AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN - Materialien für den Unterricht
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AUF EMPFANG! AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN Materialien für den Unterricht Unterstützt von www.technoseum.de Museumsstraße 1 68165 Mannheim MINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT, FORSCHUNG UND KUNST TECHNOSEUM
VORWORT Wie zu allen großen Ausstellungen des TECHNOSEUM Die Ausstellung bietet dabei viele Anknüpfungspunkte legen wir mit diesem Heft auch für die Ausstellung an den Unterricht. Dies zeigen auch die Bezüge zu den AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND Lehr- und Bildungsplänen in Baden-Württemberg, Hes- FERNSEHEN, die vom 17. November 2022 bis 12. No- sen und Rheinland-Pfalz. Es sind die unterschiedlichsten vember 2023 als Große Sonderausstellung zu sehen ist, Schularten, Fächer und Klassenstufen vertreten. Folgen- gebündelte Informationen für Lehrkräfte vor. Das Heft de Themen haben wir in Hinblick auf die Bearbeitung erfährt mit anknüpfenden Aufgaben, die auf der Web- im Unterricht für dieses Heft ausgewählt: site des TECHNOSEUM unter www.technoseum.de/ auf-empfang abzurufen sind, eine praktische Erweite- • Technik der Radioübertragung rung im digitalen Raum. Das umfängliche Angebot an • Mediennutzung im Wandel Führungen und Workshops finden Sie ebenso auf der • TASK FORCE „Faktenchecker“ Website. • Ausdrucksformen des Rundfunks: Sprache, Musik, Trickfilm und Co. Am 29. Oktober 1923 nahm der erste deutsche Radio- • Die Arbeitswelt von Funk und Fernsehen sender einen regelmäßigen Programmbetrieb auf. Dies • Der Rundfunk im Spannungsfeld der Politik gilt vielen als Geburtsstunde des öffentlichen Rundfunks in Deutschland. Das 100-jährige Jubiläum im Jahr 2023 Über Rückmeldungen und Anregungen Ihrerseits freu- bietet dem TECHNOSEUM den Anlass, der Geschichte en wir uns. Bitte richten Sie diese an paedagogik@ von Radio und Fernsehen eine eigene Ausstellung zu technoseum.de widmen, die in fünf chronologisch aufeinander folgen- den Themenbereichen die Geschichte von Radio und Wir hoffen, Ihnen mit diesen Materialien und den auf Fernsehen von den Funkanfängen um 1900 bis zu den der Website ergänzenden Aufgaben Anregungen für digitalen Medien der Gegenwart erzählt. Vorangestellt Ihren Unterricht und für Museumsbesuche geben zu ist ein Prolog zum Jubiläum. Drei „Perspektiven“ ziehen können und freuen uns darauf, Sie und Ihre Schülerin- sich durch die gesamte Schau: Die Perspektive der Pro- nen und Schüler bei uns begrüßen zu können! grammproduktion zeichnet Entwicklungslinien der Pro- grammgeschichte nach und gibt Einblicke in Methoden und Berufsbilder der Radio- und Fernsehprogramm- Hartwig Lüdtke produktion. Bei der Perspektive der Geräteproduktion stehen die Herstellung von und der Handel mit Radio- Direktor und Fernsehgeräten im Mittelpunkt. Schließlich fragt TECHNOSEUM Mannheim die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer danach, wie die Technik das Leben der Menschen prägt und wie sich Nutzungsgewohnheiten verändert haben. Erst- mals können in diesem Rahmen zwei Objektbestände in größerem Umfang gezeigt werden, die das Museum im Jahr 2014 übernommen hat: Die Sammlung des ehema- ligen Deutschen Rundfunk-Museums in Berlin sowie die historisch-technische Sammlung des Südwestrundfunks (SWR). Die eigenen Objekte werden durch zahlreiche Leihgaben von Museen, Radio- und Fernsehsendern sowie Produktionsfirmen und Privatpersonen ergänzt. Zusammen zeichnen sie ein buntes Bild der Radio- und Fernsehgeschichte von den Anfängen bis heute. Interaktive Vorführ- und Mitmachstationen ergänzen die Ausstellung. Sie zeigen lebensnah wie ein Lautspre- cher funktioniert, wie Filme vertont werden oder wie Fernsehsendungen mit Hilfe der Greenscreen-Technik entstehen. Den Abschluss der Ausstellung bildet ein in- teraktiver Bereich zur Medienkompetenz. 1
AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN TA K FORCE VORWORT 1 INHALT 2 EINFÜHRUNG IN DIE AUSSTELLUNG 5 FAKTENCHECKER LAGEPLAN DER AUSSTELLUNG 14 1 | TECHNIK DER RADIOÜBERTRAGUNG 17 2 | MEDIENNUTZUNG IM WANDEL 27 3 | TASK FORCE „FAKTENCHECKER“ 35 17 27 35 4 | AUSDRUCKSFORMEN DES RUNDFUNKS: TECHNIK DER MEDIENNUTZUNG IM WANDEL TASK FORCE SPRACHE, MUSIK, TRICKFILM UND CO. 41 RADIOÜBERTRAGUNG „FAKTENCHECKER” 5 | DIE ARBEITSWELT VON FUNK UND FERNSEHEN 50 6 | DER RUNDFUNK IM SPANNUNGSFELD DER POLITIK 59 LITERATURLISTE 66 BILDNACHWEIS 68 IMPRESSUM 68 AUSDRUCKSFORMEN DES RUNDFUNKS: SPRACHE, MUSIK, TRICKFILM UND CO. 41 DIE ARBEITSWELT VON FUNK UND FERNSEHEN 50 DER RUNDFUNK IM SPANNUNGSFELD DER POLITIK 59 2 3
EINFÜHRUNG IN DIE AUSSTELLUNG DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN EIN KLICK AUF DEN KNOPF oder ein Wischen über den Screen – schon stehen Informationen, Nachrichten und Unterhaltung zur Verfügung. Die Auswahl ist schier grenzenlos. Kaum zu glauben, dass es nicht immer so war. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein waren Bücher, Zeitungen und Zeitschriften die wesentlichen Infor- mations- und Unterhaltungsmedien. In den 1830er Jahren entstanden erste Nachrichtenagenturen, zunächst noch mit Brieftauben als Boten. Wenige Jahrzehnte später beschleunigte der Telegraf die Kommunikation, gefolgt vom Telefon. Ende des 19. Jahrhunderts ermöglichten Grammophon und Pho- nograph den Musikgenuss zu Hause. Kinos boten neben Unterhaltung auch wöchentliche Nachrich- tenüberblicke in Form der „Wochenschauen“. Erst im 20. Jahrhundert erschien jedoch ein Medium auf der Bildfläche, das die Schnelligkeit des Telegrafen mit der massenhaften Verbreitung von Zeitungen verband und so völlig neue Möglichkeiten, aber auch Gefahren in sich vereinte: das Radio. Am 29. Oktober 1923 nahm der erste deutsche Radio- Erstmals können in diesem Rahmen zwei Objektbestände sender, die spätere Funk-Stunde AG, einen regelmäßigen in größerem Umfang gezeigt werden, die das Museum Programmbetrieb auf. Das Ereignis gilt vielen als Ge- im Jahr 2014 übernahm: die Sammlung des ehemaligen burtsstunde des öffentlichen Rundfunks in Deutschland. Deutschen Rundfunk-Museums in Berlin, bis dahin ver- Was damals mit keinem einzigen zahlenden, aber diver- waltet vom Deutschen Rundfunkarchiv (DRA), sowie die sen Schwarzhörern begann, entwickelte sich im Laufe historisch-technische Sammlung des Südwestrundfunks des 20. Jahrhunderts zu den prägenden Massenmedien (SWR). Ergänzt werden die eigenen Objekte durch „Radio“ und „Fernsehen“. Das 100-jährige Jubiläum im zahlreiche Leihgaben von Museen, Radio- und Fern- Jahr 2023 bietet dem TECHNOSEUM Anlass, der Ge- sehsendern sowie Produktionsfirmen und Privatleuten. schichte von Radio und Fernsehen eine eigene Ausstel- Zusammen zeichnen sie ein buntes Bild der Radio- und lung zu widmen. Fernsehgeschichte von den Anfängen bis heute. 5
