesen, anschliessend                  Der Entwurf wurde von der Heimatschutzkommission
Assistent von Paul Bonatz in Stuttgart und von 1925 bis                akzeptiert, und auch die Denkmalpflege, die weiterhin

Abb. 9 Globus Basel, Umbauentwurf von Suter & Burckhardt, Juli 1930.

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Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
Abb. 10 Globus Basel,
                                                                                                       Umbauentwurf von Suter
                                                                                                       & Burckhardt, Variante 7,
                                                                                                       August 1931.

nicht mit einem Hochhaus an dieser Stelle einverstanden
war, erachtete schliesslich Variante 7 als das kleinste
Übel.16
   Im ersten Bauabschnitt wurden fünf Achsen an der
Eisengasse errichtet (Abb. 11).17 Die Fassade ist rasterför­
mig durch fünf- und sechsteilige Fensterbänder, jeweils in
der Breite der Erdgeschossarkaden, gegliedert. Fünftes
und sechstes Obergeschoss sind zurückgestaffelt und von
der Strasse aus nicht einsehbar, wodurch das Haus als
Flachdachgebäude in Erscheinung tritt (das projektierte
Steildach wurde nie ausgeführt). Als Verblendmaterial
wählte man einen Kunststein aus gelblichen, braunen und
rosa Kalkstein- und Marmorarten, der sich im Farbton an
den älteren Bauteilen orientiert, jedoch «frisch und hell,
kräftig und repräsentativ»18 wirken sollte. Die Fenster­
gruppen sind mit einem feinen Profil akzentuiert, ebenso
das abgestufte schmale Kranzgesims. Mit Bedacht wurde
jede grössere Plastizität vermieden, so wurden auch die
Regenwasser-Fallrohre in Schlitze der Fassade eingelegt.
Um mehr Verkaufsfläche zu gewinnen, wurde der grosse
rechteckige Lichthof geschlossen. Dies geschah zunächst
durch eine Holzdecke, die später durch eine Eisenbeton­
konstruktion ersetzt wurde. Die erstaunlich grossen
Spannweiten erreichten die Architekten durch eine
Deckenkonstruktion, bei der etwa 2 m lange Gussmodule
in ein Eisenraster eingelegt wurden.
   Der Bau folgt einer Typologie von Warenhäusern, Fab­
rikhallen oder öffentlichen Bauten in einer dezidiert
modernen Formensprache, die sich an den grossen Vorbil­
dern der Neuen Sachlichkeit in Deutschland vor der Zeit        Abb. 11 Globus Basel, Erweiterungsbau an der Eisengasse. Foto 2019.

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                                                                                      73
Altstadt und Warenhaus Bau und Erweiterungen des Warenhauses Globus in Basel
Abb. 12 Berlin, Haus des
deutschen Verkehrsbundes,
Bruno und Max Taut, erbaut
1927–1930, Foto 2010.

Abb. 13   Basel, Magazine zur Rheinbrücke, erbaut 1932, Foto 1932.

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Abb. 14   Berlin, Chausseestrasse 70–71, Warenhaus Tietz, Johann Emil Schaudt , erbaut 1929, Foto vor 1935.

des Nationalsozialismus orientiert. Als Vergleichsbeispiel              Rotter­dam, das 1930 durch den Architekten Willem
bietet sich das zwischen 1927 und 1930 in Berlin errichtete             Marinus Dudok verwirklicht wurde.
Gewerkschaftshaus (Haus des Deutschen Verkehrsbunds)                       Beim Globus ist mit dem Übergreifen des Neubaus auf
von Bruno und Max Taut an (Abb. 12). Vergleichbar sind                  den Altbau im dritten Obergeschoss noch eine Reminis­
auch Peter Behrens’ Berolina- und Alexanderhaus am                      zenz an Mendelsohn zu erkennen. Ein «Rasterelement»
Berliner Alexanderplatz, erbaut von 1929 bis 1932, die                  der neuen Fassade hockt quasi auf dem Jugendstilbau,
alle sowohl hinsichtlich der rasterförmigen Gliederung                  wofür dessen weit auskragendes Dachgesims teilweise
als auch bezüglich der detaillierten Fensterrahmungen                   abgebrochen werden musste (Abb. 15). Diese vermeint­
dem Basler Globus entsprechen. In Basel stellt der Glo­                 liche Rücksichtslosigkeit gegenüber der historischen
bus-Bau in der Eisengasse einen frühen Repräsentanten                   Architektur findet sich auch im Werk Mendelsohns beim
dieses modernen Warenhaustyps dar, fast gleichzeitig mit                Umbau des «Mossehauses» in Berlin (Abb. 16). Dieses Ver­
den Magazinen zur Rheinbrücke von 1932 (Abb. 13).                       lagshaus war 1919 bei den Spartakusaufständen beschä­
Auch von diesem von der Baufirma Preiswerk & Cie.                       digt worden und wurde zwischen 1921 und 1923 durch
nach Entwürfen der angestellten Architekten Ferdinand                   Erich Mendelsohn und Richard Neutra wieder instand
Brütsch und W. Lutz errichteten Bau existieren Vorent­                  gesetzt, wobei eine mehrgeschossige Aufstockung in For­
würfe mit gerundeter Ecke und Fensterbändern, die an                    men der Neuen Sachlichkeit auf den alten Baukörper von
die Architektur Mendelsohns erinnern.19 Der zwischen                    1900/03 aufgesetzt wurde.
1930 und 1932 ausgeführte Bau behielt die strenge Hori­                    Der zweite Bauabschnitt, der zum Abbruch der Jugend­
zontalgliederung bei, die auf das Warenhaus Tietz in der                stilgebäude geführt hätte, wurde nie in Angriff ge­-
Berliner Chausseestrasse verweist (Abb. 14) und auch an                 nommen. Die Gründe dafür sind nicht in Basel, sondern
ein weiteres, zu jener Zeit hochmodernes Warenhaus                      in Bern zu suchen. Die nationalkonservative Bewe-
erinnert, nämlich an «De Bijenkorf» (Bienenkorb) in                     gung «Neue Schweiz» hatte in Zusammenarbeit mit dem

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                                                                                    75
Abb. 15 Globus Basel,
Anschluss des Erweiterungs-
baus an den Jugendstilbau an
der Eisengasse. Foto 2019.

