Antenatale Infektionen - Bedeutung für Frühgeburtlichkeit und perinatale Morbidität

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Antenatale Infektionen - Bedeutung für Frühgeburtlichkeit und perinatale Morbidität
Antenatale Infektionen – Bedeutung
für Frühgeburtlichkeit und perinatale Morbidität
Y. Garnier1, R. Berger2                            rerseits peri- beziehungsweise intra-       Infektion
                                                   ventrikuläre Hirnblutungen (3, 4). Bei
                                                   Neugeborenensepsis und Neonaten             und Schwangerschaft
                                                   mit dokumentierter Infektion der Mut-       Aufsteigende genitale Infektionen in
Einleitung                                         ter zum Zeitpunkt der Geburt zeigt          der Schwangerschaft sind ein wesentli-
Trotz weltweiter Anstrengungen ist die             sich ein deutlich erhöhtes Risiko für die   cher Risikofaktor von vorzeitiger We-
Frühgeburtlichkeit nach wie vor eines              Entstehung der periventrikulären Leu-       hentätigkeit, verfrühtem vorzeitigen
der herausragenden Themen der Peri-                komalazie (5–7). Dieses Schädigungs-        Blasensprung und Frühgeburt vor der
natalmedizin. In Deutschland erleiden              muster wird heute als wesentliche Ur-       32. Schwangerschaftswoche (SSW) (1).
jährlich etwa 7–9% aller Schwangeren               sache für die spätere Entwicklung einer     Haben pathogene Keime die zervikale
eine Frühgeburt. Diese Patienten bil-              spastischen Zerebralparese angesehen        Barriere überschritten, führen sie zu
den den überwiegenden Anteil an der                (8).                                        einer dezidualen und chorioamnia-
perinatalen Mortalitäts- und Morbi-                                                            len Infektion (Chorioamnionitis) mit
ditätsstatistik. So sind zwei Drittel aller        Berichte über erhöhte Konzentrationen       Keimbesiedlung des Fruchtwassers
perinatal verstorbenen Kinder Frühge-              von proinflammatorischen Zytokinen          (14).
borene mit einem Geburtsgewicht von                sowohl im Blut (9, 10) als auch im
weniger als 1.500 Gramm (Perinatal-                Fruchtwasser (11, 12) von Kindern mit       Die pathophysiologischen Mechanis-
statistiken der Bundesländer). Zu den              infantiler Zerebralparese legen die Ver-    men, die bei einer aszendierenden
schwerwiegendsten Komplikation der                 mutung nahe, dass diese Erkrankung          Infektion zu vorzeitiger Wehentätigkeit
überlebenden Kinder gehören ausge-                 auf einem inflammatorischen Prozess         mit Eröffnung des Muttermundes füh-
dehnte Hirnblutungen und Schädigun-                beruht.                                     ren, wurden in vitro und in vivo unter-
gen der weißen Hirnsubstanz mit                                                                sucht. Die pathogene Keimbesiedlung
nachfolgenden neurologischen Ent-                  In der folgenden Übersicht werden die       induziert die Freisetzung von proin-
wicklungsstörungen (1). Aber auch                  vorliegenden Daten zur Pathogenese          flammatorischen Zytokinen aus akti-
bronchopulmonale Dysplasien, nekro-                der infektions-assoziierten perinatalen     vierten Makrophagen (Abb. 1).
tisierende Enterokolitiden oder Retino-            Hirnschädigung dargestellt. Besondere
pathien können das weitere Leben die-              Berücksichtigung finden die infektions-     IL-1β und TNF-α sowie aus gram-nega-
ser Kinder schwer beeinträchtigen                  assoziierte Einschränkung der fetalen       tiven Bakterien freigesetztes Endotoxin
(Neonatalstatistiken der Bundeslän-                Herz-Kreislauf-Regulation und direkt        regen Dezidua-, Chorion- und Am-
der).                                              neurozytotoxische Effekte von Endo-         nionzellen zu einer vermehrten Pro-
                                                   toxinen und proinflammatorischen Zy-        duktion von Prostaglandinen, Endo-
Die Prävalenz der infantilen Zerebral-             tokinen.                                    thelin und CRH an. Dies bewirkt uteri-
parese ist in den letzten 20 Jahren ange-                                                      ne Kontraktionen. Darüber hinaus in-
stiegen (2). Die Ätiologie dieses kom-             Auch die bronchopulmonale Dysplasie         duzieren IL-1β und TNF-α die Freiset-
plexen Krankheitsbilds ist bislang un-             des Neugeborenen ist mit einer chroni-      zung von IL-6 aus Dezidua- und Cho-
vollständig aufgeklärt. Klinische und              schen Entzündungsreaktion in den            rionzellen. IL-6 steigert parakrin die
epidemiologische Studien belegen eine              Luftwegen assoziiert. Die Inflamma-         Prostaglandin- und Endothelinsekre-
Assoziation zwischen antenataler in-               tion beeinträchtigt die Entwicklung der     tion aus der Plazenta, womit sich ein
trauteriner Infektion und der Entwick-             Alveolen und hat langfristige Folgen        positiver Feedbackmechanismus ergibt
lung von perinatalen Hirnschäden. Im               für die Ausbildung der pulmonalen Or-       (1). Die Freisetzung der Zytokine indu-
Vordergrund stehen einerseits Schädi-              ganstruktur (13). Die inflammations-        ziert an Chorion- und Zervixzellen die
gungen der weißen Hirnsubstanz (peri-              assoziierten Erkrankungen von Frühge-       Sekretion von Enzymen (Kollagenasen),
ventrikuläre Leukomalazie) und ande-               borenen können das weitere Leben die-       die einen Abbau der extrazellulären
                                                   ser Kinder schwer beeinträchtigen und       Matrix am unteren Uterinsegment be-
                                                   verursachen den Großteil der medizi-        wirken. Die Konsistenz dieses Gewebes
1 Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe,
                                                   nischen Versorgungs- und Folgekosten        wird damit erheblich reduziert, der
 Universitätsklinikum Aachen
2 Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Mari-   in den ersten Lebensjahren (Neonatal-       Muttermund kann sich nun bei zuneh-
 enhaus, Klinikum St. Elisabeth, Neuwied           statistiken der Bundesländer).              mender Wehentätigkeit öffnen.