EINFÜHRUNG IN DIE AUSSTELLUNG AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN Die frühe Funktechnik kam im Wesentlichen in drei Be- reichen zum Einsatz: im staatlichen Auslands- und Kolo- nialfunk, militärisch zu Land und zu Wasser sowie in der zivilen Schifffahrt. Im letztgenannten Bereich war es der Untergang der „Titanic“, der Schwächen in den funktech- Voraussetzung für den öffentlichen Rundfunk war die nischen Abläufen aufdeckte und internationale Regelun- Entdeckung und Nutzbarmachung der elektromagneti- gen nach sich zog. Militärisch erlangte die Funktechnik vor schen Wellen. Der schottische Physiker James Clerk Max- allem während des Ersten Weltkriegs zentrale Bedeutung. well (1831–1879) sagte sie 1864 mathematisch voraus. Durchtrennte Telegrafenleitungen ließen dabei eine bis- Heinrich Hertz (1857–1894), Professor an der Techni- her wenig genutzte Eigenschaft der elektromagnetischen schen Hochschule Karlsruhe, konnte sie 1886 erstmals in Wellen wichtig werden: die Rundwirkung. So verbreiteten Experimenten nachweisen. Etwa zehn Jahre später ent- deutsche Übersee-Funkstationen in neutralen Ländern wickelte der Italiener Guglielmo Marconi (1874–1937) nun Nachrichten nicht mehr nur Punkt-zu-Punkt, sondern ein erstes markttaugliches Funksystem. per Rund-Funk „an alle“. Eine Erfahrung, die erahnen ließ, was technisch möglich war. Deutsche Konkurrenzprodukte brachte ab 1903 die Fir- ma Telefunken auf den Markt. Anfangs war die Über- Dass daraus auch ein völlig neues Medium erwachsen tragung auf Morsesignale beschränkt. Die Technik wur- konnte, zeigten in der Folge Rundfunkversuche und de daher auch „drahtlose Telegraphie“ oder – wegen -vorläufer. So übertrug Telefunkendirektor Hans Bre- des Funkens, der beim Senden entstand – „Funkente- dow (1879 –1959) bei Röhrensender-Versuchen an der legraphie“ genannt. Verbesserte Sendesysteme wie der Westfront 1917 ein erstes unterhaltendes Rundfunkpro- Lichtbogensender von Valdemar Poulsen (1869 –1942) gramm – illegalerweise. Seit 1920 führte die Reichspost machten wenige Jahre später die Sprach- und Musik- in Königs Wusterhausen Versuche zur Sprach- und Mu- übermittlung möglich, hatten aber noch Schwächen. sikübertragung an mehrere Empfänger durch. Am 22. Fortschritte brachte die Erfindung der Elektronenröh- Dezember sendete sie ein erstes Weihnachtskonzert, auf re. Sie diente als Verstärker oder als Gleichrichter zur das ein regelmäßiger Probebetrieb folgte. Die Eildienst für Kohle-Mikrofon „M104“ und Mikrofonständer der Funk-Stunde AG Berlin, 1924 Umwandlung von Hochfrequenz in hörbare Nieder- amtliche und private Handelsnachrichten GmbH verbreite- frequenz, später auch als Senderöhre. Röhrensender te seit 1920 Wirtschaftsnachrichten per Eilbrief oder Funk- machten die Sprachübertragung einfacher, präziser und Telegrafie an Unternehmen. Im September 1922 wurde kommerziell sinnvoll. der telegrafische Dienst durch Sprechfunk ersetzt. Ausstellungskonzept Bei der Perspektive der Geräteproduktion stehen die Herstellung von und der Handel mit Radio- und Fernseh- Die Ausstellung erzählt in fünf chronologisch aufeinan- geräten im Mittelpunkt. der folgenden Themenbereichen die Geschichte von Ra- dio und Fernsehen von den Funkanfängen um 1900 bis Die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer fragt zu den digitalen Medien der Gegenwart. Ihnen vorange- danach, wie die Technik das Leben der Menschen prägt stellt ist ein Prolog zum Jubiläumsanlass. Den Abschluss und wie sich Nutzungsgewohnheiten verändert haben. bildet ein interaktiver Bereich zur Medienkompetenz- vermittlung. Interaktive Vorführ- und Mitmachstationen ergänzen die Ausstellung. Sie zeigen lebensnah, wie ein 1. Es beginnt mit der Funkstunde – Lautsprecher funktioniert, wie Filme vertont werden 100 Jahre Rundfunk oder wie Fernsehsendungen mithilfe der Greenscreen- Technik entstehen. Das TECHNOSEUM versteht sich als Besucherinnen und Besucher tauchen im Eingangsbe- außerschulischer Lernort, weshalb Schulklassen und Fa- reich direkt in die Geburtsstunde des Rundfunks ein: milien mit Kindern bei der Vermittlung im Vordergrund Im Zentrum steht ein Mikrofon der Funk-Stunde AG aus stehen. Berlin. Mit den Worten „Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf Welle 400 Me- Als roter Faden ziehen sich drei „Perspektiven“ ter!“ nahm sie am 29. Oktober 1923 als erster Sender durch die gesamte Ausstellung: des neuen Unterhaltungsrundfunks einen regelmäßigen Programmbetrieb auf. In den folgenden Jahren wurden Die Perspektive der Programmproduktion zeichnet die Grundstrukturen des neuen Mediums ausgearbeitet. Entwicklungslinien der Programmgeschichte nach und Technisch begann die Geschichte des Radios aber bereits Funkanlage nach Guglielmo Marconi bestehend aus gibt Einblicke in Methoden und Berufsbilder der Radio- weit vor dieser Zeit. Darum führt der zweite Themenbe- Knallfunkensender (1898), Spule (um 1910), Morsetaste (1938), und Fernsehprogrammproduktion. reich zurück ins 19. Jahrhundert. Magnetdetektor (nach 1902) und Übertrager (um 1900) 6 7
EINFÜHRUNG IN DIE AUSSTELLUNG AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN wie genau die Hersteller ihre Empfänger zu bauen hat- ten. Zudem war das Selbstbasteln von Radios verboten. Insbesondere an die letzte Vorgabe hielten sich viele nicht und hörten „schwarz“. Schließlich startete der Rundfunk auf dem Höhepunkt der Hyperinflation. Die Gebühren und Empfänger waren teuer. Dank fallender Beschrän- kungen und dem Wirtschaftsaufschwung nahm die Zahl Gemeinschaftsempfänger sorgen, die von der registrierten Hörer jedoch bald zu. allen großen Herstellern produziert werden mussten. Dazu gehörte insbesondere der „Volks- Auf Seiten der Radiomacher mussten sich Abläufe und empfänger VE 301“ von 1933. Mit Beschallungssyste- Methoden erst herausbilden. Neue Berufe entstanden, men wie dem „DAF 1011“ mit Rundlautsprecher war wie der des Rundfunkreporters. die „Führerrede“ auch bei der Arbeit zu hören. 