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AMTLICHES BULLETIN – BULLETIN OFFICIEL
                  Ständerat • Wintersession 2005 • Zehnte Sitzung • 13.12.05 • 08h00 • 05.3718
              Conseil des Etats • Session d’hiver 2005 • Dixième séance • 13.12.05 • 08h00 • 05.3718

 05.3718

Dringliche Interpellation
Stähelin Philipp.
Strategie des Bundesrates
betreffend die Swisscom AG

Interpellation urgente
Stähelin Philipp.
Stratégie du Conseil fédéral
concernant Swisscom SA

CHRONOLOGIE

STÄNDERAT/CONSEIL DES ETATS 13.12.05

Präsident (Büttiker Rolf, Präsident): Herr Stähelin beantragt Diskussion. Davon bin ich ausgegangen. (Heiter-
keit) – Sie ist gewährt.

Stähelin Philipp (C, TG): Der Bundesrat hat mit seinen überstürzten Entscheiden vom 23. November betreffend
die Swisscom AG sowie mit den begleitenden und nachfolgenden Äusserungen verschiedener, in der Sache
nicht immer zuständiger Mitglieder zwar durchaus einen Paukenschlag vollbracht, gleichzeitig aber Unklarheit
und Unsicherheit über seine eigenen Absichten und das Schicksal der Swisscom geschaffen. Die Pauke zu
schlagen ist einfach, vor allem wenn man ohne Rücksicht auf Verluste drauflosschlägt; Unklarheit, Unsicher-
heit und Unberechenbarkeit vertragen sich aber schlecht mit Regierungstätigkeit und Staatsführung. Sie sind
auch für die Führung eines Unternehmens, sei es nun staatlich beherrscht oder im Privatsektor verankert,
Gift und führen zum Niedergang. Eine unverzügliche Klärung der Stellung und der unternehmerischen Hand-
lungsfreiheit der Swisscom tut deshalb Not, nicht zuletzt wegen der schädlichen Auswirkungen der bisherigen
Entscheide und Äusserungen auf die Glaubwürdigkeit bundesrätlicher Politik.
Es kann ja wirklich nicht übersehen werden, dass der Bundesrat am 23. November, also am Tag, an dem er
die Swisscom-Entscheide gefällt hat, auch seine Ziele für das Jahr 2006 verabschiedet hat. Trotzdem wird dort
lediglich ein Bericht über die Wahrnehmung der Eignerinteressen bei den Unternehmen des Bundes – unter
anderem mit Blick auf eine Begrenzung der finanziellen Risiken, wie es heisst – in Aussicht gestellt. Nicht zu
vergessen ist überdies, dass die geltenden strategischen Ziele des Bundesrates für die Swisscom noch in eine
völlig andere Richtung weisen und dass die strategischen Ziele für die Jahre 2006–2009 voraussichtlich am 21.
Dezember, also einen knappen Monat nach dem Blitzentscheid des Bundesrates zur Swisscom, verabschiedet
werden. Zuerst wird also das Präjudiz gesetzt und dann die Grundlage nachgeliefert – das alles aber beinahe
zeitgleich.
Diese wenig koordinierten Übungen führen zusammen mit der zufällig gewordenen bundesrätlichen Informa-
tionskultur – darf man sie noch so bezeichnen? – zu totaler Verwirrung. Die Vertrauenserosion droht sich
auszuweiten. Zweck meiner dringlichen Interpellation in dieser Situation war und ist es, dem Bundesrat die
Gelegenheit zu geben, seine Positionen zu klären, zusammen mit den Swisscom-Gremien wieder Transpa-
renz zu schaffen und das gegenseitige Vertrauen, aber auch das öffentliche Vertrauen in die Abläufe und in
die Entscheidfindungen der Landesregierung wiederherzustellen.
"Der Bundesrat schafft Voraussetzungen zur Abgabe der Mehrheitsbeteiligung an der Swisscom" – so lautet
der Titel der bundesrätlichen Medienmitteilung vom 24. November 2005. Diese Schaffung von Voraussetzun-
gen stellt ja gewissermassen eine planbare Operation dar; vielleicht eine Hüftoperation, die vorbereitet werden
kann. Wie verhält sich unsere Regierung erst bei einem Unfall? Das bin ich letzte Woche gefragt worden. Diese
Frage voller Zweifel muss positiv beantwortet werden können.
Allerdings muss ich gestehen, dass mich die nun vorliegende Antwort des Bundesrates enttäuscht. Ich schätze
zwar durchaus Kürze; aber Kürze darf nicht zu formelhaftem Überspielen der konkret sich stellenden und
konkret gestellten Fragen führen. Ich hoffe gerne, dass sich Bundesrat Merz heute in der Diskussion doch