gyn (9) 2004                                                                                                                        1
Antenatale Infektionen - Bedeutung für Frühgeburtlichkeit und perinatale Morbidität
Die perinatale Mortalität bei kongeni-
                                                                                      taler Sepsis variiert in Abhängigkeit des
          Stress                    Infektion              Hämorrhagie                Gestationsalters zwischen 25 und 90%
                                                                                      (17). Bei Frühgeborenen vor der 33.
                                                                                      SSW fand sich bei Vorliegen einer Cho-
     Kortisol, CRH,                                                                   rioamnionitis und fetaler Sepsis eine
     Noradrenalin,                  IL-1/TNF                                          Mortalitätsrate von 33% gegenüber
     Oxytoxin, ADH                 ± Endotoxin              Hypoxämie                 17% ohne Sepsis (18). Eine fetale Bakte-
                                                                                      riämie wurde bei 33% der Fälle mit
                                                                                      Amnion-Infektions-Syndrom gegen-
                       CRH                          IL-6          CRH                 über 4% bei keimfreiem Fruchtwasser
                                                                                      beobachtet (19). Daraus ist zu schlie-
                                                                                      ßen, dass eine subklinische Infektion
                                     Amnion                                           des Feten weit häufiger vorliegt, als tra-
                                     Chorion                                          ditionell angenommen wird.
                                     Dezidua
                                                                                      Chorioamnionitis
                                          Zervix           IL-8                       und bronchopulmonale Dysplasie

                                                                                      Interessanterweise wurde in klinischen
                                                    Granulozyten                      Studien eine verminderte Inzidenz des
                                                                                      Atemnotsyndroms (»Respiratory Dis-
                                                                                      tress Syndrome« [RDS]) bei Frühgebo-
       Prostanoide                                    Proteasen                       renen mit erhöhten IL-6-Konzentratio-
       Endotheline                                   (Elastasen,                      nen im Nabelschnurblut nachgewiesen
       Leukotriene                                  Kollagenasen)                     (20). Das proinflammatorische Zytokin
                                                                                      IL-6 gilt als sensitivster Prädiktor einer
                                                                                      systemischen fetalen Inflammation.
     Kontraktionen                 Frühgeburt          Zervix-                        Dieser Befund überrascht zunächst.
                                                   veränderungen                      Allerdings ist aus Voruntersuchungen
                                                                                      bekannt, dass die pulmonale Inflam-
                                                                                      mation während intrauteriner Infek-
Abb. 1: Pathophysiologie der Frühgeburt. CRH = Kortikotropin-Releasing-Hormon; IL =
Interleukin; TNF = Tumor-Nekrose-Faktor; ADH = Adiuretin                              tion eine Reifung der Lungen induziert.
                                                                                      Langfristig entwickeln die betroffenen
                                                                                      Neugeborenen allerdings häufiger eine
Chorioamnionitis                           zeigten in einem Frühgeborenenkollek-      bronchopulmonale Dysplasie als Aus-
und perinatale Hirnschädigung              tiv, dass bei klinischer Chorioamniotis    druck eines inflammationsbedingten
                                           diese auch in 80% histologisch nach-       Umbaus der pulmonalen Organstruk-
Die klinische Diagnose Chorioamnio-        weisbar war. Bei 20% der Patienten         tur.
nitis wird anhand von maternalem Fie-      fand sich allerdings kein pathomor-
ber (> 38 ˚C) und zwei oder mehr der       phologisches Korrelat. Darüber hinaus
folgenden Kriterien gestellt: Tachykar-    beobachteten Grether und Nelson (5),       Übersicht
die der Mutter/- des Feten, Schmerz-       dass sowohl eine klinische als auch        der Infektions-assoziierten
haftigkeit der Gebärmutter, übelrie-       histologisch nachgewiesene Chorioam-
chendes Fruchtwasser oder mütterliche      nionitis mit einem erhöhten Risiko für     perinatalen Hirnschädigung
Leukozytose. Die Inzidenz wird mit         eine infantile Zerebralparese einherge-    Energiestoffwechsel und
einer Bandbreite von 5–20% in der          hen (Odds Ratio 9,3; 95% Konfidenzin-      exzitatorische Neurotransmitter
Literatur angegeben (15).                  tervall 2,7–31 für klinische Chorion-
                                           amnionitis; Odds Ratio 8,9; 95% Konfi-     In den vergangenen zwanzig Jahren
Histologisch ist die Chorioamnionitis      denzintervall 1,9–40 für histologische     haben zahlreiche experimentelle Stu-
durch das Vorhandensein von poly-          Chorioamnionitis). Eine kürzlich publi-    dien die pathopysiologischen Mecha-
morphkernigen Infiltraten in Plazenta      zierte Metaanalyse bestätigte die posi-    nismen der perinatalen Hirnschädi-
und Eihäuten gekennzeichnet. Betrof-       tive Korrelation zwischen einer Cho-       gung untersucht. Akute hypoxisch-
fen sind 10% der termingerechten und       rionamnionitis und dem Auftreten von       ischämische Hirnläsionen in der Peri-
bis zu 60% der frühgeburtlichen            periventrikulärer Leukomalazie und         natalperiode werden überwiegend
Schwangerschaften. Dashe et al. (16)       spastischer Zerebralparese.                durch eine schwere intrauterine As-