4. Radio im Gleichschritt – Gesendet wurde live oder von Industrieschallplatte, bis Rundfunk im Nationalsozialismus Versuche mit mechanischem Fernsehen in den 1920er Wachsplatten 1929 die Aufzeichnung ermöglichten. Jahren brachten Empfänger wie den Fernsehbaukasten Das Radioprogramm eines Senders sollte Angebote für (1933 – 1945) „System Telehor“ mit „Nipkowscheibe“ hervor, entwi- jeden Geschmack bieten und zugleich kulturell bilden: ckelt von Dénes von Mihály (1894 –1953). Durchsetzen Das Spektrum reichte dabei von Sprachkursen und litera- Im Jahr 1933 geschah das, was mit der ursprünglichen konnte sich stattdessen das vollelektronische Fernsehen rischen Vorträgen über Tipps für Hausfrauen oder Land- Rundfunkordnung von 1926 hatte verhindert werden mit Elektronenröhren. Im Jahr 1935 startete in Deutsch- wirte bis hin zu Schachlehrgängen und Gymnastikübun- sollen: Mit der NSDAP kam eine Partei an die Regierung, land ein ideologisch gefärbtes Fernsehprogramm, des- gen. Als rundfunkeigene Programmform entstand schon die das Radio gezielt für ihre Zwecke einsetzte. Wie Ra- sen Höhepunkt die Olympischen Spiele 1936 waren. früh das Hörspiel. Auch musikalisch gab es Versuche, dio und Fernsehen als Instrument für Propaganda ge- Da kaum jemand einen Fernseher besaß, luden Fern- neue Klangbilder für das elektronische Medium „Rund- nutzt wurden, zeigt der vierte Bereich der Ausstellung. sehstuben in Berlin zum „Public Viewing“ auf kleinem funk“ zu schaffen. So präsentierte Friedrich Trautwein Bildschirm ein. Der vergleichsweise günstige „Fernseh- Alfred Braun, Radioreporter der Funk-Stunde AG, (1888 –1956) 1930 das elektronische „Trautonium“, den Nach der Machtübernahme unterstellten die Nationalsozi- Einheitsempfänger E1“ sollte für den Durchbruch des bei der Ankunft des Luftschiffs „Graf Zeppelin”, Vorläufer des Synthesizers. alisten den Rundfunk dem neugegründeten Reichsminis- Fernsehens sorgen, doch die Massenproduktion schei- Berlin 1928 terium für Volksaufklärung und Propaganda, in das seit terte am Kriegsbeginn. Während die noch jungen Sendeanstalten Tag für Tag 1935 über 50 Prozent der Rundfunkgebühren flossen. Die ihr Programm ausstrahlten, wurden die Grundstruktu- bereits verstaatlichten Sendegesellschaften wurden zu So blieb das Radio auch während des Krieges das ren des Rundfunks weiter definiert. Im Jahr 1926 war abhängigen Reichssendern erklärt, Führungskräfte in den zentrale Propagandainstrument. Sendungen wie das 3. Überall Radio – Rundfunk in der die erste deutsche Rundfunkordnung abgeschlossen. Sendern durch linientreue Parteifreunde ersetzt. Das zu- „Wunschkonzert für die Wehrmacht“ verbanden Hei- Weimarer Republik (1923 –1933) Sie ließ zwar privatwirtschaftliche Beteiligung zu, sicher- nächst durch viele Wortbeiträge geprägte Programm ließ mat und Front und dienten der Truppenmotivation. Seit te dem Staat aber die Kontrolle. So besaß die Post die Joseph Goebbels (1897 – 1945) in Richtung seichte Unter- Juni 1940 wurde ein Einheitsprogramm ausgestrahlt, Der dritte Themenbereich konzentriert sich auf die Ent- Mehrheit an den Sendegesellschaften und der überge- haltung ausbauen, um die Hörerschaft an die deutschen dessen Unterhaltungsanteil weiter stieg als die Siege wicklung eines öffentlichen Rundfunks zu Unterhaltungs- ordneten Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. Zudem produ- Sender zu binden. Propagandabotschaften wurden unter- ausblieben. Auch der Widerstand nutzte den Rund- zwecken. Anfangs war noch die Rede von einem „Rund- zierte die Drahtloser Dienst AG (Dradag), an der sich das schwellig eingeflochten. Für steigende Hörerzahlen soll- funk. So wandte sich Thomas Mann (1875 –1955) über spruch“. Vorangetrieben wurde der Plan unter anderem Innenministerium 51 Prozent gesichert hatte, Nachrich- ten günstige, staatlich in Auftrag gegebene die British Broadcasting Corporation (BBC) war- von Hans Bredow, seit 1921 Staatssekretär für das Tele- ten und politische Inhalte für alle Anstalten. Ein wichtiges nend an die deutsche Bevölkerung. Das grafen-, Fernsprech- und Funkwesen. Die Frage war nun: Ziel war es, durch die grundsätzliche Überparteilichkeit Hören ausländischer Sender wurde Wie sollte das neue Medium beschaffen sein? Fest stand, des Programms eine Instrumentalisierung durch einzelne allerdings mit Gefängnis oder so- dass trotz privatwirtschaftlicher Beteiligung der Staat die Parteien zu verhindern. Und der Plan ging auf – bis zum gar Tod bestraft. Gegen Kriegsen- Kontrolle haben sollte. Schließlich barg der Rundfunk Kabinett Franz von Papens (1879 –1969) 1932. Fest von de prägten Durchhalteparolen das große Gefahren, wie der „Funkerspuk“ am 9. November der Überparteilichkeit der Regierungspolitik überzeugt, Programm. Am 13. Mai 1945 stellte 1918 gezeigt hatte. An diesem Tag der Abdankung des wurde in einer umfassenden Reform der Einfluss von der letzte Sender des Großdeut- Kaisers und der Ausrufung der Republik hatten Abge- Reich und Ländern auf den Rundfunk ausgebaut, vor al- schen Rundfunks den Betrieb ein. sandte des Berliner Arbeiter- und Soldatenrates die Zen- lem durch die Verstaatlichung von Sendegesellschaften trale des deutschen Pressenachrichtenwesens besetzt und der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. Darüber hinaus und per Rund-Funk „an alle“ den Sieg der Revolution wandte sich die Regierung seit Juni 1932 in der „Stunde verkündet. Noch während die Strukturen des Rundfunks der Reichsregierung“ regelmäßig per Radio an die Hö- Stück für Stück definiert wurden, kam es 1923/24 zur rerschaft. In Kraft trat die Reform erst am 18. November Gründung von neun regionalen Sendegesellschaften. 1932 – einen Tag nach dem Rücktritt der dafür verant- Arbeitsfront-Empfänger „DAF 1011“ Aus den genannten Bedenken heraus wurde das nun wortlichen Regierung. (unten) mit Arbeitsfront-Rundstrahler „Unterhaltungs-Rundfunk“ genannte Medium zunächst „AFR 354“ (oben), 1935 streng reglementiert. Festgelegt wurde unter anderem, 8 9
EINFÜHRUNG IN DIE AUSSTELLUNG AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN Wellenplan (1948 –1950) zu wenige Mittelwelle-Fre- wichtige Ziele der Fernsehmacher. Grundle- der „Pop Shop“ im dritten quenzen für die Rundfunkversorgung der Gesamtbevöl- gend für die Programmplanung war schon früh Südwestfunk-Programm kerung erhielt, wurde die Ultrakurzwelle (UKW) einge- die Einteilung in verschiedene Programmsparten (SWF). Produziert wurde letz- führt. Sie machte sogar ein zweites Programm möglich, wie Information, Sport oder Unterhaltung, die stra- terer erstmals im Selbstfahrer- das jedoch inhaltlich dem ersten glich. Mit steigendem tegisch auf bestimmte Sendeplätze verteilt wurden. Das betrieb, bei dem der Moderator Wohlstand stiegen auch die Hörerzahlen und das Radio nachmittägliche Kinderprogramm, bestehend aus Bastel- auch die Technik bediente. Nach dem wurde zum Leitmedium. und Spielsendungen sowie erzählenden Geschichten, Erfolg des „Pop Shops“ wurde das Konzept richtete sich aufgrund eines neuen Jugendschutzgeset- Vorbild für die Pop- und Servicewelle SWF3, zu der das Doch die