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eingehender, klarer und präziser äussern können wird. Es wäre schade, wenn diese Chance ein zweites Mal
vertan würde.
Wie wenig aussagekräftig die Ausführungen des Bundesrates sind, zeigt sich schon in Ziffer 1 der Antwort. Der
Bundesrat spricht hier von einer "Vernehmlassungsvorlage zur Aufgabe des Mehrheitserfordernisses an der
Swisscom", welche unverzüglich zu erarbeiten sei. Konkreteres wird nicht ausgeführt. Damit könnte man es
auch bewenden lassen, und die Diskussion wird ja auch im Parlament aufgrund der entsprechenden Vorlage
geführt werden können. Es kann zweifellos nicht Inhalt der heutigen Debatte sein, hier bereits die Weichen zu
stellen. Aber der Bundesrat hat hier eben auch die Türe weit für jedwede Spekulation geöffnet.
In der bereits erwähnten Medienmitteilung wird noch von vollständiger Abgabe der Bundesbeteiligung an der
Swisscom gesprochen. Das ist etwas anderes als beispielsweise die Abgabe bis zu einer Sperrminorität, was
wir auch einmal aus bundesrätlichem Munde erfahren durften. Dies wiederum deckt sich nicht mit Überlegun-
gen zu einer gesonderten Behandlung der Bereiche mit Grundversorgungsauftrag. Diese Unterscheidung legt
sich der Bundesrat im Übrigen selbst auch auf, und zwar gerade in Ziffer 1, indem er offenbar seinen Entscheid
zum Beteiligungsverbot an ausländischen Telekommunikationsunternehmungen dahingehend präzisiert hat –
oder sagen wir besser: eingeschränkt hat; präzis ist es nach wie vor nicht –, dass die "Swisscom im Ausland
keine Beteiligung an Telekommunikationsunternehmungen mit Grundversorgungsauftrag (Festnetz- und/oder
Mobilgeschäft) kaufen darf".
Diese Anweisung öffnet wiederum die Türe zu Spekulationen: Wird so nach der Meinung des Bundesrates
beispielsweise künftig der Verkauf der Swisscom umgekehrt nur an Inländer oder nur an Inländer, soweit der
Grundversorgungsauftrag betroffen ist, möglich sein – oder was? Gilt dies auch schon für jenes Aktiendrittel,
das heute bereits privat gehalten wird? Wie verhält es sich mit dem Anteil, den der Bund schon bei heutiger
Rechtslage bis auf 50 Prozent ohne weiteres veräussern könnte, auch wenn er es ja – auch hier widersprüch-
lich – bis heute nicht getan hat? Oder gilt das Verbot des Auslandengagements mit Grundversorgungsauftrag
– Mehrheitserwerber oder nicht – nur für die Swisscom, während ausländische Unternehmen sich problem-
los auch in diesem Bereich an der Swisscom selbst beteiligen dürfen, und macht diese Lösung auch Sinn?
Weiterhin Fragen über Fragen.
Ich erwarte Antworten, und diese müssen gut sein, weil all jene, welche wie ich an einem guten Service public
auch in den Randgebieten unseres Landes festhalten wollen und diesen mit der Mehrheitsbeteiligung des
Bundes garantiert sehen, nicht bereit sind, diese Mehrheitsbeteiligung nur kurzfristigen Haushaltüberlegungen
risikoscheu zu opfern.
Wie gesagt können wir die Grundsatzdiskussion über Service public und Grundversorgung aber nicht heute
führen. Die Antworten darauf müssen aber auch innert nützlicher Frist kommen, und ich bitte den Bundesrat
darum, den
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Zeitfaktor bis zu einer allfälligen neuen Gesetzes- oder gar Verfassungslösung nicht aus den Augen zu lassen.
Mit einem Jahr rechnen hier wohl nur Leute, welche mit "Stich, Furz, Galopp" in die Hindernisse hineinsausen
und sich dann wundern, wenn die Stangen fallen. Zu gutem Ziele führt Dragonerverhalten hier wohl kaum.
In der Zwischenzeit muss die Swisscom aber auch prosperieren und geführt werden. Der Bundesrat ist für
das operative Geschäft kaum geeignet, und Strategieentscheide sollen nicht wöchentlich präzisiert werden
müssen, weil sie nicht genügend überlegt sind.
Unter Ziffer 2 beantwortet der Bundesrat die Frage nach den Gründen seines abrupten Strategiewechsels nur
sehr punktuell. Er sei zum Schluss gekommen, dass mit der Übernahme von ausländischen Telekommunika-
tionsunternehmungen mit Grundversorgungsauftrag auch politische und finanzielle Risiken verbunden seien,
heisst es. Ja, selbstverständlich sind mit unternehmerischen Entscheiden alleweil auch Risiken verbunden, mit
der Verhinderung unternehmerischer Entscheide allerdings ebenso und mit der Bindung des Managements an
das partielle Verbot unternehmerischer Entscheide erst recht!
Es wird im Übrigen nicht begründet, weshalb das grössere Risiko ausgerechnet bei Grundversorgungsenga-
gements liegen soll. Umgekehrt habe ich bisher stets vernommen, dass gerade die Swisscom im Grundver-
sorgungsbereich monopolistische Gewinne erwirtschaftet habe, welche es nun zurückzuholen gelte. Liegen
die Risiken im Ausland nun gerade im Grundversorgungsbereich? Ich frage mich das, und ich frage mich, ob
es nicht weit sinnvoller sein könnte, wenn die Swisscom gerade auch in diesem Bereich im Ausland wachsen
würde, um im Inland von Synergien und Entwicklungen mitprofitieren zu können.
Oder ist der Grundversorgungsauftrag einer hier national bestimmten Swisscom auch bereits aufgegeben?
Es passt ins Bild, dass für den Strategiewechsel in Bezug auf die Ausschüttung der freien Eigenmittel – nach
diesem wurde in der Interpellation ebenfalls gefragt – gar keine Begründung gegeben wird. Liegt sie tatsächlich

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nur in der raschen Verbesserung der Kassenlage? Hat man auch bedacht, dass sich die Erträge bei diesem
Ausnehmen der Gans längerfristig nicht halten lassen und dass diese dann künftig kleinere Eier legen wird?
So wird heute ringsum gesprochen und geschrieben. Es dient der Sache in keiner Weise, wenn Antworten
unterschlagen werden.
Der Bundesrat hat auch die Frage nicht beantwortet, wie sich die neue Strategie – soweit man bei diesem
Stand der Dinge bereits von einer solchen sprechen kann – zu den bisherigen strategischen Zielen des Bun-
desrates für die Swisscom verhält. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die geltenden Ziele auch Koope-
rationen und Beteiligungen im Ausland abdecken, ja das gezielte Eingehen von strategischen Beteiligungen
und Partnerschaften sogar ausdrücklich fordern. Diese Ziele sollen zwar abgelöst werden, und der Bundesrat
wird innert Wochenfrist darüber entscheiden. Sie gelten aber noch; und ich habe feststellen können, dass sie
vor dem 23. November sogar noch in den Entwürfen der Bundesverwaltung enthalten waren.
Der Bundesrat hat die gesetzliche Pflicht, jeweils für vier Jahre die strategischen Ziele verbindlich festzulegen;
verbindlich sind sie selbstredend auch für ihn selbst. Dies dient einerseits als Rahmen für die unternehme-
rischen Entscheide der Swisscom, andererseits aber auch der Transparenz für die übrigen Investoren. Der
Bundesrat begründet nun in keiner Weise, weshalb er – gerade bei den vorliegenden Zeitverhältnissen – nicht
den ordentlichen Weg eingeschlagen und seine strategischen Ziele in ihrer Funktion als das entscheidende
Grundlagenpapier und bisher konsistente Führungsinstrument angepasst hat.
Das hätte er ohne weiteres Ende November anstatt Ende Dezember tun können. Mit seinem rüden "Sattelbe-
fehl" an die Swisscom mindert er nun den Stellenwert der eigenen strategischen Ziele für die Swisscom, und er
untergräbt damit das Vertrauen in die Unternehmung, für welche er über diesen Tag hinaus die Verantwortung
trägt. Wäre es lediglich darum gegangen, die Notbremse betreffend die Eircom zu ziehen, hätte der Bundesrat
dies zweifellos eleganter tun können. So wäre ein diskretes Vorgehen in Kontakt mit dem Verwaltungsrat ja
nicht verboten gewesen.
Es wird nicht einfach sein, das Vertrauen ausländischer Partner und der Investoren in die Swisscom, ihre
Führung und deren Eigenkompetenz und Verbindlichkeit wiederherzustellen. Es sei nicht unterschlagen, dass
der Vertrauensverlust indirekt auch die anderen Unternehmungen mit Bundesbeteiligung trifft.
Auch zum Umfang des Verzichts auf Auslandengagements äussert sich der Bundesrat zugeknöpft. Dieser Ver-
zicht soll sich nun zwar nur noch auf Unternehmen mit Grundversorgungsauftrag beziehen; geht es aber um
Beteiligungen jeden Ausmasses oder nur um Übernahmen? Sind reine Kooperationsmodelle möglich? Wie
wird sich die Abschottung auf die Entwicklung des Know-hows auswirken? Auch hier fehlt viel an Klarheit. Die
Versicherung, dass der Beschluss des Bundesrates keine Auswirkungen auf bereits bestehende Auslandbe-
teiligungen habe, ist doch einigermassen blauäugig.
Ich verzichte auf Ausführungen zur Ausschüttung der Eigenmittel. Es seien ja keine detaillierten Beschlüs-
se gefasst worden, heisst es. Was soll man bei dieser Sachlage auch sagen? Nur eines: Weshalb hat der
Bundesrat diesen Beschluss denn überhaupt in die Welt gesetzt? Hat er befürchtet, dass die Swisscom von
November bis Dezember ihre Gestaltung der Rechnung 2005 bekannt gibt und auf Ausschüttungen verzich-
tet? Was soll dieser übereilte und unnötige Entscheid in diesem Zeitpunkt und auf diesem Weg? Ich habe
nachgerade Verständnis für die bundesrätliche Nichtantwort auf diese Frage!
Dass der Bundesrat im gleichen Atemzug und ohne weitere Erklärung die Glaubwürdigkeit der Swisscom
weiterhin als sehr hoch beurteilt, freut mich an sich. Zum Rating hat er sich nicht geäussert. Ich bitte ihn
schlicht und einfach, auch diesem Punkt die nötige Beachtung zu schenken, wenn er weitere Beschlüsse
fasst.
Wenn der Bundesrat im Übrigen auch die Fragen nach den Auswirkungen seiner Beschlüsse auf das Manage-
ment der Swisscom damit beantwortet, er habe dem Verwaltungsrat sein Vertrauen ausgesprochen, dann ist
das möglicherweise subtil ausgedrückt, wirkt aber wohl beim eigentlichen Management – und ich halte mich
da an den üblichen Sprachgebrauch – nicht unbedingt vertrauensbildend.
Auch die Antworten zu den Auswirkungen auf die übrigen Aktionäre und zur Entwicklung des Unternehmens-
wertes der Swisscom sind nichtssagend und kaum kommentarfähig. Es ist ja schön, wenn der Bundesrat
überzeugt ist, dass die Swisscom aufgrund ihrer soliden Verfassung über gute Erfolgschancen verfügt. Aber
er sollte sich nun doch auch Überlegungen darüber machen, ob diese Verfassung und diese Chancen auch
bestehen bleiben, wenn die unternehmerische Handlungsfähigkeit beschnitten wird und die Eigenmittel abge-
zogen werden. Es kann ja auch nicht sein, dass sich der Bundesrat über strategische Ziele unterhält, ohne sich
über deren Auswirkungen auf die "künftige Weiterentwicklung und Eigenständigkeit eines Unternehmens" – ich
zitiere hier den Bundesrat – überhaupt Gedanken zu machen. Hier geht es nicht um Mutmassungen, Herr Bun-
desrat, sondern um Abwägen der Auswirkungen, um einen völlig selbstverständlichen, aber unverzichtbaren
Bestandteil jeder Entscheidfassung.