2                                                                                                                    gyn (9) 2004
Antenatale Infektionen - Bedeutung für Frühgeburtlichkeit und perinatale Morbidität
phyxie verursacht, die wiederum Folge
einer akuten Reduktion der uterinen            Präsynaptisch                VSCC                          Postsynaptisch
oder umbilikalen Durchblutung ist                                                 Ca++
(21).                                                                                                                   R
                                                    NA+                                  G
                                                                                         L                  NMDA        E
Auf einen schweren Sauerstoffmangel                                         GLU          U                              Z
reagiert der Fetus nach Aktivierung des                                                  T                  AMPA        E
sympathiko-adrenergen Systems mit                                       G                A                              P
einer Umverteilung des Herzminuten-                                                      M                  Kainat      T
                                                                    Glu                  A                              O
Volumens zu Gunsten der zentralen                                                                         G
Organe (Gehirn, Herz und Nebennie-                                  NA+                  T                  metabotrope R
                                                                                                                        E
ren). Dauert der Sauerstoffmangel an,               K+                                                                  N
sinkt die zerebrale Perfusion. Die oxi-
dative Phosphorylierung im Gehirn                                                 K+
erliegt. Der membranständigen Na+/
K+-Pumpe steht keine Energie mehr
zur Verfügung, um die Ionengradien-                                                                       K+
ten aufrechtzuerhalten. Nach Verlust                                                     Glu
des Membranpotenzials dringen über                                                       NA+
spannungsabhängige und Glutamat-                                 Glia
gesteuerte Ionenkanäle große Mengen
von Kalzium als Folge des hohen Kon-
zentrationsgradienten in die Zelle ein    Abb. 2: Steuerung der Glutamatfreisetzung und -wiederaufnahme am synaptischen Spalt.
(Abb. 2). Diese so genannte Kalzium-      Nach Depolarisation des präsynaptischen Neurons durch Einstrom von Natrium und Aus-
Überladung der Zelle vermittelt durch     strom von Kalium mit konsekutivem Kalzium-Einstrom über spannungsabhängige Kalzi-
                                          um-Kanäle (VSCC’s), kommt es zur Freisetzung von vesikulär gespeichertem Glutamat
Aktivierung von Proteasen, Lipasen        durch Exozytose. Das in den synaptischen Spalt freigesetze Glutamat aktiviert postsynap-
und Endonukleasen die neuronale Zell-     tische ionotrope Rezeptoren (NMDA-, AMPA- u. Kainat-Rezeptoren) und prä- oder post-
schädigung (22). Auch in der Reperfu-     synaptisch lokalisierte metabotrope Rezeptoren, die an ein G-Protein gekoppelt sind.
sionsphase, im Anschluss an eine zere-    Durch die Natrium-abhängige Wiederaufnahme von Glutamat an der präsynaptischen
brale Ischämie, werden durch unter-       und glialen Membran wird die Glutamatwirkung terminiert (21)
schiedliche Mechanismen die betroffe-
nen Hirnareale geschädigt. Von beson-     nach Endotoxinexposition (24). Insbe-          TNF-α-Konzentrationen in glialen Zell-
derer Bedeutung sind hierbei die post-    sondere der Anstieg der TNF-α-Expres-          kulturen Wachstum und Differenzie-
ischämische Freisetzung von Sauer-        sion korreliert mit der Entstehung feta-       rung von Oligodendrozyten, während
stoffradikalen, die Synthese von Stick-   ler und neonataler Hirnschäden (25).           hohe Konzentrationen zytotoxisch wir-
stoffmonoxid, entzündliche Reaktio-       Die Applikation von Endotoxin in               ken. In aufgereinigten Zellkulturen
nen und ein Ungleichgewicht des exzi-     Form von Lipopolysaccharid (LPS)               von Oligodendrozyten-Vorläuferstufen
tatorischen und inhibitorischen Neu-      induziert bei fetalen Ratten neben             wirkt die kombinierte Applikation von
rotransmittersystems. Eine ausführli-     einer gesteigerten Expression von IL-1-        TNF-α und IFN-γ bereits bei niedrigen
che Übersicht zum Thema findet sich       β und TNF-α eine Schädigung der                Konzentrationen zytotoxisch und inhi-
an anderer Stelle (21).                   weißen Hirnsubstanz (26).                      biert die Ausdifferenzierung der über-
                                                                                         lebenden Zellen (28). Die daraus resul-
Neurozytotoxische Wirkung                 Wie bereits erwähnt, steigt die Rate der       tierende Störung der Myelinisierung
von Endotoxinen und Zytokinen             periventrikulären Leukomalazie bei             wird heute als wesentliche Ursache für
                                          Frühgeborenen mit nachgewiesener               die Entwicklung der periventrikulären
Mittlerweile belegen experimentelle       intrauteriner Infektion signifikant an.        Leukomalazie diskutiert.
Untersuchungen eine direkte neurozy-      Diskutiert wird eine gestörte Mark-
totoxische Wirkung von Endotoxinen        scheidenreifung im Bereich der peri-           Endotoxine sensibilisieren das fetale
und proinflammatorischen Zytokinen        ventrikulären weißen Hirnsubstanz              Gehirn gegenüber Sauerstoffmangel
auf das fetale Gehirn. Insbesondere ist   durch inflammatorische Prozesse. Ins-
die periventrikuläre weiße Hirnsubs-      besondere scheint die Ausreifung von           Eine intrauterine Infektion ist perinatal
tanz von Frühgeborenen unterhalb der      Oligodendrozyten-Vorläuferstufen zu            häufig mit einer fetalen Hypoxämie as-
32. SSW betroffen. Tierexperimentelle     markscheidenbildenden Oligodendro-             soziiert. Große Bedeutung kommt des-
Studien zeigen einen Anstieg der Zyto-    zyten durch erhöhte Zytokinkonzen-             halb der Frage zu, ob das fetale Gehirn
kinexpression im adulten Rattenhirn       trationen gestört zu sein (3, 27). Inter-      durch eine zuvor bestehende Infektion
(23) und im fetalen Hippokampus           essanterweise stimulieren niedrige             gegenüber einer nachfolgenden Sauer-

gyn (9) 2004                                                                                                                     3
Antenatale Infektionen - Bedeutung für Frühgeburtlichkeit und perinatale Morbidität
stoffmangel-Situation sensibilisiert wird.    a
Eklind et al. (29) konnten nachweisen,
dass die intraperitoneale Applikation
von Endotoxin (LPS) das fetale Ratten-
hirn gegenüber einem nachfolgenden
hypoxisch-ischämischen Insult sensibi-
lisiert. Ebenfalls bei neonatalen Ratten
induzierte die intrazisternale Appli-
kation von LPS eine Vergrößerung des
Infarktareals nach zerebraler Hypoxie-
Ischämie (30). Diese Untersuchungen
deuten darauf hin, dass das fetale Ge-
hirn im Rahmen einer intrauterinen
Infektion gegenüber einem Sauerstoff-
mangel sensibilisiert wird.