Schweizerischen Gewerbeverband am 14. Oktober 1933         selbstbewusste Frage: «Und? Wie gefällt er Ihnen?» Mit
einen dringlichen Bundesbeschluss erwirkt, der den mit­    dem Neubau hatte der Globus den Schritt vom Waren­
telständischen Einzelhandel schützen sollte und den Neu­   haus im alten französischen Stil, in dem die wohlhaben­
bau sowie die Erweiterung von Warenhäusern verbot.         den Kundinnen und Kunden in einem Sinnesrausch des
Der Beschluss blieb bis 1945 in Kraft.20                   Luxus das «Paradies der Damen» (so ein Buchtitel von
   Obwohl also die Neubauplanung ein Torso bleiben         Émile Zola21) erleben konnten, zum modernen Detailhan­
musste, stellte man bei der Eröffnung des Erweiterungs­    del mit einer nüchternen Warenpräsentation, in der die
baus 1933 dem Publikum in einem Zeitungsartikel die        Käufer die in grosser Zahl ausliegenden Waren in Augen­

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Abb. 16 Berlin, Mossehaus,
                                                                                              Erich Mendelsohn und Richard
                                                                                              Neutra, Umbau 1921–1923,
                                                                                              Foto 2009.

schein nehmen konnten, vollzogen. Angesprochen wurde           ihrer Nordseite fünfgeschossige Geschäftshäuser entstan-
ein viel grösserer Kundenkreis, vorwiegend aus der Mit-        den, vom späteren «Märthof» (Marktplatz 36, 1894/95,
telschicht. Das Gebäude dokumentiert die Entwicklung           1900 erweitert) über das Eckhaus am Tanzgässlein (heute
zu einem architektonisch und wirtschaftlich auf den neu-       Migros, Eisengasse 12, 1909/10), den Neubau des Hauses
esten Stand gebrachten Warenhaus.                              zum Tanz (Eisengasse 14, 1907/09 vom Globus-Architek-
   Der Bau veränderte das Gesicht der Eisengasse, wie dies     ten Alfred Romang), bis hin zum modernen Akzent des
bereits in Adolf Abels Gutachten angesprochen wurde.           Hauses zum Helm, für dessen Entwurf und Bau 1926/27
Die Eisengasse hatte schon bei ihrer ersten Verbreiterung      das Büro Artaria & Schmidt verantwortlich zeichnete.
im Jahr 1839 den Charakter einer engen Altstadtgasse
abgelegt, wozu auch die Neubebauung der Hangseite mit
Häusern nach gleichem Fassadenschema beigetragen hat-          Kontextualismus: Die Erweiterung am Marktplatz
te.22 Der Abbruch des Rheintores im selben Jahr öffnete
die Gasse zur Mittleren Brücke, über die seit 1895 die erste   Die dritte Erweiterung des Globus-Warenhauses ver-
Basler Tramlinie zwischen dem Centralbahnhof und dem           schaffte diesem einen zusätzlichen Auftritt am Marktplatz
Badischen Bahnhof führte. Die Eisengasse war damit Teil        und fügte sich in die hier seit Ende des 19. Jahrhunderts
dieser Hauptader des Basler Verkehrs. Verstärkt wurde          entstandene städtebauliche Situation ein. Nachdem der
diese Öffnung durch den verbreiterten Neubau der Mitt-         Marktplatz 1890 das Doppelte seiner alten Grösse erhal-
leren Brücke 1905 und das Drillingshaus Schifflände 1–3,       ten hatte, war eine deutliche Monumentalisierung der
das nach Entwürfen Hans Bernoullis von 1913 bis 1915           Bebauung zu verzeichnen. Diese begann mit dem Rat-
in der Sichtachse der Clarastrasse und der Greifengasse        haus um 1900, das einen neuen Kanzleibau und einen
erbaut worden war. Die Eisengasse wirkt so als Eingangs-       Turm erhielt, und wurde mit dem Globus von 1904/05
trichter in das Grossbasler Geschäftszentrum um den            fortgeführt. Den Massstab der älteren Bebauung verdeut-
Marktplatz und die Freie Strasse. Entsprechend waren an        lichten damals noch vier schmale Häuser zwischen diesen