Konkurrenz wartete bereits: Der Nordwest- zes seit 1958 nur noch an Kinder ab dem Grundschul- dritte Programm des Südwestfunks – bei dessen Grün- deutsche Rundfunk (NWDR) begann 1950 mit Fernseh- alter. Trotzdem sahen Vorschulkinder natürlich fern, mit dung noch fremdsprachige „Gastarbeiterprogramme“ versuchssendungen, die am 25. Dezember 1952 in einen Vorliebe amerikanische Fernsehsendungen wie „Fury“ eine Rolle gespielt hatten – 1975 umgeformt wurde. Der regelmäßigen Programmdienst mündeten – vier Tage (1958) oder „Bonanza“ (1962), die zunehmend einge- SWF entschied sich damit für ein anderes Konzept als nach dem Start des DDR-Versuchsprogramms. kauft wurden. Neue Vorstellungen von Kindererziehung Bayerischer (BR) und Hessischer Rundfunk (hr), die ihre und Angst vor der postulierten „Bildungskatastrophe“ dritten Senderketten als Reaktion auf die zunehmende Im fünften Ausstellungsbereich wird die allmähliche Aus- führten Anfang der 1970er Jahre zum Umdenken: Die Massenmotorisierung 1971/72 zu „Autofahrer-Wellen“ dehnung des Begriffs „Rundfunk“ auf das Fernsehen amerikanische „Sesamstraße“ (NDR, 1971/73) mit regelmäßigen Verkehrsnachrichten und Servicean- beschrieben. Für das Radio kam der Begriff „Hör(rund) und „Die Sendung mit der Maus“ (WDR, geboten umbauten. Neben den klassischen „Ein- Roter Knopf zur Einläutung des Farbfernsehens funk“ auf. Ab November 1954 gestalteten die ARD- 1971) vermittelten künftig Wissen anschau- schaltprogrammen“ entstanden so erste „Be- durch Willy Brandt, 25. August 1967 Anstalten das Fernsehprogramm gemeinsam. Es war lich und spannend an Kinder ab dem Vor- gleitprogramme“. Die Reformen hatten Erfolg: zuerst auf wenige Stunden begrenzt und wurde meist schulalter. Die Hörerzahlen stiegen und das Radio konnte live gesendet. Neue Produktionsmethoden und inno- die durch die Fernsehkonkurrenz entstandene 5. Konkurrenz belebt das Geschäft – vative Technik wie Magnetband-Aufzeichnungsanlagen Die steigende Beliebtheit des Fernsehens Krise abwenden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in machten den Programmausbau möglich und ließen das führte dem Hörfunk die Notwendigkeit Fernsehen zur Industrie wachsen. Zunehmend zog der von Programmverände- Westdeutschland (1945 –1984) Fernseher in die Wohnzimmer ein, ob als Tischgerät oder rungen vor Augen. Da das 6. Zukunft braucht Veränderung – große Fernsehtruhe, ob klassisch oder im modernen nur wenige Stunden um- Der duale Rundfunk in der Bundesre- „Nie wieder!“, lautete das einhellige Fazit nach Ende des Design von Braun und der Württembergischen Radio- fassende Fernsehprogramm auf den Abend fiel – Krieges. Für den Rundfunk in West-Deutschland bedeu- gesellschaft m. b. H. (WEGA). So prägte das traditionell die Hoch-Zeit des Radiohörens – schlug publik und im geeinten Deutschland tete dies: Er sollte staatsfern sein und bleiben. Das Re- neue Medium schnell Gewohnheiten und Peter Kehm (1920 –2016), Hörfunkdirektor des Süddeut- (1984 – 2023) sultat war der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Tagesabläufe. Statt eines staatlichen zwei- schen Rundfunks (SDR), 1958 zwei gegensätzliche Radio- Rundfunk nach britischem Vorbild. Im Gegensatz dazu ten Programms, wie von Konrad Adenauer Angebote am Abend vor: Unterhaltung im Ersten, Bildung Kaum war die eine Herausforderung gemeistert, wartete blieb die Rundfunk-Organisation im Osten in Staats- (1876 –1967) geplant, startete 1963 das öf- im Zweiten Programm. Was zunächst nur für den Abend auch schon die nächste, dieses Mal auf Radio und Fern- hand. In den westlichen Besatzungszonen entstanden fentlich-rechtliche Zweite Deutsche Fernsehen gedacht war, wurde in den Folgejahren auf das gesamte sehen: Die Privaten kamen! Im sechsten Bereich der Aus- sechs regionale Sendeanstalten, die 1950 die Arbeitsge- (ZDF) als Kontrast zum ARD-Gemeinschafts- Tagesprogramm angewendet – auch bei anderen Sen- stellung wird folglich die Entwicklung des dualen Rund- meinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten programm, bald gefolgt von den dritten ARD- dern. Zudem wurde das kleinteilige „Kästchenprinzip“ funks mit Aufkommen der privaten Anbieter dargestellt. der Bundesrepublik Deutschland (ARD) gründeten. Wie Programmen. Mit Willy Brandts (1913 –1992) zugunsten größerer Programmfelder aufgelöst. „Magazi- Schon in den 1970er Jahren stand die Frage nach einer vor dem Krieg war das Programm kleinteilig und soll- Druck auf den roten Knopf wurde das Fernse- ne“ mit Musik und Wortbeiträgen entstanden. Öffnung des Rundfunks für diese im Raum. Bot doch die te für alle etwas bieten, denn hen 1967 bunt – zumindest für die, die sich eins aufkommende Kabel- und Satellitentechnik endlich einen es gab nur ein Mittel- der teuren Farbfernsehgeräte leisten konnten. Mit dem Aufkommen kompakter, günstiger Transistor- Ausweg aus der Frequenzknappheit. Im Rahmen von vier welle-Programm radios Ende der 1950er Jahre konnten sich auch junge Kabelpilotprojekten, dem ersten 1984 in Ludwigshafen, pro Anstalt. Da Die neue Senderkonkurrenz ließ Zuschauer- Leute ein eigenes Radio leisten. Damit wurden sie als gingen dann erstmals Privatsender an den Start, darun- D eu t s chland forschung relevant werden. Dennoch rich- Zielgruppe für die Radiomacher interessant. Teens und ter die Programmgesellschaft für Kabel- und Satelliten- als Kriegsver- tete sich das Programm nicht allein nach Twens hörten allerdings lieber Beat-Hits bei Radio Luxem- rundfunk (PKS), später SAT.1, unter Beteiligung von Leo lierer laut Ko- dem Zuschauerwillen. Bildung und die burg als deutsche Schlager bei den ARD-Sen- Kirch (1926 –2011) und RTL Plus unter Beteiligung der penhagener Förderung kritischen Denkens wurden dern. Auch Single-Schallplatten in Stereo- Bertelsmann AG. Nach langen Diskussionen kam es 1987 Qualität und Aufzeichnungsmöglichkeiten schließlich zum Staatsvertrag zur Neuordnung des Rund- auf Tonband oder Kassette wurden zur funkwesens und in der Folge zur Gründung zahlreicher Radio-Konkurrenz. So entstanden erste privater Voll- und Spartenprogramme. Nach der Wieder- eigene Jugendsendungen mit angloame- vereinigung 1990 wurde das nun duale Rundfunksystem rikanischer Musik wie 1964 „Hallo Twen“ auch in der ehemaligen DDR eingeführt. der Europawelle Saar (heute SR1) und 1970 Radio „Südfunk Transistor K 986“, In Vorbereitung und als Reaktion auf die neue Situa- eines der ersten Transistorradios tion schufen die öffentlich-rechtlichen Radiosender seit mit UKW, 1959 Maus-Bewegungsphasen auf Folien, 1973 1979 Regionalfenster, installierten vierte Programme 10 11