Pulmonale Inflammation
und bronchopulmonale Dysplasie

Die Pathogenese der bronchopulmo-
nalen Dysplasie bei Frühgeborenen ist
multifaktoriell (13). Besonders betrof-       b
fen sind sehr kleine Frühgeborene
(Geburtsgewicht < 1.500 g) mit anato-
misch unausgereifter Lungenstruktur,
die maschinell beatmet werden müssen
und/oder erhöhte Sauerstoffkonzen-
trationen benötigen (31). Eine zentrale
Rolle in der Pathogenese der chroni-
schen Inflammation spielt eine intraal-
veoläre und pulmonale Entzündungs-
reaktion, die durch den Nachweis von
unterschiedlichen proinflammatori-
schen Mediatoren und immunkompe-
tenten Zellen charakterisiert ist (13).

Die intrauterine und postnatale Expo-
sition der kindlichen Lunge gegenüber
proinflammatorischen Zytokinen ist
ein wesentlicher prädisponierender
Faktor für die Entwicklung einer bron-
chopulmonalen Dysplasie (31). Durch
eine bakterielle Chorioamnionitis wird       Abb. 3a und b: Pulmonale Inflammation bei unreifen Schaffeten. Die Tiere der Versuchs-
eine systemische und pulmonale Ent-          gruppe erhielten Endotoxin (LPS; E. coli; 100 ng/kg KG i.v.). In der fetalen Lunge konnten
zündungsreaktion ausgelöst, die durch        drei Tage nach systemischer Endotoxin-Exposition perivaskulär, interstitiell und alveolär
                                             inflammatorische Zellinfiltrate nachgewiesen werden. Größenmaßstab 30 µm (37)
postnatal notwendige Therapiemaß-
nahmen, wie zum Beispiel mechani-
sche Beatmung, verstärkt werden              pulmonale Dysplasie (BPD) signifikant          In der 24. SSW befindet sich die Lun-
kann. Watterberg et al. zeigten in klini-    erhöht (32). Shimoya et al. berichteten,       genentwicklung in der sakkulären Pha-
schen Studien, dass Frühgeborene, die        dass die verminderte Inzidenz des              se. Erst ab der 29. SSW sind die ersten
einer Chorioamnionitis ausgesetzt wa-        Atemnotsyndroms bei Chorioamnio-               alveolären Strukturen nachweisbar.
ren, signifikant häufiger an einem           nitis mit einer erhöhten Konzentration         Das Verständnis der postnatalen Ent-
Atemnotsyndrom (»Respiratory Dis-            des proinflammtorischen Zytokins IL-6          wicklung des Lungenwachstums nach
tress Syndrome« [RDS]) erkranken.            im Nabelschnurblut assoziiert ist (33).        Frühgeburt ist unvollständig. Die Lun-
Demgegenüber war unter diesen Um-            Die zu Grunde liegenden Mechanis-              genentwicklung von Patienten mit BPD
ständen das Risiko für eine broncho-         men sind derzeit noch unklar.                  ist durch eine Reduktion der Alveo-

4                                                                                                                           gyn (9) 2004
Antenatale Infektionen - Bedeutung für Frühgeburtlichkeit und perinatale Morbidität
len und einer Volumenvergrößerung
der einzelnen Alveole charakterisiert                                 Intrauterine Infektion
(34). Der Stopp der Alveolarisation
bedeutet einen Stillstand in der pulmo-
nalen Entwicklung und stellt ein Phä-                                  Zytokin-Freisetzung
nomen dar, das erhebliche Konsequen-                                (Zirkulation und Gewebe)
zen für die pulmonale Morbidität
Frühgeborener im Kindes- und Er-
wachsenenalter hat.                                                 Endotheliale Dysfunktion
                                                                      (Endothelin-Bildung)
Pathogenese
der pulmonalen Inflammation
                                                         Alteration der                   Umbiliko-plazentare
In tierexperimentellen Untersuchun-              intravaskulären Zelladhäsion,             Vaskokonstriktion
gen wurde die Endotoxin-induzierte                  Koagulation, Thrombose
pulmonale Inflammation charakteri-
siert. Eine Chorioamnionitis, induziert                                                         Asphyxie
durch intraamniale Applikation von                 Permeabilitätssteigerung
Endotoxin, bewirkt beim unreifen                    der Blut-Hirn-Schranke
Schaffeten innerhalb von 24 Stunden
eine biochemische und biophysikali-                                                      Verlust der zerebralen
sche Ausreifung der Lungen (35). Aller-                                                      Autoregulation
dings ergab die histomorphologische
Analyse sieben Tage nach Endotoxin-                      Inflammation                 Zerebrale Hypoxie-Ischämie
Exposition eine verminderte Alveolari-
sation (36).
                                                                         Hirnschädigung
In Untersuchungen an chronisch ins-
trumentierten unreifen Schaffeten
wurde das Lungengewebe auf inflam-        Abb. 4: Pathogenese der infektions-assoziierten perinatalen Hirnschädigung
matorische, strukturelle und biochemi-
sche Veränderungen nach systemischer      flammatorischen Zytokinen auf das            sation, das heißt, die Perfusion der
Endotoxin-Exposition untersucht. Die      fetale Gehirn ist die Infektions-asso-       lebenswichtigen zentralen Organe wie
Endotoxinämie induzierte eine schwere     ziierte Beeinträchtigung des fetalen         Gehirn, Herz und Nebennieren fiel ab,
Inflammation der fetalen Lungen mit       Herz-Kreislauf-Systems für die perina-       während die Durchblutung der peri-
einer hohen Dichte von Monozyten,         tale Morbidität der betroffenen Kinder       pheren Organe und der Lunge dras-
neutrophilen Granulozyten und Lym-        von wesentlicher Bedeutung (Abb. 4).         tisch anstieg. Aufgrund der persistie-
phozyten im Endothel der Lungenge-        Lipopolysaccharide (LPS), die während        renden Einschränkung der plazentaren
fäße, aber auch im Interstitium und       einer Infektion aus der Zellwand gram-       Perfusion entwickelte sich ein prolon-
den Alveolen (Abb. 3a u. b). Die Aus-     negativer Bakterien freigesetzt werden,      gierter Abfall des zerebralen Sauerstoff-
reifung der fetalen Lungen war ebenso     induzieren schwerwiegende Kreislauf-         Transports.
wie nach intraamnialer Endotoxin-         alterationen. Tierexperimentelle Stu-
Applikation nach sieben Tagen bioche-     dien haben die Auswirkungen von              Bei intakter Kreislauf-Regulation resul-
misch und biophysikalisch nachweis-       intravenös applizierten LPS auf die          tiert aus einem Abfall der arteriellen
bar (37).                                 fetale kardiovaskuläre Funktion unter-       Sauerstoffsättigung eine Vasodilatation
                                          sucht. Die intravenöse Applikation von       im zerebralen Stromgebiet (39, 40). In-
                                          LPS (E. coli; 53 ± 3 mg/kg fetales KG)       teressanterweise scheint dieser physio-
Einschränkung der fetalen                 bewirkte bei unreifen Schaffeten einen       logische Kompensationsmechanismus,
Herz-Kreislauf-Regulation                 schweren Abfall der plazentaren Perfu-       die so genannte zerebrale Autoregula-
                                          sion, während die Durchblutung der           tion, durch die Gabe von LPS beein-
während intrauteriner Infektion           peripheren Organe anstieg (Abb. 5)           trächtigt zu sein. Ein wesentlicher
Endotoxin-induzierter                     (38). Daraus resultierte eine Hypox-         Grund liegt in der schweren LPS-in-
fetaler Kreislaufschock                   ämie mit Azidämie. Wurden die Tiere          duzierten Hypotension während und
                                          zusätzlich einer zweiminütigen intrau-       nach intrauteriner Hypoxie. Bei einem
Neben einer direkten zytotoxischen        terinen Hypoxie ausgesetzt, entwickelte      Abfall des arteriellen Mitteldrucks un-
Wirkung von Endotoxinen und proin-        sich eine schwere Kreislauf-Dezentrali-      ter 25–30 mmHg kommt es zu einem