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                                                                               77
grossen Bauvolumen (vgl. Abb. 2). Im Zonenplan von              Unmittelbar nach Aufhebung des Bundesbeschlusses
1939 wurden die Gebäude am Marktplatz der Altstadt­          von 1933 im Jahre 1945 lebten die Planungen zur Erwei­
zone zugewiesen, für deren allfällige Veränderungen          terung des Globuskomplexes wieder auf. Die hierzu ent­
damit besondere Vorschriften galten, die den künstleri­      standenen Pläne von Suter & Burckhardt aus den Jahren
schen und historischen Wert der Bebauung schützten.          1946 und 1947 beruhten wie schon 1930/33 auf einem
   1952 folgte das Haus zum Gold zwischen dem Martins­       gesamthaften Neubau nach Abbruch der Altbauten.24
gässlein und dem Rathaus, entworfen von Hans Von der         Doch erst 1966 wurde eine Generelle Bauvorlage des nun­
Mühll und Paul Oberrauch, der Tendenz zur Monumen­           mehr als Suter & Suter firmierenden Architekturbüros
talisierung der Gebäude (Abb. 17). Die Fassade dieses auf    eingereicht, die in Zusammenhang mit weiteren Umge­
zwei ehemaligen Parzellen errichteten Geschäftshauses        staltungsplänen am Nordende des Marktplatzes durch
setzte sich mit der umgebenden Architektur, insbesondere     den sogenannten Märthof stand.25 Beim Globus war vor­
mit dem Rathaus, auseinander. Von dessen Mittelbau           gesehen, dass nur der Bau von 1933 im Rohbau bestehen
wurde die Traufhöhe übernommen; die durchbrochene            bleiben, jedoch grundlegend umgebaut werden sollte. Ein
Attika entstand in Analogie zur Zinnentraufe des Rat­        Architekturmodell von 1970 verdeutlicht das Bauvor­
hauses, gleichzeitig verweist sie auf die Brüstungsgalerie   haben (Abb. 18). «Die Massstäblichkeit des fensterlosen
des Geltenzunfthauses von 1578 (Marktplatz 13). Die          Gebäudes wird erreicht durch eine feingliedrige Relief­
achsweise Gliederung der Fassade ist auf die Erdgeschos­     architektur, welche die gotischen Vertikalformate des
sarkaden bezogen und in einer stark abstrahierten neo­       Rathauses aufnimmt. Material- und farbmässig soll sich
klassizistischen Formensprache ausgeführt. Mit dem           der Neubau in die braun-graue Skala der bestehenden
hellgrauen Hartsandstein bildet das Haus zum Gold            Bauten zurückhaltend einfügen. Die Fassadenelemente
zusammen mit dem Gebäude der 1858 errichteten «Bank          werden in sandgestrahltem Beton mit vorwiegend brau­
in Basel» (Marktplatz 11) eine farbliche Klammer um das      nen Zuschlagstoffen ausgeführt. Das aufgesetzte Geschoss
Rathaus.23                                                   über der Platzwand wird mit mattem Kupferblech ver­

Abb. 17   Basel, Ostseite des Marktplatzes, Foto 2019.

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Abb. 18: Beabsichtigte Neubauten des Globus, des «Märthofs» und der alten Kantonalbank in Basel, Modell 1970.

kleidet.» – So beschrieben die Architekten Suter & Suter                 In Basel hiess die Staatliche Heimatschutzkommission
ihren Entwurf.26                                                      1966 die projektierten Dimensionen des Baus gut. Man
   Die fensterlose Fassade hatte sich in den späten 1950er            war der Auffassung, dass der Kubus die Martinskirche
Jahren zu einem Merkmal der Warenhäuser entwickelt,                   nicht ganz verdecke und auch das Rathaus nicht konkur­
deren grossflächige Grundrisse ohnehin zusätzliche künst­             renziere. 1971 wurden die detailliert ausgearbeiteten
liche Beleuchtung erforderten, sodass an den wertvollen               Pläne bei der Baupolizei eingereicht, jedoch verzögerte
Aussenwänden Regale aufgestellt werden konnten. Die                   sich der Baubeginn erneut .29 Ein Jahr später erfuhr das
früheste Verwirklichung dieses Typs stellt das von Marcel             Projekt eine bedeutende Redimensionierung, und zwar
Breuer 1958 in Rotterdam an der Einkaufsstrasse Liyen­                weniger aufgrund heftiger Proteste aus der Basler Bevöl­
baan errichtete «De Bijenkorf» dar;27 als weitere Beispiele           kerung – die Wut gegen die grossvolumigen Abbruch-
sind das Warenhaus «La Rinascente» in Rom (erbaut von                 und Neubaupläne des «Märthofs» entlud sich erst 1973 –,
1959 bis 1962), das bezüglich Muralität und Vertikalglie­             sondern mehr als Ergebnis neuer geschäftlicher Berech­
derung Elemente aus der baulichen Umgebung aufnimmt,                  nungen.30 Obwohl es nunmehr lediglich um den Ersatz
das zwischen 1961 und 1967 errichtete Globus-Warenhaus                der zwei Häuser zwischen dem Jugendstilbau und dem
in Zürich (Schweizergasse 11) mit gänzlich untergeordne­              Martinsgässlein, deren Hintergebäude und um den Innen­
ten, schlitzartigen Fensterbändern oder – in Deutschland              ausbau ging, dokumentiert die intensive Kommissions­
allgemein bekannt – die Horten-Fassaden mit der berühm­               diskussion die sich wandelnden Prämissen im Umgang
ten Horten-Kachel von Helmut Rhode (entworfen 1961)                   mit Grossneubauten in historischen Städten.
zu nennen. Beim letzterwähnten Beispiel wird deutlich,                   In den kriegszerstörten deutschen Grossstädten hatten
dass die frei zu gestaltende Fassade die Funktion eines               sich in den 1950er- und 1960er-Jahren grossvolumige
Warenzeichens übernahm, die auch von dem «mit 50 km/h                 Geschäftshausbauten relativ leicht realisieren lassen. In
durch die Strassenschluchten der Städte fahrenden Kun­                der Schweiz befanden sich die Citybereiche mit hohem
den» wahrgenommen werden konnte.28                                    Veränderungsdruck aufgrund der wirtschaftlichen Ent­