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Alles andere wäre wohl Blindflug, und das will ich dem Bundesrat nicht unterstellen. Aber bitte, Herr Bundesrat,
legen Sie Ihre Beurteilung der Massnahmen auch auf den Tisch, wenn Sie Vertrauen ernten wollen. Minde-
stens auf den ersten Blick zweifle ich daran, dass sich die Swisscom eigenständig behaupten kann, wenn auf
dem Weg konzeptloser Einzelentscheide weitergefahren wird.
Strebt der Bundesrat tatsächlich die vollständige Abtretung seiner Beteiligung an, und zwar in einem Schnell-
zugstempo ohne Absicherungen, so ist die Übernahme durch ein anderes Telekommunikationsunternehmen,
und wohl eher durch ein ausländisches, mehr als absehbar. Will das der Bundesrat? Strebt er das an? Nimmt
er es nur in Kauf? Ist es ihm
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gleichgültig? Mir geht es hier nicht um Mutmassungen über die Eigenständigkeit des Unternehmens. Die Frage
der Eigenständigkeit ist auch nicht rein spekulativ, wie Sie schreiben, sondern es stellt sich die Frage nach der
Absicht des Bundesrates, die ja zu jedem Entscheid gehört. Was will der Bundesrat? Wie will er es erreichen?
Ich bitte um Antwort.
Meine letzte Frage verlangt eine Beurteilung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Beschlüsse. Der Bun-
desrat verweist nun lediglich auf seine Kompetenz der strategischen Zielsetzung gemäss Artikel 6 des Tele-
kommunikationsunternehmensgesetzes (TUG). Er hat es nicht für nötig befunden, darauf hinzuweisen, dass
das TUG für alle übrigen Belange auf das Aktienrecht und die Statuten der Swisscom verweist. Es versteht
sich bei dieser Rechtslage aber von selbst, dass das Verhalten des Bundesrates auch im Lichte des priva-
ten Aktienrechtes zu betrachten ist. Gleichzeitig kann es Auswirkungen auf die übrige Praxis des Aktien- und
Börsenrechtes haben. Der Bundesrat dispensiert sich auch hier von einer Antwort. "Quod licet Iovi ....", ist
man versucht zu sagen. Eine gute Grundlage für die künftige Entwicklung des Verhältnisses zwischen Bund,
Swisscom und übrigem Aktionariat ergibt sich daraus allerdings nicht.
Die Beantwortung der Interpellation hat in meinen Augen bisher nicht die von mir erhoffte Klärung gebracht.
Wir stehen noch weit vor der grundlegenden Diskussion über die Rolle des Service public in der Telekommuni-
kation. Was auch immer jeder Einzelne von uns darüber denken mag: Diese Ausgangslage ist für kommende
Entscheide schlecht.
Ich bitte den Bundesrat um eine transparente und umfassende Darstellung seiner Absichten und Vorgehens-
weisen und bin bis anhin alles andere als befriedigt.

Reimann Maximilian (V, AG): Ich möchte mich nur zu den Punkten 6 und 7 der Interpellation äussern, also zu
den Auswirkungen der jüngsten Ereignisse rund um die Swisscom, also zu den Auswirkungen auf die übrigen
Aktionäre sowie auf den Unternehmenswert und die für die Aktionäre relevante Börsenkapitalisierung.
Zunächst möchte ich aber – daraus ist die Stossrichtung meines Votums ersichtlich – den Bundesrat zu seiner
Haltung und seine Intervention voll und ganz beglückwünschen. Er hat das einzig Richtige getan, nämlich die
Investition von Bundesvermögen – das ist gleichzusetzen mit Volksvermögen – in schwer risikobehaftete aus-
ländische Grundversorgungsunternehmen zu verhindern. Ob er kommunikationsmässig dabei eine glückliche
Hand gehabt hat, darüber kann man diskutieren.
Aber wenn sich hier jemand eine Rüge eingehandelt hat, dann sind es in erster Linie Verwaltungsrat und
Konzernleitung der Swisscom selber. Sie sind es, die die börsenrelevanten Informationen, die ihnen vorla-
gen, hätten publik machen müssen, und nicht der Mehrheitsaktionär, sprich der Bundesrat. Warum dies die
zuständigen Leute nicht getan haben, überrascht mich allerdings nicht mehr, seit ich deren Verhalten an der
Medienkonferenz vom 6. Dezember 2005 zur Kenntnis genommen habe. Ich muss mich allen Ernstes fragen,
Herr Bundesrat, ob da überhaupt die richtigen Leute am richtigen Platz sind. Insbesondere die Rundumschlä-
ge des Herrn Verwaltungsratspräsidenten waren völlig deplatziert. Nur gut, dass die Amtszeit dieses Herrn
alsbald ausläuft. Sonst müsste ich auch als Swisscom-Kleinaktionär noch andere Töne anschlagen, nicht nur
hier und heute, sondern auch an der nächsten Generalversammlung.
Diese Leute gehen mit Vermögen, das ihnen gar nicht gehört, zu sorglos um. Rund 4 Milliarden Franken haben
sie seit der Publikumsöffnung der Swisscom mit umstrittenen Auslandengagements bereits in den Sand ge-
setzt, aber Lehren haben sie daraus offenbar nicht gezogen. Der Vergleich mit der Swissair selig, die ebenfalls
Unternehmen im Ausland einkaufte, die an sich niemand wollte, liegt auf der Hand. Man denke nur etwa an
die belgische Sabena, die von Air France wie eine heisse Kartoffel fallen gelassen worden war und dann von
der Swissair – mit grossem Hurra in gewissen Medien – hälftig übernommen wurde.
Wäre die Swisscom nicht mehrheitlich ein Unternehmen des Bundes, lägen die Dinge sicher anders. Aber zu
dieser Frage, nämlich der völligen Privatisierung der Swisscom, habe ich mich heute nicht zu äussern. Richtig
ist nur, dass in dieser Beziehung der Eigentümer der Aktienmehrheit, nämlich das Schweizervolk, das letzte