gyn (9) 2004                                                                                                                  5
Antenatale Infektionen - Bedeutung für Frühgeburtlichkeit und perinatale Morbidität
zunehmenden Verlust der zerebralen
                                                Plazenta                                           Autoregulation. Betroffen von der sich
                                            Asphyxie                Erholung                       daraus entwickelnden zerebralen Hy-
                           60                                                                      poxie-Ischämie sind vorwiegend die
    % Herzminutenvolumen

                           50                                                                      Parasagittalregion des Großhirns und
                                                                                                   die periventrikuläre weiße Hirnsubs-
                           40                                                                      tanz.
                                LPS             **            **
                           30                                                                      Langfristige Kreislaufveränderungen
                           20
                                                     **                        Kontrolle (n = 6)   nach Endotoxin-Applikation
                                                                               LPS (n = 7)
                           10                                                                      Die Wirkung von niedrigen Endotoxin-
                                                                                                   Konzentrationen auf die kardiovas-
                            0
                                  –60      –1         +2       +4       +30         +60            kuläre Integrität wurde bei unreifen
                                   Kontrolle         Zeit (Min.)                                   Schaffeten über mehrere Tage unter-
                                                                                                   sucht. Die intravenöse Applikation von
                                                Carcass                                            LPS (E. coli; 100 ng/kg fetales KG) ver-
                                            Asphyxie                Erholung                       ursachte einen lang anhaltenden Abfall
                           60                                                                      der plazentaren Perfusion mit chroni-
    % Herzminutenvolumen

                                                                                                   scher Hypoxämie (41). Die Plazenta-
                           50                                                                      durchblutung fiel eine Stunde nach
                                                                                                   LPS-Gabe ab und erreichte das Mini-
                           40                   *             **                                   mum (–40%) nach vier bis sechs Stun-
                                                                                                   den. In diesem Zeitraum stieg der pla-
                           30                         **                                           zentare Gefäßwiderstand um 75%. In
                                      LPS                                                          den folgenden 12–18 Stunden erholten
                           20                                                  Kontrolle (n = 6)
                                                                               LPS (n = 7)         sich diese Parameter, erreichten bis
                           10                                                                      zum Ende der Untersuchung allerdings
                                  –60      –1         +2       +4       +30         +60            nicht mehr das Niveau der Kontrolltie-
                                   Kontrolle         Zeit (Min.)                                   re. Sowohl die fetale Herzfrequenz, als
                                                                                                   auch der arterielle Mitteldruck stiegen
                                                Cerebrum                                           4–5 Stunden nach LPS-Infusion an und
                           12               Asphyxie                Erholung                       blieben für die folgenden 12 Stunden
                                                                                                   erhöht.
                           10
    ml 02/Min., x 100 g)
    Sauerstofftransport

                                                                                                   Der Abfall der umbiliko-plazentaren
                            8                                                                      Durchblutung beeinträchtigt die fetale
                            6                                                                      Oxygenierung mit chronischer Hy-
                                            *                 **               Kontrolle (n = 6)   poxie und Azidose. Dies bewirkt einen
                            4                                                  LPS (n = 7)         prolongierten Abfall des zerebralen
                                  LPS                                                              Sauerstofftransports mit Ausbildung
                            2                                                                      unterschiedlicher neuronaler Scha-
                            0                                                                      densmuster. Im Vordergrund steht eine
                                  –60      –1         +2       +4       +30         +60            diffuse subkortikale Schädigung und
                                   Kontrolle         Zeit (Min.)                                   eine Inflammation der periventriku-
                                                                                                   lären weißen Hirnsubstanz (Abb. 6a–i)
Abb. 5: Fetaler Endotoxinschock. Plazentarer und peripherer Blutfluss (Carcass) bei unrei-         (42).
fen Schaffeten (entsprechend der 32. SSW des Menschen) dargestellt als prozentuales
Herzminutenvolumen vor, während und nach zweiminütiger intrauteriner Asphyxie. Die
Tiere der Versuchsgruppe erhielten eine Stunde vor Asphyxie Endotoxin (LPS; E. coli; 53 ±          Pathogenese der Infektions-
3 µg/kg KG i.v.). Nach Gabe von LPS nahm der plazentare Blutfluss signifikant ab,
während die periphere Durchblutung des Feten anstieg. Die Kombination aus Endo-                    assoziierten fetalen
toxinämie und Asphyxie resultierte in einer fetalen Kreislauf-Dezentralisation mit plazen-         Herz-Kreislauf-Alterationen
tarer Hypo- und peripherer Hyperperfusion. Als Zeichen einer gestörten zerebralen Auto-
regulation fiel der Sauerstofftransport zum fetalen Gehirn bereits während Normoxie sig-           Kennzeichnend für eine Sepsis ist das
nifikant ab und erholte sich auch nicht im Anschluss an die Asphyxie (38). Mittelwerte ±           heterogene Muster von Vasokonstrik-
SD. *: p < 0,05; **: p < 0,01 (LPS vs. Kontrolle)                                                  tion und Vasodilatation in unterschied-