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                                                                                   79
wicklung vorwiegend in Arealen, die erst im späten 19.       Gianfranco Caniggia oder von Aldo Rossi belegen eben­
und frühen 20. Jahrhundert bebaut worden waren. In der       falls schon in den 1960er Jahren das Ringen um eine
Basler Freien Strasse wurden zwischen 1928 und 1975          künstlerische Einbindung der Architektur in einen histo­
fünfzehn knapp 50 bis 80 Jahre alte Geschäftshäuser durch    rischen und typologischen Kontext.33 Grosse Warenhäu­
Neubauten ersetzt. In der Zürcher Bahnhofstrasse ähnelt      ser erscheinen aus dieser Perspektive inkompatibel mit
das Bild.31 Das Bally-Haus von 1968 (Bahnhofstrasse 66)      den historisch entstandenen Bürgerhausquartieren, waren
oder die fast hundert Meter breite Zürcher Kantonalbank      politisch jedoch – angesichts drohender Arbeitslosigkeit
(Nr. 9–11), erbaut von 1961 bis 1970, veränderten das        in der wirtschaftlichen Flaute – gewollt und durchsetz-
Strassenbild massiv. Den vorübergehenden Endpunkt bil­       bar. Der endgültige Verlust der Stadtstruktur und der
dete hier der zwischen 1973 und 1975 realisierte Bau des     überkommenen Bausubstanz war in vielen Fällen nicht
Kaufhauses Modissa an der Stelle des 1878 errichteten Sil­   abwendbar, jedoch mussten die Neubauten eine neuartige
berhofs. Durchaus parallel zur Basler Globus-Geschichte      Prüfung auf ihre «Verträglichkeit» bestehen. Engagierte
wurden die ersten, 1965 entstandenen Pläne zunächst gut­     Bevölkerungskreise sowie die Fachleute in Bauverwal­
geheissen, deren Verwirklichung später jedoch vom Hei­       tungen und Denkmalpflege hatten sich mit Kategorien
matschutz heftig bekämpft, allerdings vergeblich. Immer­     wie «Volumen», «Massenentwicklung», «Massstäblichkeit»
hin wurden nach «Modissa» über zwanzig Jahre lang keine      und der Aufnahme historischer Gliederungsprinzipien
weiteren Häuser an der Bahnhofstrasse mehr abgebrochen.      oder gar Bauformen zu beschäftigen, was den von sich aus
   Kritik am Funktionalismus sowie an der räumlichen         wenig kreativen Behörden Anlaufschwierigkeiten berei­
und historischen Bedingungslosigkeit der modernen            tete. Rückblickend erscheint es geradezu als Charakteris­
Architektur – beides als Ausdruck einer fortschrittsgläu­    tikum von Warenhausbauten in Altstädten der damaligen
bigen und wachstumsorientierten Gesellschaft verstanden      Zeit, dass ihrer Realisierung ein enorm langwieriger Pla­
– kam nicht erst mit der Ölkrise von 1973 und der folgen­    nungsprozess voranging, der sich zu einem Pingpongspiel
den wirtschaftlichen Rezession auf. Jane Jacobs hatte sich   zwischen Architekten, Bauherren, Behörden, Verbänden
bereits 1961 gegen die Flächensanierung des Greenwich        und Bürgern auswachsen konnte.
Village gewehrt, und Alexander Mitscherlichs Werk über          Es lassen sich zwei Hauptrichtungen unterscheiden,
«Die Unwirtlichkeit unserer Städte» war 1965 erschie­        mit denen eine Lösung angestrebt wurde, und beide sind
nen.32 Schriften der Architekten Saverio Muratori und        in der Globus-Erweiterung um 1975 in Basel wiederzu­

Abb. 19 Wolfenbüttel,
Bebauung an den Krambuden
und in der Löwenstrasse, Foto
1963.

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Abb. 20   Wolfenbüttel, Warenhaus Hertie/Karstadt, Foto 2010.

finden. Zwei Beispiele aus deutschen Städten soll die erste      Einzelfassaden mit Steildächern versteckt wurden und
dieser Richtungen verdeutlichen. Die kleine Residenz­            so eine «alternative Tradition» – so der zum Schlagwort
stadt Wolfenbüttel in Niedersachsen, geprägt durch Hof­          gewordene Untertitel des Buches über die «Sprache der
beamten- und Handwerkerhäuser in Fachwerkbauweise                postmodernen Architektur» von Charles Jencks 197835 –
(Abb. 19), wollte sich durch die Errichtung eines Waren­         ins Leben riefen.36
hauses zum Mittelzentrum mausern. Die Planungen hat­                Kernpunkt der Auseinandersetzung um die Globus­
ten bereits 1967 mit einem viergeschossigen Kubus begon­         erweiterung in Basel war einerseits die Fassadengestal­
nen, für den ein ganzes Strassengeviert in Sichtweite des        tung am Marktplatz. Davon unabhängig wurde die Frage
alten Herzogsschlosses abgebrochen werden sollte. Durch          gestellt, wie die Bebauung entlang des Martinsgässleins
Grundstückskäufe und Teilabbrüche waren schon früh­              und gegenüber der Westfassade der Martinskirche reali­
zeitig vollendete Tatsachen geschaffen worden, sodass            siert werden sollte. Dies lag auch daran, dass sich für die
«irgendetwas» gebaut werden musste, auch wenn Bevöl­             erste Frage, die Fassadengestaltung, die Staatliche Hei­
kerung und Fachleute sich mit dem modernen Entwurf               matschutzkommission zuständig fühlte, für die zweite
nicht einverstanden erklären konnten. In einem zähen             hingegen die Öffentliche Basler Denkmalpflege.
Kleinkrieg wurde bis 1976 ein «massstabsgerechter Ersatz»           Entlang des schmalen, mit Treppenstufen vom Markt­
mit traditionalistischer Fassadenoptik realisiert (Abb. 20).34   platz zum Martinskirchplatz emporführenden Martins­
Deutlich ist die Trennung der Fassade, bei der sich der          gässleins befanden sich – hinter den im 19. und frühen
Konzern gestalterischen Anregungen und Bauvorschrif­             20.  Jahrhundert zu Geschäftshäusern umgewandelten
ten gegenüber aufgeschlossen zeigte, vom Inneren des             Vorderhäusern – die Hintergebäude der Häuser zum
Hauses vollzogen, das nach wie vor kompromisslos                 Lämmlein und zum Agstein, die beide seit dem Spät­
nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten arrangiert         mittelalter überliefert sind. Das Haus Martinskirchplatz
wurde. Von Architektenseite wurde dieses Prinzip «Der-           5, am oberen Ende des Martinsgässleins, stand bereits seit
Wolf-in-der-Verkleidung-der-Grossmutter» (Meinhard               1945 unter Denkmalschutz. Angesichts des scheinbar
von Gerkan) abschätzig beobachtet. Als Höhepunkt dieser          unabwendbaren Verlusts an originaler historischer Bau­
Entwicklung ist der um 1980 erbaute Karstadtkomplex in           substanz wirkten die Denkmalpflege und der Denkmalrat
Nürnberg zu nennen, dessen Geschäftsräume hinter 22              auf eine Bebauung mit differenzierten Baukörpern analog