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Wort haben soll.
Bereits jetzt haben sich wieder allerhand selbsternannte Experten zu Wort gemeldet und Dinge behauptet,
von denen sie eher wenig verstehen. Am lächerlichsten war für mich die Behauptung, der Bundesrat habe
Milliarden an Volksvermögen vernichtet. Sie kam vor allem aus der linken Ecke und zielte primär gegen Sie,
Herr Bundesrat Merz, und gegen Ihren Kollegen Blocher. Dabei wussten die Absender dieser Giftpfeile zum
einen nicht, dass das gesamte Bundesratskollegium hinter dem Entscheid stand, der Swisscom im Moment
weitere hochriskante Auslandengagements zu untersagen. Zum anderen verkannten sie in totaler Unkennt-
nis des Börsengeschehens, dass erstens kurzfristige Börsenschwankungen Momentaufnahmen sind und die
Situation schon Tage später wieder ganz anders aussehen kann, dass es sich zweitens lediglich um vorüberge-
hende Buchverluste handelte, nicht um realisierte Kursverluste, und dass drittens der Motor dieser kurzfristigen
Schwankungen enttäuschte britische Spekulanten und Hedge Funds waren, die ihre kurzfristig hochgepusch-
ten Eircom-Gewinne davonschwimmen sahen und sich mit Baissetreibereien an der Swisscom-Aktie zu rächen
und sich zu entschädigen suchten.
Warum meldeten sich die gleichen Leute nicht zu Wort und droschen auf den Bundesrat ein, als er an einer
anderen Anlagefront durch aus heutiger Sicht voreilige Verkäufe gar einige Milliarden auf dem Finanzmarkt
liegen liess? Ich denke an die forcierten Goldverkäufe durch unsere Nationalbank; da wäre für Kritik sicher
etwas mehr am Knochen gewesen. Aber ich hebe auch in der Goldfrage nicht zur Kritik an; es war in der Tat
nicht vorauszusehen gewesen, dass der Goldpreis zum aktuellen Höhenflug ansetzen würde.
Ich habe das Beispiel des Goldes nur gewählt, um die unseligen Bundesratskritiker in Sachen Swisscom
an die Börsengesetze zu erinnern. Mit dem Verzicht auf weitere risikoträchtige Auslandengagements hat der
Bundesrat Schaden abgewendet, der die Substanz der Swisscom mindestens mittelfristig getroffen hätte, mit
entsprechenden Auswirkungen auf den weiteren Kursverlauf.
Dass es mit diesem Kursverlauf schon in den letzten zwölf Monaten nicht gut bestellt war, wissen wir alle: Die
Swisscom hatte die zweitschlechteste Performance im Swiss Market Index – trotz der hohen Rendite, trotz
der hohen Dividendenausschüttung. Seit rund drei Jahren schwankt der Aktienkurs zwischen 360 und 460
Franken; derzeit liegt er ziemlich genau in der Mitte. Von einer Vernichtung von Aktienvermögen durch den
Bundesrat kann also überhaupt keine Rede sein. Also ist in der Börsenkapitalisierung der Swisscom schon seit
längerer Zeit der Wurm drin, und der Grund dafür ist allseits bekannt: die zunehmend scharfe Konkurrenz auf
dem Festnetz wie auch beim Mobilfunk sowie der drohende Verlust des letzten Monopols auf der sogenannten
letzten Meile. Das war für den Kurs der Swisscom-Aktie nicht stimulierend.
Das Swisscom-Management ist weiterhin gefordert, aber ich glaube niemals, dass es diese Herausforde-
rung durch den Kauf überteuerter Grundversorgungsunternehmen im Ausland meistern wird – unter massiver
Schmälerung der Eigenmittel, die hauptsächlich noch zu Zeiten des PTT-Monopols geäufnet worden sind.
Weitere Pleiten wie die mit Debitel soll und darf sich die Swisscom nicht leisten.

Fetz Anita (S, BS): In der Öffentlichkeit hat der Bundesrat als Kollegium für mich nicht nur den Eindruck von
ziellos umherirrenden Brieftauben erweckt – das ist ein Vergleich von Ihnen, Herr Bundesrat Merz –, es ist
auch noch ein anderer Eindruck entstanden: Die Bundesratspolitik rund um die Swisscom gleicht einer Art
umgekehrtem Adventskalender. Jeden Tag geht ein anderes Türchen auf, aber jeden Tag ist es ein Türchen
mit negativen Überraschungen. Dazu gehört
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für mich auch die Antwort auf die Interpellation Stähelin. Auch hier, Herr Bundesrat, sind die Antworten, die
Klarheit bringen, nicht da; ich sehe sie nicht.
Ich möchte mich hier nicht zum Verkauf und zur Privatisierung der Swisscom äussern. In diesem Saal wird
über diesen Punkt bei einer anderen Gelegenheit ausführlich und gründlich zu debattieren sein. Dazu wird
das Volk ganz bestimmt das letzte Wort haben. Nur so viel: Ich finde es stossend genug, wie bei diesem
Vorgehen Volksvermögen schlechtgeredet worden ist. Ich staune übrigens, Kollege Reimann, dass gewisse
politische Kreise alles dafür tun, dass die Schweiz nicht der EU beitritt, gleichzeitig aber den Ausverkauf wich-
tiger Schweizer Firmen in ausländische Hände fördern. Genau das würde nämlich bei einer Privatisierung der
Swisscom passieren: Sie würde Übernahmekandidatin für ausländische Investoren.
Noch irritierender ist aber etwas anderes. Die jetzige bundesrätliche Strategie für die Swisscom gilt noch bis
Ende dieses Jahres. Nun hören wir, der Bundesrat wolle innert weniger Tage die Strategie für die kommenden
vier Jahre festlegen. Mit Verlaub, dazu hatte er vier Jahre Zeit. "Gouverner, c'est prévoir", sagen wir immer.
Umso irritierender liest sich für mich die bundesrätliche Strategie, die noch bis zum 24. November Geltung
hatte: "Gestützt auf Artikel 6 des Telekommunikationsunternehmensgesetzes legt der Bundesrat für jeweils