EINFÜHRUNG IN DIE AUSSTELLUNG AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN Auch die Fernsehsender hatten sich schon im Vorhinein Smartphone und immer höhere Datenra- mit Programmreformen (ZDF 1973, ARD 1978) auf die ten stand auch unterwegs bald die gan- neue Konkurrenz eingestellt. So wurde die Zielgruppen- ze Bandbreite medialer Unterhaltung zur orientierung stärker in den Fokus gerückt und der Anteil Verfügung. an fiktionaler Unterhaltung mit Seifenopern wie „Dallas“ (ARD, 1981) und „Denver Clan“ (ZDF, 1983) erhöht. In In den letzten Jahren wachsen Radio, weit größerem Maße fanden sich amerikanische Serien Fernsehen und Internet immer mehr zu- bei den kommerziellen Anbietern. Ergänzt wurden sie sammen. Wegen des veränderten Work- um günstig produzierte Game- und Unterhaltungsshows flows entstehen neue, medienübergrei- mit Produktplatzierungen, Klamauk und viel nackter fende Funkhäuser, wie die des SWR in Haut. Binnen weniger Jahre entstanden auf diese Weise Baden-Baden und Mannheim. Auch die 24-Stunden-Programme, für deren Planung die Einschalt- Grenzen zwischen Sendern und Emp- quote und der „Audience Flow“ – die Wanderbewegung fängern verschwimmen: Auf sozialen von Zuschauern bei aufeinanderfolgenden Sendungen – Netzwerken und Videoportalen können zu relevanten Größen wurden. Nachdem sich die großen Nutzerinnen und Nutzer selbst Inhalte Privatsender auf dem Markt etabliert hatten, stieg der veröffentlichen und zu Influencerinnen Anteil hochwertig produzierter Shows und Serien. Die und Influencern werden. Öffentlich-Rechtlichen beriefen sich indes auf ihre größ- te Stärke: die Information. Ihr Anteil wurde ausgebaut, Fernseh- und Radiosender gehen ihrer- wobei – anders als bei den Privaten – Politik statt Info- seits „auf Empfang“ und suchen noch tainment im Vordergrund stand. mehr als bisher die Kommunikation mit dem Publikum. Zwar überwiegt immer Ende der 1990er Jahre erreichte die Digitalisierung den noch der lineare Konsum, doch wächst Rundfunk. Beim Radio kamen erste Softwarelösungen zur der Anteil der On-Demand-Nutzung ste- Set „Emilys Laden / Vleder BAG“ aus der Serie Programmsteuerung auf, angeschlossen an große CD- tig. So stellt sich die Frage: Haben das „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, um 2018 Wechsler. Beim Fernsehen folgten auf die „Elektronische klassische Radio und Fernsehen sowie Berichterstattung“ mit Magnetbandkassetten (U-Matic, speziell der öffentlich-rechtliche Rund- Betamax) Kameras mit Speicherdiscs und -karten. In der funk in der veränderten Medienwelt und grenzten die einzelnen Sender hinsichtlich Wortan- Übertragungstechnik starteten Digital Audio Broadcas- noch einen Platz? Wenn ja, in welcher teil und Musikfarbe voneinander ab. So gab es Anfang ting (DAB, 2011 DAB+) und Digital Video Broadcasting Form? der 1990er Jahre in den meisten Anstalten eine Infor- (DVB). Auf Empfängerseite verschwanden die klobigen mations-, eine Kultur-, eine Regional- und eine Pop- und Röhrengeräte zugunsten von Flachbildschirmen – seit Rockwelle. Zunächst bei den privaten Sendern, dann 2006 zunehmend mit High Definition-Auflösung (HD). 7. Fake News, Bots und auch bei den öffentlich-rechtlichen Pop- und neuge- Doch die wahre Revolution geschah an anderer Stelle: Filterblasen – Sicher durch gründeten Jugendwellen setzte sich das „Formatradio“ Die Verbreitung des World Wide Web und digitaler Au- mit einheitlichem Programmstil durch, das auf leichte dio- und Videoformate entkoppelte die Mediennutzung den Mediendschungel Wiedererkennbarkeit bei der Sendersuche abzielte. Jin- von Endgeräten und Sendezeiten. Online-Musik- und gles ersetzten die alten Pausenzeichen. Video-Dienste sowie Mediatheken entstanden. Durch Mit dem interaktiven Bereich sieben endet die Reise oben: Mitmachstation zur Hörfunk-Programmproduk- durch mehr als 100 Jahre (Rund-)Funkgeschichte. Im Fo- tion: Moderationstexte sollen auf Zeit eingesprochen kus steht hier die Frage: Was bedeutet die veränderte, werden. digitale Medienwelt ganz konkret für unseren Umgang mit Medien heute? Bisher fungierten Massenmedien wie unten: Blick in Bereich 3: links Nutzerperspektive, Radio und Fernsehen als „Gatekeeper“ (Torwächter), die mittig Geräteproduktion, rechts Programmproduktion aus der Fülle der täglichen Ereignisse die wichtigsten aus- wählten und dem Publikum präsentierten. Durch soziale Netzwerke, Blogs und Videoportale wird diese Funktion Werkzeug an die Hand, um sich selbstreflektiert durch zunehmend außer Kraft gesetzt: Jeder kann seine Mei- den heutigen Mediendschungel bewegen zu können: nung veröffentlichen. Algorithmen treten an die Stelle Wer alle gestellten Aufgaben meistert, wird Mitglied der menschengemachter Programme. Die Kontrolle liegt in TASK FORCE „Faktenchecker“. den Händen kommerzieller Großkonzerne. Nutzerinnen Kukri und geschnitzte Figuren und Nutzer sind daher stärker als bisher in der Verant- Anke Keller von Fritz Meinecke aus der wortung zu prüfen: Welchen Inhalten kann ich vertrauen erfolgreichen YouTube-Serie und welchen nicht? Spielerisch und anschaulich gibt die- „7 vs. Wild“, 2021 ser Bereich den Besucherinnen und Besuchern das nötige 12 13
LAGEPLAN DER AUSSTELLUNG Eingang 1 1 AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN Ausgang 5 5 Konkurrenz belebt Konkurrenz das Geschäft belebt das Geschäft 1 1 Es beginnt mit Es der beginnt 100 Jahre Rundfunk Funk-Stunde mit der Funk-Stunde 100 Jahre Rundfunk Der öffentlich-rechtliche Der öffentlich-rechtliche 1945 – 19841945 – 1984 Rundfunk in Rundfunk Westdeutschland in Westdeutschland Zukunft braucht Zukunft Veränderung braucht Veränderung 2 2 6 6 Funken, die die Funken, Welt die verändern die Welt verändern Der duale Rundfunk Der dualeinRundfunk der Bundesrepublik in der Bundesrepublik und und Die Anfänge Dieder Anfänge Funktechnik der Funktechnik im geeintenimDeutschland geeinten Deutschland 1860 – 19231860 – 1923 1984 – 20231984 – 2023 3 3 7 7 Überall RadioÜberall Radio Fake News, Bots Fake und News, Filterblasen Bots und Filterblasen Rundfunk in Rundfunk der Weimarer in der Republik Weimarer Republik Sicher durch Sicher den Mediendschungel durch den Mediendschungel 1923 – 19331923 – 1933 4 4 Radio im Gleichschritt Radio im Gleichschritt Rundfunk im Rundfunk Nationalsozialismus im Nationalsozialismus 1933 – 19451933 – 1945 14 15
AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN 1 TECHNIK DER RADIOÜBERTRAGUNG Teil 1: Mikrofon und Lautsprecher Teil 2: Funk und Wellen • den Aufbau von Mikrofon und Lautsprecher altersgerecht beschreiben und dabei auf die Umwandlung von Schall in elektrische Signale und wieder zurück Bezug nehmen. BILDUNGSPLANBEZÜGE (AUSWAHL) Teil 2: Funk und Wellen Die Schülerinnen und Schüler können Teil 1: Mikrofon und Lautsprecher • den Zusammenhang und Unterschied Grundschule: zwischen drahtgebundener und drahtloser Sachkunde Kl. 1-4, Musik Kl. 1-4 (Baden-Württem- Kommunikation benennen, berg, Hessen, Rheinland-Pfalz) • die Unterschiede von Radio- und Schallwellen feststellen und Radiowellen in den Bereich Gemeinschaftsschule: der elektromagnetischen Schwingungen Physik Kl. 8-10, Naturphänomene Kl. 5-6 (Baden- einordnen, Württemberg), NwT Kl. 8-10 (Baden-Württemberg, • den grundlegenden Aufbau des Marconi- Hessen, Rheinland-Pfalz) Apparats skizzieren und seine Bedeutung für die Radiotechnik beschreiben, Sekundarstufe I: • die Bedeutung von ungedämpften Naturphänomene Kl. 5-6 (Baden-Württemberg), Schwingungen und deren Rolle für die Physik Kl. 8-10, NwT Kl. 8-10 (Baden-Württemberg, Übermittlung von Sprachnachrichten Hessen, Rheinland-Pfalz) nachvollziehen, • Amplituden- und Frequenzmodulation unter- Berufsschule: scheiden und einen Zusammenhang zur Physik, Technik (Baden-Württemberg) Bandbreite herstellen. Teil 2: Funk und Wellen ANREGUNGEN FÜR DEN UNTERRICHT Sekundarstufe II: Physik Kl. 11-13 (Baden-Württemberg), Digitale Materialien finden Sie unter NwT Kl. 11-13 (Baden-Württemberg, Hessen, https://www.technoseum.de/auf-empfang Rheinland-Pfalz) IN DER AUSSTELLUNG Der Bereich zwei der Ausstellung widmet sich den An- LERNZIELE fängen der Funktechnik. Ausgestellt ist unter ande- rem eine Marconi-Station, die auf Schiffen eingesetzt Teil 1: Mikrofon und Lautsprecher wurde. Im Bereich Mediengeschichte auf Ebene F der Die Schülerinnen und Schüler können Dauerausstellung ist außerdem ein „Hausapparat ‚Mar- coni‘ für drahtlose Telegraphie“ aus dem Anfang des • den Zusammenhang zwischen Schall und 20. Jahrhunderts zu sehen. Gedacht war die kleine Schwingung herstellen, Funkstation für Amateure, die Interesse daran hatten, • die grundlegenden Elemente eines Systems zur sich mit dieser neuen Technik zu befassen. An einem Nachrichtenübermittlung benennen, Nachbau dieses Hausapparates können auch die Besu- Sendeanlage auf dem Gipfel des Fóia, 17 des höchsten Berges an der Algarve, Portugal
1 TECHNIK DER RADIOÜBERTRAGUNG AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN Eingangs- Eingangs- Sender Nachricht Eingangssignal Sender Übertragung Nachricht Eingangssignal Übertragung wandler wandler Morsealphabet Morseapparat Mikrofon Sendeantenne Lange und Elektrische Schall Elektrische Elektromagnetische kurze Zeichen Signale Signale Welle Ausgangs- Empfänger Ausgangs- Übertragung Empfänger Ausgangssignal Nachricht Übertragung Ausgangssignal Nachricht wandler wandler Elektromagnet Empfangsantenne Morsealphabet Lautsprecher Elektrische und Anker Elektromagnetische mit Fritter Punkte und Elektrische Schall Signale Striche Welle Signale Abb. 1: Prinzip der Nachrichtenübertragung am Beispiel des Morseapparates Abb. 2: Prinzip der Nachrichtenübertragung am Beispiel des Radios und 20 kHz (sehr hoher Ton). Die Frequenz bezeichnet cherinnen und Besucher der Ausstellung testen, dass 1837 stellte Samuel Morse (1791–1872) seinen elekt- Teil 1: Mikrofon und dabei die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde und mit elektromagnetischen Wellen Energie drahtlos über- romagnetischen Telegraphen vor. Damit konnten Nach- hat zu Ehren von Heinrich Hertz (1857–1894) die Ein- tragen werden kann. An weiteren Exponaten lässt sich richten in Sekundenschnelle über große Entfernungen Lautsprecher heit Hertz (1/s). Ein Hertz (Hz) bedeutet, dass der Ton in diesem Bereich auch die Entwicklung der Sender vom übertragen werden. einmal pro Sekunde die gesamte Schwingung durch- Knallfunkensender zum Röhrensender verfolgen. Das Mit dem Morseapparat hatte man ein zuverlässiges läuft. Dabei gilt: Je höher die Frequenz, desto höher ist Prinzip der für die Sprachübertragung wichtigen Mo- Die Nachrichten wurden mit Hilfe des Morse-Alpha- Kommunikationsmittel. Der Wunsch nach einer Über- auch der Ton. So hat der Kammerton a‘, der seit 1939 dulation wird in Bereich drei näher erläutert. Dort wird betes in eine für den Telegraphen lesbare Sprache aus mittlung von Sprachnachrichten war jedoch groß. in vielen Ländern der Normalstimmton ist, z. B. eine Fre- auch deutlich, dass die Sprachqualität einer Rundfunk- kurzen und langen Zeichen übersetzt. Der Morseap- quenz von 440 Hz und der etwas tiefere Ton c‘ eine sendung stark vom genutzten Mikrofon abhängt. Aber parat wandelte die Zeichen in elektrische Signale um, Damit Schallwellen über Kabel oder Funk übertragen niedrigere Frequenz von 261,93 Hz (Abb. 3, S. 20). auch den Umgang mit den Mikrofonen mussten die die über Kabel weitergeleitet wurden. Beim Empfänger werden können, müssen sie in elektrische Signale um- Nutzerinnen und Nutzer erst lernen. Funktionsfähige sorgte ein Elektromagnet am beweglichen Anker dafür, gewandelt werden. Dies ist die Aufgabe eines Mikro- Modelle eines Kohlestabmikrofons und eines einfachen dass ein Stift in Abhängigkeit der eintreffenden Signale fons. Der Lautsprecher wandelt die elektrischen Signale Mikrofon elektrodynamischen Lautsprechers warten darauf, von Punkte oder Striche aufzeichnete (Abb. 1). wieder in hörbare Signale um (Abb. 2). den Besucherinnen und Besuchern getestet zu werden. Kontaktmikrofon Der elektromagnetische Morseapparat war eine Revo- Die Entwicklung von Mikrofon und Lautsprecher ist eng Vom Vorbild des Ohres ausgehend entwickelte Philipp lution. Sender und Empfänger mussten jedoch über mit der Erfindung der Telefonie verknüpft und damit Reis (1834 –1874) für sein sogenanntes Telephon ein Einführung: Nachrichtenübermittlung Kabel miteinander verbunden sein. Über Morsezeichen deutlich älter als die Radio- oder Funktechnik. Kontaktmikrofon. Statt Ohrmuschel und Trommelfell konnten außerdem nur Textnachrichten übertragen nutzte er einen mit einer Membran versehenen ange- Der Wunsch, Nachrichten über größere Entfernungen werden. Eine drahtlose Kommunikation, mit der Musik schlossenen Schalltrichter. An der Membran war ein zu übertragen, ist sehr alt. Mit der Entdeckung der Elek- und später Filme übertragen werden konnten, war erst Ton und Schwingungen elektrischer Kontakt angebracht, der im Ruhezustand trizität im 19. Jahrhundert kam auch die Idee auf, dieses Anfang des 20. Jahrhunderts möglich. einen in einen Stromkreis eingebauten Kontakt gerade neue Medium zur Kommunikation bzw. zur Übermitt- Bei Geräuschen und Tönen handelt es sich um Schwin- noch berührte. Wurde die Membran durch die ankom- lung von Nachrichten zu nutzen. gungen, die durch die Luft übertragen werden. Das menden Schallwellen in Schwingung versetzt, wurden menschliche Hörvermögen umfasst dabei ungefähr ei- die Kontakte mehr oder weniger stark zusammenge- nen Frequenzbereich zwischen 20 Hz (sehr tiefer Ton) drückt. 18 19