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                                                                                81
zur vorherigen Situation hin, einschliesslich eines sich zur           Entkernung der übernutzen Wohnhäuser entstehen sollte.
Gasse öffnenden Hofs auf halber Höhe des Anstiegs zum                  Dass mit diesem Vorhaben auch ästhetische Eingriffe
Kirchplatz (Abb. 21). Auch die Fronten der Bauten am                   unumgänglich waren, hat Gerhard Vinken in seiner Stu­
Martinskirchplatz, nur wenige Meter gegenüber der Kir­                 die über Basel und Köln herausgearbeitet: Durch Beseiti­
chenfassade, sollten kleinteilig gegliedert und möglichst              gung «störender» oder «entstellender» Fassadenelemente
durch Steildächer abgeschlossen werden (Abb. 22).                      wurde die Bausubstanz einem Vorbild der Altstadt ange­
   Die Haltung der Denkmalpflege ist von den oben                      glichen, das stilistisch homogenisiert war. Die Bewah­
erwähnten Beispielen in Wolfenbüttel und Nürnberg                      rung und Pflege der historischen Substanz trat demgegen­
insofern zu unterscheiden, als es hier weniger um die                  über in den Hintergrund. Beispiele hierfür sind das Köl­
öffentliche Fernwirkung der Fassaden ging als vielmehr                 ner Martinsviertel, das in den 1930er-Jahren in stilistischer
um die architektonische Gestaltung nicht so stark fre­                 Anlehnung an ein historisches Altstadtquartier hergerich­
quentierter Bereiche, gleichwohl aber um die Schaffung                 tet worden war – und nach der Kriegszerstörung ein
eines Altstadtbilds im Modell 1:1. Dieses wurzelte in den              zweites Mal in den 1950er-Jahren, durch den Konservator
Vorstellungen einer Altstadtsanierung der 1930er- und                  Hans Vogts, der auch die erste Sanierungskampagne ver­
1940er-Jahre in vielen Ländern Europas. Ziel war damals                antwortet hatte.37 Bei der Globus-Erweiterung in den
eine licht- und luftdurchflutete Bauweise mit einwand­                 1970er-Jahren handelte es sich gleichermassen um eine
freien hygienischen Verhältnissen, die in erster Linie                 rein optische Anpassung ohne Konsequenzen für das
durch Abbruch von Hintergebäuden oder auch mittels                     Warenhauskonzept. Zwar wurde anfänglich die Restau­

Abb. 21   Globus Basel, Erweiterung 1975, Modell mit Ansicht der Bauten am Martinsgässlein.

82                                                                                                             ZAK, Band 76, Heft 1/2020
rantabteilung als «Martins-Beizli» an jenem Hof zum                    «Der Neubau musste formal in die Platzwand mit Rat­
Martinsgässlein angesiedelt, auch erhielt sie eine bei den             haus, Herren-Globus und Geltenzunft eingeordnet wer­
Abbrucharbeiten aufgefundene bemalte Balkendecke aus                   den. Dabei war auch auf die Gegenseite mit dem von Deiss
dem 17. Jahrhundert, doch wurde die Abteilung später                   und Mövenpick flankierten Jugendstilblock Rücksicht zu
verlegt und die Balkendecke als Spolie innerhalb des Hau­              nehmen. Der Neubau hatte als Kind der gleichen (Glo­
ses versetzt (sie befindet sich gegenwärtig im zweiten                 bus-)Familie zu wirken und sollte trotzdem ein eigenes
Obergeschoss nahe der Marktfassade). Es ging der Denk­                Gesicht haben. Eine genaue Übernahme des Stiles des
malpflege einzig um die Rettung der historischen Kuba­                ­Altbaues kam nicht in Frage, da dieser eine in sich geschlos­
tur, um die historische Bebauung am Martinskirchplatz                 sene Komposition darstellt.»39
und entlang des Abstiegs zum Marktplatz nicht zu beein­                    Einerseits war die erwähnte Tendenz zur Monumenta­
trächtigen.                                                            lisierung der Bauten in dieser Häuserzeile beabsichtigt –
   Was die Fassade am Marktplatz betrifft, dokumentie­                 zwei Hauseinheiten wurden zusammengefasst, die Fassa­
ren die Protokolle der Staatlichen Heimatschutzkommis­                 denhöhe erheblich gesteigert. Mit dem geraden Abschluss
sion die sich über mehrere Stufen entwickelnde Mei­                    und der durchbrochenen Brüstung sowie durch die Flä­
nungsbildung. Zunächst sollte die Fassade lediglich                    chigkeit bezieht sich der Entwurf deutlich auf das Haus
schlichter und dabei die Vertikale nicht so stark betont               zum Gold und wendet sich somit von der traditionellen
werden. Zeitweilig wurde der Bau eines Erkers auf der                  Altstadtarchitektur ab. Andererseits sollte eine vertikale
Seite Martinsgässlein diskutiert, dann aber wieder ver­                Akzentuierung, die hauptsächlich von den geschosshohen
worfen. Schliesslich votierte man für die Anlage von                   Fenstern gebildet wird, auf eben diese zuvor bestehenden
Fenstern (1973), doch sollte der Bau insgesamt «weniger                Bauten verweisen und zugleich Anklänge an die Glo­
ambitiös» daherkommen. Da die Architekten dieser For­                  bus-Jugendstilbauten und an das Rathaus formulieren.
derung offenbar nur durch die Einfügung von Schlitzen                 Die Gliederung der Fassade wurde einem linearen Prinzip
nachkamen, insistierte die Kommission auf den Einbau                  unterworfen, das seine Legitimation von einem unschein­
von Fenstern, damit «der Warenhauscharakter […] ver­                  baren Element der Fenster im dritten Obergeschoss des
schwinde[...]». Auf Wunsch der Heimatschutzkommission                 Jugendstilbaus bezieht (hier als Reverenz an spätgotische
wurde im Hause Suter & Suter das Projekt einem anderen                Staffelfenster des Rathauses). Mit der Schaffung von
Architekten übergeben.38 Neu befasste sich nun der Leiter             Arkaden im Jugendstilbau, die durch dasselbe Merkmal
der Entwurfsabteilung, Heinrich Barz, mit der Sache.                  der abgeschrägten Ecken gekennzeichnet sind, greift der
Nach Eröffnung des Hauses vom (privaten) Heimatschutz                 Neubau auf das bestehende Bauwerk über – beziehungs­
befragt, kommentierte er die Frage «Wie war die Zusam­                weise «unter» dasselbe, im Vergleich zum Übergreifen des
menarbeit mit der staatlichen Heimatschutzkommission                  Dreissigerjahrebaus auf den Altbau. Eigenständigkeit
und der Denkmalpflege?» mit den Worten: «Das Resultat                 strahlt die Fassade vor allem durch die Oberflächen­
der Besprechungen war ein Kompromiss.» Und weiter:                    beschaffenheit der stark gefärbten Betonelemente aus, die