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vier Jahre fest, welche Ziele der Bund als Hauptaktionär der Unternehmung erreichen will. Er (der Bundesrat)
verpflichtet sich damit auf längerfristige, konsistente Ziele" – ich betone: auf längerfristige, konsistente Ziele –
"und schafft durch deren Veröffentlichung Transparenz für Drittinvestoren."
Diese längerfristigen, konsistenten Ziele wurden innert weniger Tage beinahe ins Gegenteil geändert. Das soll
nach den Informationspannen der vergangenen Wochen dann für Drittinvestoren transparent sein? Die einzige
Transparenz, die hier ersichtlich wurde, ist eine Unberechenbarkeit des Kollegiums Bundesrat. Investoren –
das wissen Sie auch – mögen es in der Regel nicht, wenn Unsicherheit herrscht.
Wenn nun der Bundesrat einwirft – das tut er in der Beantwortung der Interpellation Stähelin –, Mutmassungen
über die künftige Weiterentwicklung und die Eigenständigkeit von Unternehmen seien rein spekulativ, so stimmt
das natürlich. Aber der Bundesrat müsste sich dringend an der eigenen Nase nehmen; er hat nämlich genau
aufgrund solcher spekulativer Annahmen – wirklich aufgrund spekulativer Annahmen – der Swisscom ein
Verbot für Auslandinvestitionen erteilt und dieses erst eine Woche später etwas näher erläutert. Das, was
er verhindern will, hat er selber gemacht. Eine Bravour-Tat – ich kann es leider nicht anders sagen – des
federführenden Finanzdepartementes ist das nicht.
Gerade auch wegen der Drittinvestoren muss man sich fragen, ob es Teile des Regierungskollegiums nicht
bewusst in Kauf genommen haben, den Ruf des Unternehmens in Mitleidenschaft zu ziehen. Die Swisscom
liesse sich dann vielleicht ein bisschen einfacher privatisieren und der Telekom-Markt vielleicht ein bisschen
einfacher vollständig liberalisieren. Bei den Stromunternehmen ist das bekanntlich ja nicht gelungen.
Kurz, als Fortsetzungskrimi ist eine solche Informationspolitik allenfalls geeignet, aber nicht als Informations-
politik einer Landesregierung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Artikel 180 Absatz 2 der Bundes-
verfassung, welcher zur Regierungspolitik des Bundesrates festhält: Er hat "die Öffentlichkeit rechtzeitig und
umfassend über seine Tätigkeit" zu informieren. Ich meine, weder das eine noch das andere hat der Bundesrat
in der Swisscom-Frage getan. Die Auswirkungen solcher Auftritte auf ein Unternehmen, das nicht vollumfäng-
lich, aber doch grösstenteils auch im freien Markt steht – das ist die Swisscom, sie ist eine börsenkotierte
Unternehmung –, dürften der Regierung und den hier involvierten Kollegiumsmitgliedern, die sich gerne mit
ihrer unternehmerischen Kompetenz brüsten, ganz genau bekannt sein.
Der Mangel an unternehmerisch kompetentem Vorgehen scheint mir in dieser Situation derart eklatant zu sein,
dass man sich fast nicht entscheiden kann – ich auf jeden Fall will das nicht entscheiden –, ob dieses Vorgehen
eher auf Unzulänglichkeit zurückzuführen ist oder gar auf Absicht. Beide Varianten wollen mir nicht gefallen.
Zum Schluss eine klare Frage an Bundesrat Merz, und ich hoffe auch auf eine klare Antwort: Wann genau
liegt die Vorlage zur allfälligen Privatisierung vor? Nimmt der Bundesrat in Kauf, dass die Swisscom dabei in
ausländische Hände kommt?

Jenny This (V, GL): Etwas müssen und sollten wir heute klarstellen: Die Grundversorgung im Bereich der Te-
lefonie ist gewährleistet, ob nun die Aktienmehrheit der Swisscom beim Bund bleibt oder in auswärtige Hände
kommt. Es stellt sich natürlich überhaupt die Frage, ob die Telefonie zur Grundversorgung gehört oder nicht.
Brot gehört ja ebenfalls zur Grundversorgung, aber deshalb käme es niemandem in den Sinn, Bäckereien zu
verstaatlichen.
Jetzt zur vieldiskutierten Frage, weshalb denn die Manager der Swisscom überhaupt im Ausland investie-
ren wollen. Ich will niemandem etwas unterstellen, aber letztlich geht es nur um Macht und Prestige. Wenn
man aber über die Erfolgsaussichten bestimmter Strategien befinden will, kommt man nicht darum herum, die
bisherigen Tätigkeiten zu beurteilen. Wie erfolgreich war eine Unternehmung bei ihren bisherigen Aktivitäten
im Ausland und bei ihren Strategien? Da muss man feststellen, dass die bisherigen Erfolge der Swisscom
äusserst bescheiden ausfallen; Kollege Reimann hat bereits darauf hingewiesen. Sämtliche bisherigen Betei-
ligungen mussten letztlich mit gigantischen Verlusten verkauft werden: jene in Deutschland mit 3,5 Milliarden
Franken Verlust, notabene unter dem bisherigen Management und unter Herrn Alder.
Wenn der Verwaltungsratspräsident, Herr Markus Rauh, jetzt grossspurig von Milliarden spricht, die er in den
letzten Jahren dem Staat bzw. der Mehrheitsaktionärin in den Rachen geworfen habe, so ist das nur die halbe
Wahrheit. Natürlich hat das Unternehmen Erträge erzielt, aber vor allem auch Wertverluste von 8 Milliarden
Franken innerhalb von elf Monaten. Also hat die Swisscom 8 Milliarden verloren, obwohl immer Gewinne erzielt
worden sind; das ist doch gegen alle Regeln, denn der Bund hat letztlich diese Summen verloren, ohne dass
er etwas von seinem "Glück" gewusst hat. Wir bauen also im grossen Stil Personal ab, sparen hier 10 000
Franken, dort 50 000 Franken und verlieren insgesamt 8 Milliarden, ohne etwas zu merken oder – noch viel
schlimmer – ohne etwas dagegen zu unternehmen.
Welche Erkenntnisse sind nun daraus zu ziehen? Der Bund ist als Unternehmer nicht geeignet und zudem
in dieser Hinsicht masslos überfordert. Seien wir doch ehrlich: Alle sieben Bundesräte verstehen von diesem