1 TECHNIK DER RADIOÜBERTRAGUNG AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN Kohlestück Permanent- Lautsprecher- Stromquelle magnet konus Spule S { Kohlestab N Anschluß Hörer Verstärker Tiefer Ton: lange Wellenlänge, niedrige Frequenz S Kohlestück Abb. 4: Kohlestabmikrofon von Hughes (Forberger 1938, S. 7) Abb. 5: Aufbau eines elektrodynamischen Lautsprechers (LEIFIphysik, Elektrodynamischer Lautsprecher) Kohlemikrofon Auch mit Kohle kann man die Schwingungen einer Leiser Ton: geringe Amplitude (Auslenkung) Membran sehr einfach in elektrische Impulse umwan- Da es kaum möglich ist, den gesamten acht Oktaven Radiowellen gehören wie das sichtbare Licht zu den elek- deln. Aufbauend auf der Erfindung von Reis entwickel- umfassenden Hörbereich mit einem Lautsprecher in tromagnetischen Wellen. Mit Wellenlängen zwischen ca. te David Edward Hughes (1831 –1900) 1878 das erste gleichguter Qualität zu übertragen, bestehen moderne 1 m und 1 km gehören Radiowellen zum langwelligen Kohlestabmikrofon (Abb. 4). Dabei wird ein zugespitz- Hi-Fi-Lautsprecher meist aus drei Einzellautsprechern Teil des elektromagnetischen Spektrums. Zum Vergleich: ter Kohlestab von zwei in den Stromkreis eingebauten für hohe, mittlere und tiefe Töne. Sichtbares Licht hat Wellenlängen zwischen 450 nm und Kohlestücken locker gehalten. Eintreffende Schallwel- 700 nm (ca. 0,5 *10-6 bis 10-6m), Gammastrahlen am len führen zu leichten Stabbewegungen. Der Wider- Die Funktion des Lautsprechers basiert auf der Wech- kurzwelligen Ende des elektromagnetischen Spektrums stand im Stromkreis ändert sich und ruft im Rhythmus selwirkung eines Permanentmagneten mit einer Spu- haben Wellenlängen von 10 bis 13 m (Abb. 6, S. 22). der Schallwellen Stromschwankungen hervor. le. Der durch die Spule fließende Strom schwankt im Rhythmus der ursprünglichen Schallschwingung und Elektromagnetische Wellen, besonders Radiowellen, Als Kohlegrieß-Mikrofone, bei denen eine mit Koh- erzeugt damit in der Spule ein Magnetfeld, dessen werden häufig auch über ihre Frequenz unterschieden. legrieß gefüllte Kapsel zwischen die Kontakte geschal- Richtung und Stärke sich in Abhängigkeit vom Strom- Die Frequenzen von Radiowellen liegen zwischen 300 tet ist, waren Kohlemikrofone bis in die 1970er Jahre in fluss ändert. In Abhängigkeit von diesem Magnetfeld MHz und 300 kHz. Hoher Ton: kurze Wellenlänge, hohe Frequenz Telefonhören im Einsatz. zieht der in die Spule hineinragende Permanentmagnet die Spule mehr oder weniger stark an bzw. stößt sie ab. Durch diese kleinen Bewegungen wird die mit der Drahtlose Telegraphie: Marconi und Lautsprecher Spule fest verbundene, freischwingende Membran in der Marconi-Apparat Schwingung versetzt. Die entstehenden Töne werden Lautsprecher übersetzen die elektrischen Signale wieder durch den Lautsprecherkörper an die Umgebung wei- Guglielmo Marconi in hörbare Schallschwingungen. Auch Ihre Entwicklung tergeleitet (Abb. 5). Guglielmo Marconi (1874 –1937) war der erste Mensch, ist eng mit der Erfindung des Telefons verknüpft. der 1896 in England ein Patent auf einen drahtlosen Te- legraphenapparat anmeldete. 1897 gelang es ihm, eine Werner von Siemens (1816–1892) erhielt 1878 ein Pa- Nachricht im Morsecode über sechs Kilometer von der tent auf seinen bereits sehr ausgereiften Aufbau eines Teil 2: Funk und Wellen Insel Falt Holm über den Bristolkanal auf das Festland elektrodynamischen Lautsprechers. Zu dieser Zeit fehlten zu übertragen. In den Folgejahren arbeitete er daran, aber geeignete Verstärker. Heute gilt Oliver Lodge (1851– Radiowellen Sendeleistung, Reichweite und Selektivität seines Tele- Lauter Ton: hohe Amplitude (Auslenkung) 1940) als Erfinder des Lautsprechers. Er erhielt 1898 ein Entscheidend für eine kabellose Übermittlung von graphenapparats zu verbessern. Was uns heute selbst- Patent auf einen trichterlosen Lautsprecher mit Schwing- Nachrichten ist die Existenz von Radiowellen, die von verständlich erscheint, hielten viele Wissenschaftler spule, dem Vorbild für die heutigen elektrodynamischen James Clerk Maxwell (1831 – 1879) vorhergesagt und damals u. a. aufgrund der Erdkrümmung für unmög- Abb. 3: Schwingung Ton 100 Hz, Ton 1.000 Hz Lautsprecher. Gut funktionierende Lautsprecher mit Ver- 1886 von Heinrich Hertz zum ersten Mal experimentell lich – eine Funkbrücke nach Amerika. Marconi ließ sich stärker kamen erst in nach der Entwicklung der Röhren- bestätigt wurde. aber nicht beirren. Am 18. Januar 1903 fand die ers- verstärker in den 1920er Jahren auf den Markt. te öffentliche transatlantische Kommunikation statt. 20 21
1 TECHNIK DER RADIOÜBERTRAGUNG AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN 1m Marconi tauschte über seine Marconi Wireless Stati- 10-5 nm 10-3 nm 1 nm 103 nm 105 nm (109 nm) 103 m on Grußbotschaften zwischen US-Präsident Theodore Roosevelt (1858 –1919) und dem König von England Gamma- Röntgen- Mikro- Radio- Edward VII. (1841 –1910) aus. Kurze Zeit später wur- strahlen strahlen UV Infrarot wellen wellen de die erste Telegraphennachricht an einen Passagier- dampfer auf den Nordatlantik übermittelt. Weitere Ver- besserungen ermöglichten ab 1903 eine regelmäßige Übertragung von Funktelegrammen von Poldhu nach Glace Bay in Nova Scotland, eine Distanz von knapp 4.000 km. Mit der verbesserten Telegraphentechnik konnten auch auf Schiffen Nachrichten empfangen werden. 1909 erhielt Marconi für seine Verdienste zur drahtlosen Telegraphie den Nobelpreis für Physik. Marconi-Apparat: Sendestation 380 450 500 550 600 650 700 750 (nm) Die Sendestation von Marconi (Abb. 7) bestand aus zwei Elektroden im Abstand von mehreren Zentime- Abb. 7: Funkstation auf Poldhu (Cornwall), tern. Mittels Hochspannung wurde zwischen den bei- Großbritannien, 1901 Wellenlänge nimmt zu den Elektroden ein Funkenüberschlag erzeugt. Der Name „Knallfunkensender“ geht auf den den Funken- Frequenz nimmt zu überschlag begleitenden Knall zurück. Die dabei freige- Energie nimmt zu setzte Energie wurde an eine angeschlossene Antenne weitergeleitet, die einen Teil der Energie in Form einer elektromagnetischen Welle abstrahlt. Da für die Aus- strahlung der elektromagnetischen Welle die Erzeu- Abb. 6: Elektromagnetische Wellen (LEIFIphysik, Elektromagnetische Wellen) gung eines Funkens notwendig war, nannte man diese erste Form der drahtlosen Informationsübermittlung „Funken-Telegraphie“. Die Signale von Knallfunken- sendern besitzen eine große Bandbreite und stören da- Länge