Abb. 22   Globus Basel, Gebäude am Martinskirchplatz, Entwurf 1975.

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                                                                                        83
im Kontrast zum Steinton des Jugendstilhauses und der                   war. Auf dem Bauplatz hatte sich seit 1824 ein grossvolu­
am Marktplatz gegenüberstehenden Häuserzeile die Auf­                   miger klassizistischer Bau der Museumsgesellschaft
merksamkeit auf sich lenkt.                                             befunden, der 1944 zerstört und bis dahin nicht wieder­
   In dieser Kontextualisierung der Fassade ist die Glo­                aufgebaut worden war. Die scheinbare Unterteilung in
bus-Erweiterung dem viel beachteten Neubau des Waren­                   verschiedene schmale Hauseinheiten, die heterogene Fas­
hauses Schneider (heute Breuninger) in Freiburg im                      sadengliederung und die fantasievolle Dachlandschaft des
Breisgau vergleichbar (Abb. 23). Dort war man bereits                   Neubaus waren frei erfunden.
durch den Wiederaufbau nach Kriegsende darin geübt,                        Ähnliches trifft auf das Hotel Basel an der Basler Münz­
historische Parzellengliederung und Bauvolumen auch                     gasse zu (Abb. 24). Vom Schweizerischen Heimatschutz
in Neubauten kenntlich zu machen.40 An der Ecke Kaiser-                 wurde der Bau im Europäischen Denkmalschutzjahr 1975
Josef-Strasse zur Münsterstrasse realisierte Architekt                  prämiert als Beispiel dafür, «dass es möglich ist, in der Alt­
Heinz Mohl 1975 das Warenhaus. In der Würdigung bei                     stadt einen Neubau zu errichten, der weder als brutaler
der Verleihung des Architekturpreises Beton im Jahr 1977                Eingriff wirkt, noch auf billige Weise versucht, alt zu
heisst es: «Der Bau des Kaufhauses Schneider hat viele                  scheinen».42 Die Gliederung in mehrere Baukörper mit
Probleme aufgeworfen. Konzessionslos modern paßte das                   Steildächern sollte die Brücke zwischen der historischen
weiträumige Gebäude so wenig neben das Freiburger                       Bebauung am Spalenberg und den Geschäftshäusern des
Münster wie im historisierenden Trachtenkleid. Zeitge­                  20. Jahrhunderts an der Münzgasse schaffen. Die monoto­
mäße Architektur soll den Erfordernissen der Gegenwart                  nen Oberflächen, die im Sandsteinton eingefärbten Beton­
Rechnung tragen, in historischer Nachbarschaft aber                     elemente und das Fensterraster schränken diese Wirkung
zugleich die gewachsenen Strukturen rücksichtnehmend                    jedoch ein. Von den Dimensionen her war das Gebäude
ergänzen. Mit modernen Mitteln brachten die Architek­                   noch auf die geplante Talentlastungsstrasse bezogen,
ten ein Bauwerk zustande, das sich in seinen Maßstäben                  deren Verwirklichung 1974 aufgegeben worden war.
und in seinen Details der Umgebung einfügt.»41 Dabei                       Sowohl das Kaufhaus Schneider in Freiburg als auch
wurde hier eine Anpassung an eine historische Umgebung                  das Hotel Basel wie zudem die Globus-Erweiterung von
durchgeführt, die schon längst nicht mehr vorhanden                     Heinrich Barz erscheinen so in alle Richtungen abge­

Abb. 23   Freiburg i. Br., Warenhaus Schneider (heute Breuninger), Heinz Mohl, erbaut 1975, Foto 2019.

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Abb. 24   Hotel Basel, Münzgasse 12, Beda Küng, Roman Bitzer, Roland Frei, erbaut 1975. Foto 2014.