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Geschäft nichts, aber rein gar nichts. Wir sind aber mit 66 Prozent an der Swisscom beteiligt; das kann ja nicht
gut gehen!
Würden Sie als privater Anleger so handeln? Niemand, der halbwegs vernünftig operiert und nicht sein Vermö-
gen verbrennen will, verfolgt diese Strategie. Das habe ich noch gar nie gesehen. Alle trennen sich irgendwann
von solchen Beteiligungen.
Der Bundesrat hat in den letzten Jahren, als ein Eingreifen weiss Gott mehrfach angezeigt gewesen wäre,
nichts unternommen. Wieso glaubt man nun plötzlich, Frau Kollegin Fetz, dass er es in Zukunft tun würde?
Es gibt keinen Grund dafür. Das ist wie bei Politikern, die Sie gewählt haben, die bis jetzt aber nichts gezeigt
haben. Und nach den Wahlen glaubt man, dass sie es plötzlich richten werden. Das sind doch Illusionen! Das
geht doch nicht!
Nun, ich weiss natürlich, dass meine linken Freunde, vor allem mein Kollege aus dem Glarnerland, Herrn Bun-
desrat Blocher geisseln und ihm im Ernst – im heiligen Ernst! – vorwerfen, er habe mit seiner Strategie 1,5
Milliarden Franken "verröstet". Dabei weiss doch jeder, dass nichts, aber gar nichts passiert ist. Oder ist in der
Unternehmung ein Kupferdraht, ein PC oder ein Silberbesteck weniger vorhanden? Das ist alles noch genau
gleich wie vor drei Wochen.
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Verglichen mit anderen Unternehmungen war das zeitweilige Minus von 4 Prozent bei der Swisscom weiss Gott
sehr, sehr harmlos. Nein, man benutzt das Unternehmen Swisscom bewusst als Spielball der Politik und un-
terschlägt, dass es sich beim Hinweis auf diesen Kursverlust um eine kurzfristige Betrachtungsweise handelt.
Der Kursverlust ist seit dem Bundesratsentscheid wieder auf unter 1 Prozent geschmolzen – unter 1 Prozent!
Ich nehme doch an, die Sozialdemokraten suchen auch wieder die Kameras und die Mikrofone und teilen der
wissbegierigen Bevölkerung mit, dass der Bundesrat das Volksvermögen wieder geäufnet hat.
Was ist denn nun so schlimm an dem, was der Bundesrat beschlossen hat? Oder vielmehr: Was hat er denn
überhaupt beschlossen?
1. Die Swisscom hat zu viel Geld, also soll sie zumindest einen Teil davon an die Eigentümer zurückführen.
Wenn ein Unternehmen über zu viele flüssige Mittel verfügt, das wissen wir alle, dann ist die Gefahr sehr, sehr
gross, dass es damit Blödsinn anstellt. Oder haben Sie schon erlebt, dass ein Unternehmen mit zu wenigen
Mitteln etwas macht, was nachhaltig zum Schaden einer Unternehmung führt?
2. Keine Investitionen im Telekommunikationsbereich im Ausland.
3. Der Bund ist nicht der richtige Unternehmer für das Ausland.
Was ist an diesen Entscheiden des Bundesrates so falsch? Falsch ist höchstens, dass sowohl Herr Bundesrat
Merz als auch Herr Bundesrat Leuenberger dafür zuständig sind. Das ist nicht gut. Es gibt im Management
keine Doppelverantwortungen. Aber das muss ich dem Herrn Finanzminister nicht sagen.
Die Swisscom soll nun ihrerseits vorschlagen, was sie mit den nun vorhandenen Möglichkeiten für eine Stra-
tegie verfolgen will. Mit den Muskeln zu spielen ist mit dem vorhandenen Leistungsausweis sicher der falsche
Weg. Mit einem Monopolbetrieb dem Hauptaktionär jährlich einige Millionen auszuschütten reicht als Referenz
bei weitem noch nicht. Da wiegt das Debakel mit dem Debitel-Abenteuer und 3,3 Milliarden Franken Verlust
doch einiges zu schwer. Weitere 200 Millionen Franken liess man 2003 in Tschechien liegen, einen dreistel-
ligen Millionenbetrag verlor Alder beim Verkauf der UTA, Österreichs zweitgrösster Informatikanbieterin, usw.
Man hat also in sechs Jahren zwischen 4 und 5 Milliarden Franken "verbrannt" und will weiter im Ausland
investieren.
Nun mimt man die Gekränkten und fühlt sich unverstanden. In jeder anderen Unternehmung könnten die dafür
Verantwortlichen keine – keine – Stellungnahmen mehr abgeben, die Notbremse wäre schon längstens gezo-
gen worden! Ich bin froh, dass der Bundesrat das nun gemacht hat. Die Informationspolitik des Bundesrates
darf man nicht überbewerten. Die Medien sind natürlich gierig darauf, aber bekanntlich ist nichts so alt wie die
gestrige Zeitung; und hier sollte man möglichst schnell zur Tagesordnung übergehen.

Stadler Hansruedi (C, UR): Inzwischen hat sich der Nebel über der Swisscom etwas verzogen, das heisst
aber noch nicht, dass Klarsicht herrscht. Kollege Jenny hat jetzt wieder etwas zur Vernebelung beigetragen.
Herr Jenny fragte eben: Was hat denn der Bundesrat überhaupt beschlossen? Ich denke, das ist ja gerade
die zentrale Frage, bei der heute noch Unklarheiten bestehen. Viele Fragen zur Kommunikation und zur Ent-
scheidfindung des Bundesrates bleiben auch nach der Beantwortung der dringlichen Interpellation Stähelin
offen, ja, sie bleiben erst recht offen.
Ich spreche heute nicht über die Privatisierungsabsicht des Bundesrates. Diese Diskussion können wir dann
noch eingehend führen. Ich bedaure es, wie Kollege Stähelin, dass der Bundesrat die Gelegenheit zur Beant-

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wortung dieser Interpellation nicht für eine Klärung genutzt hat.
Ich erlaube mir folgende Bemerkungen:
1. Dass die Kommunikation des Bundesrates katastrophal war, darin sind sich alle einig. Hier denke ich nicht
an die Kommunikation des Privatisierungsentscheides, sondern an die Kommunikation des Verbotes von Aus-
landinvestitionen. Nach dem Entscheid des Bundesrates haben vier Mitglieder des Bundesrates den Entscheid
völlig unkoordiniert und widersprüchlich kommuniziert. Als Frage steht somit im Raum, welche Folgerungen
der Bundesrat aus diesem Kommunikationsdebakel zieht. Es gibt da ein Leitbild zur Information und Kommuni-
kation des Bundesrates und der Bundesverwaltung aus dem Jahre 2003. Hier stehen so schöne Stichworte wie
aktiv, frühzeitig, rechtzeitig, sachlich und wahr, umfassend, einheitlich, koordiniert, kontinuierlich, transparent,
dialogorientiert, zielgruppen- und mediengerecht.
2. Der Bundesrat hat mit dem Verbot von Auslandinvestitionen direkt in den Entscheid eines Unternehmens
eingegriffen. Dabei hat sich der Bundesrat meines Erachtens organähnliche Kompetenzen angemasst. Ein
solches Vorgehen widerspricht nicht nur der Corporate Governance, sondern tangiert auch das Aktienrecht.
Wie beurteilt der Bundesrat diese Frage? Herr Kollege Reimann, ich frage mich auch, wie Sie als Kleinaktionär
oder wie die Privatanleger eine solche direkte Intervention des Hauptaktionärs beurteilen. Keiner fordert hier
ein Auslandengagement der Swisscom um jeden Preis; jedes Auslandengagement bedarf einer umsichtigen
Prüfung. Hier steht der Verwaltungsrat in der Verantwortung, und wenn der Verwaltungsrat nicht richtig handelt,
ist das Instrument der Aktionäre auch die Verantwortlichkeitsklage.
Auch ist es legitim, ja die Pflicht des Bundesrates – das möchte ich unterstreichen –, dass er sich mit den
Auslandengagements "seiner" Unternehmen befasst, nicht nur mit jenem der Swisscom. Der übergeordnete
Auftrag an die Swisscom ist aber, den Wert des Unternehmens zu sichern und zu steigern. Mit der Öffnung
des Heimmarktes hat die Swisscom als grösster Anbieter am meisten Haare lassen müssen. In einem solchen
Umfeld gibt es für die Swisscom nicht beliebig viele Möglichkeiten, den Unternehmenswert zu steigern: Erstens
können wir Kosten sparen; aber auch diese Zitrone ist einmal ausgepresst. Zweitens kann die Swisscom auf
dem Heimmarkt in benachbarten Geschäftsfeldern diversifizieren oder Wissen erwerben. Drittens gibt es die
Möglichkeit, im Ausland zu investieren.
Sieht dies der Bundesrat auch so, oder sieht er noch andere Möglichkeiten, den Wert des Unternehmens zu
steigern?
Es ist konsequent, dass der Bundesrat in seinen bisherigen strategischen Zielen für die Swisscom ein Auslan-
dengagement nicht verboten hat. In seinem Bericht zur Erreichung der strategischen Ziele durch die Swisscom
im Geschäftsjahr 2004 hat der Bundesrat im Frühling 2005 in etwa geschrieben, der Bundesrat unterstütze die
umsichtige Beteiligungs- und Kooperationspolitik des Verwaltungsrates der Swisscom. In der Medienmitteilung
des Bundesrates vom 27. April 2005 steht – ich zitiere -: "Swisscom hat den europäischen Markt systematisch
analysiert und viele Akquisitionsobjekte geprüft. Das grösste Projekt im Ausland betraf den Versuch, einen
Mehrheitsanteil an Telekom Austria zu erwerben. Telekom Austria hätte die Akquisitionskriterien grundsätzlich
erfüllt."
Es war dem Bundesrat somit schon lange bekannt, dass die Swisscom Akquisitionen im Ausland prüft. Die
Frage lautet deshalb: Warum hat der Bundesrat nicht bereits im Frühjahr das direkte Gespräch mit der Un-
ternehmensleitung der Swisscom geführt? Wann hat der Bundesrat erstmals ein solches Gespräch geführt?
Hatte der Bundesrat vor seinem grundsätzlichen Entscheid direkten Kontakt mit der Unternehmensleitung –
wenn nein, warum nicht?
Es gibt auch einen Staatsvertreter im Verwaltungsrat der Swisscom. Für diesen Staatsvertreter hat der Bun-
desrat am 15. Januar 1999 schriftlich ein Mandat festgehalten. Hier steht – ich zitiere -: "Vor jeder Sitzung des
Verwaltungsrates der Swisscom findet ein Gespräch zwischen dem Staatsvertreter, dem Direktor der EFV und
dem Generalsekretär des UVEK statt. Der Direktor der EFV und der Generalsekretär des UVEK informieren
den Staatsvertreter aus erster Hand über politische Interventionen oder Verwaltungsgeschäfte mit Implikatio-
nen auf die Swisscom."
Deshalb sind hier folgende Fragen zu stellen: Hat der Informationsaustausch auf dieser Ebene so funktioniert?
Warum hat der Bundesrat nicht diesen Weg gewählt, um seine
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politische Intervention frühzeitig zu signalisieren? Es gab doch vor langer Zeit einmal einen Werbespruch der
alten PTT: "Sags doch schnell per Telefon."
Der Bundesrat hat sich mit den strategischen Zielen für die Swisscom zu befassen. Es stellt sich nur die Frage,
in welchem Prozess solche strategischen Ziele erarbeitet werden. Uns muss hier interessieren, wie – d. h. in
welchem Prozess – diese strategischen Ziele mit dem Unternehmen erarbeitet werden.