6                                                                                                                               gyn (9) 2004
Antenatale Infektionen - Bedeutung für Frühgeburtlichkeit und perinatale Morbidität
a                                             b                                            c

 d                                             e                                            f

 g                                             h                                            i
Abb. 6a–i: Fetale Inflammation und Hirnschädigung. Die Ausschnitte zeigen die periventrikuläre weiße Hirnsubstanz bei Kontroll- (a–c)
und LPS behandelten unreifen Schaffeten (d–i) nach Klüver-Barrera-Färbung. Bei den Kontrollen fanden sich keine strukturellen Auffäl-
ligkeiten. Die Applikation von LPS induzierte einen Anstieg der periventrikulären Zellzahl (d–f) und zystische Läsionen (g, h) im Bereich
der weißen Hirnsubstanz. Darüber hinaus fanden sich inflammatorische Zellinfiltrate in den Basalganglien (i) (42)
lichen Organsystemen. Durch die Vaso-          schen und experimentellen Datenlage              Stickstoffmonoxid (NO) in der fetalen
paralyse kommt es zum Abfall des peri-         scheint der unkontrollierten Freiset-            Herz-Kreislauf-Regulation
pheren Gefäßwiderstands und somit              zung von NO und Endothelin eine zen-
einer regionalen Minderdurchblutung.           trale pathogenetische Bedeutung im               NO ist als vasodilatatorischer Mediator
Diese gravierenden Veränderungen               Rahmen der Infektions-assoziierten               entscheidend an der Regulation von
werden durch vasoaktive Substanzen,            feta-len Herz-Kreislaufveränderungen             Gefäßtonus und Blutdruck beteiligt.
wie Stickstoffmonoxid (NO), Prostazy-          zuzukommen. Eine detaillierte Über-              Darüber hinaus spielt NO während
klin (PGI2), Angiotensin II und Endo-          sicht zu diesem Thema wurde kürzlich             einer Hypoxie eine wichtige Rolle in der
thelin vermittelt. Aufgrund der klini-         publiziert (43).                                 fetalen Kreislaufsteuerung und ist we-