sichert, werden aber dennoch von vielen Menschen spon-                  mit dem Pathos der Neuerung» zu verbinden.45 Hierfür
tan als Fremdkörper in den Stadtkernen empfunden. Ent-                  verwendete er den Begriff der «Revision der Moderne»
standen durch jahrelanges Herumdoktern am Entwurf,                      für eine Architektur, die zwar Errungenschaften der Mo­
vermag die Globusfassade von 1975 architektonisch nicht                 derne nicht verneint, aber «Formen des Bildhaften und
zu überzeugen und ihren Kompromisscharakter nicht zu                    Abbildhaften, des Schmucks und Ornaments, der Sym-
verbergen. Die scheinbaren Hauseinheiten am Martins-                    bole und Zeichen wieder zuläßt», womit auch das archi-
gässlein und beim Martinskirchplatz wurden bereits bei                  tektonische Zitat gemeint sein kann. Robert Venturi habe
ihrer Erbauung als Attrappen und als «Disneyland» ver-                  die Zweiteilung von Gehäuse und Fassade als Bedeutungs-
spottet. Zweifelsohne sind jedoch beide Lösungen Doku-                  träger proklamiert; europäische Architekten wie Ungers
mente jenes für die 1970er-Jahre typischen Ringens um                   oder Rossi hätten dem gesamten Baukörper eine typo­
eine «verträgliche» Form für Grossbauten im historischen                logische, aus «Urformen» erwachsene Bedeutung zuge-
Kontext – also der von Architekturhistorikern so bezeich-               messen, die der Architektur eine fiktionale Kraft verleihe.
neten «formalistischen Moderne» oder des «städtebauli-                  In dieser Beurteilung ist Barz’ Globusfassade möglicher-
chen Kontextualismus».43                                                weise auf dem Weg, jedoch noch lange nicht am Ziel
   Abschliessend sei die Frage gestellt, ob Basel damit ein             angelangt: Zu abstrakt und flächig sind die Gliederungen
frühes Werk der Postmoderne erhalten habe. Die Ant-                     eingesetzt, sie vermeiden das architektonische Ornament,
wort hängt von der Definition ab. Charles Jencks, der                   verweisen wenig sinnlich auf historische und räumliche
mit dem Begriff recht grosszügig umging, beschrieb den                  Bezüge, lassen die Fassade nicht von sich aus «sprechen».
Zwittercharakter der postmodernen Architektur, die
zwischen nüchternen, aber praktischen Nutzungsanfor-
derungen und «sprechender» Form oszilliere. Sein Stich-                 AUTOR
wort war die «Doppelkodierung».44 Für Heinrich Klotz
waren die Bauten der entsprechenden Zeit charakteris-                   Martin Möhle, Dr. phil., Kunsthistoriker, Kantonale Denkmal-
tisch nicht-dogmatisch, sie versuchten, «die Erinnerung                 pflege Basel-Stadt, Unterer Rheinweg 26, 4058 Basel.