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Im Spätsommer 2005 ging mindestens ein Entwurf der neuen strategischen Ziele, der noch keine solche Stra-
tegieänderung bei Auslandbeteiligungen vorsah, zur Konsultation an die zuständigen Legislativkommissionen.
Man kann sich deshalb höchstens fragen, ob eine solche grundsätzlich geänderte Strategie nicht auch zur
Konsultation an die Legislativkommissionen gehen müsste. Da müssen sich die Damen und Herren der Legis-
lativkommissionen aber schon selber wehren.
X Fragen stehen immer noch unbeantwortet im Raum. Irgendeinmal muss der Bundesrat diese Fragen im
Detail beantworten. Herr Bundesrat Merz, ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie heute noch etwas zur Klärung
beitragen können. Es geht nicht nur um eine Kommunikationspanne, sondern es stehen grundsätzliche Fragen
zur Entscheidvorbereitung und zur Entscheidfindung des Bundesrates und zur Rolle des Kollegiums im Raum.

Berset Alain (S, FR): Dans l'histoire de notre pays, pas dans la grande histoire des fondateurs et des bâtis-
seurs, mais plutôt dans la petite histoire, celle des ratages et des décisions funestes, je ne serais pas surpris
que les trois semaines qui viennent de se dérouler restent dans les esprits véritablement comme une période
de gâchis.
Imaginez pourtant, d'un côté, une entreprise de télécommunication florissante, une des seules en Europe qui
se porte vraiment aussi bien – il faut quand même le dire; imaginez un actionnaire majoritaire heureux, qui a
pu retirer plus de 10 milliards de francs de dividendes entre 1998 et 2004. En trois semaines, les décisions
et l'information du Conseil fédéral ont mis à mal la réputation d'un gouvernement, terni son image en Suisse
et à l'étranger avec parfois des mots extrêmement durs. J'aimerais vous citer le "Financial Times": "On savait
le gouvernement suisse ennuyeux, on le sait dorénavant aussi incompétent." Des mots extrêmement durs à
l'étranger sur le gouvernement de notre pays, ternissement de l'image de notre gouvernement, c'est quand
même quelque chose qui doit nous préoccuper.
En trois semaines, de l'autre côté, les décisions mal communiquées du gouvernement ont fragilisé l'entreprise
Swisscom, la confiance que les citoyennes et les citoyens ont dans cette entreprise, et ont terni la réputation
de l'entreprise. Mais quel propriétaire d'une entreprise peut-il décider de limiter sa marge de manoeuvre, donc
limiter son potentiel économique, et puis annoncer en même temps vouloir la vendre? On voit bien que ce
sont des idées qui sont totalement contradictoires. Pourquoi faudrait-il affaiblir consciemment son entreprise
avant de vouloir la vendre? Le Conseil fédéral a essayé de démontrer que la Confédération n'était pas le bon
actionnaire pour une entreprise comme Swisscom, alors que toutes les dernières années me semblent prouver
clairement le contraire.
Plus important que la débâcle de communication, il y a la question de fond et celle de la vente de l'entre-
prise Swisscom. On nous a dit, Monsieur Jenny l'a répété, que le service public serait garanti tout aussi bien
si l'entreprise était vendue. Mais c'est faux, Monsieur Jenny! Parce qu'un des éléments les plus importants,
dans la garantie du service public, c'est justement la définition des objectifs stratégiques de l'entreprise, et
cela ne repose pas seulement sur le fait que les textes de loi le prévoient. La définition des objectifs straté-
giques est une tâche du propriétaire, et elle ne serait plus remplie de la même manière si l'entreprise passait
en mains strictement privées. Je crois qu'en cas de vente de Swisscom, on doit craindre que ce soient les
régions périphériques qui paient en premier lieu les pots cassés, parce que ce seront celles dans lesquelles
les investissements ne seront plus assurés, que ce seront les premières à être oubliées, que ce seront par
conséquent celles dans lesquelles les emplois seront menacés en premier.
On nous dit aussi que, si l'entreprise Swisscom était vendue, elle pourrait rester en mains suisses. Je crois qu'il
est illusoire de penser que la vente de Swisscom n'intéresserait pas les grands opérateurs de télécommunica-
tion à l'étranger. Et, que je sache, les gouvernements français et allemand, qui sont les actionnaires les plus
importants dans le capital de France Télécom et de Deutsche Telekom, n'ont pas interdit à leurs entreprises
de prendre des participations à l'étranger. Je crois que l'émiettement de l'actionnariat que représenterait une
vente de Swisscom ouvrirait la porte à l'acquisition de Swisscom par des capitaux étrangers et peut-être aussi
à des prises de contrôle par offres publiques d'achat et ce genre de choses.
Pour terminer, on peut débattre de tout cela. Si le Conseil fédéral estime qu'un débat sur l'opportunité de
vendre Swisscom est nécessaire, alors faisons ce débat. Cela fait partie en tout cas des options dont on doit
pouvoir discuter. Je crois que la population doit aussi pouvoir être associée à ce débat, mais il faut qu'il puisse
se passer dans un cadre serein, et je constate aujourd'hui que la sérénité n'existe pas.