und Frequenzen von Radiowellen durch den Empfang anderer Sender. Ab 1920 wurden sie deshalb verboten. Längst- und Langwellen Wellenlänge Übertragung von Nachrichten und Funk über große Mit Knallfunkensendern können auch nur Morsesignale Entfernungen (z. B. Kommunikation mit U-Booten) übertragen werden. Für die Übertragung schaltet eine Morsetaste den Funkensender ein bzw. aus. Die Dauer Längstwelle VLF 10 bis 100 km 3 bis 30 kHz des Tastendrucks bestimmt dabei, ob ein langes oder kurzes Signal übermittelt wird. Langwelle LF 1 bis 10 km 30 bis 300 kHz Marconi-Apparat: Empfängerstation Auch die Empfängerstation besteht aus einer einfachen Abb. 8: Haus-Apparat „Marconi“ Mittel- und Kurzwelle Amateurfunk, mittlerweile selten für Hörfunk Drahtantenne mit angeschlossenem Fritter oder Ko- härer (Abb. 8). Beim Fritter handelt es sich um ein mit Mittelwelle MF 1 bis 100 km 300 bis 3.000 kHz Eisenpulver gefülltes Glasröhrchen, in dessen Innerem sich zwei Elektroden befinden. Der Fritter ist in einen Kurzwelle HF 10 bis 100 m 3 bis 30 MHz Stromkreis eingebaut, der z. B. ein Relais oder Glüh- lämpchen steuert. Ultrakurzwelle UKW 1 bis 10 m 30 bis 300 MHz Rundfunk, Amateurfunk, Einsatzfunk (z. B. von Polizei und Feuerwehr) Trifft eine elektromagnetische Welle auf die Empfän- gerantenne, wird das elektromagnetische Feld von der Empfängerantenne weitergeleitet und sorgt dafür, dass sich die Eisenteilchen im Fritter verdichten. Dadurch ver- (LEIFIphysik, Radiowellen) ringert sich der Widerstand des Fritters. Er wird durch- lässig und die Lampe leuchtet bzw. das Relais wird ange- 22 23
1 TECHNIK DER RADIOÜBERTRAGUNG AUF EMPFANG! DIE GESCHICHTE VON RADIO UND FERNSEHEN Nutzsignal zogen. Werden die Eisenteilchen durch leichtes Klopfen Weihnachten 1906 wurde das erste Mal eine Sprach- U1 an das Rohr wieder gelockert, erlischt das Lämpchen und Musikübertragung drahtlos in die Welt abgestrahlt. und der Fritter kann neue Signale empfangen. In der Funkstation Brant Rock im US-Bundesstaat Mas- sachusetts las Reginald Fessenden (1866 –1932), der Mit einem Wagner‘schen Hammer wird dieser Prozess gemeinsam mit Max Wien (1866 –1938) einen Sender t automatisiert. Der Hammer ist ähnlich wie eine elektri- entwickelt hatte, um Sprachnachrichten per Funk zu sche Klingel aufgebaut. Sobald der Fritter durchlässig übertragen, aus der Bibel vor und spielte „Stille Nacht, wird, wird ein bewegliches Eisenplättchen angezogen heilige Nacht“ auf der Geige. und ein daran angebrachter kleiner Bolzen schlägt an das Glasrohr. Modulation Trägersignal Um gefunkte Morsesignale zu empfangen, wird die U1 Spule des Morsegeräts parallel zum Fritter geschaltet. Ein Charakteristikum aller Wellen ist, dass sie sich unge- Der Anker des Morsegeräts muss dabei so lange ange- stört überlagern. Unser Hörbereich umfasst Frequenzen zogen bleiben, wie der Fritter eine konstante Funkwelle zwischen ca. 20 Hz und 20 kHz. Für die Funkübertra- t empfängt, d. h., das Morsesystem muss etwas träger gung werden diese niederfrequenten Schallschwingun- arbeiten als das Frittersystem. gen der ungedämpften, hochfrequenten elektromag- netischen Welle, die der Sender ausstrahlt, überlagert. Im angezogenen Zustand drückt der Anker auf den In der Nachrichtentechnik spricht man von Modulation. Schreibstift der sich drehenden Papierrolle. Vorschub- geschwindigkeit der Papierrolle und Frequenz der Mor- Ändert sich dabei die Auslenkung der Trägerwelle, d. h. frequenzmoduliertes Signal setasten bestimmen dann die Aufzeichnungslänge der die Amplitude in Abhängigkeit von Frequenz und Am- gedachte Hüllkurve übermittelten Signale. plitude des zu übertragenden Signals, spricht man von U AM „Amplitudenmodulation“ (Abb. 10). Die zu übertra- gende Information ist also in der Amplitude des Signals Drahtlose Musikübertragung gespeichert. Da die Amplitude eines Signals aber leicht t verändert werden kann und dadurch die gesendete Ein Knallfunkensender erzeugt nur gedämpfte Schwin- Information verfälscht bzw. unbrauchbar wird, ist die gungen. Das bedeutet, die Auslenkung oder Amplitu- Amplitudenmodulation sehr störanfällig. de der Schwingung nimmt relativ schnell ab (Abb. 9). Für eine Sprachübertragung sind jedoch ungedämpfte, Ändert man die Frequenz des Trägersignals im Rhyth- regelmäßige Schwingungen als Träger erforderlich, die mus der Frequenz des zu übertragenden Signals, spricht erst mit einer verbesserten Sendetechnik erzeugt wer- man von „Frequenzmodulation“ (Abb. 11). Diese ist im den konnten (vgl. Abschnitt zur Entwicklung der Sende- Vergleich zur Amplitudenmodulation deutlich weniger Abb. 11: Frequenzmodulation (Thomann Online- und Empfangstechnik). störanfällig. Abb. 10: Amplitudenmodulation Ratgeber o. D.) Die Amplitudenmodulation wurde dabei vor allem im Lang-, Mittel- und Kurzwellenbereich, d. h. bei Fre- quenzen zwischen 30 kHz und 30 MHz verwendet, die Entwicklung der Sende- und Mit dem Aufkommen von Elektronenröhren und deren Frequenzmodulation für den UKW-Bereich, d. h. für Empfangstechnik Weiterentwicklung zu Senderöhren verloren diese Tech- Frequenzen zwischen 30 und 300 MHz. Die dazuge- niken an Bedeutung. Ein entscheidender Schritt dabei hörigen Abkürzungen AM und FM sind noch auf vielen Wie bereits erwähnt, sind Knallfunkensender für die war die Meißner-Schaltung, bei der über Rückkopplung älteren Radios zu finden. Sprachübertragung ungeeignet. Mit Lichtbogen- und eine stabile ungedämpfte Schwingung erzeugt werden Maschinensendern konnten Anfang des 20. Jahrhun- konnte. Um die im Übertragungssignal gespeicherten Informa- derts bereits ungedämpfte regelmäßige Schwingungen tionen wieder in hörbare Schallfrequenzen umzuwan- erzeugt und für Radioübertragungen genutzt werden. Die modernen Sendeanlagen bestehen heute meist aus deln, wird der Empfänger auf die Sendefrequenz abge- Der Lichtbogensender geht auf Valdemar Poulsen einem Oszillator. Dessen Schwingung kann direkt auf stimmt. Das Sendesignal wird herausgefiltert und der (1869 –1942) zurück, der den Knallfunken durch einen die Sendeantenne geleitet werden. Um die Sendeleis- Empfänger nimmt nur noch die Informationen auf, die gleichmäßig brennenden Lichtbogen ersetzte. Beim tung zu erhöhen, werden jedoch meist noch mehrere mit dem Niederfrequenzsignal des ausgewählten Sen- von Reginald Fessenden entwickelten Maschinensender Verstärkerstufen dazwischengeschaltet. Abb. 9: Gedämpfte Schwingung ders übermittelt werden. treibt ein Elektromotor einen eng getakteten Wechsel- strom-Generator an, der eine sinusförmige Wechsel- Anke Neuhaus spannung einer bestimmten Frequenz erzeugt. 24 25
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