ZAK, Band 76, Heft 1/2020                                                                                                              85
ANMERKUNGEN                                                                  12   Protokoll der Staatlichen Heimatschutzkommission, Staats­
                                                                                  archiv des Kantons Basel-Stadt (StABS), BD-REG 14a 2-1 (1)
1    Zur frühen Warenhausgeschichte der Schweiz siehe demnächst                   (21. Oktober 1930).
     Angela Bhend-Schaffner, Das Warenhaus in der Schweiz. Eine              13   StABS Bau M 11 (2. Dezember 1930).
     jüdische Kulturgeschichte 1890–1945, Dissertationsprojekt Univ.         14   Siehe hierzu den Generellen Bebauungsplan der Inneren Stadt
     Basel.                                                                       (vgl. Anm. 5).
2    Zur Geschichte und zu den Veränderungen des Marktplatzes                15   Archiv Kantonale Denkmalpflege Basel-Stadt, Schreiben der
     siehe Anne Nagel / Martin Möhle / Brigitte Meles, Die                        Denkmalpflege an die Staatliche Heimatschutzkommission
     Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt, Bd. 7 (= Die Kunstdenk­              (12. Januar 1931).
     mäler der Schweiz, Bd. 109), Bern 2006, S. 379–387.                     16   Archiv Kantonale Denkmalpflege Basel-Stadt, Schreiben der
3    Julius Brann (1876–1961) gehört zu den Pionieren des Waren­                  Denkmalpflege an die Staatliche Heimatschutzkommission
     hauswesens in der Schweiz. Nach seiner Tätigkeit bei der Knopf               (1. September 1931).
     AG in Zürich gründete der damals Zwanzigjährige dort 1896               17   StABS Bauplanausgabe Marktplatz 2, Baubegehren Nr. 485
     ein erstes Warenhaus, das als das erste der Schweiz überhaupt                (13. Mai 1932).
     gilt. Das Basler Haus folgte diesem nur ein Jahr später nach. Von       18   [Sondernummer] Neubau Gesamt-Eröffnung Globus im Härze
     1897 bis 1901 war Basel der Hauptsitz des Brann’schen Geschäfts.             vo Basel, 2. September 1933. StABS Sammlung topographischer
     In Zürich liess Brann 1899/1900 durch den Architekten Richard                Zeitungsausschnitte, Marktplatz 1/2.
     Kuder (1852–1912) einen Neubau mit Glasfassade an der Bahn­             19   Thomas Lutz, Die Kunstdenkmäler des Kantons Basel-Stadt, Bd. 6
     hofstrasse errichten, der für den Basler Bau nur wenig Anregung              (= Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Bd. 103), Bern 2004,
     gegeben haben kann. Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs                     S. 299.
     1939 verkaufte Brann sein Geschäft an Oscar Weber und wan­              20   Ingrid Liebeskind Sauthier, [Artikel] Warenhäuser, in: Histori­
     derte in die USA aus, wo er auch verstarb. Siehe dazu Werner                 sches Lexikon der Schweiz, online unter http://www.hls-dhs-
     Huber, Bahnhofstrasse Zürich. Geschichte – Gebäude – Geschäfte,              dss.ch/textes/d/D14037.php
     Zürich 2015, S. 145–149 und Angela Bhend-Schaffner (vgl.                21   Émile Zola, Au Bonheur des Dames, 1884.
     Anm. 1).                                                                22   Anne Nagel / Martin Möhle / Brigitte Meles (vgl. Anm. 2),
4    Schweizerisches Wirtschaftsarchiv (SWA), PA 510, P 689/5 IX                  S. 517–518.
     (Oktober 1927).                                                         23   Siehe dazu Hans Von der Mühll, Zur Kritik am Haus zum Gold,
5    Genereller Bebauungsplan für die Innere Stadt, entworfen von                 in: Basler Volksblatt, 5. September 1952. StABS Sammlung
     Eduard Riggenbach, Beilage zum Ratschlag 2994 vom                            topographischer Zeitungsausschnitte.
     23. Januar 1930.                                                        24   SWA PA 510, P 689/12 VI. (nur Grundrisse).
6    Ratschlag 3042 vom 26. Juni 1930. Der sogenannte Schuhma­               25   Uta Feldges, «Die schöne Stadt Basel war unser Ziel». Zur Geschichte
     cherplan von 1933, benannt nach dem damaligen Leiter des                     des Basler Heimatschutzes, Basel 2005, S. 144–147.
     Stadtplanbüros Adolf Schuhmacher, zeigt die genannten Arka­             26   StABS Bauplanausgabe Marktplatz 2, Baubegehren Nr. 30 GBV
     den an der gesamten Südseite der Eisengasse. Mit Regierungs­                 vom 8. August 1966.
     ratsbeschluss vom 1. Juni 1948 wurden Arkaden und Flach­                27   Siehe dazu Christian Schramm, Deutsche Warenhausbauten.
     dächer für sämtliche neuen Bauten zwischen dem Globus-Erwei­                 Ursprung, Typologie und Entwicklungstendenzen, Dissertation
     terungsbau an der Eisengasse und dem Rathaus vorgeschrieben.                 RWTH Aachen 1991, S. 136–139.
7    Louis Parnes, Bauten des Einzelhandels und ihre Verkehrs- und           28   Hans-Georg Pfeifer, Die Entwicklung von Kauf- und Waren­
     Organisationsprobleme, Zürich/Leipzig 1935. Parnes wurde 1905                häusern in Deutschland von der Nachkriegszeit bis heute, in: Architek­
     geboren, studierte an der ETH, war von 1929 bis 1931 Mitarbei­               tur für den Handel. Kaufhäuser, Einkaufszentren, Galerien.
     ter von Hermann Weideli in Zürich, 1931 bei Le Corbusier in                  Geschichte und gegenwärtige Tendenzen, Basel/Boston/Berlin
     Paris, erhielt 1937/38 erste und zweite Preise bei Wettbewerben              1996, S. 64–119, hier S. 76.
     in Zürich und Lengnau, wanderte in die USA aus, war von 1940            29   StABS Bauplanausgabe Marktplatz 2, Baubegehren Nr. 872
     bis 1942 Zeichner bei der Anaconda Copper Mining Co. in                      (10. Dezember 1971).
     New York, erhielt 1943 die Zulassung als Architekt, starb 1951.         30   StABS Bauplanausgabe Marktplatz 2, Baubegehren Nr. 666
     In dem von ihm 1946 ausgefüllten Formular des «Architects’                   (25. Oktober 1972). – Siehe dazu auch den Jahresbericht des Bas­
     Roster» bezeichnet er seine Schwerpunkte im Warenhaus- und                   ler Heimatschutzes 1970/71, S. 14.
     Spitalbau. 1948 erschien sein zweites Buch Planning stores that pay.    31   Siehe zum Folgenden Werner Huber 2015 (vgl. Anm. 3).
     Organic design and layout for efficient merchandising, New York 1948.   32   Jane Jacobs, Tod und Leben grosser amerikanischer Städte (= Ullstein
     Siehe dazu The American Institute of Architects Archives,                    Bauwelt Fundamente, Bd. 4), Berlin 1963 [Erstveröffentlichung
     online unter http://public.aia.org/sites/hdoaa/wiki/Wiki%20                  1961]. – Alexander Mitscherlich, Die Unwirtlichkeit unserer
     Pages/ahd4004184.aspx                                                        Städte. Anstiftung zum Unfrieden, Frankfurt a. M. 1965.
8    Louis Parnes 1935 (vgl. Anm. 7), S. 174 und S. 208–212.                 33   Giancarlo Cataldi / Gian Luigi Maffei / Paolo Vaccaro,
     Bezeichnet als «Projekt 1932. Dipl. Arch. L. Parnes, Zürich.»                Saverio Muratori and the Italian school of planning typology, in: Urban
9    Albert Baur hatte, nachdem er Parnes’ Buch kennengelernt                     Morphology 6(1), 2002, S. 3–14. – Aldo Rossi, Die Architektur
     hatte, im Basler Jahrbuch 1936 Parnes als Urheber der Glo­                   der Stadt. Skizze zu einer grundlegenden Theorie des Urbanen (= Bau­
     bus-Erweiterung genannt, musste dies jedoch korrigieren,                     welt Fundamente, Bd. 41), Berlin/Basel 2015.
     offenbar nach Einspruch der Architekten Suter & Burckhardt.             34   Dieter Lange, Altstadt und Warenhaus. Über Denkmalpflege und
     Parnes habe eine «blosse Schularbeit» veröffentlicht, die dem                Postmoderne, in: Die alte Stadt: Denkmal oder Lebensraum? Die
     Originalprojekt «merkwürdig ähnlich» sehe (Basler Jahrbuch                   Sicht der mittelalterlichen Stadtarchitektur im 19. und 20. Jahr­
     1936, S. 272; Das Werk: Architektur und Kunst 23, 1936,                      hundert, hrsg. von Cord Meckseper / Harald Siebenmorgen,
     S. XIII).                                                                    Göttingen 1985, S. 157–183. Übrigens wurde das Warenhaus in
10   Freie Strasse 23. Siehe dazu Anne Nagel / Martin Möhle /                     Wolfenbüttel 2018 abgebrochen; es soll durch ein Shop-in-
     Brigitte Meles (vgl. Anm. 2), S. 412–414.                                    Shop-Einkaufszentrum ersetzt werden.
11   Siehe dazu Isabelle Rucki / Dorothee Huber (Hrsg.), Architek-           35   Charles Jencks, Die Sprache der postmodernen Architektur. Die Ent-
     tenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin              stehung einer alternativen Tradition, Stuttgart 1978.
     1998, S. 525–526. (Dorothee Huber).                                     36   Falk Jaeger, Zum Thema Warenhaus [und weitere Artikel im

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