gyn (9) 2004                                                                                                                           7
sentlich an der Kreislaufzentralisation    bar die Bildung von NO durch Aktivie-      terscheidet sich zum Teil erheblich von
während einer intrauterinen Sauer-         rung der endothelialen NO-Synthase         der des Neugeborenen- beziehungswei-
stoffmangel-Situation beteiligt (44).      (eNOS). Bei länger dauernder Endo-         se Erwachsenen-Organismus. Die hä-
Die Möglichkeit zur Kreislaufzentrali-     toxämie wird zusätzlich die induzier-      modynamischen Effekte von ET-1 wer-
sation schützt den fetalen Organismus      bare NO-Synthase (iNOS) in unter-          den durch zwei Rezeptor-Subtypen
und insbesondere das Gehirn vor ei-        schiedlichen Organen und Zellarten         reguliert: ETA- und ETB-Rezeptoren.
ner Hypoxie-induzierten Schädigung.        aktiviert. Dies trägt zu einer über-       ETA-Rezeptoren und eine kleine Unter-
Ontogenetische Untersuchungen bei          schießenden Vasodilatation bei, verzö-     gruppe der ETB-Rezeptoren, lokalisiert
Schaffeten zeigen, dass die endotheliale   gert und deaktiviert das adrenerge         im Bereich der glatten Gefäßmuskula-
Form der Stickstoffmonoxid-Synthase        System und wird für das Kreislaufver-      tur, vermitteln eine Vasokonstriktion.
(eNOS), die nach Aktivierung NO ge-        sagen im septischen Schock verant-         Eine größere Population der ETB-Re-
neriert, bereits am Ende des ersten Tri-   wortlich gemacht (48).                     zeptoren, die sich auf der Oberfläche
menons nachweisbar ist. Die katalyti-                                                 des Endothels befinden, vermitteln
sche Aktivität der NO-Synthase ver-        Interessanterweise schützen Glukokor-      eine Vasodilatation durch Aktivierung
dreifacht sich im weiteren Schwanger-      tikoide, die als Induktionshemmer der      einer NO-Synthase mit konsekutiver
schaftsverlauf.                            NO-Synthase und der Zyklooxygenase         NO-Freisetzung (43).
                                           (COX-2) gelten, vor Kreislaufversagen
Verschiedene Arbeitsgruppen unter-         bei septischem und hämorrhargischem        Während Endotoxinämie und Sepsis
suchten die Bedeutung von NO in der        Schock (49). Epinephrektomierte Tie-       werden die höchsten Plasmakonzen-
fetalen Kreislaufregulation während        re, denen es an endogenen Glukokor-        trationen von ET-1 gemessen (51). Die
Normoxie und Hypoxie bei reifen und        tikoiden fehlt, entwickeln eine beson-     hohe Bedeutung des Endothelin-Sys-
unreifen Schaffeten (45, 46). Bei reifen   ders schwere Form des Kreislauf-           tems in der Pathogenese des septischen
Schaffeten bewirkte die intravenöse        schocks während Endotoxinämie.             Schocks spiegelt sich in der Korrelation
Applikation des unspezifischen NO-         Durch Vorbehandlung mit exogenen           der Endothelin-Plasmakonzentration
Synthase-Inhibitors L-NAME eine Bra-       Glukokortikoiden werden die Sympto-        mit Morbidität und Mortalität des sep-
dykardie und vorübergehende Hyper-         me deutlich abgemildert. Eine vermin-      tischen Patienten wieder (52). Die
tension sowie einen Abfall der Hirn-       derte Induktion der NO-Synthase            intravenöse Applikation von ET-1 ver-
durchblutung (45). Nach einer zusätz-      durch endogene Glukokortikoide             ursacht beim Menschen Sepsis-ähnli-
lichen intrauterinen Hypoxie war die       spricht für eine Toleranzentwicklung       che kardiovaskuläre Veränderungen.
chemoreflektorische Bradykardie bei        gegenüber Endotoxinen. Der Großteil        Das Herzminutenvolumen fällt ab, der
den mit L-NAME behandelten Tieren          dieser Studien wurde allerdings bei        Widerstand im pulmonalen, splanch-
gegenüber Kontrollen abgeschwächt          erwachsenen Tieren durchgeführt,           nikalen und renalen Gefäßsystem
und die bekannte fetale Tachykardie in     sodass beweiskräftige Ergebnisse für       steigt an (53). Bei Schaffeten bewirkt
der Erholungsphase blieb aus. Darüber      das fetale Kreislaufsystem noch ausste-    ET-1 sowohl eine Vasokonstriktion der
hinaus reduzierte die NO-Synthase-         hen.                                       fetoplazentaren Mikrozirkulation, als
Hemmung während Hypoxie den An-                                                       auch einen Abfall des fetalen Sauer-
stieg der Hirndurchblutung und den         Die Bedeutung von Endothelin-1             stoffverbrauchs (54). Proinflammatori-
Abfall des zerebralen Gefäßwider-          während Endotoxämie                        sche Mediatoren, wie IL-1β, TNF-α
stands (46). Aufgrund dieser Daten                                                    und TGF-β, die während einer Endo-
wird die Bedeutung von NO für die          Zusätzlich zu den relaxierenden Media-     toxämie produziert werden, induzieren
zerebrale Autoregulation während in-       toren NO und Prostazyklin syntheti-        ebenfalls die ET-1-Produktion des En-
trauteriner Hypoxie deutlich.              siert das Endothelium Endothelin-1         dothels. In tierexperimentellen Unter-
                                           (ET-1). ET-1 ist der stärkste Vasokon-     suchungen lässt sich eine pulmona-
Stickstoffmonoxid: Mediator                striktor des Organismus mit einer um       le Drucksteigerung nach Endothe-
des fetalen Kreislaufschocks?              den Faktor 10 höheren Potenz als An-       lin-Applikation nachweisen. Hierbei
                                           giotensin II (50). Die Bildung von ET-1    kommt es zu einem charakteristischen
Klinische und experimentelle Untersu-      wird durch unterschiedliche Stimuli        biphasischen Anstieg des mittleren
chungen zeigen, dass die ungebremste       wie Hypoxie, Endotoxinämie und Hy-         pulmonalarteriellen Drucks und des
Bildung von NO während Endotoxin-          pertonie induziert (43). In Abbildung 7    pulmonalen Gefäßwiderstands.
ämie sowohl den akuten als auch den        sind die unterschiedlichen Endothelin-
verzögerten, häufig therapieresistenten    vermittelten Wirkungen zusammenge-         Pulmonale Perfusion
Abfall des Blutdrucks und die Hypore-      fasst.                                     während Endotoxinämie
aktivität des Gefäßsystems gegenüber
endogenen und exogenen Katechol-           Interessanterweise variiert die Gefäßre-   An der pulmonalen Hypertension wäh-
aminen vermittelt (47, 48). Nach En-       aktion in verschiedenen Organen wäh-       rend Endotoxinämie ist die Aktivie-
dotoxin-Exposition resultiert unmittel-    rend der fetalen Entwicklung und un-       rung der Zyklooxygenase in der Früh-

8                                                                                                                  gyn (9) 2004
Stickstoffmonoxid (NO) –                                                   +     Endotoxin
                          Prostazyklin               PRE-PRO-ET-1 203aa                        Endothelin (ET-1)
     Atriales natriuretisches Hormon                                                           Katecholamine
                              Heparin                    BIG ET-1 39aa                         Hypoxie
                                                                                               TNF-α
                                                             ECE         EC
                                                                                               TGF-β
                                                                                               IL-1β
                                                                                               Thrombin
                                                                                               Angiotensin II
                                                           ET-1 21aa

                      ET B1                                                      ET A                           ET B2

      L-Arginin                Arachidonsäure                                                G-Proetin
                                                                                         Phospholipase C +
                                                                                                 D
                                                                                            DAG + IP3
          NO                   Prostazyklin EC
                                                                                  CA2+                                    CA2+
                                                                                                  CA2+
        cGMP                        cAMP                                         PKC              +             VSMC
                                           VSMC

                  Vasodilatation                                                             Vasokonstriktion

Abb. 7: Schematische Darstellung der Endothelin-Wirkungen. aa = Aminosäure; cAMP = zyklisches Adenosinmonophosphat; cGMP =
zyklisches Guanosinmonophosphat; DAG = Diacylglycerol; EC = Endothelium; ECE = Endothelin Converting Enzyme; ET-1 = Endothelin-
1; ETA = Endothelin-Rezeptor A; ETB = Endothelin-Rezeptor B; IP3 = Inositoltriphosphat; PKC = Proteinkinase C; VSMC = glatte Mus-
kelzelle