Germann Hannes (V, SH): Der Zufall will es, dass es jetzt, wo Sie mir das Wort erteilen, just neun Uhr ist. Um
neun Uhr öffnet die Börse in Zürich. Jetzt frage ich Sie: Wo ständen wir jetzt ohne bundesrätliche Intervention
heute Morgen um neun Uhr? Die Swisscom hätte womöglich just heute das öffentliche Übernahmeangebot
an die irische Eircom gemacht. Der Kauf wäre ohne Einwilligung des Mehrheitsaktionärs, also des Bundes,

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möglich gewesen. Das ist eine Tatsache. Es stellt sich für mich daher die Frage, ob der Bund mit nur einem
Vertreter im Verwaltungsrat repräsentativ vertreten ist. Dieser Vertreter kann von den Personal- oder Gewerk-
schaftsvertretern allein bereits überstimmt werden. Das kann ja wahrscheinlich auch nicht die Meinung sein.
Auch hier, in dieser Frage, müsste der Bundesrat über die Bücher gehen.
Und was tun wir? Statt zu hinterfragen, ob der strategische Entscheid richtig oder falsch oder allenfalls sogar
unbedingt notwendig war, diskutieren wir primär über Kommunikation, Stil oder Ungereimtheiten – am Rande,
natürlich, ist auch die strategische Frage aufgeworfen worden. Dass der Bundesrat und die Swisscom in der
Kommunikation Fehler gemacht haben, ist unbestritten und bedauerlich. Doch es ist nicht die Kernfrage. Die
Kernfrage ist, ob der strategische Entscheid des Bundesrates sich als richtig erweist.
Wir wissen es: Der Bundesrat will aussteigen bei der Swisscom, von einer 66-Prozent-Beteiligung von rund
17 Milliarden Franken loskommen. Zum anderen will er auch nicht – und ich meine, diese Strategie haben wir
verstanden –, dass die Schweiz im Falle eines Scheiterns der von der Swisscom beabsichtigten aggressiven
Expansion ins Ausland für die dortigen Verluste aufkommen müsste. Ein derartiges Szenario ist beileibe nicht
aus der Luft gegriffen. Beim Swissair-Zusammenbruch sah sich die Eidgenossenschaft mit solchen Forderun-
gen konfrontiert, obwohl der Bund damals nur 6 Prozent – Sie hören richtig: 6 Prozent! – der Aktien hielt und
nicht etwa 66 Prozent wie bei der Swisscom. Auch darum stehe ich hinter der Strategie des Bundesrates und
hinter der geplanten Veräusserung der Bundesbeteiligung an der Swisscom. Die Befreiung vom Hauptaktionär
Eidgenossenschaft würde der Swisscom jene unternehmerische Freiheit zurückgeben oder bringen, die für ein
aggressives Wachstum im Ausland notwendig ist.
Mit dem Mehrheitsaktionär Bund ist eine Auslandstrategie analog zur Hunter-Strategie bei Swissair aus mei-
ner Sicht völlig inakzeptabel. Wir können doch nicht einfach zusehen, wie unser Volksvermögen in riskante
Akquisitionen wie jene der von Spekulanten künstlich verteuerten irischen Eircom gesteckt und im Falle eines
Scheiterns vernichtet wird.
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Die Kritiker konzentrieren sich wie gesagt meiner Ansicht nach allzu sehr auf eine Momentaufnahme. Die
Kritik an der Kommunikation ist berechtigt. Fragwürdig ist es hingegen – das möchte ich in Anlehnung an
die Kollegen Reimann und Jenny betonen –, dem Bundesrat Vernichtung von Volksvermögen vorzuwerfen.
Von 1,5 Millionen Franken, nein, von 1,5 Milliarden Franken war die Rede – über Millionen würden wir ja
nicht diskutieren; darüber sprechen wir beim Budget, wenn es ums Sparen geht. 1,5 Milliarden Franken: Diese
Behauptung möchte ich gerne belegt haben. Doch das dürfte den Parteistrategen, die ihr politisches Süppchen
kochen, nicht leicht fallen, denn seit der Swisscom-Verwaltungsrat den Verzicht auf das Eircom-Abenteuer
verkündet hat, hat sich die Aktie weitgehend wieder erholt. Was also soll diese undifferenzierte Kritik?
Noch zwei Fragen: Wo waren eigentlich diese Kritiker, als die Swisscom im Ausland Flop um Flop landete
und so bisher 4 Milliarden Franken verscherbelte? Wer hat bisher moniert, dass die Swisscom seit Beginn
dieses Jahres, also seit 1. Januar 2005, rund 30 Prozent unter dem Swiss Market Index geblieben ist? Das
entspricht 8 Milliarden Franken – 8 Milliarden Franken hinter der Performance der anderen Unternehmen. Nein,
die Strategie des Bundes kann doch nur sein, sich vom Unternehmen Swisscom zu trennen, aber die Konzes-
sionsrechte auf den Netzen in der eigenen Hand zu behalten. Damit schalten wir Risiken aus und sichern uns
trotzdem oder erst recht, nämlich mit klaren Leistungsvorgaben, eine leistungsfähige Grundversorgung.
Jetzt zum Abschluss noch eine Frage an alle: Ist es Aufgabe des Bundes, mit staatlich dominierten Unter-
nehmen in anderen Ländern auf Einkaufstour zu gehen? Nebst der Swisscom gibt es nur noch vier staatlich
kontrollierte Unternehmen in Europa, alle anderen Länder haben sich sonst von ihren Telekommunikationsun-
ternehmen gelöst. Ich weiss nicht, ob wir hier nicht auf dem falschen Dampfer wären.

Pfisterer Thomas (RL, AG): Wenn in den letzten Wochen etwas klar geworden ist, dann ist es die Tatsache,
dass die Politik nicht geeignet ist, ein Unternehmen zu führen. Dafür haben wir jetzt alle Beweise; jetzt ist
eigentlich die Geschichte klar. Fakt ist, dass die Swisscom überflüssige – oder mindestens überschüssige –
Mittel hat. Sie gehören den Konsumenten, den Steuerzahlern, der Bundeskasse, diese berühmten 17 Milli-
arden Franken; und die Frage ist, wie damit umzugehen ist. Dabei übersehen viele, auch in der Diskussion
heute Morgen, dass die Swisscom keine normale Aktiengesellschaft ist. Sie ist vielmehr nach dem Bundes-
gesetz über die Organisation der Telekommunikationsunternehmung des Bundes (TUG) organisiert, und nach
diesem Gesetz hat der Bundesrat eine Steuerungsfunktion. Was Herr Stähelin sagte, ist richtig: Die strate-
gischen Ziele des Bundesrates äussern sich zu "Kooperationen und Beteiligungen" – aber sehr vorsichtig,
Herr Stähelin, sehr vorsichtig. Der Bundesrat erwartet, dass die Swisscom AG alles daransetzt, dass der Un-
ternehmenswert gesichert wird, dass der Unternehmenswert nachhaltig gesteigert wird, dass die Swisscom

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