und das Endothelin-System in der            Stellenwert                                  Entwicklung einer chronischen Lun-
Spätphase beteiligt. Experimentell wer-                                                  generkrankung in der Neonatalpe-
den die Spätveränderungen durch se-         der Antibiotikatherapie                      riode. Darüber hinaus wurde die Häu-
lektiven und unselektiven Endothelin-       Der Nutzen der antenatalen Antibioti-        figkeit von hirnsonografischen Auffäl-
ETA-Rezeptor-Antagonismus verhin-           katherapie bei verfrühtem vorzeitigen        ligkeiten, das heißt peri- beziehungs-
dert (55, 56).                              Blasensprung wurde mittlerweile in           weise intraventrikuläre Hirnblutungen
                                            zahlreichen klinischen Studien nachge-       und periventrikuläre Leukomalazie,
Im Gegensatz zum adulten Organis-           wiesen (59). Insbesondere wurde nach-        um 35% gesenkt.
mus verursacht eine Endotoxämie bei         gewiesen, dass die antibiotische Thera-
Schaffeten einen Abfall des pulmona-        pie die Rate an maternalen und neona-        Demgegenüber ist die Datenlage bei
len Gefäßwiderstands und somit eine         talen Infektionen senkt und eine Pro-        vorzeitiger Wehentätigkeit mit stehen-
drastische Zunahme der Lungenperfu-         longation der Schwangerschaft von sie-       der Fruchtblase uneinheitlich. In eini-
sion (38). Obwohl ET-1 generell eine        ben Tagen ermöglicht. In der bislang         gen Studien konnte die Schwanger-
systemische Vasokonstriktion vermit-        größten, prospektiv randomisierten,          schaft durch Antibiotikatherapie bis zu
telt, unterscheidet sich die Wirkung auf    plazebokontrollierten Multizenterstu-        drei Wochen prolongiert werden, in
die pulmonale Zirkulation in Abhän-         die (ORACLE I) wurden 4.826 Frauen           anderen Untersuchungen wurde dieser
gigkeit von Alter und Gefäßtonus (57).      mit verfrühtem vorzeitigen Blasen-           Effekt nicht bestätigt (61–63). In der
In der Lunge des fetalen Lamms über-        sprung inkludiert und unterschiedli-         bislang größten prospektiv randomi-
wiegt die Expression von ETB-Rezepto-       chen antibiotischen Therapieregimen          sierten, plazebokontrollierten Multi-
ren. Nach Rezeptorbindung durch ET-1        zugewiesen (60). Die Applikation von         zenterstudie (ORACLE II) bei 6.295
wird eine endotheliale Form der NO-         Erythromycin (4 x 250 mg/die p.o.            Frauen mit spontaner vorzeitiger We-
Synthase aktiviert (58). Durch die Syn-     über 10 Tage) reduzierte nach verfrüh-       hentätigkeit konnte kein positiver Ef-
these von NO wird eine Relaxation der       tem vorzeitigen Blasensprung die Rate        fekt auf die Prolongation der Schwan-
pulmonalen Gefäßmuskulatur und              an Frühgeburten innerhalb von sieben         gerschaft und die neonatale Morbidität
somit eine Vasodilatation in der Lun-       Tagen, die Notwendigkeit einer post-         nachgewiesen werden (64). Dieser Be-
genstrombahn vermittelt.                    partalen Surfactant-Therapie und die         fund wird auch in einer kürzlich

gyn (9) 2004                                                                                                                     9
erschienenen Metaanalyse der Coch-        Regulation. Die im Tierexperiment
rane Database bestätigt (65), sodass      beobachtete plazentare Hypoperfusion
derzeit eine antibiotische Therapie bei   bewirkt eine chronische Hypoxie und
vorzeitiger Wehentätigkeit mit stehen-    einen schweren Abfall des zerebralen
der Fruchtblase nur unter Studienbe-      Sauerstofftransports. Hierfür ist ein ge-
dingungen durchgeführt werden sollte.     störtes Gleichgewicht zwischen vasodi-
                                          latatorischen und vasokonstriktori-
                                          schen Substanzen verantwortlich. Für
                                          die Zukunft wird die Charakterisierung
Zusammenfassung                           der fetalen inflammatorischen Antwort
Die dargestellten klinischen, epidemio-   entscheidend dazu beitragen, durch
logischen und experimentellen Daten       adäquate Intervention die Inzidenz
deuten auf die zentrale Bedeutung der     perinatal erworbener Hirn- und Lun-
antenatalen Infektion des Feten in der    genschäden und somit die Morbidität
Pathogenese perinataler Hirn- und         der betroffenen Kinder zu senken.
Lungenschäden hin. Im Vordergrund
stehen die periventrikuläre Leukoma-
lazie und peri- beziehungsweise intra-    Literatur
ventrikuläre Hirnblutungen sowie pul-     Bei den Verfassern
monale Reifungsstörungen. Insbeson-
dere die Schädigung der periventriku-
lären und subkortikalen weißen Hirn-
substanz wird heute als wesentliche Ur-
sache für die spätere Ausbildung einer
spastischen Zerebralparese angesehen.

Die im Rahmen einer intrauterinen In-
fektion freigesetzten Entzündungsme-
diatoren beeinflussen die zerebrale In-
tegrität auf unterschiedlichen Ebenen.
Neben einer direkt neurozytotoxischen
Wirkung von Endotoxinen und libe-
rierten proinflammatorischen Zytoki-
nen scheinen diese zudem das fetale
Gehirn gegenüber einer intrauterinen
Sauerstoffmangelsituation zu sensibili-
sieren. Sowohl die systemische als auch
intraamniale Endoton-Exposition des
Feten induziert eine schwere pulmona-
le Inflammation mit Aktivierung der
Surfactant-Synthese. Diese experimen-
tellen Ergebnisse korrelieren mit der
klinischen Beobachtung, dass Frühge-
borene mit belegter intrauteriner In-
flammation ein vermindertes Risiko
für die Entwicklung eines Atemnotsyn-
droms haben, demgegenüber aber ein
erhöhtes Risiko für chronische Lun-
genentwicklungsstörungen – insbeson-      Anschrift für die Verfasser:
dere bronchopulmonale Dysplasie –         PD Dr. Dr. med. Yves Garnier
aufweisen.                                Universitätsklinikum Aachen
                                          Frauenklinik für Gynäkologie
Die durch eine Infektion induzierte in-   und Geburtshilfe
flammatorische Antwort des Feten          Pauwelsstraße 30
führt auch zu einer schweren Beein-       52074 Aachen
trächtigung der fetalen Herz-Kreislauf-   E-Mail ygarnier@ukaachen.de

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